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Boys Don't Cry

Spiegelkabinett
von

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III

Es ist ähnlich wie am Mittag. Mein Appetit hält sich in Grenzen, auch wenn ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hab. Meine Eltern schweigen sich aus, wechseln das ein oder andere Wort mit meiner beschissenen Schwester oder Eren, während sie mich links liegen lassen. Ich stochere in dem Essen rum, das meine Mutter aufgetischt hat, schiebe es von einer Seite des Tellers auf die Andere und starre einfach auf die Tischplatte. Mir wird bereits von dem Geruch und dem Anblick schlecht, obwohl ich weiß, dass meine Mutter eine unglaublich gute Köchin ist.

Ich spüre eine leichte Berührung an meinem Knie, hebe den Blick und schaue in zwei besorgtaussehende grüne Augen. Der Blick ist intensiv, durchdringend und ich hab ein wenig das Gefühl, als würde er bis in die tiefsten Abgründe meiner Seele blicken. Als könnte er nur mit diesem einen einzigen Blick sehen, was vor so vielen anderen verborgen bleibt. Als könnte er all die verwirrenden Gedanken und all die negativen Gefühle sehen, die in meinem Inneren toben. Meine Mundwinkel ziehen sich für einen kurzen Moment nach oben, bevor ich den Blick von ihm abwende und mich dazu zwinge, zumindest den Salat zu Essen, der sich auf meinem Teller befindet. Ich will nicht, dass er sich sorgt. Er ist nicht die richtige Person dafür. Er sollte sich nicht einmischen. Deswegen... lächel ich. Tue so, als wäre alles okay, auch wenn ich mir sicher bin dass, er sieht, dass dem nicht so ist. Aber er schweigt, sagt nichts und zieht die Hand zurück. Belässt es dabei und kommt meiner stummen Bitte einfach nach. Ich bin dankbar dafür, kann auf das Drama, das damit verbunden wäre, getrost verzichte.

Ich zwinge mir den Salat rein, auch wenn mir mit jedem Blatt schlechter wird. Ich hoffe, ich sehe Hanji noch bevor wir am Sonntag ans Meer fahren, ansonsten überleb ich die zwei Wochen auf keinem Fall. Ich hab mehr denn je das Bedürfnis mit ihr zu sprechen. Mich auszukotzen. Von ihr aufgeheitert zu werden indem sie einfach da ist und ist, wie sie nun mal ist. In den Arm genommen zu werden. Ich könnte meine beste Freundin im Moment wirklich gut gebrauchen.

Ich bin in Gedanken versunken, blende die Gespräche um mich herum aus. Es interessiert mich ohnehin nicht, wer von denen, was zu sagen hat. Es interessiert mich nicht, was sich Mikasa für die Ferien vorgenommen hat. Mich juckt es herzlich wenig, wie viel Stress mein Vater in seinem verfickten Büro hat. Und mir geht am Arsch vorbei, was meine Mutter heute wieder Interessantes in der Glotze gesehen hat. Vielmehr frage ich mich, wie ich die nächsten zwei Wochen überleben soll. Wie ich die sechs Wochen Sommerferien überstehen soll, ohne durchzudrehen. Wie ich die Schule meistern soll, sobald sie wieder losgeht. Ich frage mich, ob es die Situationen sind, die mir zu schaffen machen. Ob es die Situationen sind, für die ich nicht gemacht bin oder ob es vielleicht das Leben ist, was ich nicht meistern kann. Vielleicht ist es ein blöder Gedanke, aber trotzdem ist er da. Schon seit einer ganzen Weile und je öfter ich über all das hier nachdenke, desto mehr schiebt sich dieser widerliche Gedanke in den Vordergrund. Ich will ihn nicht haben, will auch nicht daran glauben. Ich bin mir sicher, dass irgendwann Zeiten kommen, die besser sind als die hier. Und trotzdem kann ich ihn nicht aus meinem Kopf verbannen. Er schleicht sich immer wieder ein, drängt sich nach vorn und penetriert meine ohnehin schon miese Stimme bis sie ins Bodenlose fällt.

Die sanfte Berührung an meiner Schulter reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich aufblicken. Mein Blick folgt der warmen Hand, den Arm hinauf und bleibt schließlich auf dem hübschen Gesicht des Freundes meiner Schwester hängen. Ein herzliches Lächeln liegt auf seinen Lippen, die Hand verharrt noch für einen kurzen Moment auf meiner Schulter, bevor er sie zurückzieht und mir stattdessen entgegenhält. Für einen kurzen Moment bin ich ziemlich verwirrt und ich denke er sieht es. Jeder andere hätte wohl darüber geschmunzelt oder hätte mich auf meine Unaufmerksamkeit aufmerksam gemacht. Eren schweigt, wartet, bis es klick gemacht hat und ich seine Hand entgegennehme.

„Hat mich wirklich gefreut, Ivy“ verabschiedet er sich, drückt meine Hand und ich bin mir sicher dass er sie – damit es als normaler Händedruck durchgeht - ein wenig zu lang festhält. Vielleicht ist es aber auch bloße Einbildung, weil ich solche Gesten nicht gewohnt bin. Vielleicht ist es reines Wunschdenken. Oder... es ist eben genau das.

 

Ich höre Friedrich bereits bellen, als ich das Grundstück betrete und als ich die Klingel betätige, ist diese elende Sabberbacke bereits an der Tür und kratzt wie bescheuert am Plastik. Hanji brüllt - vermutlich noch nicht ganz die Treppe unten – bereits nach ihm, damit er Ruhe gibt. Natürlich macht er das nicht. Sie versucht es immer wieder, aber bisher hat sich Friedrich nicht davon abbringen lassen mich gebührend zu begrüßen, wenn ich zu Besuch komme. Ganz zu meinem Leidwesen. Es ist nicht, so dass ich diesen Hund hassen würde, aber dieses ständige Rumgesabber ist einfach ekelhaft.

„Friedrich jetzt geh doch mal ein Stück zur Seite“ lacht meine beste Freundin hinter der Haustür, Friedrich geht scheinbar zur Seite, denn das Kratzen hört endlich auf, und kurz darauf öffnet die Brillenschlange mir die Tür. Bevor sie allerdings dazu kommt mich zur Begrüßung zu umarmen, kommt ihr die sabbernde Bordeaux Dogge zuvor, springt an mir hoch und verteilt ihre Sabberfäden nicht nur auf meinem T-Shirt, sondern auch in meinem Gesicht. Das ist so abartig widerlich!

„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Sabberbacke“ murre ich, streichel dem großen Hund allerdings trotzdem den Kopf, bevor ich ihn bestimmt von mir schiebe. Hanji macht, macht mir den Weg frei und der erste Gang ist, wie immer, die Gästetoilette am Eingang um die Hundesabber wieder loszuwerden.

„Du hast dir die Haare geschnitten?“ es ist weniger eine Frage als eine Feststellung, auch wenn es ganz danach klingt. Ich sehe im Spiegel, wie sie im Türrahmen lehnt und mich angrinst. Überbreit. Und ich weiß bereits jetzt, worauf sie wartet. Ich hab mich gestern nicht mehr dazu bereiterklärt ihr mehr von Eren zu erzählen. Hab mich nach diesem katastrophalen Tag ins Bett gelegt und auf den nächsten Tag gewartet. Geschlafen hab ich wie immer zu wenig. Zwei, vielleicht drei Stunden. Den Rest der Nacht hab ich damit zugebracht an diese beschissenen grünen Augen zu denken. An das herzliche Lächeln und die warme Hand. Und verdammte Scheiße! Genau das sollte ich eigentlich nicht tun! Ich weiß ja nicht mal wieso ich es überhaupt tue!

„Alsoooooo? Wie ist der neue Freund deiner Schwester?“ Fragt sie gedehnt, grinst immer noch total bescheuert vor sich hin, als ich mich mit dem Handtuch abtrockne. Friedrich sitzt hinter ihr im Flur und wartet geduldig darauf, dass er mit uns nach oben kommen darf. Ich weiß nicht, ob ich mit ihr darüber reden will. Ob ich ihr von Eren erzählen will. Eigentlich nicht. Und davon, dass ich die halbe Nacht nur an ihn gedacht hab, werde ich ihr ganz sicher auch nichts erzählen. Niemals!

„Er ist ganz okay“ erwidere ich, nicht bereit, ihr mehr zu erzählen, als unbedingt nötig. Und Gott sei Dank weiß sie, dass sie bei mir auf Granit beißt. Wenn ich nicht reden will, nimmt sie das hin. Meistens zumindest. Auch dann, wenn ihre eigene Neugier sie fast umbringt.

„Ganz okay? Das ist alles?“ Fragt sie völlig entgeistert. Schaut mich an, als hätte der Papst fliegen gelernt und damit die Existenz von Gott bewiesen. Ich zucke lediglich die Schultern, schiebe mich an ihr vorbei in den Flur und steuere die Treppe an. Für einen Moment steht sie einfach da, während Friedrich sich bereits an meine Fersen heftet und mir die Stufen nach oben folgt.

„Ja. Das ist alles. Scheint ganz nett zu sein“ ist alles, was ich erwidere. Sie löst sich aus ihrer Starre, folgt uns mit eiligen Schritten die Treppe nach oben und betritt kurz nach mir ihr... Zimmer. Wenn man das denn als Zimmer bezeichnen kann. Für mich grenzt es eher an eine Müllhalde. Überall liegt dreckige Wäsche, ihre Regale sind unaufgeräumt und die Teller stapeln sich bereits auf ihrem Schreibtisch. Widerlich. Einfach ekelhaft.

Ich lasse mich auf ihr Bett fallen, schiebe die Sachen, die im Weg sind, einfach zur Seite. Friedrich schaut mich an, wartet geduldig darauf, ob er die Erlaubnis bekommt, aufs Bett zu kommen oder nicht. Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen, bevor ich ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gebe, dass ich einverstanden bin. Die Matratze gibt unter dem Gericht des großen Hundes nach, als er darauf steigt. Seinen Kopf legt er auf meinem Schoß ab, stupst leicht mit der Nase an meine Hand, um mir zu sagen, dass er gekrault werden will. Ich ergebe mich seufzend, kraule ihn hinter dem linken Ohr, weil ich weiß, dass er es liebt, genau da gekrault zu werden, und schaue zu Hanji die sich ihren Schreibtischstuhl ans Bett zieht und sich darauf fallen lässt.

„Geht er auf unsere Schule?“

„Keine Ahnung. Kann sein. Würdest du bitte aufhören mit damit auf die Eier zu gehen?“

Wir schweigen eine ganze Weile. Ich kraule Friedrich den Kopf, versuche die ständig laufende Sabber zu ignorieren, die meine Hose komplett einsaut. Und Hanji scheint ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Oder sie wartet einfach darauf das ich von allein Anfange zu reden.

„Sie schlimm sieht es aus?“ Frage ich leise, denk Blick gesenkt und auf Friedrich gerichtet. Ich weiß nicht wieso ich mich so vor ihrer Antwort fürchte. Vielleicht weil mir die Worte meines Vaters immer noch nicht aus dem Kopf gehen. Vielleicht weil ich Angst davor hab, dass Eren einfach nur nett sein wollte. Meine kraulenden Bewegungen werden langsamer, bis meine Hand gänzlich zum Stillstand kommt.

„Was meinst du?“ Hanji klingt verwirrt. Sie scheint nicht direkt zu wissen, wovon ich eigentlich rede und vielleicht sollte ich sie einfach darum bitten, meine Frage wieder zu vergessen. Vielleicht wäre es besser wenn sie...

„Deine Haare? Ich find, dir stehen die kurzen Haare gut. Aber... naja... da muss unbedingt nachgeschnitten werden“ als ich den Blick hebe, um ihr ins Gesicht zu sehen, sehe ich nur ihr breites Lächeln und absolute Aufrichtigkeit. Natürlich. Hanji beschönigt nichts. Sie ist ehrlich und genau das schätze ich so an ihr. Ich schätze es, dass ich ehrlich sein kann und ich schätze es beinahe noch mehr, dass sie ehrlich zu mir ist. Dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt, nur, weil sie angst hat, sie könnte mich damit verletzen. Es schlimmer machen oder so.

„Wieso fragst du? Hat Mikasa ihre übergroße Fresse aufgerissen?“ Sie klingt ein wenig besorgt, ihr breites Lächeln verschwindet und stattdessen ist da dieser forschende Ausdruck in ihrem Gesicht, den sie immer aufsetzt, wenn sie versucht herauszufinden, was in mir vor sich geht. Ich seufze, fahre damit fort, Friedrich hinter dem Ohr zu kraulen, und senke den Blick auf das faltige, hübsche Gesicht der Bordeaux Dogge. Es ist seltsam, wie sehr mich dieser Hund beruhigen kann. Mich erdet. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte einen Eigenen, aber diese Frage brauche ich Zuhause erst gar nicht stellen. Mein Vater hasst Hunde. Katzen sind fast noch schlimmer. Ich hatte nie ein Haustier und eigentlich dachte ich immer, ich würde keins brauchen. Aber manchmal... wünsche ich mir einfach jemanden, der da ist. Der immer da ist. Der nicht urteilt, nicht nachfragt. Der einfach Nähe und Geborgenheit spendet, wenn ich sie brauche. So wie Friedrich es tut, wenn ich hier bin. Ich glaube, er spürt einfach wenn es mir schlecht geht. Mehr als Hanji es tut, auch wenn sie mir ansieht, wenn es mir schlecht geht. 

Ich will mir die Worte nicht so zu Herzen nehmen und dennoch kann ich nicht verhindern das sie mir immer wieder durch den Kopf gehen. Ich kann nicht verhindern das sie mich verletzen und mich treffen und ich hasse es. Ich hasse es, dass mein Erzeuger so einen Einfluss auf mich hat. Das er es schafft mich mit wenigen Worten zu verunsichern und völlig aus der Bahn zu werfen. Mich nur das Negative sehen zu lassen, obwohl ich mich lieber über das kleine Kompliment von Eren freuen sollte.

„Nein. Die war verhältnismäßig ruhig. Aber mein Vater...“ Friedrich hebt den Kopf, stupst damit gegen meine Hand, als wolle er mir Mut machen, die Worte laut auszusprechen. Mich ermutigen, meinem Vorhaben nachzugehen, mich bei ihr darüber auszulassen. „Mein Vater hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt, als er mich gefragt hat, ob ich ´ne beschissene Transe sei und sagte das er, wenn er ´n Sohn hätte haben wollen, die Socken angelassen hätte, als er meine Mutter gefickt hat“. 

Ich beiße die Zähne fest zusammen, hebe den Blick und begegne ihrem völlig fassungslosem. Wer könnte es ihr verübeln? Wer könnte irgendwem verübeln genau so zu reagieren? Ich würde vermutlich ähnlich aussehen, wenn man mir davon erzählen würde, bevor ich völlig ausflippen würde. Wenn ich es überhaupt glauben könnte. Wenn meine familiäre Situation anders wäre, wenn ich eine Familie hätte wie Hanjis, dann könnte ich vermutlich nicht glauben das es Väter gibt die so mit ihren Töchtern sprechen. Ich könnte vermutlich nicht glauben, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder völlig gegensätzlich behandeln. 

„Das ist nicht dein Ernst?!“ Keine Ahnung ob ich Hanji je so... fassungslos gesehen hab. So aufgebracht. So wütend. So aufgewühlt und unruhig. So ungläubig. Und ich weiß wirklich nicht damit umzugehen. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll, dass meine sonst so quirlige Freundin mit einem Schlag so ruhig und ernst ist. Natürlich hat sie ihre ersten Momente... aber dieser Ausdruck, den sie gerade in den Augen hat, der ist völlig neu für mich. Sie sieht aus, als würde sie meinen Erzeuger in Stücke reißen wollen. Nein. Ich denke das ihr die schlimmsten Foltermetoden durch den Kopf gehen.

Ich zucke mit den Schultern. Was hätte ich darauf antworten sollen? Wie hätte ich reagieren sollen? Ich hab keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass ich etwas hätte sagen können, dass sie wieder runterkommen lässt.

Ihr Gesichtsausdruck ändert sich und mich beschleicht die Befürchtung, dass sie eine Idee hat. Und ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Sie steht etwas zu schwungvoll auf, der Schreibtischstuhl rollt nach hinten und fällt laut scheppernd um. Friedrich sieht das wohl als sein Zeichen aufzuspringen und auch ich weiß, dass sie wohl nicht vor hat den Rest der Zeit hier im Zimmer zu hocken.

Sie umfasst mein Handgelenk, zerrt mich auf die Beine und hinter sich her die Treppe nach unten. Friedrich trottet hinter und her, wartet ab, ob Hanji nach seiner Leine greift oder nicht und verschwindet, als er sieht, dass er wohl hierbleiben muss.

Wir verlassen das Haus, laufen die Straße entlang und bleiben an der Bushaltestelle in der Nähe stehen. Die Busanbindung hier ist super, generell kommt man hier gut hin und her, aber ich vermeide die Öffentlichen normalerweise. Ich finde den Gedanken an die vielen fremden Menschen, die Bakterien und den ganzen Dreck ekelerregend. Mein Vater nimmt uns morgens mit, wenn er zur Kanzlei fährt und nimmt uns mittags wieder mit zurück, wenn er Pause macht oder Feierabend hat. Ich vermeide es so gut es geht. Sie schweigt, genauso wie ich während wir auf den Bus warten, der alle halbe Stunde hier hält, und uns in die Stadt bringt.

„Was hast du vor?“ Frage ich nach einer Weile, weil ich das Schweigen nicht mehr ertrage. Außerdem bin ich neugierig, will wissen, was in ihrem irren Hirn vor sich geht.

„Wir zeigen dem Arsch einfach das ein Mädchen auch mit kurzen Haaren schön sein kann“.

Ihre Worte heitern mich nicht so sehr auf wie sie vielleicht sollten. Es ist eine liebe Geste, es ist ein netter Versuch. Aber leider ist es nicht mehr als das. Es baut nicht auf. Es hilft nicht. Es macht es auch nicht erträglicher. Ich weiß nicht einmal genau woran es liegt, aber ihre Worte sorgen dafür, dass ich mich schlagartig noch beschissener fühle. Vielleicht ist es ihre Wortwahl, vielleicht aber auch einfach die Angst das die Reaktion Zuhause noch schlimmer ausfällt. Keine Ahnung.

 

Ich betrachte mich im Spiegel, schiebe den Arm unter dem Frisörumhang hervor und fahre mit den Fingern durch den frisch ausrasierten Teil im Nacken. Die kurzen, feinen Haare sind weich und ich kann das erste Mal seit einer ganzen Weile behaupten, dass ich mich mit meiner Frisur wirklich wohl fühle. Es fühlt sich richtig an und ich gucke gern in den Spiegel. Mir gefällt der Undercut, die längeren Strähnen des oberen Teils die mir locker ins Gesicht fallen. Der Mittelscheitel, der meinem Gesicht irgendwie schmeichelt und es kantiger wirken lässt. Weniger kindlich. Weniger... feminin.

Der junge Mann löst den Kragen des Umhangs und nimmt ihn ab. Ich sehe im Spiegel, dass er lächelt und ich glaube, dass er genau sieht, dass ich zufrieden bin. Das ich gerade in diesem Moment wirklich glücklich bin.

„Dankeschön“ murmel ich geistesabwesend, muss mich wirklich dazu zwingen den Blick vom Spiegel abzuwenden und aufzustehen. Ich hätte ewig damit weiter machen können. Es klingt merkwürdig, selbst für mich, aber ich bin das erste Mal seit einer Ewigkeit zufrieden, wenn ich mich ansehe.

Ich folge ihm in den vorderen Bereich des Ladens, wo Hanji bereits sehnsüchtig auf mich wartet. Ihr Blick klebt förmlich an mir, verfolgt mich bis zum Tresen. Sie steht von ihrem Stuhl im Wartebereich auf, tritt an meine Seite und strahlt mich regelrecht an.

„Du siehst toll aus“ quietscht sie aufgeregt, hippelt neben mir rum während ich den Mann für seine Arbeit bezahle. Ich bin ihr dankbar und es geht mir gut. Wesentlich besser als heute Morgen. Wesentlich besser als in den letzten Tagen und Wochen. Ich kann Lächeln und es ist nicht aufgesetzt. Es fühlt sich richtig an. Ich... fühle mich richtig an.



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