Zum Inhalt der Seite

My Story of Seasons

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Aufbruch

„Lass mich sofort raus!“ Fynn will die Wohnung aus der Haustür verlassen, doch ihr wird der Weg versperrt. Ihr, seit einigen Minuten Ex-Freund, hat sich vor der Haustür aufgebaut und lässt sie nicht raus. Er ist sehr groß und wirkt bedrohlich. Seine stahlblauen Augen mustern sie.

„Nein!“ Er schaut sie wütend, aber ruhig an. „Du hast gerade etwas sehr Dummes gesagt und ich lasse dich erst gehen, wenn du es zurückgenommen hast!“

Fynn kneift die Augen zusammen. Sie ist sehr wütend, aber auch auf der Hut. Cameron hatte ein kleines Aggressionsproblem seit einiger Zeit. Es war der Hauptgrund dafür gewesen, dass sie sich eben offiziell getrennt hatte und sie wollte ihn nicht mehr aufregen als nötig.

„Merkst du eigentlich noch was? Das ist genau der Grund, warum es nicht funktioniert.“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Du hast ein Aggressionsproblem und du brauchst Hilfe.“ Cameron fängt an zu lächeln. Seine Augen glänzen Fynn entschlossen entgegen: „Vielleicht.“

Er macht einen Schritt auf sie zu. „Aber das ist nicht wichtig.“ Er macht einen weiteren Schritt auf Fynn zu. Diese wird unsicher was er vor hat und stellt sich auf ihr zurückgestelltes, rechtes Bein. Er muss einen Seitenschritt machen, um an der Couch vorbeizukommen. Das ist ihre Chance!

Fynn nutzt das aus, springt um die andere Seite der Couch herum und ist mit einem schnellen Schritt an der Haustür. Sie streckt die Hand aus und umfasst den Türknauf. Die Tür öffnet sich einen kleinen Spalt und sie sieht sich schon draußen. Da greift Cameron sie am Arm, reißt sie herum und knallt die Tür mit der anderen Hand wieder zu. Er hatte sie wohl durchschaut und direkt wieder einen Schritt zurück gemacht.

„Lass mich los!“, ruft sie und zappelt. Cameron drückt Fynn gegen die Tür. Seine rechte Hand umfasst ihren Hals und drückt gerade so fest, dass sie sich nicht bewegen kann, ohne dass es weh tut.

Ihre Hände krallen sich an seine rechte Hand, um ihr etwas Luft zu verschaffen. Er ist so kräftig, so dass sie sich kaum bewegen kann.

„Fynn, du übersiehst das Wesentliche.“ Seine linke Hand streicht ihr die rechte Wange hinunter. Verliebt und bedrohlich schaut er ihr in die Augen: „Du gehörst mir. Wir sind füreinander bestimmt und daran kann nichts und niemand etwas ändern.“

Fynn will etwas sagen, doch sie bekommt keinen Ton raus. Sie schnappt nach Luft. Sein Gesicht kommt näher. Fynn will ihren Kopf wegdrehen, doch seine rechte Hand hält ihren Kopf an Ort und Stelle. Sie fängt wieder an zu zappeln. Mit ihrer rechten Hand versucht sie ihn wegzudrücken. Cameron ist unbeeindruckt und nimmt sie mit seiner linken Hand von sich. Er nimmt auch ihre andere Hand und drückt sie über ihrem Kopf an die Tür. Mit seiner rechten Hand rutscht er etwas hoch und umfasst Teile ihres Kiefers, um ihr Gesicht so besser in Position bringen zu können.

Sie zappelt weiter so gut es geht: „Du bist verrückt!“, haucht sie.

Er lächelt verführerisch, aber nach wie vor auch bedrohlich: „Oh ja, vor allem nach dir.“ Sein Gesicht kommt näher. Kurz bevor sich ihre Münder treffen, klingelt es an der Tür, an der sie lehnen. Cameron stockt. Fynn kneistert und starrt ihm in die Augen: „Wenn du mich nicht sofort loslässt, dann schreie ich um Hilfe.“

Cameron fängt an mit sich zu hadern. Er beißt sich auf die Lippe. Er weiß genau, was das heißen würde. Langsam lockert sich seine Hand um Fynns Hals. Er lässt sie los und schaut zu Boden. Fynn legt ihre Hand auf den Türknauf und dreht ihn: „Ich will dich nie wieder sehen.“ Mit diesen Worten schiebt sie sich schnell aus der Tür, vorbei am Postboten, der mit einem Paket in der Hand auf Bestätigung wartet. Schnell springt sie die Treppen herunter ohne sich umzudrehen und verlässt das Haus.
 

Ihren Eltern erzählt Fynn davon nichts. Sie möchte sie nicht unnötig aufregen. Die hatten Cameron noch nie gemocht und es würde nur in eine „Ich hab's dir ja gesagt!“ - Tirade ausarten, wenn sie es ihnen erzählen würde. Sie wussten, dass Fynn sich trennen wollte und hatten es begrüßt, hatten ihr aber ans Herz gelegt nicht zu ihm zu gehen dafür. Natürlich war es gewagt gewesen, aber nach so einer langen Zeit, wollte Fynn es ihm persönlich sagen und nicht per Nachricht. Nun hatte sie es hinter sich und sie war erleichtert. Es war eine unschöne Erfahrung gewesen, aber diese Aussetzer hatte er in letzter Zeit öfter gehabt und sich geweigert Hilfe zu suchen. Sie hatte ihn wirklich gemocht, aber damit konnte sie nicht umgehen.

Am nächsten Morgen sitzt Fynn wie gewohnt in der Uni. Gelangweilt kritzelt sie auf einem Blatt Papier herum und wartet auf den Professor. Um sie herum ist es sehr laut. Die Kommilitonen erzählen sich Geschichten und beschweren sich, dass sie so früh aufstehen müssen.

Fynn mag die Uni nicht besonders. Sie hatte sich nur eingeschrieben, weil ihrer Mutter so viel daran gelegen war. Sie wünschte sich für Fynn einen gut bezahlten Job und hatte sie angebettelt es wenigstens zu versuchen und Fynn war darauf eingegangen. Aber Studieren war eigentlich nicht ihr Ding. Sie würde viel lieber schon arbeiten und Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln.

Als Fynn ihr Cartoon Huhn fertig gemalt hat, betritt der Professor den Hörsaal. Ohne große Begrüßung fängt er an etwas an die Tafel zu schreiben und sich etwas in den Bart zu murmeln, das vermutlich, wenn überhaupt, nur die erste Reihe verstehen kann. Fynn öffnet ihren Block und will mitschreiben, aber die Schrift des Professors ist mal wieder so klein, dass sie nichts lesen kann. Sie späht zu ihren Nachbarn. Die machen zumeist was anderes als sich mit dem Stoff zu beschäftigen. Fynn zuckt mit den Achseln und malt neben ihr Huhn noch eine Kuh.
 

Der Tag ist schier endlos. Als die Vorlesungen schließlich vorbei sind, trifft sich Fynn mit ihrer Freundin Michelle in einer Tapas Bar. Michelle ist ihre beste Freundin und stets gut gelaunt. Das mochte Fynn sehr an ihr. Es ging nichts über einen Abend mit Michelle, um wieder gute Laune zu bekommen.

Sie setzen sich an einen Tisch am Fenster und bestellen gemischte Tapas. Michelle schaut Fynn erwartungsvoll an: „Und?“

Fynn stützt ihren Kopf auf ihre Hand und seufzt.

„Nun sag' schon! Hast du es ihm gesagt?“ Michelle platzt fast vor Neugier.

„Ja, ich war bei ihm und habe Schluss gemacht. Es ist jetzt offiziell vorbei.“

Michelle kriegt ihren Mund kaum zu: „Nun lass' mich doch nicht so zappeln! Ich will Details!“

Fynn fängt an, an dem Schirmchen ihres Cocktails zu spielen: „ Na ja, er war nicht sehr begeistert.“

Michelle nimmt einen Schluck: „Na, das war ja zu erwarten. Aber wie schlimm war es?“

Fynn kräuselt die Stirn: „Ziemlich schlimm.“ Sie nimmt auch einen Schluck. „Er wollte mich bei sich einsperren, bis ich es zurücknehme.“

Michelle reißt die Augen auf: „Im Ernst? Ist ja krass.“ Sie rührt in ihrem Cocktail und ist sich nicht sicher, was sie sagen soll.

„Und das war nicht mal das Schlimmste.“ Michelle schlürft weiter an ihrem Getränk und starrt Fynn gebannt an.

„Als ich dann dennoch gehen wollte, hat er mich am Hals gepackt und gegen die Tür gedrückt.“ Fynn betrachtet die Erdbeere, die an ihrem Cocktailglas zur Deko steckt. „Er meinte, ich gehöre ihm.“

Michelle fällt der Strohhalm aus dem Mund: „Ist nicht wahr!“

Fynn seufzt: „Leider doch.“

„Wow. Das ist echt mies.“

„Du sagst es.“ Fynn legt den Kopf auf den Tisch und spielt weiter mit ihrem Cocktailschirmchen.

„Aber das ist nicht das einzige, oder?“ Michelle spürt, dass Fynn bedrückt ist. „Du hast doch noch irgendwas?“

„Ach, nichts weiter Wichtiges. Uni war einfach wieder so langweilig. Ich habe schon jeden Morgen richtig Bauchschmerzen aufzustehen und dahin zu gehen.“

„Warum gehst du denn noch hin? Jeder weiß, dass du Uni scheiße findest. Mach' doch einfach was anderes.“

„Würd' ich ja gern.“, Fynn seufzt. „Aber meine Mutter wäre total enttäuscht, wenn ich das nicht durchziehe.“

„Ich bin mir sicher, wenn sie dich so sehen würde, würde sie das auch nicht wollen.“ Fynn hebt den Kopf: „Meinst du?“

„Klar!“ Michelle nimmt noch einen tiefen Schluck. „Du musst damit aufhören dein Leben so zu gestalten, wie du denkst, dass andere es wollen. Du bist der einzige, dem dein Leben gefallen muss.“ Sie zwinkert Fynn zu. Fynn ist nachdenklich. Michelle hatte schon Recht.

„Niemandem wird es nützen, wenn du unglücklich bist, auch nicht deinen Eltern.“

„Vermutlich hast du Recht.“ Fynn nimmt auch einen tiefen Schluck.

„Klaro hab' ich das!“

Der Kellner bringt die Tapas und stellt sie in die Mitte auf den Tisch.

„Also dann, hau' rein!“ Fynn nickt. Sie fangen an zu essen und Fynn fängt an sich mit dem Gedanken anzufreunden ihr Leben endlich so zu gestalten, wie sie selbst es für richtig hält.
 

Als Fynn nach Hause kommt, sitzen ihre Eltern auf der Couch und schauen Fernsehen. Sie will still in ihrem Zimmer verschwinden, als ihre Mutter sie bemerkt: „Guten Abend Kind. Sagst du uns nicht mehr „Hallo“?“ Sie muss wohl einen schweren Tag gehabt haben.

„Ich bin zu Hause. Hatte einen schlechten Tag. Ich geh direkt schlafen.“

„Wieso, was war denn los?“ Ihre Mutter dreht sich um und schaut Fynn an, die in der Wohnzimmertür steht.

Fynn ist eigentlich nicht gerade nach einem Gespräch mit ihren Eltern, aber sie wusste, dass sich ihre Mutter auch nicht so leicht abwimmeln lässt. Also, möglichst genauso viele Informationen rauslassen wie nötig, aber auch nicht mehr.

„Ach, anstrengender Tag in der Uni... der Stoff ist sehr trocken.“

Ihre Mutter dreht sich wieder zum Fernseher: „So ist das nun mal, wenn man Erfolg haben möchte. Das Leben ist kein Ponyhof!“

Fynn kräuselt ihre Stirn: „Ich denke nicht, dass man etwas super Langweiliges machen MUSS, um Erfolg zu haben. Man kann mit fast allem Erfolg haben.“

„Aber für fast Alles bezahlt dich keiner.“

Ach, es machte nicht viel Sinn sich mit ihr über so was zu unterhalten. Für ihre Mutter war die Uni das einzige, was einen zu einem „richtigen Arbeiter“ qualifiziert. Dennoch wollte Fynn das diesmal nicht hinnehmen. Nicht heute!

„Weißt du Mama, man muss nicht studieren, um gutes Geld zu verdienen. Und überhaupt: Wieso muss man überhaupt viel Geld verdienen? So lange man glücklich ist, ist das doch vollkommen egal!“

Fynns Mutter dreht sich wieder zu ihr um: „Rechnungen muss man immer bezahlen und dafür braucht man Geld. Dann noch die Lebenshaltungskosten, ein Auto usw. Das kostet Alles viel Geld.“

Fynn schüttelt energisch den Kopf: „Das kostet so viel Geld, wie man bereit ist dafür auszugeben. Man braucht nicht unbedingt ein Auto und auch nicht unbedingt eine teure Wohnung. Du bist so materialistisch.“

Ihre Mutter wird langsam sauer. „Was willst du mir erzählen Fynn? Du hast doch in deinem Leben noch nie wirklich gearbeitet und Rechnungen bezahlt. Du hast doch keine Ahnung davon, willst uns aber belehren.“ Wie immer zog sie Fynns Vater mit in die Diskussion rein, obwohl er gar nichts sagte. Wie meistens, hielt er sich bei diesen Diskussionen zurück.

„Ich will dich nicht belehren, sondern dir eine neue Perspektive eröffnen, aber dafür bist du anscheinend zu verbohrt.“ Normalerweise achtete Fynn auf ihre Ausdrucksweise aber nach all den Jahren der Diskussion hatte sie einfach die Nase voll.

Ihrer Mutter platzt der Kragen: „Ich muss mich von meiner 20 Jährigen Tochter wirklich nicht belehren lassen und schon gar nicht beleidigen! Wir bezahlen dich und dein Leben, also habe gefälligst etwas Respekt vor uns!“

Fynn brüllt zurück: „Ich habe euch nie darum gebeten mich auszuhalten! Ich würde ohnehin viel lieber arbeiten als dieses dumme Studium zu machen!“

Ihre Mutter ist empört: „Dieses „dumme“ Studium wird dir mal viel Geld einbringen!“

„Das weißt du doch gar nicht und außerdem brauche ich das nicht!“

„Na dann mach' doch ,was du willst. Mein Latein mit dir ist eh am Ende. Sag' doch auch mal was.“, plötzlich dreht ihre Mutter sich zum Vater, der ein ertapptes Gesicht macht. Seine Stirn legt sich in Falten: „Ich halte mich da raus.“

Das regt Fynns Mutter nur noch mehr auf: „Du weißt doch sowieso nicht, was du sonst machen sollst.“

„Doch!“, ruft Fynn ohne Nachzudenken. Allerdings hatte ihre Mutter Recht, sie hatte keinen Plan. Sie hatte sich darüber noch nie Gedanken gemacht.

„Ach ja? Was denn?“, fragt ihre Mutter spöttisch. Fynn muss an ihre Zeichnungen im Heft denken. Etwas anderes fällt ihr gerade nicht ein: „Farmer!“, erwidert sie so bestimmt wie möglich. Alle halten inne. Eine gespenstische Stille entsteht. Da fängt Fynns Mutter plötzlich laut an zu lachen: „Hahahahaha. Bäuerin? DU? Wieso nicht gleich Kaiser von China?“

Sie nimmt Fynn überhaupt nicht ernst, so wie immer. Fynns Augen füllen sich mit Tränen; teils aus Wut, teils aus Trauer: „Du wirst schon sehen!“

Sie rennt auf ihr Zimmer und knallt die Tür zu. Sie schmeißt sich auf ihr Bett und drückt schmollend ihr Gesicht ins Kissen. Die Meinung ihrer Mutter, dass man von Jüngeren nichts lernen kann, brachte Fynn immer zur Weißglut.

Ein ungewohnter Geruch steigt ihr in die Nase. Sie hebt den Kopf und sieht einen Blumenstrauß auf ihren Schreibtisch stehen. Sie steht auf und nähert sich ihm skeptisch. Es ist keine Karte dran, aber ihr ist klar, wer ihr den gebracht hat. Sie verzieht den Mund. Sie nimmt die Blumen und will sie in den Müllkorb schmeißen. Als sie die Blumen über den Eimer hält, hält sie inne. Ihr tut es um die schönen Blumen leid. Sie mochte Blumen und sie konnten nichts dafür, wer sie gekauft hatte. Sie seufzt und stellt sie wieder zurück. Wäre schade drum. Dennoch machen ihr die Blumen eins klar: Cameron würde sie nicht so ohne Weiteres in Ruhe lassen. Er wusste Alles über Fynn: Wo sie wohnt, wo sie studiert, wo sie gerne isst, wer ihre Freunde sind... einfach Alles. Um ihm zu entgehen, gab es nur eine Möglichkeit: Von hier weg gehen. Fynn kaut sich auf der Lippe herum und denkt angestrengt nach. Wahrscheinlich würde ihr auch Abstand von ihren Eltern gut tun. Um ihnen zu beweisen, dass sie es auch alleine ohne Probleme schafft, gab es wahrscheinlich keine Alternative.

Sie setzt sich an den Schreibtisch und klappt ihren Laptop auf. Farmer, hm? Wieso eigentlich nicht? Sie liebte die Natur und Tiere. Als Kind hatte sie oft Urlaub auf Bauernhöfen gemacht und immer gerne mitgeholfen. Aber dafür braucht man bestimmt viel Geld. Man muss sich ein Grundstück kaufen, Ackerland, Maschinen usw. Das hatte sie leider nicht.

Fynn surft die halbe Nacht im Internet auf der Suche nach Optionen. Da stolpert sie über eine Ausschreibung: Farmer gesucht! Sie studiert die Anzeige und sie passt perfekt. Man muss wenig investieren und kann quasi direkt anfangen. Man muss allerdings umziehen und kann direkt seinen eigenen Hof führen. Noch etwas in Rage über ihre Mutter und Anspannung wegen ihrem Ex – Freund bewirbt sie sich direkt. Sie rechnet sich keine hohe Chancen aus, aber versuchen kann man es ja mal.
 

Die nächsten Tage verbringt Fynn hauptsächlich in der Uni. Ihre Mutter tut so, als hätte es ihren Streit nie gegeben und Fynn versucht sich auf die kommenden Prüfungen vorzubereiten. Jeden Tag surft sie im Internet und recherchiert, was genau zum Farmerleben dazugehört. Mit jeder Recherche - Session, die sie macht, wird der Gedanke an ein leben als Bäuerin attraktiver. Von ihrer Bewerbung hört sie jedoch nichts.

Am Freitag Abend will Michelle mit Fynn in eine Bar gehen. Fynn ist kein großer Partymensch, aber Michelle ist es und so geht sie mit, um Michelle eine Freude zu machen. Als sie sich fertig macht, wird ihr ein bisschen mulmig. Sie hatte des öfteren in den letzten Tagen das Gefühl gehabt, dass Cameron sie beobachtet. Sie war sich allerdings nicht sicher gewesen und hatte es deswegen niemandem erzählt. Cameron hatte sich im letzten Jahr so sehr verändert. Dass sie mal Angst vor ihm haben könnte, hätte sie nie gedacht.

Als sie in der Bar ankommen, ist schon gut was los. Wie immer ist Michelle in bester Feierlaune und stürzt sich sofort ins Getümmel. Fynn geht zur Bar und bestellt sich und Michelle etwas zu trinken. Wenn Michelle einmal auf der Tanzfläche war, war es erfahrungsgemäß schwierig sie da wieder runter zu kriegen und so freundet Fynn sich mit einem Barhocker an, der am Ende der Bar steht.

Während Fynn an ihrem Drink nippt, beobachtet sie Michelle beim Tanzen. Sie hatte es ihr nie gesagt, aber sie bewunderte Michelle dafür so ausgelassen sein zu können. Ihr schwebten so viele Gedanken im Kopf herum, dass es ihr schwer viel sich zu entspannen.

Da stellt ihr der Barmann plötzlich ein Getränk vor die Nase, das sie gar nicht bestellt hatte. Sie schaut ihn verwirrt an. Dieser nickt freundlich und sagt: „Jemand möchte ihnen einen ausgeben.“ Er zwinkert und widmet sich weiter seiner Arbeit. Fynn ist nach wie vor verwirrt und betrachtet den Drink. Es ist ein Sahne - Cocktail, so wie sie ihn am liebsten mochte. Sie gönnte sich so was jedoch nicht oft, weil er so teuer war. Angespannt schaut sich Fynn um. Sie hat Angst, dass Cameron es war, doch sie kann ihn nicht entdecken. Da trifft ihr Blick sich mit dem eines anderen, jungen Mannes, der ihr zuprostet und lächelt. Fynn ist erleichtert. Es ist nicht Cameron. Der junge Mann kommt zu ihr herüber geschlendert: „Guten Abend, schöne Frau.“ Fynn lächelt etwas zerknirscht zurück. Ihr Herz schlägt ihr noch immer bis zum Hals bei dem Gedanken auf Cameron zu treffen. „So ganz alleine hier?“

Fynn schüttelt mit dem Kopf und lächelt leicht: „Oh nein. Ich bin mit der Party Queen schlechthin hier.“ Sie zeigt auf Michelle, die eine flotte Sohle auf's Parkett legt. Der Mann lacht: „Ja, da würde ich mich auch eher hierher verziehen. Meine Begleitung sieht ähnlich aus.“ Er zeigt auf einen jungen Mann, der zusammen mit anderen, um Michelle herum versucht mit ihr zu tanzen. Fynn lacht. Das passte in der Tat sehr gut.

„Vielen Dank für den Cocktail.“ Der Mann lächelt und schüttelt mit dem Kopf: „Gerne geschehen. Du sahst ein bisschen niedergeschlagen aus. Dem wollte ich entgegen wirken.“ Sie stoßen an und trinken einen Schluck. Gerade als Fynn den Schluck im Mund hat und anfängt zu entspannen, sieht sie Cameron hinter dem Mann. Er packt ihm energisch mit der Hand auf die Schulter: „Hast du mit meiner Freundin irgendwas Bestimmtes zu schaffen?“ Sein Ton ist ruhig und kühl. Seine große Erscheinung wirft einen bedrohlichen Schatten auf die beiden.

„Nein, nein, Alles cool. Ich habe ihr nur ein bisschen Gesellschaft geleistet, während sie alleine war.“ Der Mann steht auf und macht eine abwehrende Geste.

Fynn verschluckt sich an ihrem Getränk. Der Mann geht und Cameron setzt sich auf seinen Platz. Fynn klopft sich auf die Brust. Sie hatte gewusst, dass er nicht weit sein kann. Sie will aufstehen und gehen, doch Cameron hält sie an der Hand fest und zieht sie auf den Sitz zurück. Er rutscht nah an sie heran und legt seinen linken Arm über ihre Schultern. Seim Druck verhindert, dass sie aufstehen kann.

Er dreht seinen Kopf nah an ihren, damit nur sie ihn verstehen kann. Er nimmt ihr außerdem die Sicht auf den Großteil der Bar.

„Was soll das? Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht mehr sehen will.“ Seine stahlblauen Augen schauen sie an. Sie sind wie beim letzten Mal wunderschön und kühl. Fynn kriegt Gänsehaut auf den Armen.

„Unser Gespräch war noch nicht vorbei.“

„Doch, war es!“ Fynn will sich lösen, doch Cameron drückt sie mit dem Arm auf den Sitz.

„Ich habe dir noch was zu sagen.“ Er dreht mit seiner linken Hand ihren Kopf ein bisschen zu ihm und stützt seinen Kopf leicht auf seine rechte Hand.

„Wir gehören zusammen. Das haben wir schon immer und werden wir auch immer. Ich finde es schade, dass du das für den Moment vergessen hast, aber ich bin mir sicher, dass du es bald wieder erkennst.“

Fynn läuft es kalt den Rücken herunter. Wie konnte man nur etwas Schönes in dieser Art und Weise sagen? Sein Ton war so... besessen. Es war ganz seltsam; gar nicht so wie sie es von früher in Erinnerung hatte.

„Lass mich los, sonst schreie ich!“ Fynn will nur raus aus dieser Umarmung.

„Keine Sorge. Ich werde es dir wieder klar machen. Du wirst bald wieder an meiner Seite sein und wir werden über diesen Vorfall lachen können.“

Er nimmt mit der rechten Hand ihre linke Wange, dreht ihren Kopf zu sich und küsst sich auf den Mund. Fynn ist wie gelähmt. Sie hofft einfach, dass es bald vorbei ist. Nach dem Kuss streichelt er ihr sanft über die Wange und schaut ihr tief in die Augen: „Du wirst schon sehen!“

Mit diesem Worten steht er auf und verlässt die Bar.

Fynn ist wie erstarrt. Ihr ist kalt und sie zittert.

„Fynn, Alles in Ordnung?“ Fynn starrt auf den Sitz, auf dem Cameron gerade gesessen hatte. Michelle war von der Tanzfläche herüber gekommen und stand jetzt neben ihr: „Ich habe gerade Cameron raus gehen sehen. Was ist passiert?“ Sie schaut besorgt und hat schon so eine Ahnung, was das Problem ist.

Fynn schüttelt den Kopf: „Tut mir leid, Michelle, aber können wir gehen? Ich will nur weg.“

Michelle nickt: „Aber natürlich. Ich hole unsere Jacken!“ Sie springt schnell rüber zur Garderobe. Fynn steht auf. Dieser Blick von Cameron geht ihr nicht aus dem Kopf. Er war so kalt und bestimmt. Alleine bei dem Gedanken daran, läuft ihr ein kalter Schauer über den Rücken.

Michelle gibt ihr die Jacke und sie bringt Fynn heim. Auf dem Weg erzählt Fynn ihr, was passiert ist. Michelle ist sprachlos. Sie sagt Fynn, dass sie sich erst mal ausruhen soll.

„Alles wird wieder gut. Du wirst sehen.“

Fynn hatte diese Worte als Floskel abgehakt, doch als sie nicht schlafen kann, geht sie noch mal an ihren Laptop. Sie hat eine neue Mail. Es ist eine Antwort auf ihre Bewerbung. Sie fällt vom Glauben ab. Ihre Bewerbung wurde angenommen. In der Mail stehen alle Formalien und der weitere Ablauf drinnen. Es soll mehr oder weniger direkt losgehen, sobald sie bestätigt. Sie lässt sich zurück in ihren Stuhl fallen und starrt auf den Bildschirm. Damit hatte sie ja nun gar nicht gerechnet. Michelle hatte wirklich Recht gehabt. Einige Minuten sitzt sie regungslos auf ihrem Stuhl und starrt auf den Laptop. Das war vielleicht die wichtigste Entscheidung ihres Lebens. Sollte sie es wirklich wagen? Weg aus ihrem gewohnten Umfeld, von ihrem Studium und ihren Eltern in ein Leben, von dem sie eigentlich nichts verstand; von dem sie gar keine wirkliche Vorstellung hatte?

Da kommen ihr wieder die Augen von Cameron in den Sinn und ihre Mutter, die überhaupt kein Vertrauen in ihre Tochter hatte. Fynn kneift die Augen zusammen und setzt eine entschlossene Mine auf. Sie richtet sich auf und antwortet auf die Mail mit einer Bestätigung. Vor dem Klick auf „Absenden“ hält sie noch mal kurz inne. Aber egal wie sehr sie es dreht und wendet: Alles in ihr schreit, dass es richtig ist und so schickt sie die Bestätigung schließlich ab. Sie lehnt sich zufrieden zurück. So ein positives Gefühl hatte sie schon lange nicht mehr gehabt.

Sie geht ins Bett und schläft schnell ein.
 

Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Sie muss einige organisatorische Dinge erledigen. Ihre Eltern sind außer sich, als sie die Information bekommen. Fynn formuliert es nicht mal wie eine Frage, sondern informiert sie lediglich über ihre Entscheidung; die Meinung ihrer Eltern kennt sie ohnehin schon.

Außer Michelle und ihren Eltern erzählt sie niemandem davon. Sie meldet sich auf Facebook ab, meldet der Uni, dass sie nicht mehr kommt und packt ihre sieben Sachen.

Am Vorabend ihrer Abreise ist sie dermaßen aufgeregt. Alles was sie mitnimmt sind ein paar Taschen mit Klamotten, Kuscheltieren und ihr Laptop. Sie hatte von einer gewissen Veronica eine Karte zugeschickt bekommen und eine Wegbeschreibung. Der Ort zu dem sie wollte hieß Eichbaumhausen. Sie musste eine ganze Weile mit dem Zug fahren und danach noch mit dem Bus. Es war wirklich am Arsch der Welt, aber genau dort wollte Fynn auch hin!

Am nächsten Morgen, es ist fast noch in der Nacht, bringt ihr Vater sie zum Bahnhof. Von ihrer Mutter hatte sie sich vorab schon verabschiedet. Sie war noch immer eingeschnappt und wollte deswegen nicht mitkommen. Fynn wusste nicht genau warum, aber vermutlich konnte sie es nicht ertragen, dass Fynn das Ganze wirklich in die Tat umsetzte. Fynn war sich sicher, dass sie am Ende stolz sein würde.

Michelle kam mit zum Bahnhof um sich zu verabschieden.

Am Bahnhof angekommen, parkt ihr Vater den Wagen und geht mit ihr und Michelle zum Gleis. Fynn ist so dermaßen aufgeregt und ist froh, dass die beiden da sind. Nach ca. 20 Minuten fährt der Zug in den Bahnhof ein. Es geht los.

Sie drückt ihren Vater und Michelle fest. Ihr Vater hat ein bisschen Tränen in den Augen: „Pass gut auf dich auf mein Kind. Und ruf' uns an, wenn du da bist.“

„Klar, mach ich!“

„Ich bin sicher, dass du das rockst!“ Michelle ist fast genauso aufgeregt wie Fynn, hat aber vollstes Vertrauen zu ihr. „Ich komm dich mal besuchen, wenn du dich eingelebt hast. Und solltest du irgendwann Pferde haben, bin ich eh direkt vor Ort.“ Michelle zwinkert. Sie liebte Pferde.

Fynn lacht. „So, ich muss jetzt.“ Beide nicken. Ihr Vater hilft ihr noch beim Verladen der Koffer. Fynn steigt ein und sucht ihren Platz. Sie war noch nie alleine verreist oder länger von zu Hause weggeblieben; direkt ins kalte Wasser.

Sie setzt sich und drückt ihre Nase am Fenster platt. Michelle und ihr Vater stehen da und fangen an zu winken, als der Zug sich langsam in Bewegung setzt. Fynn winkt auch, so lange, bis sie den Bahnhof am Horizont verschwinden sieht.

Sie lässt sich in den Sitz fallen und betrachtet die Karte, die sie die ganze Zeit fest in der Hand hält. Sie hat keine Ahnung, was sie genau erwarten wird, aber eins ist Fynn klar: Die Entscheidung, die sie getroffen hat, wird sicher nicht leicht, aber sie war richtig. Jetzt konnte sie endlich ihr eigenes Leben anfangen zu leben und nicht das eines anderen.

Ankunft

„Liebes Tagebuch,

heute habe ich mich auf den Weg gemacht Farmerin zu werden und mein altes Leben hinter mir zu lassen. Meine Eltern waren nicht begeistert. Ich glaube, sie hatten bis zuletzt gehofft, dass ich diese Idee nicht in die Tat umsetze, insbesondere meine Mutter. Die war vielleicht sauer, als ich das Haus verlassen habe. Sie wollte nicht mal mit zum Busbahnhof kommen. Aber es ist mir egal! Ich weiß, dass es der richtige Schritt ist. Sie werden sich schon damit arrangieren. Ich bin dermaßen aufgeregt. Ich weiß noch nicht mal, wo ich genau wohnen werde. Nur, dass es ein Bauernhof ist...“

 

„Nächster Halt: Eichbaumhausen!“

 

„... es geht los!“

 

Mit quietschenden Reifen kommt der Bus an der Haltestelle zum Stehen. Fynn schnappt sich ihre Koffer und schiebt sich schnell aus der Tür nach draußen. Kaum ist ihr zweiter Fuß auf dem Boden, fährt der Bus wieder los. Als hätte der Busfahrer es mehr als eilig hier wieder wegzukommen. Fynn ist die einzige, die an dieser Haltestelle aussteigt. Sie sieht sich um. Ein paar hundert Meter weiter sieht sie das Stadttor von Eichbaumhausen. Es ist groß und mit Gold verziert. Obwohl es offen steht, sieht sie niemanden hindurch laufen. Sie atmet tief ein. Ihr neues Leben beginnt! Es riecht nach Hoffnung und Abenteuer… und ein bisschen nach Dung. Voller Elan schnappt sie ihre Koffer und schreitet Richtung Tor. Am Tor angekommen lässt sie die Koffer fallen. Fynn schnauft kräftig. „Gott, sind die schwer.“ Sie schaut sich um. Hinter dem Tor liegt der Marktplatz. Er ist groß und prächtig, jedoch vollkommen leer. Fynn ist die einzige Person dort. Sie ist überrascht. Sie wusste bereits, dass das Dorf Probleme hat, aber dass sie derart schwerwiegend sind, das hatte Fynn nicht gedacht. Andrerseits hatte das Dorf nicht mal eine Internetpräsenz. Woher soll die Popularität also kommen? Sie zieht eine Broschüren aus ihrer Tasche. Die Gildenleiterin hatte sie ihr geschickt, zusammen mit einem Brief. Sie schaut auf die Karte. Das Gildenhaus, in dem sie sich vorstellen soll, befindet sich in der Mitte des Dorfes. Sie atmet tief durch. „Also los!“

Sie hievt die Koffer wieder auf ihre Schulter. Sie sind sehr schwer, sehr schwer. Nach ein paar Schritten setzt sie sie wieder ab. Schweißperlen laufen ihr über die Stirn. Die Koffer wiegen bestimmt eine Tonne.

„Man, wenn ich es nicht mal schaffe meine Koffer zu tragen, wie soll ich dann eine Farm betreiben?“ Sie sieht sich ihre Koffer an und kratzt sich am Kopf. „Vielleicht wenn ich sie…“ Sie stapelt die Koffer übereinander und hebt sie mit beiden Armen vor den Bauch. Zufrieden nickt sie. „So ist’s besser.“

Langsam geht sie weiter. Sie versucht die Kraft aus dem Rücken zu nehmen. Allerdings verdeckt der Kofferstapel ihr Sichtfeld. Wer braucht schon Sicht? Sie versucht an den Koffern vorbei auf den Weg zu spähen. Die Arme fangen an zu zittern. Nur noch ein kleines Stück! Der Stapel gerät ins Wanken. „Oh oh…“ Mit diesen Worten stürzt ihr Kofferberg um, bringt sie aus dem Gleichgewicht und Fynn fällt mit einem großen Knall auf ihren Hintern. Sie wirbelt eine große Staubwolke auf. „Auutsch.“, ächzt sie. „Diese verdammten Koffer. Wieso musste meine Mutter darauf bestehen so viel mitzunehmen?“ Lautstark macht sie ihrem Ärger Luft, nicht merkend, dass sich ein junger Mann nähert.

„Oh, guten Tag.“, ertönt plötzlich eine männliche Stimme zu ihrer Seite.  Fynn zuckt zusammen. Sie schnellt ruckartig herum. Vor ihr ist eine kleine Treppe. Auf halbem Wege steht ein junger Mann. Seine braunen Haare glänzen im Sonnenschein. Er trägt eine Art Kellner Uniform und schaut Fynn erwartungsvoll an, die noch immer auf ihrem Allerwertesten im Dreck sitzt. „Äh..“, stammelt Fynn. Guter erster Aufritt! Der junge Mann steigt die letzten drei Stufen hinab und reicht ihr seine Hand entgegen. „Darf ich dir aufhelfen?“ Freundlich lächelnd streckt er ihr seine Hand entgegen. „D – Danke.“ Fynn nimmt seine Hand und kommt wieder auf die Beine. Sie läuft rot an. Der junge Mann sieht wirklich gut aus. Verschämt schaut sie zu Boden. Das muss ja ein toller erster Eindruck sein, den sie macht. Wie ein dummer Bauerntrampel, der nicht mal ein paar Koffer tragen kann. „Mein Name ist Raeger.“, sagt der junge Mann, noch immer mit einem niedlichen Lächeln auf den Lippen. Er scheint amüsiert. „Mir gehört das Restaurant dort drüben.“ Er zeigt auf ein Haus mit einer rot – weiß gestreiften Marquise. Erwartungsvoll dreht er sich zu ihr. „Ich bin Fynn.“, antwortet sie etwas beschämt und schaut nur kurz zu ihm auf.

„Ach!“ Raeger scheint den Namen zu kennen. „Dann bist du die neue Farmerin?“ Er scheint sichtlich erfreut. Fynn schaut ihn etwas fragend an. Auf dem Dorf spricht sich neuer Zuwachs vermutlich schnell herum. „Genau, das bin ich.“, lächelt sie zögerlich. Vermutlich ist sie die neue Attraktion hier im Dorf. Was soll’s. Raeger grinst. „Sehr mutig von dir, so einen Schritt zu gehen. Dann suchst du bestimmt die Gilde oder?“ Fynn horcht auf. „Genau!“, ruft sie etwas zu laut. „Ich soll bei einer gewissen Veronica vorstellig werden.“ Sie streckt Raeger die Broschüre entgegen. Wieder setzt er sein freundliches Lächeln auf.

„Verstehe. Ich geleite dich gerne hin, wenn du möchtest. Es ist nicht weit.“ Er schaut die Treppe hinauf.

„Das wäre wirklich toll.“ Fynn ist entzückt.

„Na dann los.“ Raeger schnappt sich die Koffer. Fynn wird ganz verlegen. „Nein, du brauchst meine Koffer nicht tragen, das mach‘ ich schon!“ Sie fängt an halbherzig an den Koffern zu ruckeln. Raeger grinst. „Überlass‘ das ruhig mir. Wir wollen doch, dass du in einem Stück ankommst.“ Amüsiert zwinkert er Fynn zu und geht die Treppe hinauf. Er hält sie wohl wirklich für einen Bauerntrampel… Na ja, dafür muss sie die Koffer nicht tragen! Vergnügt springt sie hinter Raeger mit der letzten Tasche hinterher die Treppen hinauf.

Er ist bereits ein Stück weiter und steht vor einem großen Haus mit einer Doppeltür. Ein Schild prangt an der Tür mit einem goldenen Schriftzug: „Gilde“.

„Hier ist es.“ Er nickt Fynn zu. Sie macht die Tür auf. Vor ihr sieht sie eine hölzerne, große Theke, mit einer Klingel. Vermutlich die Rezeption, die allerdings nicht besetzt ist. Links von ihr geht eine Treppe hinauf. Ein kleines Schild sagt „Privatbereich“. Es scheint, da oben wohnt jemand. Zu ihrer Rechten ist ein großer Tisch mit Stühlen und viele Pflanzen, fast wie in einem Wartezimmer. Fynn geht langsam auf die Rezeption zu. Es riecht angenehm nach Holz. Keine Menschenseele ist zu sehen, genau wie auf dem Marktplatz. An der Rezeption vorbei, im hinteren Bereich des Raums, ist eine Tür. Über der Tür ist ein rotes Kreuz angebracht. Was nun?

„Du solltest die Klingel betätigen.“ Raeger ist bereits neben ihr und stellt die Koffer ab. Gott, ist der leise. Fynn nickt und klingelt. Eine weibliche Stimme ruft aus dem Zimmer schräg hinter der Theke: „Komme sofort!“

„Ich muss wieder los.“ Fynn schnellt herum. Raeger ist wieder zur Tür gelaufen. „Ich muss noch Einkäufe für das Restaurant machen.“ Raeger öffnet die Tür und dreht sich zu Fynn herum.

„Ja, natürlich.“ Fynn nickt. „Vielen Dank für die Hilfe. Ohne dich würde ich bestimmt immer noch im Dreck liegen.“ Ihr ironischer Unterton bringt Raeger zum Lächeln. „Keine Ursache. Wir werden uns bestimmt wiedersehen.“ Die Tür schließt sich und Stille kehrt ein.

„Hallo!“ Fynn erschrickt und fährt herum. Hinter ihr steht eine Dame in einem dunkelblauen, hochgeschlossenen Kleid. Ihre langen, braunen Haare sind in einen Dutt gebunden. Sie lächelt förmlich und mustert Fynn. Sind in dieser Stadt alle Ninjas? Keiner macht Geräusche.

„Äääh…“ Fynn kramt schnell in ihrer Tasche. Etwas eingeschüchtert streckt sie der Frau die Broschüre entgegen. „Ich bin die neue Farmerin.“ Das förmliche Lächeln wandelt sich in ein freundliches Lächeln. „Ah, sehr schön. Ich habe dich bereits erwartet.“ Die Dame geht zu der hölzernen Theke und holt ein Schriftstück hervor. Stumm blättert sie darin herum. Fynn steht etwas verloren daneben und weiß nicht, was sie sagen soll. Nach ein paar Minuten ergreift Fynn das Wort: „Das Gildenhaus ist wirklich schön. Sehr… holzig.“ Kaum hat sie diese Worte ausgesprochen schüttelt sie sich. Das klang jetzt nicht so positiv, wie es eigentlich gemeint war. Fynn ist nicht sehr gut in initialer Kommunikation.

„Danke.“ Sagt die Frau emotionslos, ohne von ihrem Blatt aufzuschauen. Fynn fängt an auf der Stelle zu wippen. Lieber nichts mehr sagen, dann kann sie auch nichts Dummes von sich geben. „Sehr gut, hier sind alle Dokumente drinnen. Dann mal los.“ Sagt die Frau und verschwindet im Hinterzimmer. Fynn ist verwirrt. War das eine Herausforderung mitzugehen? Oder soll sie warten? Fynn versucht in den Raum zu spähen, in dem die Frau verschwunden ist: Ein Tisch, ein Stuhl, Bücherregale; nichts Aufschlussreiches ist zu sehen. Da kommt die Frau auch schon wieder heraus, einem Rollwagen schiebend. „Mein Name ist Veronica. Ich leite die Gilde. Von mir ist das Ausschreiben für den Bauernhof gewesen. Wir suchen jemanden, der anpacken möchte und mit uns dieses Dorf zu einem besseren Ort machen will. Ich habe dich ausgewählt, weil ich aus deiner Bewerbung entnommen hatte, dass du motiviert bist und etwas bewegen möchtest. War dieser Eindruck richtig?“ Veronicas Tonfall ist neutral, aber ihr Blick ist durchdringend. Als würde sie eine Lüge sofort entlarven. Fynn schluckt. „Ja, so ist es.“ Sie versucht so gerade zu stehen wie möglich. Veronicas Präsenz wirkt nicht bedrohlich, aber etwas einschüchternd. Sie lächelt leicht. „Gut.“ Mit einem gekonnten Schwung hievt sie die Koffer alle auf den Wagen. „Dann folge mir. Ich zeige dir dein neues zu Hause.“ 

 

Fynn und Veronica laufen auf einem Feldweg Richtung Berggebiet. Fynn läuft hinter Veronica, die den Wagen hinter sich herzieht. Der Weg ist zu schmal, um gut nebeneinander laufen zu können. Die Luft ist frisch und klar. Der blumige Geruch zeugt vom nahenden Frühling. Zu ihrer Linken befindet sich ein großes Reisfeld, mit einem kleinen Fluss dahinter. Auf dem Feld arbeiten mehrere Leute. Sie kümmern sich um die Reispflanzen. Fynn zählt: Es sind genau 13 Arbeiter. Fynn zieht sie Augenbraue hoch. Es sieht nicht so aus, als würde jemandem von ihnen das Feld gehören.

"Das sind Elises Reisfelder.", sagt Veronica ohne sich umzuschauen. "Sie steckt viel Arbeit rein. Deswegen wachsen die Pflanzen so gut." Fynn betrachtet die Arbeiter auf dem Feld. "Wohl eher ihre Arbeiter.", antwortet sie mit einem ironischen Unterton. Sie beißt sich auf die Lippe. Vielleicht sollte sie solche Gedanken nicht direkt am ersten Tag äußern. "In der Tat, sie Arbeiter tragen auch viel dazu bei. Die sollte man nicht vergessen." Veronica schreitet weiter voran ohne sich umzudrehen. Fynn dreht ihren Kopf zum Feld. Keiner der Arbeiter guckt zu ihr hinauf. Elise gehören diese Arbeiter also? Die muss ja Geld wie Heu haben. Was verschlägt jemanden mit so viel Wohlstand in ein Kaff wie dieses?

Fynn fängt an schwer zu atmen. „Das bist du nicht gewöhnt, was?“ Fynn glaubt einen amüsierten Unterton in Veronicas Stimme zu bemerken. Heute ist wirklich nicht ihr Tag. „So einen langen Marsch in die Berge meine ich.“ Fynn atmet tief ein. „In der Tat. Aber ich schaffe das!“ Entschlossen setzt sie einen Fuß vor den anderen und stampft dabei demonstrativ auf. Veronica lächelt still und unbemerkt.

 

Nach einer Weile kommen die beiden bei einem schönen Holztor an. Fynn hört aus der Entfernung eine Kuh muhen. Hinter dem Tor steht ein kleines, niedliches Haus. Ein schmaler Steinweg führt zum Eingang des Hauses. Es ist schön hergerichtet und die ersten Blumen sprießen aus den Kästen. Um das Haus herum sind einzelne, angelegte Felder. Hinter dem Haus erspäht Fynn einen Stall, der vom Haus verdeckt wird. Zwei Hühner stolzieren über den Hof.

„Wir sind da.“ Veronica zeigt auf das Häuschen. Fynn ist aufgeregt.

„Hallo ihr beiden.“, ertönt eine weibliche Stimme von einem entfernten Feld. Eine kleine Gestalt wird deutlicher. Es ist eine alte, rundliche Dame mit einem freundlichen Lächeln. Sie läuft etwas gebückt und hat Erde an den Händen.

"Hallo Eda. Das hier ist Fynn, unsere neue, angehende Farmerin." Fynn verbeugt sich höflich. "Guten Tag."

"Ach, was bist für ein höfliches Mädchen." Eda lacht. „Kennst du dich denn mit Farmarbeit aus mein Kind?“ Eda schaut Fynn interessiert an.

„Ähm, na ja…“ Fynn kratzt sich verlegen am Kopf. „Ich habe mir einiges aus dem Internet rausgesucht und mein Großvater hatte sowas wie einen Bauernhof. Da war ich, als ich kleiner war.“

„Wie alt warst du da genau?“ Eda wittert, dass Fynn nicht viel Ahnung hat. „So 2 oder 3 vielleicht?“ Fynn wird etwas kleinlaut. Eda grinst schelmisch. „Na, dann kann ein Auffrischungskurs vermutlich nichts schaden, schätze ich.“ Fynn nickt. Veronica dreht sich zu Eda: „Hast du da etwas Passendes?“ Eda zwinkert: „Aber natürlich. Auf einem Hof gibt es immer etwas zu tun.“ Eda schaut zum Haus hinüber. „Aber jetzt kommt doch erst mal rein. Nach dem großen Aufstieg seid ihr bestimmt hungrig?" Fynns Augen leuchten. "Ich muss leider passen Eda." Veronica lächelt und winkt ab. "Ich habe noch viel zu tun heute." Veronica macht Anstalten zu gehen. "Ach Gott, immer so fleißig." Eda dreht sich zu Fynn. "Aber du kannst doch bestimmt ein Häppchen vertragen, oder?" Fynn nickt energisch. "Sehr gerne!" Eda lächelt. "Sehr schön, dann komm nur herein." Eda schiebt Fynn Richtung Haus. "Ich verabschiede mich dann für heute.“ Veronica winkt. „Wir sehen uns Fynn. Pass nur gut auf, Eda kann dir viel beibringen." Sie dreht sich um und geht geschwind Richtung Bergpfad. Erstaunlich wie viel Kraft sie noch hat nach dem langen Aufstieg.

 

Eda schiebt Fynn ins Haus. Es riecht gut, nach frisch gekochtem Gemüseeintopf, so wie ihn ihre Oma damals immer gekocht hat. In der Mitte des Raums steht ein gedeckter Tisch. Links daneben ist eine kleine Kommode mit Bildern und hinter dem Tisch eine kleine, sehr saubere und aufgeräumte Küche. "Es riecht toll." Fynn frohlockt.

"Das freut mich." Eda lächelt und geht in die Küche. "Ich habe auch reichlich gekocht. Setz' dich doch Kind." Fynn setzt sich auf einen freien Stuhl an den Tisch. Ihr Magen knurrt. Eda verteilt auf beiden Tellern eine große Kelle Eintopf. Fynn schaut sich die Bilder auf der Kommode an. "Das ist meine Familie.", erzählt Eda. "Meine beiden Söhne und ihre Familien. Sie sind in die Stadt gezogen schon vor langer Zeit." Fynn betrachtet die Bilder: Familienfotos von grinsenden Leuten. Das eine Enkelkind fällt ihr ins Auge. Er hat einen seltsamen Gesichtsausdruck und scheint sich über etwas hinter der Kamera schelmisch zu amüsieren.

"Guten Appetit.", sagt Eda vergnügt und setzt sich auf einen Stuhl gegenüber von Fynn. Fynn schnellt herum. Der Eintopf auf ihrem Teller riecht köstlich.

"Guten Appetit." Fynn fängt an zu essen. Es schmeckt hervorragend. "Wow, das ist so lecker!" Eda lacht. "Freut mich. Ist alles aus eigenen Produkten gekocht, die ich selbst angepflanzt habe." Fynn ist beeindruckt und spachtelt fröhlich. Im Nullkommanichts hat sie den Teller leer. Eda schaut verdutzt. "Du hast aber einen gesunden Appetit Kind." Fynn errötet. "Entschuldigung. Es war nur so lecker." Fynn schaut beschämt zu Boden. Eda lacht laut auf. Fynn schaut hoch.

"Es ist so schön Gesellschaft zu haben. Möchtest du noch einen Teller?" Eda hat die Worte kaum zu Ende gesprochen, da hat sie sich schon den Teller genommen. Fynn frohlockt. Als die Teller leer sind, lehnt Fynn sich zurück. "Puh, jetzt bin ich aber satt. Es war wirklich köstlich." Eda lächelt sanft. "So muss es sein. Farmleben ist anstrengend, da muss man gut essen." Eda fängt an abzuräumen. Fynn springt auf und will helfen. "Nicht doch.", winkt Eda ab. "Du hattest eine anstrengende Reise. Du solltest dich etwas ausruhen. Morgen werden wir mit den Grundlagen der Farmarbeit anfangen. Da solltest du gut ausgeruht sein.“ Eda zwinkert Fynn zu. „Schau‘, ich habe dir hier ein Zimmer hergerichtet.“ Eda verschwindet in einer Tür links neben dem Eingang. Fynn schiebt ihre Koffer hinterher. Im Zimmer riecht es angenehm blumig. Alles ist sauber und aufgeräumt. In der Ecke steht ein kleines, frisch bezogenes Bett. An der gegenüberliegenden Wand steht ein Schrank mit ein paar Büchern. „Ich hoffe, du kannst hier gut schlafen.“ Das Zimmer wirkt sehr gemütlich. „Das ist wirklich ein tolles Zimmer.“ Fynn streckt sich.

„Freut mich sehr.“ Eda lächelt. „Hier ist eine Kommode. Da kannst du deine Sachen einräumen. Du wirst sicher ein paar Tage hier sein.“ Sie zeigt auf eine kleine, hölzerne Kommode neben der Tür. „Ich werde dich jetzt alleine lassen mein Kind. Ich freue mich sehr, dass du hier bist.“ Eda geht langsam Richtung Tür.

„Ich freue mich auch sehr Madame Eda.“ Fynn ist euphorisch, wenn auch etwas müde. Eda lacht. „Diesen Enthusiasmus brauchen wir.“ Sie zwinkert. „Wir sehen uns morgen mein Kind. Gute Nacht.“ Eda schließt die Tür.

Fynn lässt sich auf das Bett fallen. Das war wirklich ein langer, ereignisreicher Tag. Sie ist erschöpft, aber auch voller Vorfreude. Sie fängt an ein paar Sachen auszuräumen. Sie holt ein Bild ihrer Eltern aus ihrer Tasche. Still hält sie es in der Hand und schaut es an. Schließlich stellt sie es auf die Kommode und setzt sich auf das Bett, den Blick weiterhin auf das Foto gerichtet. Ihre Eltern waren dagegen, dass sie herkommt. Sie waren überzeugt, dass Fynn es nicht schaffen würde eine Farm zu betreiben. Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen und lässt sich auf das Bett fallen. Sie schaut an die Decke. „Ich werde es schaffen! Und wenn ich eine erfolgreiche Farm habe, lade ich euch ein und dann werdet ihr Staunen!“, flüstert sie. Kaum hat sie den Satz zu Ende gesprochen siegt die Müdigkeit und sie schläft ein.

Ausbildung

Liebes Tagebuch,

gestern bin ich endlich in Eichbaumhausen angekommen. Ich wohne bei Eda, einer netten, älteren Dame, die mir die Grundlagen der Farmarbeit beibringen soll. Sie ist wirklich toll. Ich muss hierbleiben, bis mein Haus bezugsbereit ist. Veronica kümmert sich darum. Sie scheint sehr streng, aber auch fair zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich von beiden viel lernen kann.

Und dann war da noch Raeger… Er hat mir geholfen, als ich ankam. Ihm gehört das Restaurant hier in der Stadt. Ich darf nicht vergessen mich bei Gelegenheit bei ihm zu bedanken. Ohne ihn würde ich vermutlich immer noch im Dreck sitzen. Ja, ich habe mich vor ihm erst mal gebührend auf die Nase gelegt. Der wird mich sicher nicht mehr so schnell vergessen. Na ja, sei’s drum.

Ich muss mich fertig machen. Heute ist mein erster Trainingstag. Drück‘ mir die Daumen!“

 

Fynn schlüpft in ihre Arbeitshose. Sie ist blau und ein bisschen zu groß. Sie hatte sie sich extra für die Reise gekauft. Bestimmt sieht sie total blöd aus, aber es fühlt sich zumindest so an, als sei sie eine echte Farmerin. Stolz stemmt sie die Hände in die Hüfte. Es kann losgehen.

Fynn tritt aus ihrem Zimmer. Die Küche ist sauber und aufgeräumt. Eda ist nicht zu sehen. Fynn zuckt mit den Schultern und geht aus der Haustür hinaus. Sie entdeckt Eda auf einem Feld. Es sieht aus, als wäre sie dort schon eine Weile zu Gange. Wie spät ist es? Hat sie so lange geschlafen?

In dem Moment bemerkt Eda ihren Gast: „Ach, guten Morgen.“ Eda lächelt, sieht aber auch ein wenig erschöpft aus. Fynn verbeugt sich höflich. Eda lacht laut. „Entspann‘ dich Kindchen. Unter Kollegen braucht man nicht so förmlich zu sein.“ Eda zwinkert. Fynn tritt näher an das Feld heran. „Hier habe ich Rüben gepflanzt.“, sagt Eda stolz. Fynn betrachtet das Feld. Es ist fein gepflügt und es ist kein Anzeichen von Unkraut zu sehen. „Weißt du, was das Wichtigste bei der Feldarbeit ist?“ Fynn schaut Eda fragend an. War das eine rhetorische Frage? Lieber etwas sagen, sonst wirkt es dumm. „Sorgfalt?“ Eda lächelt. „Nah dran. Es ist Hingabe.“ Eda schaut zufrieden auf ihr Feld. „Die Pflanzen brauchen all deine Aufmerksamkeit. Je mehr Liebe du ihnen gibst, desto besser wachsen sie.“ Fynn schaut auf das Feld zurück. „Und Dünger?!“, fügt Fynn hinzu. Eda lacht laut. „Ich mag dich Kind. Komm‘, ich zeig‘ dir, wie man ein Feld bestellt.“ Sie zeigt auf ein noch unbestelltes Feld und drückt Fynn eine Hacke in die Hand.

 

Als die Sonne hoch am Himmel steht, sind sie endlich mit der Feldarbeit fertig. Fynn lässt sich auf den Boden plumpsen und schnauft: „Man, das ist wirklich viel Arbeit.“ Fynn schaut auf das Feld. „Aber es ist auch wirklich ein tolles Gefühl, wenn man fertig ist.“

Eda nickt. „Das ist das Schöne an Farmarbeit. Warte nur, bis du dein erstes Einkommen davon bekommst, oder noch besser dein erstes Essen daraus kochst.“ Fynn zieht die Augenbrauen zusammen und schaut zu Eda hinauf. Eda zieht die Augenbraue hoch. „Da kann wohl jemand nicht kochen?“, witzelt sie. Fynn schaut beschämt zu Boden. Eda grinst. „Da mach‘ dir mal keine Gedanken. Das kriegen wir hin. Apropos…“ Eda schaut auf den Stand der Sonne. „Zeit für eine Mahlzeit. Ich bereite etwas vor. Ruh‘ dich ein wenig aus, Kind. Es war ein anstrengender Vormittag. Ich rufe dich, wenn das Essen fertig ist.“ Eda lächelt Fynn an. Schließlich läuft sie langsam, in ihrer gewohnt gebeugten Haltung, zum Haus und verschwindet darin. Fynn schaut auf das Feld, das sie gerade selbst bestellt hat. Ihr erstes, selbst beackertes Feld. Fühlt sich toll an. Eine frische Brise weht ihr durch die Haare und wirbelt einige Blätter auf. Die Luft hier in den Bergen riecht wirklich ganz anders als in der Stadt; frisch und klar. Ein Huhn nähert sich ihr und watschelt neugierig in ihre Richtung. „Na du?“ Fynn streckt dem Huhn ihre Hand entgegen. „Dir gefällt es hier auch gut, was?“ Fynn lächelt das Huhn an. Es legt seinen Kopf schräg und watschelt dann wieder davon. Zufrieden hält Fynn ihre Nase in die Sonne und lässt sich die Brise um den Kopf wehen. So hatte sie sich das Farmleben vorgestellt.

 

Eda hatte diesmal einen Auflauf gemacht, der nicht weniger lecker war als der Eintopf vom Vortag. Sie war wirklich eine tolle Köchin. Als die beiden fertig sind mit dem Aufräumen klopft es an der Tür: „Hey Oma! Ich bin’s!“ Die Tür öffnet sich. Herein kommt ein junger Mann mit roten, wuscheligen Haaren. Seine Sachen sind etwas verschlissen und er hat ein Pflaster auf der linken Wange. „Oh, wer ist denn das?“ Interessiert mustert der junge Mann den Neuankömmling.

„Fynn, darf ich dir Fritz vorstellen? Er ist einer der Farmer hier in Eichbaumhausen. Das ist Fynn, unser neuster Zuwachs.“

„Aah, ich erinnere mich. Freut mich dich kennenzulernen!“ Heiter und fröhlich tritt er auf Fynn zu. „Ich habe schon von dir gehört.“ Fritz erspäht die Dreckspuren auf Fynns Hose. „Ich schätze, das mit der Hilfe hat sich dann erledigt.“ Er lacht. Eda wendet sich zu Fritz: „Sag‘ mal Söhnchen, Fynn hat noch gar nichts von der Stadt gesehen. Wir sind für heute fertig. Magst du ihr ein bisschen die Umgebung zeigen?“

„Klar!“, ruft er vergnügt. „Ich helfe immer gerne. Folge mir!“ Auf die Haustür zeigend marschiert er voran und ist sogleich aus der Tür verschwunden. Fynn zieht eine Augenbraue hoch. Eda schmunzelt. „Er ist ein kleiner Wirbelwind, aber ein wirklich lieber Junge.“ Fynn nickt. „Ja, er scheint nett zu sein. Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich gehe?“ Eda winkt ab. „Aber natürlich! Geh‘ nur Kind. Wir sehen uns später.“ Fynn grinst. „Super, vielen Dank.“ Energisch springt Fynn hinter Fritz hinterher aus der Tür hinaus. Eda lächelt. „Die zwei sind sich ganz schön ähnlich.“

 

Fritz und Fynn laufen einen Bergpfad entlang. Die langen Grashalme wiegen sich im Wind und das Rauschen eines Baches ist zu hören. „Wie lange bist du schon hier?“, fragt Fritz interessiert. „Erst seit gestern.“ Fynn schaut interessiert in der Gegend herum.

„Und warum bist du hier?“ Fynn zieht die Augenbraue hoch und schaut ihn verwundert an. Fritz bemerkt, dass die Frage etwas forsch war. Er lenkt ein: „Na ja, ich meine, es war bestimmt nicht immer dein Traum Farmerin zu werden, oder?“ Er lächelt. „Nein.“ Fynn seufzt. Fritz kriegt ein schlechtes Gewissen. „Habe ich was Falsches gesagt?“ Fynn schüttelt den Kopf. „Nein, nein. Es erinnert mich nur an den Streit mit meinen Eltern.“ Sie versucht zu lächeln. Fritz setzt eine betroffene Mine auf. „Die waren von deiner Idee wohl nicht begeistert?“

„In der Tat.“ Fynn lächelt tapfer weiter. „Die hätten mich lieber in einem Arztkittel oder so etwas gesehen.“ Fritz bleibt plötzlich stehen. Fynn dreht verwundert ihren Kopf zu ihm rum. Sie schaut ihn fragend an. Fritz starrt auf den Boden. „Was ist?“, fragt Fynn verwirrt.

„Das darf dich nicht entmutigen!“, sagt Fritz energisch. Er ist sichtlich angekratzt und guckt noch immer auf den Boden. Fynn dreht sich ganz herum. Fritz reißt seinen Kopf hoch und schaut Fynn entschlossen an. Fynn legt ihren Kopf zur Seite und zieht eine Augenbraue nach oben. Fritz tritt auf sie zu und nimmt bestimmt ihre Hand. „Manchmal wissen unsere Eltern nicht, was das Beste für uns ist! Du wirst bestimmt eine tolle Farmerin! Du musst nur an dich glauben!“ Fritz sieht Fynn tief in die Augen, mit entschlossenem Blick. Dieses Gesprächsthema scheint bei ihm einen Nerv zu treffen. Fynn schaut auf Fritz' Hand hinunter, die ihre Hand noch immer fest umschlossen hält. Fritz‘ Blick wandert hinterher. Als er bemerkt, dass er ihre Hand hält und wie nah er ihrem Gesicht ist färbt sich sein Gesicht in ein tomatiges rot. Er springt einen Schritt zurück. Er nimmt eine Hand hinter seinen Kopf und stemmt die andere in seine Hüfte. „Aber was sag‘ ich dir das? Du bist ja schließlich hier!“ Er lacht laut. Vermutlich um seine Verlegenheit zu verbergen. Fynn kichert. Fritz tut so, als hätte er das nicht mitbekommen. Fynns Blick fällt auf eine Absperrung zu ihrer Linken. Ihr fällt ein, dass sie schon einmal an einer Solchen vorbei gekommen waren.

„Was sind das da eigentlich für Absperrungen?“ Sie zeigt mit dem Finger auf eine, die den gegenüberliegenden Weg versperrt. Fritz schaut hinüber. „Hinter der Absperrung befindet sich Ackerland, das der Gilde gehört.“ Fynn horcht auf. „Es soll wohl irgendwann mal verpachtet werden, aber im Moment ist es ungenutzt.“

„Verstehe.“ Fynn sieht sich um. Sie fand ohnehin schon, dass das Land groß ist, aber wenn dahinter noch weiteres Ackerland ist, dann ist das Gebiet wirklich riesig. Ihr Blick fällt auf das Reisfeld, das hinter einem Abhang von oben teilweise zu sehen ist. Sie war auf dem Hinweg daran vorbeigekommen. „Das sind Elises Reisfelder.“ Fritz fängt an zu strahlen. „Ihre Pflanzen sind immer so perfekt. Ich wünschte, ich hätte dafür genauso ein Händchen wie sie.“ Fynn zählt die Arbeiter. Sie sieht 8 von ihnen. Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen. „Dafür dass das ihre Reisfelder sind, scheint sie nicht sehr oft dort anwesend zu sein.“ Fritz bemerkt Fynns argwöhnischen Unterton. „Ja, sie ist meistens in ihrer Residenz in der Stadt. Farmarbeit an sich ist nicht so ihr Ding, glaube ich.“ Fynn brummt. Fritz kratzt sich verlegen am Kopf. Fynn würde diese Elise wirklich gerne mal kennenlernen.

„Komm!“ Fritz winkt Fynn weg vom Reisfeld. „Ich will dir gerne was zeigen!“ Aufgeregt springt Fritz einen anderen Weg hinunter. Fynn folgt neugierig. Sie gehen über einen kleinen, zugewachsenen Bergpfad. Er führt an den Bach, den man von Weitem schon gehört hat. „Das ist einer meiner Lieblingsplätze.“ Fritz grinst breit und streckt sich ausgiebig. Fynn beugt sich über den Bach und schaut ins Wasser. Das Wasser ist ganz klar und man kann Fische darin schwimmen sehen. An dieser Stelle fließt das Gewässer recht schnell und bricht sich an einer Gruppe Steine. Wassertropen spritzen nach oben und formen einen kleinen Regenbogen.

Fritz fängt an seine Schuhe auszuziehen.

„Was hast du vor?“ Fynn sieht ihn verwundert an.

„Ich gehe ins Wasser.“ Er grinst Fynn an und krempelt seine Hosenbeine hoch. Fynn hält die Finger ins Wasser und zieht sie sogleich wieder heraus. „Das Wasser ist Eis kalt!“

Fritz lacht. „Keine Sorge, ich gehe nur mit den Füßen rein.“ Kaum hat er diesen Satz beendet, steht er schon im Wasser. Fynn fröstelt schon bei dem Gedanken an das kalte Wasser. Konzentriert starrt Fritz ins Wasser. Fynn beugt sich vor und schaut auch hinein. „Suchst du etwas?“

Fritz reagiert nicht. Er scheint sehr konzentriert zu sein. Eine rote Libelle flieht an ihrer Nase vorbei. Fynns Blick folgt ihr. Der Platz hier ist wirklich schön. Die Sonne lässt das Wasser funkeln und die Wildblumen wiegen sich im Wind. Auf einmal hält Fritz einen grünen Stein direkt vor ihr Gesicht. Hand und Stein sind klitschnass und tropfen. Der Stein funkelt in der Sonne. Fynn schaut zu Fritz hoch. Der grinst über das ganze Gesicht.

„Den hab ich im Fluss gefunden.“, sagt er stolz und hält ihn Richtung Sonne, um ihn zu betrachten. „Das ist ein Peridot.“, ruft er vergnügt. Fynn schaut interessiert hinauf zum Stein. Er ist wirklich schön.

„Warte mal!“, sie beugt sich wieder zum Wasser. „Heißt das, in diesem Flüsschen gibt es Edelsteine?“ Sie ist sehr erstaunt. „Fritz schwellt stolz die Brust. „Allerdings! Wenn du geübt bist, kannst du die coolsten Sachen hier aus dem Fluss ziehen.“ Fynn ist beeindruckt. „Nicht schlecht!“ Edelsteine im Fluss. Wenn die Welt das wüsste, wären bestimmt im Nu tausende von Goldgräbern hier. Sie schaut zu Fritz herüber, der stolz seinen Edelstein betrachtet. Wirklich nett von ihm, dass er ihr das erzählt. Die Stelle hier am Fluss muss sie sich merken.

 

Am nächsten Morgen steht Fynn früher auf als am Vortag, rechtzeitig zum Frühstück. Tierpflege steht heute auf dem Programm. Sie geht mit Eda in den Stall und hilft mit den Kühen und Hühnern. Tiere sind wirklich toll. Die Arbeit fällt ihr schon deutlich leichter als am Vortag. Es ist bereits Nachmittag als Alles erledigt ist. Fynn tritt aus der Tür und streckt sich. Sie atmet die frische Luft tief ein und fühlt die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Eda tritt neben sie. „Für heute sind wir fertig. Du kannst die restliche Zeit frei gestalten. Sei nur pünktlich zum Abendessen wieder da.“ Fynn ist sichtlich erfreut. „Ist gut. Bis später.“

Fynn läuft den Bergweg hinunter. Sie will die Stelle von gestern wiederfinden, die ihr Fritz gezeigt hat. Der kleine Weg muss hier doch irgendwo sein. Sie verzieht die Mine. War sie gestern so unaufmerksam? Sie beschließt querfeldein zu gehen. Der Bach ist schließlich von Weitem zu hören, da kann es doch nicht so schwer sein die Stelle zu finden. Sie macht ein paar Schritte ins Unterholz, als sie etwas Weißes im Gestrüpp hängen sieht. Neugierig geht sie hinüber. Es ist ein Stofffetzen, der in einem Strauch hängt. Sie nimmt ihn ab und betrachtet ihn. Es ist ein Stofftaschentuch, der Buchstaben „K“ ist darauf gestickt. Schnell dreht sie ihren Kopf hin und her. Es ist niemand zu sehen. Plötzlich hört sie Stimmen. Der Wind hat gedreht und trägt sie direkt an ihr Ohr. Sie kann sie nicht verstehen, aber vielleicht ist es der Besitzer des Taschentuchs? Es sieht recht kostbar aus. Sie beschließt dem nachzugehen und schlägt sich weiter ins Unterholz. Die Stimmen werden lauter. Sie identifiziert eine männliche und eine weibliche Stimme, aber sie sind ihr nicht bekannt.

"Wie oft müssen wir das noch besprechen?", ertönt die männliche Stimme. Sie geht etwas näher ran. "Solange bis es endlich geklärt ist.", erwidert die Frauenstimme. Fynn hält inne. Durch das Gestrüpp weiter unten kann sie zwei Personen erkennen. Eine Männliche mit dunklen Haaren und einem schicken Mantel und eine Weibliche mit blonden Haaren und einem lavendelfarbenen Kleid. "Ich werde des Verstecken Spielens müde?" Die blonde Frau scheint sich über irgendetwas furchtbar zu ärgern. Plötzlich schaut die männliche Person hinauf zu Fynn. Ihre Blicke treffen sich. Fynn errötet und ihr Herz fängt an laut zu schlagen. Schnell zieht sie den Kopf ein und beißt sich auf die Lippe. Sie sollte wirklich nicht lauschen! Leise dreht sie sich um und schleicht sich vorsichtig davon. Sie hat noch immer einen roten Kopf. Wie peinlich. Ob der Mann sie gesehen hat? Hoffentlich nicht. Es schien kein guter Zeitpunkt zu sein, um das Taschentuch zurück zu geben. Sie steckt es ein und macht sich auf den Rückweg zu Edas Haus.

 

Die nächsten zwei Tage vergehen wie im Flug. Eda zeigt Fynn die verschiedenen Arten von Pflanzen und wie sie am meisten Ertrag bringen. Am zweiten Tag kommt Veronica vorbei und bringt Fynn bei, wie der Handel in der Stadt läuft. Es scheint, dass an bestimmten Tagen, Händler aus verschiedenen Ländern auf den Marktplatz kommen und ihre Waren anbieten. Da kann Fynn auch ihre Erzeugnisse verkaufen, um Erträge zu generieren. Als Veronica sagt, dass es im Moment nur einen Händler gibt, der regelmäßig kommt, kommt eine gedrückte Atmosphäre auf. Der ökonomische Misserfolg der Stadt scheint doch sehr an den Bauern und Veronica zu nagen. Zuversichtlich versichert Fynn Veronica, dass sie Alles tun wird, um dabei zu helfen die Stadt wieder erfolgreich zu machen. Man hätte meinen können, Veronica hätte sich eine Träne verdrückt, als sie das sagte.

 

Eda und Fynn kommen gerade aus dem Stall, als Fritz vorbeikommt. Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Eda winkt Fritz zu: „Hier drüben mein Junge.“ Vergnügt kommt Fritz angehüpft: „Hallo Oma. Alles gut bei euch?“

„Ja, Alles in Ordnung. Fynn lernt wirklich sehr schnell.“ Sie zwinkert Fynn zu. Verlegen lächelt Fynn zurück. „Bist ja auch eine tolle Lehrerin.“

„Ach was!“, winkt Eda ab. „Aber genug davon. Heute ist Fynns letzter Tag vor ihrem Einzug in ihr eigenes Haus. Da dachte ich, Fritz könnte dir vielleicht die Stadt zeigen und dir ein paar der Bewohner vorstellen. Schließlich werden sie deine Nachbarn.“ Erwartungsvoll schaut Fritz Fynn an.

„Klar.“, Fynn nickt. „Kann nichts schaden.“ Sie lächelt Fritz an.

„Sehr schön, dann habt viel Spaß ihr beiden.“ Eda geht Richtung Haus. „Wir sehen uns heute Abend.“ Freudig erregt zeigt Fritz Richtung Bergpfad: „Dann mal los!“

 

Die beiden laufen den gewohnten Bergpfad ins Dorf hinab. Kurz hinter dem Dorfeingang, auf einer Kreuzung, bleibt Fritz stehen. Links von ihnen liegen ein paar Planken und Kisten auf einem kleinen Platz, rechts von ihnen ist ein kleines Haus. Es sind wie gewohnt kaum andere Leute zu sehen. Fritz dreht sich zu dem kleinen Haus zu ihrer Rechten: „Das ist unser erster Stopp: Otmas Laden. Hier kannst du deinen Grundbedarf an Dünger, Saat usw. decken. Seine Auswahl ist begrenzt, aber das Wichtigste ist vorhanden. Heute hat er allerdings geschlossen.“ Otmas Laden? Das muss Fynn sich merken. Sobald sie ihre Haus hat, wird sie hier als Erstes hinkommen.

Fritz rauscht an Otmars Laden vorbei eine kleine Treppe hinunter. Fynn läuft schnell hinterher. Lieber nicht abhängen lassen. Sie entdeckt Fritz am Fuße der Treppe. Er schaut zu ihr hinauf. Als sie näher kommt, dreht er sich herum. Vor ihm ist ein kleiner, gepflegter Platz. Um den Platz herum sind ein paar Häuser zu sehen. Ein paar Bauplätze stehen leer.

„Das ist das Wohnviertel.“ Fritz macht eine ausladende Handbewegung. „Da hinten ist das Haus von Jonas und seiner Familie.“ Fritz zeigt auf ein hübsches, zweistöckiges Steinhaus auf der anderen Seite des Platzes. „Jonas hat am Marktplatz das Sagen und kann dir alle Infos geben, die du zum erfolgreichen Handeln brauchst.“

Fritz dreht sich zu einem Haus, das direkt rechts neben der Treppe ist. Es ist sehr groß und wirkt sehr majestätisch. Es hat eine Holztür mit feinen Schnitzereien und ist aus einem eher dunklen Stein erbaut. Fynn schätzt, dass es sehr alt ist.

„Das ist Klaus' Haus.“ Bei Fynn klingeln die Alarmglocken. Klaus? Könnte er der Besitzer des Taschentuchs sein? Sie betrachtet das Haus genauer. Sein Mantel würde vom Stil her zu diesem Haus passen. Ihr Herz fängt an zu klopfen. Sie hätte nicht gedacht, ihn zu schnell zu finden. „Er ist Parfümeur und meistens außerhalb unterwegs, so wie heute auch.“ Zonk! Er ist nicht da. Na ja, die Sache mit den Taschentuch eilt ja nicht.

Fritz läuft ein paar Schritte den Weg weiter nach links. Dort steht ein helles, freundlich aussehendes Haus. Eine fein geschnittene Hecke säumt den Eingang. An der Tür ist ein Schild angebracht: „Antiquitäten“.

„Hier wohnen Mistel und seine Schwester Iris. Mistel hat einen Antiquitätenladen, falls du ein paar hübsche Möbel suchst.“

„Hey Fritz!“, ruft eine männliche Stimme hinter ihnen. Fynn dreht sich um. Hinter ihnen steht ein blonder Junge, mit eleganter, betont knabenhafter Kleidung. „Hi Mistel!“, erwidert Fritz auf den Gruß. Fynn ist erstaunt. Das ist Mistel? Er sieht sehr jung aus. Umso erstaunlicher, dass er einen eigenen Laden hat.

„Und wer ist deine reizende Begleitung?“ Freundlich lächelt Mistel in Fynns Richtung. Fynn lächelt zurück: „Ich bin Fynn, die neue Famerin.“ Höflich verbeugt sie sich. „Freut mich dich kennenzulernen, Fynn. Ich bin Mistel. Mir gehört das Antiquitätengeschäft vor dem ihr steht.“ Er zeigt auf das freundlich aussehende Haus vor ihnen. „Sag', interessierst du dich für Antiquitäten?“

„Na ja...“, Fynn kratzt sich verlegen am Kopf. „Ich wohne bei Madame Eda, also in sofern...“ Schweigen... Fritz guckt verwirrt drein. Er scheint den Witz nicht verstanden zu haben. Nach ein paar Sekunden reagiert Mistel mit einem Kichern. „Ja, bei Eda gibt es sicherlich einige Antiquitäten.“ Fynn sollte an ihren Witzen noch ein wenig arbeiten. In diesem Moment öffnet sich die Tür des Geschäfts und eine wunderschöne, blonde Dame kommt heraus, in einem lavendelfarbenen Kleid. Fynn hält inne. Das ist die Frau, die sie im Unterholz gesehen hatte. Sie beißt sich auf die Lippe. Hoffentlich erkennt sie sie nicht. Fynn wird etwas nervös bei dem Gedanken.

„Hallo Schwester.“, grüßt Mistel die Dame. „Schau‘ mal, wir haben einen neuen Bewohner.“ Er nickt in Fynns Richtung. Ohne die Mine zu verziehen verbeugt sich Fynn in Richtung der Dame. „Mein Name ist Fynn.“ Die Frau tritt an die Gruppe heran und lächelt Fynn an. „Freut mich sehr Fynn. Ich bin Iris. Mistel’s große Schwester.“ Sie zwinkert zu Mistel und wuschelt ihm neckisch durch die Harre.

„Schwester bitte.“ Mistel rollt mit den Augen und richtet seine Frisur. Iris schaut in die Runde. „Ich würde gerne bleiben und plaudern, aber ich treffe mich heute mit meinem Agenten.“ Sie zwinkert Fritz zu. Er läuft rot an. „Macht’s gut ihr Süßen.“ Iris winkt, während sie in Richtung Treppe davon spaziert. Fynn dreht sich erstaunt zu Mistel um: „Ihr Agent?“ Mistel nickt. „Ja, Iris ist Schriftstellerin. Ihr Agent beschwert sich immer, dass sie in diesem kleinen, unbekannten Ort wohnt, aber sie möchte nicht weg.“ Fynn schaut Iris hinterher. Sie ahnt wieso sie hier bleibt.

Nach einem kurzen Plausch mit Mistel verabschieden sich die beiden und gehen die nächste Treppe runter. Sie kommen in das Geschäftsviertel. Sie halten vor einem Haus, halb aus Stein und halb aus Holz. Um es herum liegen Sägespäne und zu seiner Rechten liegen frisch gesägte Baumstämme. Ein Zimmerer schätzt Fynn.

„Hier wohnt der Zimmerer Gunther und seine Frau Corona. Sie bieten Holzarbeiten an und auch Materialien, falls du selbst bauen willst.“ Fynn atmet tief ein. Es riecht nach frischem Holz. Fynn liebt diesen Geruch. Fritz sieht zu ihr rüber und sieht ihr zufriedenes Gesicht. Er fängt an zu lächeln. Als sie ihren Kopf zu ihm dreht, guckt er schnell weg. Fritz klopft an die Tür, aber sie ist verschlossen. „Hmm… ist wohl schon zu spät.“ Verwirrt kratzt er sich am Kopf. „In letzter Zeit machen die Geschäfte öfter mal früher zu.“ Fynn schaut auf die Tür. „Wenn ich erst mal meine Farm habe, werden wir zusammen die Stadt wieder auf Vordermann bringen.“, sagt sie entschlossen und dreht sich zu Fritz. Der starrt ihr überrascht in die Augen. Schließlich lächelt er und nickt.

Sie gehen weiter Richtung Gilde. Fynn entdeckt Raegers Restaurant. „Von Nahem sieht es noch viel hübscher aus.“ Fritz folgt ihrem Blick. „Und das Essen ist super.“, fügt er lächelnd hinzu.

„Komm‘, wir sagen Raeger „Hallo“.“. Fynn geht Richtung Restaurant. Fritz ist überrascht. „Du kennst ihn?“, fragt er verwundert.

„Ja.“, Fynn nickt. „Als ich hier ankam, hat er mir den Weg gezeigt.“

„Mhm.“, brummt Fritz wenig begeistert und verschwindet in der Tür des Restaurants. Fynn kratzt sich am Kopf. Irgendwas scheint ihm daran zu missfallen, aber sie ist sich nicht sicher was. Sie zuckt mit den Achseln und geht hinterher.

Links vom Eingang stehen einige bestuhlte Holztische. Rechts ist eine Theke mit der Küche dahinter. Sie ist offen, so kann jeder die Zubereitung seiner Mahlzeit verfolgen. Hinter der Küche geht eine Treppe nach oben, vermutlich in Raegers privaten Bereich. Es riecht angenehm nach Essen und Gewürzen.

Fritz und Raeger stehen an der Theke und unterhalten sich, als Fynn das Etablissement betritt. Raeger stoppt die Unterhaltung und lächelt: „Einen schönen guten Tag Nachbarin.“ Fynn tritt näher an die beiden heran. „Hallo Raeger, schön dich wiederzusehen.“ Sie sieht sich um. „Das ist also dein Restaurant?“

„In der Tat.“, erwidert er mit stolzem Unterton. Er ist zurecht stolz, es ist wirklich schön. „Mein Großvater hat es damals erbaut. Seit seinem Tod leite ich es.“ Raeger fängt an Gläser abzuwaschen, während er weiter Fynn beobachtet, wie sie sich umsieht. „Darf ich euch etwas zu essen anbieten?“, fragt er schließlich. Fynn verzieht die Mine. „Ich würde wirklich gerne, aber ich muss mein Geld noch etwas zusammenhalten. Sobald ich da etwas mehr Luft habe, werde ich direkt bei dir auf der Matte stehen.“ Sie grinst.

„Aber bitte. Das geht selbstverständlich auf's Haus.“, erwidert Raeger mit einer ausladenen Handbewegung. Fritz macht große Augen. Er schaut skeptisch. „Du gibst sonst doch nie etwas aus?“

„Aber mein lieber Fritz, heute ist schließlich ein spezieller Anlass.“ Raeger zwinkert.

„Nun, ich würde in der Tat gerne dein Essen kosten. Ich habe schon viel Gutes davon gehört.“, sagt Fynn etwas unsicher aber auch erfreut. Raeger nickt. „Dann setzt euch doch. Dir gebe ich auch einen aus Fritz.“ Mit einem Lächeln dreht er sich um und beginnt etwas zu Essen vorzubereiten. Fynn und Fritz setzen sich auf ein paar Hocker an der Bar.

Sie sitzen kaum, da öffnet sich die Tür des Restaurants und zwei junge Damen kommen herein. Sie kichern und spähen zu Raeger herüber. Schließlich setzen sie sich an einen der freien Tische und grinsen erwartungsvoll in Raegers Richtung. Fynn kennt die beiden nicht.

Mit einem Bestellblock in der Hand schwingt sich Raeger galant zu ihnen und setzt ein charmantes Lächeln auf. Fynn kann nicht genau hören, was sie sagen, aber es wirkt sehr flirty. Die Mädchen kichern und scheinen verlegen. Fynn schielt zu Fritz. Er verzieht seine Mine ein wenig. Hm... Ihm gefällt daran wohl etwas nicht. Nach ein paar Minuten kommt Raeger wieder mit einer großen Bestellung. Zufrieden lächelnd arbeitet er weiter in der Küche an den Gerichten. Fynn dreht sich wieder zu ihm. Das Kichern hinter ihr geht weiter.

„Wer sind die beiden?“, fragt Fynn interessiert. „Och, das sind Hannah und Megan aus dem Nachbardorf. Die kommen regelmäßig her.“ Raeger schaut in ihre Richtung und zwinkert. Das Kichern verstärkt sich. Er scheint ja ein echter Frauenheld zu sein. Eigentlich überrascht sie das nicht. Er sieht gut aus und war auch zu ihr sehr charmant. Eigentlich passt das. Er stellt den beiden ihr Essen hin. „Hier bitte schön. Guten Appetit.“, sagt Raeger und reicht ihnen zwei Schüsseln mit einem Reisgericht. Sogleich dreht er sich wieder um und macht sich an die Zubereitung der neuen Bestellung.

Fynn schaut sich die Schale an. Es duftet vorzüglich. Im Reis sind einige Gewürze und Gemüsesorten erkennbar. Selbst die Schale an sich sieht toll aus. Eine, mit kleinen Schnitzereien, verzierte Holzschale. „Das sieht wirklich lecker aus.“, Fynn frohlockt. „Oder? Fritz?“ Sie dreht sich zu Fritz, der schon eine Weile nichts mehr gesagt hat. Dieser ist bereits beim essen und setzt auch nicht ab. „Ja, sehr lecker.“ Seine dunkle Mine entspannt sich langsam wieder. Zufrieden spachtelt Fynn ihren Reis. Als sie fertig sind, verabschieden sich die beiden schnell von Raeger, da es schon recht spät ist. Über den Abend verteilt kamen einige Gäste, insbesondere weibliche Kundschaft. Das Restaurant scheint gut zu laufen. Fritz war allerdings sehr ruhig gewesen die letzte Stunde.

 

Die beiden laufen den Bergpfad zurück. Fritz hatte darauf bestanden sie zurück zu begleiten. „Alles in Ordnung?“, fragt Fynn. Fritz grinst gewohnt ungetrübt und winkt ab: „Aber klar. Freies Essen ist immer genial!“

„Du warst so still.“ Fynn schaut ihn skeptisch an.

„Ja, weißt du... Raeger und ich sind schon sehr lange befreundet.“ Fritz' Tonfall wird etwas melancholisch. „Und ich bewundere ihn für Vieles. Er hat viele Eigenschaften, die ich so nie besitzen werde.“ Er seufzt. Fynn stupst ihn an. „Sei doch nicht traurig deswegen. Jeder ist da eben anders.“ Fritz zuckt mit den Achseln.

„Weißt du, wenn du die einzig Wahre irgendwann triffst, ist es völlig egal, wie gut du vorher bei allen möglichen Frauen angekommen bist.“ Fritz schaut zu ihr auf.

„Wirklich! Wenn du DIE Frau triffst, dann wird sie deinen Wert erkennen und Raeger wird darauf furchtbar neidisch sein.“ Fynn zwinkert ihm zu. Fritz schmunzelt zurück.

„Ja, vermutlich.“

Vor Edas Haustür verabschiedet sich Fritz freundlich und verschwindet wieder Richtung Bergpfad. Es ist bereits dunkel und Eda schläft schon. Fynn hat ein etwas schlechtes Gewissen, dass sie nichts mit Eda an diesem Abend gemacht hat, aber sie wird es wieder gut machen.

Leise schleicht sie sich in ihr Zimmer und zieht ihre Schlafsachen an. Das war wirklich ein aufregender Tag; so viele neue Gesichter und Eindrücke. Morgen wird sie endlich ihr eigenes Haus beziehen. Bei dem Gedanken quietscht sie freudig. Sie ist so aufgeregt. Morgen wird ein großer Tag!

Eigenheim

Liebes Tagebuch,

die letzten Tage waren wirklich toll. Madame Eda ist eine gute Lehrerin und sie hat mir Alles beigebracht, was ich für meinen Start als Farmerin wissen muss. Jetzt ist es an mit das Wissen erfolgreich umzusetzen. Ich kann es kaum erwarten.

Morgen kann ich endlich in mein eigenes Haus ziehen. Ich bin sehr gespannt, wie es aussehen wird. Ab dann bin ich auf mich allein gestellt. Na ja, mehr oder weniger. Eda ist ja schließlich meine direkte Nachbarin. Und Fritz kommt mich bestimmt auch besuchen. Er scheint wirklich nett zu sein. Aus irgendeinem Grund ist er eifersüchtig auf Raeger. Er wäre wohl auch gerne ein Frauenschwarm.

Und ich muss noch immer das Taschentuch zurückgeben. Das darf ich nicht vergessen!“

 

Es ist noch früh am Morgen als Eda aus ihrem Zimmer tritt. Fynn ist bereits am Werkeln in der Küche. Um sich gebührend bei Eda zu bedanken, hat sie am letzten Tag ein gemeinsames Frühstück vorbereitet. „Kind, du bist ja schon wach?“ Erstaunt schaut sich Eda ihren Küchentisch an. Selbst gemachter Brotaufstrich und Belag stehen dort fertig zum Verzehr. Es duftet nach frisch gebackenen Brötchen und ein großer Blumenstrauß prangt über dem Tisch. Eda ist entzückt. „Du hast Frühstück gemacht?!“

Fynn springt von Seite zu Seite und macht noch die letzten Handgriffe. „So ist es!“, flötet sie aufgekratzt. „Setz' dich. Es ist gleich fertig.“

Mit einem breiten Grinsen setzt sich Eda auf ihren Stuhl. Sie entdeckt Marmelade, einen Kräuterquark und Pflaumenmus. Es sieht Alles sehr gut aus. Fynn schwenkt zum Tisch und stellt schwungvoll die Brötchen ab. Mit einem gekonnten Handgriff holt sie eine Kanne frisch ausgepresste Orangensaft von der Kommode und schenkt Eda und sich selbst ein Glas ein. Schließlich stellt sie die Kanne auf den Tisch und lässt sich auf den gegenüberliegenden Stuhl fallen.

„Puh.“, schnauft sie. Sie sieht in Edas erfreutes Gesicht. „Und jetzt guten Appetit. Lass es dir schmecken!“ Eda schaut zu Fynn herüber. „Das werde ich!“ Zufrieden grinsend fangen beide an zu essen.

Nach 40 Minuten sind beide fertig und satt. Eda lehnt sich gemütlich zurück. „Das hast du wirklich toll gemacht, Kleines. Schon lange hat niemand mehr für mich Frühstück gemacht.“

Fynn nimmt einen Schluck Orangensaft. „Das ist doch das Mindeste, nachdem du mich so nett bewirtet hast.“ Sie zwinkert Eda zu.

Eda schaut zur Uhr. „Es ist auch gleich soweit. Veronica sollte jeden Moment hier sein.“ Fynn fängt augenblicklich an unruhig auf ihren Stuhl hin und her zu rutschen. Eda schmunzelt. „Nun mal immer mit der Ruhe.“ In diesem Moment klopft es an der Tür. Fynn springt von ihrem Stuhl. Eda lacht und öffnet die Tür. Veronica steht davor. Sie hat die Hände gefaltet vor ihrem Bauch und schaut Eda an. „Guten Morgen Eda. Ich wollte Fynn abholen. Ist sie fertig?“ Eda dreht sich zu Fynn, die nervös von einem Fuß auf den anderen tritt. „Oh ja, fix und fertig.“ Eda lacht. Veronica scheint etwas verwirrt, wendet sich aber sogleich zu Fynn. „Na dann, deine große Stunde ist gekommen Fynn. Ich nehme an, dass du dein neues zu Hause sehen möchtest?“ Fynn strahlt. „Und wie!“ Sie springt zur Tür. „Na dann geht schon mal vor.“, sagt Eda und dreht sich Richtung Küche. „Ich komme gleich nach.“

„Ich kann die Küche auch aufräumen, Madame Eda.“, sagt Fynn entschlossen. Eda legt ihre linke Hand auf Fynns Schulter. „Nein, nein Kind. Du warst heute schon so fleißig und ich brauche ein bisschen Hausarbeit um in Gang zu kommen. Wir sehen uns gleich bei dir.“ Sie zwinkert Fynn zu. Bei ihr? Fynn quietscht aufgeregt. Veronica lächelt leicht. „Na dann lass uns gehen. Es ist gleich nebenan. Bis gleich Eda.“

„Bis gleich ihr beiden.“ Vergnügt und aufgekratzt springt Fynn aus der Tür hinter Veronica hinterher Richtung Bergpfad.

 

Nach ein paar Minuten biegen sie auf einen kleinen Weg ab, der wieder den Berg hinauf führt und schließlich auf einer großen Wiese endet. Die Sonne geht gerade auf und die ersten Sonnenstrahlen schimmern durch die Baumkronen. Ein leichter Wind kommt auf uns lässt Fynns Haare wehen. Am Ende der Wiese steht ein kleines Häuschen aus dunklem Holz. Die Fensterläden sind mit Schnitzereien verziert. Die Haustür steht offen. Fynn und Veronica treten näher. Das Haus ist tatsächlich gar nicht so klein, wie Fynn gedacht hatte. Genau richtig für ihren Start! In der Hütte hört sie ein leises Hämmern.

„Willkommen in deinem neuen zu Hause, Fynn.“ Veronica macht eine ausladende Handbewegung. Fynn fängt an zu strahlen. Ein dicklicher Mann mit Bart tritt aus dem Haus. Er hat eine Lederschürze an, gesäumt mit kleinen Taschen für Werkzeuge. Als er die beiden erblickt, winkt er freundlich.

„Das ist Gunther.“, stellt Veronica ihn vor, „unser lokaler Schreiner. Er hat maßgeblich beim Ausbau des Hauses geholfen.“ Fynn springt ihm entgegen und umarmt ihn stürmisch. „Vielen Dank Herr Gunther. Es sieht so toll aus.“ Gunther ist sichtlich überrascht über die stürmische Begrüßung. Er wird ein bisschen verlegen und fängt schließlich an zu lachen. „Ach was, das ist doch mein Beruf. Aber es freut mich, wenn es dir gefällt.“ Er beugt sich zu Fynn hinunter: „Aber schau' doch erst mal nach drinnen.“ Er zwinkert.

Fynn reißt aufgeregt die Augen auf und rennt nach drinnen. Gunther schmunzelt und fängt an seine Werkzeuge zu verpacken. Fynn steht in der Mitte ihres neuen Hauses. Es ist ein großer, zentraler Raum mit mehreren kleinen Fenstern an Vorder – und Rückseite. Links vom Eingang ist eine kleine Küche und auf der rechten Seite ist ein kleines Zimmer, das zum Bad führt. Fynn schätzt, dass die Wohnung vielleicht 50qm groß ist. Sie ist bereits mit ein paar Holzmöbeln eingerichtet. Gegenüber von der Küche ist ein kleiner, offener Kamin. Veronica kommt ins Haus. „Ich weiß, es ist nicht allzu groß, aber du kannst es vergrößern, wenn du die finanziellen Mittel dazu hast. Das Grundstück bietet viel Platz.“ Fynn dreht ihren Kopf zu ihr um und strahlt. „Es ist perfekt!“, frohlockt sie. Veronica nickt zustimmend. Fynn springt zu Veronica hinüber und umarmt auch sie stürmisch. „Vielen Dank!“, sie muss sich ein Tränchen verdrücken. Veronica ist von der ehrlichen Begeisterung gerührt. „Das habe ich gerne gemacht.“ Beide gehen wieder nach draußen, wo Gunther fertig ist seine Werkzeuge wieder zu verstauen. Am Horizont erkennt Fynn Eda, die langsam den Bergpfad hinauf kommt. Veronica dreht sich zu Fynn und hält ihr ein paar Papiere entgegen. Interessiert nimmt Fynn sie entgegen. „Das ist die Besitzurkunde für das Haus und das Grundstück. Es ist Alles drinnen, inklusive genauer Größe und Beschaffenheit. Nimm dir die Zeit dir Alles genau durchzulesen und bring mir dann eine Version unterschrieben in die Gilde zurück, in Ordnung?“ Fynn nickt stumm. „Wenn du Fragen hast, kannst du jederzeit zu mir kommen.“ Fynn nickt erneut. „Das mach' ich.“

„Ich muss dann los.“, sagt Gunther und schwingt seine Werkzeuge auf einen kleinen Roller. „Soll ich sie mitnehmen Veronica? Ich habe noch einen Helm dabei.“ Er zwinkert Veronica zu.

„Nicht nötig.“, winkt Veronica ab. „Ich muss ohnehin nochmal auf die Pachtfelder.“

„Ist gut. Ich bin dann weg. Fynn, ich freue mich, dass du jetzt hier bist. Wenn du Hilfe beim Ausbau brauchst, oder Materialien, dann schau doch mal bei uns im Laden vorbei.“

„Das mach ich!“, sagt Fynn und winkt. Gunther setzt sich seinen Helm auf und fährt auf dem Roller Richtung Bergpfad davon. Eda ist derweil bei den beiden Frauen angekommen. Sie hat ein Körbchen auf dem Arm, das mit einem Tuch zugedeckt ist.

„Ich muss dann auch los.“, verabschiedet sich Veronica. „Wenn du irgendwelche Fragen hast, steht dir die Gilde jederzeit offen, Fynn.“ Veronica will sich versichern, dass Fynn sich nicht hilflos fühlt. „Vielen Dank, ich werde sicher vorbeikommen. Spätestens, wenn ich die Sachen hier unterschrieben habe.“ Fynn schaut auf die Papiere in ihrer Hand. Veronica nickt. „Dann verabschiede ich mich. Wir sehen uns.“ Veronica nickt den beiden zu und geht anschließend schnell Richtung Bergpfad davon.

Eda schmunzelt. Sie bemerkt, dass Fynn ein wenig überfordert ist mit den ganzen neuen Eindrücken. „Ich kann leider auch nicht lange bleiben. Ich muss mich noch um meine Tiere kümmern, aber ich wollte dir das hier vorbeibringen.“ Sie überreicht Fynn den Korb. Ein köstlicher Duft steigt Fynn in die Nase. „Ein bisschen was für's körperliche Wohl. Damit du mir bei deinem Start hier nicht umkippst.“ Eda lacht laut.

„Vielen Dank Madame Eda.“ Fynn verbeugt sich und ist sichtlich erfreut über die Hilfe. „Kein Problem Kleines. Betrachte es einfach als Einzugsgeschenk.“ Eda schaut sich um. „Da hast du ja einiges an Land zu beackern.“ Fynn folgt Edas Blick und nickt. Eda zeigt auf einen kleinen Schuppen neben dem Haus. „Ich habe dir in den Schuppen ein paar grundlegende Werkzeuge und Saat gepackt, damit du direkt loslegen kannst.“ Eda zwinkert Fynn zu. Fynn stellt den Korb ab und drückt Eda ganz fest. „Vielen Dank Eda. Ich weiß gar nicht, ob ich das je wieder gutmachen kann.“ Eda lächelt zufrieden und lässt sich bereitwillig drücken. „Komm mich einfach regelmäßig besuchen, das reicht mir schon.“ Beide nicken sich zu. Eda dreht sich schließlich Richtung Bergpfad um.

„So, ich muss dann wieder los. Mein Viehzeug hat Hunger.“ Eda winkt Fynn zu. „Sag' Bescheid, wenn du etwas brauchst.“ Fynn winkt zurück und beobachtet Eda, bis sie hinter einer kleinen Biegung hinter einem Stein verschwindet.

Fynn schnappt sich den Korb und geht in ihr Haus. Sie atmet tief ein. Es riecht nach Holz und dem Inhalt des Korbs, den Eda gebracht hat. Der Duft von zu Hause! Zufrieden grinst sie und stellt den Korb in die Küche. Die Sonnenstrahlen scheinen durch die Fenster auf der Rückseite und tauchen den Raum in ein warmes Orange. Fynn lächelt und beginnt den Korb auszuräumen.

 

Nachdem sie fertig damit ist und einige ihrer andere Sachen ausgeräumt hat, schmeißt sie sich in ihre Arbeitsklamotten und geht nach draußen. Die schreitet zum Schuppen und inspiziert ihr Arbeitsgerät. Neben Harken und Gießkannen, hat Eda ihr auch eine Sichel, Rüben – und Kartoffelsamen bereitgestellt. Fynn schnappt sich eine Harke. Sie schaut sich um und erblickt in einer Ecke einen kleinen Brunnen. Dort sollte sie anfangen, dann ist das Wasser nicht weit weg. Sie nickt zustimmend und geht zum Brunnen. Beherzt fängt sie an den Boden zu beackern.

Die Sonne steht hoch am Himmel, als sie die erste Pause macht. Schnaufend lässt sich sich ins Gras fallen. Sie schaut in den Himmel. Sie hat es natürlich total übertrieben. Auch das Adrenalin der ersten Aufregung war nun gegangen und machte der Müdigkeit Platz. Na ja, es tut ja nicht weh, wenn ich ein bisschen die Augen schließe. Nur einen Moment...

 

„Fynn?“, eine männliche Stimme ertönt aus der Dunkelheit. „Fynn, alles in Ordnung?“ Die Stimme kommt ihr bekannt vor. Da reißt Fynn die Augen auf und schnellt mit dem Oberkörper nach oben. Mit voller Wucht prallt ihr Kopf gegen etwas sehr Hartes. Es folgt ein lautes Poltern. „Auutsch.“, ächzt sie.

Fynn blinzelt und sieht Fritz vor sich sitzen, der sich seinen Kopf hält. „Wow, du hast wirklich gut gezielt.“ Sie sind mit den Köpfen zusammengestoßen. Fynn tastet sich an die Stirn. „Aah...“, das tat weh. Da wird wohl eine dicke Beule bleiben. „Tut mir echt leid. Ich bin nur so erschrocken.“, sagt Fynn noch etwas benommen.

„Schon ok.“, lächelt Fritz tapfer und rappelt sich wieder auf. „Das nächste Mal halte ich einen Sicherheitsabstand ein.“

Fynn zuckt zusammen. „Wie spät ist es?“ Fritz zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht genau. Später Nachmittag.“ Fynn springt erschrocken auf: „Oh nein, ich habe Stunden lang geschlafen.“ Panisch versucht sie ihre Gedanken zu ordnen. „Ich wollte doch noch in den Laden, den du mir gezeigt hattest und Sachen kaufen.“ Fritz schaut besorgt zur Sonne hinauf. „Dann solltest du dich beeilen. Ottmar macht bald zu.“ Fynn springt ins Haus und holt ihren Geldbeutel. „Tut mir echt leid, ich muss das heute schnell erledigen.“ Fritz schaut verdutzt. „Kein Ding. Ich wollte eh zu Oma.“, sagt er schließlich.

„Wir sehen uns später!“, ruft Fynn eilig und sprintet den Bergpfad hinunter.

 

Mit Lichtgeschwindigkeit fliegt sie die Bergpfade entlang. Im Kopf legt sie sich schon eine Einkaufsliste zusammen, damit sie im Laden nicht mehr so lange braucht. Sie fliegt geschwind um eine enge Ecke, als es laut kracht und sie schwungvoll zurück auf den Hintern fällt. „Nicht schon wieder.“, ächzt sie. Als sich die Staubwolke, sie sie aufgewirbelt hat langsam lichtet, erblickt sie Stiefel vor sich. Sie reißt den Kopf nach oben und erblickt einen stattlichen, elegant gekleideten Mann vor sich, der sichtlich überrascht ist sie zu sehen. Jetzt habe ich mich schon wieder vor jemandem in den Dreck gelegt. Sie seufzt. In dem Moment bemerkt sie den Schmerz in ihrem Hinterteil vom hartem Aufprall auf den Boden. Der Mann streckt ihr seine Hand entgegen. „Ist Alles in Ordnung? Hast du dir weh getan?“

Ein starkes Gefühl von Déja Vu macht sich in Fynns Kopf breit. Sie ergreift des Fremden Hand und schwingt sich auf die Füße. Sie hält sich den Kopf. Von der Erschütterung merkt sie wieder die Beule an ihrer Stirn. Sie ächzt erneut. Der Mann ist sichtlich besorgt. „Du siehst gar nicht gut aus. Kann ich etwas für dich tun?“ Er hält ihr ein Taschentuch entgegen. „Hier, du blutest an der Stirn.“ Er zeigt auf die Beule.

„Vielen Dank.“ Fynn nimmt das Taschentuch und schaut auf zu dem Mann. Sie erblickt dunkle, glänzende Haare, wunderschöne, dunkle Augen. Die Sonne blendet sie etwas, doch in dem Moment erkennt sie den Mann von der Lichtung. Sie schaut schnell zu Boden und errötet. „A-alles in Ordnung.“, stottert sie und schiebt sich langsam an ihn vorbei. „I-ich war nur in Eile, weil ich noch in den Laden muss. Ich muss auch wirklich weiter.“ Weiterhin besorgt schaut der Mann ihr hinterher. „Bist du ganz sicher? Soll ich dich nicht lieber zum Arzt begleiten?“ Fynn winkt übertrieben ab, ohne ihm in die Augen zu schauen. „Nein, nein, Alles in Ordnung.“ Sie entfernt sich weiter. „T-tut mir wirklich sehr leid, dass ich sie angerempelt habe. I-ich mache das bei Gelegenheit wieder gut.“, stottert sie weiter und dreht sich schnell in Richtung Dorf. Der Mann ist etwas verwirrt und schaut ihr nach.

„Sei bitte vorsichtig auf deinem weiteren Weg.“, ruft er ihr noch nach.

 

Völlig außer Atem kommt sie an Ottmars Laden an. Sie schwingt sich schnell zur Tür, doch sie geht nicht auf. Sie schaut auf die Öffnungszeiten am Fenster: Bis 17 Uhr. Sie späht hinüber zur Marktplatz Uhr. 17:07 Uhr zeigt diese an. Wortlos steht sie vor dem Schild und lässt die Schultern hängen. Sie zieht die Augenbraue hoch. Eine kleine Wutader bildet sich an ihrem Hals. Sie atmet schwer... Ich reg' mich ja nicht auf... Sie hält sich das Taschentuch an ihre Beule. Da zuckt sie vor Schreck zusammen. Sie schaut sich das Taschentuch genauer an. Es hat dasselbe „K“ hinein gestickt, wie das, das sie bereits hat. Sie schlägt sich an den Kopf. Das darf doch nicht wahr sein. Anstelle ihm sein Taschentuch zurückzugeben, habe ich jetzt zwei davon. Fynn seufzt. Gott, ich bin so dämlich. Sie hält sich das Taschentuch wieder an den Kopf und geht den Bergpfad mit hängenden Schultern zurück.

Die braucht eine ganze Weile in dem Tempo bis nach Hause. An jeder Ecke hatte sie sich versichert, dass der Mann wieder weg war. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie sie gerade aussehen musste und ihm in dem Zustand nicht nochmal begegnen.

Der Mond geht langsam auf, als sie in ihr Haus kommt. Mit einem tiefen Seufzen lässt sie sich auf einen kleinen Sessel fallen. Da fällt ihr Blick auf eine wunderschöne Pflanze auf dem Fensterbrett. Sie ist sich sicher, dass diese vorher nicht da war. Eine kleine Karte ist an den Topf gelehnt. Sie nimmt die Karte und öffnet sie. Auf ihr steht in einer leicht krakeligen Schrift „Aller Anfang ist schwer.“ Unten drunter ist eine kleine Chibi Zeichnung von Fritz. Fynn muss lächeln. Sie schnuppert an der Blüte, die sich gerade an der Pflanze öffnet. Sie duftet wunderbar. Sie geht ins Bad, wäscht sich und schnappt sich eine Portion Eintopf aus Edas Versorgungskorb und macht ihn sich warm.

Sie macht sich ein kleines Feuer im Kamin und lässt sich zufrieden auf ihren kleinen Sessel fallen. Während Fynn den leckeren Eintopf isst, beobachtet sie die kleinen Funken, um das Feuer und lauscht dem Knistern ihres neuen Lebens.

Das Taschentuch

„Liebes Tagebuch,

ich wohne jetzt seit ca. einer Woche hier in Eichbaumhausen. Während der letzten Tage habe ich meine Felder bestellt. Es ist wirklich eine Menge Arbeit, aber sie macht mir viel Spaß. Jetzt bin ich an einem guten Punkt, um mir mal wieder ein bisschen die Gegend anzuschauen. Ich will unbedingt mal Fritz auf seiner Farm besuchen. Er war fast jeden Tag hier und hat nach mir gesehen, da sollte ich ihn wirklich auch mal besuchen gehen. Und Raeger habe ich seit meiner Ankunft hier auch nicht viel gesehen.

Und dann ist da ja auch noch das Taschentuch... Ich habe die Arbeit die ganze Zeit als Ausrede benutzt, um mich darum nicht kümmern zu müssen, aber so langsam muss ich der Wahrheit ins Auge blicken und es zurückgeben. Ich hoffe nur, dass ich bei meinem nächsten Versuch dann nicht plötzlich 3 davon habe...“
 

Es ist gerade Mittag als Fynn all ihre Felder gegossen hat. Für heute konnte sie die Arbeit ruhen lassen. Sie geht ins Haus, duscht sich und zieht sich um. Seit 4 Tagen hatte sie nur Arbeitsklamotten angehabt. Zögerlich steckt sie sich die beiden frisch gewaschenen Taschentücher von „K“ in die Tasche. Heute würde sie sie endlich zurück geben!
 

Fynn macht sich langsam auf den Weg den Bergpfad hinunter. In ihrem Kopf geht sie alle möglichen Szenarien durch, wie sie die Taschentücher zurückgeben kann, ohne dass es peinlich wird. Die verzieht das Gesicht. Die Szenarien enden fast immer in ihrem Herzinfarkt. Es muss doch irgendwie gehen, dass sie sich nicht blamiert? Vielleicht sollte sie einfach abwarten, bis sie ihm zufällig im Dorf begegnet? Sie müsste sich nur eine Weile hinter einen Vorsprung hocken und auf den richtigen Moment warten. Vielleicht wenn er gerade aus der Tür kommt. Dann will er bestimmt irgendwo hin und hätte keine Zeit sich lange aufzuhalten? Das wäre doch gut. Fynn verzieht die Augenbrauen. Da sie seinen Tagesablauf nicht kennt, müsste sie sein Haus beobachten. Hm... wenn sie dabei jemand entdeckt, könnte das peinlich werden. Die Leute könnte denken, dass sie ihn stalkt. Und die blonde Frau wohnt doch direkt daneben. Wenn sie das sehen würde, würde sie bestimmt wütend werden. Nein, das ist wohl keine gute Idee.

Fynn könnte natürlich auch einfach klopfen. Er würde sie bestimmt rein lassen, ihr vielleicht einen Tee anbieten. Er ist doch Parfümeur, oder? In seinem Haus duftet es bestimmt wunderbar. Er stellt ihr den Tee hin, lächelt sanft, setzt sich dazu. Der Duft nach Rosen lässt eine romantische Atmosphäre aufkommen. Ihre Hände könnten sich treffen und... in diesem Moment gibt es einen lauten Knall, der Fynn augenblicklich aus ihren Gedanken reißt. Sie blickt auf. In ihrem Tran hat sie wohl einen Haufen Werkzeuge umgeschmissen. Irks, das musste ja mal wieder sein. Kannst du nicht gleichzeitig denken und laufen? Sie bückt sich und fängt widerwillig an die Hacken, Schaufeln und Harken zusammen zu sammeln.

„Was ist hier los?“, tönt eine schrille Frauenstimme hinter ihr. Fynn dreht sich um und sieht auf. Eine junge Frau mit blonden, langen Haaren und einem rosa Kleid steht vor ihr. Ihre Locken kräuseln sich im Wind. Ihre Hände sind in ihre Hüften gestemmt und sie guckt betont streng zu Fynn hinab, die in Mitten der umgeschmissenen Werkzeuge sitzt.

„Ich war in Gedanken und habe aus versehen die Werkzeuge umgeschmissen.“, fängt Fynn an zu erklären. Sie dreht sich wieder zurück und sammelt weiter die Werkzeuge ein. „Kommt nicht wieder vor.“

Die Frau kommt näher und ihr Ton wird schärfer. „Das will ich auch hoffen! Wenn auch nur ein Werkzeug beschädigt ist, dann werde ich das von deinem Lohn abziehen! Ich kann nicht ständig neue Werkzeuge kaufen!“

„Ähm...“, Fynn dreht sich wieder zu der Frau um und ist etwas verdutzt. Die hat wohl einen Sonnenstich. „Das ist ein Missverständnis, ich bin nicht...“

„Ich bin noch nicht fertig!“, unterbricht die Frau Fynn's Erklärung. „Ich bin es leid, dass du immer so schusselig bist. Wassereimer umschmeißen ist eine Sache, das kostet nicht so viel, aber bei Werkzeugen hört der Spaß auf.“ Fynn steht auf und tritt der Frau gegenüber. „Wir sehen uns heute zum ersten Mal.“, versucht Fynn die Frau aufzuklären. Sie zieht die Augenbraue hoch.

„Jede Woche ist es dasselbe.“ Die Frau steigert sich weiter in ihren Anfall rein und scheint Fynn gar nicht zu hören. Fynn schaut sich um. Erst jetzt stellt sie fest, dass sie auf Höhe der Reisfelder steht. Die Reisfelder, die Elise gehören. Auf dem Feld arbeiten Leute, aber keiner hebt auch nur den Kopf. Erstaunlich bei der Lautstärke. Sind die das etwa gewohnt? „Ich wünsche, dass das sofort eingestellt wird. Sonst ersetze ich dich durch eine Kuh. Die gibt wenigstens Milch.“ Fynn kräuselt die Stirn. Du bist der Beweis, das nicht jede Kuh Milch gibt. „Und jetzt zurück an die Arbeit. Ich bezahle dich schließlich nicht für's Rumstehen.“ Fynn verschränkt die Arme vor der Brust. „Du bezahlst mich gar nicht.“, erwidert sie etwas sarkastisch. „Ja, wenn das so weiter geht sicher nicht.“ Die blonde Dame hat sich wieder etwas beruhigt, behält den scharfen Ton jedoch bei. Fynn mustert die Frau. „Du musst wohl Elise sein.“, schlussfolgert sie. „Ja, selbstverständlich Sherlock. Wenn das ein Witz sein soll, kann ich nicht darüber lachen.“ Elise wird zusehens genervter. Fynn kratzt sich etwas ratlos am Kopf, als ein älterer Herr sich den beiden nähert. Er hat eine Kammerdiener artige Uniform an und geht etwas krumm.

„Madame...“, nähert er sich Elise vorsichtig. „Ja, was ist denn?“ Genervt dreht Elise sich zu dem Mann um. „Das ist eine Farmerin aus der Gegend. Sie arbeitet nicht für euch.“ Elise reißt den Kopf zu Fynn herum und reißt entsetzt die Augen auf. Fynn zieht die Augenbrauen hoch und nickt zustimmend. Kurz herrscht Stille. Auf einmal kreischt Elise wieder los: „Und wieso gibst du dich als Mitarbeiterin aus, wenn du gar keine bist?“ Fynn schlägt sich die Hand gegen die Stirn. Sie atmet tief durch und versucht zu lächeln. „Das war wohl ein Missverständnis.“ Kurz herrscht Stille. Auf einmal lacht Elise laut und schrill los und hält sich eine Hand vor den Mund.

„HA HA HA... Na, ich will mal nicht so sein. Freut mich dich kennen zu lernen...äääh...“

„Fynn.“, fügt Fynn ein, die Augen zusammengekniffen von dem Ohren betaubenden Ton ihres Lachens. „Ah ja, Fynn. Ich bin Elise.“

„Ähm... ja.“ Fynn schaut zu dem Kammerdiener, dem das Alles sichtlich unangenehm zu sein scheint. „Aber jetzt musst du leider gehen, denn manche Leute hier müssen arbeiten.“, mit diesen Worten dreht sich Elise um und beaufsichtigt weiter ihre Felder.

Der Kammerdiener dreht sich zu Fynn und verbeugt sich. „Tut mir sehr leid, werte Dame. Frau Elise hat ein gutes Herz, ist aber manchmal etwas... ungeschickt im Umgang mit anderen.“

„Schon in Ordnung.“ Fynn winkt ab. Der Herr verbeugt sich nochmals und eilt Elise hinterher. Fynn schüttelt den Kopf, etwas perplex von der Begegnung eben und setzt ihren Weg Richtung Dorf fort.
 

Wenn ihr Ausflug schon so anfängt, kann das ja Alles nichts werden.

Nach ein paar Minuten kommt sie an eine Kreuzung. Sie bleibt stehen. Links herum geht es ins Dorf, das man bereits sehen kann. Rechts herum geht es über eine Brücke Richtung Fritz' Farm. Fynn dreht sich entschlossen nach links. Das ist der richtige Weg! Sie muss schließlich die Taschentücher zurückgeben. Sie befielt ihrem Fuß nach vorne zu gehen. Einige Sekunden bleibt sie regungslos stehen. Sie fixiert das erste Haus, das man sieht und kneift die Augen zusammen: Muss.... Füße... bewegen! Muss.... ins... Dorf.... Noch immer steht sie auf derselben Stelle. Betont langsam dreht sie ihren Kopf Richtung Brücke. Sie verzieht ihren Mund zur Seite. Fritz wollte sie auch besuchen. Ja, es wäre direkt unhöflich nicht zu ihm zu gehen. Er war doch so freundlich. Da ist es doch das Mindeste bei ihm mal vorbeizuschauen. Und es ist ja auch noch nicht spät, da kann sie auch später noch ins Dorf gehen. Die Taschentücher werden ja nicht schlecht oder so was. Langsam dreht sich auch ihr restlicher Körper Richtung Brücke. Sie will ja schließlich nicht unhöflich zu Fritz sein. Der ist bestimmt schon ganz traurig, weil sie noch nie bei ihm war. Fynn nickt energisch und geht flinken Schrittes Richtung Fritz' Farm.
 

Nach weiteren 10 Minuten kommt sie zu einer Weggabelung. Sowohl links als auch rechts herum scheinen Farmen zu sein. Fynn kratzt sich am Kopf. Aber welche davon gehört Fritz? Am Ende des linken Wegs ist ein hölzernes, leicht dreckiges Schild über dem Weg. Die Schrift ist nicht mehr wirklich leserlich. Dahinter liegen einige Gerätschaften lose auf dem Boden herum. Sie dreht ihren Kopf nach rechts. Hier prangt ein verschnörkeltes, weißes Schild über dem Weg. „Rosenholz – Farm“ steht darauf geschrieben. Dahinter sieht sie mehre, wunderschön angelegte Beete mit Blumen, die in voller Blüte stehen und eine kleine Villa in der Mitte des Grundstücks. Sie zieht eine Augenbraue hoch und dreht ihren Kopf wieder Richtung Holzschild. Nicht schwer zu erraten, welche der Farmen Fritz gehört. Sie folgt dem linken Weg und durchschreitet das Holzschild. Auf der rechten Seite ist ein kleines Holzhaus. Schräg dahinter ist eine kleine Wiese mit zwei Kühen, die neugierig in ihre Richtung schauen. Kurz daneben ist ein kleiner Stall. Rund um das Grundstück sind einige kleine Felder wild verstreut, manche besser, manche schlechter gepflegt. Fritz ist nicht zu sehen. Fynn geht zur Tür und klopft, aber niemand macht auf. Sie dreht am Türknauf und die Tür öffnet sich.

„Fritz?“, ruft sie in den Raum, der sich direkt hinter der Haustür erstreckt. Keine Antwort. Sie tritt ein und steht in einem schuppenartigen Raum. Er ist unaufgeräumt und etwas staubig. Links gehen eine paar Stufen hinauf in einen anderen Raum. Fynn kann einen Tisch und Fritz' Bett sehen. Soll sie wirklich reingehen? Vorsichtig geht sie die Stufen hoch und schaut, ob Fritz da ist. Er ist aber nicht zu sehen. Der Tisch ist aufgeräumt und sauber. Auch Fritz' Bett ist gemacht. Auf seinem Bett liegt ein aufgeschlagenes Buch. Fritz liest? Fynn hätte nicht gedacht, dass er der Typ dafür ist. Sie späht ins Buch, um zu sehen, was er liest.

„... sie ist wirklich hübsch und so witzig. Ich glaube, ich habe mich in sie verliebt...“ Fynn springt zurück und läuft hoch rot an. Au weia, das ist sein Tagebuch. Sie schlägt sich an die Stirn und fängt an sich lautstark zu ärgern. Beschämt eilt sie aus dem Haus. Vor der Tür hält sie inne und drückt sich einen Mittelfinger zwischen die geschlossenen Augen. Wer lässt denn auch sein Tagebuch so offen liegen? Sie schüttelt den Kopf. Dass sie aber auch immer so neugierig sein muss. Lieber unauffällig gehen und so tun, als hätte sie nichts gesehen.
 

Langsam schleicht Fynn den Weg zurück Richtung Dorf. Keine Ausrede mehr, um sich vor dem Zurückgeben der Taschentücher zu drücken. Sie atmet tief durch. Es hilft ja nichts. Dann hat sie es wenigstens hinter sich.

Wie Fritz es ihr gezeigt hatte, biegt sie an der ersten Kreuzung im Dorf rechts ab. Einfach die Treppe runter und... da war schon sein Haus: Das Haus von „K“. Einen Meter vor der Tür bleibt sie stehen und starrt auf die Stufe vor der Tür. Was soll sie sagen? Woher hatte sie das erste Taschentuch? Es hing an einem Busch in der Wildnis. Wie hatte sie es gefunden? Wird er misstrauisch, wenn er das hört? Er soll nicht denken, sie hätte ihn beobachtet... was sie getan hat, aber das muss er ja nicht wissen. Fynn fängt an sich auf der Unterlippe rum zu kauen. Soll sie etwas anderes erzählen? Sich eine Geschichte ausdenken? Nein, das würde bestimmt auffliegen. Sie ist keine gute Lügnerin. Eine entlarvte Lüge wäre vermutlich noch peinlicher als die Wahrheit. Sie seufzt. Also los, ran an den Speck! Sie macht zwei Schritte auf die Tür zu, so dass sie direkt davor steht und starrt mit leerem Blick auf das Holz der Tür, das genau vor ihr ist. Es ist dunkel und riecht angenehm. Ein silberner Türklopfer hängt über ihrem Kopf. Wie ungewöhnlich heutzutage.

Nach einigen Sekunden fängt sie sich, hebt die Hand und klopft. Die Stunde der Wahrheit! Ihr Herz fängt an zu pochen. Eine Schweißperle bildet sich auf ihrer Stirn... keine Antwort. Sie klopft erneut.

Die Schweißperle läuft ihre Schläfe hinab... nach wie vor keine Antwort. Wieso dauert das nur so lange? Ist er etwas nicht da? Sie setzt ihr Ohr auf die Tür und horcht. Fynn hält die Luft an... Nichts zu hören.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragt auf einmal eine weibliche Stimme hinter ihr. Fynn zuckt zusammen, reißt den Kopf nach oben und dreht sich ruckartig um. Hinter ihre steht Iris, die blonde Frau, die mit im Unterholz war. Fynn schluckt. Wurde sie gerade dabei erwischt, wie sie an der Tür gehorcht hat? Oh mein Gott, das war ja klar!

Iris schaut Fynn fragend und etwas unsicher an. Sie legt den Kopf leicht zur Seite. Ihre blonden, langen Haare, fallen ihr wellenförmig über die Schulter. Fynn fängt verkrampft an zu lächeln.

„Ich wollte nur zu Klaus, aber er scheint nicht da zu sein.“

Iris horcht auf. „Ja, der ist Mittwochs oft außerhalb der Stadt unterwegs und kommt er spät wieder.“

„Achso, das wusste ich nicht.“ Fynn schiebt sich langsam an Iris vorbei. „Ist ja nicht so, als würde ich ihn stalken oder so. Haha...“ Fynn fängt an zu schwitzen.

„Soll ich ihm etwas ausrichten, wenn ich ihn sehe?“, fragt Iris freundlich. „Ach nein, nicht nötig.“, winkt Fynn ab und geht rückwärts Richtung Treppe. „Ich komme einfach ein andermal wieder.“ Gerade als Fynn sich umdrehen will, stolpert sie über die erste Stufe und gerät ins Taumeln. Im letzten Moment kann sie sich noch fangen und stabilisieren. Schnell springt sie auf und dreht sich nochmal zu Iris.

„Ist Alles in Ordnung?“, fragt diese besorgt.

„Ja ja, Alles gut. Nichts passiert. Also dann.“, Fynn winkt zaghaft und springt schnell die Stufen hinauf. Erst als sie aus dem Dorf raus ist, macht sie Halt und atmet kurz durch. Das war ja mal wieder großartig. Sie wird bestimmt Allen erzählen, dass Fynn an der Tür gehorcht hat. Alle werden sie als Stalker ansehen. Fynn lässt die Schultern hängen. Dass aber auch immer ihr so was passieren muss. Sie fühlt sie Taschentücher in ihrer Hosentasche. Sie sind immer noch da. Für einen Moment hatte sie gehofft, dass sie einfach weg sind und sie sich damit nicht mehr beschäftigen muss. Tja, Pech gehabt. Mit hängenden Schultern fängt Fynn an nach Hause zu schlurfen.

Was für eine Pleite!
 

Fynn schläft sehr schlecht in dieser Nacht. Immerzu sieht sie Iris verwirrtes Gesicht, als Fynn sie fragt, wo Klaus ist. Und genau in dem Moment, als sie es sagen will, fängt hintendran Elise an schrill zu lachen, so dass Fynn nichts verstehen kann.

Es ist 8 Uhr, als Fynn von einem energischen Klopfen an der Tür geweckt wird. Müde blinzelt sie und sieht vor sich ein Tischbein. Etwas benommen und verwirrt, versucht sie sich zu orientieren. Sie dreht ihren Kopf und sieht den Fuß ihres Bettes. Unter ihr befinden sich Holzdielen. Sie ist wohl aus dem Bett gefallen. Ihr Bettzeug liegt frei verteilt um sie herum. Da klopft es wieder an der Tür. Langsam richtet sie sich auf und kratzt sich am Kopf. Verschlafen trottet sie zur Tür. Welcher Idiot klopft denn um diese Uhrzeit? Das kann doch nur Fritz sein! Etwas verstimmt, die Haare total verwuschelt öffnet sie die Tür.

„Oh pardon, ich wusste nicht, dass du noch schläfst.“, sagt eine weiche, männliche Stimme vor der Tür. Fynn blinzelt verschlafen und schaut hoch. Vor ihr steht Klaus, geschniegelt und gebügelt, einen leichten Duft nach Lavendel verströmend. Eine leichte Brise lässt kleine Strähnchen in sein Gesicht fallen.

Fynn ist wie erstarrt.

„Guten Morgen.“, redet er weiter. „Ich wollte gewiss nicht stören. Iris hatte mir gesagt, dass du gestern zu mir wolltest, als ich nicht da war.“ Er macht eine kurze Pause, um Fynn die Möglichkeit zu geben etwas zu sagen. Fynn ist weiterhin zu Stein erstarrt. Als Klaus bemerkt, dass sie wohl nichts erwidern wird, räuspert er sich und fährt fort: „Nun, da du gestern extra den weiten Weg zu mir gemacht hast, dachte ich, es wäre nicht angemessen das ein zweites Mal zu verlangen. Deswegen bin ich hergekommen.“ Klaus fängt an freundlich zu lächeln.

Langsam bewegt Fynn ihre Hand Richtung Tür. Kein anderer Muskel bewegt sich, außer ihrem Arm... Klaus folgt der Bewegung mit den Augen. Fynn's Hand umschließt das Tür-Ende und fängt an die Tür zu bewegen. Gaaaanz langsam schließt sich die Tür. Nachdem sie komplett geschlossen ist, schaut Klaus etwas verdutzt.

Fynn erwacht aus ihrer Schockstarre und springt schnell in ihrem Haus umher, um nicht komplett lächerlich auszusehen: Richtige Sachen anziehen, schnell die Haare kämmen, Zähne putzen... Das muss reichen. Nach 50 Sekunden springt sie wieder zur Tür und reißt sie auf. Klaus hat höflich vor der Tür gewartet, scheint aber noch immer etwas verwirrt.

Als wäre nichts gewesen, fängt Fynn an fröhlich zu reden: „Tut mir sehr leid, ich musste nur schnell etwas Passenderes anziehen.“, etwas gequält lächelt Fynn Klaus an. Sie ist ganz rot und ihr ist plötzlich sehr warm. Klaus nickt und fängt wieder freundlich an zu lächeln. „Aber natürlich. Ich entschuldige mich nochmals für die frühe Störung.“

„Nein, nein! Nicht nötig. Normalerweise bin ich auch viel früher wach und mache.. na ja... so Farmsachen halt.“ Fynn versucht cool die Fassung zu bewahren.

Ein paar peinliche Sekunden des Schweigens vergehen. Sichtlich amüsiert über Fynns Unsicherheit räuspert sich Klaus erneut:„Und was bescherte mir gestern die Ehre deines Besuchs? Kann ich etwas für dich tun?“

Ach ja, da war ja was! „Äh, ja, mehr oder weniger.“ Fynn schaut etwas verwirrt drein: Wo hatte sie die Taschentücher doch gleich? Fynn springt von der Tür weg und sucht sie. Klaus bleibt höflich vor der Tür stehen. Es dauert einen Moment, bis Fynn bemerkt, dass er noch immer vor der Tür steht. „Komm' doch rein!“, ruft sie angestrengt Richtung Tür. Klaus schließt kurz die Augen und kichert fast unmerklich. Dann öffnet er langsam die Tür und tritt in das Wohnzimmer ein. Fynn kramt derweil in ihren Klamotten und achtet nicht weiter auf ihn. In einer ihrer Hosen sind die Taschentücher, so viel weiß sie noch. Der Schreck über den unerwarteten Besuch liegt ihr etwas in den Knochen und erschwert die konzentrierte Suche.

„Ich hab's gleich... Ah da!“, triumphierend hebt Fynn die Tücher in die Höhe. Sie springt herüber zu Klaus, mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht. Sie streckt ihm beide Taschentücher entgegen.

„Ich wollte dir deine Taschentücher wiedergeben. Das eine, das du mir netterweise gegeben hast, als ich... nun ja... etwas angefressen aussah und das andere habe ich... beim Erkunden der Umgebung... auf einer Wiese gefunden. Da sie dieselben Initialen drauf gestickt haben, dachte ich, das gehört dir wohl auch.“

Etwas überrascht nimmt Klaus die Taschentücher entgegen und betrachtet sie. Er hatte wohl nicht mit dem Zweiten gerechnet. Aber vielleicht fällt es ihm ja auch nicht weiter auf. Mit jeder verstreichenden Sekunde, die er nichts sagt, steigen Fynn weitere Schweißperlen auf die Stirn. Verlegen verschränkt sie die Arme hinter dem Rücken und versucht ihm so selbstbewusst wie möglich anzulächeln. Klaus schaut erst die Tücher prüfend an und dann Fynn. Sie ist etwas verunsichert.

„Keine Sorge, ich habe sie gewaschen!“, sagt sie schnell, etwas unsicher darüber warum Klaus so schweigsam ist. Mit einem neutralen Blick wendet er sich schließlich an sie. „Vielen Dank... Nur so aus Neugier: Wo genau hast du das zweite Taschentuch gefunden?“ Fynn wird Feuer rot. Ihr selbstbewusstes Lächeln wird etwas zerknautschter, doch sie versucht sich nichts anmerken zu lassen. „Das? Ach, das war kurz nachdem ich hier angekommen war. Das hing an einem Strauch neben dem Bergpfad zu meinem Haus.“ Eine Schweißperle rinnt ihre Schläfe hinunter. Klaus schließt wieder die Augen und senkt ein wenig den Kopf. Lächelt er?

„Nun, da bin ich ja froh, dass du es zufällig gefunden hast. Da habe ich wohl Glück gehabt.“ Fynn kratzt sich am Hals und versucht weiter zu lächeln. „Ja, so ein Glück aber auch. Das war wirklich purer Zufall.... he he...“

Er hebt den Kopf. Ein zartes Lächeln umspielt seine Lippen. „Dann muss ich mich wohl bei Gelegenheit revanchieren. Besuche mich doch bald mal. Dann bereite ich dir ein persönliches Parfüm zu.“ Er verbeugt sich leicht. „Ich muss mich jetzt auch leider verabschieden, ich habe noch einiges zu tun und möchte dich auch nicht weiter stören.“ Fynn winkt energisch ab. „Stören? Ach was, du störst mich doch nicht!“ Klaus nickt. „Nun gut, das freut mich zu hören. Ich muss mich dennoch verabschieden. Auf Wiedersehen, werte Fynn. Und besuche mich in der Stadt, sobald zu Zeit hast, in Ordnung?“

Klaus geht aus der Tür und bleibt hinter der Schwelle noch einmal kurz stehen. Fynn nickt und geht ebenfalls zur Tür, um sie langsam zu schließen.

„Aber klar doch, mach' ich gern.“ Ihr Grinsen versucht noch immer ihre Unsicherheit zu überspielen. Klaus nickt ihr erneut zu. Schließlich entfernt er sich wieder vom Haus Richtung Bergpfad. Fynn schließt die Tür, lehnt sich an sie und sinkt langsam Richtung Boden. Ihr Gesicht tut weh vom vielen Grinsen. Alles dreht sich und sie japst nach Luft. Wie kann ein Mensch nur so gut riechen?

Sie hatte sich einfach schon wieder zum Affen gemacht. Sie ist sich sicher, dass er keinen guten Eindruck von ihre haben kann. Nur seiner Höflichkeit war es zu verdanken, dass er sie nicht ausgelacht hat. Fynn schlägt frustriert mit der Hand auf den Boden. So ein Mist! Soll sie wirklich nochmal zu ihm gehen? War seine Einladung wirklich ernst gemeint, oder nur aus reiner Höflichkeit ausgesprochen worden? Sie bufft mit dem Kopf ein paar Mal gegen die Tür. Na ja, ist ja auch egal. Sie kann ja nicht sagen, dass sie kommt und es dann nicht machen. Sie wird es also bald herausfinden. Bei dem Gedanken daran ihn zu Hause zu besuchen fängt ihr Herz an zu pochen. Warum war sie bei dem Gedanken an Klaus nur so aufgeregt? Er ist deutlich älter als sie und eigentlich gar nicht ihr Typ. Oder doch? Ist ja auch egal... so wie sie sich heute benommen hatte, braucht sie sich über so was sicher keine Gedanken mehr zu machen.

Valentinstag

„Liebes Tagebuch,

letzte Woche habe ich mich zum Gespött der ganzen Stadt gemacht. Erst erwischt mich Iris dabei, wie ich an Klaus' Tür horche und dann kommt er extra zu mir, damit ich nicht noch mal den weiten Weg zu ihm machen muss und ich mach' mich voll zum Affen. Gott, das war so peinlich. Er war natürlich höflich und gut aussehend... Er riecht immer so anregend; nach Vanille oder Lavendel. Fast wie ein Kuchen...

Wie dem auch sei, aus Höflichkeit hat er mich als Dankeschön für das Zurückbringen seiner Taschentücher zu sich nach Hause eingeladen, um mir ein Parfüm zu schenken.Ich wollte mich erst darum drücken, aber ich denke, das wäre mehr als unhöflich, also habe ich mir etwas überlegt, wie ich den Besuch nicht absolviere und es dennoch nicht peinlich ist: Ich gehe einfach am Mittwoch, wenn er nicht in der Stadt ist. Super Plan, was?“
 

Fynn steht auf ihrem Feld und betrachtet ihre langsam wachsenden Rübenpflanzen. Sie waren noch immer klein und zerbrechlich, aber doch schon deutlich zu sehen. Sie hockt sich hin und stupst eine an; noch so weich...

Der Mittwoch war gekommen... der Tag der Wahrheit. Fynn richtet sich auf und atmet durch. Heute würde sie ihren Plan in die Tat umsetzen: Zu Klaus' Haus gehen, an der Tür klopfen und nachdem keiner aufgemacht hat schnell wieder heim gehen. Iris würde das Ganze bestimmt sehen und Klaus berichten, dass Fynn da gewesen war. So hätte sie ihre Schuldigkeit getan, ohne dass sie irgendwas Peinliches hätte machen können.

Na ja... Raum für Peinlichkeiten war natürlich immer. Fynn atmet tief ein. Also los!
 

Fynn braucht recht lange für den Weg in die Stadt. Auf den Feldern von Elise war niemand zu sehen gewesen. Es gab einfach nichts, was sie hätte von ihrem Unterfangen ablenken können... Tolle Wurst.

In der Stadt herrscht recht reges Treiben. Insbesondere die jüngeren Leute scheinen aufgekratzt zu sein. Komisch. Egal, weiter zu Klaus' Haus.

Ein paar Minuten später steht sie davor. Es ist majestätisch und groß, genau wie sie es in Erinnerung hat. Entschlossen tritt sie auf die Eingangstür zu und klopft. Schnell und schmerzlos war ihre Devise. Da hört sie plötzlich Schritte. Oh oh... Die Schritte verstummen und die Tür öffnet sich.

Es ist Klaus, der anfängt zu lächeln als er sie sieht. Er scheint erfreut zu sein Fynn zu sehen, wenn auch etwas überrascht.

Fynn seufzt. War eigentlich klar, dass er das ist, wenn er es nicht sein sollte. „Hallo.“, sagt sie schließlich etwas kleinlaut.

„Oh hallo, was für eine nette Überraschung. Komm' doch rein.“ Klaus öffnet die Tür weiter.

Fynn tritt ein und befindet sich in einem großen Wohnzimmer. Klaus schließt die Tür und tritt näher. Er sieht wie immer tadellos und gut aus. Im ganzen Haus duftet es nach den verschiedensten Gerüchen.

„Was kann ich für dich tun?“, fragt er freundlich und verschränkt die Arme hinter dem Rücken.

Fynn kratzt sich verlegen am Kopf. „Nun, du hattest gesagt, dass ich dich besuchen soll, wenn ich Zeit habe.“

Klaus geht ein Licht auf: „Ach genau, wegen der Taschentücher. Ich freue mich, dass du es extra eingerichtet hast.“ Klaus lächelt freundlich. Ich freue mich auch sehr, denkt Fynn. Selbst in ihren Gedanken ist sie sarkastisch.

„Ich habe dir tatsächlich etwas vorbereitet. Wenn du kurz Platz nehmen möchtest, dann hole ich es schnell.“ Klaus zeigt auf einen bequem aussehenden Sessel im Wohnzimmer.

Fynn nickt: „Aber natürlich.“ Sie geht zum Sessel und nimmt Platz.

„Sehr schön. Ich bin gleich wieder da.“ Geschwind verlässt Klaus das Wohnzimmer und schließt die Tür hinter sich.

Fynn bleibt im Wohnzimmer zurück. Die Einrichtung war genau wie man es sich vorstellen würde bei Klaus: Klassisch und stilvoll, dunkel und edel... Vermutlich fast Alles Sammlerstücke. Die Möbel waren alle schon sehr betagt, aber äußerst gepflegt und neu bezogen. Obwohl es ein großes Fenster gab, war das Zimmer recht dunkel, einerseits von den dunklen Holzmöbeln und andererseits vom dunklen Holzboden.

Fynn hebt eine Augenbraue. Sie muss daran denken, dass er neulich in ihrem kleinen Verschlag stand. Das muss ja für ihn furchtbar gewesen sein: Klein und unaufgeräumt; das genaue Gegenteil von seinem Haus.

Auf einer Anrichte an der Wand sieht Fynn mehrere Fotos. Wer die Leute wohl sind?

In dem Moment öffnet sich die Tür und Klaus tritt herein. Wieder lächelt er freundlich. „Tut mir sehr leid, dass du warten musstest.“

Fynn winkt ab: „Ach was, kein Problem. Das Haus ist wirklich wunderschön. Und dieser Sessel ist so was von bequem und alt... also positiv alt... so wie bei Oldtimers...!“ Warum redet sie doch gleich von den Möbeln? Sie sollte besser den Mund halten. Sie schaut beschämt zu Boden.

Klaus schließt kurz die Augen: „Vielen Dank.“ Er stellt ein kleines Parfümfläschchen auf den Tisch. „Würdest du mir deine Hand geben?“, fragt er verheißungsvoll. Sein Lächeln wirkt fast aufgeregt.

Etwas zögerlich reicht Fynn ihm die Hand. Er nimmt sie vorsichtig und dreht sie, so dass das Handinnere nach oben zeigt. Klaus hat wirklich große Hände; warm und weich. Er über nur wenig Druck aus und doch hat er volle Kontrolle über Fynn's Hand. Als sie realisiert, dass er ihre Hand hält, wird sie rot.

Vorsichtig träufelt Klaus zwei Tropfen Parfüm auf ihr Handgelenk. Als er fertig ist, lässt er ihre Hand los. Es fühlt sich fast so an, als hätte er seine Hand absichtlich an ihrem Handrücken lang gleiten lassen. „Wie wirkt das Parfüm auf dich?“ Gespannt wartet er auf ihre Antwort.

Fynn nimmt ihr Handgelenk an die Nase und riecht. Es riecht dezent, aber dennoch sehr gut, etwas blumig. Sie kann nicht genau sagen nach was, aber sie entspannt direkt beim Einatmen. „Es wirkt beruhigend und entspannend.“ Klaus schlägt die Hände zusammen und frohlockt. „Das freut mich sehr. Genau das hatte ich beabsichtigt.“

Fynn betrachtet ihn. Sie hatte ihn noch nie so fröhlich gesehen. Freundlich war er ja immer, aber so richtig gelacht hatte er noch nicht. Direkt niedlich. Bei dem Gedanken fängt ihr Herz an zu schlagen und ihr wird warm.

Sogleich hat Klaus seine Fassung wieder gewonnen und nimmt das Fläschchen in die Hand. Er hält es Fynn entgegen: „Das möchte ich dir gerne schenken. Ich hoffe, es entspannt dich ein bisschen, wo du doch so einen stressigen Beruf hast.“ Wieder lächelt er freundlich.

Fynn ist noch immer rot im Gesicht, als sie das Parfüm nimmt. „V-vielen Dank.“ Sie macht so etwas wie eine Verbeugung. Klaus kichert ganz leise.

„I-ich muss dann auch wieder los.“

„Ja natürlich.“ Klaus richtet sich gerade auf und macht einen ernsteren Blick. „Du hast mit Sicherheit viel zu tun. Tut mir leid, dass ich dich so lange aufgehalten habe.“ Meint er das ernst? Entweder er versteckt seine Ironie gut, oder er hat ein besseres Bild von ihr und ihrem Beruf, als sie denkt.

„Nein, nein. Es war wirklich sehr nett. Das nächste Mal bringe ich etwas mehr Zeit mit.“, erwidert sie und bereut es sogleich. Hatte sie gerade gesagt, dass sie wiederkommt? Oh man. Klaus nickt zustimmend: „Immer gerne. Deine Gesellschaft ist mir stets eine Freude.“ Klaus hält eine Hand hinter den Rücken. Er nimmt Fynn's rechte Hand behutsam, führt sie langsam nach oben und gibt ihr einen zärtlichen Handkuss: „Bis zum nächsten Mal, werte Fynn.“

Fynn's Herz und Kopf explodieren förmlich. Benommen und etwas desorientiert wackelt sie aus der Tür. Klaus nickt ihr nochmal zu und schließt die Tür hinter ihr.

Fynn torkelt weiter die Treppe hinauf zum Stadteingang, als ihr Iris entgegen kommt. Sie schaut Fynn erstaunt an: „Oh, hallo Fynn.“ Fynn's Gehirn arbeitet noch immer nicht richtig und so bekommt sie nur ein „Hallo Iris.“ raus und torkelt weiter.

Erst am Stadtausgang kriegt sie ihre Sinne wieder zusammen. Hatte er ihr gerade einen Handkuss gegeben? Bestimmt war das bei ihm nichts Besonderes! Klaus wirkte generell wie eine Person aus der Jahrhundertwende. Handküsse gehörten bestimmt zu seinem regulären Umgangsformen.

Seine Lippen waren so weich. Und die Strähnchen, die in sein Gesucht fielen... Fynn schüttelt den Kopf. Schluss jetzt! Klaus war bestimmt 10 Jahre älter als sie und zudem so was von über ihrer Liga, dass sie daran wirklich keinen Gedanken verschwenden sollte. Schließlich konnte er Iris haben. IRIS! Eine Frau mit großem, prallem Busen und langen, blonden Haaren! Da konnte Fynn sicher nur gegen abstinken. Der Gedanke frustriert sie.

In dem Moment fällt ihr Blick auf Raeger's Restaurant. Zwei Frauen verlassen es gerade und kichern. Fynn kräuselt die Stirn. War Mittwoch nicht Raeger's Ruhetag? Neugierig geht sie die Treppen hinunter zum Restaurant.
 

Als die die Tür erreicht, kommt ihr noch ein Mädchen entgegen. Sie ist ganz rot und aufgeregt. Fynn wundert sich und tritt ein. Das Restaurant ist ziemlich voll. Alle Tische sind besetzt und nur ein paar Sitze an der Bar sind frei. Raeger kocht und unterhält zwei Mädchen, die auch an der Bar sitzen. Er sieht gestresst aus, aber amüsiert.

Fynn setzt sich auf einen der leeren Hocker an der Bar und beobachtet das Treiben im Restaurant. Es sitzen erstaunlich viele Pärchen an den Tischen. Raeger scheint mit den Mädchen an der Bar zu flirten. Fynn bekommt ein schlechtes Gefühl. Da entdeckt Raeger sie und reißt sich von den Mädchen los.

„Ah, Fynn. Habe dich schon eine Weile nicht gesehen.“ Er lächelt wie gewohnt; eine Mischung aus schelmisch und charmant.

„Ja, ich musste die ganze letzte Woche meine Felder fertig machen, weil die Saison bald endet und da hatte ich wenig Zeit für etwas anderes.“ Und außerdem wollte sie Klaus aus dem Weg gehen, aber diese Info sollte wohl besser nicht ausgesprochen werden.

Raeger nickt zustimmend: „Verstehe.. und heute ist natürlich Zeit für was anderes.“ Fynn schaut ihn fragend an. „Du hast doch bestimmt noch eine Verabredung, oder?“ Raeger zwinkert ihr zu. Fynn's Blick wird immer fragender. Sie schaut ein bisschen dumm aus der Wäsche.

Raeger ist etwas verwirrt. „Na, du weißt schon.“ Er zwinkert nochmal. Fynn hat keinen blassen Schimmer, wovon er redet.

„Weißt du denn nicht, was heute für ein Tag ist?“ Er zeigt auf einen Kalender, der gegenüber an der Wand hängt. Fynn kneift die Augen zusammen und sucht das heutige Datum auf dem Kalender. Zugegebener Maßen hatte sie die Zeit völlig aus den Augen verloren, seit sie hier war.

Da entdeckt sie den Marker... es war der 14te... Valentinstag. Sie schaut Raeger entsetzt an. Sie hatte Klaus am Valentinstag zu Hause besucht?! Ernsthaft? Sie schlägt mir dem Kopf auf den Tisch. Rager erschrickt kurz und schaut sie besorgt an.

Hätte es einen schlechteren Tag geben können? Deswegen war Klaus so überrascht gewesen. Und Iris! Fynn reißt den Kopf wieder nach oben. Iris war so entgeistert, weil sie gesehen hatte, wie Fynn am Valentinstag aus Klaus' Haus gekommen war. Oh man... Fynn vergräbt das Gesicht in den Händen. Der Ofen gibt ein Klingeln von sich. Raeger legt Fynn seine Hand auf die Schulter: „Was auch immer dein Problem ist, es wird bestimmt bald wieder. Sag' Bescheid, wenn du etwas möchtest.“ Er dreht sich um und widmet sich dem Inhalt de Ofens.
 

Nachdem Fynn ein großes Stück Kuchen zum Frust verdrückt hat, macht sie sich auf den Heimweg. Hoffentlich hatte Iris nicht die falschen Schlüsse aus dem Ganzen gezogen.

Sie ist gerade aus der Stadt raus, als sie Fritz am Fluss sitzen sieht. Er schaut auf das Wasser und bemerkt sie nicht. Sie geht zu ihm.

„Hey Fritz.“, sagt sie, erfreut ihn mal wieder zu sehen.

Fritz erschrickt leicht: „Oh, hallo Fynn.“ Er seufzt.

„Was ist los?“ Fynn setzt sich neben ihn. Er sieht betrübt aus.

„Ach, meine Valentinstags - Verabredung hat spontan abgesagt. Ich hatte mir den Nachmittag aber schon freigenommen und na ja... jetzt sitze ich hier alleine.“ Er schaut traurig auf das Wasser. „Du bist doch bestimmt verabredet.“

Fynn schüttelt energisch den Kopf. „Nein, egal was du vielleicht hören wirst, ich bin nicht verabredet.“

Fritz horcht auf: „Ach komm! Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Er lächelt ein wenig.

„Ich war gerade bei Raeger im Restaurant. Der kann sich vor Damenbesuch kaum retten.“ Fynn stupst Fritz freundschaftlich an. „Ja, das grenzt bei ihm schon fast an Arbeit.“ Sein Lächeln wird breiter.

„Na komm, wenn wir schon beide nichts zu tun haben, dann unternehmen wir einfach was!“ Fynn steht entschlossen auf. Fritz schaut verdutzt zu ihr hoch.

„Öh, klar. Was möchtest du machen?“

Fynn überlegt kurz: „Wie wäre es, wenn du mir mal deinen Hof zeigst? Ich kenne den noch gar nicht.“ Das stimmte natürlich nur bedingt, weil sie ihn neulich besuchen wollte, aber das wusste er ja nicht.

Fritz nickt: „Klar, gerne.“ Er steht auf. „Dann mal los!“ Fritz zeigt auf die Brücke, die über den Fluss führt. „Es ist nicht weit.“

Beide grinsen sich an und gehen los.

Eine professionelle Farmerin

„Liebes Tagebuch,

die letzten Wochen gingen wirklich schnell vorbei. Ich habe die meiste Zeit auf meinem Feld gearbeitet und war wenig in der Stadt. Ich wollte insbesondere Klaus aus dem Weg gehen. Raeger hat mir erzählt, dass das Gerücht umgeht, dass ich ihm nachstellen würde... Ich bin nicht sicher, was Klaus darüber denkt, aber da es nicht stimmt, dachte ich, ich könnte dem etwas entgegen wirken. Ich wollte auch Iris nicht sehen. Das Gerücht hat ihr bestimmt gar nicht gefallen.

Stattdessen war ich viel bei Eda. Sie hat mir noch einige Tipps gegeben und wir haben oft miteinander gegessen. Ansonsten waren Fritz und Veronica ab und an hier, um nach dem Rechten zu sehen. Es freut mich sehr, dass so vielen Leuten daran liegt, dass es mir gut geht. :)

Heute ist allerdings ein besonderer Tag, an dem ich mich nicht weiter darum drücken kann, in die Stadt zu gehen: Heute steht meine erste, große Ernte an. Ich freue mich so sehr. Wenn ich sie abgeerntet habe, werde ich direkt damit in die Stadt gehen. Ashe vom Seidenlandstand müsste heute da sein. Soweit ich weiß, herrscht im Seidenland große Nachfrage nach Frühlingsgemüse im Moment. Das ist also die Gelegenheit ein paar gute Euronen zu verdienen. Das wird super!

Ich hoffe nur, dass ich Klaus nicht über den Weg laufe...“
 

Fynn ist heute schon sehr früh auf den Beinen. Voller Motivation und Vorfreude steht sie mit ihrer Hacke auf dem Feld und betrachtet ihre ausgewachsenen Kartoffel – und Rübenpflanzen. Sie sehen ihrer Meinung nach sehr gut aus. Die werden einen guten Verdienst bringen! Fynn nickt energisch und beginnt mit der Arbeit.

Es dauert einige Stunden alles Gemüse aus dem Boden zu ziehen. Als sie endlich die letzte Kartoffel in der Hand hat, schnauft Fynn laut und betrachtet ihr Werk. Man, war das anstrengend. Sie schaut auf die 3 Kisten mit Kartoffeln und Rüben, die neben ihr stehen. Wieder nickt sie zufrieden und geht ins Haus. Sie muss sich umziehen, den Wagen mir den Sachen beladen und dann geht es los in die Stadt, um die Beute zu verkaufen.
 

Nach einer gründlichen Dusche belädt Fynn den Handkarren mit dem Gemüse. Zufrieden grinsend schnappt sie sich den Karren und schiebt ihn los Richtung Bergpfad. Als sie auf die Gabelung Richtung Elise's Reisfelder kommt, trifft sie Eda, die gerade aus dem Dorf zurückkehrt. Als sie die schwer beladene Fynn sieht, fängt sie an zu schmunzeln. Sie treffen aufeinander und bleiben stehen. Eda nickt Fynn motivierend zu.

„Ah ja. Wie ich sehe, hast du deine erste Ernte eingefahren.“

Immer noch sehr zufrieden mit ihrer Ernte nickt Fynn zustimmend. „Allerdings! Ich will gerade in die Stadt, um sie zu verkaufen.“

Eda überlegt kurz: „Ach ja, Seidenland ist ja heute da. Und sie haben gerade sehr gute Preise für Frühlingsgemüse. Sehr gut, Fynn.“

Fynn frohlockt.

„Na, dann will ich dich nicht weiter aufhalten, Kindchen. Deine erste Ernte sollten wir allerdings feiern. Komm' doch heute Abend bei mir vorbei. Dann stoßen wir an.“

Fynn quietscht erfreut: „Sehr gerne!“

Eda schmunzelt. „Na dann, bis heute Abend.“ Sie winkt und geht an Fynn vorbei den Bergpfad hinauf.

Eine kleine Feier mit Eda. Das verspricht gutes Essen und eine gute Unterhaltung. Fynn kann es kaum erwarten.
 

In der Stadt angekommen, ist es recht ruhig. Es ist Mittagszeit und die meisten Leute werden wohl zu Mittag essen. Gemütlich schiebt sie ihren Wagen Richtung Marktplatz.

Als sie an die kleine Kreuzung vor dem Marktplatz kommt, sieht sie plötzlich Klaus. Er geht gerade weg vom Marktplatz und hat sie nicht gesehen. Fynn beißt sich auf die Unterlippe. Neben ihm läuft Iris. Sie scheinen sich angeregt zu unterhalten. Iris kichert und nickt. Was auch immer sie für ein Problem hatten, scheint sich wieder eingerenkt zu haben. Ist das ein Grund zur Freude? Fynn ist sich da unschlüssig. Allerdings wollte sie den beiden ja nie im Wege stehen. Also, ist es wohl besser so. Fynn seufzt leise und biegt in die andere Richtung ab.

Auf dem Marktplatz sind nur eine Handvoll Leute unterwegs. Aber das ist immerhin eine Handvoll mehr, als bei ihrer Ankunft. Sie schiebt sich geschmeidig an einem braunhaarigen Mädchen vorbei an den Stand von Seidenland.

Ashe, die Verkäuferin am Stand, schaut Fynn interessiert an: „Ach, du bist die neue Farmerin, die Veronica erwähnt hat, oder?“

Fynn nickt und grinst.

„Sehr schön. Ich bin Ashe. Was kann ich für dich tun?“

Fynn zeigt auf den Wagen mit den Kartoffeln und Rüben. „Ich hätte hier ein bisschen Gemüse, das ich anbieten kann.“

Fynn und Ashe verhandeln miteinander. Fynn ist wirklich geschickt und so bekommt sie mehr, als sie eigentlich erwartet hatte für ihre Ernte.

Da ertönt plötzlich eine unangenehme Stimme hinter ihr: „Hallo Ashe. Ich habe 5 Kisten Kartoffeln, 4 Kisten Rüben, 5 Kisten Erdbeeren und einige Kisten Gurken für dich.“

Fynn dreht ihren Kopf und zieht die rechte Augenbraue hoch. Es ist Elise, die sich anscheinend für zu wichtig hält, um sich hinten anzustellen.

Ashe nickt Elise zu. „Ich bin sofort bei dir, Elise. Ich beende noch eben das Geschäft mit Fynn.“ Ashe zwinkert Fynn zu und widmet sich dem Beenden der Rechnung. Elise betrachtet die Kartoffeln von Fynn. Sie setzt einen etwas angewiderten Gesichtsausdruck auf. „Na ja, immerhin sieht man, dass es Kartoffeln sind.“

Fynn wächst eine Krampfader auf der Stirn. „Was hast du gesagt?“ Elise schaut Fynn unbeeindruckt an. „Ich habe deinem Gemüse ein Kompliment gemacht.“ Sie kichert etwas verächtlich. „Ich bin sicher, du bekommst dafür einen angemessenen Preis.“

Fynn wirft Elise einen angesäuerten Blick zu, als sich Ashe wieder zu Fynn wendet: „So, hier ist die Quittung. Ab einer bestimmten Menge, holen wir die Sachen übrigens auch bei dir ab. Ich habe dir das Alles mal hier aufgeschrieben.“ Da platzt ein lautes, schrilles Lachen aus Elise raus. Fynn zuckt zusammen; so unangenehm.

„Das weiß doch jedes Kind.“ Sie nimmt die Hand vor den Mund, um ihrem Lachen einen dezenten Anstrich zu verpassen.

Ashe winkt ab: „Jeder fängt mal an, Elise.“ Sie zwinkert Fynn zu, die ihre Quittung in Empfang nimmt und sich umdreht, um zu gehen und dabei ein anderes Mädchen anrempelt.

„Oh, entschuldige bitte.“, sagt Fynn und verbeugt sich kurz. Es ist das braunhaarige Mädchen, das vor ihr am Stand war. Erst jetzt fällt Fynn auf, dass sie eine Art Krankenschwester - Uniform trägt.

„Schau' lieber immer nach vorne beim Gehen. Sonst verletzt du dich vielleicht. Und das geht dann zu meinen Lasten.“

Fynn schaut verdutzt und nickt schließlich. „Ok.“

Sie schaut das Mädchen an. Hat sie die schon mal gesehen? Eher nicht.

„Ist noch irgendwas?“, fragt das Mädchen leicht genervt.

Fynn lächelt freundlich. „Kennen wir uns schon? Ich bin Fynn, die neue Farmerin.“

Das Mädchen rückt ihre Brille zurecht. „Ich weiß. Ich bin Angela, die Tochter von Veronica.“

„Aaah. Freut mich.“, erwidert Fynn freundlich.

Angela schaut kühl drein. „Ich bin auch die städtische Krankenschwester. Wenn du dich nicht gut fühlst, kannst du jederzeit zu uns kommen. Wir sitzen mit im Gildenhaus. Ich hoffe allerdings, dass wir uns nicht viel sehen werden. Nichts für ungut.“

Fynn schaut etwas verwirrt. „Nein, schon klar.“

Angela nickt leicht. „Gut, ich muss dann wieder los. Bis dann.“ Langsam geht sie davon. Fynn schaut ihr etwas verdutzt hinterher und winkt langsam. Was für ein seltsames Mädchen. Sie ist erstaunt, dass Veronica nie von ihr geredet hat. Andererseits war Veronica auch eine eher kühle Person. Scheint in der Familie zu liegen. Wo wohl der Vater von Angela ist? Veronica hatte auch ihn nie erwähnt.

Da reißt eine schrille Stimme Fynn aus ihren Gedanken. Fynn zuckt wieder zusammen. Es ist Elise, die hinter ihr mit Ashe verhandelt. So unangenehm. Sie schüttelt den Kopf und verlässt den Marktplatz.
 

Am Nachmittag macht sich Fynn fertig, um zu Eda zu gehen. Mit Eda anstoßen wird bestimmt lustig. Als Dankeschön für die Einladung hatte Fynn auf dem Rückweg bei Ottmar im Laden noch einen Blumenstrauß gekauft. Der war wirklich nett. Ein bisschen kauzig, aber auch sehr lustig. Er hatte sie gefragt, ob sie gerne angelt und Fynn hatte darauf keine Antwort gewusst, weil sie es noch nie probiert hatte. Daraufhin hatte er ihr seine alte Angel geschenkt und ihr ein Buch gegeben mit einer Erklärung zur Basis für das Angeln. Im Dorf waren wirklich alle sehr nett. Man kommt zu jemanden hin und der schenkt einem direkt etwas. So war das ja auch bei Eda und Veronica. Da fühlt man sich direkt schlecht, wenn man nicht selbst Sachen verschenkt. Vielleicht sollte Fynn, sobald sie es sich leisten konnte, ein paar ihrer Erträge unter den Dörflern verteilen.
 

Es wird langsam dunkel draußen, als Fynn bei Eda ankommt. Schon von draußen hört sie fröhliches Lachen. Eda scheint nicht allein zu sein. Hm... seltsam. Fynn dachte, dass sie zusammen feiern.

Sie klopft an der Tür. Sie öffnet sich und Fritz steht davor. Er nickt Fynn fröhlich zu: „Hey Fynn. Wir haben dich schon erwartet.“ Er grinst und macht ihr Platz zum Eintreten.

Fynn tritt herein und zieht ihre Jacke aus. Eda steht an ihrer Küchentheke und schenkt etwas in drei Gläser ein, die auf der Theke stehen. Fynn betritt die Küche: „Hi Eda. Und nochmal danke für die Einladung.“ Eda dreht sich herum und stellt die Gläser auf den Tisch.

„Aber gerne doch. Heute wird ein bisschen gefeiert.“ Sie schmunzelt. Fynn reicht ihr den Blumenstrauß: „Hier. Ein kleines Dankeschön für Alles.“ Edas Augen fangen an zu funkeln. „Och Liebes. Das ist ja wirklich nett von dir.“ Sie nimmt die Blumen und sucht eine Vase in der Küche. Fritz hat derweil die Tür geschlossen und gesellt sich zu den beiden in die Küche.

„Oma hat mir erzählt, dass du heute deine erste Ernte verkauft hast. Herzlichen Glückwunsch Fynn.“ Er schaut sie freudig an und es sieht so aus, als überlege er, ob er sie umarmen soll oder nicht. Er kratzt sich verlegen am Kopf.

Eda reicht Fynn ein Glas. „Jetzt haben wir aber genug geschwatzt. Jetzt stoßen wir erst mal an!“ Eda erhebt ihr Glas und prostet Fynn zu: „Auf Fynn und darauf, dass du jetzt eine echte, professionelle Farmerin bist.“ Fynn grinst breit: „Vielen Dank.“

Alle drei nehmen einen tiefen Schluck, setzen sich und fangen an zu erzählen.
 

Nach einigen Gläsern Wein zieht es Fynn und Fritz nach draußen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Sie sitzen auf einer Holzbank, die vor Edas Haus steht.

Die Luft ist klar und es duftet nach Blüten. Von Weitem hört man eine Nachtigall singen. Es ist wirklich eine schöne Nacht.

Nach einem lockeren Gespräch über Fritz' Anfänge beim Farmen herrscht eine Weile Ruhe zwischen den beiden. Fynn bemerkt, dass er wegen irgendwas mit sich zu Ringen scheint.

„Was ist los, Fritz? Stimmt irgendwas nicht?“, fragt Fynn schließlich interessiert. Er schaut ertappt zu ihr herüber. „Sieht man mir das an so deutlich an?“

Fynn lächelt: „Oh ja. Dein Gesicht ist manchmal wirklich wie ein offenes Buch.“

Fritz schmunzelt und streckt ihr kess die Zunge ein bisschen raus. Dann schaut er kurz auf den Boden und holt tief Luft.

„Es gibt tatsächlich etwas, das ich dich fragen möchte.“ Fritz mache eine kurze Pause und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. Fynn stupst ihn freundschaftlich in die Seite: „Nur zu. Raus damit!“

Fritz setzt eine entschlossene Miene auf: „Stimmt es, dass du... nun... was mit Klaus hast?“ Fynn schaut ihn etwas überrascht an. Da bemerkt er, wie laut er eigentlich gesprochen hat. Er schüttelt den Kopf. „Entschuldige. Es geht mich ja eigentlich nichts an.“ Er schaut etwas beschämt weg.

Fynn kneift die Augen ein bisschen zusammen. „Wieso interessiert dich das?“

Fritz wird rot. „Ach, weißt du... Na ja, als ich es gehört hatte, war ich etwas überrascht.“

Er macht eine kurze Pause. Fynn schaut ihn weiter fragend an. Fritz wedelt mit der Hand. „Na, ich hätte ihn einfach nicht für deinen Typ gehalten. Das ist Alles. Reine Neugier.“

Er ist offensichtlich nervös. Fynn ist sich nicht ganz sicher wieso, aber andererseits ist das Fritz. Der ist immer ein bisschen hibbelig.

„Sofern es dich beruhigt, ich habe nichts mit Klaus.“ Fritz schaut zu ihr auf. Er scheint erfreut zu sein und wirkt erleichtert. „ Ich hatte nur ein Taschentuch von ihm gefunden und habe es ihm zurückgebracht und als Dankeschön hat er mich dann auf eine Tasse Tee eingeladen.“

Sie dreht ihren Kopf zu Fritz und lächelt. „Er war nur höflich und seitdem habe ich ihn auch nicht mehr gesehen.“

Fritz seufzt kurz, dann lacht er: „Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Ich wollte nur dich direkt fragen. Ich will Gerüchten lieber nicht glauben, bevor ich sie verifiziert habe.“

Fynn nickt zustimmend. „Da hast du Recht. Das ist auf jeden Fall besser.“

Fritz lässt seine Beine baumeln und schaut vor sich in den kleinen Wald. Er grinst und scheint in Gedanken. Fynn überlegt kurz. Wo sie doch gerade so miteinander reden, könnte sie doch auch mal nach Iris fragen. Klaus war doch eh schon das Thema und dann fällt es vielleicht nicht so auf. Mal versuchen. Sie dreht sich zu Fritz,: „Außerdem dachte ich, dass er mit Iris zusammen ist. Zumindest sehe ich sie öfters zusammen in der Stadt.“

Fritz dreht seinen Kopf zu ihr und schaut überrascht. Er überlegt: „Ja, ein Gerücht diesbezüglich hält sich auch standhaft in der Stadt. Aber ich glaube nicht, dass es stimmt.“ Fynn schaut verdutzt. Das hatte sie gar nicht erwartet. „Ach ja und wie kommst du darauf?“

Fritz zuckt mit den Achseln: „Schwer zu erklären, aber...“, er macht eine kurze Pause, „wenn ich sie sehe, dann sieht er nicht verliebt aus. Klingt komisch, aber besser kann ich es nicht erklären.“

Fynn schaut auf den Boden und versucht sich Klaus' Gesichtsausdruck ins Gedächtnis zu rufen. Tatsächlich hatte sie meistens eher auf Iris geachtet als auf Klaus, wenn sie zusammen waren. Und er hatte nie von ihr gesprochen, deswegen hatte sie da auch keinen Anhaltspunkt. Fynn ist verwirrt. Irgendwie hatte sie mit einer anderen Antwort gerechnet. Sie hatte gehofft, dass er einfach sagt 'Ja, die sind zusammen. Das weiß doch jeder.', oder so was in der Art, so dass sie sich darüber keine Gedanken mehr machen muss. Mist!

Fritz schaut auf die Uhr: „Oh, ist das spät. Ich muss gehen!“ Er steht auf und streckt sich. „Das war wirklich ein netter Abend.“ Er grinst Fynn breit an.

„Ja, finde ich auch. Komm' gut heim.“ Fritz nickt energisch. „Mache ich. Tschau Fynn und grüß' Oma von mir.“ Er winkt ihr nochmal zu und geht pfeifend davon.

Das war ja ein Ding. Klaus wirkt nicht verliebt in sie? Wieso hatte Fynn eigentlich nie darauf geachtet? Iris strahlt immer so in Klaus' Anwesenheit. Das hatte sie immer so abgelenkt, dass sie nie auf etwas anderes geachtet hatte. Sie war so was von unaufmerksam. Fynn schüttelt den Kopf, frustriert über ihre mangelnde Auffassungsgabe. Sie steht ebenfalls auf und streckt sich. Sie beschließt zu Eda rein zu gehen, um ihr noch beim Aufräumen zu helfen.
 

Als sie Edas Haus wieder betritt, hat diese schon das meiste erledigt. Fynn geht auf sie zu und lächelt. „Fritz hat sich verabschiedet.“

Eda nickt. „Ist ja auch schon spät.“ Fynn schaut auf den Tisch und räumt die Gläser weg. Eda lächelt: „Das brauchst du wirklich nicht machen, Liebes.“

Fynn schüttelt den Kopf: „Ach was. Setz' dich ruhig einen Moment. Ich wasche eben das Geschirr hier noch ab.“

Eda grinst und setzt sich an den Tisch. „Das ist wirklich lieb von dir.“

Fynn wäscht geschwind die Gläser ab und noch ein paar Teller, die in der Spüle stehen.

Sie ist gerade fertig, als sie bemerkt, dass Eda irgendwie traurig drein schaut. Fynn folgt ihrem Blick. Er ist auf die Fotos auf der Anrichte gerichtet. Sie setzt sich zu Eda und schaut sie fragend an: „Eda, ist Alles okay?“

Eda seufzt: „Ja, Alles in Ordnung.“ Fynn schaut sie weiter an. Sie weiß, das irgendwas im Busch ist. Eda schaut auf: „Ich hatte nur einen Anruf von meinem Sohn, der etwas unerfreulich war, aber nichts Ernstes.“

Fynn kräuselt die Stirn: „Ist er krank oder so was?“ Eda schüttelt den Kopf: „Nein, nein, nichts dergleichen. Es geht um meinen Enkel.“ Sie schaut etwas melancholisch zu einem Bild auf der Anrichte hinüber. „Ich hatte dir von ihm erzählt, als du bei mir gewohnt hast.“

Sie richtet sich auf und faltet die Hände. „Als mein Sohn in die Stadt zog, blieb unser Enkel noch eine Weile bei uns; bei mir und meinem Mann. Er liebte diese Farm so sehr und ging uns viel zur Hand.“ Eda seufzt. „Es war toll ihn hier zu haben, aber wir wollten nicht, dass er nur aus Mitleid mit uns hier wohnt. Er sollte die Möglichkeiten haben, die die Stadt ihm zu bieten hatte, so wie bei meinem Sohn auch. Deswegen haben wir ihn irgendwann zu seiner Familie geschickt.“

Eda schaut Fynn in die Augen. Sie sehen sehr traurig aus.

„Ich denke, er hat es uns sehr übel genommen. Ich hoffte, er würde es irgendwann verstehen, aber ich bin mir nicht so sicher, ob er das wirklich tut.“

Sie schüttelt den Kopf. „Wie dem auch sei, darum ging es in dem Gespräch und das hat mich etwas traurig gemacht.“ Sie setzt ein tapferes Lächeln auf. „Aber er ist auch noch jung. Er müsste so in deinem Alter sein. Ich bin sicher, dass sich sein Groll noch geben wird. Es dauert nur eben noch ein bisschen länger.“

Fynn schaut Eda mitleidig an. Es scheint sie wirklich innerlich mitzunehmen. „Ich glaube auch, dass er einsehen wird, dass ihr nur sein Bestes wolltet. Mach dir keine Sorgen!“

Eda nickt. „Danke, Kindchen.“

Fynn schaut auf die Uhr. Es ist schon sehr spät und Eda sieht müde aus.

„Ich denke, ich werde mich jetzt hinlegen.“ Eda gähnt. „Es ist schon ziemlich spät.“

Fynn steht auf und streckt sich: „Da hast du Recht. Es war wirklich ein netter Abend. Noch mal vielen Dank dafür.“

Eda schmunzelt: „Das habe ich wirklich gern gemacht. Ich bin so froh, dass du hier bist. Du bringst wieder ordentlich Leben in die Bude.“

Fynn lacht. „Wir bringen die Stadt wieder auf Vordermann, Eda.“ Sie stupst Eda liebevoll an. Diese nimmt Fynn in den Arm und drückt sie kurz: „Das machen wir, ganz bestimmt.“

Fynn lächelt und verabschiedet sich schließlich mit einem Winken von Eda. Fynn schließt hinter sich die Tür und geht Richtung Bergpfad davon.
 

Ihre Farm ist nicht weit entfernt. Dennoch stößt sie sich oft an Wurzeln, da es sehr dunkel ist. Sie ist die Dunkelheit nicht gewohnt. Auf dem Land ist es Nachts irgendwie viel dunkler als in der Stadt. Verblüffend. Sie fröstelt etwas und zieht ihre Jacke fester zu. Nachts wird es doch noch sehr kühl.

Sie schlendert durch ihre Felder in Richtung ihres Hauses. Sie hatte kurz nach ihrem Einzug eine kleine Lampe draußen am Haus befestigt, als Orientierungspunkt. Das machte sich jetzt bezahlt.

Sie geht auf das Licht zu. Auf halbem Wege sieht sie etwas vor ihrer Haustür liegen. Sie kneift die Augen zusammen, aber kann nicht genau erkennen, was es ist. Gespannt, aber auch etwas vorsichtig, nähert sie sich der Tür und somit auch dem Gegenstand.

Es scheint eingewickelt zu sein in Papier oder so was. Hmm... Es bewegt sich nicht.

Die Spannung steigt. Sie war doch immer so neugierig. Als sie davor steht, erkennt sie eine Blume. Sie hebt den Gegenstand auf und schaut genau, was es ist.

Es sind tatsächlich Blumen. Sie sind in ein wunderschönes, von Ornamenten geschmücktes Papier gewickelt. 3 Lilien blühen Fynn in voller Pracht entgegen: Eine in blau und zwei in einem zarten lila. Fynn hat noch nie solch schöne Blumen gesehen. Sie duften bezaubernd. Fynn schaut sich verdutzt um. Es sind keinerlei Spuren zu sehen, wer sie hier gelassen haben könnte; keine Karte, kein Brief und auch sonst nichts.

Während sie weiter an den Blumen schnüffelt, schließt sie ihre Tür auf und geht hinein.

Sie stellt die Blumen in eine schöne, blaue Vase und stellt sie auf ihren Nachttisch. Sie macht sich fertig, setzt sich auf das Bett und betrachtet die Blumen. Sie ist sich sicher, dass sie nicht von Ottmar sind. Schließlich war sie heute bei ihm gewesen und er hatte solche Blumen nicht im Sortiment gehabt. Sie hatte auch keine Lilien irgendwo den Berg runter wachsen sehen.

Fynn legt ihren Kopf auf ihre Knie.

Könnten sie vielleicht von Fritz sein? Eher unwahrscheinlich. Wo sollte er sie her haben? Er war ja bis zuletzt bei ihr und Eda gewesen. Aber dass jemand den weiten Weg aus der Stadt hierher macht, bloß um ihr Blumen hinzulegen? Vielleicht baut einer der anderen Farmer Blumen an? Aber es war eigentlich nicht die Saison für Lilien. Fynn kräuselt die Stirn. Wahrscheinlich sollte sie es gut sein lassen und sich einfach darüber freuen. Aber sie war doch so neugierig. Und sie wollte wissen, was die Blumen bedeuten sollen.

Der Duft der Blumen steigt ihr in die Nase. Eins war auf jeden Fall klar: Wer auch immer sie ihr hingelegt hatte, hat einen wirklich guten Geschmack.

Sie legt sich hin und streicht über die Blätter. Sie würde auf jeden Fall raus finden, von wem sie sind, damit sie sich bei der Person adäquat bedanken kann!

Der Kampf ist eröffnet

„Liebes Tagebuch,

in den letzten Tagen hatte ich viel Arbeit. Nach meiner großen Ernte, musste ich die Felder wieder neu bestellen. Diesmal versuche ich mein Glück mit Erdbeeren. Ich liebe Erdbeeren. Ich hoffe, ich verkaufe auch welche davon und esse nicht alle alleine.

Vor ein paar Tagen lag ein kleiner Blumenstrauß vor meiner Tür, mit wunderschönen Lilien. Es lag allerdings kein Absender dabei. Ich habe keine Ahnung, von wem die sind. Ich weiß nur, dass sie wunderbar duften. Ich bin mir sehr unschlüssig, ob ich raus finden soll, vom wem sie sind, oder mich einfach nur darüber freuen und es gut sein lassen. Aber ich sollte mir nichts vor machen. Ich würde platzen vor Neugier, wenn ich es nicht raus finde. Ich weiß allerdings noch nicht genau, wie ich es anstellen soll. Aber mir fällt da schon was ein.

Zudem hat mir Fritz den Floh ins Ohr gesetzt, dass Iris und Klaus gar kein Paar sind. Als Grund meinte er, man würde es Klaus ansehen. Natürlich hatte ich Torfnase nie auf Klaus geachtet, wenn beide zusammen waren, sondern nur auf Iris. Das heißt, ich habe zwei Punkte auf meiner Agenda: Herausfinden von wem die Blumen kommen und dem Hinweis von Fritz nachgehen.

Ach, ich rieche schon wieder eine hervorragende Möglichkeit mich zu blamieren... Na ja, was soll's. Mein Ruf ist eh schon im Eimer.“
 

Es ist kurz vor Mittag. Fynn hat den ganzen Morgen auf ihren Feldern verbracht. Mit Unkraut rupfen und gießen war sie meistens den ganzen Morgen beschäftigt. Sie setzt sich vor ihrem Haus ins Gras und isst ein Brot. Sie hält die Nase in die Sonne und tankt ein paar Sonnenstrahlen. Endlich ist sie warm genug, so dass man draußen auch ohne Jacke nicht mehr friert.

Sie hat gerade den letzten Bissen im Mund, als sie eine Gestalt den Bergpfad hochkommen sieht. Sie kneift die Augen zusammen, kann die Person aber nicht genau erkennen, da die Sonne ihr ein bisschen ins Gesicht scheint.

Nach einem Moment erkennt sie die Umrisse einer Frau. Fynn kräuselt die Stirn. Sie hatte gar keinen Besuch erwartet. Hatte sie irgendwas verschwitzt?

Die Person ist noch ein paar Schritte entfernt, als sie Angela erkennt, die Tochter von Veronica. Fynn ist verblüfft. Das war in der Tat ein sehr unerwarteter Besuch. Sie steht auf und klopft sich den Schmutz von der Hose. Fynn wischt sich die Hände an ihrer Arbeitshose ab und geht Angela die letzten Schritte entgegen.

Fynn lächelt und winkt Angela zu: „Hallo Angela. Das ist ja eine Überraschung.“

Angela nickt ihr zu und bleibt kurz vor Fynn stehen: „Guten Tag Fynn. Ich hoffe, ich störe nicht.“

Fynn schüttelt den Kopf: „Nein, ganz und gar nicht. Hatte gerade meine Arbeit für heute fertig.“

Angela nickt erneut und faltet die Hände vor sich: „Sehr schön. Tut mir leid, dass ich so unangemeldet hier auftauche. Meine Mutter schickt mich.“

Fynn schaut Angela überrascht an.

„Ich soll dir ausrichten, dass du kommenden Montag um 9 Uhr in die Gilde kommen sollst. Sie hat etwas an alle Farmer zu verkünden.“

Fynns Gesichtsausdruck wird immer erstaunter: „Und wieso schickt sie da dich?“

Angela rückt ihre Brille zurecht. Ihr Blick wird etwas genervt, vermutlich bei dem Gedanken daran, dass sie als Bote eingesetzt wird.

„Ich war ohnehin gerade auf dem Weg zu Eda. Deswegen bot sich das an.“

Fynn nickt: „Verstehe. Danke dir dafür.“

Angela wirkt ein bisschen verlegen. Mit Dank hatte sie wohl nicht gerechnet.

„Keine Ursache. Ich muss dann auch weiter.“

„Nur noch eine Frage...“, Fynn überlegt kurz, „weißt du, worum es dabei geht?“

Angela schaut kurz zur Seite: „Weiß ich leider nicht genau, da ich nicht davon betroffen bin. Es ist auf jeden Fall etwas Farmer - Spezifisches.“

Fynn nickt langsam: „Alles klar. Na, dann grüß' Eda von mir.“

„Mach' ich.“ Angela nickt Fynn kaum merklich zu und begibt sich anschließend wieder auf den Bergpfad zurück Richtung Edas Haus.
 

Das ganze Wochenende lang versucht Fynn herauszufinden vom wem die Lilien sind. Sie fragt in der Stadt in jedem Laden und fragt so unauffällig wie möglich die Leute. Als Tarnung benutzt sie die Ausrede, dass sie überlegt Blumen anzubauen. Aber alles Bemühen hilft nichts. Die Informationen die sie bekommt sind wenig hilfreich.

Und obwohl sie viel Zeit in der Stadt verbringt, ist Klaus nicht zu sehen. Sie hatte gehofft, Iris und Klaus in einem unauffälligen Moment zusammen zu erwischen, um der Vermutung von Fritz nachgehen zu können. Aber leider kommt kein geeigneter Moment. Vielleicht ist Klaus nicht in der Stadt?!

Den Sonntag Abend verbringt Fynn ruhig mit einem Buch auf ihrem Sessel. Da sie morgen früh in der Gilde erscheinen soll, aber vorher noch gießen möchte, muss sie sehr früh aufstehen und will daher früh schlafen gehen.
 

Wie sie es sich vorgenommen hat, steht Fynn sehr früh auf und gießt ihre Pflanzen. Sie ist ziemlich müde, hält sich aber ganz gut. Sie ist aufgeregt, was in der Gilde auf sie wartet. Außerdem würde sie alle Bauern der Gegend kennen lernen, wie sie Angela verstanden hat. Sie war sich sicher, dass sie bestimmt noch nicht alle getroffen hatte. Neue Leute treffen machte sie immer etwas nervös.

Fynn hat noch 40 Minuten Zeit, als sie mit dem Gießen fertig ist. Sie geht zum Außenhahn und dreht ihn zu. Sollte sie sich umziehen? Sie ist sich sehr unschlüssig, wie man sich für so was zurecht machen sollte. Wenn es um Farmer geht, sind Arbeitsklamotten dann in Ordnung? Andererseits war es ein offizieller Anlass. Dann sollte es doch nicht zu casual sein.

Am Ende entscheidet sich Fynn für ein normales, sauberes Alltagsoutfit: Ein Tanktop und eine Jeans mit Turnschuhen. Zufrieden und etwas aufgeregt schließt sie ihre Haustür und schlendert Richtung Bergpfad.

Während sie Richtung Stadt läuft, hält sie Ausschau nach Eda. Da sie deutlich langsamer ist als Fynn, hatte sie bereits angenommen, dass Eda schon früher los gelaufen war. Und sie behält Recht. Kurz vor der Stadt holt Fynn Eda ein. Die letzten Schritte zu Eda hüpft Fynn etwas schneller voran um aufzuschließen: „Hallo Eda!“

Eda bleibt stehen und dreht sich um. Als sie Fynn entdeckt, fängt sie an zu lächeln: „Ach, Hallo Kindchen. Tut mir leid, dass ich schon alleine los gelaufen bin, aber meine Knochen brauchen einfach ihre Zeit, um mich bis hierher zu tragen.“

Fynn winkt ab: „So was hatte ich mir schon gedacht. Keine Sorge.“ Fynn grinst breit.

Die letzten Meter laufen sie zusammen zur Gilde und schwatzen ein bisschen über dies und das.
 

Als sie die Gilde betreten, ist Fritz schon da und fängt an zu grinsen, als er die beiden erspäht. Euphorisch winkt er den beiden zu, die gerade ein paar Schritte von ihm weg stehen: „Hi ihr beiden.“ Sie gehen zu ihm rüber und nicken ihm zu.

Die drei stehen kaum ein paar Minuten im Wartebereich, als zwei weitere Farmer kommen. Die eine kennt Fynn schon: Es ist Elise, die auch direkt alle von ihrer Ankunft in Kenntnis setzt: „Hallo, hallo. Ich bin da, also kann es losgehen!“

Zu ihrer Seite läuft ein blonder, in einen Seidenanzug gekleideten, junger Mann. An seinem Revers steckt eine rote Blume. Er sieht fast so aus, als sei er aus einem Modekatalog entsprungen. Auch er grüßt die Runde: „Schönen guten Morgen zusammen.“ Er riecht an seiner Blume und lächelt kokett.

Da ertönt eine weibliche Stimme von weiter hinten: „Na, dann sind ja alle da und wir können anfangen.“

Fynn dreht sich herum. Von hinten kommt Veronica und begrüßt alle: „Schönen guten Morgen. Ich freue mich, dass ihr alle hier seid.“ Eda gesellt sich an ihre Seite. Sie stellen sich in einen Kreis. Außer den fünf Farmern und Veronica ist niemand in der Gilde zu sehen.

„Worum geht es denn?“ Elise ist ungeduldig und schmeißt sich ihre langen Haaren hinter den Rücken.

„Nun mal langsam. Zuerst möchte ich die Möglichkeit nutzen und denjenigen, die sie noch nicht kennen, Fynn vorstellen: Unseren neusten Farmerzuwachs.“ Veronica mache eine ausladende Handbewegung in Fynns Richtung. Diese ist ein bisschen überrumpelt. Fynn winkt zaghaft und lächelt etwas gequält: „Hi Leute.“

„Ja ja, Fynn kennen wir schon. Deswegen sollten wir doch nicht extra herkommen, oder?“ Elise stemmt ihre Hand in die Hüfte.

„Natürlich nicht. Ich möchte eine Ankündigung machen.“ Veronica macht eine Pause. Alle schauen sie gespannt an. „Die Absperrungen der Anbaugebiete in den Bergen wurden entfernt. Ab heute stehen sie zur Pacht für euch zur Verfügung.“

Elise stößt ein hämisches, schrilles Lachen aus: „Hahaha, na das wird ja auch Zeit. Wir können das ganz schnell machen: Ich möchte sie direkt alle pachten.“

Veronica kräuselt die Stirn: „Leider könnt ihr die Felder nicht einfach für Geld pachten.“

Elise ist verdutzt: „Wofür denn sonst?“ Sie stützt ihr Gesicht auf ihren Handrücken.

„Ich möchte, dass ihr darum kämpft.“, erwidert Veronica. Alle gucken sich etwas ratlos gegenseitig an.

Fritz ergreift das Wort: „Und wie genau sollen wir kämpfen?“

Veronica setzt ein verheißungsvolles Lächeln auf: „Ihr tretet im Farmen gegeneinander an.“

Ein erstauntes „Ooooh“ geht durch die Runde.

„Es ist ganz einfach: Jedes Feld hat eine bestimmte Laufzeit. Immer wenn diese abläuft, können andere Farmer als der Eingetragene ihr Interesse am Feld anmelden. Je nach Zeitpunkt, wird dann durch einen Wettstreit entschieden, wer das Feld bekommt.“ Fritz kratzt sich am Kopf. Alle denken angestrengt nach über das Gesagte.

Veronica fährt fort: „Auf diese Weise, bekommt immer derjenige das Feld, der damit hoffentlich am besten wirtschaften kann. Welchen Wettstreit ihr zur Verfügung habt, hängt von mehreren Faktoren ab. Das kann zum Beispiel ein Fest sein , wer das qualitativ beste Gemüse hat, oder die Menge an Einnahmen über einen bestimmten Zeitraum. Der Verteidiger bestimmt die Art des Wettstreits.“

Veronica macht eine Pause und lässt die Information erst mal sacken. Alle starren vor sich ins Nichts und denken über das Gesagte nach. Fynn kräuselt die Stirn. Sie hatte gerade ihre erste Ernte gehabt. Wie groß ist da also die Chance, dass sie mit den anderen sich ernsthaft messen kann? Für sie würde sich also nichts ändern. Sie hatte niemals eine Chance auf eins der Felder.

„Für's Erste haben wir die Felder zufällig unter euch allen aufgeteilt. Hier an der Wand findet ihr eine Pinnwand und eine Übersicht über die Verteilung der Felder.“ Veronica zeigt auf eine große Wand, an der eine große Karte hängt. Daneben hängt ein Kalender, in dem die Ablaufzeiten eingetragen sind; für jeden jederzeit sichtbar. Eigentlich ein gutes System.

Fynn schaut auf den Kalender. Erstaunt stellt sie fest, dass auch sie zwei Felder bekommen hat. Sie ist verdutzt. Sie hat das Blumenfeld und das Wurzelgemüsefeld zugeteilt bekommen. Was für eine interessante Kombination. Alle Felder sind für verschiedene Dinge geeignet. Es gibt einen Imkerbereich, ein Blattgemüsefeld, ein „Hohe - Pflanzen“ Feld, Fynns Felder und noch ein paar andere. Insgesamt sind es 10 verschiedene Felder und jeder hatte zwei davon zugeteilt bekommen. Fynns beiden Felder sind recht weit voneinander entfernt, aber nicht allzu weit entfernt von ihrem Haus. Jetzt wo sie darüber nachdenkt, als die den Weg vorhin runterkam, waren die Absperrungen tatsächlich nicht mehr da gewesen. Damals hatte sie sich darüber gewundert, dass einige Wege abgesperrt waren. Dass ihr das nicht gleich aufgefallen ist. Warum ist sie nur immer so unaufmerksam?

Nachdem alle ein bisschen Zeit hatten sich Alles anzuschauen, ergreift Veronica wieder das Wort: „Gibt es noch Fragen?“

Elise hat als Erstes ihre Sinne wieder beisammen: „Nein, bei mir ist Alles klar. Ich weiß zwar nicht genau, warum ich nicht direkt alle Felder pachten kann, aber ich kann die anderen auch gerne erst mal schlagen.“

„Also ich finde diese Art des Wettstreits sehr erquickend.“, fügt der blonde Farmer hinzu. „Ich freue mich darauf.“ Er wirft ein Zwinkern in die Runde.

Fritz sieht etwas verunsichert aus: „Also, ich bin gespannt. Ich werde mein Bestes geben.“ Alle schauen Fynn an. Die guckt zwischen den Gesichtern hin und her. Offensichtlich wird erwartet, dass sie etwas sagt. Sie holt kurz Luft: „Nein, keine Fragen. Alles paletti.“ Einfach lächeln und winken.

„Sehr schön.“, fährt Veronica schließlich fort und verschwindet kurz hinter der Theke. Sie kommt mit einem Tablett wieder, auf dem 6 Gläser und eine Flasche Wein stehen.

„Ich dachte, um das Ganze zu besiegeln, stoßen wir alle zusammen an.“ Sie schenkt in jedes Glas etwas ein und verteilt sie an alle Anwesenden. Sie erhebt das Glas: „Auf einen fairen Wettstreit!“ Alle prosten in die Runde und nehmen einen Schluck. Elise fängt an sich mit Eda zu unterhalten, während Fritz und Veronica etwas besprechen. Der blonde Farmer kommt zu Fynn herüber. Er zwinkert ihr zu und prostet ihr noch einmal zu: „Guten Tag Fynn. Ich glaube, wir haben uns noch gar nicht kennengelernt. Ich bin Giorgio.“ Fynn überlegt kurz, ob sie schon mal von ihm gehört hat, aber sie kann sich nicht erinnern an den Namen.

„Freut mich.“, sagt sie und lächelt.

„Nun Fynn...“, Giorgio nimmt einen kleinen Schluck aus seinem Glas, „wie gefällt es dir bei uns in Eichbaumhausen? Und wie gefällt dir das Farmerleben?“

Fynn schaut in ihr Glas. Es ist bereits leer.

„Sehr gut soweit. Das Gemüse wächst und ich habe sehr viel zu tun.“ Giorgio lacht: „Ja, das ist wohl das Beste, was man als Farmer berichten kann.“

Fynn schaut Giorgio fragend an: „Wo ist denn deine Farm?“

Giorgio zeigt auf Fritz: „Neben seiner Farm, nördlich der Stadt.“ Fynn erinnert sich: Als sie Fritz damals besuchen wollte, kam sie an einen Abzweig, wo es links zu Fritz ging und rechts herum zu einer anderen Farm. Sie erinnert sich an das verschnörkelte Schild. „Die Rosenholz – Farm, oder?“

Giorgio ist erstaunt: „In der Tat. Du hast wohl ein gutes Gedächtnis.“ Er prostet Fynn erneut zu und nimmt wieder einen Schluck. Fynn überlegt kurz. Hatten bei ihm auf der Farm nicht überall Blumen geblüht? Auch wirklich Schöne und in allen Farben? Er kannte sich bei Blumen bestimmt aus.

„Eine Frage: Baust du Lilien an?“ Giorgio lacht kokett: „Nein, leider nicht. Im Moment ist keine Saison für Lilien. Die kann man im Moment nur in einem Gewächshaus ziehen. Ich habe leider keins.“

Fynn verzieht den Mund. Mist! Wieder keine heiße Spur. Aber hätte ja klappen können.

„Wieso fragst du?“, fragt Giorgio interessiert. Ähm... ja warum eigentlich? Ach genau!

„Na, ich habe doch das Blumenfeld zugewiesen gekommen. Und ich mag Lilien doch so gerne.“ Der zweite Teil war zwar relativ, weil Fynn fast alle Blumen mochte, aber das wusste er ja nicht.

„Na wenn du Lilien so magst, dann solltest du dich mal mit Klaus unterhalten.“ Kaum hat Giogio das ausgesprochen, schießt Fynn die Schamesröte ins Gesicht. Klaus? Wirklich? Klaus züchtet Lilien? War das ein Zufall? Eine Schweißperle bildet sich auf ihrer Stirn.

„Der züchtet eine eigene Gattung von Lilien in einem kleinen, angebauten Gewächshaus in seinem Haus.“ Giorgio nimmt wieder einen Schluck. „Er macht Parfüm, weißt du? Und so Wunderbares.“ Giorgio schaut träumerisch in den Raum. „Ich liebe das Parfüm, das er macht.“

Während Giorgio weiter vom Parfüm schwärmt, hängt Fynn ihren Gedanken nach. Hatte Klaus ihr wirklich Blumen an die Tür gelegt? Oder vielleicht hatte sie auch jemand von Klaus erstanden? Und wenn er es war, was genau sollte das bedeuten? Hatte er etwa romantisches Interesse? Fynns Herz fängt an zu pochen. Aber was soll dann das mit Iris? Und er war schon sehr passiv generell dafür, oder etwa nicht? Fynn mochte ihrem Urteilsvermögen nicht mehr trauen. Was sollte sie jetzt mit dieser Information machen?

Nach knappen drei Stunden ist die Zusammenkunft vorbei. Fynn hatte in den letzten Stunden so viele Informationen bekommen, dass ihr Kopf sich drehte.

Sie schaut auf die Uhr. Es war Mittagszeit. Da sie heute so früh aufgestanden war, war sie bereits sehr hungrig. Sie hebt die Hände hinter den Kopf und schaut sich um. Vor der Gilde ist nicht viel los. War wohl eine geschlossene Gesellschaft heute. Ihr Magen knurrt laut. Bis sie zu Hause ist und sich etwas gemacht hat, geht bestimmt noch eine Stunde ins Land. So lange warten war keine Option. Sie schaut sich um. Da fällt ihr Blick auf Raegers Restaurant. Da könnte sie eigentlich heute essen. Schließlich hatte sie genug Geld verdient mit ihrer Ernte. Ihr Magen stimmt zu und so macht sie sich auf den Weg zu Raeger ins Restaurant, um etwas zu essen.
 

Mit großem Appetit und großer Vorfreude betritt Fynn das Restaurant. Sie hat es kaum betreten, als sie ihn entdeckt: Klaus! Er sitzt mit Iris an einem der Tische und isst zu Mittag. Ihr läuft es eiskalt den Rücken runter. Ihr Herz fängt wieder an zu schlagen. Das ist der perfekte Zeitpunkt Fritz' These zu bestätigen. Sie schluckt und schreitet zur Bar, wo Raeger steht und ihr zunickt. Im Vorbeigehen wird sie von Klaus entdeckt. Er winkt ihr und sie nickt zurück... ganz cool!

Sie setzt sich an die Bar, so dass sie aus dem Augenwinkel den Tisch von Klaus und Iris sehen kann. Iris sitzt mit dem Rücken zu ihr. Sie hat also perfekte Sicht auf Klaus. Raeger kommt rüber zu ihr: „Oh, hallo Fynn. Haben uns schon ein Weilchen nicht gesehen.“ Er lächelt freundlich.

Sie erwidert das Lächeln: „In der Tat. Hatte sehr viel zu tun. Aber jetzt habe ich meine erste richtige Ernte verkauft und habe endlich Geld auszugeben.“ Sie zwinkert Raeger zu. Der lacht: „Sehr gut. Glückwunsch. Was kann ich dir denn bringen.“

„Ähm...“, Fynn überlegt. Bei Raeger schmeckt immer Alles so gut, da fällt die Wahl schwer. Sie kräuselt die Stirn. Sie blickt von der Karte auf: „Kannst du mir was empfehlen?“

Er lächelt charmant: „Ich habe frischen Spargel rein bekommen.“

Fynn grinst: „Das klingt toll. Vielleicht mit Fisch?“

Raeger nickt: „Wird gemacht.“ Er dreht sich geschwind um und widmet sich wieder der Zubereitung. Fynn kann ihn dabei beobachten. Außerdem hat sie noch immer die Karte. Unauffällig tut sie so, als würde sie die Karte und Raegers Küche betrachten, während sie zu Klaus rüber späht.

Die Stimmung an deren Tisch scheint recht nüchtern zu sein. Sie essen und reden nicht allzu viel. Fynn verzieht die Mundwinkel. Das hat nichts zu heißen. Gerade WENN man sich gut versteht, muss man gar nicht so viel reden.

Sie konzentriert sich auf Klaus' Mimik und Gestik. Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hat, muss sie Fritz zustimmen. Klaus sieht nicht sehr freudig aus. Er reagiert auch kaum auf die Dinge, die Iris sagt. Aber vielleicht hatte er auch nur einen schlechten Tag? Leider kann sie nicht hören, was sie sagen.

Da landet ein Teller wunderbar duftendes Essen vor ihrer Nase. Fynn hebt ihren Kopf. Raeger lächelt sie charmant wie immer an: „Bitteschön: Ein mal Lachsfilet mit Spargelsalat.“

Fynn betrachtet das Essen. Es sieht so lecker aus. Sie schaut wieder hoch und grinst breit: „Es duftet fantastisch.“

Raeger kichert: „Vielen Dank. Guten Appetit.“ Er wendet sich wieder ab und widmet sich der Zubereitung der nächsten Bestellung.

Fynn betrachtet wieder ihr Essen. Ihr Grinsen wird immer breiter. Sie will gerade ihr Besteck nehmen, als sie ihr Messer runter schmeißt.

„Mist!“, entfleucht ihrem Mund. Sie murmelt leise weiter in ihren Bart, während sie sich bückt, um es wieder aufzuheben. Da kommt ihr das Messer bereits entgegen. Fynn schnellt nach oben. Es ist Klaus, der sich gebückt hat, um ihr Messer aufzuheben. Er streckt es ihr entgegen.

„Hallo Fynn.“, begrüßt Klaus sie und lächelt sie an. Seine Augen funkeln und sein Duft von Vanille und Lavendel hält sie fest im Arm.

Etwas zögerlich nimmt sie es entgegen: „H-Hallo Klaus.“ Sie lächelt zurück. Ihre Körpertemperatur steigt langsam an. Raeger kommt angelaufen: „Ich mache euch schnell die Rechnung fertig.“

„Vielen Dank.“, erwidert Klaus. Iris steht an der Tür und wartet. Fynn kann sie allerdings kaum sehen, weil Klaus davor steht.

„Ist es in Ordnung, wenn ich hier schnell auf die Rechnung warte? Ich möchte dich nicht beim Essen stören.“ Er schaut etwas besorgt auf ihren Teller.

„Klar. Ich habe nichts gegen ein bisschen Gesellschaft.“ Fynns Stimme überschlägt sich ein wenig. Sie ist sehr nervös.

Klaus lächelt wieder: „Sehr freundlich.“

Beide sitzen einen Moment schweigend nebeneinander an der Bar. Klaus folgt mit seinem Blick Rager, der die Rechnung schreibt. Da fasst Fynn sich ein Herz und eröffnet ein Gespräch: „Wie geht es dir?“

Klaus dreht seinen Kopf zu ihr. Er lächelt, wenn auch etwas melancholisch: „Ganz gut, danke der Nachfrage.“ Fynn mustert ihn. Irgendwas scheint los zu sein. Er strahlt etwas anderes aus als sonst.

„Bist du dir sicher? Es geht mich ja nichts an, aber du wirkst irgendwie bedrückt.“, sagt sie schließlich. Klaus schaut überrascht drein. Umso mehr bekommt Fynn den Eindruck, dass etwas vorgefallen ist.

Er fängt leise an zu reden: „In der Tat... Wenn ich ehrlich bin...“

Da unterbricht Raeger die beiden: „Hier ist die Rechnung, Klaus.“ Er lächelt Klaus an, freundlich wie immer. Klaus schaut zu Raeger auf und zückt sein Portemonnaie. Er betrachtet kurz die Rechnung, dann zieht er einen Schein aus seiner Geldbörse und übergibt ihn Raeger: „Hier, stimmt so.“ Raeger verbeugt sich kaum merklich: „Vielen Dank Klaus. Ich hoffe, es hat euch geschmeckt?“

„Allerdings. Es war wie immer köstlich.“ Beide lächeln sich höflich an. Klaus steht auf und dreht sich zu Fynn: „Auf Wiedersehen Fynn.“ Ihre Blicke treffen sich. Es ist als würde die Zeit stehenbleiben. Als würde er tief in ihre Seele schauen und gleichzeitig ihr sein Innerstes offenbaren. So ein seltsamer und doch perfekter Moment. Fynn ist ganz weggetreten.

„Beehrt mich bald wieder.“, bricht Raeger dann den Moment.

Klaus dreht sich zu ihm: „Das werde ich. Auf Wiedersehen, Raeger.“ Mit diesen Worten dreht er sich zur Tür und geht. Klaus hält Iris die Tür auf, die sich galant zuerst hinausschiebt. Klaus folgt und bleibt einen kurzen Moment stehen. Schließlich geht er weiter und die Tür schließt sich hinter ihm.

Fynn starrt den beiden noch einen Moment hinterher. Was war das? Es war so seltsam und doch so schön. Dieser Moment... So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie fühlte sich ihm so nahe, obwohl sie eigentlich gar nichts gesagt hatten und sie ihn auch kaum kannte. Obwohl sie sonst so aufgeregt war, war sie so ruhig in dem Moment. Alles stand still und nur die beiden waren da.

Da steigt ihr der Geruch ihres Essens in die Nase. Es steht unberührt und köstlich duftend vor ihr und schreit nach Aufnahme.

Fynn zuckt mit den Schultern und haut ordentlich rein. Es schmeckt genauso gut wie es riecht und so ist es im Nu verputzt.

Als sie fertig ist, will sich Fynn den Mund abwischen, aber findet keine Serviette. Hat Raeger wohl vergessen. Sie will ihn fragen, aber er ist an einem Tisch und schäkert mit den Kunden. Fynn schaut sich um. Da entdeckt sie etwas auf der Theke an dem Platz, wo Klaus gesessen hatte. Sie hebt es auf und staunt nicht schlecht. Es ist ein Stofftaschentuch, mit einem eingesticktem „K“. Hatte Klaus es absichtlich da gelassen? Hatte er gesehen, dass sie keine Serviette hatte, oder war es ein Zufall? Er hatte doch nicht wieder eins seiner Taschentücher verloren, oder?

Da schießt ihr Blut auf einmal in ihren Kopf und das Herz schlägt ihr bis zum Hals: War das etwa eine Einladung? Spekulierte er darauf, dass sie es zurückbringt?

Oh man, wie sollte sie das nur richtig deuten? Deuten war wirklich keine ihrer Stärken.

Sie schüttelt ihren Kopf: Reiß dich zusammen. Sie wischt sich den Mund mit dem Taschentuch ab. Bei dem Geruch von Vanille, den das Taschentuch verströmt, muss sie anfangen zu lächeln.

Raeger kommt zu ihr und will den Teller abräumen. Sie steckt das Taschentuch schnell in ihre Hosentasche.

„Bist du fertig?“

Fynn nimmt ihre Hände vom Teller und nickt: „Ja. War sehr lecker.“ Raeger nimmt den Teller weg. „Kann ich dann gleich bezahlen?“

„Nicht nötig.“, erwidert Raeger. Fynn schaut verdutzt auf. „Was? Wieso?“ Raeger schmunzelt. „Du schenkst mir doch kein Essen, oder?

Raeger nickt und lacht schelmisch: „Nein, das nicht. Aber dein Essen wurde schon bezahlt.“ Fynn schaut dumm aus der Wäsche: „Was? Wer? Wann?“

Raeger lacht, zwinkert ihr zu und dreht sich mit dem Teller weg.

Fynn bleibt verdutzt zurück und fühlt mit ihrer Hand das Taschentuch. Hatte Klaus etwa eben für sie bezahlt? Hatte sie das wirklich nicht mitbekommen? Sie saß doch direkt daneben!

Sie steht auf, um den Platz freizumachen. Kurz vor der Tür, winkt sie Raeger noch mal zu, der sich bereits der Zubereitung des nächsten Essens gewidmet hat. Fynn geht nach draußen und nimmt einen tiefen Atemzug. Eine sanfte Brise weht ihr um die Nase. Von Klaus und Iris ist nichts mehr zu sehen.

Sie streckt sich ausgiebig und macht sich auf den Heimweg, wieder mit einem Stofftaschentuch in der Hosentasche.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück