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Die Weltenwandlerin

von

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Verstrickungen

Nach dem Essen, bei dem es sehr ruhig und zivilisiert zugegangen ist, begeben sich alle wieder in den Empfangssaal. Thranduil bleibt an meiner Seite, hat aber die vorige Begegnung mit dem fremden Elben, der mir so zugetan war, mit keinem Wort mehr erwähnt. Immerhin muss er sich als Gastgeber und König ja auch um das Wohl aller bemühen; ganz davon zu schweigen, dass es nicht seinem Charakter entspräche, so etwas in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Dennoch scheint er etwas auf dem Herzen zu haben. Fragend, aber geduldig sehe ich ihn an. „Ich muss dir etwas erzählen…“, beginnt er, wird allerdings an dieser Stelle von zwei Botschaftern unterbrochen, die auf uns zu treten und das Gespräch mit dem Elbenherrscher suchen. Augenblicklich beginnt eine dieser unendlich verstrickten politischen Diskussionen, zu der sich allmählich immer mehr Teilnehmer gesellen.
 

Eine Weile lang lasse ich das Ganze über mich ergehen und versuche zuzuhören. Aber dann wird es mir irgendwann zu mühsam und da es mich kein bisschen interessiert, sondern nur langweilt, entferne ich mich von der Gruppe. Es scheint niemandem aufzufallen, was mir nur recht ist.
 


 

Ich blicke mich um und suche in der Menge nach bekannten Gesichtern. Alle scheinen in Gespräche vertieft zu sein. Ich will weder stören noch mich aufdrängen und außerdem habe ich nichts dagegen, ein bisschen alleine zu sein; daher setze ich mich auf einen der Stühle am Rande des Raumes und beobachte den emsigen Meinungsaustausch.
 

Nach und nach erhalte ich Gesellschaft von anderen Damen, die vermutlich des ewigen Herumstehens leid sind und sich hier etwas ausruhen. Manche von ihnen grüßen mich, freundlich und respektvoll, andere sind so in ihre fortlaufenden Gespräche vertieft, dass sie mich gar nicht bemerken. Da geht es um die Liebe, um die Familie, um Freunde und Bekannte, um Unerhörtes und noch nie Gehörtes; eigentlich ist so ziemlich alles dabei, was man sich nur denken kann.
 

„Verzeiht bitte die Störung…“ Plötzlich stehen zwei Menschenfrauen vor mir, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich blicke sie freundlich an. „Ja, bitte?“
 

„Dürften wir uns wohl zu Euch setzen? Wir sahen, dass Ihr vorhin neben dem König gespeist habt und sind nun ein wenig neugierig…“ Sie kichern wie zwei kleine Schulmädchen.
 

„Sicher, bitte“, antworte ich überrascht und biete ihnen zwei freie Stühle an. Die beiden wirken so auf den ersten Blick recht sympathisch auf mich – und außerdem kann ein wenig Ablenkung mir sicherlich nicht schaden.
 

„Ist es wahr, dass Ihr die Weltenwandlerin seid?“, lässt eine der beiden ihrer Neugierde ungezügelt freien Lauf. Direktheit ist etwas, an dem ich mich nicht immer erfreuen, momentan ist sie mir aber durchaus willkommen.
 

Kaum hat mein Gegenüber das Wort „Weltenwandlerin“ ausgesprochen, geht ein Raunen durch die Gäste in unserer Nähe und weitere Damen gesellen sich zu uns. Die Aufmerksamkeit ist definitiv erregt.
 

„Ja, das ist wohl so“, entgegne ich leicht verlegen.
 

„Dann kennt Ihr den König wohl gut…“, vermutet eine.
 

„… und den Prinzen auch…“, fügt eine andere hinzu.
 

„Ist es wahr, dass Ihr hier im Palast ein und aus gehen könnt wie es Euch beliebt?“, will eine dritte wissen.
 

Immer mehr Fragen werden gestellt. Teilweise reden alle so durcheinander, dass ich gar nichts mehr verstehen kann. Ich rede und rede und gebe Auskunft und erzähle, bis mir richtig der Kopf schwirrt.
 

„Wartet, ich hole Euch etwas zu trinken“, bietet eine aus der Runde an.
 

Ich nicke dankbar. Während ich darauf warte, blicke ich mich kurz im Raum um und kreuze dabei Thranduils Blick. Er lächelt mir zu, scheint zufrieden.
 

„Hier, bitte.“ Meine Aufmerksamkeit wird vom Elbenkönig abgelenkt. Ein Glas wird mir angeboten.
 

„Vielen Dank.“ Ich blicke noch einmal zu Thranduil, aber der ist schon wieder in sein Gespräch vertieft. Die Erinnerung an seinen liebevollen Blick wärmt mir das Herz. Ich trinke zügig aus, dann wende ich mich wieder den Damen zu. „Wo waren wir…?“
 


 


 

Etwa zwei Stunden nach dem Essen werden die Türen zum Empfangssaal geöffnet und ein paar mir unbekannte Elben treten ein – vermutlich verspätete Gäste. Zunächst denke ich mir nichts weiter dabei. Doch dann tritt eine Elbin ein, die unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich zieht – nicht etwa nur die meine, sondern die fast aller Anwesenden. Verständlich, denn sie ist wunderschön.
 

Sofort verstummen die Gespräche oder werden zumindest in ihrer Lautstärke auf ein Flüstern und Murmeln reduziert. Ich sehe Thranduil auf die Elbin zugehen. Ich kann nicht hören, was er zu ihr sagt, doch sie verneigt sich vor ihm und schenkt ihm ein so strahlendes Lächeln, dass mir irgendwie mulmig zumute wird.
 

„… eine Prinzessin…!“ Ich werde auf ein Getuschel mehrerer Frauen in meiner Nähe aufmerksam. „… ein ganz besonderer Gast…. ihr wisst schon… so ein schönes Paar…“
 

Nein, oder? Das kann nicht sein. Das wüsste ich doch. Oder? Natürlich. Thranduil würde mir so etwas sicherlich nicht verheimlichen. Andererseits… was wenn er denkt, das geht mich nichts an? Tut es das überhaupt? Ich versuche, sowohl die Stimmen der Frauen als auch jene in meinem Kopf zu ignorieren. Bestimmt ist es harmloser als sie denken.
 

Dann sehe ich, wie Thranduil etwas zu der Elbin sagt und sie lacht. Mir hingegen ist alles andere als zum Lachen zumute. Da ist dieses ungute Gefühl in meiner Magengegend.
 

Thranduil bietet der Elbin seinen Arm an und führt sie zur Tanzfläche, wo auf sein Zeichen hin die Musik zu spielen beginnt. Alle Augen sind auf die beiden gerichtet. Die Stimmen in meinem Kopf versuchen mir einzureden, dass ich an der Stelle dieser Elbin sein sollte; ich gebe mir weiterhin alle Mühe, sie zu überhören.
 

Doch dann geht das Getuschel weiter: „… Ich habe gehört, sie seien einander versprochen…“ Bei diesen Worten fühle ich einen noch deutlicheren Widerstand in mir, sowie ein unangenehmes Ziehen und Stechen. „…sie werden heiraten… seine Königin…“
 

Ich stehe so abrupt auf, dass der Stuhl beinahe umkippt und zu Boden fällt. Einige Damen aus meiner Runde erschrecken und sehen mich verwundert an.
 

„Entschuldigt mich“, presse ich hervor, im Bemühen, mir möglichst nichts anmerken zu lassen. Dann verlasse ich so unbemerkt aber auch so schnell wie möglich den Raum.
 


 


 

Draußen im Korridor stürmen die Stimmen nur so auf mich ein. „Du hast dich getäuscht…“, höhnt es in meinem Kopf. „Du bedeutest ihm gar nichts… bedeutest ihm gar nichts… Du gehörst hier nicht hin… gehörst hier nicht hin…“
 

Ich versuche, ruhig zu bleiben. Oder ruhig zu werden. Ich weiß nicht genau, an welchem Punkt ich mich befinde.
 

Plötzlich spüre ich ganz deutlich diese mir mittlerweile schon bekannte Enge in der Brust zurückkehren und das Gefühl, dass mein Hals immer enger wird. An der Intensität des Gefühls kann ich erkennen, dass es sich hierbei nicht um erste Anzeichen, sondern bereits um eine fortgeschrittene Stufe der Panik handelt; trotz der Situation, in der ich mich befinde, kann ich nicht umhin, mich über mich selbst zu ärgern: Hätte ich die ersten Anzeichen nicht übersehen oder vielmehr ignoriert, hätte ich eher etwas dagegen unternehmen können.
 

Ich versuche, mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Ruhig ein- und ausatmen. Einen Moment lang scheint es zu funktionieren. Aber auch nur einen Moment lang.
 

In diesem Moment nähern sich Schritte. „Hier bist du! Was…“ Legolas hält inne, als er nahe genug ist, um meinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, ein mühsames Unterfangen.
 

„Alles gut“, bringe ich unter großer Anstrengung hervor. „Ich brauche nur einen Moment…“
 

Legolas wirkt kein bisschen überzeugt. Also strenge ich mich an. Einatmen, ausatmen. Ruhig bleiben. Mir nichts anmerken lassen. Gerade als ich glaube, es im Griff zu haben, schnappe ich plötzlich nach Luft, als hätte ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper.
 

„Ithilarinia!? Was ist los?“ Legolas nähert sich mir, in seinem Gesicht ist deutlich Besorgnis abzulesen, aber ich weiche zurück.
 

„Keine Luft…“, gebe ich keuchend von mir. „Ich kriege keine Luft…“
 

In diesem Moment tritt auch Elrond in den Korridor heraus. Sofort ruft Legolas ihn herbei, schließlich ist der Bruchtal-Elb in ganz Mittelerde für seine Heilkünste bekannt.
 

Doch auch vor Elrond weiche ich instinktiv zurück, lasse ihn nicht nahe genug an mich heran. „…sie wird seine Königin… wird seine Königin… seine Königin…“ Die Stimmen in meinem Kopf kehren zurück; grausam treiben sie ihr Spiel mit mir. Der Druck, der sich scheinbar um meinen Brustkorb gelegt hat, ist so groß, dass ich mir sicher bin, dass ich nicht mehr lange hier stehen werde. „Bitte… nein…“, keuche ich.
 

„Legolas, deinen Vater“, gibt Elrond eine rasche Anweisung. Der Prinz versteht sofort, nickt und ist schon verschwunden.
 

„Lasst mich Euch helfen…“ Elrond redet mit beruhigender Stimme auf mich ein, darauf bedacht, den Abstand nur langsam zu verkleinern, um mich nicht zu verschrecken.
 

„Du bist ihm egal… bist jedem egal…“, tönt es bedrohlich in meinem Kopf. „Er kann dir nicht helfen… niemand kann dir helfen…“
 

„Bitte, nein… nicht näher!“ Hastig weiche ich ein ganzes Stück zurück, sodass ich stolpere und fast zu Boden falle. Höhnisches Gelächter hallt durch meinen Kopf.
 

„Wie komme ich hier wieder raus? … wieder raus?... Ich komme hier nicht mehr raus… nicht mehr raus…“, mischt sich einer meiner eigenen Gedanken zwischen die Stimmen, bevor sich diese wieder in den Vordergrund drängen: „Es macht keinen Sinn… keinen Sinn… gib auf… gib auf… du gehörst nirgends hin… nirgends hin… nirgends hin…“
 

Ich stütze mich an der Wand ab und schnappe nach Luft, doch es funktioniert nicht. Als ob ich es plötzlich verlernt hätte. Ich sehe wie Elronds Mund sich bewegt, kann aber kein Wort hören. Und dann, dann höre ich auf zu atmen.



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