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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Kampf und Frieden

Das Gesicht des Ninja zeigte keine Spur von Schmerzen, es war ausdruckslos und aschfahl. Das einzige Anzeichen dafür, dass er noch lebte, waren die krampfartigen Zuckungen, die seinen Körper schüttelten. In seinem Oberköper steckten zwei schwarzglänzende Shuriken exakt in einer horizontalen Linie angeordnet. Sie schnitten tief genug, um die Rippen durchtrennt und die Organe darunter perforiert zu haben, auch wenn sie von der Position her zu urteilen, das Herz sowie die Hauptschlagadern knapp verfehlthatten.Es sah beinah wie beabsichtigt aus, ging es Makani durch den Kopf. Die Wurfsterne wiesen beide genau den gleichen gefährlich kleinen Abstand zum tödlichen Punkt in der Brustmitte auf. Die Kunoichi war, ohne weiter zu überlegen, aus ihrer Deckung getreten und blickte nun mit starrer Miene auf den stark blutenden Shinobi herab. Sein Kamerad kniete zu ihren Füßen und presste unbeholfen eine große MengeMull auf die Wunden. Als er merkte, dass jemand hinter ihm stand, wirbelte er herum und sah sie für ein paar Augenblicke nur alarmiert an.

Dann schrie er: „Worauf wartest du?! Fang an, ihn zu heilen!“

Diese unwirschen Worte lösten Makanis Schock.

„Nur weil ich eine Frau bin, muss ich noch lange keine Iryōnin sein!“, erwiderte sie bissig und bereute es, noch bevor sie ausgesprochen hatte. Das war absolut unangebracht und kontraproduktiv. Sie hatte einfach aus Reflex zurückgeschossen.

„Entschuldige!“, setzte sie sofort nach, „ich…was kann ich tun?“

Sie brachte alle Mühe auf, sich zusammenzureißen und in ihrem furchtbar trägen Hirn die für solche Notfälle eintrainierten Skripte zu aktivieren. Sie ging zwar schon seit einigen Jahren auf Missionen, aber wirklich kritische Fälle hatte sie bis zu ihrem letzten Auftrag eigentlich noch nicht erlebt. Und hier hätte sie am allerwenigsten damit gerechnet.

Makani sah zu dem anderen Bewusstlosen hinüber. Auch er war von einem Shuriken getroffen worden, allerdings nur am rechten Oberschenkel. Die Waffe schien, nicht so tief eingedrungen zu sein, und die Wunde blutete nur mäßig. Sie eilte zu ihm und brachte ihn mit wenigen schnellen Handgriffen in eine Position, in der er weder an seiner Zunge, noch an seinem Erbrochenen ersticken konnte.

„Was ist passiert?“, fragte sie dann und häufte ihr eigenes Verbandsmaterial neben dem ANBU-Mitglied mit der Brustverletzung auf.

„Weiß nicht, hab‘ sie so gefunden“, presste der Andere zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Makani spürte, wie leichte Panik in ihr aufstieg. Sie blickte sich hektisch um. Was, wenn die Gefahr noch nicht vorüber war? Sie brauchten Hilfe! Aber zurück ins Dorf zu laufen, würde empfindlich lange dauern. Und einer von ihnen müsste mit den Verwundeten so gut wie schutzlos zurückbleiben. Obwohl sie eigentlich nicht daran glaubte, holte sie einer sehr vagen Hoffnung folgend ihr Funkgerät hervor und schaltete es ein.

„Itachi! Shisui! Hört ihr mich? Es ist ein Notfall!“

Stille.

Jetzt schrie sie und ihre Stimme klang schrill: „Bitte, antwortet! Wir brauchen eure Hilfe!“

„Makani? Wir hören dich. Was ist passiert?“

Das Signal war sehr schlecht und sie hätte Itachis leise Stimme zwischen dem ganzen Rauschen und Knacken fast nicht herausgehört. Sie sandte ein Stoßgebet an alle Götter, die ihr einfielen, und dankte ihnen für die Intelligenz ihres Anführers, der offensichtlich klug genug gewesen war, das Funkgerät einzuschalten, nachdem sie getrennt worden waren. Und soweit konnte er nicht mehr entfernt sein, die Reichweite des Senders war nicht sehr groß.

Sie brüllte in den Lautsprecher: „Wir sind am Wasserfall. Zwei ANBUs sind verletzt. Der Zustand von einem ist sehr kritisch. Wir wissen nicht, wer die Angreifer waren.“

„Verstanden“, antwortete Itachi sofort, „bleibt, wo ihr seid. Wir kommen so schnell wie möglich mit Verstärkung und medizinischer Hilfe.“

Dann war es wieder still. Makani atmete leicht zitternd aus. Sie würden kommen!

Sekunden verstrichen, in denen die Kunoichi wachsam ihren Blick zwischen den Bäumen umherschweifen ließ, doch nichts rührte sich. Dann wurde die Stille von dem Erste-Hilfe-leistenden ANBU unterbrochen: „Verdammte Scheiße! Er verblutet!“

Die Panik war deutlich in seiner Stimme zu hören, obwohl er sich offensichtlich Mühe gab, ruhig zu bleiben.Er konnte nichts weiter tun, als den mittlerweile vollständig rotdurchtränkten Stoff auf die Brust des Verletzten zu pressen. Makani schluckte. Der Shinobi am Boden war nicht mehr einfach nur blass. Die Haut in seinem Gesicht hatte einen furchtbaren Blauschimmer angenommen, besonders auf den Lippen und im Bereich der Augen.Makani fiel neben ihm auf die Knie und versuchte, seinen Puls zu finden. Tatsächlich meinte sie, ihn sehr schwach und unregelmäßig unter ihren Fingern zu spüren, aber sicher war sie sich nicht.

„Hol Koguma, bitte!“, flüsterte der Ninja neben ihr heiser. „Er müsste auf dem Waldfriedhof sein, das ist kaum mehr als zwei Kilometer von hier entfernt. Er kann mit Heilchakra umgehen.“

„Aber dann bist du hier ohne jede Verteidigung“, erwiderte sie zögerlich.

 Darauf schaute er Makani mit einem erschreckend verzweifelten Ausdruck in den Augen an.

„Ich kann ihn nicht sterben lassen!“

Makani überlegte und überschlug in Gedanken die Zeit, die sie zum Waldfriedhof hin und wieder zurück brauchen würde. Egal wie überirdisch schnell Itachi und die anderen auch sein mochten, sie würde signifikant schneller sein.

„In Ordnung“,sagte sie fest und erhob sich.

„Danke!“

 

Und wieder rannte sie. Während sie sich in Bewegung setzte und die Lichtung in südlicher Richtung verließ, hob sie erneut das Funkgerät an ihre Lippen. Ihr Team sollte wissen, was sie vorhatte. Doch diesmal antwortete ihr nichts als das ewige Rauschen im Äther. Verdammt! Aber es hatte keinen Sinn, zu viele Gedanken daran zu verschwenden. Zeit war das einzige, das jetzt wirklich zählte. Trotzdem rief sie weiter, sooft es ihr schwerer Atem zuließ,den Namen ihres Captains in den Lautsprecher. Langsam wuchs ein Gefühl der Erleichterung in ihrer Brust, sie kam dem Waldfriedhof schnell näher. Es konnte nicht mehr viel länger als eine Minute dauern.

Doch urplötzlich ließ sie sich scheinbar völlig unvermittelt mitten in einem Sprung zu Seite fallen. Sie landete schmerzhaft auf ihrer Seite und rollte sich auf dem steinigen Waldboden ab. Just in dem Moment, als sie aus der Rolle heraus in einer hockenden Position wieder zum Stillstand kam, schlugen mehrere Shuriken mit tödlicher Wucht nur knapp einen Meter über ihrem Kopf im nächsten Baum ein. Bewusst hatte sie das feine anschwellende Surren kaum wahrgenommen, aber ihre über Jahre trainierten Reflexe hatten Makani das Leben gerettet, jedenfalls für den Moment. Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper spannte sich in jäher Alarmbereitschaft. Zuerst war nichts zu erkennen, doch dann setzten sich allmählich drei dunkle Schatten von dem grünen Hintergrund ab. Und in dem Moment, als Makani sie ausmachte, war sie sich sicher, dass sie verloren war. Die Feinde, wer immer sie auch sein mochten, hatten sie gefunden und umzingelt. Um zu wissen, dass sie stark waren, musste sie sich nicht erst die übel zugerichteten Shinobi am Wasserfall in Erinnerung rufen, denn allein die Macht ihrer finsteren Auren raubte ihr schier den Atem. In eine merkwürdig überraschte Starre verfallend versuchte sie zu begreifen, wie das alles hatte passieren können. Ihr dritter Tag bei der ANBU war nur wenige Stunden alt – und hier war das Ende?

Makani erhob sich in quälender Zeitlupe und konnte ein leichtes Zittern nicht unterdrücken. Eine ihrer Verbergungskünste anzuwenden, hatte keinen Sinn, nicht wenn die Blicke von drei Personen mit solch unbarmherziger Aufmerksamkeit auf sie gerichtet waren. Einer stand ihr direkt gegenüber und starrte sie mit völlig ausdrucksloser Miene an. Die Kunoichi erschauerte bei seinem Anblick: Seine stacheligen Haare leuchteten in einem grellen Orangerot und bildeten einen unangenehmen Kontrast zu seinem extrem bleichen und ausgehärmten Gesicht, in dem er sich so etwas wie Metallstifte durch die Lippen und den Nasenrücken gerammt hatte. In seinen Augen fehlten das Weiße und die Iris, stattdessen wanden sich violett schimmernde Spiralen um die winzigen Pupillen. Makani hatte nicht das Gefühl, einen Menschen vor sich zu haben. Rechts neben ihr stand eine im Gegensatz dazu einigermaßen menschlich wirkende Frau. Sie hatte blasse feine Züge und violettes Haar. Von der Gestalt zu ihrer Linken war überhaupt nicht zu sagen, um wen oder was es sich handelte. Sie trug eine spiralförmige Maske, die nur ein einzelnes Auge unverdeckt ließ. Alle drei waren in die gleichen nachtblauen Mäntel gehüllt mit einzelnen stilisierten roten Wolken darauf. Es sah Makani verdächtig nach einem Symbol aus, Ninja liebten Symbole und es gab hunderte davon für alle möglichen Zwecke, aber dieses hatte sie noch nie zuvor gesehen.

„Uhuhuuuu, guckt mal Leute, eine kleine Konohanin!“

Makani zuckte bei dem Klang der schrillen Stimme heftig zusammen. Es schien die Gestalt mit der Maske gewesen zu sein, die gesprochen hatte.

„Oje, jetzt hat sich das Kunoichilein erschreckt“, quiekte sie. „Wow! Sie hat ja ganz weiße Haare. Ob sie alt ist?“

Nach der Stimme zu urteilen, handelte es sich um einen Mann, aber die Worte verhießen nichts Gutes über seinen Geisteszustand. Wahnsinnige Ninja waren definitiv etwas äußerst Gefährliches. Doch völlig unverhofft vernahm sie eine andere Stimme, die ihr für einen wundervollen Moment vor Erleichterung die Tränen in die Augen trieb: „Makani! Wie ist die Lage? Wir sind gleich bei euch!“

Itachi!

Aber im nächsten Moment realisierte sie, dass es nicht ihr Anführer selbst gewesen war, der die Geräusche erzeugt hatte, sondern nur ihr Funkgerät. Da bewegte sich der Mann mit den orangeroten Haaren zum ersten Mal. Er legte einen Finger an die Lippen. Die Kunoichi biss in wachsender Verzweiflung die Zähne zusammen.

„Makani! Hörst du mich? Was ist los bei euch?“

Nun streckte er eine geöffnete Hand aus und in der Umzingelten schwand die letzte Hoffnung. Wie ferngesteuert zog sie das Funkgerät aus ihrer Tasche und warf es der monströsen Gestalt vor die Füße.

„Antworte bitte, wenn – „

Itachis letzte Worte gingen in einem lauten Knirschen unter, als der Orangehaarige den kleinen Apparat unter seinem Schuh zermalmte.

Der Maskierte feixte: „Hahaha, nun ist er stumm! Zerbrochen wie deine kleinen Ninja-Freunde. Sind sie schon tot oder müssen wir nochmal nachhelfen?“

„Sei still! Darum kümmern wir uns später. Wie heißt du, Mädchen?“

Die Stimme des furchteinflößenden Shinobi in der Mitte unterschied sich um Welten von dem unangenehmen Quieken des Linken. Sie glich einemtiefen sonoren Brummen, nicht laut, aber so durchdringend, dass Makani sich sicher war, sie hätte ihn auch über den gut einen Hektar großen Trainingsplatz der Uchihas verstanden. Seine Worte gingen ihr durch Mark und Bein. Alles in ihr schrie danach, die Flucht zu ergreifen, es wenigstens zu versuchen, auch wenn es vermutlich aussichtslos war. Aber was, wenn die drei den Wasserfall erreichten, bevor die Verstärkung eintraf? Wenn man es realistisch betrachtete, war Makanis Leben ohnehin verloren, doch vielleicht konnte sie für die anderen etwas Zeit gewinnen. Nichts Geringeres war es doch, was einen Ninja im Rang eines ANBU ausmachte, oder? Er tat, was der Kampf erforderte, egal was es ihn selbst kosten mochte… Mit einem gewissen Erstaunen über sich selbst gelang es ihr, den Fluchtreflex zu unterdrücken. Sie wusste nicht, woher es kam, aber eine Art verzweifelte Entschlossenheit hatte sie erfasst.

„Ich bin Kunoichi im Einsatz der Ansatsu-Senjutsu-Tokushu-Butai von Konohagakure. Ihr befindet euch unautorisiert im Hoheitsgebiet des Dorfes. Ihr seid hiermit aufgefordert, dieses umgehend zu verlassen, ansonsten werdet ihr zur Eliminierung freigegeben.“

Der Orangehaarige gab einen kehligen Laut von sich, der wohl ein Lachen darstellen sollte. Seine Miene blieb jedoch völlig ungerührt.

„Das hast du schön aufgesagt. Wir haben schon bemerkt, dass der ganze Wald vor ANBUs wimmelt. Viel zu bieten hatte bisher aber keiner. Soll das wirklich die ganze Verteidigung des Dorfes aller Dörfer sein? Das ist enttäuschend.“

„Wer seid ihr und was wollt ihr?“, fragte Makani den abschätzigen Kommentar ignorierend.

Der mutmaßliche Anführer der Eindringlinge antwortete nach einer kurzen Pause: „Man nennt mich Pain, aber das ist nicht mehr von Bedeutung für dich. Was ich will? Nun - “

Er tat ein paar Schritte auf Makani zu, diese wich automatisch zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.

„Hast du Angst, Konohanin?“ Die Stimme des Mannes, der sich Pain nannte, klang nun beinah sanft und er fuhr fort, in dieser verstörenden Tonlage zu sprechen, die Makani schwindeln ließ: „Es ist nicht fair, dass es so endet, nicht wahr? Aber das Ende ist niemals fair. Besonders das Ende eines Kriegers nicht. Sag, bist du eine gute Kunoichi gewesen?“

Er kam näher, nur noch etwa ein halber Meter bewahrte sie vor dem Kontakt mit dieser widerlich bleichen Haut. Sie war runzelig, ohne direkt alt zu wirken, und so durchscheinend, dass das Geäst von dunklen Adern darunter deutlich zu erkennen war.

„Du hast gefragt, was ich will“, raunte er „Ich will wissen, wofür du kämpfst?“

Makanis Hirn war wie leergefegt. Die Antwort kam automatisch aus ihrem Mund: „Für den Frieden Konohas…“

Pain lächelte, aber es sah absolut nicht aus wie ein Lächeln. Es war, als würden seine Mundwinkel an Fäden in die Höhe gezogen.

„Jaaa“, hauchte er gedehnt, „es ist nicht zu übersehen, dass du diesem Dorf blind ergeben bist wie all die anderen hochherzigen Schafe. Schon allein, dass du hier vor mir stehst und nicht um dein Leben kämpfst, wie es jedes halbwegs gesunde Tier täte, beweist das nur allzu deutlich. Kleine dumme Kampfvirtuosen wie du sind das Blut in den Adern dieses Systems. Schon so viel davon musste für seinen Machterhalt fließen, dass sich niemand mehr erinnern mag. Dein Verlust ist nicht schmerzhafter als ein winziger Papierschnitt im Finger und du wirst lange nicht das letzte Opfer sein. Und was den Frieden betrifft - “ Pain war Makani nun so nah gekommen, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Er roch leicht süßlich und irgendwie abgestanden. Ihr Magen begann, zu rebellieren. „Der Frieden ist die ewige schöne Erzählung des Dorfes aller Dörfer und die Menschen möchten ihm das nur zu gerne glauben. Ja, es stimmt. Bevor es die großen Shinobidörfer gab, war die Welt ein noch viel finsterer Ort als heute. Keine Regeln, nur das Recht des Stärkeren und eine Hand voll überlegener Clans, die sich unaufhörlich bekämpften. Auswiderwilligen Allianzen und fragilen Abkommen entstanden solch prächtige Dörfer wie deines, doch sei versichert, tief in eurem Herzen seid ihr noch genau die gleichen blutrünstigen Kriegstreiber wie damals.“

Der Orangehaarige überragte Makani um gut einen Kopf. Er sah auf sie herab und hob langsam die Hände. Sie zitterte nun ungehemmt und drückte sich verängstigt gegen die Baumrinde. Pain berührte ihre Wangen und presste im nächsten Moment seinen ganzen Körper gegen sie. Ihre Beine drohten wegzusacken. Verzweifelt riss sie den Kopf hoch und blickte beinah flehend in die sich leicht wiegende Krone des Baumes empor. Sie hörte sein Flüstern direkt neben ihrem Ohr und spürte die Berührung seiner eiskalten Lippen: „Ich sage dir, wofür du kämpfst, kleine Konohanin. Frieden bedeutet nichts anderes als eure kompromisslose Vormachtstellung. Aus diesem Grund bist du Kriegerin, aus diesem Grund hast du getötet und aus diesem Grund wirst du heute sterben. Denn ich fordere euren Frieden heraus. Doch sei nicht traurig. Ich kann dir sagen, dass du auf der Sonnenseite gelebt hast. Du hast nicht gelitten, deshalb kannst du es nicht besser wissen.“

In Makanis Inneren brachen alle Dämme und die pure Panik schwemmte jeden klaren Gedanken davon. Sie registrierte kaum, wie sich ihre Knie beugten und Chakra aus ihrem ganzen Körper in die dort bis zum Zerreißen gespannten Muskeln strömte. Dann schnellte sie wie ein abgeschossener Pfeil in die Höhe. Pains Griff begann, sich um sie zu schließen, doch er war nicht schnell genug. Sie glitt ihm durch die Finger und entwischte in die einzige Richtung, die zur Flucht noch offen blieb: nach oben. Sechs, sieben Meter flog sie, dann stieß sie sich kraftvoll von einem Ast ab, um noch weiter an Höhe zu gewinnen, fort von den entsetzlichen Gestalten unter ihr. Sie hatte sich in eine Tanne von bemerkenswerter Höhe geflüchtet. In ihrem nun von Instinkten beherrschten Denken manifestierte sich das vage Ziel, so schnell wie möglich aus dem Blickfeld der Feinde zu verschwinden und dann im Verborgenen zu entkommen. Sich zu verstecken, gehörte zu Makanis lebenswichtigsten Reflexen. Auf dieser Basis fußten ihre wertvollen Vorteile in Gefechten und demnach auch die meisten ihrer Kampfstrategien. Während sie dicht am Stamm nach oben stieg, glitten ihre Fingerspitzen über die zerfurchte Oberfläche seiner Rinde. Ohne dass sie großartig darüber nachdenken musste, verschafften sich kleine gezielte Stöße ihres Chakras einen Zugang zu den alten und mächtigen Energieflüssen, die den Baum von der Krone bis zu den Wurzeln durchströmten. Ihre eigene Kraft würde sehr bald zur Neige gehen. Sie riskierte einen Blick nach unten. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass dort nichts mehr zu sehen war außer dicht benadeltes Geäst. Doch als sie den Kopf wieder hob, war ihr die Sicht auf das satte Grün plötzlich versperrt. Stattdessen schaute sie in ein schönes Augenpaar mit einem intensiven Goldton. Es war die Frau mit den violetten Haaren. Makani ließ augenblicklich alle Behutsamkeit fahren, ihr Chakra drang gewaltsam in den Baum und riss brutal einen beträchtlichen Teil seiner Energie an sich. Diese Vorbereitung kostete jedoch einen Wimpernschlag zu viel Zeit. Die feindliche Kunoichi riss die Arme nach oben und im nächsten Moment wirbelte ein Sturm kleiner weißer Fetzen auf Makani zu. Sie registrierte am Rande, dass es sich um so etwas wie Papierblättchen handelte, dann setze der Schmerz ein. An unzähligen Stellen ihres Körpers schnitten scharfe Kanten durch ihr Fleisch. Ein ersticktes Stöhnen entglitt ihr, doch sie unterdrückte den Impuls, ihr Gesicht mit den Armen zu schützen, damit sie ihrer Gegnerin stattdessen das zuvor gesammelte Chakra entgegen schleudern konnte. Ein vertrautes Stechen durchzuckte ihre Brust, als sie zu viel Energie zu schnell durch ihren Körper leitete, aber es führte zum gewünschten Ergebnis: Die Druckwelle war so gewaltig, dass es aussah, als sei die Violetthaarige nun selbst nicht viel mehr als ein Papierpüppchen, das von einer Windböe erfasst wird. Sie wurde weggeschleudert und verschwand im nächsten Moment aus Makanis Blickfeld. Doch leider hielt das darauffolgende Gefühl des Triumphes nicht lang, denn gleich darauf rächte sich das rabiate Vorgehen bei der Energiebeschaffung. Die Tanne gab ein markerschütterndes Ächzen von sich und bevor sie auf einem der Äste halt finden oder sich mit einem kräftigen Sprung aus dem Gefahrenbereich befördern konnte, begann der Baum auch schon zu kippen. Ein dicker Ast traf Makani hart in den Rücken und riss sie mit in die Tiefe. Sie schaffte es zwar, indem sie die restliche Energie dem auf sie zurasenden Boden entgegen feuerte, den Sturz ein wenig abzubremsen, dennoch landete sie mit solcher Wucht auf ihrer Schulter, dass ein ekelerregendes Knacken zu hören war. Doch sie beachtete es kaum und auch nicht, dass sie, wäre sie nur einen Meter weiter links gelandet, von dem tonnenschweren Baumstamm zerquetscht worden wäre. Ohne sich umzusehen, sprang sie auf und rannte um ihr Leben.

Aber sie kam keine zwanzig Meter weit. Ihr entfuhr ein verzweifelter Schrei, als körperlose Klauen nach ihr griffen und sie durch die Luft rissen, ohne dass sie das Geringste dagegen unternehmen konnte. Mit hilflos umher pendelnden Gliedmaßen wurde sie rücklings gegen einen Baum geschlagen und dort blieb sie einige Zentimeter über dem Boden hängen. Ihre Augen weiteten sich in reiner Todesangst, als sie sah, wie Pain mit einem Kunai in der Hand aufreizend langsam auf sie zu schritt – um sie zu exekutieren. Schließlich baute er sich vor ihr auf und setzte das Messer an ihre Brust.

„Du hast Konan überwältigt, kleine Knohanin. Ich bin beeindruckt.“

Der Druck des Kunais verstärkte sich und plötzlich spürte Makani, wie die längst vergessene Porzellanplatte in ihrer Weste mit einem leisen Knacken zerbrach. Ohne es verhindern zu können, rannen ihr mit einem Mal die Tränen über die Wangen und vermischten sich mit dem Blut aus den zahlreichen Schnitten auf ihrer Haut.

„Ja! Weine, Mädchen“, sagte Pain mit ausdrucksloser Stimme „Der Tod ist da. Aber du hast wunderbar um dein Leben gekämpft. Unter anderen Umständen hätte ich dich vielleicht sogar mitgenommen. Da ist ein Funke in dir, weißt du… doch er ist leider noch viel zu schwach.“

Er löste das Kunai wieder von Makanis Brust und holte damit aus. Er senkte seine Stimme und flüsterte: „Keine Sorge. Ich tue es schnell.“

Dann wurde sie getroffen, allerdings nicht dort, wo sie es erwartet hatte. Der stumpfe Schmerz explodierte in ihrem Kopf und alle Lichter gingen aus.

 

Es drehte sich. Aufgeregte Rufe aus der Ferne drangen störend in den trägen Wirbel aus Nichts und lösten ihn schließlich auf. An seine Stelle traten dröhnende, pulsierende und brennende Schmerzen. Dies half, um aus den gedankenlosen Tiefen der Bewusstlosigkeit wieder in ihren Geist zurückzufinden. Als nächstes nahm sie die gewaltigen Energiewellen wahr, die in kurzen, unregelmäßigen Abständen über sie hinweg brandeten – heiß, kalt, prickelnd und wieder heiß. Woher kamen sie? Nur mit großer Mühe gelang es ihr, die Augen einen Spalt breit zu öffnen. Alles war verschwommen, zunächst sah sie nichts als verlaufende Farbflecke hinter einem Nebelschleier. Dann stellte sich allmählich ein kleiner Bereich in der Mitter ihres Sichtfeldes scharf. Sie konnte einige sich schnell bewegende Gestalten ausmachen, von denen die heftigen Chakrastöße auszugehen schienen. Ein Kampf? Ohne dass sie wirklich begriff, wieso, fegte plötzlich Todesangst jedes andere Gefühl und jeden anderen Gedanken fort. Sie musste hier weg, sonst war sie verloren! Doch so verzweifelt sie es auch versuchte, ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen und allein das Fokussieren auf die Bewegungen verstärkte die rasenden Kopfschmerzen enorm. Der Schwindel begann, sie zu überwältigen. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war, ob sie lag, saß oder gar stand. Raum und Zeit drohten ihr erneut zu entgleiten – bis eine Stimme sie endgültig in die Realität zurückholte.

Makani!

Das schreckliche Drehen hatte sich etwas gelegt. Und plötzlich nahm sie eine feuchtkühle Hand an ihrer Wange wahr. Wirre Bilder von orange lodernden Haaren und totenbleicher Haut flackerten in ihrem Kopf auf. Panisch riss sie die Augen auf – und blickte in ein vertrautes Gesicht: Die schwarzen Strähnen waren zerzaust und klebten an der schweißnassen Haut, auf der sich vor Anstrengung rote Flecken gebildet hatten. Der Ausdruck war eine verzerrte Maske aus Anspannung und Sorge – es war so schön, dass sie am liebsten geweint hätte.

„Makani, hörst du mich?“, fragte Itachi eindringlich.

Die Angesprochene nickte schwach.

„Glück gehabt, sie lebt! Hab‘ das Schlimmste befürchtet, wie sie da lag“, war eine andere Stimme von etwas weiter entfernt zu vernehmen. Makani folgte ihr mit den Augen und erkannte die grauweiße Strubelfrisur von Hatake Kakashi. Orangene oder violette Haare konnte sie nirgends ausmachen. Endlich entspannten sich ihre verkrampften Muskeln etwas und sofortüberkam sie grenzenlose Erschöpfung.

„Hey, lass sie nicht wieder wegknicken, Itachi!“, sagte Kakashi.

„Makani“, die Berührung auf ihrer Wange intensivierte sich, „schau mich an, okay? Weißt du, wer ich bin?“

„…tachi…“, nuschelte Makani.

„Gut! Und wo sind wir?“

„Nähe Waldfriedhof… bin angegriffen worden… weiß nicht, wer… tut mir Leid.“

„Alles ist gut, Makani. Versuch, wach zu bleiben, ja?“, erwiderte Itachi mit einem Anflug von seinem typisch sachlichen Tonfall. Dann fügte er an Kakashi gewandt hinzu: „Sie scheint relativ klar zu sein. Ihre Pupillen reagieren auch normal. Ich denke, sie ist transportfähig.“

„Die Medic-Einheit wird noch eine Weile brauchen, die haben am Wasserfall alle Hände voll zu tun,“ wandte Kakashi ein.

„Ich werde sie ins Dorf bringen.“

„Gut, aber melde dich danach bei Koguma.“

„Ja.“

Der Kopierninja entfernte sich. Sehr vorsichtig band Itachi Makani mithilfe eines Tuches auf seinem Rücken fest, trotzdem stöhnte sie vor Schmerzen dabei. Ihr Anführer sprach leise auf sie ein, doch die Kunoichi hörte seine Worte kaum. Als sich ihre Lage so relativ abrupt veränderte, wurde ihr mit einem Mal furchtbar übel und sie war zunächst vor allem mit dem verzweifelten Versuch beschäftigt, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten. Es wurde jedoch besser, als sich Itachi in Bewegung setzte und ein angenehm kühler Wind über ihr Gesicht strich. Ihr schmerzender Kopf wurde immer schwerer und schließlich sackte er auf Itachis Schulter, ihre Wange ruhte an seinem Hals. Sie spürte, wie sich die Muskeln unter seiner erhitzten Haut im Takt der geschmeidigen Schritte bewegten. Die eigentümlich besonnene Vitalität und kotrollierte Kraft seiner Bewegungen war Makani zwar vertraut, doch sie so unmittelbar zu spüren, war eine eigenartig intime Erfahrung. Auch seinen Geruch hatte sie noch nie zuvor so bewusst wahrgenommen und doch fühlte es sich so an, als würde sie ihn schon eine Ewigkeit kennen, und in diesem Moment löste er in der halbbewusstlosen Kunoichi unverhofft ein wohliges Gefühl der Geborgenheit aus. Genau hier, auf dem Rücken von Uchiha Itachi war der sicherste Platz auf Erden. Hier herrschte Frieden. Sie war nicht tot, obwohl sie sich so sicher gewesen war, dass sie sterben würde. Man hatte sie nicht sterben lassen, man hatte sie gerettet. Itachi hatte sie gerettet, obwohl sie weder eine richtige Uchiha war, noch die Erwartungen, die an eine Elitekriegerin der ANBU gestellt wurden, erfüllen konnte.



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