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I´m only human after all

von

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Es war ein warmer Sommertag. Die ersten Sonnenstrahlen weckten ihn sofort auf und hüllten ihn in ihr goldenes Licht ein. Geräuschvoll gähnte Woody. „Sieben Uhr“, murmelte er, den Blick auf seinen Wecker gerichtet. Heute hatte er endlich das Vorstellungsgepräch, in jener Firma, für die er bereits in der Vergangenheit arbeiten wollte. Sie hatte ihren Eigentümer gewechselt und schien nun toleranter zu sein. Optimistisch stieg er aus dem Bett, streckte sich und ging ins Bad. Dort fiel sein Blick in den Spiegel. Woody war zufrieden mit dem, was er da sah. Das war nicht immer der Fall gewesen. In der Vergangenheit hatte ihm stets eine fremde Person angeschaut, mit der er sich Jahrelang arrangieren musste. Bis er endlich seine Angst überwunden hatte und seinen Weg beschritt. Einige Freunde hatten sich leider von ihn abgewendet, aber seine über alles geliebte Schwester Jessie stand hinter ihm. Dies hatte sie stets getan. Als ihre Eltern gestorben waren, kümmerte sie sich aufopferungsvoll um ihren Bruder, der in der Nachbarschaft als „Freak“ nahezu verschrien war. Sie machte sich nichts aus alldem. Denn für Jessie war Woody etwas Besonderes. Zudem war sie überaus stolz auf ihn. „Hoffentlich kannst du dies auch heute sein“, sprach Woody leise, die Gedanken bei seinem Vorstellungsgepräch.
 

Er fuhr die Naht auf seiner Brust entlang, die ihn an jene Operation erinnerte. Egal was sie sagten, Woody trug diese Narbe mit Stolz. Er nickte sich selbst zu, schlüpfte aus der Boxershorts und gönnte sich eine kalte Dusche, die ihn recht schnell aufweckte. Nach dem Duschen, putzte er sich die Zähne, holte sein bestes Outfit hervor und machte sich für den Termin fertig. „Du schaffst das“, sagte er, den Blick ein letztes Mal auf sein Spiegelbild gerichtet. Dann verließ er die Wohnung. Die Menschen draußen schienen alle in ein reges Treiben verfallen zu sein. Der ganz gewöhnliche, normale Alltagsstress. Woody wollte endlich auch wieder dazu gehören. Lange genug konnte er am Arbeitsmarkt nicht teilnehmen. Daher wünschte er sich nichts sehnlicher als eine sichere Stelle. Die Firma war nicht weit entfernt. Sie nannte sich „Star Command“ und war eine international anerkannte Werbeagentur. Woody schluckte als er schließlich vor den Türen der Firma stand. „Nur Mut“, munterte er sich selbst auf. Hoffentlich merkten sie nichts. Das war eine seiner größten Sorgen. „Guten Morgen“, grüßte Woody die Frau am Empfang. „Ich habe hier ein Vorstellungsgespräch.“ „Der Name?“, die Frau lächelte ihn an, während ihre Augen für einen kurzen Moment aufleuchteten. Ihr schien Woody zu gefallen. Überhaupt kam er gut beim weiblichen Geschlecht an, selbst vor seinem langen Weg. Allerdings interessierte sich Woody nicht dafür, denn er war homosexuell. Etwas, was damals keiner verstehen wollte. Außer Jessie.
 

„Woody Pride“, er räusperte sich, da seine Stimme beinahe versagt hatte. „Ah, ich sehe es. Sie haben ihren Termin bei unserem Abteilungsleiter, Herrn Lightyear. Nehmen Sie einfach den Aufzug, fahren bis zum dritten Stock, danach links abbiegen und den Gang bis zum letzten Zimmer hinunter. Dort ist sein Büro.“ „Vielen Dank“, Woody nickte und machte sich auf den Weg. Das Gebäude war hochmodern errichtet. Selbst der Aufzug war gläsern und an seinen Wänden hingen Bildschirme, die laufend Werbung für Star Command machten. Im dritten Obergeschoss war der Boden mit einem roten Teppich bedeckt. Woody kam sich fast so vor als wäre er bei den Oskars. Endlich stand er vor seinem Büro. Dort thronte auf einem goldenen Schild der Name „Buzz Lightyear“.
 

Ein wenig zaghaft klopfte Woody. „Herein“, ertönte eine charismatische Männerstimme. Woodys Knie wurden weich, jedoch überwand er sich und betrat das Büro. „Ah, Sie müssen Herr Pride sein“, begrüßte ihn sein Gegenüber. Der Abteilungsleiter war zwar nicht besonders groß, allerdings von durchtrainierter Statur, die sich deutlich anhand seines weißen Hemdes abzeichnete. Seine Haare waren hellblond und die Augen stechend blau. Die Haut verfügte über einen gesunden, leicht gebräunten Teint. „Ja der bin ich“, riss sich Woody zusammen. Buzz, wie ihn Woody unwillkürlich bereits in Gedanken nannte, reichte ihm die Hand und bat ihn sich zu setzen. „Schön, dass sie hergefunden haben“, der Blonde lächelte ihn an. Er fragte Woody nach seinem Befinden, woraufhin dieser sagte, dass es ihm gut ginge. Danach bat ihn Buzz seinen Lebenslauf genauer zu schildern. Woody erwähnte seine Schullaufbahn sowie das erfolgreich absolvierte College, ebenso wie die ersten Arbeitsstellen. „Hmm … hier haben sie ein Jahr eine Lücke“, sprach Buzz an. Woody wusste, dass dies kommen würde. Jessie hatte ihm geraten, nicht zu sehr ins Detail zu gehen.
 

„Ich hatte einige private Schwierigkeiten“, umschrieb er es, was er sogleich wieder bereute. Buzz hob eine Augenbraue empor. „Aber nun habe ich alles geregelt“, redete Woody schnell weiter. „Zudem arbeite ich gewissenhaft, eigenständig und Überstunden sind kein Problem für mich. Ich bin gerne bereit mein Arbeitspensum zu erhöhen.“ „Das klingt ja schon ganz gut“, Buzz hustete. Er fragte ihn einige andere Fragen, bis er das Gespräch beendete. „Ich habe noch ein paar Bewerber, werde mich allerdings bei ihnen melden. Ende der Woche sollte eine Entscheidung gefallen sein“, erklärte er. „Vielen Dank“, Woody erhob sich. Sie reichten einander die Hände und verabschiedeten sich. Zweifel staute sich in seiner Brust. Er konnte Buzz nur schwer einschätzen. Allerdings hoffte er, dass er trotz dieser Lücke im Lebenslauf überzeugt hatte. Und so ging er Heim. Jessie rief später an um sich zu erkundigen, wie es gelaufen war. Leider konnte ihr Woody dazu nicht viel sagen.
 

Eine Woche verging und Woody rechnete schon gar nicht mehr damit, dass eine positive Nachricht seitens der Agentur kam. Bis eines Morgen sein schrill läutendes Telefon ihn nahezu aus dem Bett warf. „Pride“, nuschelte Woody, fast noch im Halbschlaf versunken. „Guten Morgen, Herr Pride. Smith hier“, erkannte er die Frau vom Empfang wieder. „Wir wollten Ihnen mitteilen, dass wir uns für Sie entschieden haben. Montag ist Ihr erster Arbeitstag und Herr Lightyear freut sich darauf, Sie in ihr Gebiet einzuweisen.“ Sie erwähnte noch die Unterlagen, an die er unbedingt denken sollte.

Woody konnte es kaum fassen. Er hatte die Stelle. Obwohl er so ein schlechtes Gefühl gehabt hatte.Zittrig griff Woody nach seinem Handy und wählte Jessie an. „Ja?“, erklang ihre Stimme. „I-ich“, Woody atmete tief durch. „Ich habe die Stelle bekommen.“ Freudig schrie seine Schwester in den Hörer. Sie wollte heute ein besonderes Essen zur Feier des Tages für ihren Bruder kochen. Er sollte um achtzehn Uhr bei ihr vorbei kommen. Woody ließ sich das nicht zwei Mal sagen und so verbrachten sie einen relativ entspannten Abend, der sich auf den Samstag ausweitete. Sonntag fuhr Woody zurück und bereitete sich mental auf seine Arbeitsstelle vor. Er war nervös, jedoch glücklich, dass man ihm endlich eine reale Chance gegeben hatte, sich im Jobleben zu beweisen.

Er kam sich ein wenig vor wie ein Hinterwälder als sein Boss ihn in sein neues Aufgabengebiet einweihte und Woody anschließend sein Büro zeigte. Sein eigenes Büro … . Dies war ihm zuvor stets verwehrt geblieben. „Haben sie ansonsten noch Fragen?“, erkundigte sich Buzz freundlich. „Nein, aber wenn sich welche auftun sollten, weiß ich ja, wo ich sie finde“, Woody lächelte, was den Blonden zufrieden nicken ließ. „Dann bis später und viel Erfolg“, verabschiedete sich sein Chef von ihm. Der Neuling atmete tief durch und schaltete seinen Arbeits-Pc ein. Woody hatte die Aufgabe, eingegangene Aufträge zu bearbeiten, Kunden zu kontaktieren oder anzuwerben. Da ihm dies nicht gänzlich fremd war, behielt er sich einen gesunden Optimismus. Zudem schien Buzz nicht die Art von Boss zu sein, der bei Kleinigkeiten bereits an die Decke ging, geschweige den unnötigen Druck auf seine Mitarbeiter aufbaute. Ganz im Gegenteil: Er machte einen sehr kompetenten und sympathischen Eindruck. „Und attraktiv ist er oben drein noch“, dachte Woody.
 

Er schüttelte bei diesem Gedanken hastig den Kopf. Buzz war sein unmittelbarer Vorgesetzter, daher sollte er sich lieber nichts vormachen. Woody seufzte und bearbeitete die ersten E-Mails. Bis zur Mittagspause war er relativ eingespannt. Man könnte meinen, dass er nur auf diesen Job gewartet hatte, denn er ging ganz in der Arbeit auf. Endlich war er nicht länger nutzlos, von seinen Ersparnissen oder Jessies Verdienst abhängig, die ihn in der Vergangenheit sehr oft finanziell unterstützt hatte. Besonders was jene Sache betraf. Es klopfte an Woodys Bürotür. „Herein“, krächzte er. Es war sein Boss, der nun vor ihm stand und ihn mit besorgtem Blick musterte. „Sie sollten ihre Pause nicht vergessen“, ermahnte er seinen Mitarbeiter. „Nicht, dass sie uns noch zusammenbrechen.“ Woody fuhr unwillkürlich auf und nickte. Buzz erklärte ihm, wo er die Kantine fand und bot ihm an, ihn dort hin zu begleiten. So folgte er dem Blonden. Unterbrochen wurde ihr Vorhaben gelegentlich, in dem Buzz ihn seinen neuen Arbeitskollegen vorstellte. Die Kantine war riesig und bot eine Vielzahl an delikat klingenden Gerichten. Woody entschied sich dennoch schlicht für Nudeln mit Bolognese-Soße. Er wollte sich in eine der hinteren Reihen setzen, doch Buzz kam ihm zuvor.
 

„Setzen sie sich doch zu uns“, bot er ihm unverblümt an und deutete auf den Tisch in der Mitte, wo schon einige seiner neuen Kollegen saßen. Woody war es nicht gewohnt, dass sein Vorgesetzter so locker war, aber willigte trotz Bedenken ein. Buzz stellte ihm die restlichen Mitarbeiter am Tisch vor. Da war beispielsweise Allan, der recht gebildet wirkte mit seiner Brille und den kühlen Blick. Er nickte Woody zu. Barry, ein aufgeweckter, hellblonder Typ, die recht kindlich wirkte, war ihm sofort sympathisch. Mit ihm kam er sofort ins Gespräch. Und so vergingen die Minuten wie im Flug, obwohl er sich anfangs ziemlich unbehaglich gefühlt hatte. Die Runde löste sich auf. „Kommst du noch mit raus?“, fragte Barry den Braunhaarigen. Sie waren relativ schnell zum Duzen übergegangen. „Es sei denn du bist Nichtraucher.“ „An sich schon, aber es ist ja mein erster Tag“, Woody lachte. „Also kann ich dich ruhig begleiten.“ Sie gingen zur Außenterrasse der Firma, die sich im zweiten Stock befand. Barry suchte einen Platz am Gelände, holte eine Zigarette samt Feuerzeug hervor und zündete sie an. „Auch eine?“, er hielt Woody die Packung entgegen, der dankend ablehnte. Er beobachtete den Rauch, den Barry zog. „Der Boss scheint dich zu mögen.“
 

Sein Gegenüber lächelte ihn an. „Jedenfalls kommt es so rüber als ob er dir eine Menge zutraut. Ich habe es selten erlebt, dass er jemanden so schnell eine Zusage gibt. Ich musste da echt lange warten.“ „Echt?“, Woodys Augen wurden größer. Das hätte er nun tatsächlich nicht vermutet. „Ja“, Barry machte eine galante Handbewegung. „Doch wenn man ihn erst überzeugt, dann hält er sehr viel von einem. Du kannst dich praktisch frei entfalten. Das hatte ich bisher bei keinem anderen Arbeitgeber. Die haben mir immer sehr auf die Finger geschaut. Unser Vorgesetzter ist da gänzlich anders. Und dieses Vertrauen, was er uns entgegenbringt, wird belohnt. Jeder hier gibt sein Bestes. Ich bin glücklich, dass ich ein Teil der Firma sein darf.“ „Das glaube ich“, äußerte Woody. Er fühlte sich schlichtweg geehrt, dass Buzz ihm so schnell sein Vertrauen geschenkt hatte. Und das trotz dieser Lücke in seinem Lebenslauf. Für viele wäre dies bereits ein Ausschlusskriterium gewesen.
 

Woody nahm sich vor, alles zu tun, um Buzzs Entscheidung zu stärken und zu bestätigen. So gab er nach der Mittagspause erneut Gas. Ihm fiel nicht einmal auf, dass die Uhr neunzehn anzeigte, so vertieft war er. „Sie sind ja noch hier“, stellte Buzz amüsiert fest als sich sich beim Kopierer trafen. „Ach“, Woody lachte. „Das ist kein Problem für mich. Die Arbeit macht mir Spaß.“ „Gibt es denn keinen, der daheim auf sie wartet?“ „Na ja“, druckste Woody. „Nur meine Schwester. Allerdings sehen wir uns nicht jeden Tag.“ Sein Chef wirkte etwas deprimiert. Warum? Woody konnte sich keinen Reim darauf machen. „Mindestens haben sie jemand“, sprach Buzz plötzlich. „Sie sollten Feierabend machen und den Abend gemeinsam verbringen. Familie ist wichtig.“

Einmal mehr wurde Woody nicht schlau aus ihm, stimmte jedoch zu. Also packte er seine Sachen und fuhr den Pc runter. „Ich wünsche ihnen einen schönen Feierabend“, sagte er zum Abschied zu Buzz, der nickte und dies ebenfalls erwiderte. Woody wollte gerade zur Tür hinaus gehen als plötzlich Barry auf ihn zu lief. „Heyyy“, rief dieser euphorisch. „Du hast wohl auch Überstunden gemacht, was?“ „Ähm … ja“, antwortete Woody knapp. „Und was geht heute noch so bei dir?“ „Nicht viel“, grummelte er. „Wahrscheinlich irgendein Fertiggericht kochen und den Feierabend vorm TV einläuten. Und bei dir?“ „Ich wollte in eine Bar in der Nähe gehen. Magst du nicht mitkommen? Dein Plan klingt ziemlich öde.“ „Hmmm“, Woody überlegte. „Ja klar, wieso nicht.“ „Super“, Barry strahlte ihn an. „Keine Sorge, ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich bereits montags die Kante geben.“ „Das ist beruhigend“, meinte Woody. Sie verließen gemeinsam die Firma.
 

„Du arbeitest also seit sechs Jahren für Star Command?“, wiederholte Woody den vorherigen Satz seines Begleiters. „Jep“, plauderte Barry und nahm einen Schluck seines Bieres. „Nicht schlecht“, gab Woody zu. „Nicht wahr? Und wie lief es bei dir? Was hast du bisher im Leben gemacht?“ Erneut musste er seine Lebensgeschichte hervor holen. Seine einjährige Pause erwähnte er zwar, aber nicht wieso diese erfolgte. „Ich hatte ein paar private Probleme“, umschrieb Woody es. „Oha“, machte Barry. „Na ja, dann will ich lieber nicht weiter fragen. Es ist schließlich deine Privatsphäre.“ Woody war ihm dankbar. Er hatte schon mit Gegenfragen gerechnet. Sie unterhielten sich daraufhin über belangloses Zeug: Super Bowl, die neusten Netflix Serien und ihre damalige Schulzeit. Nach einer Weile machte sich das Bier bemerkbar und Woody spürte einen unangenehmen Druck auf seiner Blase. Er entschuldigte sich bei Barry. Die Toiletten waren nicht weit weg vom Tresen.
 

Innerlich sprach er den gleichen Wunsch aus wie so oft: Das eine der Toilettenzeilen frei sein möge! Natürlich musste Woody ausgerechnet jetzt Pech haben. Ungeduldig wartete er also. „Probleme?“, fragte ihn ein breit gebauter Kerl. Er erwiderte nichts dazu, woraufhin der Kerl nur verächtlich schnaufte. Endlich wurde eine Kabine frei. Manchmal hasste Woody es, sich was dies anging so einschränken zu müssen. Doch er war hier – er lebte endlich sein Leben, das er sich jahrelang erträumt hatte und selbst wenn er sich gegen die letzte Operation entschieden hatte, war er stolz auf sich. Viel zu lange hatte er sich stets nach anderen gerichtet. Endlich war dies vorbei. „Man ich dachte, du wärst ins Klo gefallen“, Barry lachte auf. „Ach … ich trinke eben sehr selten“, fasste es Woody zusammen. Sein Begleiter schlug vor zu bezahlen. Somit lösten sie ihre Runde auf. „Hat Spaß gemacht“, resümierte Barry. „Können wir gerne wiederholen.“ Dazu sagte Woody natürlich nicht nein. Er gewann selten Freunde dazu und wenn sie dann die Wahrheit wussten, betrachteten ihn die meisten von oben herab. Aber dieses Mal würde er „Stealth Leben“. Das hatte er sich geschworen.

Trotz des gestrigen Abends, kam Woody ohne Probleme aus dem Bett. Seine Laune am heutigen Tag war überaus gut, denn er hatte lange nichts mehr mit anderen unternommen. Diesbezüglich war er Barry mehr als dankbar. „Guten Morgen“, grüßten sie einander. Barry lächelte. „Bist du gut nach Hause gekommen?“ „Klar, so weit entfernt wohne ich ja nicht“, erwiderte Woody. Sie verabredeten sich für die Mittagspause, anschließend schritt er voller Elan zu seinem Arbeitsplatz. Woodys Büro lag neben Buzzs. Er konnte hören, wie dieser telefonierte und irgendwie beruhigt es ihn nahezu, seine Stimme zu hören. Sie hatte diesen melodischen Klang, dem er sich nur schwer entziehen konnte. Woody hätte ihm stundenlang zuhören können, aber die Arbeit rief. Völlig vertieft, wurde er nach einiger Zeit von einem Klopfen an seiner Tür aus seinem Treiben geholt. „Entschuldigung“, Buzz stand vor ihm. Seine Augen wirkten müde als hätte er die halbe Nacht durchgearbeitet. Allgemein machte sich Woody bei diesem Anblick sichtlich Sorgen um seinen Vorgesetzten. „Ähm“, begann der Blonde. „Könnten sie diese Liste für mich abarbeiten? Ich habe heute Mittag einen wichtigen Termin, werde es also nicht mehr zeitnah schaffen. Dies sind alles potenzielle Kunden unserer Firma.“ „Selbstverständlich“, brach es aus Woody hervor.
 

„Vielen Dank“, Buzz lächelte angestrengt und legte ihm die Liste auf den Bürotisch. „Ach und noch etwas. Am Samstag steht ein wichtiges Geschäftsessen an. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mich zu diesem begleiten würden. Falls sie sich zeitlich noch nichts vorgenommen haben.“ Überrascht sah er seinen Chef an. „Natürlich“, sprach Woody. „Also ich meine … natürlich begleite ich sie.“ „Sehr gut“, Buzz nickte zufrieden. „Die genaue Uhrzeit gebe ich ihnen noch bekannt.“ Mit diesen Worten verließ er Woodys Büro. Der war immer noch baff. Es war erst die erste Woche und trotzdem vertraute man ihm so einen wichtigen Termin an. Ein wenig kam er sich schlecht vor. Insbesondere gegenüber Barry und den anderen Mitarbeitern, die weitaus länger dieser Firma angehörten. Woody wollte keine Zwietracht sähen. Um sich abzulenken, stürzte er sich in die Arbeit. Gegen dreizehn Uhr holte ihn Barry ab, ansonsten hätte er ihr Treffen fast gänzlich vergessen. „Man, du ziehst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter“, stellte der amüsiert fest.
 

Woody sagte nichts weiter. Erst als sie in der Kantine waren, lüftete er sein Schweigen. „Und?“, Barry lachte. „Freu dich doch, dass der Chef dir diese Chance gibt.“ „Bist du ...“, Woody druckste. „Gar nicht sauer?“ „Wieso sollte ich?“, meinte Barry nur. „Jeder hier bekommt eine Chance sich zu beweisen. Da macht er keine Ausnahmen. Und dass er dich dieses Mal gefragt hat, zeigt nur, dass er bereits viel von dir hält.“ „Hmm“, er stocherte in seinem Salat herum. Vielleicht hatte Barry recht. Außerdem konnte er Buzz so eventuell sogar besser kennenlernen. „Na also“, Barry grinste ihn an.

Nachdem die zwei von der Mittagspause zurück kamen, war Buzz bereits weg, wie Woody enttäuscht feststellen musste. Er machte sich an die Liste ran und bis zum Nachmittag, hatte er den größten Teil abgearbeitet. Bevor Woody in den Feierabend ging, erhielt er eine Mitteilung von Jessie, die ihn fragte ob er zum Abendessen vorbei kommen wollte. Natürlich sagte er da nicht nein. Ohnehin hatte Woody ihr vieles zu erzählen. Als er das Gebäude verließ, war Barry fort und so machte er sich auf den unmittelbaren Weg zu seiner Schwester. Im nahe gelegenen Supermarkt, kaufte Woody zur Feier des Tages eine Flasche Wein. Er hatte Jessie so viel zu verdanken, dass dies nur ein kleiner Teil seiner Wiedergutmachung war. Die angenehme Sommerwärme schmiegte sich an Woody und begleitete ihn bis er endlich vor der Wohnung seiner Schwester stand. Sie öffnete beim ersten Klingeln. Stürmisch fiel Jessie ihrem Bruder um den Hals. „Schön, dass du da bist“, begrüßte Jessie ihn. Schließlich nahm sie Woody bei der Hand und zog ihn ins Haus.
 

„Oh man, Jess, hast du wieder für ein ganzes Fußballstadium gekocht?“, erkundigte sich Woody amüsiert, als sein Blick auf den Auflauf fiel und die anderen Köstlichkeiten, die auf dem Tisch thronten. „Du hast doch bestimmt Hunger“, winkte Jessie ab. „Also habe ich all deine Lieblingsspeisen gemacht.“ „Du bist ein Schatz“, er strahlte. „Womit habe ich dich nur verdient?“ Sie nahm seinen Teller und füllte ihn eine mächtige Portion des Nudelauflaufs auf. „So sind Geschwister nun mal“, Jessie zwinkerte. „Aber jetzt erzähl doch mal … wie läuft es an der Arbeit?“ „Puh, wo soll ich nur anfangen?“, Woody überlegte. Schließlich erzählt er ihr von Barry, ihren gestrigen Abend, um abschließend auf Buzz zu kommen. „Tja und Samstag soll ich mit zum Geschäftsessen kommen“, resümierte Woody. „Klingt nicht schlecht“, pflichtete ihm Jessie bei.

Neckisch pikte sie Woody in die Seite. „Und?“, Jessie grinste verschwörerisch. „Was?“, Woody blinzelte. Manchmal konnte er ziemlich auf dem Schlauch stehen. „Na, was wohl?“, sie lachte.
 

„Dein Vorgesetzter natürlich“, Jessie goss sich und Woody jeweils ein Glas des Weines ein, den er mitgebracht hatte. „Er gefällt dir, nicht wahr?“, sprach sie jene Tatsache aus, die Woody versuchte zu unterdrücken. „Schon“, er rollte mit den Augen. „Allerdings ist er mein Vorgesetzter.“ „Das verstehe ich“, sie stieß einen langen Seufzer aus. „Allerdings denke ich, dass du das Recht hast glücklich zu werden, Woody.“ Er runzelte die Stirn. „Ich meinte damit nicht Buzz“, fügte Jessie schnell an. „Du bist ein attraktiver junger Mann. Daher finde ich, dass du dich durchaus sehen lassen und unter Leute gehen kannst. Du machst mir nichts vor. Ich weiß, dass du stark bist und auch alleine klar kommst. Das hast du mir ja jetzt bewiesen. Ich bin nur der Meinung, dass du es nicht musst. Jeder sehnt sich doch nach einem Partner. Jeremy stimmt mir da übrigens zu.“ Sie schwenkte ihr Weinglas. Jessie hatte ihren Freund Jeremy vor kurzem kennen gelernt. Er war in ihre Praxis gekommen mit seinem Golden Retriever – Jessie arbeitete als Tierärztin. Ihr Traumberuf.

Schon als Kind hatte sie stets davon geträumt. Was das anging war Jessie immer sehr zielstrebig gewesen. Und so war es kein Wunder, dass ihr Jeremy sofort verfiel. Was sie anstrebte, dass erreichte sie größtenteils auch. Woody brauchte da leider manchmal ein paar Anläufe. „Jess“, begann er mit einer leicht deprimierten Tonlage. „Du weißt selbst, was mich jedes Mal erwartet, wenn ich mich oute. Meistens sind die Männer dann schneller wieder weg als ich gucken kann. Weil sie mit eben jener Sache nicht klar kommen. Oder ich bin nur irgendein Fetischobjekt für sie. Dabei möchte ich mehr sein. Klar träume ich ebenfalls von einem Menschen, der an meiner Seite steht. Allerdings bin ich realistisch … . Ich werde noch länger Single bleiben bis ich mich auf jemanden einlassen kann.“ „Der Körper ist doch nicht alles“, sprach Jessie lauter aus. „Für dich vielleicht nicht“, brummte ihr Bruder. „Jedoch für die meisten anderen Menschen.“
 

Eine Woge des Schweigens lag über ihnen. Jessie hasste es, wenn Woody so über sich sprach. Sie hatten so lange gekämpft, bis er endlich die Therapie und schließlich die Hormone bekommen konnte. Von der Brustoperation ganz zu schweigen. Ihr tat es damals weh zu sehen wie ihr Bruder kaum in den Spiegel sehen konnte, weil ihn eine völlig fremde Person anschaute. Sie erinnerte sich noch an all die durchgemachten Nächte sowie an Woodys Depressionen. Dass er sich manchmal sogar wünschte er wäre ganz woanders, bloß nicht hier. Durch den Tod ihrer Eltern waren sie beide zu Außenseitern geworden. Selbst wenn ihre Pflegefamilie sie ordentlich behandelte, fehlte doch die Liebe. Es war praktisch nur ein Wohnen auf Zeit, bis sich Jessie und Woody ihre erste eigene Wohnung leisten konnten. Sie half ihm bei seinem College, er ihr im Haushalt. Demnach waren sie tatsächlich das perfekte Team. Und Jessie ließ nichts auf ihren Bruder kommen! Er war ihr ein und alles, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Deshalb wünschte sich sich, dass er glücklich werden durfte.
 

„Hey“, sie lächelte und deutete mit dem Kopf zur Kommode. Dort stand er immer noch. Überall die Jahre hatte sie ihn bewahrt. Woody musste sichtlich schmunzeln als er ihn sah. Mit seinen braunen Stiefeln, dem dementsprechenden Hut und den riesigen Glupschaugen. Als Woody sich dazu entschied endlich seinen Weg zu gehen, brauchte er natürlich einen neuen Namen. Jessie und er hatten sich nahezu den Kopf zerbrochen. Bis ihm sein Lieblingsspielzeug in den Sinn kam: Woody, der Cowboy. Als Kind hatte er sich stets in jene fiktiven Welten geflüchtet, in denen er ein berühmter Sheriff war, der eine ganze Stadt vor dem Bösen beschützte. „Wieso nicht Woody?“, fragte er Jessie zu jener Zeit. Die hatte ihn erst verdutzt angeblickt, zeigte sich dann aber begeistert. Und so hatte er endlich seinen Namen gefunden. Diesen verdankte er seiner geliebten Schwester. „Darf ich ihn mitnehmen? Nur die Woche über?“, bat Woody. „Nur zu“, Jessie lachte auf. „Er gehört schließlich dir! Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du vor Freude beinahe geschrien hast als Dad ihn dir kaufte. Du wolltest ihn unbedingt. Nur diesen und sonst keinen.“ „Ja“, er schmunzelte. „Wenn es doch nur mit allem so leicht wäre.“ Und plötzlich war er wie von selbst mit den Gedanken bei Buzz.

Der Rest der Woche verlief relativ ereignislos. Die Mittagspausen verbrachte er mit Barry. Sie schienen sich immer besser zu verstehen. Mit Barry konnte Woody auch über vieles außerhalb des Jobs reden. So erfuhr Woody, dass er aus einer Akademikerfamilie kam. Seine drei Brüder arbeiteten alle an der Universität als angesehene Professoren. Daher wurde auf Barry herab gesehen, da er nur ein einfacher Angestellter war. Woody versetzte dies einen ziemlichen Stich. Seine Eltern waren stets stolz auf Jessie und ihn. Selbst seine Identität war kein Problem für sie. Wären sie noch am Leben, hätte sich Woodys Weg wahrscheinlich nicht so lang gezogen. Selbst die Sprüche aus der Nachbarschaft hatten sie ignoriert. Sie standen immer zu ihren Kindern. Daher war ihr Verlust auch so schmerzlich für Woody. Als er Barry davon erzählte, schwieg dieser betroffen.
 

„Das tut mir leid, dass du deine Eltern verloren hast“, murmelte er und mit einem Mal war sämtliche gute Laune aus ihm gewichen. „Es ist schon lange her“, beschwichtigte Woody ihn. „Außerdem konnte niemand etwas dafür.“ „Darf ich fragen, wie das passiert ist?“ Lange war es her, dass er über jenen Tag sprach. Sie hatten es damals aus den Nachrichten erfahren. Wären seine Eltern doch nur nicht in dieses verdammte Flugzeug gestiegen! Doch wer konnte das schon wissen, das so etwas passieren würde? Woody hätte es nicht verhindern können. Seine Mutter hatte ihn noch gefragt, ob zu mindestens sie zuhause, bei Jessie und ihm bleiben sollte. Obwohl Woody sie gebraucht hätte, sagte er „nein“. „Ich wollte es ihr nicht vermiesen. Mein Vater hatte ein wichtiges Meeting in London, daher wollte meine Mutter ihn begleiten, um ihn zu unterstützen. Außerdem wollten sie die Stadt besichtigen. Tja und dann … .“ Ihr Kindermädchen hatte sie sogar vom Fernsehen abhalten wollen. Sie erfuhr es als Erstes. Woody hatte nur dagestanden, es für einen Traum gehalten, während Jessie in bittere Tränen aus brauch. Diese Erinnerung schmerzte.
 

Wortlos hielt im Barry die Zigarettenpackung entgegen. „Ich denke, die kannst du jetzt gebrauchen“, sagte er betroffen. Woody nahm eine. Sobald er den ersten Zug tätigte, brach er in Husten raus. „Ist ewig her“, rechtfertigte er sich. „Kein Problem“, Barry musste unwillkürlich lachen. „Lass uns doch am besten über was anderes reden. Bist du schon nervös, was Morgen“ angeht?“ „Nun ja“, Woody schluckte. „Ein wenig. Aber ich denke, ich bekomme das hin.“ „Ach, bestimmt“, der Blonde schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Wenn ich dir noch einen Rat mit auf den Weg mitgeben darf, sei einfach du selbst. Das kommt immer gut an, glaube mir.“ „Okay“, Woody nickte. Er zog hastig an der Zigarette und blickte auf sein Smartphone. „Wir sollten langsam mal wieder rein.“ Bevor sich ihre Wege trennten, drehte sich Woody zu ihm um.
 

„Hey“, er räusperte sich. „Hast du eventuell Lust demnächst mit zu meiner Schwester zu kommen? Sie kann echt gut kochen und würde sich freuen, mal ein neues Gesicht zu sehen. Meines wird ihr wohl bereits überdrüssig.“ „Ach, das glaube ich nicht“, Barry lachte laut auf. „Aber klar, ich komme gerne mit. Sag mir einfach wann und ich bin dabei. So ich muss mal weiter machen. Wir sehen uns, Woody.“ Er winkte und ging zu seinem Büro. Woody tat es Barry nach. Vor lauter Enthusiasmus wäre er fast in seinen Vorgesetzten hinein gerannt. „Oh, e-entschuldigen sie“, stammelte Woody unbeholfen. „Kein Ding“, Buzz schien wesentlich besser drauf zu sein als die Tage zuvor. „Ich wollte ohnehin mit ihnen reden. Immerhin ist morgen ja das Geschäftsessen. Wenn es ihnen also nichts ausmacht, hole ich sie direkt um achtzehn Uhr ab. Ist das in Ordnung für sie?“ Er stimmte seinem Boss sofort zu und gab diesem anschließend die Adresse seiner Wohnung. „Fein“, äußerte Buzz zufrieden. „Nun denn, ich habe noch zu tun. Falls wir uns nachher nicht mehr sehen sollten, wünsche ich ihnen später einen schönen Feierabend. Wir sehen uns morgen Abend.“
 

Woody kam relativ spät aus der Firma, sowohl Barry als auch Buzz waren bereits fort. Er wollte nur noch nach Hause, eine Dusche nehmen und die Füße hoch legen. Vielleicht irgendeinen stumpfsinnigen Film schauen. Ja, das wäre jetzt genau das Richtige. Erschöpft schloss er die Wohnung auf, schlüpfte noch im Flur aus seinen Sachen und ging ins Bad. Dort drehte Woody dankbar die Dusche auf. Er hing seinen Gedanken nach, während das warme Wasser an ihm hinab rann. Zum Glück hatte er noch einen passenden Anzug. Er wollte neben Buzz keinesfalls wie ein Landei herüber kommen. „Hoffentlich bekomme ich überhaupt ein Wort raus“, sorgte sich Woody. Immerhin wollte er Buzz nicht enttäuschen. „Bleib doch ruhig, du Idiot“, tadelte ihn seine innere Stimme.. Er machte sich viel zu viele Gedanken. Eine dumme Angewohnheit, die er aus seiner Jugend übernommen hatte. Meistens lief es dann dennoch besser als Woody dachte.
 

Nach der Dusche, machte er sich einen Instand Nudel Cup und schaltete den Fernseher ein. So richtig bekam er das Programm nicht mir, aber so hatte er eine Geräuschkulisse. Gegen Mitternacht entschied sich Woody letztendlich dafür, schlafen zu gehen. Relativ schnell sanken ihm die Augen zu. In seinen Träumen kam, wen wunderte es, Buzz vor. Den genauen Zusammenhand wusste Woody nicht mehr, nur dass er relativ aufgelöst aufwachte. „Pffft“, machte Woody verächtlich und hielt sich den Kopf. Es war wohl Fakt, dass er seinen Boss ziemlich anziehend fand. Alleine schon diese Augen machten ihn nahezu verrückt. Er könnte sich selbst dafür verfluchen. Männer wie Buzz waren gänzlich anders als er. Sie wussten, dass sie gut aussahen und zeigten dies auch. Neben ihnen kam sich Woody manchmal noch relativ unbedeutend vor. Jessie würde ihn hierfür bestimmt erneut anfahren. Missmutig erhob er sich und ging seiner morgendlichen Routine nach, die aus Kaffee machen, Brötchen aufbacken und Radio hören bestand. Mittags joggte er im Park.
 

Das tat Woody gut, um runter zu kommen. Zumal er sich so richtig auspowern konnte. Die Zeit schritt voran. Da er abends das Geschäftsessen hatte, nahm er nur eine Kleinigkeit zu sich. Schließlich holte Woody seinen besten Anzug hervor und machte sich fertig. Das Hemd schmiegte sich an seine grazile Figur, was ihn recht androgyn erscheinen ließ. Er mochte es. In dem Outfit hatte er sich sogar damals wohl gefühlt. Bevor er in Erinnerungen versinken konnte, schrillte es an der Tür, woraufhin Woody fast über seine eigenen Füße stolperte. „Ich komme“, haspelte er in die Sprechanlage und machte Buzz auf. Dieser wirkte leger, kein bisschen aufgestylt oder hochtrabend, sondern sehr natürlich. „Wir haben noch Zeit“, offenbarte er seinem Mitarbeiter und lächelte,dieses charmante Lächeln, was jedes Zahnpastamodel neidisch machen würde. „Kann ich rein kommen.“ „Klar“, Woody hustete, da ihn kurz die Stimme versagt war. „Wollen sie etwas trinken?“ „Ein Glas Wasser genügt“, erwiderte Buzz. Woody nickte und holte rasch ein Glas aus dem Schank. Ein wenig schämte er sich für seine kümmerliche Wohnung. Buzz wohnte bestimmt in einem hippen Appartement, wahrscheinlich mit der besten Aussicht auf die Stadt. „Bitte sehr“, er reichte ihm das Wasser.
 

„Danke“, gab der Blonde zurück. Woody setzte sich ihm gegenüber. Er fand keinen Einstieg. Es war ungewohnt seinen Vorgesetzten in dieser privaten Atmosphäre zu treffen. „Also“, kam ihm Buzz zuvor. „Ich weiß, dass sie erst bei uns angefangen haben. Aber was halten sie davon, wenn wir uns einfach duzen? Ich bin kein Freund von diesen ganzen Förmlichkeiten. Wenn es um Geschäftspartner geht, ist dies eine ganz andere Sache. Mitarbeiter sollten sich jedoch wohlfühlen. Die Entscheidung liegt also ganz bei ihnen.“ „Du ist völlig okay“, Woody setzte ein Lächeln auf. „Das ist super“, plauderte Buzz plötzlich locker aus. Er schien nahezu erleichtert zu sein. „Dann sag Buzz zu mir.“ Woody spürte wie eine unterschwellige Wärme in ihm aufstieg. „Okay“, riss er sich zusammen. „Und dein Vorname ist Woody“, Buzz machte eine zustimmende Kopfbewegung.
 

„Mir gefällt der Name“, gestand er. „Hast du dich denn gut bei uns eingelebt?“ „Auf jeden Fall“, entfuhr es Woody sofort. „Ich bin dir so dankbar, dass du mir diese Chance gibst.“ „Ach“, Buzz sah ihn an. „Nicht dafür. Du machst bisher einen guten Job. Und ich täusche mich sehr selten, was dies betrifft.“ Mit einem mal fiel es Woody leicht mit ihm zu reden. Buzz war gänzlich anders als er vermutete. Sie teilten sogar die selben Interessen. „Und ich dachte schon, er wäre nur einer dieser neureichen Yuppies“, amüsierte sich Woody in Gedanken. „Dabei ist er total sympathisch.“ „Wenn du mal etwas auf den Herzen hast“, riss Buzz an. „Kannst du es mir jederzeit sagen. Weißt du, unsere Firma ist ganz anders. Ich kenne viele, die von ihren Vorgesetzten regelrecht unterdrückt werden. Wie ich so etwas hasse. Wir sind auch nur Menschen. Die meisten würden das jedoch nie äußern, da sie Angst haben ihre Mitarbeiter verlieren den Respekt. Ich halte das für Schwachsinn.“

Woody war verblüfft wie frei heraus Buzz all dies äußerte. Allmählich legten sich seine Sorgen und er begann sich sicherer zu fühlen. „Wir sollten los“, meinte Buzz und sah auf die Uhr.

Das Essen verlief besser als es Woody befürchtet hatte. Buzz schaffte es, dass er sich nicht eine Minute unwohl fühlte. Gegen zweiundzwanzig Uhr lösten sie die Runde auf. „Dann vielen Dank, Herr Lightyear“, ihr Geschäftspartner reichte Buzz die Hand, danach widmete er sich Woody zu. „Es war ebenso angenehm, sie kennenzulernen, Herr Pride. Ihr Vorgesetzter kann sich glücklich schätzen, einen so motivierten Mitarbeiter wie sie zu haben.“ Bei diesem Satz lächelte ihm Buzz zu. Sie begleiteten die Männer noch nach draußen und verabschiedeten sich. „Puh“, seufzte sein Boss als das Auto, in welches sie gestiegen waren, davon fuhr. „Geschäftsessen können ziemlich anstrengend sein“, beichtete ihm Buzz. „Bleibt aber unter uns oder?“ „Natürlich“, Woody grinste breit. „Was hast du noch so vor?“ Bei dieser Frage geriet er ins Stocken. „Nun. Eigentlich nichts groß weiter. Meine Schwester trifft sich mit ihrem Partner, da bin ich also raus:“ „Demnach würdest du den Abend ohnehin einsam verbringen“, stellte Buzz nüchtern fest. „Magst du noch mitkommen?“
 

Lud er ihn etwa ein? Tatsächlich meinte es Buzz ernst und da Woody ihn gerne besser kennenlernen wollte, stimmte er zu. Die Bar, die Buzz aussuchte, gefiel ihm wesentlich besser als jene, in der er mit Barry gewesen war. Zu mal es hier sogar wesentlich ruhiger war. Sie suchten sich einen der hinteren Tische aus. „Bestelle dir einfach etwas“, ermutigte Buzz ihn. „Der Preis ist ganz egal.“ Woody entschied sich dennoch schlicht für ein Bier. „Bringen sie mir das selbe“, sagte Buzz zu der Kellnerin, die die Karten wieder mitnahm. „Alles okay?“, sein Gegenüber musterte ihn besorgt. „Ja“, Woody schmunzelte ein wenig entkräftet. „Ich wollte eben, dass das Essen gut läuft und du unsere neuen Partner an Land ziehen kannst. Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie so einen wichtigen Termin. Ich bin was das angeht also ein kompletter Neuling.“ „Das hat man nicht gemerkt“, Buzz zwinkerte. „Du hast das echt gut gemacht. Habe ich allerdings von Anfang an gewusst. Nicht umsonst habe ich mich für dich entschieden.“ „Danke“, Woody kämpfte gegen die ansteigende Röte an. Wieso hielt Buzz nur so viel von ihm? Derartiges war völlig neu für Woody.
 

Ihr Bier kam und kurz nachdem es die Kellnerin abstellte, nahm Buzz das Glas in die Hand. „Auf unsere Zusammenarbeit und dich“, prostete er Woody zu, der dies sofort erwiderte. „Erzähl mir mehr von dir“, meinte er schließlich. „Meinst du was ich beruflich gemacht habe? An sich habe ich das im Vorstellungsgespräch erläutert.“ „Quatsch“, Buzz lachte laut. „Ich meinte was du privat alles machst. Du lebst doch immerhin nicht nur für die Arbeit oder?“ „Hmmm“, machte Woody, der was so etwas anging, recht schüchtern agierte. „Ich habe meine Schwester, Jessie. Wir unternehmen öfters etwas zusammen. Seit unsere Eltern starben, stehen wir uns näher als jemals zuvor. Ansonsten mache ich das Übliche, wie jeder andere auch. Ich gehe joggen, koche ganz gerne, spiele Schach, auch wenn ich da bisher nur selten einen Partner für gefunden habe, zeichne, wenn sich die Zeit dafür ergibt und besuche gelegentlich das Kino um einen Film anzuschauen. Und du?“ Buzz setzte einen verschmitzten Blick auf, der auf Woody ein wenig sarkastisch wirkte.
 

„Ehrlich gesagt, ich hatte einige Interessen“, er seufzte. „Bis mein Privatleben aus dem Ruder lief. Da stürzte ich mich in die Arbeit. Heute ist der erste Abend, an dem ich privat wieder etwas unternehme. Schon seltsam oder? Klar, ich habe Verantwortung zu tragen, aber teils diente das auch nur als Ausrede, um mich noch mehr in die Arbeit zu stürzen.“ „Das klingt nicht gerade gesund“, meinte Woody. „Ist es auch nicht“, pflichtete ihm sein Gegenüber bei. „Nimm dir da bloß kein Beispiel dran. Ich halte sehr viel von motivierten Mitarbeitern, aber wenn du plötzlich gar nichts mehr hast außer deinen Job, ist das traurig. Glaube mir.“ Woody sagte nichts. Buzz tat ihm mit einem Mal leid. Am liebsten hätte er ihm Mut gemacht, ihn gesagt, was für ein großartiger Chef er sei. Er ließ es dennoch bleiben. Es war ohnehin ungewohnt mit seinem Vorgesetzten etwas privat zu unternehmen, jedoch spürte er, dass Buzz dies wohl brauchte. Ebenso wie Woody selbst. „Das mit deinen Eltern, tut mir leid“, sagte Buzz mit Wehmut in seiner Stimme. „Ich weiß genau, wie so ein Verlust ist.“ „Jessie hat mich zu der Zeit echt aufgefangen. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne sie wäre.“ „Sie scheint eine tolle Frau zu sein.“ „Das ist sie“, erklärte Woody stolz. „Sie ist die Beste.“
 

„Ihr seid ein tolles Team“, Buzz nahm einen weiteren Schluck seines Bieres. „Ich kann gar nicht glauben, dass jemand wie du keinen Partner hat.“ Beinahe hätte sich Woody an seinem Getränk verschluckt. „Ach“, lachte er nervös. „Ich bin recht langweilig.“ „Nein, absolut nicht“, hielt Buzz dagegen. „Ich kann zwar nur meine Perspektive aussprechen, aber ich finde dich sehr interessant … als Menschen.“ Den letzten Satz betonte er nochmals, wohl um zu verdeutlichen, dass er Woody als Meitarbeiter schätzte und nicht mehr. Obwohl zwischen ihnen gerade eine seltsame Atmosphäre herrschte. Woody konnte es sich nicht wirklich erklären. Bevor dies jedoch ausartete wechselte Buzz das Thema. Er gab etwas zu, was Woody sogar niedlich fand. „Ob das nun beleidigend ist? Er ist schließlich mein Boss, dem ich Respekt zollen sollte“, ermahnte er seinen eigenen Gedanken. Just in diesem Moment hatte Buzz ihn nämlich gestanden, dass er total auf Comics und Superhelden allgemein stand. Sein Lieblings Superheld war Spiderman. Vor seinem geistigen Auge trat das Bild eines Buzz auf, der begeisternd und Popcorn mampfend einen Spiderman Film schaute. „Wenn der neue Film raus kommt, können wir ihn doch gemeinsam anschauen“, äußerte Woody unbedacht. Buzz blickte ihn erst sprachlos an, dann bildeten seine Mundwinkel ein Lächeln, das sich von seinen bisherigen wesentlich unterschied. Nicht jenes Hollywood-Saubermann-Lächeln sondern ein echtes, ungespieltes, ja fast verletzliches Lächeln. „Es würde mich freuen, dich zu begleiten.“
 

Mit jenem Satz begann sie also: Ihre ungewöhnliche Freundschaft, die Woody erst für falsch hielt angesichts ihrer unterschiedlichen Positionen. Trotzdem ging er sie ein. Die beiden gänzlich verschiedenen Männer, schafften es, sich gegenseitig aufzubauen. Woody brachte Buzz ein Stückchen Lebensfreude wieder. Und dieser wiederum schaffte es, dass Woody sich nicht mehr so viele Gedanken machte. Er genoss weitaus mehr als in der Vergangenheit. Plötzlich sah er sich in einem anderen Licht und zwar in einem weitaus positiveren. Und so verging sein erstes halbes Jahr bei Star Command. Eine schöne Zeit, die jedoch gelegentlich durch seine Unsicherheit gegenüber den anderen Kollegen getrübt wurde. Immer noch hatte er Angst, was das Aufsuchen des WCs anging. Natürlich blieb das den anderen nicht verborgen, auch wenn Woody das gerne hätte.

„Du schaust so betrübt“, stellte Jessie besorgt fest. Woody hing seit einer gefühlten Ewigkeit an seinem Essen und hatte noch kaum einen Bissen herunter bekommen. „Es ist wegen der Firma“, nuschelte er. „Aber meintest du nicht, dass du dich dort wohl fühlst?“ „Schon“, Woody stöhnte auf. „Jedoch habe ich das Gefühl, dass meine Kollegen mich allmählich für sonderbar halten. So etwas bleibt einem eben nicht verborgen. Manchmal beäugen sie mich kritisch. Fast so als wäre ich ein Alien. Verstehst du, Jess? Das macht mir halt zu schaffen. Ich will doch einfach nur in Ruhe meinen Job machen. Mehr wünsche ich mir gar nicht.“ „Hmmm“, kam es ein wenig deprimiert von Jessies Seite. „Ich weiß, was du meinst. Buzz ist allerdings auf deiner Seite oder?“ Er nickte. „Ich denke, dass er nicht viel von alldem mitbekommt. Um ehrlich zu sein, habe ich echt Angst um meine Stellung in der Firma. Bisher war meine Vergangenheit mir immer im Weg. Am liebsten würde ich sie komplett ausradieren. Was schlicht nicht möglich ist. Sie wird leider auf ewig ein Teil von mir sein.“ „Ach, Woody“, Jessie seufzte. „Mach dich doch nicht immer so schlecht! Denkst du nicht, dass Star Command da anders ist? Buzz hat dich von vorneherein gemacht und dein Potenzial erkannt. Alleine das sollte dir doch schon Auftrieb geben oder? Ich weiß, dass es hart für dich ist.“
 

„Leichter gesagt als getan“, gab er zurück. Zu mal noch hinzu kam, dass er langsam mehr für Buzz empfand als ihm eigentlich lieb war. Je länger sie miteinander zu tun hatten, desto weniger wollte er seine Nähe missen. Buzz war keineswegs nur sein Vorgesetzter, er war der beste Freund geworden, den er niemals hatte. Daher hatte Woody Angst davor ihn zu verlieren. Ebenso wie Barry zu dem er ebenfalls ein gutes Verhältnis hatte. „Mach dir nicht zu viele Sorgen“, riet ihm seine Schwester. Sie nahm seine Hand und drückte diese fest. „Du hast so viel erreicht, da kannst du echt stolz auf dich sein. Glaube an dich. Und selbst wenn deine Kollegen jenen Teil deiner Vergangenheit erfahren sollten … du bist du.“ Woody ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen.

Als er zuhause war, schaltete er die Anlage an und legte eine uralte CD seiner Eltern ein. Jene bedeutete ihm viel, da auf ihr der Song war bei dem sie sich kennenlernten. Fast wäre Woody gedanklich komplett abgeschweift, so wie es immer geschah, wenn er sich ganz und gar der Musik hingab. Er wurde jedoch aus seinen Träumen durch das laute Klingeln seines Handys geholt. „Hey, ich bin es“, konnte er jene vertraute Stimme erkennen. „Tut mir leid, dass ich so spät noch anrufe. Bestimmt willst du gerade einen ruhigen Abend verbringen, nicht wahr?“ „Buzz“, Woody lächelte vor sich hin. „Was ist los? Du rufst bestimmt nicht ohne Grund an oder?“ Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung. Dann schließlich ein Räuspern. „Na ja, mir ging vieles durch den Kopf. Irgendwie konnte ich nicht abschalten. Und da dachte ich, dass du vielleicht Zeit hättest, noch etwas zu machen. Also … nur wenn du Lust hast, versteht sich.“ „Klar“, kam es enthusiastisch von Woody. Wieso fragte Buzz da eigentlich noch? „Super“, er konnte ihn förmlich lächeln sehen. „Dann hole ich dich gleich ab, ja?“ „Alles klar“, innerlich machte Woodys Herz bereits Sprünge.
 

Innerhalb von zwanzig Minuten klingelte es an der Tür. Sofort stürzte er zu dieser und öffnete sie hastig. „Wow, was ist denn bei dir los?“, der Blonde lachte. „Ähm, nichts“, log Woody. „Wollte dich halt nicht warten lassen.“ „So, so“, sprach Buzz neckisch. „Dann mal los“, entschloss sich Woody und drängte Buzz in Richtung des Hausflurs. Sein Arm schnappte rasch den Schlüssel auf der Kommode. „Wohin geht es?“, er grinste seinen Vorgesetzten an. „Ach, so einen richtigen Plan habe ich eigentlich gar nicht“, gestand ihm dieser. „An sich wollte ich einfach nur ein wenig mit dem Auto herum fahren. Es sei denn du findest das völlig dämlich.“ „Quatsch“, Woody schüttelte den Kopf. „Sag mal deine Anlage kann auch CDs abspielen?“ „Logo. Wieso fragst du?“ „Wirst du gleich sehen. Ich muss nur eben kurz in die Wohnung.“ Der Blonde blieb verblüfft zurück und sah ihm nach. Wenig später kam Woody mit der CD wieder, die er vor Buzzs Anruf anhören wollte. „Da bin ich“, keuchte er. Woody war die Treppen regelrecht hoch gestürmt und demnach ziemlich erledigt. Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz. „Darf ich?“ „Nur zu“, ermutigte ihn Buzz und Woody legte die CD ein. Ohne lange zu überlegen, schaltete er genau jenes Lied an, das seine Eltern damals zusammenbrachte. Wie in Trance wippte er zum Takt der Musik und summte mit.
 

Sie fuhren durch die Stadt hinaus auf die Landstraße. Lichter zogen an ihnen vorbei und verschwanden in der Dunkelheit der Nacht. Buzz drückte auf Repeat, woraufhin der Song abermals gespielt wurde. „Du hast Geschmack“, erkannte er Woody an. „Ich kenne das Lied. Damals habe ich es ebenfalls rauf und runter gehört. Das waren Zeiten, sage ich dir. Da war ich noch ein Kind. Als Kind hast du wirklich dein gesamtes Leben vor dir. Du brauchst dir um nichts weiter Gedanken machen und kannst einfach in den Tag hinein leben. Ohne jegliche Konsequenzen. Manchmal fehlt mir diese Zeit. Mittlerweile rasen die Jahre geradezu an einem vorbei.“ „Da hast du recht“, äußerte Woody.
 

„Doch auch im Hier und Jetzt gibt es immer wieder schöne Momente. Man muss das Beste aus seinem Leben machen, finde ich. Jedenfalls belehrt mich Jessie immer, was diesen Punkt angeht.“ Buzz lachte laut auf. „Deine Schwester scheint dich ganz schön in die Fittiche zu nehmen, was?“ „Kann man so sagen“,Woody setzte einen leicht gequälten Gesichtsausdruck auf. „Manchmal ist sie anstrengend. Dennoch liebe ich sie und bin froh, sie zu haben.“ „Das ist gut“, Buzzs Stimme senkte sich. „Entschuldige“, fuhr der Braunhaarige hastig dazwischen. „Du kannst nichts dafür.“
 

Buzz atmete tief durch. „Ich habe niemanden mehr“, lautete das bittere Geständnis. Woody wollte seinen Ohren kaum trauen. „Wie bitte?!“ „Ja, du hast leider richtig gehört. Meine Eltern leben im Gegensatz zu deinen zwar, aber sie wollen keinen Kontakt mehr zu mir. Meine komplette Familie hat sich von mir abgewendet.“ Das war nur ein Teil der Geschichte. An jener Nacht weihte er Woody ein, was seine eigene Vergangenheit betraf. Dieser war überrascht wie gnadenlos ehrlich sein Boss war. Und das bei einem Menschen, den er erst vor wenigen Monaten kennen gelernt hatte.

„Meine Eltern hatten immer genaue Vorstellungen davon, wie ein Sohn zu sein hatte. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter hatten beide bereits zuvor eine strenge Erziehung genossen. Ich war ihr einziges Kind und demzufolge setzten sie hohe Erwartungen in mich. Ich sollte all das erreichen, was ihnen immer verwehrt geblieben war. Besuch oder Geburtstage feiern? Vergiss es. Das war absolut nicht drin. Zumal wir kein Geld dafür hatten. Manchmal lernte ich bis spät in die Nacht hinein um die Resultate zu erzielen, die sie von mir erwarteten. Ich wollte einfach nur, dass sie mich liebten und stolz auf mich waren.“ Er brach ab. Sie hatten einen Parkplatz aufgesucht, wo Buzz ihm in Ruhe alles erzählen konnte. Woody spürte die Anspannung in ihm. „Sie warfen mir trotz allem vor, dass ich mich nicht genug anstrengen würde. Ich erhöhte mein Arbeitspensum. Während die anderen Kinder ihre schönsten Jahre genossen, verbrachte ich diese vorm Schreibtisch. Ich übersprang sogar ein Jahr in der High School und konnte früher das College besuchen. Weißt du was das Schlimmste war? Selbst da nicht mal ein einziges Wort, dass ich es gut gemacht habe.“
 

Am liebsten hätte er ihn in den Arm genommen und ihm gesagt, wie falsch seine Eltern doch gelegen hatten. „Und dann“, setzte Buzz an. „Lernte ich meinen Partner kennen. Damit eskalierte es endgültig. Meine Eltern waren ohnehin schon nicht für ihre Toleranz bekannt als sie jedoch von ihm erfuhren, eskalierte die Situation. Sie stellten mich vor die Wahl. Entweder solle ich ihn wählen oder meine Eltern, die ja angeblich so vieles für mich gemacht hatten und ihr eigenes Leben hinten anstellten. Ich sagte ihnen, dass ich in diesem Fall keine Entscheidung fällen werde. Sie sollten mein Leben endlich akzeptieren. Nun darauf zeigten sie, was sie von meinen Worten hielten.“
 

„Was haben sie gemacht?“, ein wenig bereute Woody die Frage, da er die Antwort bereits erahnen konnte. „Sie zeigten mir den Weg durch die Tür. Außerdem sollte ich es nicht wagen, je wieder zurück zu kommen, es sei denn ich hätte mich von ihm getrennt und wäre zur Besinnung gekommen.“ „Das tut mir leid“, äußerte Woody mit gesenkter Stimme. „Schon gut“, Buzz lächelte schwach. „Andy, so hieß mein Partner, erkrankte schwer. Außer ihn hatte ich niemanden mehr … keine Freunde, keine Familie, absolut niemanden. Ich konnte es nicht ertragen ihn auch noch zu verlieren. Er war alles für mich. Alleine durch Andy schaffte ich den beruflichen Aufstieg. Da die Ärzte uns rieten, so viel gemeinsam zu machen, wie wir nur konnten, erfüllte ich Andys letzten Wunsch. Eine Reise nach Venedig. Dies war mit die schönste Zeit in meinem Leben.“
 

Woody erfuhr, dass Andy wenig später verstarb. Er wusste nicht was er sagen sollte. Zum einen war er überrascht, dass sein Boss tatsächlich auf Männer stand aber zum anderen schockierte ihn Buzzs Lebensbeichte. „Entschuldige“, sprach Buzz. „Ich wollte dich mit alldem nicht belasten. Auch wenn es dumm klingt manchmal beneide ich dich. Du hast Jessie und egal was kommt, sie würde dich niemals im Stich lassen. Weil sie dich liebt. Ich bin allein. Das einzige was mir noch bleibt ist die Arbeit.“ „Du bist keineswegs alleine“, widersprach Woody. „Ich bin da. Vielleicht kommt es naiv rüber, jedoch bist du mir bereits sehr wichtig geworden. Ich hatte noch nie wirkliche Freunde. Du allerdings bist mein bester Freund geworden. Egal was du auf dem Herzen hast, du kannst jederzeit mit mir darüber reden.“ „Danke“, die blauen Augen leuchteten auf. „Das bedeutet mir viel.“ Ihre Blicke streiften sich. Woodys Körper verkrampfte sich unwillkürlich. Er verspürte den Drang Buzz zu umarmen. „Übrigens gilt das ebenso für dich. Ich hoffe das ist dir klar?“ „Ja“, Woody lächelte.
 

Buzz schlug vor etwas vom Drive-In zu holen, wogegen Woody nichts einzuwenden hatte. „Ich wollte dir was zeigen“, meinte er nachdem sie ihr Essen hatten. Er startete den Wagen und fuhr los. Nach einer Weile kamen sie zu dem Platz, den Buzz seinem Freund unbedingt zeigen wollten. „Wow“, Woodys Mund blieb offen stehen als er den Ausblick sah. Von hieraus konnte man die ganze Stadt sehen, die in ihrer Lichtervielfalt vor ihnen erstrahlte. Außerdem war es hier ruhig. „Zu dieser Anhöhe bin ich immer gefahren, wenn ich nachdenken musste oder einfach Ruhe brauchte“ „Glaube ich gerne“, gab Woody zurück. Ungefragt stellte Buzz die Anlage an und schaltete zu Woodys Lieblingslied durch. Eine Weile sagte keiner ein Wort. Sie lauschten einfach den Klängen der Musik, die bei Woody jedes Mal eine Gänsehaut verursachte. Wie in Trance summte er den Song mit. „Entschuldige“, sein Gesicht errötete nachdem er bemerkte, dass Buzz ihn beobachtete. „Wieso entschuldigst du dich denn? Ich finde das ziemlich süß“, bei diesem Satz hustete er. „Oh man, verzeih mir, Woody. Als ob es nicht schon seltsam genug ist mit seinen Chef befreundet zu sein … . Nun weißt du sogar noch, dass ich homosexuell bin.“ „Ach“, Woody kicherte. „Du tust ja so als wäre ich total weltfremd. Liebe ist Liebe, da spielt das Geschlecht keinerlei Rolle.“
 

„Außerdem“, er zwinkerte. „Fühle ich mich geehrt, dass du mich süß findest. Das hat bisher noch niemand zu mir gesagt.“ „Tatsächlich?“, Buzz schmunzelte. „Dann wurde es mal höchste Zeit.“ Seine Augen trafen die von Woody. „Was tue ich hier eigentlich?“, dachte dieser als Buzz näher kam und sich ihre Hände berührten. „Buzz … ich … . Da gibt es etwas … .“ Doch er wurde unterbrochen. Der Blonde hob seinen Kopf an und schloss die Lider. Er küsste den völlig überrumpelten Woody. Dieser konnte nicht anders als ihn zu erwidern. Tief in seinem Inneren hatte sich Woody genau danach gesehnt. Selbst wenn er sich dafür später verurteilen würde, was zählte war der Moment und diesen wollte er auf keinen Fall zerstören. Er zog Buzz näher zu sich heran.

„Danke dir für den schönen Abend“, sprach Buzz zum Abschied. Woody, immer noch überrumpelt von dem vorherigen Kuss, stand an der Haustür gelehnt und nickte nur. „Schlaf später gut“, murmelte er. Gerade als er in die Wohnung gehen wollte, zog ihn Buzz zu sich heran und küsste ihn erneut, dieses Mal inniger. „Gute Nacht“, sagte der Blonde lächelnd und ging langsam den Gang entlang, woraufhin ihn Woody eine Weile nach sah. Nach einiger Zeit schüttelte er den Kopf und betrat die Wohnung. Diese kam ihm gerade nahezu verlassen vor. Er fühlte sich einsam. „Was habe ich nur getan?“, Woody hielt sich die Schläfen. Buzz war sein Vorgesetzter. Es war eine Sache mit ihm befreundet zu sein. Aber das? „Mindestens“, so beruhigte Woody sich. „War es bloß ein Kuss.“ Er befreite sich aus den Sachen bis auf die Boxershorts und ließ sich völlig erschöpft ins Bett gleiten. Gedanken verfolgten ihn, für die er sich sichtlich schämte. Reflexartig griff Woody zum Handy. Er musste jetzt sofort mit seiner Schwester reden! Anders wusste er sich nicht zu helfen. „Jess, hast du eventuell kurz Zeit?“, schrieb ihr Woody im Messenger. Er hatte Glück. Jessie war tatsächlich online! „Was gibt es denn?“, erkundigte sie sich. „Es ist kompliziert“, dabei biss sich Woody, wohl wissend, dass sie es nicht sah, auf die Lippen. „Oh je“, er konnte sich bereits vorstellen, wie sie bei diesem Satz seufzte. „Dann schieße mal los. Ich bin schon sehr gespannt.“
 

Somit weihte er sie ein, was ihn und Buzz betraf. „Ihr habt euch geküsst?!“, sendete Jessie per Sprachnachricht. Woody errötete und war heilfroh, dass niemand ihn so sah. Sein Handy vibrierte. Jessie rief an, wahrscheinlich wollte sie nun direkt mit ihm reden. „Ja ...“, murmelte er leise in den Hörer. „Mensch“, sprach seine Schwester aus. „Du gehst ja echt ziemlich ran, was? Kenne ich gar nicht von dir.“ „Als ob das geplant war“, polterte Woody. „Buzz hat mich total überrumpelt. Tja und nun weiß ich nicht, wie es mit uns weiter gehen soll.“ Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung. „Nun“, setzte Jessie vorsichtig an. „Du würdest dich selbst belügen, wenn du verneinst, dass er dir wichtig ist. Gib es doch endlich mal zu, Woody. Du stehst auf ihn. Und zwar von Beginn an. Ich kenne dich viel zu gut als dass du diese Tatsache verleugnen könntest.“ Sie hatte ihn. Woody seufzte. Natürlich stand er auf Buzz und er hatte sich oft gewünscht, dass ihre Situation anders wäre. Wieso nur musste er sein Vorgesetzter sein? Und warum konnte Woody kein Cis-Mann sein? Es hätte vieles vereinfacht. „Mensch“, Jessie wurde lauter. „Warum um alles in der Welt machst du dich immer noch so runter? Du bist und warst immer ein Mann. Mach das doch nicht von ein paar körperlichen Abweichungen abhängig.“ „Es ist nur“, Woody stöhnte auf. „Ich will einfach nicht auffallen. Buzz soll mich nicht anders sehen, wenn er es erfährt. Davor habe ich Angst, Jessie.“
 

„Ich bin mir sicher, dass er anders ist“, machte sie ihm Mut. „Deine Situation ist schwierig, das verstehe ich vollkommen. Aber es gibt für alles eine Lösung. Ihr müsst euer Verhältnis zueinander, ja nicht in der Firma bekannt machen. Was hältst du davon … lade ihn doch einfach mal bei mir zum Essen ein. Ich würde gerne den Mann kennenlernen, der meinen Bruder so glücklich macht.“ „Jess“, Woody räusperte sich. „Ist das nicht ein wenig zu früh?“ „Ach was, ihr seid nun schon eine ganze Weile befreundet. Außerdem beiße ich nicht, es sei denn du schämst dich für deine Schwester.“ Er rollte theatralisch mit den Augen. Da er ihr ohnehin nichts abschlagen konnte, sagte er zu. Sie beendeten ihr Telefonat und Woody ging gedanklich durch, wie er Buzz am besten fragen könnte. Dies hatte zur Folge, dass er sehr spät einschlief und dementsprechend zermartert aufwachte. „Wow“, pfiff Buzz als Woody zwei Stunden später das Büro betrat. „Du siehst aus als würdest du dich für eine Hauptrolle bei the Walking Dead beworben wollen.“ „Haha“, grummelte er zurück. „Ich konnte nicht so gut schlafen.“ „Verstehe“, sein Boss nickte. „Das sind die Akten für heute. Lass dir Zeit. Von allen Mitarbeitern hier, hast du das schnellste Tempo und bist deinem Pensum schon weit voraus.“ „Danke dir“, Woody wurde unwillkürlich wärmer. „Nun dann“, Buzz grinste und wollte gerade auf den Absatz kehrt machen. „Warte“, hielt ihn Woody ab.
 

Neugierig wand sich der Blonde zu ihm um. „Ähm, also“, Woody fasste seinen Mut zusammen. Da sie alleine im Büro waren, bestand keine weitere Gefahr. Trotzdem fühlte er sich ein wenig unsicher. „Meine Schwester hatte mich gestern angerufen“, begann er. „Und nun ja, sie fragte ob du das nächste Mal eventuell mit uns essen möchtest. Also nur wenn es dir nichts ausmacht. Sie kann manchmal schon recht nervig sein, aber im Grunde ist sie ein herzensguter Mensch.“ Lange verharrte Buzz auf der Stelle ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Dann breitete sich, zu Woodys Verwunderung, ein breites Grinsen auf seinen Mund aus. „Klar“, lautete seine Antwort. „Ich würde sie gerne kennenlernen. Insbesondere da sie deine Schwester ist. Du kannst ihr also zu sagen. Ich richte mich da ganz nach euch beiden. Gib mir einfach Bescheid, in Ordnung?“

Er ließ sich auf seinen Bürostuhl nieder. Buzz hatte ihm tatsächlich zugesagt. Hoffentlich plauderte Jessie nichts gegen seinen Willen aus. Jedoch sollte er seiner Schwester vertrauen. Um schnell auf andere Gedanken zu kommen, vertiefte sich Woody in die Arbeit und trotz Buzz´s Ratschlag drosselte er sein Tempo nicht. So war er halt. Immer auf die Arbeit fixiert. Mittags holte ihn Barry ab. „Du wirkst recht erledigt“, stellte auch dieser fest. „Hmm konnte schlecht schlafen“, nuschelte Woody nur und sie machten sich auf den Weg zur Kantine. Heute war er nicht besonders gesprächig und überließ daher seinem Freund das Reden. Der konnte das nahezu wie ein Wasserfall und manchmal war es schwierig Barry überhaupt zu folgen. „Hätte ich doch mehr Schlaf gehabt“, dachte Woody bitter. Er war dankbar als sich die Pause dem Ende neigte und er sich endlich wieder in die Arbeit stürzen konnte. Gegen etwa acht Uhr klopfte es an Woodys Bürotür. „Ähm“, fasste sich Buzz als er das Büro betrat. „Ich dachte, da nun alle fort sind, könnten wir ja zusammen heim gehen.“ „Öh, na klar“, stotterte Woody hervor, fuhr den PC runter und nahm seine Aktentasche.
 

Sie betraten den Fahrstuhl. Erneut klopfte Woodys Herz wie verrückt und er bekam bereits Angst, dass ihm dieses möglicherweise zerspringen könnte. Kaum schloss sich die Tür, zog ihn Buzz enthusiastisch zu sich und drückte ihn an sich, so dass er seine Bartstoppeln spüren konnte. „Ich habe dich vermisst“, raunte er ihm ins Ohr. „Mir fiel es echt schwer mir während der Arbeit nichts anmerken zu lassen. Ich bin froh, dass wir endlich Feierabend haben.“ Zögerlich erwiderte Woody die Umarmung. „Ich dich ebenso“, offenbarte er ihm. Die Tür öffnete sich und Buzz schlug vor Woody nach Hause zu fahren. „Wenn du nichts dagegen hast“, betreten und schüchtern sah der Braunhaarige unter sich. „Kannst du auch noch mit hoch kommen. Ich meine, wir wären sonst beide alleine heute Abend oder?“ Keiner sollte alleine sein, wollte er hinzufügen, ließ es aber bleiben. „Gerne“, strahlte ihn Buzz an. So fuhren sie gemeinsam zu Woodys Wohnung, die dank Buzz endlich belebter wirkte. „Hast du Hunger?“, fragte er seinen Freund, nachdem sie auf der Couch Platz nahmen. „Wir könnten Pizza bestellen, wenn du magst.“ „Bestellen?“, Buzz zog belustigt eine Augenbraue empor. „Ja, wieso denn nicht?“ „Hmmm“, machte sein Partner. „Ich dachte eher daran was zu kochen. Mir hängt irgendwie dieses ganze Fertigessen ziemlich zum Hals raus.“ Sofort verfärbten sich Woodys Wangen rot. Außer diverse Tütensuppen hatte er nichts mehr im Haus. „Macht nichts“, Buzz lachte. „Ich gehe einfach kurz in den vierundzwanzig Stundenmarkt und koche dir was. Glaube mir, ich bin darin echt gut. Auch wenn ich eventuell nicht so wirken sollte.“ „Aber“, wollte Woodsy einwenden, doch Buzz hielt ihn ab. „Keine Widerrede, in Ordnung? Du hast es verdient mal zu entspannen und wenn du nicht gerne kochst, dann kann ich das übernehmen. Das ist kein Problem für mich.“ Unbehaglich nahm er das Angebot an, da Buzz darauf bestand. Es war schon ein seltsames Gefühl, dass nun ausgerechnet sein Boss für ihn kochen wollte. Buzz verschwand und wenige Minuten später kam er mit prall gefüllten Tüten zur Wohnung zurück.
 

Anmerkung: Cis - Das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht, stimmt mit dem Identifikationsgeschlecht überein.

„Wow“, pfiff Woody. „Für wen hast du eingekauft? Eine fünfköpfige Familie?“ Sein Blick fiel auf Buzzs Ausbeute. „So hast du mindestens die restlichen Tage noch etwas davon über“, erklärte dieser. Woody wusste gar nicht wie ihm geschah. Sicher von Jessie waren ihn solche Aktionen bereits bekannt, aber sie war auch seine Schwester. Sah Buzz ihn etwa als festen Freund an? „Jetzt setze dich schon hin. Oder traust du mir nicht zu, dass ich kochen kann?“ Die blauen Augen fixierten ihn. „Ähm ...“, Woody räusperte sich. „Das habe ich nicht gesagt oder? Also die Töpfe sind unten im Schrank neben dem Herd, die Pfannen eine Tür weiter. Falls du noch Fragen haben solltest ...“ „Dann wende ich mich an dich, ja schon klar“, sanft schob ihn der Blonde in Richtung der Couch. „Und nun lass mich mal machen.“ Damit war es beschlossene Tatsache. Ein wenig fühlte sich Woody zwar übergangen aber im Grunde freute er sich auch über Buzzs Geste. Vielleicht sollte er es einfach genießen ohne alles direkt zu hinterfragen? Seufzend ließ er sich auf die Couch sinken und griff reflexartig nach einer Zeitschrift, die auf dem Tisch lag. Weniger aufmerksam und mit den Gedanken völlig woanders blätterte Woody das Heft durch, nur um es seufzend beiseite zu legen.
 

Er entschied sich dafür den TV anzumachen. Insgeheim versuchte Woody einen Blick auf Buzz zu erspähen. „Pff, er hat mir nicht einmal gezeigt, was da genau in den Tüten drin ist.“ Jessie würde wohl vor Freude in die Luft springen, da endlich einmal ein Mann für Woody kochte. Sie hatte schon in der Vergangenheit darauf bestanden, dass er sich auf ein Date einlassen sollte. Wobei Woody stets Bedenken hatte. Auch bei Buzz war er sich nicht sicher. Woodys Kopf pochte, da ihn der Gedanke quälte, Buzz wahrscheinlich sogar zu missfallen. Er hielt sich die Schläfen. „Geht es dir nicht gut?“, sein Besucher trat nun aus der Küche und blickte den Braunhaarigen besorgt an. „Hmm, geht schon“, log Woody. Insgeheim dachte er jedoch etwas anderes. Das nichts in Ordnung war und es wohl nie der Fall sein würde. Jedes Mal, wenn er sich auf einen Mann einließ und sie sein Geheimnis erfuhren, reagierten seine Verehrer eher schockiert, beschimpften oder fetischisierten ihn. „Ich bin es so leid“, dachte Woody still. Buzz kam zu ihm und streckte ihm die Hand entgegen. Sanft legte er seine Hand auf Woodys Stirn, der just in diesem Moment befürchtete sein Herz würde aufhören zu schlagen. „Also Fieber hast du jedenfalls keins“, resultierte er.
 

Er kam näher. „Warte“, flehte Woody innerlich. „Bitte komm nicht näher, bitte.“ Sein Körper verkrampfte sich ungewollt. Er verfluchte sich selbst dafür, denn wenn ihn eine Person interessierte, konnte er sich einfach nicht entspannen. Jessie meinte mal, dass Woody ihrer Meinung nach der reinste Beziehungsnoob war. Er hatte in der Jugend mal einen Partner gehabt. Damals redete er sich noch ein, dass er hetero sei und Cisgender. Woody wollte nicht wahrhaben, dass er ein Mann war. Später flüchtete er sich in Affären mit Frauen. Wenn er schon ein Mann sei, so dürfe er mindestens keine Gefühle zu anderen Männern zu lassen, die ihn wahrscheinlich noch in eine Rolle drängten.

Bald jedoch musste er erkennen, was er tatsächlich war. Es half eben nichts, wenn man vor seinem eigenen Ich davon lief. „Buzz“, hauchte Woody letztendlich. „Du solltest das Essen nicht anbrennen lassen.“ Buzz blinzelte verdutzt angesichts der Reaktion von Woody, lachte allerdings auf und strich ihm sanft durch die Haare. „Keine Sorge“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Das Essen ist bereits lange fertig. Aber gut, dass du mich daran erinnerst, denn das wollte ich dir eigentlich mitteilen.“ Er richtete sich auf und ging zur Küche. Wenig später kam Buzz mit zwei Tellern wieder, die mit einem Gericht beladen waren, das Woody gänzlich unbekannt war. Auf die Frage um was es sich handelte, meinte Buzz dies sei Couscous. Er habe in der Zeit mit seinem Exfreund etliche Gerichte ausprobiert und dies war eines davon. Galant reichte er Woody seinen Teller sowie das Besteck. Dann setzte er sich zu ihm. Sie entschieden beim Essen einen Film zu schauen und Woody kam es so vor als wären sie bereits ein altes Ehepaar. Diese Situation strahlte so viel Vertrauen aus, dass er sich automatisch entspannte. Seine vorher verkrampften Glieder dankten es ihm. „Und schmeckt es dir?“, fragte Buzz neugierig nach. Woody nickte und strahlte ihn an.
 

„Du kannst sogar besser kochen als meine Schwester“, lobte er. „Ach, was?“, äußerte sein Gegenüber ungläubig. „Nein wirklich“, beharrte Woody. „Erzähl es ihr aber nicht. Jessie hat einen ziemlich stolzen Charakter. Wenn sie so etwas hört, fühlt sie sich noch beleidigt oder gar angegriffen.“ „Versprochen“, Buzz kicherte. „Sie scheint echt in Ordnung zu sein. Ich freue mich darauf, wenn du sie mir endlich mal vorstellst.“ „Sie wird dich lieben“, sicherte ihm Woody zu. „Für Jessie bist du bestimmt so eine Art Traummann.“ „Was hast du ihr denn alles über mich erzählt?“, Buzz zwinkerte. „Ähm, nur Gutes. Was denkst du denn!“ Woody wurde rot wie eine Tomate. Wenn Buzz erfuhr, wie er bereits von ihm geschwärmt hatte, würde er ihn höchstwahrscheinlich für einen naiven Teenager halten. „So so“, flötete sein Freund. „Ich finde es irgendwie süß. Ich wünschte ich hätte eine Person, der ich von dir erzählen könnte. Leider bin ich alleine auf dieser Welt. Außer dir habe ich niemanden. Manchmal denke ich, dass es vielleicht Schicksal war, dass du dich bei uns beworben hast, was meinst du? Ich fand dich vom ersten Augenblick an anziehend und wollte dich unbedingt näher kennenlernen. Umso glücklicher bin ich, dass wir nun tatsächlich hier sitzen.“ Seine Hand umschloss die von Woody. „Ich danke dir.“
 

„Wieso bedankst du dich? Wenn dann sollte ich das tun. Immerhin habe ich dank dir schlichtweg den Traumjob bekommen nach dem ich mich so lange sehnte. Und ich habe dich getroffen.“ Er schluckte. An sich war Woody keineswegs gut darin, seine Gefühle zu vermitteln aufgrund der zahlreichen Enttäuschungen, die er bereits erleben musste. Buzz war anders. Irgendwann musste er ihn in alles einweihen. Selbst wenn er damit riskieren sollte, ihn zu verlieren. Er war es ihm einfach schuldig. „Dennoch hoffe ich“, dachte Woody bei sich. „Das du bei mir bleibst, trotz dieser Sache.“

Ihm fiel auf, dass manche seiner Kollegen ihn misstrauisch anstarrten und er fühlte sich wieder in die Anfangszeit zurück versetzt als er sich outete. Nur Buzz merkte von alldem nichts, wofür Woody dankbar war. Und so versuchte er sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, insbesondere um Buzz nicht zu enttäuschen. Hinzu kam, dass Jessie Woody und ihn am Freitag zum Essen eingeladen hatte. Mindestens eine Sache auf die er sich freute. Auch wenn Woody hoffte, dass seine Schwester Buzz keine Löcher in den Bauch fragen würde. Das konnte sie schließlich gut. Die restliche Woche verbrachte er die Mittagspausen gemeinsam mit Barry. Dieser drängte Woody nicht zu irgendwelchen Aussagen oder hackte gar nach. Manchmal jedoch hatte er Angst, dass Barry dennoch Genaueres wissen wollte über seine Vergangenheit. Dieses Thema war für Woody schlichtweg ein rotes Tuch. Daher versteckte Jessie alle Fotos von ihm, aus der Zeit vor der Transition. Er konnte den Anblick jener Person, die er nie gewesen war, einfach nicht ertragen.
 

„Hey“, stupste ihn Barry am Freitag nach der Mittagspause an. „Hmmm“, Woodys Blick fixierte ihn. „Was gibt es denn?“ „Ich werde das Gefühl nicht los, dass dich irgendetwas bedrückt. Falls du darüber reden magst, bin ich da. Manchmal ist es besser, wenn man es los wird. Ich kann aber auch verstehen, dass du es erst einmal alleine lösen willst. Es ist nur ein Angebot. In Ordnung?“ Eine Weile stand er dem Blonden schweigend gegenüber. Wie gerne hätte er ihm alles erzählt. Aber Woody konnte es nicht, alleine schon die Tatsache, dass er und der Chef sich nahe standen würde Barry missbilligen. „Ich denke darüber nach“, war alles, was Woody zu diesem Vorschlag sagte. „Okay“, Barry seufzte. „Ich wünsche dir trotzdem ein schönes Wochenende. Falls du magst, können wir beide mal wieder etwas unternehmen. Nächste Woche läuft dieser Actionfilm, in den ich unbedingt rein wollte. Melde dich dann einfach, ja? Dann bis Montag.“ Sein Freund drehte sich um und machte auf dem Absatz kehrt. Ein wenig fühlte sich Woody schuldig. „Es ist besser so“, sagte er leise zu sich selbst. Danach öffnete Woody die Bürotür und machte sich ans Werk. Er arbeitete so lange, dass er erneut der Letzte im Büro war. Nun ja nicht ganz. Buzz war auch noch in der Firma.
 

„Hey mein Süßer“, flötete er und stand schier vollkommen unvermittelt an Woodys Tür. „Zeit für heute Schluss zu machen und ins Wochenende zu starten. Findest du nicht?“ „D-doch“, stotterte Woody. Reflexartig reagierte er und fuhr seinen Arbeitscomputer herunter. „Ich bin gleich so weit“, murmelte der Braunhaarige, während er seine Sachen zusammen packte. „Lass deine Schwester nicht zu lange warten“, ermahnte ihn Buzz und zwinkerte. „Nein, keine Sorge“, Woody lächelte. „So ich bin fertig. Wir können los.“ Star Command wirkte gespenstisch und verlassen. Kein Vergleich zum Hochbetrieb, der sonst hier herrschte. Letztendlich wollten eben alle in ihre verdiente Freizeit. Außer natürlich wenn am Samstag Projekte anstanden. Diesbezüglich hatte Barry in Star Command schon einige Samstage verbracht. Auch Woody machte diese Tatsache nichts aus. Im Gegenteil; die Arbeit erfüllte ihn. Das Einzige was ihm Sorgen bereitete, waren seine Kollegen. „Alles klar bei dir?“, erkundigte sich Buzz. „Ähm, ja. Entschuldige, ich war abgelenkt.“
 

Sie stiegen in Buzzs Auto. „Wo genau wohnt Jessie denn?“ Mit ruhiger Stimme sagte Woody ihm die Adresse seiner Schwester an, die Buzz in sein Navigationssystem eingab. Allzu weit von der Firma war Jessies Wohnung nicht entfernt. Also brauchten sie auch nicht lange dorthin. „Ich hoffe Jessie mag den Wein, den ich besorgt habe“, sprach Buzz zweifelnd aus. „Ach, bestimmt. Sie ist da nicht so. Eher freut sie sich, wenn sie dich endlich sieht. Jessie hat mich die ganze Zeit schon damit genervt. Obwohl sie dich noch nicht kennen gelernt hat, schwärmt sie bereits in den höchsten Tönen von dir.“ „So so“, Buzz grinste. „Bei der nächsten Ausfahrt in 100 Metern rechts abbiegen. Danach haben sie ihr Ziel erreicht“, tönte das Navi. Sie waren da. Mit wackligen Beinen stand Woody auf und ging auf Jessies Tür zu. Kaum hatte er geklingelt, riss sie diese schon stürmisch auf. „Bruderherz“, rief sie laut und drückte Woody an sich. „Ist ja gut“, er lachte. „Wir haben uns doch erst Montag gesehen. Du tust ja so als wäre es Jahre her.“ „Lass mich halt. Schlimm wäre es, wenn ich mich nicht freuen würde dich zu sehen. Oder?“ Ihr Blick fiel auf Buzz. Sofort errötete Jessie.
 

„Entschuldige, manchmal habe ich mich nicht so gut im Griff. Ich bin Woodys Schwester, Jessie.“ Sie reichte ihm die Hand, die Buzz sofort annahm. „Kein Problem. Es freut mich dich kennen zu lernen.“ „Dann kommt mal rein.“ Sofort erhaschte Woody den Geruch von Jessies Schweinebraten in Weinsauce, in den er sich damals sofort verliebt hatte. „Gute Wahl, Jess.“ „Ich weiß eben, was dir schmeckt.“ Sie wirkte sichtlich zufrieden. Buzz reichte ihr den Wein, den er mitgebracht hatte. Ein wenig schämte sich Woody, denn Buzz Präsent war im Gegensatz zu jenen, die er Jessie geschenkt hatte, von erlesener Qualität. Sie schien seinen Unmut zu bemerken und verwickelt die beiden daraufhin in ein Gespräch. Letztendlich taute Woody allmählich auf. Er hatte noch nie einen potentiellen Partner mit hierher gebracht. Bei Buzz allerdings hatte er ein gutes Gefühl. Wäre da nur nicht sein unausgesprochenes Geheimnis. „Ich finde es toll, dass du meinen Bruder eingestellt hast“, plauderte Jessie unbekümmert drauf los. Woody verschluckte sich an seinem Wein. Beruhigend klopfte Buzz auf den Rücken seines Partners. „Na, na“, sprach er.
 

„Was Woodys Einstellung angeht … ich hätte einen fatalen Fehler begangen, hätte ich ihn nicht für die Firma engagiert. Er ist ein außergewöhnlicher Mitarbeiter und verfügt über einen eisernen Willen. Das schätze ich besonders an ihm. Es ist mir bereits beim ersten Gespräch aufgefallen. Ohne ihn wäre ich sprichwörtlich verloren. Zu Mal Woody die einzige Person ist, die mich versteht. Bei ihm kann ich mich auch mal fallen lassen, ohne dafür verurteilt zu werden.“ „Wow.“ Jessies Augen funkelten. „Ähm, ich hole mal den Braten. Woody hilfst du mir?“ Er verstand sofort, dass das ein Wink von ihr war, alleine mit ihm zu reden und so stand er auf ohne zu murren. „Er ist echt beeindruckend“, fiepte Jessie begeistert als sie in der Küche waren. „Psscht, nicht so laut.“ Woody erhaschte einen Blick auf Buzz. Er hatte es nicht gehört. Gut so. „Entschuldige“, Jessie kicherte. „Ich freue mich nur so für dich. Du scheinst endlich die richtige Person für dich gefunden zu haben.“ „Na ja, abwarten“, gab Woody leise zurück. „ich weiß ja noch nicht, wie es mit uns weiter geht. Zu Mal er es nicht weiß. Ich konnte es ihm nicht sagen.“ „Ach, Woody“, stöhnte sie. „Ich denke, dass du ihm vertrauen kannst. Buzz nimmt dich so, wie du bist und das wird sich nicht ändern.“ „Vertrauen? Nach alldem, was ich bisher erlebt habe“, dachte Woody still für sich selbst.

Die Worte von Jessie gingen ihm auch noch im Kopf herum als sie zu Buzz fuhren. Wie gerne würde er sich ihm einfach anvertrauen. „Alles in Ordnung?“, fragte der Blonde und strich Woody eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du wirkst niedergeschlagen.“ „Ach was, du täuscht dich“, versuchte er seinen Freund zu beschwichtigen. Woody mochte es ganz und gar nicht wenn Buzz sich zu sehr sorgte. Außerdem wurde er zunehmend unruhiger, da er heute bei ihm übernachten würde. Wie lange konnte er Buzz noch abwehren? Auch Woody sehnte sich so langsam nach körperlicher Zuneigung. So in Gedanken vertieft, bemerkte er nicht einmal, das sie längst da waren.
 

Der Wein zeigte seine Wirkung, denn Woody konnte sich kaum auf den Füßen halten. Buzz hatte alle Hände damit zu tun, ihn zu stützen und ihm die Treppe hinauf zu seinem Appartement zu helfen.Dort setzte er Woody sanft auf die Couch ab. „Oh je, da holen wir deiner Schwester Wein und ihr killt diesen regelrecht innerhalb von Minuten. Du bist echt schlimm.“ „Ich weiß“, seufzte Woody. Ohne ein Wort zu sagen, schritt Buzz zur Tat und befreite den Braunhaarigen aus seinen Schuhen. Mit mulmigen Gefühl ließ Woody dies geschehen. Doch Buzz ging nicht weiter, er gönnte seinem Freund, die Zeit zum Entspannen. Stattdessen ließ er ihm ein Bad ein. Als sich Woody endlich erholte, rappelte er sich auf und ging ins Badezimmer, wo Buzz schon vorsorglich den Wasserhahn abgedreht und neue Sachen, auf einen kleinen Hocker, für ihn parat gelegt hatte.
 

Woody kämpfte sich aus seinen Sachen und stieg in die Wanne. Wohlige Wärme zog an ihm empor. „Buzz ist einfach toll. Im Grunde habe ich ihn gar nicht verdient“, zischte er leise. Vor seinem geistigen Auge, sah er den Adonis Körper seines Partners vor sich. Die Haut, die nahezu perfekt war und erst diese Muskeln. Davon war Woody jedes Mal aufs Neue beeindruckt. Er selbst war eher von zierlicher Statur. Selbst dafür schämte sich Woody in Buzzs Gegenwart. Ohne seine anderen körperlichen Merkmale mitzuzählen. „Ich will mich nicht schon wieder selbst hassen müssen. Diese Zeiten sind eigentlich vorbei“, erinnerte er sich selbst. Dabei biss er sich auf die Lippen. Obwohl Woody es eigentlich nicht wollte, begann unweigerlich sein Kopfkino. In diesem öffnete Buzz die Badetür und blickte ihm entgegen. Erst hatte Woody Angst, dass es sich dabei um Verachtung handelte. Aber es war gänzlich anders. Er trat näher zu ihm und begutachtete Woodys Körper, den dieser versuchte mit den Händen zu verbergen. Sanft nahm Buzz diese beiseite. Somit erblickte er natürlich die Narben, die zwar gut verheilt, dennoch sofort erkenntlich waren. Mit den Fingerspitzen fuhr er diese liebevoll nach. „Buzz nicht“, wollte Woody erwidern, doch dieser bedeutete ihm kein Wort zu sagen. Er glitt hinab zwischen Woodys Schenkel. Zaghaft aber bestimmend, drängte er sie auseinander. Woody wusste nicht wie ihm geschah, als Buzz jene Stelle berührte.
 

Er keuchte auf. Einer seiner Abenteuer hatte ihn genau deshalb einmal Hybrid genannt, da Woodys körperliche Merkmale, durch die Hormontherapie einem Mix aus beiden Geschlechtern glich. Manche würden diese abartig finden, andere wiederum fetischisierten genau diese Eigenschaft. Buzz jedoch zeigte keine von beiden Reaktionen. Im Gegenteil. Er agierte sehr liebevoll. Woody wusste nicht, wie ihm geschah als sich sein Körper aufbäumte. Erst ein lauter Knall ließ ihn aus seinem Traum erwachen. Buzz hatte wohl irgendetwas fallen gelassen. Somit bemerkte er auch, dass es nicht Buzz Hand war, die sich zwischen seinen Beinen befand sondern seine eigene. Woody schnaufte verächtlich und verärgert über sich selbst. Entschlossen stieg er aus der Wanne. Vom Baden hatte er jetzt wahrlich genug! Wieder angekleidet, wollte er zurück zu Buzz gehen, der sich mittlerweile im Schlafzimmer befand. Sein Hemd hatte er ausgezogen, wodurch Woody geradewegs auf seinen Oberkörper blicken konnte. Buzz hatte diesen, im Gegensatz zum Rest, nicht in die Decke gehüllt.
 

„Komm zu mir“, sprach er und klopfte auf den Platz neben sich. Woodys Beine wurden erneut weich. Jedoch versuchte er sich zusammen zu reißen, seinem Freund zu Liebe. „Ich bin froh, dass du hier bist“, eröffnete ihm Buzz. Er zog Woody zu sich. Woody legte den Kopf auf Buzz Schulter ab. „Ich auch“, und das meinte er tatsächlich so. „Trotzdem verstehe ich manchmal nicht so ganz, warum du in meiner Gegenwart so nervös bist. Mache ich dir mit irgendetwas Angst? Sei bitte ehrlich.“
 

„W-wie kommst du darauf“, die Reaktion von Buzz stimmte ihn panisch. „Wie soll ich sagen“, begann er. „Oftmals habe ich das Gefühl, du möchtest nicht von mir berührt werden. Oder das körperlicher Kontakt dich anekelt. Was auch immer es ist, mir kannst du es sagen. Du weißt, dass ich dich deshalb nicht verurteile.“ Woody schwieg. Diese Worte hatten ziemlich gesessen. Wer wollte auch schon einen Partner haben, mit dem man nie intim werden konnte? „Es ist okay, entschuldige“, kam ihm Buzz zuvor als er merkte, wie sehr er ihn verunsichert hatte. Er schaltete den Fernseher an. Obwohl sich im Wohnzimmer ein riesiger Flachbildschirm befand, so stand der, den Buzz hier deponiert hatte, diesem in nichts nach. „Na, toll“, schrie Woody innerlich. „Nun wird mir auch noch deutlich, was für ein verarmter Wicht ich bin, im Gegensatz zu ihm.“ Das komplette Schlafzimmer war total edel eingerichtet. Buzz hatte sogar ein Wasserbett. Etwas, wovon Woody immer geträumt hatte. Sein Liebster schien die Selbstzweifel zu spüren, die Woody quälten.
 

Er strich durch sein Haar, was er sichtlich genoss. Buzz wusste genau, wie man jemanden berühren musste, um der Person sämtliche Sinne zu rauben. Selbst diese einfachen Zärtlichkeiten, waren etwas ganz Besonderes. Buzz Finger erreichten Woodys Nacken und kraulten diesen sanft. „Hmmm“, entfuhr es Woody. Eine Gänsehaut überkam ihn, die durch seinen gesamten Körper zog. Er vergaß sich für jenen Moment. Es schien als hätte Woodys Bewusstsein sich mit einem Mal abgeschaltet. Buzz Finger glitten unter das Shirt seines Freundes. Woodys Hände zitterten, doch er konnte sie einfach nicht bewegen. Es war wie verhext. Die Finger von Buzz gelangten zu seiner Brust und berührten diese. Trotz der Operation hatte Woody noch ein sehr intensives Gefühl in den Brustwarzen, dementsprechend fuhr er empor als Buzz jene streichelte. „Nein, ich ...“, wollte er sagen. Selbst seine Stimme entsagte ihrem Dienst. Aus halb verschlossenen Augen konnte Woody beobachten, wie Buzz ihm das T-Shirt auszog und seinen Oberkörper mit Küssen benetzte. Das Zimmer war abgedunkelt. Somit konnte Buzz die Narben von Woody nicht sehen. Sicher, man fühlte sie ein wenig. Aber sie mussten ja nicht zwangsläufig von einer geschlechtsangleichenden Maßnahme stammen. Mit dieser Sichtweise, versuchte Woody sich milde zu stimmen.
 

Buzz Zunge glitt über seinen Körper. Lange wurde er nicht mehr so behandelt. Er vergaß alles um sich herum. Erst als Buzz im Begriff war Woodys Shorts hinunter zu streifen, hielt er ihn reflexartig auf. „Warte … ich bin zu angetrunken dafür, denke ich“, log er. Zwar konnte er Buzz Blick nicht genau sehen, der inzwischen den Fernseher ausgeschaltet hatte, allerdings wusste er, dass er enttäuscht war. Irgendwie musste Woody die Situation noch retten. Also wies er Buzz an, sich nach hinten zu lehnen und es sich gemütlich zu machen. Dieser gehorchte. Zögerlich öffnete Woody die Jeans von Buzz und befreite ihn aus dieser. Er sank hinab und küsste die Schenkel jener Person, die er über alles begehrte und der er gerne endlich nahe sein wollte. Es aber schlichtweg nicht konnte. Bei diesem deprimierenden Gedanken, musste er die Tränen unterdrücken, die drohten sein Gesicht hinab zu rinnen. Mindestens diese Nacht wollte er Buzz etwas Gutes tun. „Warte Woody, du musst nicht“, flüsterte Buzz. Doch er hörte nicht auf ihn. Buzz fühlte sich gut an, ja förmlich perfekt.
 

Die Hände des Blonden legten sich auf Woodys Kopf ab und verfingen sich in seinem Haarschopf. Dominanter werdend, gab Buzz ihm den Rhythmus vor. „Ahhh“, stöhnte er auf und kam. Woody sah zu ihm empor, während Buzz ihn sanft tätschelte. „Ich gehe mir kurz die Zähneputzen“, entschuldigte sich Woody. „Ich komme mit“, entschied Buzz und folgte ihm. „O-okay“.“ Er versuchte sein Shirt zu finden, was fehl schlug. „Die Narbe kann von sämtlichen operativen Eingriffen stammen“, dämmerte es ihm. Er schlich ins Bad als würde man ihm zum Schafott führen.Das grelle Licht, quälte seine Augen, die sich recht schnell an die Dunkelheit gewöhnt hatten. So standen sie also da. Fast wie eines dieser alten Ehepaare und putzten sich, Seite an Seite, die Zähne. Woody konnte im Spiegel erkennen, dass Buzzs Blick auf seinen Oberkörper ruhte. Wie in seinem vorherigen Kopfkino, war die Mimik seines Freundes nicht angewidert. Er fuhr sogar die Narben entlang, so dass Woody zittern musste. „Woher hast du die?“, wollte Buzz wissen, nachdem sie ins Schlafzimmer zurück gegangen waren. Seine Hand ruhte auf Woodys Brust. „Eine Operation, an die ich nicht gerne zurück denke“, war alles, was ihm dazu einfiel. Erneut enttäuschte er Buzz.

Was war nur mit Woody los? Das fragte sich Buzz öfter, nach jenem Wochenende jedoch begann er zum Teil an sich selbst zu zweifeln. Machte er etwas falsch? Bedrängte er seinen Partner? Oder verschreckte Woody immer noch, dass sie andere berufliche Positionen inne hatten? Buzz atmete aus und sah mechanisch auf den Bildschirm. Der Text, den er zuvor eingegeben hatte, machte keinen Sinn. Also löschte er diesen. Erneut musste er von Vorne beginnen. „Hoffentlich passiert mir das nicht auch noch bei Woody“, murmelte er betrübt. Dabei war er mittlerweile an den Punkt gekommen, an dem er sich weitaus mehr mit ihm vorstellen konnte. Buzz wollte ihn nicht verlieren, was Woodys Entscheidung anging, konnte er diese aber nicht beeinflussen. „Ob er sich im Grunde genommen vor mir ekelt?“ Hastig schüttelte er den Kopf. Ihm kam die Narbe in den Sinn.
 

Er meinte, dass er über die Operation, die zu dieser Narbe geführt hatte, nicht reden wolle. Ob eine andere Person, vor Buzzs Zeiten dafür verantwortlich war? „Es bringt nichts. Momentan werde ich dazu wohl keine Lösung finden können“, meinte er. Behäbig richtete er sich auf. Die ganze Nacht war Buzz wach gewesen und hatte gegrübelt, was er verbessern und wie er seinem Freund entgegen kommen konnte. Der Schlafmangel machte sich allmählich bemerkbar. Daher suchte er die örtliche Kaffeemaschine auf. Kaum einer bemerkte ihn. Er war schlichtweg wie ein Geist. Eine Eigenschaft, die Buzz aus seiner Jugendzeit übernommen hatte. „Hey, findest du nicht auch, dass Woody sich echt seltsam benimmt?“, ließ ihn eine Stimme hellhörig werden. Es war Allan, der vor Barrys Schreibtisch stand. Buzz wollte mehr erfahren und trat einen Schritt zurück, hinter die Trennwand, so dass keiner ihn sehen konnte. „Wieso fängst du schon wieder damit an? Es ist doch seine Sache. Nicht jeder Mann ist gleich“, hielt Barry dagegen. „Ja, kann ja alles sein. Dennoch ist es auffällig.“
 

Da Allan sich unbeobachtet vorkam, plauderte er munter drauf los. „Schau, wenn wir auf die Toilette gehen, wird er total unruhig und hastet meist direkt in die Kabine. Bei manchen Witzen, die wir so erzählen, kann er ebenfalls nicht lachen oder sucht direkt das Weite. Ich hatte ihn mal gefragt ob er gemeinsam mit mir ins Schwimmbad gehen wolle, auch das schlug er ab. Genauso wie andere sportliche Aktivitäten. Als scheue er sich vor körperlichen Kontakt.“ „Und was genau willst du damit sagen?“; Barrys Stimme klang sichtlich genervt. „Na, ich habe echt im Gespür, dass er etwas vor uns verbirgt. Könnte ja sein, dass er homosexuell ist.“ „Ach und das ist so schlimm für dich?“ Insgeheim feierte Buzz Barry für diese Reaktion. Er hatte schon früher große Stücke auf ihn gehalten. „Nein. Ich habe kein Problem damit. Warum sollte ich? Mir ist die Sexualität eines anderen Menschen völlig egal. Ich finde aber, dass Woodys Verhalten das Arbeitsklima gefährdet.“ „Er wird sich schon wieder einkriegen! Vielleicht geht er momentan durch eine schwierige Phase, wer weiß das schon.“ „Hmm“, Allan schnaufte. „Wie du meinst. Dann hoffe ich mal, dass er sich bald einkriegt. In nächster Zeit stehen wichtige Projekte an. Da können wir uns keine Fehltritte leisten.“ Damit trat er ab und ließ den Blonden alleine zurück. Also war Woody nicht nur zu Buzz komisch. Buzz fasste einen Entschluss. Einige Zeit später, ging er zu Barrys Platz. „Entschuldige.“
 

Sie arbeiteten so lange zusammen, dass es für Buzz selbstverständlich wurde, seine Mitarbeiter mit der Zeit zu duzen. Dies hatte ebenso die Beziehung untereinander gefestigt. „Ja?“, Barry sah erwartungsvoll auf. „Kann ich dich kurz in meinem Büro sprechen. Jetzt?“ „Ähm … ok.“ Er schien ihn nervös gemacht zu haben, denn Barrys Tonfall klang zittrig. In Buzzs Büro angekommen, musste er ihn erst einmal beruhigen, dass es nicht um seinen Arbeitsplatz oder die Infragestellung seiner Fähigkeiten ging. Was Barry anfangs vermutet hatte. „Um es kurz zu machen … ich habe eben Teile eures Gesprächs mitbekommen. Ich mache mir ebenfalls Sorgen um Woody. Du bist mit ihm befreundet, daher möchte ich dich um einen Gefallen bitten.“ Verwundert blinzelte Barry.

„Äh und der wäre?“ „Könntest du mit ihm reden“, kam es ein wenig zaghaft von Buzz. Lange Minuten des Schweigens vergingen, bis sich Barry räusperte. „Davon ab, dass er zurzeit sehr zurückgezogen ist und wir lange nichts mehr zusammen unternommen haben, zweifel ich ob ich die richtige Person dafür bin.“ „Du bist der Einzige, der Zugang zu ihm finden kann.“ Nervös trat sein Mitarbeiter von einem Fuß auf den anderen. „Okay“, seufzte Barry. „Ich werde es versuchen. Allerdings kann ich dir nichts versprechen.“ „Es hilft mir schon sehr, dass du überhaupt einen Versuch wagst.“ Buzz entließ Barry mit diesen Worten wieder in seine Arbeit. Betrübt blickte er aus dem Fenster. Draußen hatte es begonnen, wie in Strömen zu regnen. Wahrlich passend.
 

******
 

Gegen achtzehn Uhr kam Barry zu ihm. Er war völlig in Arbeit vertieft und hatte bis dato noch nicht mal etwas gegessen. Dementsprechend machte sich sein Magen lautstark bemerkbar. Barry musste lachen. „Hey, wie wäre es? Hast du Zeit? Wir haben ewig nichts mehr unternommen. Ich vermisse das schon. Gibt ja auch noch andere Sachen neben der Arbeit und du hast schließlich eine Menge Überstunden angesammelt. Bevor die ganzen Projekte kommen, die uns um unser Privatleben berauben werden, sollten wir dies ausnutzen.“ „Weiß nicht“, wollte Woody einwenden, doch dann blickte er in Barrys hoffnungsvolle Augen. Diese sprachen Bände. Nach dem Wochenende mit Buzz und dem nächtlichen Desaster, war er recht verhalten gewesen. Kein Wunder, wenn man bedachte, in was für Ausreden sich Woody verstrickte. Barry war eine der wenigen Konstanten in seinem Leben. Jedenfalls fühlte er sich weder bedroht von ihm noch hatte er Angst, dass seine Vergangenheit ans Licht kam. Diesbezüglich sagte er zu. Barry strahlte ihn an.
 

Sie gingen in die Bar, die sich zu Beginn von Woodys Einstellung besucht hatten. „Es tut gut wieder hier zu sein“, Woody lächelte. Ihr Platz, den sie damals gewählt hatten, war sogar frei. Sofort bestellte Barry eine Runde. „Prost, auf das unsere Projekte ein Erfolg werden“, er hielt Woody sein Schnapsglas entgegen. Obwohl er eigentlich nichts trinken wollte, schmiss Woody diesen Vorwand über Bord. Es war bereits Mittwoch. Und das kommende Wochenende hatte er frei. Warum also nicht? Bei einem Schnaps blieb es jedoch nicht und so war er ein wenig angetrunken. Barry brachte ihn während des Abends oft zum Lachen. Etwas, das er sichtlich vermisst hatte, denn die Beziehung zu Buzz wurde zunehmend angespannter. Irgendwann musste Woody auf die Toilette.
 

Widerwillig stand er auf. „Ich komm mit, wollte sowieso zahlen“, erklärte sein Kumpel. „Mist. Das passt mir überhaupt nicht“, dachte Woody verzweifelt. Und es sollte noch schlimmer kommen. Die beiden Kabinen waren belegt. Barry deutete zum Urinal. „Ähm, geh du schon mal. So dringend ist es bei mir nicht.“ Ein bulliger Typ starrte Woody mit bösem Blick an. „Was stimmt nicht mit dir? Bist du ein Perverser oder was?`“ Sein massiver Körper kam ihn entgegen, doch Barry schob sich schnell dazwischen. „Hey, hey. Ruhig Blut Großer. Wir wollen keinen Ärger und ich kann dir versichern, dass mein Kumpel alles andere als pervers ist.“ Woody war ihm dankbar, denn dadurch, dass Barry für ihn Zeit gewonnen hatte, wurde eine der Kabinen frei, in die er sich schnell flüchtete.Ein wenig fertig mit den Nerven, trat er aus dieser heraus. „Ich will nur noch nach Hause“, murmelte Woody. „Klar, kann ich verstehen. Du schaust total k.o. aus. Ich begleite dich.“ Er widersprach Barrys Vorschlag nicht. Während des Heimweges sprachen sie kaum. Da er ihn jedoch aus der Misere befreit hatte, bot Woody ihm an, auf einen Trink mit hoch zu kommen. „Entschuldige, dass von vorhin“, sagte er leise und hielt Barry das Glas mit Wodka entgegen, was dieser ihm rasch aus der Hand nahm. Ausgepowert ließ sich Woody in die Couch fallen, genau neben dem Blonden. „Ach, ist doch selbstverständlich. Freunden hilft man nun mal.“ Barry tat es leid, Woody in dieser Verfassung zu sehen. „Möchtest du … darüber reden?“, fragte er sanft.
 

Unschlüssig und abwiegend was er machen sollte, saß er da. An sich wollte Woody fliehen, aber war das immer die Lösung? Zudem war er beschwipst. Bevor er eine Entscheidung fällen konnte, kam Barry gegen das Glas und der Inhalt übergoss sich auf Woodys Hemd. „Oh sorry, i-ich mache das weg. Wo hast du einen Lappen?“ Woody deutete mit den Finger in Richtung Küche. „Direkt neben dem Waschbecken“ „Alles klar.“ Irgendwie fand Woody das Ganze sogar recht amüsant. Durch Barrys Art und den Wodka, der unangenehm klebte, vergaß er seine sonstige Achtsamkeit und zog das Hemd aus. Bevor er ins Schlafzimmer erreichte, lief er Barry geradewegs in die Arme.
 

„Ich Trottel, entschuldige“, haspelte der. „Kein Ding.“ Woody spürte Barrys Blick. Beide sagten keinen Ton, bis erneut die Frage aufkam. Es war zu spät. Und er war es satt weg zu laufen. Zum ersten Mal vertraute er sich einer anderen Person an, die nicht Jessie war. Barry hörte aufmerksam zu, während Woody sein Leben hinunter bettete. „Ich weiß“, sprach der. „Jetzt findest du mich nicht mehr so toll. Ja, eventuell siehst du mich im anderen Licht.“ „Nein“, kam es von seinem Gegenüber. „Hör mal, Woody. Ich kenne einen Trans Mann. Ja, ich bin mit ihm sogar befreundet. Er ist für mich einfach ein Mann und ich würde ihn nie als etwas anderes ansehen. Ist doch egal wie man mal aussah. Oder? Wichtig ist die eigene Identität. Demzufolge warst du bereits vorher ein Mann. Stehe dazu. Ich finde, da ist absolut nichts dabei, sich selbst treu zu sein.“ Barry richtete sich auf. Seine Lippen bildeten ein Lächeln, denn er hatte Woody sprachlos gemacht. „Außerdem“, Barry beugte sich zu ihm hinunter und sah ihm direkt in die Augen. „Bist du ein sehr attraktiver Mann, was dazu kommt. Du kannst wahrlich stolz auf dich sein.“ Er überrumpelte Woody indem er ihn auf die Lippen küsste. „Wie es aussieht, kennst du nun auch mein Geheimnis. Ja, ich habe mich in dich verliebt. Keiner in der Firma weiß, dass ich bisexuell bin und ebenso auf Männer stehe.“

Er wusste nicht, was er auf Barrys Geständnis erwidern sollte. Damit hätte Woody am wenigsten gerechnet. Hinzu kam, dass sich alles um ihn herum drehte, dank des Alkohols. „Barry, ich weiß nicht, wie ich es dir am besten sagen soll“, begann Woody vorsichtig. „Ich bin vergeben, na ja jedenfalls hoffe ich, dass es immer noch so ist nach dem letzten Wochenende. Dennoch fühle ich mich wahnsinnig geehrt. Du bist ein toller Mann. Aber ich denke, dass ich nicht der Richtige für dich bin.“ Sein Freund schien enttäuscht von diesen Worten zu sein, jedoch äußerte er, dass er schon damit gerechnet hatte. „Immerhin wirkst du seit kurzem , wenn wir Mittagspause haben, recht abgelenkt. Als wärst du nur körperlich anwesend aber nicht geistig.“ Woody seufzte. Er hatte Barry in letzter Zeit tatsächlich vernachlässigt. „Dabei war er der Erste, der vollkommen unvoreingenommen mir gegenüber war“, erinnerte er sich. „Ich hätte das mehr honorieren sollen.“
 

Er schlug Barry vor, die Nacht bei ihm zu bleiben. „Das ist besser als in deinem Zustand den Heimweg anzutreten“, meinte Woody. Barry stimmte zu. „Wie ist die Person mit der du zusammen bist, so?“, wisperte er unsicher. „Hmm, wo soll ich da anfangen? Er ist zielstrebig und weiß genau was er will. Obwohl er eine Menge mit durchgemacht hat, steht er immer wieder auf und sieht das Gute in einem. Man könnte sagen, dass er eine Art Inspiration für mich ist. Aber umso mehr habe ich Angst ihn zu verlieren. Dank meiner Unsicherheit, kann ich ihn einfach nicht zeigen, was er mir bedeutet. Tja, aber dadurch laufe ich im Grunde noch mehr Gefahr, mich von ihm zu entfernen.“ „Dann hast du also einen Freund, ja?“, resultierte Barry aus Woodys Erzählungen. Dieser nickte.
 

„Tut mir leid, dass ich dich so ausfrage. Irgendwie beneide ich ihn darum. Ich meine, dass er mit dir in einer Beziehung ist. Du hast etwas an dir, das mir schon zu Beginn aufgefallen ist. Klar, die anderen in der Firma sind nett und wir verstehen uns super. Aber du warst von vorneherein anders als der Rest. Ernster und weitaus reifer. Ich habe gespürt, dass man mit dir über alles reden kann. Wir praktisch auf einer Wellenlänge liegen. Das habe ich selten, bei Personen, die ich gerade erst kennenlerne. Genau aus dem Grund wollte ich unbedingt etwas mit dir unternehmen. Letztendlich ging es recht schnell, dass ich Gefühle für dich entwickelt habe. Ich wusste nur nie, wie ich dir das sagen soll oder was du von mir halten wirst.“ Er ließ sich zurück in die Couch fallen, den Blick an die Decke gerichtet. Eine Weile schwiegen sie. „Ich wollte dich damit nicht belasten“, brach Barry die Stille. „Nein, ich finde es gut, dass du ehrlich bist“, sicherte ihm Woody zu. „Mindestens ist es einer von uns. Ich wünschte, ich konnte auch so ehrlich sein und der Person, die ich liebe endlich alles sagen.“ „Dann tue es! Glaub mir, es ist wahnsinnig befreiend. Du musst nur den Sprung ins kalte Wasser wagen. Was soll bei euch schon schief gehen? Ihr liebt einander doch.“
 

Woody hatte jenen Abend das Bedürfnis, sich endlich einer Person vollkommen anzuvertrauen. Nicht nur, was seinen Weg anging sondern auch angesichts der Beziehung, die er führte. „Waaas?“, brach es aus Barry geschockt heraus. „Du bist mit Buzz zusammen? Dem Buzz? Wow, das hätte ich nicht gedacht.“ „Oh je, ob es so gut war ihm das zu erzählen?“, zweifelte Woody kurz, doch sein Kumpel beruhigte ihn. „Ich habe damit keinerlei Probleme. So lange das Arbeitsklima nicht leidet“, der Blonde zwinkerte. Unwillkürlich errötete Woody. „Q-quatsch“, stotterte er. „War nur ein Spaß, Mensch.“ Mit einem lockeren Schlag, klopfte Barry ihm auf die Schulter. Sie tranken den restlichen Wodka. Danach waren beide so k.o., dass sie fast auf der Couch einschliefen.
 

Woody bot Barry das Schlafzimmer an, doch dieser lehnte ab. „Die Couch ist schon älter und nicht gerade bequem, nimm das Bett. Ich meine, du bist immerhin zu Besuch hier.“ „Lieb von dir, aber ich will mich nicht aufdrängen. Ich werde die eine Nacht bestimmt mal darauf schlafen können, ohne direkt einen Hexenschuss zu bekommen.“ Eigentlich war es mehr oder minder ein Scherz als Woody vorschlug, einfach gemeinsam in seinem Bett zu übernachten. Jedoch befand Barry diesen als gar nicht so schlecht, schließlich würde sich keiner von ihnen dann Vorwürfe machen. „Keine Sorge, ich falle schon nicht über dich her“, scherzte er. „Als ob ich dir so etwas unterstellen würde“, Woody verdrehte die Augen. An sich wollte er es ungern zugeben, aber heute wollte er nicht allein sein.
 

Sie redeten noch lange Zeit. Barry war eine Person, bei der er sich wohl und angenommen fühlte. Wieso waren Gefühle nur so kompliziert? Bei Barry konnte er sich sicher sein, dass dieser zu ihm stand. Außerdem war Barry nicht sein unmittelbarer Vorgesetzter. „Als wäre ich verflucht worden“, flüsterte Woody. Von Barrys Seite aus waren leise Atemgeräusche zu vernehmen. Er schlief bereits. Warum konnte Woody bei ihm so unbekümmert sein? Bei Buzz war er alles andere als das. Er war meistens recht angespannt, ständig im Hinterkopf habend, dass sein Freund Woodys Geheimnis rausbekommen könnte. „Ich liebe ihn. Vielleicht ist das der Unterschied zwischen den beiden. Wenn ich vor ihm stehe, bekomme ich kaum einen Ton heraus, was diese Sache betrifft. Denn ich habe fort während Angst Buzz zu verlieren“, dämmerte es ihm. Wenn Woody so weiter machte, würde er ihn höchstwahrscheinlich genau durch diese Art vergraulen. „Doch schaffe ich es wirklich, ihm alles anzuvertrauen?“ Mit diesem Gedanken glitt er in einen unruhigen Schlaf. Es war Barry, der Woody am nächsten Morgen unsanft wach rüttelte. „Hey Großer, es ist nach sieben Uhr durch. Wir sollten uns langsam mal fertig machen, sonst kommen wir noch zu spät zur Arbeit.“ „Hmmm“, stöhnte er und rappelte sich hoch. Sein Besuch war äußerst zuvorkommend und half ihm, wo er nur konnte. Selbst das Frühstück bereiteten sie zusammen vor. So ging es weitaus schneller.
 

Sie erreichten die Firma punktgenau, Dank Barrys ausgesprochenen Organisationstalent. „Man ich bin echt froh dich zu haben. Ohne dich wäre ich vermutlich nie aus dem Bett gekommen“, Woody lächelte. „Keine Ursache. Ich hätte dich echt liebend gerne noch ein wenig schlafen lassen. Du sahst irgendwie niedlich aus“, zischte Barry ihm verspielt zu. „Was?“, der Braunhaarige hustete. „Hey, selbst Freunde dürfen sich mal Komplimente machen.“ Bei diesem Satz wirkte Barry jungenhaft und verschmitzt. Ein wenig gefiel Woody das. Sie machten eine Zeit für die Mittagspause aus und verabschiedeten sich voneinander. Er spürte, dass ihm Barry aus dem Blickwinkel hinterher sah. Fast bemerkte Woody Buzz nicht, der ihm schier in die Arme lief. „Oh, verzeih mir. Ich war mit den Gedanken woanders“, murmelte er. „Kein Ding.“ Woody konnte in Buzzs Augen sehen, dass dieser enttäuscht war. Kein Wunder. Sie waren sich in den letzten Tagen oftmals aus den Weg gegangen.
 

„Mir scheint, dass du mit Barry her gekommen bist?“ „Ähm, ja.“ „Freut mich, dass du in der Firma Anschluss gefunden hast.“ „Ist es wirklich das, was du mir mitteilen wolltest?“, dachte Woody, sprach es jedoch nicht aus. „Nun gut, ich muss an die Arbeit“, sprach er stattdessen. Buzz nickte stumm und ließ Woody passieren. Beide schienen unsicher zu sein, wie es genau mit ihnen weiter gehen sollte. Woody schloss die Bürotür hinter sich. Missmutig fuhr er den PC hoch. Die einzige Freude, die er heute hatte, war das Mittagessen mit Barry. Ansonsten sah es in ihn eher trist aus.

„Hast du schon mit Buzz reden können?“, fragte Barry ihn gespannt, während Woody mehr oder minder damit kämpfte sein Essen herunter zu bekommen. An sich hatte er gar keinen Hunger. „Wie soll ich ihm nur wieder unter die Augen treten können?“, dachte Woody still. Sein Gegenüber bemerkte sofort, dass ihn etwas quälte. „Ich denke, du wirst schon noch dazu kommen. Manchmal braucht es eben Zeit.“ „Findest du? Ich habe einiges falsch gemacht. Eventuell sollte ich deinen Rat beherzigen. Momentan tut uns der Kontakt zueinander nicht gut. Wir wissen ja kaum, wie wir kommunizieren sollen.“ „Du weißt ja, dass du stets zu mir kommen kannst, wenn du Redebedarf haben solltest“, der Blonde lächelte. Und wieder wurde Woody sich bewusst, wie vollkommen anders er sich in seiner Gegenwart benehmen konnte. „Danke dir. Warum ist mit dir nur alles so unkompliziert?“ Die Gesichtszüge von Barry schienen sich schlagartig zu verändern. „Weil wir befreundet sind“, eröffnete er Woody traurig. „Das ist immer noch etwas anderes.“
 

Den letzten Satz hatte er geradezu geflüstert. Woody tat dies ziemlich leid, denn er konnte Barry gut verstehen. Nur zu gut wusste er, wie es sich anfühlte abgewiesen zu werden. Und das von einer Person, die man liebte. „Oh, wir sollten uns beeilen, die Pause ist fast um“, lenkte Barry ab. Hastig schlangen sie ihr Essen hinunter. „Bis später“, sagte Barry als sie vor Woodys Bürotür standen. „Später?“, wiederholte Woody überrascht. Sein Freund lachte. „Na, ich dachte wir könnten gemeinsam nach Hause gehen? Außerdem wollte ich mich für deine Gastfreundschaft revanchieren. Nur wenn du Lust hast.“ „Gerne“, entschied er. Mittlerweile konnte er jegliche Form der Ablenkung gebrauchen. Der Rest des Tages zog sich ziemlich dahin. Eine Stunde vor Arbeitsschluss summte lautstark Woodys Handy. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass du mich meidest. Wir reden kein Wort mehr miteinander. Jedenfalls was über unsere Arbeit hinaus geht. Seit dem Wochenende bist du total verschlossen. Weißt du wie sich das anfühlt? Ich komme mir wie vor den Kopf gestoßen vor. Und allmählich wird mir das zu viel. Sag mir Woody, was verbirgst du vor mir? Ich kann nicht mehr tun als dir zu versichern, dass ich für dich da sein werde. Aber ich glaube, dass willst du gar nicht. Oder?“ Woody las die Worte wieder und wieder. Mit zittrigen Händen hielt er das Handy fest.
 

Ihm kamen Barrys Worte ins Gedächtnis. Ja, er musst etwas unternehmen. Wenn er Buzz schon nicht die Wahrheit sagen konnte, musste er dennoch seine Konsequenzen daraus ziehen. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nie so behandeln. Da gibt es vieles, was ich dir am liebsten sofort sagen würde. Leider kann ich es nicht. Meine Angst hindert mich daran. Unsere Zusammenarbeit sollte jedoch darunter nicht leiden. Vielleicht ist es besser wir nehmen erst einmal Abstand von einander, bis ich mir selbst darüber im Klaren geworden bin, wieso mich meine Angst dir gegenüber so hemmt.“
 

Woody zögerte, drückte dann auf Senden. Die Minuten vergingen. Letztendlich kam eine Antwort erst kurz vor Woodys Feierabend. „Dann ist es wohl so. Ich hoffe, dass du deine Unsicherheit überwinden kannst. Was auch immer ist, du kannst jederzeit mit mir reden. Das sollst du wissen. Und wenn du mit mir keine Beziehung mehr führen kannst, bitte ich dich darum, mir das mitzuteilen. Du bedeutest mir nämlich viel. Ich möchte mir keine falschen Hoffnungen machen müssen. Daher sag es mir bitte, wenn du nicht mehr mit mir zusammen sein kannst.“ Woody fühlte einen Stich in seinem Herzen. Natürlich wollte er eine Beziehung mit Buzz. Das war sein sehnlichster Wunsch! Doch zurzeit ging alles drunter und drüber. „Manchmal verabscheue ich mich“, zischte er. Seine Hände knallten auf den Tisch. Was Jessie dazu wohl sagen würde?
 

Bevor Barry überhaupt anklopfen konnte, öffnete Woody die Tür. Als hätte er ihn gedanklich schon kommen sehen. „Wow, du musst ein Gespür dafür haben“, Barry grinste breit. „Ach, na ja. Ich möchte gerade einfach nur weg. Ein Tapetenwechsel kann mir da echt gut tun“, gestand Woody ihm. „Dann wird es wohl Zeit hier das Feld zu räumen“, Barry legte einen Arm um seine Schulter. Obwohl dies eine freundschaftliche Geste war, fühlte sich Woody schlecht dabei. Als würde er Buzz in genau diesem Moment verraten. Kurz vor dem Ausgang trafen sie dann auch noch auf besagte Person. Woody und Buzz tauschten kurz Blick aus. „Ich wünsche dir einen schönen Feierabend“, murmelte sein Chef. „Ebenso“, gab Woody leise zurück und nickte. Buzz ging durch die Schleuse, ohne sich nochmals umzudrehen. „Oha, das war aber recht kühl“, stellte Barry fest. „Kein Wunder“, der Braunhaarige seufzte. Er weihte seinen Kumpel ein. „Das heißt du möchtest vorerst auf Kontakt zu ihm verzichten?“ „Genau. Es ist besser so. Ich bin in seiner Gegenwart total verunsichert, immer darauf bedacht, was ich ihm sagen kann und was nicht.“ „Hmm“, machte Barry. Da sie beide kein Auto hatten, liefen sie zu Barrys Wohnung. Diese war zwar kleiner als Woodys, dafür weitaus heimischer eingerichtet. An den Wänden hingen einige Bilder aus der Vergangenheit seines Freundes. Darunter Kinderfotos, die Woody zum Lächeln brachten. „Du warst ja ein richtig süßer Fratz“, bemerkte er. „Findest du? Danke dir. Meine Mom kommt öfter mal zu Besuch, deshalb lasse ich die Bilder lieber hängen. Sie macht sonst einen regelrechten Aufstand.“ Unweigerlich musste Woody an seine Eltern denken und blickte daher betreten zu Boden. „E-entschuldige.“
 

„Da kannst du ja nichts für“, sprach Woody. „Ich muss damit klar kommen. Ihr Tod liegt nun Jahre zurück. Irgendwann muss man abschließen können. Meine Schwester hat das gut hin bekommen. Nur ich habe leider noch einige Schwierigkeiten. Bestimmt weil ich mir immer alleine vor kam. Außer ihr hatte ich niemanden.“ „Nun“, Barry griff nach der Hand seines Freundes. „Jetzt bist du es nicht mehr. Du hast Buzz. Und mich.“ „Die Frage ist nur, ob Buzz nach allem was ich verbockt habe, bei mir bleiben wird.“ „Klar wird er das! Er liebt dich und wenn ich ihn richtig einschätze, liebt er dich so wie du bist. Für ihn bist du ein Mann und wirst es auch stets bleiben. Mach dir nicht so viele Gedanken. Dadurch stehst du dir selbst im Weg. Was glaubst du wie schwer es für mich war, dir zu gestehen, dass ich Gefühle für dich habe? Normalerweise schweige ich lieber, was dies angeht. Doch durch dich konnte ich mich öffnen. Weil du mir das Gefühl gibst, nicht verurteilt zu werden. Das habe ich bei wenigen Menschen. Du bist etwas ganz Besonderes, Woody.“ Regungslos saß er da. Nie hätte er es für möglich gehalten, eine andere Person so berühren zu können. Wenn Barry sich überwinden konnte, könnte Woody es ebenfalls schaffen. Wo ein Wille war, da war auch ein Weg!

„Du warst wohl ein echtes Energiebündel, was?“, Woody lächelte seinen Freund an. Weil es ihn interessierte, hatte Barry seine restlichen Kinderfotos hervor gefischt, die sie sich jetzt ansahen. „Oh ja, das kannst du laut sagen. Manchmal war meine Mutter ziemlich genervt von mir“, er rollte mit den Augen. „Ich habe sie ganz schön auf Trab gehalten.“ „Das glaube ich dir sofort“, Woody lachte. „Aber ich finde das gerade gut an dir. Und mit deiner Art steckst du andere auch an. Das ist jedenfalls bei mir so. Immer wenn ich mal schlecht drauf bin, schaffst du es mich wieder hoch zu ziehen.“ Barry legte das Foto beiseite und betrachtete den Braunhaarigen eine Weile, ohne etwas zu sagen. Schließlich gab er einen lauten Seufzer von sich. „Es tut echt gut, wenn du das sagst“, begann er. „Nur schade, dass es bei uns wohl auf der platonischen Ebene bleiben wird.“ Kurz nachdem Barry dies ausgesprochen hatte, wurde er tief rot. „V-vergiss das bitte! Ich wollte dir keinerlei Vorwürfe machen. Du warst immerhin von Anfang an ehrlich zu mir.“ „Schon in Ordnung.“ Woody konnte nicht anders und griff nach der Hand seines Kumpels. „Ich verstehe dich vollkommen. Glaub mir, ich habe was falsche Hoffnungen angeht so einiges mit durch. Daher schwor ich mir, dir das nicht anzutun. Wären wir uns früher begegnet … wer weiß, vielleicht hätte es sogar mit uns beiden geklappt. Aber ich liebe nun mal Buzz und ich wünsche mir nichts sehnlicher als endlich mit ihm zusammen sein zu können. Ich meine so richtig, ohne Lügen … .“
 

Barry sicherte ihm seine volle Unterstützung zu. Er war wirklich ein guter Freund, der beste den Woody je hatte. Sie hörten eine Weile 90er Jahre Trash Musik, bevor er letztendlich nach Hause ging. Der Abend war jedenfalls gelungen. Sie hatten eine Menge Spaß gehabt und herum gealbert. „Ich will das auch mit dir haben“, dachte Woody als er seine leere Wohnung betrat. Er fühlte sich mit einem Mal einsam. Bevor ihm die Decke drohte auf den Kopf zu fallen, rief er Jessie an. Sie war die letzte, die ihn jetzt alleine lassen würde. Natürlich stimmte sie sofort zu und so warf Woody das Nötigste in eine Reisetasche, um sich danach gleich auf den Weg zu ihr zu machen.
 

„Verzeih, dass ich dich so spät noch störe“, meinte Woody als sie ihm die Tür öffnete. „Dummie. Das ist doch selbstverständlich. Jetzt komm erst mal rein. Und dann erzählst du mir alles.“ Jessie hatte sehr viel mütterliches Talent. Das stellte Woody immer wieder fest, wenn er bei ihr war. Sie besaß diesen natürlichen Versorgungstrieb, eine gütige Art und eine Menge Geduld. Über all dies hatte ihre Mutter ebenso verfügt. Letztes Jahr im Sommer ereilte Jessie die traurige Nachricht, dass sie keine eigenen Kinder bekommen konnte. Sie hatte dies tapfer weg gesteckt, auch wenn sie innerlich litt. Woody wusste wie sehr sich seine Schwester Kinder gewünscht hatte. Trotz allem besaß sie stets die Kraft, für ihn da zu sein. „Manchmal habe ich das Gefühl, sie hat mich nicht nötig“, ein wenig betrübt über diesen Gedanken, schmunzelte er. Nichtsdestotrotz würde Woody ihr zur Seite stehen. Er verdankte ihr so viel, man könnte fast behaupten, sogar sein eigenes Leben.
 

„Hey“, sie stellte ihm eine Tasse Tee hin und schnipste. „Du wolltest mir doch ein paar Sachen berichten.“ „Tja, wo soll ich da am besten anfangen?“, Woody stützte seinen Kopf mit der Hand ab und überlegte. Irgendwann begann er Jessie von allem zu erzählen, unter anderem ebene jene Nacht, die dazu geführt hatte, dass Buzz und er sich entzweiten. Auch Barry sparte er nicht aus. „Oha, du bist wohl ein echter Casanova“, sie grinste. „Gleich zwei Kerle. Du hast wohl viel zu tun.“ Woody strafte sie mit einem finsteren Blick ab. „War nur ein Witz“, fügte Jessie rasch an. „Ich weiß ja, dass du nur Buzz willst. Allerdings stimme ich deinem Freund zu, dass du es ihm bald sagen solltest. Ansonsten verlierst du ihn.“ „Weiß ich“, er grummelte. „Glaub mir, ich gehe ständig im Kopf durch, wie ich beginnen soll.“ „Na, indem du einfach den Sprung ins kalte Wasser wagst! Wie solltest du es sonst machen?“ „Hmm.“ Es klang so einfach und dennoch war es für Woody alles andere als das.
 

Sie sprachen noch einige Zeit über Buzz. Ihm war nicht entgangen, das Jessie regelrecht von ihm schwärmte. Sie hatte ihn schon längst als Familienmitglied akzeptiert. „Wehe, du versaust es bei ihm“, Jessie gab ihm einen Stups. Mit vollem Elan bereitete sie Woodys Bett im Gästezimmer vor. Hier war er ungestört und konnte somit endlich abschalten. Doch ihm ging ständig Buzzs Blick durch den Kopf. Insbesondere in jener Nacht. „Ich habe ihn verletzt und von mir gestoßen“, resümierte er. Sein Blick war gen Decke gerichtet. „Ins kalte Wasser springen … .“ Wiederholte Woody die Worte seiner Schwester. Zögerlich griff er nach dem Handy, was er auf den Nachtspind deponiert hatte. Sein Finger arbeitete sich durch die Anwendung, bis hin zum Messenger.
 

Dieser zeigte an, dass Buzz online war. Konnte er auch nicht schlafen? Sein Körper begann unwillkürlich zu zittern. Ihm wurde allmählich bewusst, dass sein Geheimnis früher oder später heraus kommen würde. Daran ließ sich ohnehin nicht rütteln. Es sei denn, er würde seine Beziehung zu Buzz endgültig beenden und die Firma wechseln. „Nein, du kannst nicht immer fliehen, wenn es ernst wird“, tadelte er sich selbst. Also begann Woody zu tippen. Etliche Male löschte er die geschriebenen Zeilen, bis er den richtigen Text gefunden hatte. „Es tut mir leid. Ich bin ein Idiot und das kannst du mir gerne bestätigen. Statt mit dir zu reden, bin ich davon gelaufen. Dabei habe ich dich verletzt, ohne nachzudenken. Nein, stattdessen dachte ich nur an mich. Dass du mich verlassen wirst, sobald ich dir die Wahrheit über mich erzähle. Und das Schlimme dabei ist, ich habe es ja nicht einmal versucht. Damit soll nun endgültig Schluss sein. Ich werde dir Rede und Antwort stehen. Das verspreche ich dir. Nur nicht über dieses Medium. Ich möchte mit dir von Angesicht zu Angesicht reden. Gibst du mir diese Chance?“ Lange starrte er auf den Display seines Handys. „Komm schon“, flehte Woody. Buzz hatte die Nachricht bereits belesen. Wie er anhand des Messengers sehen konnte. „Kein Wunder nach allem was ich ihm angetan habe“, flüsterte Woody. Gerade als er beginnen wollte zu verzagen, sah er, dass Buzz im Begriff war etwas einzutippen.

Woody schielte verloren auf sein Smartphone. Es schienen etliche Minuten zu vergehen, bis Buzz seinen Text endlich absendete. „Hi, tja was soll ich sagen? Deine Zurückweisung hat mich ziemlich verletzt. Ich wusste einfach nicht mehr, wie ich überhaupt noch an dich heran kommen kann.“ Mehr kam erst mal nicht von ihm zurück. Jedoch kannte Woody ihn mittlerweile gut, um ihn einschätzen zu können. Daher wartete er ab. Und er sollte recht behalten. Buzz schüttete ihm nahezu sein Herz aus. „Ich hatte echt Angst dich zu verlieren. Du wirktest auf einmal so verändert. Nicht so wie ich dich damals kennengelernt habe. Ich hatte das Gefühl, dich eventuell zu sehr bedrängt zu haben. Dadurch, dass ich schon so viele Menschen verloren habe, ist da ständig die Befürchtung auch noch dich, den letzten Menschen, der mir tatsächlich etwas bedeutet, mit meiner Art zu vertreiben.“ „Das ist es nicht. Glaub mir, du bist großartig. Es liegt vielmehr an mir und meinem Unvermögen, Klartext zu reden. Ich will aber nicht weiter davon laufen. Du hast es verdient, die Wahrheit zu erfahren. Egal wie es dann zwischen uns ausgehen mag.“ „Wieso denkst du so negativ? Habe ich dir je das Gefühl gegeben, dich nicht so zu akzeptieren wie du bist?“ Er konnte sich gerade bildlich Buzz´s Blick vorstellen, der ihn vorwurfsvoll durchbohrte. „Du wirst es ja dann sehen … .“
 

Sie verabredeten, sich Freitag nach der Arbeit zu treffen. Bis dahin hatte Woody also genug Zeit, sich innerlich auf das Gespräch vorzubereiten. Jedenfalls war er beruhigt, dass Buzz ihm diese Chance auf eine Aussprache gab. Unruhig wälzte er sich hin und her, bis er endlich einschlafen konnte. Am nächsten Morgen wurde Woody von Jessie, ganz wie in alten Zeiten, geweckt. Sie hatte seine Lieblingspfannkuchen gemacht, die ihn bereits auf dem gedeckten Frühstückstisch erwarteten.
 

„Du bist die Beste“, er strahlte sie an. „Ich kann dich ja schlecht hungern lassen oder?“, Jessie zwinkerte. „Wer weiß von was du dich sonst so ernährst.“ Beschämt starrte Woody gen Boden. Da hatte sie ihn erneut erwischt. Meistens rührte er keinen Kochtopf an, wenn er bei sich zuhause war. Ganz im Gegensatz zu Buzz. Woody bewunderte ihn insgeheim dafür. Immerhin hatte er so viel Stress und leitete eine Abteilung, dennoch fand er stets die Zeit, sich im Alltäglichen zu beweisen. „Ich bin ein Chaot“, Woody seufzte so laut, dass Jessie aufsah. „So würde ich das nicht sagen. Du machst dich manchmal halt zu verrückt. Genau dadurch wirkst du eben oftmals zerstreut.“ Ein wenig missmutig, griff er nach seiner Kaffeetasse und nahm einen ausgiebigen Schluck, bevor er sich wieder Jessie widmete. „Du hast wohl recht“, gab er zu. „Man du wäscht mir wirklich oft den Kopf.“ Bei diesem Satz von ihm, lachte Jessie laut auf. „Nun, dafür ist eine Schwester wohl da.“
 

Die Lage an der Arbeit schien sich entspannt zu haben. Wie Woody in der Pause erfuhr, hatte Barry mit ihren Kollegen ein ernstes Wort gesprochen. „Sie sollten dich jetzt in Ruhe lassen“, er grinste ihn an und deutete in die Richtung der anderen. „Hast du sie etwa bestochen?“, Woody legte die Stirn in Falten. Ihn erinnerte das Ganze stark an die Highschool. Allerdings war er dort nicht direkt betroffen gewesen, denn die meisten seiner Mitschüler hatten ihn gemieden. Klar, manchmal fiel der ein oder andere Spruch. Aber von Schlimmeren blieb er verschont. „Quatsch“, platzte es aus Barry. Nachdem er bemerkte, dass er so laut geworden war, dass sich ein paar der Mitarbeiter bereits nach ihnen umgedreht hatten. „Ich habe ihnen nur ein paar passende Takte erzählt“, flüsterte Barry jetzt. „Wir sind schließlich ein Team. Unsere Arbeit sollte dabei im Vordergrund stehen und nicht die Vergangenheit einzelner Personen.“ Mit einem Mal bekam Woody eine Gänsehaut. „Du … bist echt klasse“, erwiderte er leise. „Ehrlich, ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich das alles wieder gut machen soll.“ Der Blonde machte eine galante Handbewegung. „Indem du endlich dein eigenes Glück findest und mit Buzz redest. Ehrlich, du bist zu streng zu dir selbst. Werde lockerer.“
 

Ihre Wege trennten sich, als sie fertig gegessen hatten. Barry war nur für ihre gemeinsame Mittagspause geblieben, denn er wollte heute ein paar der Überstunden abbauen, die sich bei ihm angehäuft hatten. Klar, er hatte es sich verdient, dennoch war Woody ein wenig traurig darüber, nicht gemeinsam mit seinem Kumpel nach Hause gehen zu können. Barry verfügte über das Talent, ihn in jeder Lebenslage aufzubauen. Völlig in Gedanken, rammte er fast den armen Buzz. „Ähm, entschuldige, i-ich hatte dich nicht gesehen“, stammelte Woody beschämt. „Schon in Ordnung“, sein Gegenüber lächelte. „Du bist so attraktiv, es kommt mir schier unwirklich vor, besonders wenn du lächelst“, dachte er, jedoch konnte er Buzz dies nicht mitteilen. Er bremste sich selbst aus. „Ich wollte dir auch nur die Unterlagen bringen. Es geht um einen potenziellen Kunden. Schau sie dir mal an. Wenn du Fragen hast, kannst du jederzeit in mein Büro kommen.“ „Alles klar.“ Woody schluckte, bei dem eher geschäftlich wirkenden Tonfall von Buzz. Doch bevor er auf den Satz kehrt machte, wand sich sein Chef um und sah ihn mit sanftem Blick an. „Übrigens“, seine Augen zeigten jenes Funkeln, das er so sehr vermisst hatte. „Bleibt das bei Freitag?“ Ein Stein fiel von Woodys Herzen. Er strahlte und nickte. „Natürlich!“ „Sehr gut, ich freue mich auf dich“, sprach Buzz.
 

Fast hätte er vergessen, Woody die besagten Unterlagen zu geben. Sie grinsten einander an und beide spürten, dass zwischen ihnen bald keine Geheimnisse mehr herrschen würden. „Danke dir“, sprach Woody. Er nahm Buzz die Mappe ab. Seine Beine versagten fast als er sich auf seinen Bürostuhl setzte. Schon komisch, was eine einzelne Person bei ihm auslösen konnte. Woody schüttelte den Kopf, da er kaum noch aus dem Lächeln heraus kam. Erst eine sanftes Summen in seiner Hosentasche, holte ihn aus seinen Gedanken. „Hey, tut mir echt leid, dass ich heute früher gegangen bin aber anders bekomme ich meine Überstunden leider nicht abgebaut. Wollte mich auch nur erkundigen, ob bei dir alles in Ordnung ist? LG Barry.“ „Wie süß“, Woody schmunzelte.
 

Sein Kumpel machte sich wahrlich viele Sorgen um ihn. „Alles bestens, mach dir keine Gedanken. Ich bin eben Buzz nahezu in die Arme gelaufen und wir haben einige Worte ausgetauscht“ „Und?“, kam in Blitzseile zurück, kaum hatte Woody diese Nachricht abgesendet. „Wir sprechen uns Freitag aus. Hatten es ja bereits gestern vereinbart. Ich habe das Gefühl, dass es eventuell sogar gut laufen wird. Für uns beide. Jedenfalls habe ich nicht mehr die Bedenken, die ich anfangs bei ihm verspürte. Sehen werden wir es jedoch erst, wenn wir uns tatsächlich ausgesprochen haben.“ „Klingt nicht schlecht. Wir reden dann morgen nochmal. Ich möchte dich nicht länger aufhalten.“
 

Mit dieser Verabschiedung, stürzte er sich in die Arbeit. Die Zeit verging heute wie im Flug. Selbst Jessie war überrascht, wie überaus gut gelaunt Woody war als er von der Arbeit kam. „Scheint wohl ein Wunder geschehen zu sein“, bemerkte sie am Essenstisch. „Nicht direkt“, leitete er ein. Dann erzählte Woody ihr von seiner vorigen Begegnung mit Buzz. „Wow“, pfiff Jessie. „Wird auch Zeit, dass du dich nicht mehr versteckst. Du liebst ihn schließlich, nicht wahr?“ Seine Schwester war da gänzlich unverblümt. Sie nannte die Sachen eben einfach beim Namen. Doch genau das schätzte Woody so an ihr. Er ließ die letzten Monate mit Buzz Revue passieren, beginnend bei ihrem ersten Gespräch. Damals hatte er bereits eine starke Anziehung zu ihm gespürt, die sich nochmals verstärkt hatte. Niemals zuvor hatte er sich einer Person so nahe gefühlt. Am liebsten wollte Woody Buzz in die Arme schließen und nie mehr los lassen. Diese Nacht, hätte ihre werden können, wenn er nicht die Flucht ergriffen hätte. Wenn Buzz ihn liebte, dann so wie Woody nun mal war. Mit allen Ecken und Kanten. Er fuhr unter sein Shirt, entlang der Mastek Narben, die ihn ein Leben lang begleiteten. Wenn er es schaffte, sich zu akzeptieren und zu lieben, dann bestimmt auch Buzz.

Es war gegen neunzehn Uhr als jemand an Woodys Bürotür klopfte. Eigentlich hatte er gerade vorgehabt, sich für das Gespräch mit Buzz vorzubereiten. Immerhin war endlich Freitag. Umso überraschter war er, als er ihn vor der Tür erblickte. „Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen nach Hause fahren“, erläuterte Buzz den verdutzten Woody. „Keine Sorge, ich werde dich auf keinen Fall während der Fahrt bedrängen. Sondern warten bis wir in deiner Wohnung sind.“ Er stimmte zu. Die gesamte Autofahrt über war Buzz verhältnismäßig ruhig. Man konnte die Anspannung in seinem Gesicht sehen, die allmählich auch Woody überkam. Um sie beide etwas zu beruhigen, schaltete Buzz das Radio an. Mit einem Mal musste Woody lächeln, denn eines der Lieder ertönte, das sie damals oft bei ihm gehört hatten. „Wir waren noch nie tanzen, weißt du das?“, bemerkte Buzz. Wehmut lag in seiner Stimme. „Hast dir das etwa gewünscht?“, fragte Woody. Der Blonde nickte schwach. „Gut, ich muss zugeben, dass ich nicht besonders gut darin bin, aber bestimmt kannst du mir einiges bei bringen.“ „Hmm“, machte Woody. Den ein oder anderen Schritt konnte er. Jessie hatte ihn damals dazu verdonnert, einen Grundkurs bei ihr zu belegen. Natürlich mit der Begründung, dass es auch für ihn nützlich sei. Immerhin träumte seine Schwester immer noch von einer Märchenhochzeit mitsamt langsamen Tänzen. Gedanklich schweifte er ab zu Jessies großem Tag. Wie es wohl sein würde, Buzz zu ihrer Hochzeit mitzubringen? „Wenn ich mir wünschen könnte, mit wem ich diesen Tag erleben will, dann mit ihm.“ Aus dem Seitenwinkel betrachtete Woody jene Person, in die er sich verliebt hatte.
 

Langsam aber sicher wurde er sich seiner eigenen Gefühle gegenüber Buzz bewusst. „Wir sind da“, holte ihn dieser aus seinen Gedanken. „Oh“, Woody hustete. Jetzt war er also gekommen. Der Zeitpunkt der Wahrheit. Wie gewohnt, öffnete ihm Buzz die Beifahrertür. „Der Herr“, sprach er galant, woraufhin Woody lächeln musste. Er war eben durch und durch ein Gentleman. Schweigend aber gemeinsam gingen sie zu Woodys Appartement. „W-willst du etwas trinken?“, fragte er unsicher, kurz nachdem sie die Wohnung betreten hatten. „Klar, ein Wasser genügt aber völlig.“ Sofort reagierte Woody auf Buzz´s Wunsch und reichte ihm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. „Setz dich“, bat er. „Und du?“, Buzz grinste, weil Woody immer noch unsicher vor ihm stand. Seine Nervosität überwindend, nahm er neben ihm Platz. „Ganz ruhig“, sprach Buzz beruhigend. Dabei griff er nach Woodys Hand. Ihm wurde unwillkürlich warm. Genau das war es, das Woody so sehr vermisst hatte. Barry war zwar ein sehr guter Freund geworden, konnte ihm jedoch nie das geben, was er bei Buzz verspürte. Dieses Gefühl war einfach etwas ganz Besonderes.

„Wo soll ich nur anfangen?“, seufzte Woody. „Na, am besten am Startpunkt“, der Blonde zwinkerte.
 

Woody nahm all seinen Mut zusammen. „Die Wahrheit ist ...“, begann er. Schließlich erzählte er Buzz alles. Wie seine Kindheit und Jugend verlaufen war und dass er früh merkte, in eine Rolle gedrängt zu werden, nicht von seiner Familie, sondern von der Gesellschaft ausgehend. „Was bedeutet das?“, Buzz zog eine Augenbraue empor. Er war sichtlich verwirrt von Woodys Umschreibungen. „Ich“, die Stimme des Braunhaarigen senkte sich. „Hieß anfangs nicht Woody. Ich hatte einen völlig anderen Namen. Jessie hat ihn mir gegeben. Mein alter Name sollte aber keine Rolle mehr spielen, denn ich habe mit ihm längst abgeschlossen.“ „Du verwirrst mich“, gab Buzz zu. Er hielt Woodys Hand immer noch fest. Sanft bewegte er die Hand seines Freundes in Richtung seines Shirts. Dabei wurde er von Buzz beobachtet. „Woody, was“, flüsterte dieser als er unter das Shirt fuhr, in Richtung der Narben. „Du wolltest doch mal wissen woher genau ich diese Narben habe“, erläuterte Woody gefestigter. „Für die Gesellschaft war ich eine ganz andere Person, jedoch war meine Identität stets genauso, wie du mich heute kennst. Die Menschen müssen eben erst lernen, dass es auch andere Formen der Männlichkeit gibt. Genau das, trifft es bei mir gut.“
 

Er machte eine Pause und holte tief Luft. „Buzz, es ist so … ich bin ein trans Mann. Verstehst du jetzt? Ich hatte eine geschlechtsangleichenden Operation, um mein Aussehen, an meine Identität anzupassen. Jede trans Person handhabt es anders. Manche streben jegliche geschlechtsangleichende Operation an, andere nur einige Schritte und ein paar wiederum, gehen nicht mal in die Hormontherapie, um ihre wahre Identität auszuleben, da sie ihren Körper so annehmen, wie er ist. Jeder Körper ist individuell, daher bin ich davon abgekommen meinen als falsch zu bezeichnen. Ein Mann ist für mich jedenfalls, wer sich als solcher identifiziert.“ Woody ging ein wenig weiter und erklärte Buzz, dass viele Menschen, nicht einmal ihre Chromosome wussten, da es auch in dieser Hinsicht unterschiedliche Variationen gab, die über den bekannten XX und XY Satz hinaus gingen. Ebenso wie verschiedene hormonelle Eigenschaften, über die man verfügen konnte und die vom normativ angesehenen abwichen. „Ich hoffe, dass du es besser verstehen kannst. Weder habe ich eine psychische Erkrankung, noch bin ich ein Fake. Nein. Ich bin einfach Woody, so wie du ihn kennengelernt hast.“ Damit beendete er sein Geständnis und sah Buzz eindringlich an. Sein Herz schlug schneller. „Ach, Woody“, sein Gegenüber lächelte. „Du hättest das alles gar nicht so ausführen brauchen. Für mich bist du ein Mann und fertig.“
 

Es war genau jener Satz, nach dem er sich gesehnt hatte. Erleichtert fiel Woody seinem Liebsten um den Hals. „Na, na“, Buzz lachte. „Das ist doch selbstverständlich, oder? Ich liebe dich nicht wegen deines Körpers sondern da du eine tolle, liebenswerte Persönlichkeit hast, die es stets schafft mich aufzubauen. Der Körper ist nebensächlich.“ Er hob Woodys Kinn an. In seinen Augen konnte er sich widerspiegeln. „Buzz“, raunte Woody, im Inbegriff seine Stimme wieder zu finden. „Du bist einfach der Beste. Verzeih, dass ich so lange gezögert habe. Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren.“ „Du scheinst da wohl viel erlebt zu haben. Aber ich bin anders. Wegen so einer Lappalie würde ich dich nie im Stich lassen.“ Um Woody zu zeigen, dass er es ernst meinte, streichelte er sanft seine Brust. Die Berührungen von Buzz brannten, da sie eine Leidenschaft in Woody entfachten, die er bisher nicht kannte. „Ich habe so lange auf genau diesen Moment gewartet“, flüsterte er in Woodys Ohr. „Ich auch“, gab er zurück. Die Fingerspitzen von Buzz kitzelten. „Darf ich?“, wollte er wissen, andeutend dass er das Shirt meinte. „Nur zu“, Woody grinste. Das ließ sich Buzz nicht zwei Mal sagen. Gierig befreite er Woody von dem Oberteil. Ihre Sehnsucht nach einander gipfelte in einem innigen Kuss. Ohne zu überlegen, hob Buzz ihn empor und trug ihn in Richtung des Schlafzimmers. Woody kicherte und wippte mit den Beinen. „Du gehst ziemlich ran“, ließ er vermerken. „Ich musste halt lange auf dich verzichten“, entfuhr es Buzz. Sachte legte er Woody auf die Matratze hinab und kam zu ihm. Erst küsste er ihn, danach fuhr er hinab und glitt mit der Zunge über den Oberkörper seines Partners. Auch Woody berührte ihn nun. Sein Herz machte einen Sprung als er Buzz das Hemd aufknöpfte und die Muskeln erblickte, die seinen Körper zierten. „Du bist atemberaubend“, offenbarte ihm Woody. Sie konnten die Hände nicht von einander lassen.
 

Erst als Buzz im Inbegriff war Woodys Jeans zu öffnen, zögerte er kurz und sah zu dem Blonden hinunter. „Hey, du bist wunderschön. Daran wird sich nichts ändern“, beteuerte Buzz. Dies beruhigt Woody. Er lehnte sich zurück und entspannte sich. Zärtlich zog Buzz ihm die Hose hinab. Letztendlich ebenso die Boxershorts. Woodys Körper zitterte für einen kurzen Moment. „Ahh“, keuchte er auf als er Buzz Zunge an genau jener Stelle spürte. Der Ekstase verfallend, verlor er allmählich seine Scheu. Im Inbegriff sich Buzz vollständig hinzugeben, wand er sich auf den Bauch. Seine Hände suchten das Kissen. Er spürte, wie Buzz ihn anhob und schlussendlich in ihn eindrang. Seinem Rhythmus folgend, gab Woody sich hin. Er genoss jenen Augenblick als gäbe es kein Morgen.
 

Sein Kopf lag auf Buzzs Brust gebettet. Beide waren sichtlich erschöpft. „Wow“, lächelte Buzz vor sich hin. „Das Warten hat sich definitiv gelohnt.“ „Du Charmeur“, Woody lachte. „Ich sehe es jedoch genauso.“ Sie verbrachten noch einige Zeit im Bett bevor sie schließlich Arm in Arm einschliefen. Am Morgen danach machte ihm Buzz Frühstück. Woody räumte im Gegenzug auf. Das Paar beschloss Jessie einen Besuch abzustatten, wo er ihr dann alles erzählen konnte. Und Woody freute sich auf nichts sehnlicher als Buzz nun offiziell als seinen Freund vorzustellen. Darauf hatte er lange genug gewartet. Jetzt stand nichts mehr zwischen ihnen. Die Situation in der Firme ließ sich schon regeln. Irgendwann würden sie ihre Beziehung auch dort bekannt machen.
 

******
 

Zwei Jahre zogen ins Land. Woody hatte sich in der Zeit stark entwickelt und stand zu sich selbst. Eines Tages outete er sich vor seinen Arbeitskollegen, die seine Offenbarung recht locker hin nahmen. Die Freundschaft zu Barry existierte nach wie vor und hatte sich sogar nochmals verfestigt. Auch sein bester Freund hatte inzwischen einen festen Partner gefunden. Ironischerweise durch Woody. Dieser hatte einige Zeit eine Transgender-Selbsthilfegruppe geleitet, der auch Barry bewohnte jedoch eher zur Unterstützung. Dort traf er allerdings die Liebe seines Lebens. Woody freute sich sehr für ihn, denn Barry hatte sein Glück wahrlich verdient. Mittlerweile leitete ein anderer die Gruppe. Er hatte beschlossen allmählich mit seiner Vergangenheit abzuschließen. Da Woody seinen Körper nicht mehr hasste, entschied er sich für eine Zwischenlösung, bei der ihm eine Art Penoid ermöglicht wurde, er jedoch trotzdem seine Vagina behielt**. Manche würden ihn dafür verurteilen, aber Buzz liebte ihn genau so. Von dem Sex mit ihm konnte er gar nicht genug bekommen. Woody erschien es fast so als würde dieser stetig besser werden. „Hey“, Buzz stieß ihn an und deutete auf den Briefumschlag, der unberührt auf dem Tisch lag. „Mach ihn endlich auf.“ „Ist ja gut“, Woody lächelte und öffnete ihn. Darin befand sich eine Einladung zu Jessies Hochzeit. Es war also so weit. „Und“, Buzz grinste breit. „Wann ist es bei uns soweit?“ Bevor Woody überhaupt reagieren konnte, hatte er in seine Tasche gegriffen und einen silbernen Ring hervor geholt.
 

**diese Methode wird auch Klitpen genannt. Dieser ist ein wenig risikoärmer als der Aufbau, der auch heutzutage noch recht kompliziert ist



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