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Schwarz, rot, gay

oder: Wieso Japaner keinen Alkohol vertragen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und um Irritationen zu vermeiden wird Die bei mir als Dai bezeichnet. Komplett anzeigen

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Alkohol, du böser Geist...

Deutschland galt stets als das Land der Dichter und Denker, aber in den Augen der Mitglieder von Dir en Grey war es viel eher das Land der Dichten und Trinker. Von einigen Kollegen hatten sie zu Ohren bekommen, dass hier Bier wie Wasser konsumiert wurde, und was sie lange lediglich belächelt hatten, hatte sich als Realität herausgestellt. An jeder Ecke bekam man die berauschenden Getränke serviert, und dies auch noch zu einem Preis, der Alkohol in Japan immer unattraktiver wirken ließ. Backstage floss das Zeug bereits vor dem Gig in Strömen, und verflucht, es schmeckte wunderbar, weshalb für Toshiya fest stand, dass er nie wieder zurück nach Japan wollte, befand er sich in Deutschland doch ohne Zweifel im Schlaraffenland. Natürlich meinte er seine Worte nicht ernst, seiner Heimat hätte er nie den Rücken zugekehrt, aber von diesen alkoholischen Köstlichkeiten vermochte er doch nicht mehr genug zu bekommen - im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Band. Kyo hatte sich alsbald in sein Hotelzimmer verkrümelt, wahrscheinlich, weil er schlecht drauf war und ihm der Jetlag zusetzte, während Kaoru und Shinya ohnehin beide nicht gerade in fittem Zustand in Deutschland gelandet waren. Lediglich Dai wirkte noch feierwütig, und so dauerte es nicht lange, bis die beiden einen Pakt schlossen. Einen Alkoholpakt. Wenn sie schon einmal in Deutschland waren, was schließlich nicht allzu häufig vorkam, mussten sie die Gelegenheit nutzen, um sich zünftig volllaufen zu lassen. Schließlich war es ein Ding des Unmöglichen, kastenweise Bier mit dem Flugzeug nach Japan zu schmuggeln.

So musste eine Nacht genügen, um das goldene Gebräu in aller Ausgiebigkeit zu genießen, und so zog das Duo los, durchstreifte das Partyviertel einer fremden Stadt, deren Namen sie noch nicht einmal kannten. Es kam nicht oft vor, dass Dai und Toshiya etwas gemeinsam unternahmen, ja, es war noch nicht einmal die Regel, dass Dir en Grey-Mitglieder ihre Freizeit überhaupt miteinander gestalteten. Phasenweise fühlten sie sich sehr voneinander entfernt und arbeiteten tatsächlich nur als Kollegen miteinander, was Toshiya fast schon ein wenig bedauerte. Mit Dai nämlich schien er sich auf einer Wellenlänge zu befinden, wie sich abermals herausstellte, als sie sich in irgendeinen beliebigen Kneipe verkrochen und ihre Hintern vorfreudig auf die Hocker vor dem Tresen schoben. Alkohol gab es hier schließlich überall, und überall schmeckte er fantastisch, weswegen es keine Rolle spielte, wie das Ambiente wirkte. Und wie viele Langnasen zu schlechter Musik um sie herumtanzten.

In diesem Club aber zeigten sich die Deutschen von ihrer in Toshiyas Augen merkwürdigsten Seite. Während er an seinem Bier nippte und der weiße Schaum seine Lippen tränkte, musterte er das wilde Treiben auf der Tanzfläche reichlich irritiert. Und auch Dai hatten die Menschen offenbar gefesselt, was auch kein Wunder darstellte, waren die meisten von ihnen doch reichlich bizarr gekleidet. Und wenn Toshiya schon diesen Eindruck besaß, dann musste an dieser Behauptung wirklich etwas dran sein.

"Ich habe dir ja immer gesagt, dass die Deutschen keinen Geschmack in Sachen Mode besitzen", wies Toshiya seinen Bandkollegen hin und lehnte sich ein wenig weiter zu ihm herüber, damit er nicht allzu laut zu schreien brauchte. Seit Dai nicht mehr rauchte, stank er nicht mehr so widerlich nach dieser scheußlichen Zigarettenmarke, die er damals dauernd inhaliert hatte. Seine Nähe war damit äußerst erträglich geworden, ja fast schon angenehm, was allerdings absurd anmutete. Offenbar tat der Alkohol in Toshiyas Hirn bereits sein Übriges. Vielleicht stimmte es ja doch, dass Japaner nicht viel vertrugen. Zumindest nicht von diesem herrlichen deutschen Zeug.

"Nicht nur in Sachen Mode greifen sie ins Klo", erwiderte Dai mit einem Schmunzeln in Richtung der Feiernden. "Diese deutsche Musik ist einfach nur grässlich."

"Ja, furchtbar", pflichtete Toshiya ihm glucksend bei. Er vermochte zwar kein Wort von dem verstehen, was die Sängerin gerade aus den Lautsprechern schmetterte, aber der Beat klang einfach billig und sehr nervtötend. Auch in Japan kannte man schreckliche Musik, aber dieser Stil, der sich irgendwo zwischen 80er-Jahre-Disco und primitiver Popmusik befand, schlug dem Fass den Boden aus. Dai hatte ganz recht, als er Toshiya amüsiert ansah und sich dabei einen Finger in das Ohr steckte. Dieses Gejaule war nicht auszuhalten. Diese Meinung vertraten allerdings die Deutschen nicht im Ansatz. Hier und da wurde enthusiastisch mitgesungen in dieser harten, kalt und streng klingenden Sprache, die zu Sounds wie denen von Rammstein wesentlich besser passte.

"Dass wir hier überhaupt Fans haben, wenn die Leute doch so einen Scheiß gut finden", meinte Dai, wobei Toshiya ihm abermals nicht widersprechen konnte. Dir en Grey wirkten in solch einem Laden förmlich fehl am Platze, und sicherlich sahen Toshiya und Dai momentan aus, als hätte sie jemand mittels eines Grafikprogrammes in die Szenerie eingefügt. Man konnte auf den ersten Blick erkennen, dass sie dem Metal zugeneigt waren, schließlich nannten sie beide lange Haare ihr Eigen und trugen hauptsächlich schwarze Klamotten. Im Gegensatz zu dem heutigen Clubpublikum, das in einen Farbtopf gefallen zu sein schien. Hier und da fanden sich zwar ein paar Kerle in klischeehaften Lederklamotten, aber der Großteil der Männer schien das Ergebnis zweier sich gepaart habender Clowns zu sein.

"Vielleicht solltest du denen mal Unterricht erteilen", schlug Dai nicht ganz ernst gemeint vor. "Schließlich hast du von Frauenklamotten an Kerlen wesentlich mehr Ahnung als all die Typen in diesem Laden zusammen."

"Dann nimmst du dir aber die Männer in Lack und Leder vor", konterte Toshiya mittels einer Anspielung auf eines von Dais alten Bühnenoutfits, in welchem er sicherlich barbarisch geschwitzt hatte. "Dann kannst du ihnen auch gleich zeigen, wie man sich richtig schminkt." Toshiya deutete grinsend mit dem Kinn auf einen vorbeiziehenden Kerl, der seinen Bierbauch in ein enges Korsett gequetscht hatte, aber nicht nur in Sachen Kleidung vollkommen daneben lag. "Sexy Augenbrauen."

Dai neben ihm kicherte, und es klang auf verstörende Weise fast wie ein wieherndes Pferd. Zuerst zeigte Toshiya sich irritiert, dann aber schlug er seinem Kumpel auf den Rücken und ließ sich von dessen ausgelassenem Gelächter anstecken.

"Selbst die hässlichsten Leute in Harajuku sehen besser aus." Dai kam aus seiner guten Laune gar nicht mehr heraus und musste prompt noch einen Schluck auf dieses Urteil trinken.

"Selbst du siehst noch besser aus, wenn du Latzhosen trägst", erwiderte Toshiya und sorgte dafür, dass Dai inne hielt und ihn misstrauisch beäugte.

"Was soll das heißen?", hakte er herausfordernd nach. "Etwa, dass ich irgendwann einmal nicht gut aussehe?"

Toshiya, welcher sich insgeheim sehr darüber freute, dass Dai und er sich an diesem Abend so herausragend gut verstanden, zog eine kecke Schnute, während er den Rest seines Bieres in dem Glas schwenkte. Dann warf er Dai einen abschätzenden Blick zu, welcher nach wie vor kompromisslos auf eine Antwort lauerte.

"Auch du hast ab und zu Tage, an denen man dich leicht mit einem Müllbeutel verwechseln könnte."

Kaum, dass Toshiya diesen provokanten Satz über die Lippen gebracht hatte, hieb Dai bereits mit den Händen nach ihm und sorgte dafür, dass er im Reflex lachend auswich und sich abzuschirmen versuchte. Beinahe ließ er sein Glas auf den Boden fallen, als der andere es aufgrund seiner Reaktionsschnelligkeit schaffte, ihn im Nacken zu packen, aber der Moment währte nicht lange. Alsbald ließ er den außer Atem wirkenden Toshiya in Ruhe und drohte ihm nur samt zuckender Mundwinkel mit dem Zeigefinger.

"Das nimmst du zurück."

"Niemals." Lässig und sich reichlich überlegen fühlend schob Toshiya sich von seinem Hocker. "Viel mehr beschrifte ich noch dein Shirt mit 'Hier einwerfen', mitsamt wegweisendem Pfeil hin zu deinem Mund."

Mit diesen Worten verzog er sich rasch in Richtung der ausgeschilderten Toiletten, das spitzbübische Grinsen wollte allerdings partout nicht mehr aus seinem Gesicht weichen. Er konnte sich nicht daran erinnern, Dai jemals so unbefangen geneckt zu haben. Zumeist war es Shinya, der Dais derben Späßen unterlag, was fast schon ein wenig schade war. Dai konnte man schließlich wunderbar provozieren, im Gegensatz zu Shinya, der nicht sonderlich viel auf die dämlichen Scherze gab.

Wieso standen er und Dai sich eigentlich nicht näher? Er konnte es einfach nicht begreifen. Zumal er in Toshiyas Augen außerdem das am besten aussehende Bandmitglied war, sich selbst einmal ausgenommen. Schon immer hatte Toshiya seine für einen Japaner etwas ungewöhnlichen Gesichtszüge attraktiv erachtet, und insbesondere die feuerroten Haare besaßen etwas ungemein Einnehmendes. Inzwischen hatte er sie in einem leuchtenden Karottenrot gefärbt, was nicht minder gut aussah, insbesondere dann, wenn er seine Augen tiefschwarz umrandete. Nicht, dass Toshiya großartig etwas für Männer übrig hatte, aber Dai sah er sich dennoch gern an. Und dies allein setzte wohl noch lange keine homosexuellen Neigungen voraus. Obwohl Toshiya ab und zu ohnehin nicht mehr wusste, auf was er überhaupt stand. Und ob er überhaupt noch auf irgendetwas stand. Die Arbeit laugte ihn oft derart aus, dass seine Libido über Wochen oder gar Monate auf Sparflamme lief - um dann wieder ziemlich abstruse Wünsche in ihm zu wecken. Ja, er besaß mitunter recht bizarre Vorlieben, die einige weibliche Groupies bereits zu verschrecken gewusst hatten, aber das interessierte ihn im Grunde wenig. Er mochte es eben, Mädchen zuzuschauen, während sie auf der Toilette saßen und ihr Geschäft verrichteten. Er mochte es, ihre anale Jungfräulichkeit zu nehmen. Manche hatten gar wegen ihm bluten müssen. Seine Sexualität ähnelte fast einer manischen Depression: Auf Phasen mit gedrückter Stimmung folgten solche mit fast ekstatischen Höhenflügen. Und während dieser drehte er ziemlich ab. Zum Glück wusste davon niemand seiner Bandkollegen. Dai hätte sicherlich irritiert die Nase gerümpft, hätte er einen blassen Schimmer davon gehabt, was Toshiya mit Frauen so im Bett trieb. Und Kaoru hätte ihm womöglich gar eine Rüge ausgesprochen.

Momentan aber schien seine Sexualität relativ harmlos, und er bezweifelte, dass sich dies in naher Zukunft ändern würde. Zumindest tat sich bei ihm schon einmal überhaupt nichts, als er in einer Ecke zwei Frauen erblickte, die sich versunken küssten und sich schon beinahe begatteten. Sie mochten beide hübsch sein, fast wie einem Lesbenporno entsprungen, doch alles, was ihm auffiel, war, dass die eine beinahe dieselbe Haarfarbe wie Dai besaß. Was für ein witziger Zufall.

Wesentlich weniger witzig mutete bereits die Tatsache an, dass sich all die schlechten Crossdresser und Lederhengste natürlich auch auf der Toilette tummelten und er der Meinung war, dass er seltsam angestarrt wurde. Eben wie das Alien, das er für die Langnasen wohl war, allerdings wirkten die meisten von ihnen nicht feindselig, sondern reichlich interessiert, ja förmlich angetan. Leider vermochte Toshiya es ihnen noch nicht einmal zu verübeln. Er sah äußerst gut aus für sein Alter, wirkte wie allenfalls Ende zwanzig, aber trotzdem gefiel es ihm nicht, von anderen Kerlen begafft zu werden. Schon gar nicht, während er am Pissoir stand und sein Geschäft verrichtete. Zum Glück konnte er ihre Sprache nicht verstehen und somit auch keine etwaigen Kommentare bezüglich seines Gemächtes. Der ein oder andere schaute tatsächlich reichlich unverhohlen auf seinen Schwanz, und nicht einmal böse Blicke von Toshiya, dem Düstergott, wussten sie einzuschüchtern. Verflucht, wo war er hier nur gelandet? In einem Club, in dem schlechte Musik lief und noch schlechter gekleidete Leute zu dieser tanzten, aber war das alles?

Es sollte sich alsbald herausstellen, dass dem nicht so war. Als er nämlich die Toilette reichlich entnervt verließ, schob sich ein äußerst aufdringlicher Kerl von der Seite an ihn und wisperte ihm etwas in dieser fremden Sprache ins Ohr, was eindeutig lasziv klang. Dass er Toshiya ungeachtet der Tatsache, dass er nicht auf ihn einging, zu betatschen begann, verwirrte ihn im ersten Moment so sehr, dass er erst, als der Mann ihm eine Hand unters Shirt schob, angemessen reagierte.

Er schlug die ekelhaften Griffel entschlossen beiseite und schnauzte den liebestrunkenen Mann böse auf Japanisch an, ehe er ihn einfach stehen ließ und sich angepisst seinen Weg durch die Menge bahnte. Zum Glück befand Dai sich noch an Ort und Stelle, so musste er mit diesen Verrückten nicht allein sein.

"Du bist meine Rettung", offenbarte er dem Gitarristen prompt, schob sich zurück auf den freundlicherweise freigehaltenen Hocker und schaute sich misstrauisch um. "Ich hätte es fast nicht unentjungfert zurück hierher geschafft."

Dai musterte ihn erst perplex, ehe er in lautes Gelächter ausbrach.

"Bildest du dir wieder ein, dass dir jeder an den Arsch will?" Er schüttelte amüsiert den Kopf und tätschelte Toshiyas Schulter gespielt mitfühlend. "Glaub mir, Toshi-chan, du bist nicht halb so umwerfend, wie du annimmst."

Da Dai ihn offenbar nicht im Mindesten ernst nahm und ihm vor allen Dingen nicht glaubte, schnaubte er beleidigt, blieb aber bei seiner Behauptung.

"Mann, wir sind hier in einem Schwulen- und Lesbenclub gelandet", brummte er schließlich argwöhnisch und rückte trotz Dais Ablehnung noch ein wenig weiter in dessen Dunstkreis, wie um in diesem Schutz zu suchen. "Deswegen auch diese schrecklichen Kostümierungen."

Dai runzelte die Stirn, wich aber immerhin dem etwas aufdringlicher werdenden Toshiya nicht aus.

"Man sagt Schwulen doch aber nach, sie hätten einen guten Modegeschmack."

"Was weiß ich." Toshiya zuckte hilflos die Schultern, während er in nicht allzu weiter Entfernung schon wieder einen Typen erspähte, der ihn mit lüsternem Blick ansah und zu allem Übel auch noch eine obszöne Geste tätigte. Angewidert blickte er weg. "Vielleicht ist das in Deutschland nicht so. Jedenfalls...", er packte Dai nun flehend am Arm, "musst du mir helfen, Mann! Deren Blicke fressen mich von überall her auf!"

Anstatt, dass Dai sich ebenfalls besorgt zeigte, rollte dieser nur genervt mit den Augen.

"Nun sei doch nicht so homophob, Toshi, die Männer tun dir doch nichts."

"Natürlich!", beharrte Toshiya empört auf seiner Meinung und rüttelte nun förmlich verzweifelt an Dai herum. "Du musst dich als mein Freund ausgeben, sonst bekomm ich die doch nie los!"

Er hatte zumindest ein klein wenig gehofft, dass Dai ihm behilflich sein würde, aber dieser lachte nur zynisch auf und machte sich nun endgültig den immer nervigeren Toshiya von Backe, indem er seine Hände abschüttelte.

"Ich als dein Freund, du spinnst wohl!", befand er und tippte sich gegen die Stirn. "Zum Schluss soll ich noch mit dir knutschen, der Authentizität wegen."

"Nein..." Toshiya seufzte entmutigt auf, ergab sich aber noch nicht so rasch seinem Schicksal, sondern versuchte es noch einmal. "Es reicht schon, wenn du den Arm um mich legst. Irgend so was..."

Dai aber ließ sich von seinem Hocker gleiten und hob abwehrend die Hand.

"Vergiss es, Schatz", stellte er klar und betonte das Wort 'Schatz' auf extra zynische Weise. "Zum Schluss verlierst du noch die Realität aus den Augen und nimmst unsere 'Beziehung' für bare Münze.'"

Das also war Dais Sorge? Der war wohl von allen guten Geistern verlassen! Wer bitteschön war denn von ihnen beiden homophob, wenn die Sachlage so ausschaute? Leider vermochte Toshiya dem anderen dies nicht mehr hinterherzurufen, da er sich bereits ebenfalls in Richtung Toiletten verzogen hatte. Nun gut, dann würde er eben noch ein Bier ordern und hoffen, dass ihn diese aufdringlichen Lustmolche in Frieden ließen. Allerdings ließen ihn bereits seine paranoiden Gedanken nicht mehr in Ruhe. Er füllte sich auf unangenehme Weise angestarrt, wusste nicht mehr, wie er dasitzen oder sich verhalten sollte. Mann, wieso hätte Dai nicht einfach mitspielen können? Vielleicht war der Kerl doch kein so guter Kumpel, wie Toshiya vorhin noch angenommen hatte. Vielleicht war er doch nur ein weiteres Arschloch, mit dem Toshiya nicht ohne Grund kaum privaten Kontakt aufnahm. Wie enttäuschend dieser Gedanke doch anmutete.

 

Dai brauchte aber ziemlich lange auf der Toilette, befand Toshiya nach einer ganzen Weile, in welcher er es gar geschafft hatte, sein Bierglas neuerlich zu leeren. Inzwischen hatte er sich die kleine Schale mit den braunen Gebäckstangen an Land gezogen und eine von ihnen herausgezogen, um sie prüfend zu beschnuppern. Etwas Derartiges kannte man in Japan nicht, aber so, wie er freudlos daran zu knabbern begann, musste er feststellen, dass die salzige, knusprige Stange gar nicht so übel schmeckte. Etwas fad vielleicht, aber man hatte ihm bereits schlechteres Essen in Deutschland aufgetischt.

In dem Moment tauchte auch Dai endlich wieder auf. Gewissermaßen wirkte er gehetzt, und Toshiya musste feststellen, dass er sich genauso hektisch umsah wie er nach seinem Kampf durch den Dschungel männerhungriger Typen. Große, panische Augen streiften über die Menge, ehe sie sich flehend auf Toshiyas Gesicht hefteten, was der Bassist mit einem Schmunzeln zur Kenntnis kam.

"Na, auch wieder da?", ärgerte er seinen Bandkollegen, während er beiläufig an der Salzstange knabberte. "Ich dachte schon, ich müsste dich aus den Fängen irgendwelcher Männer retten, die versuchen, dich zu begatten." Ein schäbiges Schmunzeln umspielte seine Lippen. "Fraglich nur, ob ich das gemacht hätte..."

Im nächsten Augenblick jedoch hielt er inne in seinem Kauen und vergaß gar das Atmen, denn Dai legte doch tatsächlich seine Hand auf die Toshiyas, welche arglos auf dem Tresen ruhte.

"Ich glaube, ich will doch dein Freund sein", befand Dai und sah ihn verschwörerisch aus seinen großen Augen an, was Toshiya mit einiger Irritation registrierte. "Diese Typen stürzen sich wirklich auf alles, was einigermaßen gut aussieht, das ist nicht mehr normal."

"Offensichtlich sogar auf Müllbeutel", kommentierte Toshiya, hielt aber die Klappe, als Dai ihn mit seinem bösesten Blick eindringlich musterte.

"Wir beide sind die einzigen gutaussehenden Männer in diesem Laden", erklärte er Toshiya, welcher noch immer reichlich argwöhnisch zwischen Dais Gesicht und ihren sich berührenden Händen hin und her schaute. "Kein Wunder, dass die alle scharf auf uns sind. Wenn wir nicht zusammenhalten, geht heute Nacht keiner von uns beiden mit einem jungfräulichen Arsch heim."

"Sag ich ja", erwiderte Toshiya etwas genervt, da Dais Einsicht reichlich spät kam. "Du kannst von Glück reden, dass ich noch zu haben bin, nachdem du mich so eiskalt abserviert hast. Ich hab hier schließlich genügend eindeutige Angebote."

"...auf die du natürlich niemals eingehen würdest." Dai wirkte nun wesentlich entspannter, was auch seine Fähigkeit, wieder Scherze zu reißen, verriet. "Schließlich liebst du nur mich, mein Schatz."

Unbeeindruckt schnappte Toshiya sich eine neue Salzstange und begann an ihr zu knabbern. Vielleicht würde der Abend sich nun etwas leichter ertragen lassen. Natürlich hätten sie auch einfach gehen und sich in ihren Hotelzimmern verkrümeln können, aber was tat man nicht alles für das deutsche Bier? Dais und Toshiyas Gläser wurden abermals aufgefüllt, und zum Glück nahm Dai irgendwann seine schwitzige Hand von Toshiyas, aber dafür starrte er den Bassisten schon bald ziemlich fragend an.

"Was ist das eigentlich?"

"Was?", hakte Toshiya nach, und Dai deutete mit dem Kinn auf sein Gesicht.

"Na, das, was du da die ganze Zeit isst."

Toshiya zuckte mit den Schultern.

"Weiß nicht. Schmeckt aber gar nicht so übel."

"Echt?" Ohne zu fragen entzog Dai den Stängel Toshiyas Lippen, um ihn sich anschließend unter den verblüfften Blicken des Bassisten selbst in den Mund zu schieben und etwas davon abzubeißen.

"Stimmt", urteilte er schließlich mit abschätzendem Blick auf die Stange und nahm sie neuerlich zwischen die Lippen. "Bisschen pappig, aber gut."

"Blödmann, das ist Mundraub, was du hier machst!", echauffierte Toshiya und funkelte den anderen in gespielter Wut wütend an. "Aber freu dich nicht zu früh. Einen Hara sollte man nie unterschätzen."

Eben noch stand ein Fragezeichen in Dais Augen geschrieben, aber Toshiya ignorierte dies vollends, zumal er es ohnehin nicht mehr zu sehen in der Lage war, als er mit den Zähnen nach dem anderen Ende der Salzstange haschte und entschlossen an ihr zu knabbern begann. Dais Kiefer mahlten nicht, aber das spielte keine Rolle. Er sollte ruhig eine kleine Abreibung für die Tatsache erhalten, dass er Toshiya vorhin im Stich gelassen hatte. Sicherlich ging ihm mächtig die Pumpe in diesem Augenblick, in welchem Toshiyas Lippen den seinen immer weiter näherten. Der Bassist wollte ihn testen. Wollte wissen, wie lange er sich dieses Spiel gefallen lassen würde, ohne auszuticken. Es erstaunte ihn sehr, dass Dai sich noch immer nicht rührte und den Schwachsinn beendete, als ihre Gesichter nur noch drei, vier Zentimeter voneinander trennten. Kurz hielt er selbst inne, ehe er mit dem Grinsen eines Teufels sein Werk vollbrachte.

Und dann lagen ihre Lippen aufeinander. Toshiya selbst mochte die Situation im ersten Moment auch als reichlich grotesk empfinden, aber Dais Lippen fühlten sich immerhin nicht im Geringsten unangenehm an. Sie waren ganz weich und zart, und der ruhige Atem des Gitarristen streifte sanft Toshiyas Wange, während der Bassist herausfordernd den Blick in Dais ebenfalls geöffnete Augen richtete.

Was nun?, fragten Toshiyas eindringliche Blicke, in denen aber auch eine kecke Aufforderung lag. Wann willst du mich denn endlich empört wegstoßen?

Die Antwort auf diese Frage lautete: Nie. Zu Toshiyas Überraschung senkte Dai ergeben die Lider und schob dann seine Hand in den Nacken des Bassisten, um ihn nicht mehr ausweichen zu lassen, während er begann, ihn langsam und prüfend zu küssen.

Mit einer solchen Reaktion hätte Toshiya noch nicht einmal im Traum gerechnet. Was war denn mit Dai los? War er bereits so heftig betrunken? Anders vermochte er sich nicht zu erklären, wieso der Rothaarige nun tatsächlich mit ihm rumknutschen wollte. Irgendwie passte dies nicht in das Bild, was er von Dai besaß, aber es passte auch nicht in das Bild, was er von sich selbst besaß. Doch irgendwie fügte sich dieses Detail dennoch darin ein, ganz harmonisch und überwältigend intensiv. Dai war ein guter Küsser, und er war außerdem erstaunlich talentiert darin, mittels seiner gierigen, wendigen Zunge den Rest der Salzstange aus Toshiyas Mundhöhle in seine eigene zu befördern. Toshiya, welcher eben noch das freche Spiel initiiert hatte, bekam nun eine saftige Revanche verpasst, und Dai grinste dazu in den leidenschaftlichen Kuss, den sie inzwischen voller Enthusiasmus austauschten. Ein kehliges Lachen entwich daraufhin auch Toshiya, dessen Hand sich ganz automatisch in Dais Shirt gekrallt hatte, um der Gänsehaut zumindest ein wenig entgegenzuwirken. Und Dai bescherte ihm wirklich eine abenteuerliche Gänsehaut. Im Grunde küsste und behandelte der Gitarrist ihn genau so, wie Toshiya es brauchte. Er war nicht so zimperlich wie die meisten Mädchen. Er ließ zwar Vorsicht walten, aber wenn er bemerkte, dass er sich nicht auf Glatteis bewegte, ging er ohne Kompromisse und Zweifel vor. Das gefiel ihm an dem anderen. Für seinen Geschmack beinahe etwas zu sehr.

Er schätzte sich deshalb schon fast glücklich, als Dai sich nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich von ihm entfernte. Dai ließ ihn einfach sitzen, auf seinem Gesicht zeichnete sich allerdings noch immer dieses freche Grinsen eines Casanovas ab. War er nun etwa auch noch stolz darauf, Toshiya derart herumbekommen zu haben? Dabei war es doch der Bassist gewesen, der die etwas aus dem Ruder gelaufene Sache in die Wege geleitet hatte.

"Schmeckt wirklich nicht so schlecht", bekundete Dai abermals, ließ aber offen, ob er damit die Salzstange oder Toshiya meinte. Sein Blick wanderte erst eine Weile über die feiernden Leute und blieb dann an seinem Kumpel hängen. "Was meinst du, wollen wir uns verpissen? Die wissen ja nun eh alle, dass zwischen uns was läuft."

"Von mir aus, Schatz", murmelte Toshiya, dem die Verwirrung wahrscheinlich noch ins Gesicht geschrieben stand, im Gegensatz zu Dai, der entweder nicht ebenso empfand oder aber sie hinter der Maske der Arglosigkeit verbarg. Immerhin nahm er Toshiya sogar neckisch bei der Hand, nachdem sie bezahlt hatten und nach draußen schlenderten. Vielleicht sollte Toshiya beginnen, die Sache ebenfalls mit Humor zu sehen, genau so, wie er anfangs an sie herangegangen war. Schließlich mutete sie doch ziemlich spaßig an, und wenn Dai sie ebenfalls nicht ernst nahm, wieso sollte er es dann tun?

 

"Psst!" Als Dai den anderen noch immer bei der Hand durch die Hoteletage führte, in der die Band ihre Zimmer besaß, drehte er sich zu Toshiya um und hielt sich in gemimten Ernst den Zeigefinger vor die Lippen. "Die kleinen Babys schlafen sicherlich schon. Nicht, dass wir sie wecken."

"Zum Glück haben wir Einzelzimmer", befand Toshiya, der etwas benommen hinter dem Rothaarigen herschwankte. "Kaoru würde uns den Po versohlen, wenn wir ihn oder auch einen der anderen aus dem Schlaf reißen würden."

Bei dem Stichwort 'Einzelzimmer' griff Toshiya mit der freien Hand in seine Hosentasche, um in dieser nach dem Schlüssel zu seinem Reich auf Zeit zu suchen. Er fühlte lange in ihr herum, bekam aber nur ein altes Taschentuch zu fassen, und ein Kondom, welches er lachend in die Höhe hielt.

"Ich hab zwar keinen Schlüssel mehr, aber dafür nen Gummi", tönte er amüsiert. "Damit komme ich doch bestimmt auch wo rein, oder?"

"Aber nicht in ein Zimmer." Dai lachte ebenfalls, schien genau wie Toshiya überhaupt nichts und niemanden mehr ernst nehmen zu können. Das deutsche Bier wog sich friedlich in seinem Magen, und der Alkohol rauschte wohlig durch seine Adern, was ihn von ganz tief drinnen zu entspannen wusste.

"Doch." Toshiya näherte sich Dai grinsend und drückte diesen schließlich patzig mit seinem Körpergewicht gegen die Wand. "Damit komme ich durch die Hintertür."

"Welche Hintertür denn?", giggelte Dai, der sich eindeutig nicht unwohl fühlte in Anbetracht von Toshiyas Körperkontakt und dem anderen im Gegenteil sogar seine Hände auf die Hüften legte.

"Die Hintertür zum Fuchsbau", verriet Toshiya ihm daraufhin amüsiert, säuselte seine Worte lasziv gegen die Wange Dais und strich ihm breit grinsend seine roten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mann, dieser Kerl sah aus der Nähe betrachtet gleich dreimal so gut aus. Er hätte ihm schon viel eher mal auf die Pelle rücken sollen. Aber dann hätte er sich womöglich schon viel eher für den Fuchsbau interessiert. Was so ein simpler Kuss einem alles für Flausen in den Kopf setzen konnte, Toshiya musste neuerlich lachen aufgrund dieses absurden Gedanken, dass er auf einmal ziemlich scharf auf Dai, den Fuchs, war. Wahrscheinlich befand er sich ja in einer manischen Phase seiner ohnehin verkorksten Libido, und da Dai das am nächsten liegende Opfer war, fixierte sie sich voll und ganz auf ihn.

"Gewährt mir der Fuchs denn Einlass?", hakte Toshiya mit schiefgelegtem Kopf nach und versuchte zumindest, Dai treuherzig bittend anzusehen, während er seine Hand an die Wange des anderen legte, der ihn abschätzend beäugte. "Ich bin auch ein ganz achtsamer Jäger..."

"Fragt sich noch, wer hier der Jäger und wer der Gejagte ist."

Toshiya vermutete, dass es der Alkohol war, der ihn nun ein wenig das Gleichgewicht verlieren ließ, denn mit einem Mal erfasste ihn etwas und wirbelte ihn herum, so lange, bis es dunkel um ihn herum wurde. Aber der warme Körper blieb ganz dicht an ihn gepresst, selbst dann noch, als er auf etwas Weichem landete und sich zu verlieren begann. In etwas, das sein Hirn nicht mehr mitschnitt, in welchem es nicht mitspielen durfte, was aber genau deshalb nicht an Intensität zu überbieten war. Ein heißer Mund raubte ihm den Atem mittels wilder, verlangender Küsse, bis sich zwei Leiber vereinten, die, hungernd nach Zuwendung und Befriedigung ihrer Lust, dies bei dem jeweils anderen zu suchen begannen.

Und fanden.

 

*

 

 

Nach einer Weile realisierte Toshiya schließlich, dass er offenbar wach und vor allen Dingen lebendig war, auch wenn er sich nicht im Geringsten so fühlte. Doch er bezweifelte, dass einem im Jenseits die Sonne mitten ins Gesicht scheinen konnte.

Auch ohne sich zu bewegen bemerkte er, dass seine Glieder schmerzten und sein Hirn sich anfühlte, als würde es wie ein Schwamm im Wasser hin und her geschleudert werden. Alles in allem ein äußerst unschöner Zustand, und es wurde nicht viel besser, als er sich schließlich doch ächzend auf die Seite hievte. Selten fühlte er sich tatsächlich wie ein alter Mann, aber an diesem Morgen kam er sich vor wie ein Hundertjähriger. Mindestens. Allerdings war dies nicht das Einzige, was er feststellen musste, so wie er sich schwerfällig zurück in die Kissen sacken ließ. Nein, er bemerkte nun, dass er gar keine Kleider am Leib trug, noch nicht einmal eine Unterhose, und allein diese Entdeckung sorgte dafür, dass er sich mit einem Mal zwar nicht besser, aber doch wacher fühlte. Stirnrunzelnd fasste er sich an den Kopf. Hatte er gestern irgendeine Frau abgeschleppt? Seines spärlichen Wissens befanden sie sich gerade auf Europatour mit Stopp in Deutschland, aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, mit irgendeiner ausländischen Dame herumgemacht zu haben.

Noch mehr zu schaffen machten ihm allerdings die Kratzspuren, die er zufällig auf seinen Armen entdecken musste. Auch seine Brust hatte was abbekommen, und sein Rücken brannte ebenfalls dezent, ganz zu schweigen von seinem Hintern. Auch der schien reichlich wund. Waren das Spuren eines Kampfes? Und wenn ja, wen hatte er zum Gegner gehabt? Bescheuerter Filmriss.

Gerade, als er sich mit lichtscheuen Äuglein auf die Suche nach seinem Handy begeben wollte, welches wahrscheinlich da unten irgendwo inmitten seiner verloren geglaubten Klamotten lag, regte sich etwas neben ihm, von dem er bislang keine Notiz genommen hatte, da er zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war. Da er aber reichlich beunruhigt war und hoffte, endlich an Antworten auf seine Fragen zu gelangen, rollte er sich auf den Rücken und wandte den Kopf der anderen Betthälfte zu. Ein Wesen mit roten, langen Haaren tauchte aus den Kissen auf, genauso wenig menschlich wirkend wie er wohl. Es strich sich die Mähne nach hinten und blickte sich orientierungslos um, ehe sein Blick an Toshiya hängen blieb, welcher den Mund partout nicht mehr zubekam. Allerdings gab er sich dem Schock stumm hin, im Gegensatz zu dem anderen, der erschrocken auswich.

"Ach du Scheiße!", fluchte Dai heiser und wollte die Flucht ergreifen, sah aber davon ab, als er zu allem Übel realisierte, dass seine Klamotten sich wohl ebenfalls verflüchtigt hatten. Schockiert warf er einen Blick unter die Decke, dann blinzelte er hektisch hin zu seinem Bettgefährten. "Was zum Teufel tust du hier?"

Toshiya, der das Ganze dezent gefasster sah, aber nicht minder verwirrt war, zuckte mit den Schultern.

"Wenn du es nicht weißt, weiß ich es auch nicht."

Nun rutschte Dai doch aus dem Bett, die Decke behielt er aber bei sich, denn er brauchte sie, um zumindest die pikantesten Teile seiner Blöße zu bedecken. Dass Toshiya dadurch irgendwann nackt auf der Matratze lag und sich ärgerlich die Hände vor sein Gemächt hielt, schien ihn gar nicht zu jucken.

"Nie im Leben haben wir gepoppt."

"Seh ich auch so", pflichtete Toshiya ihm bei, welcher jedoch mit einigem Argwohn auch auf Dais Haut einige verräterische Kratzer und Flecken zu entdecken vermochte. "Wahrscheinlich sind wir einfach Werwölfe, die ne wilde Nacht voller Kämpfe erlebt haben."

"Mach du dich ruhig lustig", knurrte Dai und schritt mitsamt der Bettdecke in Richtung Badezimmer, allerdings rückwärts, damit er Toshiya noch einen drohenden Blick zuwerfen konnte. "Mir tut der Arsch verflucht weh, und wenn ich herausfinde, dass du daran schuld bist..."

"Ich bin eh schon tot, du kannst mich nicht umbringen." Toshiya zeigte sich reichlich unbeeindruckt, da ihn heute wohl ohnehin nichts mehr schocken konnte nach dieser wundersamen Begebenheit, von der er nicht wusste, wie er in sie geraten war. Sollte Dai sich doch ins Bad verziehen um die Spuren seines Kampfes zu reinigen - Toshiya jedenfalls brauchte nun nichts mehr als sein Handy, um zu checken, wie viel Uhr es überhaupt war.

Gerade, als Dai angepisst die Tür hinter sich zugeknallt hatte, fand er es in seiner abgelegten Hose, die sich direkt unter Dais Shirt zur Ruhe gebettet hatte. Rasch fischte er es heraus, schaltete es ein - und fand sich in der Videoübersicht wieder. Es wurden zwei Filme angezeigt, offenbar gestern Nacht gedreht, obwohl Toshiya sich nicht daran erinnern konnte, irgendetwas aufgenommen zu haben.

Neugierig tippte er auf den ersten der beiden Filme und wartete mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, was sich ihm offenbaren würde. Seine böse Vorahnung, welche zu der Szene passte, in welcher er erwacht war, sollte sich bestätigen: Trotz des diffusen Lichtes konnte er zwei Personen auf dem Display ausmachen, die hintereinander auf dem Bett knieten und sich in einem ziemlich verfänglichen Rhythmus bewegten. Notgedrungen erkannte Toshiya sich selbst und bekam nun eine Antwort dafür geliefert, warum sein Arsch schmerzte. Und wieso er zerkratzte Arme sein eigen nannte genau wie eine zerkratzte Brust. Die Person, die hinter ihm hockte und ihn offenbar aus Leibeskräften fickte, fuhr anscheinend gerade ihre Krallen aus, und aus den Lautsprechern drang Toshiyas eigene Stimme, etwas heiser und lustdurchtränkt, aber nichtsdestotrotz äußerst amüsiert klingend.

"Du bist kein Fuchs, du bist ein verdammter Tiger!", bekannte er, woraufhin die rothaarige Person, die er ebenfalls nur zu gut kannte, gefällig knurrte und ihn noch einen Zacken fester nahm. Dazu senkte sie ihren Kopf näher gen Toshiyas Halsbeuge, und wahrscheinlich biss sie zu, denn Toshiya schrie daraufhin fast in sein Gestöhn hinein. Er war beinahe schon erleichtert, als die Personen offenbar in die Kissen verschwanden. Zu sehen war nur noch eine helle, sich bewegende Bettdecke, unter der es heiß herging, den nicht abebben wollenden, enthusiastischen Ächzern und Stöhnern nach zu urteilen.

Als Dai aus dem Badezimmer kam, war der Film gerade zu Ende. Nichtsdestotrotz lag Toshiya noch immer äußerst perplex da und starrte auf das Display, nicht so recht einordnen könnend, was er da gerade gesehen hatte.

"Zieh dir endlich mal was an", blaffte der Gitarrist ihn unwirsch an, während er sich selbst seine Unterhose aus dem Gewühl aus Klamotten heraussuchte. Dabei fiel sein Blick neuerlich auf Toshiya, der nicht reagierte, sondern sich schweigend den zweiten Film anschaute, den sein Handy hergab. Als unmittelbares Stöhnen aus den Lautsprechern drang, rollte Dai wütend mit den Augen.

"Ey, nicht dein Ernst!", fauchte er. "Jetzt guckst du dir in einer Seelenruhe Pornos an? Wie durch bist du eigentlich?"

"Genauso durch wie du", bemerkte Toshiya und winkte Dai zu sich heran. "Gucks dir doch selber an."

Das tat Dai, wenn auch widerwillig. Er setzte sich noch immer halb nackt auf die Bettkante und machte einen langen Hals hin zu Toshiyas Handy, auf welchem man nur mit Mühe etwas erkennen konnte. Zumindest für ein paar Sekunden lang. Dann erkannte er eindeutig sich selbst, wie er vollkommen den Verstand auf Toshiyas Schoß verlor, während der Bassist sich mit kräftigen Stößen aus der Hüfte heraus an ihm gütlich tat.

"Wir sind letzte Nacht offenbar komplett ausgetickt", urteilte Toshiya ruhig, während Dais Miene längst erfroren war und er nichts weiter mehr tat, als hart zu schlucken und mit großen Augen auf das Handy zu starren, das ihnen eine pornoreife Performance bescheinigte. "Kein Wunder, dass wir so lädiert sind."

Währenddessen vergrub der Film-Dai seine Finger in Toshiyas Haaren und krümmte sich in einer wohl heftigen Ekstase, der ein Schrei der puren Wonne folgte.

Das war der Anstoß für Dai, sich endgültig abzuwenden.

"Ich trinke nie, nie wieder Alkohol!", verkündete er in der Inbrunst der Überzeugung. "Und du solltest auch die Finger davon lassen."

Vorwurfsvoll schaute Toshiya hin zu seinem Kumpel.

"Aber das deutsche Bier ist so lecker!" Er schwieg, ließ den Blick nachdenklich schweifen, ehe er Dai abermals aus seinen schmalen Augen spitzbübisch anguckte. "Und komm, du siehst nicht aus, als hätte dir nicht gefallen, was ich mit dir angestellt habe..."

"Dir hats ja offensichtlich auch zugesagt", gab Dai zerknirscht zu und bückte sich nach seinem Shirt. Als er wieder auftauchte, warf er Toshiya einen drohenden Blick zu. "Aber wehe, du wagst es, wegen diesem Video einen Ständer zu bekommen!"

Toshiya erwiderte auf diese leere Drohung nichts, sondern lehnte sich mit einem ziemlich versonnenen Schmunzeln im Gesicht zurück, während er das eben gesehene Video neuerlich startete, ganz zu Dais Leidwesen. Allerdings ereiferte er sich nicht, sondern zog sich schweigend an, doch so, wie Toshiya ihm verstohlen dabei zuschaute, konnte er entdecken, dass Dai wohl der erste war, der einen Ständer wegen diesem Video bekam.

"Vielleicht sollten wir uns tatsächlich nicht mehr betrinken", befand Toshiya, während Dai damit kämpfte, seinen verfluchten Harten in die Jeans zu zwängen. "Dann können wir uns nächstes Mal wenigstens daran erinnern, was wir getan haben und brauchen keine Videoaufnahmen, die wir in weiser Voraussicht erstellt haben."

Inzwischen hatte Dai ihm die Kehrseite zugewandt.

"Du glaubst nicht, dass ich noch einmal mit dir ficken werde. Und das auch noch nüchtern, Toshimasa."

Ehe Toshiya etwas dazu sagen konnte, linste Dai über seine Schulter und offenbarte ihm einen abenteuerlustig funkelnden Blick, welchen der Bassist nur zu gern erwiderte, denn er versprach einigen Spaß, dem Toshiya nicht abgeneigt war...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Violettdefrance
2017-04-25T22:15:30+00:00 26.04.2017 00:15
Gibts ne Fortsetzung zu Bitteeeee liebe auch dieses Pairing
Von:  Kyo_aka_Ne-chan
2017-04-06T07:07:49+00:00 06.04.2017 09:07
Ich war mir erst nicht sicher, ob ich es lesen soll, der Titel schreckt mich ein wenig ab :D Aber dann habe ich es doch getan wegen dem Pairing und dann ergab der Titel schon Sinn xD Ich würde es nur mit einem Fragezeichen ganz hinten versehen, das passt noch mehr zur Story bzw. zum Ende, man weiß ja jetzt nicht, ob die beiden schwul sind oder nicht *hm*
Dein Schreibstil gefällt mir, mir persönlich sind die Absätze an manchen Stellen zu groß. Die Story an sich ist witzig, ich kann mir das irgendwie gut bei den beiden vorstellen :D Mich persönlich hast du schon mit dem ersten Satz abgeholt und ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen, das ist eine sehr positive Eigenschaft. Witzige Story, danke für die Unterhaltung ;)

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Antwort von:  Anemia
06.04.2017 18:08
Oh, du hast es wegen dem Pairing gelesen? Das freut mich sehr, da Toshiya und Die in Kombination ja wirklich stiefmütterlich behandelt wurden...dabei mag ich sie sehr. ;)

Hach ja, die leidige Titelfindung. Zu manchen Geschichten mag einen einfach kein gescheiter einfallen (und zu anderen fallen einem gar zwei ein...). Dieser hier ist aber doppelt auszulegen (einmal spielt er auf die Deutschlandflagge an und einmal auf Toshiyas und Dies Haarfarben), und so was mag ich immer ganz gern. Schön, dass du es trotz des etwas eigenartiges Titels gelesen hast. xD Und noch schöner, dass du es mochtest. Ich hatte mit den beiden auch meinen Spaß. Sie haben wunderbar harmoniert, auf ihre ganz eigene Weise. :D


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