Miststück.
„Furcht besiegt mehr Menschen als irgendetwas anderes auf der Welt.“
by Ralph Waldo Emerson
Hart prasselte der Regen auf den Asphalt. Iris West zog ihren Mantel dichter an ihren Körper. Ein kühler Wind fegte durch ihre sonst so perfekt sitzende Frisur. Blitze erhellten den Himmel und Schreie durchfuhren die Straßen.
„Sie entkommt!“, stieß ein Polizist außer Atem hervor und Blut lief über seine Hände, hinab zum steinernen Boden. Seine Knie sackten zusammen, er war längst getroffen, hatte all seine Reserven verbraucht, um nur ein paar Meter die Verfolgung aufnehmen zu können.
Iris biss die Lippen aufeinander, ballte ihre Hände zu Fäusten. „Nein diesmal wird sie nicht entfliehen.“, raunte sie und warf einen letzten Blick auf ihren Kollegen. Doch dieser nickte ihr nur zustimmend zu. Dann lief Detective West so schnell sie ihre Beine trugen, die Pistole fest umschlungen, dem Regen trotzend. Der Wind peitschte ihr immer wieder die Nässe in die Augen, ihre Sicht war verschwommen, doch ein guter Polizist würde sich durch nichts beeinträchtigen lassen. Doch nichts und niemanden! All diese Wut, die sie all die Monate in sich getragen hatte und immer versucht hatte zu verbergen, schoss plötzlich in ihr hinauf – wie ein Vulkan der drohte auszubrechen. Würde sie sich nicht kontrollieren, würde dies auch passieren. Es durfte aber nicht passieren – sie war die letzte Moral der Menschheit. Die letzte klägliche Hoffnung an das Gute auf dieser Welt. Wie viele Menschen hatten sich schon abgewandt von jeglichen Regeln und Gesetzen? Sie konnten die Anzahl der Kriminellen in der Stadt nicht einmal mehr zählen. Papierkram war irrelevant geworden. Es zählten nur noch Taten, um eine gewisse Ordnung wieder erstellen zu können. Iris glaubte schon fast selbst nicht mehr daran, aber wenn nicht sie, die Hüterin des Gesetzes, wer dann?
Sie durfte einfach nicht aufgeben, sie konnte einfach nicht! Ihr Puls raste so heftig, dass sie befürchtete keine Luft mehr zu bekommen. Seit Zoom diese Welt vereinnahmt hatte, war nichts mehr wie zuvor gewesen. Er scharrte sämtlichen Abschaum dieser Welt um sich, um denjenigen schlussendlich doch dem Gar aus zumachen, wenn sie ihm zu wider waren – oder nutzlos geworden waren. Warum konnten diese Meta-Wesen nicht einsehen, dass sie mit seiner Zusammenarbeit nur scheitern konnten? Warum verbündeten sie sich nicht mit der restlichen Menschheit? War Zooms Kraft so unbegreiflich, dass es ein normaler Erdling sie nicht wahrnehmen konnte? Was wenn diese außergewöhnlichen Wesen eine Göttergleiche Macht in ihm erkannten, die der Apokalypse gleich kam? Hatten sie schon kapituliert und genossen nur den Rest ihres Daseins, der ihnen noch blieb? Unendlich viele Fragen, die in ihrem Kopf umher schwirrten, doch niemals hatte einer ihrer Gefangenen eine davon beantwortet. Sie schwiegen lieber als sich jeglicher Annehmlichkeit zu erfreuen, die ihnen geboten wurde. Die Polizei war mehr als verzweifelt gewesen, von Anhörung zu Anhörung immer mehr. Schon bald würde man sich kaum noch ernst nehmen. Wenn man das überhaupt noch ansatzweise tat. Entführungen, Morde… alle Todsünden dieser Welt waren eine reine Nebensächlichkeit geworden. Man berichtete nicht mehr über jeden einzelnen Kopf, der abgehackt in einer Straßenecke lag. Einzig und allein Zoom zierte das Titelbild der Central City Zeitung. Die Leute wurden manipuliert, durch ihre eigene Dummheit. Würden sie sich nur zusammenschließen und gegen ihn auflehnen. Gelegentlich erblickte man Zoom einige Wochen nicht, wohin er immer verschwand, wusste niemand. Eine optimale Zeit, um ihn zu überlisten? Doch da stand Iris West wohl allein mit ihrer Meinung.
„Zur Hölle… bleiben Sie stehen!“, schrie die Polizistin und holte noch einmal tief Luft. Ihre Ausdauer ließ langsam nach, das ahnte sie jetzt schon. Sie musste zum Endspurt ausholen. Die Kriminelle, die sie verfolgte, konnte sich jeder Zeit umdrehen und sie verwunden. Iris wusste über ihre besonderen Fähigkeiten bestens Bescheid. Es war riskant ihr nur mit einer einfachen Waffe zu folgen, doch wie es das Schicksal so wollte, hatte man an mehr nicht gedacht als man den Einsatz gestartet hatte. Sie wurden alle nachlässig …
Nachlässig, weil sie die Hoffnung aufgaben, weil jedes Mittel im Endeffekt nichts nützte. Zumindest nicht auf Dauer und ob man einen Kriminellen weniger von Milliarden auf den Straßen entfernte, zählte vermutlicherweise auch recht wenig in Zeiten wie diesen.
Die Übeltäterin bog ruckartig ab in eine Gasse und Iris musste scharf abbremsen um die neue Abbiegung nicht zu verfehlen. Was hatte dieses Miststück vor?
„Ich lasse mich nicht so einfach austricksen!“, grölte die Polizistin der Gesetzesbrecherin hinterher und wischte sich dabei ihre nassen Strähnen aus der Stirn.
In die Gasse eingebogen, stellte die Brünette fest, dass es ziemlich dunkel um sie herum war. Keine Beleuchtung, weder an den Straßen, noch schien kein Licht in einer der Häuser ringsum. Waren diese etwa verlassen? Oder wollten die Menschen einfach nur wegsehen? Wie immer…
Wo war dieses Scheusal von Frau nur geblieben? „Versteckst du dich wie sonst auch, kleine Furie?“, provozierte die Ordnungshüterin die Missetäterin bewusst, denn in ihrem Profil hatte man notiert wie anfällig sie auf das Wort „Furie“ reagierte. Es passte hervorragend zu ihren übermenschlichen Kräften, doch da man in einer Furie stets etwas Negatives sah, fühlte sich dieser Satansbraten gekränkt. Unsinnige Eitelkeit schimpfte Iris dies immer, aber diesmal konnte sie es zu ihrem Vorteil nutzen. Und der Versuch sie herauszulocken gelang tatsächlich.
Zunächst waren es nur dumpfe Schritte, die man auf dem harten Untergrund vernehmen konnte. Sie kamen näher. Iris umfasste ihre Pistole noch fester und blickte sich sorgsam um.
„Glaubst du nicht auch, wir sind bereits in der Hölle?“, durchflog eine weibliche Stimme die Stille. Fast etwas panisch zuckte Iris ihre Waffe und richtete sich in die Richtung aus der sie die Stimme vernommen hatte. „Was meinen Sie?“, zischte sie als Antwort entgegen. Was sie vernahm war ein leises Kichern. „Detective, SIE erstaunen mich immer wieder, trotz unserer Rivalität immer noch dieses höfliche „Sie“… und um ihre Frage zu beantworten: Sie haben doch die Hölle erwähnt als Sie mir zugerufen haben. Ich habe es noch mitbekommen. Es war zwar verlockend, aber ich konnte einfach nicht stehen bleiben. Bin ich jetzt ein böses Mädchen?“, fragte die junge Frau, die aus der Dunkelheit erschien, süffisant.
„Laurel Lance.“, knurrte die Angesprochene resolut und versuchte ihren Sarkasmus zu ignorieren. Just als sie den Namen ausgesprochen hatte, kam die Rechtsbrecherin energisch auf sie zu und erhob den Finger. „Nennen Sie mich nie wieder so Detective West. Laurel Lance ist vor langer Zeit gestorben, mein Name ist Black Siren. Aber das wissen Sie doch bereits.“
Iris lachte kurz auf und verdrehte die Augen. „Ein neuer Name lässt Ihre Vergangenheit auch nicht auslöschen!“, erwiderte sie matt und trat mutig noch einen Stück näher auf Black Siren zu. Diese Frau war unberechenbar, selten konnte man einen ihrer Schritte voraus ahnen. Sie musste vorsichtig sein, mit Bedacht handeln hieß die Diverse. Jeder Atemzug konnte ihr letzter sein, wenn sie irgendetwas tat, was dieser Erinnye nicht gefiel.
„Oh Detective, sind wir nun auch unter die Psychologen gegangen?“, gab die Frau in Schwarz spöttisch von sich und wirkte der Pistole entgegen, sodass diese auf ihren Oberkörper zielte. Genauer gesagt auf ihre Brust. „Schießen Sie doch einfach Miss West, dann bekommen sie vielleicht einen Orden vom Präsidium.“ Provokant drückten sich ihre Brüste gegen die Waffe und Iris Hände begannen zu zittern. Diese verdammte Hure! Wie konnte sie es wagen sie so herauszufordern. Ihr Plan war es sicher, sie zu verwirren oder sie dazu zu treiben, etwas zu tun, was sie für immer bereuen sollte. Furien konnten verführen, konnten deine Gefühle manipulieren… dich gar völlig um den Verstand bringen. Iris' Hände begannen zu schwitzen, ihr Herz war einem Stillstand nahe, aber sie wusste nicht genau wieso. So viel Groll, den sie ihr und all den anderen Verbrechern in dieser Stadt gegenüber hegte. Zeitgleich auch Unverständnis und Mitleid, weil sich keiner von ihren wirklich wehrte.
Wenn sie jetzt abdrücken würde, würde ihre Animosität für einen kurzen Zeitraum befriedigt sein, aber auf Dauer würde die Rachsucht zurückkehren. Denn Menschen starben jeden Tag. ‚Du kannst sie nicht alle töten‘, das hatte ihr einst ein guter Freund gesagt und er hatte Recht, vor allem wäre sie dann nicht besser als Zoom selbst?! Sie war in ihren Gedanken verloren…
Ein kurzer Moment der Schwäche, die Black Siren nutze um ihr die Pistole aus der Hand zu nehmen und sie auf den Boden zu werfen. Iris wollte sofort reagieren und sie aufheben, doch Laurel packte sie am Arm und zog sie dicht an sich. Braun traf Grün. Iris erstarrte in ihrer Haltung und beobachtete wie einzelne Regentropfen über das Gesicht der dunkelblonden Schönheit liefen. Ihre Haut war so rein und zart von Nahem, dass sie glaubte sich fast darin spiegeln zu können. Black Sirens Gesicht schien auf einmal näher zu kommen, ihre Nasenspitze berührte die ihrige. Eine Gänsehaut bereitete sich auf Iris[‘]/(') Wirbelsäule aus, sie vermehrte sich bis hin zu ihre Schultern.
„Schach Matt, Detective.“, hauchte die ehemalige Black Canary auf ihre Lippen und streifte sie kurz. „Sie werden irgendwann verstehen, warum die Welt so ist, wie sie ist.“, fügte sie hinzu und drückte schlussendlich die schwarzen Lippen auf Iris' Rote. Der Kuss ließ Ekel aber auch Erregung in ihr aufkommen, sie war unfähig sich zu lösen, ließ es einfach über sich ergehen. Wie eine süße Strafe, die sie verdient hatte auf eine abstruse Art und Weise.
