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(A)I complicate

von

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Release

» Kens View «
 

Erschöpft lies ich meine Tasche zu Boden sinken und seufzte schwer. Irgendwie kam mir mein Apartment noch viel einsamer und kälter vor, als das letzte Mal, als ich hier vor einer Woche meinen Koffer gepackt hatte.
 

Es war eine verdammte Woche her, dass ich Yu das letzte mal gehört oder gesehen hatte.
 

Ich warf einen Blick auf mein Handy und erneut entfloh ein Seufzen meiner Kehle... er hatte nicht mal auf meine letzte Nachricht geantwortet. Aber was hätte er auch erwidern sollen?
 

Ich sank auf das Polster inmitten des geräumigen Wohnzimmers und lies meinen Blick aus dem Fenster und so über Shibuya gleiten. Als ich damals nach Tokio gekommen war, hatte ich nichts anderes gewollt, als in seiner Nähe zu sein. Und nun... ? Nun hatte ich das Gefühl, dass wir nie weiter von einander entfernt gewesen waren.
 

Yuji zu Küssen war ein riesiger Fehler gewesen. Es hatte mich in dem Augenblick mit soviel unfassbarem Glück erfüllt, aber in einer Freundschaft gab es nach soetwas keinen Weg zurück.

Ich hatte nicht nur eine Grenze zwischen uns beiden überschritten, sondern auch Yuji in eine unmögliche Situation mit Seiji gebracht... woher war plötzlich dieser Egoismus gekommen, der mir sagte dass ICH ihn um jeden Preis glücklich machen wollte. Dass ich es nicht ertragen konnte, wenn jemand anderes ihm dieses unfassbare Lächeln ins Gesicht zauberte?
 

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und ich erschrack leicht. Wer konnte das sein? Ich strich mir übers Gesicht und erhob mich. Ein kleiner Funken in meinem Inneren hoffte, dass es der Junge mit den schönen braunen Augen war. Dass er sich mir in die Arme werfen und mir dieses unfassbare Lächeln schenken würde. Dass nun endlich alles gut werden würde...
 

Aber, das Leben war selten so, wie wir es uns erhofften.
 

„Akira?“
 

Helle, funkelnde blaue Seen musterten mich schüchtern und eine zarte Röte lag auf den Wangen des Kleineren, als ich die Tür schwungvoll aufgeworfen hatte. Hastig senkte er den Blick und ich sah, dass er nervös mit einem Umschlag in seinen Händen spielte.
 

Aus dem Funken der Hoffnung, wurde ein Gefühl der Enttäuschung. Nicht direkt dem Jungen vor mir, gegenüber. Vielmehr der Tatsache, dass es nicht Yuji war.
 

Wir hatten uns vor knapp zwei Stunden am Flughafen voneinander verabschiedet. Und zu meiner Überrashung hatte ich die gesamte Shanghai Reise mit Liam, Oji-San und Akira, als überraschend angenehm empfunden... Aber war nicht alles besser, als mit finsteren Gefanken zu Hause rum zu sitzen?
 

„Ist - ist etwas passiert?“
 

Die Augen meines Gegenübers bekamen einen merkwürdigen Glanz und ich konnte sehen, dass er auf diese Frage leicht verkrampfte. Einen Augenblick musterte er seine Hände und drückte, das Papier in Selbigen kurz an sich - Was auch immer in diesem Unschlag war, schien irgendwie sehr kostbar.
 

„Hier!“ er streckte mir seine Hände und somit den grauen Umschlag entgegen. „Ich - ich habe die letzten Wochen daran gearbeitet ... natürlich nicht - nicht in der Arbeitszeit. Aber Ich - ich hoffe es gefällt dir.“

Er zitterte leicht und hatte die Augen stur auf den Boden gerichtet. Ich musste nicht fragen um zumindestens zu erahnen, um was es sich hier handelte. „Ich wollte es dir die ganze Zeit geben... aber irgendwie, war nie der richtige Moment. Als ich heute nach Hause kam, dachte ich daran, dass ich fast eine ganze Woche mit dir verbracht habe ohne einen guten Moment zu finden.... vermutlich wird es den also nie geben... deshalb...“ er kratzte sich am Nacken. „Deshalb bin ich jetzt hier.“
 

Es musste ihn eine Menge Kraft gekostet haben, den Mut aufzubringen hier her zu kommen. Ins Besondere nach einem Flug aus China. „Danke…“ ich fuhr mir langsam durch die Haare und lies meine Augen auf das Papier in seinen Händen ruhen. Er war extra hergekommen, um es mir zu geben - Sehr viel Mut.
 

„Bitte-“ Überraschung blitzte in seinen Augen auf, als er den Blick hob und sah wie ich zur Seite trat und ins Innere des Apartments deutete. „Ein Song wird nur lebendig, wenn der Komponist ihn mit Liebe und Stolz vorträgt...“ Akira war jung, aber hatte ein sehr gutes Gespür für Melodien und Harmonien. Er konnte ein Stück nach zwei maligem Hören nahezu perfekt auf dem Klavier nachspielen. Ich hatte es ihm nie wirklich gesagt, aber er war vermutlich sowas wie ein musikalisches Wunderkind. Ich war mir fast sicher, dass dieser Song fantastisch sein würde.

Onkel Rey hatte von Anfang an an ihn geglaubt und mich sehr schnell von seinem Talent überzeugt, als Akira eine Accoustic Version einer meiner neuen Songs zum Besten gegeben hatte und ich beinahe den Kampf gegen Tränen verloren hätte.
 

„Ich soll-“ er zögerte kurz und blinzelte an mir vorbei. „Ich soll ihn dir vorspielen?“
 

Mein Onkel hatte vor eine Weile angesprochen, dass er Akira oft abends im Studio gehört hatte. Er glaubte, dass er an einem Debüt Song arbeitete - obwohl Akira oft genug sagte, dass er selbst lieber Musik produzierte und im Hintergrund blieb. Er war so schüchtern, dass selbst die Tatsache vor einer handvoll Menschen zu singen, ihm die reinste Panik in die Augen trieb. Dennoch glaubte Rey wohl, dass er sie alle eines Tages überraschen und einen Song vorstellen würde, mit dem der Brünette eine große Karriere über Japans Grenzen hinweg starten würde.
 

Natürlich war es nicht das, was Akira wollte. „Ja bitte.“ ich nickte und sah wie das rot auf seine Wangen noch etwas dunkler wurde.
 

Er strich sich kurz zögernd, einige dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht und nickte dann ebenfalls langsam. Akira trat vorsichtig in den Raum und sah sich zögernd um. Er wartete bis ich die Tür hinter ihm verschlossen hatte und folgte mir dann, kaum hatte er sich seiner Schuhe entledigt, ins Innere der Wohnung.
 

„Setz dich…“
 

Im Wohnzimmer angekommen, sah der Kleinere sich mit einer Mischung aus Neugierde und Nervosität um und seine Augen glitten über das dunkle Sofa in der Mitte des Raums zum Klavier in der Nähe des Fensters und dann wieder mit einer unausgesprochenen Frage zu mir. Instinktiv nickte ich ihm zu und ein freudiges Funkeln flackerte in seinen Augen, bevor er schnellen Schrittes zum Klavier ging und dort Platz nahm.
 

Ich musste grinsen. Egal wie unsicher er war, sobald der Jüngere an einem Instrument - ins Besondere einem Klavier saß - war jegliche Unsicherheit wie weg geblasen. „ Grüner Tee?“
 

Er nickte langsam, während seine Finger bereits federleicht über die schwarzen und weißen Tastauren glitten - ohne sie mit zu viel Druck zu einem Ton zu veranlassen. Es wirkte als wolle er sich mit dem Klavier vertraut machen. Akira hatte immer diesen eigenartigen Glanz, sobald er ein Instrument sah oder gar berühren durfte. Vielleicht hat er eine Art Fetisch? - Schoß es mir durch den Kopf, als ich ihn zurück lies, um in der Küche heißes Wasser aufzusetzen und zwei Tassen auf einem Tablett bereit stellte. Absurd... er liebte Musik einfach so sehr wie ich. Nur andere Aspekte daran.
 

Akira war noch immer in der selben Position, als ich wenige Minuten später mit einem Tablet zurück kam und auf dem Sofa Platz nahm. Seine Augen waren auf der Tastatur fokussiert und ich nahm nicht wirklich an, dass er überhaupt realisiert hatte, dass ich kurz den Raum verlassen hatte.
 

Ich schenkte etwas von der dampfenden Flüssigkeit in die Tassen. Ohne darüber nachzudenken fügte ich jeweils einen Löffel Honig hinzu und hielt inne, als ich seine Tasse vom Tablett nahm und ihm übergeben wollte. „Oh.“ Ich hob den Kopf und sah dass er mich aus neugierigen klaren Sapfiren musterte. „Ist Honig überhaupt okay?“
 

Akira lächelte - Sein süßes , unschuldiges Lächeln. „Ich trinke ihn sonst ohne... aber heute ist ein guter Tag um Neues zu probieren.“
 

Ich nickte und schob den Gedanken, dass Yuji dann wohl wirklich der einzige war in meinem Bekanntenkreis, der Honig in seinem grünen Tee genauso liebte wie ich, beiseite.
 

„Ein guter Tag um Neues zu probieren..?“ wiederholte ich, als ich mich erhob und dem dunkelhaarigen die Tasse reichte.
 

Er nickte und die tiefe Röte in seinem Gesicht erreichte nun sogar die Spitzen seiner Ohren.
 

„Ein sehr guter Tag.“ flüsterte er, während er die Tasse entgegen nahm und sich unsere Finger für den Bruchteil von Sekunden berrührten.
 

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„Hier...“ Liam hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen, als er Akira einige Gyoza auf den Teller gab. Manchmal wurde ich das Gefühl nicht los, dass der älteste in unserer kleinen Runde, ganz genau wusste, wie sehr Akira ihn mochte. Eine Weile hatte ich geglaubt, dass der Kleine eine Schwäche für meinen Onkel hatte, aber inzwischen wusste ich, dass es vielmehr Liam war, den er mochte. Seine Augen funkelnden voller Freude und ich konnte es ehrlich gesagt selbst kaum abwarten, das Essen endlich zu kosten. Liam hatte sie auf traditionell chinesische Weise gemacht und sie duftete so gut, dass es mir das Wasser in den Mund trieb. Schließlich wussten wir inzwischen alle, was für ein großartiger Koch Liam war.
 

Am Fenster fielen Blätter in den schönsten Farben, die eigentlich nur der Herbst zu bieten hatte zu Boden.

Es war früher Nachmittag und Liam hatte uns Etwas zu Essen ins Studio gebracht, da er scheinbar nicht darauf vertraute, dass Onkel Rey sonst etwas vernünftiges essen würde über den Tag hinweg.
 

Es war rührend, wie sehr sie sich umeinander sorgten.
 

„Lecker …“ murmelte Onkel Rey, der neben mir im Schneidersitz am Tisch saß und er hatte ein zufriedenes Lächeln im Gesicht hatte, während er sich eine weitere Teigtaschen in den Mund schob.
 

Liams Augen funkelten voller Freude und er wirkte sogar etwas stolz.
 

„Ah... Ken-Ken, ich habe über den letzten Part nachgedacht.“ grüne Augen wanderten zu mir. „Ich denke, wenn Akira in diesem Part die Harmonien etwas beschleunigt, könnte der Übergang etwas weicher werden.“
 

Ich nickte und sah aus den Augenwinkeln, dass Akiras Kopf bei diesen Worten sofort in meine Richtung schoss.

Es war zwei Tage her, seit dem der Kleine mir seinen Song auf dem Klavier in meiner Wohnung vorgespielt hatte. 48Stunden an denen ich an nahezu nichts anderes als diese wunderschöne Melodie hatte denken können und ihr unbedingt Worte zuschreiben wollte.
 

Onkel Rey war noch am selben Abend vorbei gekommen und vermutlich noch begeisterter als ich. Akira war ein begnadeter Komponist und wir hatten es in Rekordzeit geschafft, den Song fast zu vollenden. Es war ein wirklich guter Song. Die Melodien waren fantastisch und ich hatte es mit Rey-sans Hilfe geschaffen die richtigen Lyrics zuformulieren. Aber irgendetwas fehlte einfach. Ich hatte es nicht aussprechen müssen und dennoch lag es wie eine schwere, dunkle Wolke über uns allen.
 

Irgendetwas fehlte.
 

„…hast du es dir überlegt mit Bangkok?“ die dunklen Augen meines Onkels, wanderten zu Liam, der gerade selbst den ersten Bissen seines Mittgessen zu sich genommen hatte. Sein Gesichtsausdruck war nicht wirklich zu deuten, aber ich glaubte den Halb - Chinesen inzwischen gut genug zu kennen, um so etwas wie Reue in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
 

„Ich denke nicht, dass ich dich begleiten kann.“ sagte er schließlich mit leiser Stimme. „ Ich kann Riku in den nächsten Tagen wirklich nicht alleine mit der Praxis lassen.“
 

Sein Gegenüber schob die Unterlippe vor und ein Hauch von Trotz lag in den nächsten Worten, die er an den schwarzhaarigen richtete. „Buuuhhh... Sag Riku, ich brauche dich viel mehr als sie.“
 

Das erste Mal an diesem Tag, erklang sein dunkles Lachen in meinen Ohren. „Riku kann bestimmt auf mich verzichten.“ er legte sein Besteck zur Seite und sein Gesichtsausdruck wurde schlagartig ernster. „Aber Kan-chan - der mit seinen neun Jahren mehr Schmerzen ertragen muss, als gut oder erträglich ist für ein Kind - braucht mich ganz sicher.“
 

Darauf konnte Onkel Rey nichts erwidern und statt noch mehr Trotz oder Wut, strahlte nun volle Bewunderung und Liebe dem Älteren entgegen. „Es ist wohl mein Schicksal, einen so guten, liebevollen, talentierten und verantwortungsbewussten Arzt wie dich zulieben und deshalb an Sehnsucht zu zergehen, weil ihm seine Patienten wichtiger sind, als ich...“
 

Ein leises Lachen entfloh der Kehle unseres Kochs und er zog meinen Onkel wortlos in seine Arme. Es war eine erstaunlich lange Umarmung, wenn man bedachte, dass sich Liam in Gegenwart dritter oft sehr zurück hielt.

„Sei nicht albern...“ flüsterte er nach einer Weile. „Ich habe dir mein Herz und meine Seele geschenkt.“
 

Eine tiefe Röte lag auf den Wangen meines Verwandten, kaum hatte der andere die Worte ausgesprochen und er schob ihn von sich. Onkel Rey war immer der emotionalere von Beiden gewesen. Wann immer es ging, hatte er die Nähe zu Liam gesucht und seine Zuneigung bekundet. Egal wo sie sich befanden, oder wer hätte Zeuge werden können. Aber sobald dieser seinen Gefühlen Ausdruck verlieh, wurde Onkel Rey schüchtern und es schien fast so, als würde er sich schämen.
 

„Im Ernstfall entscheide ich mich immer für dich...“ ein sanftes Lächeln lag auf Liams Lippen, während er sein Besteck wieder aufnahm und sich seinem Teller widmete. „Das weißt du. Ein Wort von dir genügt.“
 

Das wussten wir alle.
 

Liam liebte Rey.
 

Rey liebte Liam.
 

Sie waren so absurd perfekt füreinander.
 

„Ist das dein Telefon?“ Onkel Reys grüne Augen starrten mich plötzlich an.
 

Es dauerte eine Weile, bis das gedämpfte Klingeln auch mein Gehör erreichte und ich verstand, worum es ging. Ich erhob mich hektisch und tastete nach dem Handy. Zwischen Notenblättern und Songtexten, lag es schließlich.
 

Mein Herzschlag stockte für einige Sekunden, als ich den Namen des Anrufers auf dem Display sah: Yu-chan.
 

Keine Ahnung wie lange, aber eine ganze Weile starrte ich auf das Mobilfunkgerät in meinen Händen - konnte nicht glauben, dass es wirklich wahr war. „H-Hai?!“
 

„Ken…“ seine Stimme... es war wie ein Rausch, der mich alles um mich herum vergessen lies.

Es war dieses vertraute Gefühl, was ich immer empfand, wenn ich mit Yuji zusammen war.

Es war dieses verdammt vertraute Gefühl, was ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr empfunden hatte.
 

„Yu …“
 

Ein leises Schluchzen folgte und wir schwiegen beide. Ich war so glücklich zu wissen, dass er es war am anderen Ende der Leitung, dass ich fürchtete mit einem einzigen Wort alles zu zerstören. Lieber würde ich ihn bis ans Ende aller Zeiten anschweigen, als zu riskieren ihn erneut zu verlieren.
 

„Tut...Tut mir leid...“ murmelte er leise und es brach mir fast das Herz wie traurig er klang. „Ich - ich… können wir uns sehen?“
 

Mein Gehirn brauchte wieder einige Sekunden um das Gesagte zu verarbeiten und mein Blick blieb an Onkel Rey hängen, der mich neugierig anstarrte. Es war real. Dieser Moment, Yujis Anruf - all das war real. „Natürlich.“ hörte ich mich selbst ins Handy sagen. „Wo bist du?“
 

„Shi - Shibuya...“ er zögerte kurz. „Ich kann zu dir kommen.“
 

„Ich bin im Studio... aber ich kann in 15 Minuten bei meinem Apartment sein.“
 

„Okay...“ Yuji klang etwas erleichtert. „Bis nachher Ken-Ken...“
 

„Bis nachher Yu.“ einen Moment blieben wir beide am Hörer und es dauerte etwas bis Yuji schließlich das Gespräch beendete, da ich mich einfach nicht dazu durchringen konnte. Ich starrte sicher noch einige Sekunden auf den Bildschirm in meinen Händen, der langsam dunkel wurde.
 

Drei besorgte Augenpaare ruhten auf mir, als ich den Blick wieder hob. Ich wusste selbst nicht wie und was ich dazu sagen sollte. Es war so unerwartet... Liam war überraschenderweise der erste von uns, der Worte fand. „Soll ich dich fahren?“
 

Ich schüttelte den Kopf. Ich würde einige Minuten brauchen, um einen klaren Kopf zu kriegen. „Aber Danke fürs Angebot.“
 

Liam nickte und in seinen Augen blitzte etwas undefinierbares auf, während er mir ein freundliches Lächeln entgegnete. „Ich hoffe, ihr könnt alles klären.“
 

Daraufhin nickte Onkel Rey und erhob sich. „Ah Ken-Chan... Du weißt du kannst uns jederzeit anrufen. Wir sind für dich da.“ er zog mich in eine feste Umarmung und ich war dankbar, dass ich ihn und Inzwischen auch Liam zu meiner Familie zählen durfte. Sie waren tatsächlich immer für mich da.
 

Aber ich wusste auch, dass es gewisse Momente im Leben gab, die man ein Stückweit alleine durchleben musste.
 

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Als ich durch die Straßen Shibuyas lief, wusste ich immernoch nicht, was ich Yuji eigentlich sagen wollte.

Eine Gruppe kichernder Mädchen kam mir entgegen und ich spürte ihre bohrenden Blicke.
 

Hatten sie mich etwa erkannt?
 

Ich trug eine Cappie und zog sie nun noch etwas tiefer in mein Gesicht, um kein Risiko einzugehen.

Es schien zu funktionieren und ich schnappt nur einige Wortfetzen auf, während sie an mir vorbei huschten.

„Süß.“ - „Er sieht Ken-kun ähnlich...“ - „Aber Ken-Kun ist viel größer.“ - „Stimmt.“
 

Es war erstaunlich kalt und ich vergrub meine Hände noch etwas tiefer in meine Jackentasche.
 

Warum hatte Yuji so traurig geklungen?
 

Wenn ich ehrlich war, war das die einzige Frage, die ich mir immer wieder stellte. Ich ertrug den Gedanken einfach nicht, dass er litt.
 

Mein Herzschlag beschleunigte sich dramatisch, als ich mich meiner Wohnung näherte. Der lange Flur erschien mir noch nie so unnötig lange wie heute. Ich konnte aus der Entfernung bereits seine Gestalt ausmachen, die auf dem Boden kauernde und sich beim Echo meiner Schritte sofort aufrichtete. Er stand vor der Tür und sah ebenfalls in meine Richtung... ich hatte ihn zehn Tage nicht gesehen und jeder Moment - jede Minute - ohne ihn hatte sich wie eine ganze Ewigkeit angefühlt. Ihn jetzt zu sehen, versetzte unzählige Schmetterlinge in meinem Bauch in einen hysterischen Zustand.
 

Dunkle braune Seen sahen mich aus geröteten und leicht verquollenen Augen an, als ich schließlich vor ihm zum Stehen kam. Es versetzte mir einen Stich.
 

Ich hatte Yuji - meinen Yu-chan - noch nie so gesehen. Er sah nicht nur traurig aus, sondern auch sehr erschöpft... Ich hatte das Gefühl, dass er noch schmaler geworden war in den letzten zehn Tagen. Yuji war schon immer sehr zierlich gewesen und seine Mutter hatte sich schon als wir Kinder waren, immer um sein Gewicht gesorgt. Aber so zerbrechlich wie heute, hatte ich ihn noch nie gesehen...
 

Er lächelte und ich wusste, dass es erzwungen war. „Oi... Hi Ken-ken.“ seine Stimme klang genauso gebrochen und unsicher, wie seine gesamte Erscheinung.
 

Ehe ich meine Gedanken richtig sortieren konnte, hatte ich Yuji in meine Arme gezogen. Im ersten Moment versteifte er sich etwas und ich fürchtete fast, dass er mich jeden Augenblick von sich stoßen würde. Aber nach wenigen Sekunden lehnte er sich in die Umarmung und es fühlte sich so verdammt richtig an.

Es fühlte sich so an, wie damals... vor Tokio und ins Besondere vor Seiji.
 

Aber es gab da diesen einen düsteren Gedanken, der mich quälte: War ich der Grund für sein Leid?
 

Egal! Völlig egal was er mir zusagen hatte, ich würde alles erdenklich Mögliche tun, um wieder ein Lächeln in dieses schöne Gesicht zu zaubern.
 

Als wir uns trennten, lag ein Lächeln auf seinen vollen Lippen. Aber diesmal erreichte es sogar seine müden Augen. Ich versuchte ihn nicht anzustarren und angelte nach dem Schlüssel in meiner Jackentasche. Kaum fühlte ich das kalte Metal zwischen meinen Fingern, zog ich es aus der Tasche und öffnete mit zitternden Händen die Tür zu meinem zu Hause. Zu Hause...
 

Ich dachte unweigerlich an meinen ersten Tag in Tokio zurück. Wie sehr ich mich auf Yuji gefreut hatte und dieses unvergleichliche Gefühl, als ich am nächsten Morgen neben ihm aufgewacht war.
 

Es war verrückt, wieviel Zeit inzwischen vergangen war und wie sehr sich alles verändert hatte - wie sehr Yuji und ich uns verändert hatten seitdem. Ich liebte ihn vermutlich schon seit unserer ersten Begnung damals im Kindergarten. Aber ihn anzusehen und zu wissen, dass er wusste, wie ich wirklich fühlte, war neu... es war neu und so verdammt berauschend.
 

Ich spürte den Drang seine Lippen zu berühren, aufkommen und wand den Blick schnell ab. Es war absolut nicht der richtige Moment für solche Gedanken. Hatten solche Gedanken mich doch erst in die Situation gebracht.
 

„Ich ... ich bin hier, um mich zu entschuldigen.“ sagte er schließlich leise und starrte auf den Boden. „Ich - ich war sehr egoistig.“
 

Ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken... Er war egoistig? Er?

Waren nicht viel mehr meine Gefühle egoistig?
 

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