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Aishite?

Love me?
von

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PRECIOUS ...

Tohya hatte sich stets gefragt, wieso Nero solch ein Geheimnis aus seinem Nebenjob machte. Er wusste gerade einmal, dass sein Freund sich der Fotografie zugeneigt fühlte und diese auch im professionellen Rahmen betreiben wollte, aber auch diese Infos hatte Tohya ihm lediglich mit Müh und Not aus der Nase ziehen können. Dass er nun tatsächlich einen Auftrag für eine Zeitschrift an Land gezogen hatte, hatte Tohya nur dadurch erfahren, weil er seinen Freund auf frischer Tat beim Losziehen mit der vollen Ausrüstung erwischt hatte. Und auch dann war es Nero ganz offensichtlich nicht recht gewesen, dass Tohya so viele Fragen stellte, hatte er doch ziemlich kurz angebunden auf jede reagiert. Nun, Nero konnte mitunter recht eigen sein und durchaus auch muffelig, aber Tohya wurde das Gefühl trotzdem nicht los, dass der andere etwas zu verheimlichen hatte. Irgendetwas musste doch hinter dieser Geheimniskrämerei stecken. Und da Tohya sich ohnehin über alles viel zu viele Sorgen machte, hatte er sich stets die wildesten Szenarien ausgemalt: Nero, der irgendwelche gutaussehenden Damen für eine Erotikzeitschrift knipste und diese mit seiner roughen Art aufreizte, während er entdeckte, dass er nicht einmal halb so schwul war, wie er beteuerte, zu sein. Das wäre eindeutig Tohyas persönlicher Albtraum gewesen. Dass er Nero an irgendjemand anderen verlor.

Tagelang fand Tohya sich damit ab, dass Nero Stillschweigen über seinen Nebenjob bewahrte. Bezüglich des Shootings neulich hatte der Ältere ebenfalls kein Wort verloren, nur behauptet, es wäre gut gelaufen und die Auftraggeber zufrieden. Ob er denn nicht ahnen konnte, dass Tohya sich Gedanken machte und an sich selbst zu zweifeln begann? War er etwa immer noch zu dick? Oder einfach zu unscheinbar? Sollte er vielleicht mehr Make Up auflegen? Oder sich ein weiteres Piercing stechen? Vielleicht im Intimbereich? Würde Nero blaue Haare mögen? Doch so, wie Tohya es drehte und wendete, er kam zu keinem zufriedenstellenden Entschluss. Und so litt er jede einzelne Nacht stumm vor sich hin, bis er eines Nachmittags, als Nero mal wieder in seinen fotografischen Absichten unterwegs war, eine Entdeckung machte.

Tohya war auf der Suche nach einem Briefumschlag, hatte seine Mutter doch Geburtstag und eine Karte musste geschrieben werden. Er meinte sich daran zu erinnern, dass er irgendwann einmal Umschläge in einem Schubfach gesichtet hatte, weswegen er sich nun durch den Wust an Papieren und Mappen wühlte. Wenn er sich nicht dazu erbarmte, für Ordnung zu sorgen, landete einfach alles auf einem wüsten Haufen, konnte sein Freund doch ein ziemlicher Liederfleck sein. Doch Tohya war nicht sein Hausdiener und erst recht keine Frau, die sich für den Haushalt verantwortlich zeigte. Ja, wahrscheinlich hätte Nero viel mehr eine Frau gebraucht als einen Lover, der zehn Jahre jünger aussah, als er eigentlich war. Aber bisher hatte Nero sich tatsächlich noch nie für irgendein weibliches Wesen interessiert, zumindest nicht, dass Tohya wüsste.

Als er gerade seine Suche nach Umschlägen aufgeben wollte, fand man doch in diesem Sauhaufen ohnehin nichts mehr, wenn man nicht gerade alles von Grund auf sortierte, fielen ihm zwei bunte Bilder in die Hände. Da sie interessant, ja sogar schön anmuteten, zog Tohya sie hervor und beäugte sie eingehend. Zunächst konnte er sich keinen Reim aus den offensichtlichen Originalfotos machen, waren sie doch auf glänzendes Papier in traumhaften Farben gedruckt. Eines der beiden zeigte einen paradiesischen Garten mit tausenden von Blumen, wobei die ganz in weiße Gewänder gehüllte Gestalt die schönste von allen zu sein schien. So zumindest wirkte das Foto, so offenbar die Intention des Fotografen. Tohya konnte nicht sagen, ob es sich bei der Person mit den rosafarbenen Haaren und dem zarten Gesicht um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Erst auf dem zweiten Bild, welches dieses feengleiche Menschlein mit seiner Unschuldsmiene im Wasser stehend zeigte, musste er feststellen, dass es sich dabei um den kleinen, süßen Minpha handelte, der ebenfalls in einer Visual kei-Band spielte.

Wie Schuppen fiel es Tohya von den Augen. Dies also waren jene Fotos, die Nero neulich für diese Musikzeitschrift geschossen hatte.

Er ließ die Bilder angesäuert sinken. Was für ein hübsches Modell Nero da vor der Kamera gehabt hatte. Ein Wesen wie nicht von dieser Welt, so liebenswert und anmutig, dass er sich bestimmt hatte von ihm bezirzen lassen.

Tohya sah sich mit seinen schlimmsten Albträumen konfrontiert. Er kannte Neros Geschmack, er wusste, dass sein Freund sich gern hübsche Jungs anschaute, die eventuell sogar Frauenkleidung trugen. Aber er hatte dennoch gehofft, dass er für Nero der einzige war. Sie waren nun seit ein paar Monaten zusammen, nachdem sie als bloße Kollegen mit gewissen Sympathien füreinander begonnen hatten, aber vielleicht hatte Nero ihn ja bereits satt, schaute sich nach einem anderen Spielzeug um. Tohyas ohnehin schon angeschlagenes Selbstbewusstsein verkümmerte noch mehr. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, wusste er noch nicht einmal, ob Nero ihn wirklich liebte. Dass er selbst ihn liebte, ja regelrecht vergötterte, das war so sicher wie das Amen in der Kirche, aber der Ältere zeigte seine Gefühle eher selten. Oft wirkte es gar so, als ließe er Tohyas Zärtlichkeiten nur widerwillig über sich ergehen. Ja, und dies lag wahrscheinlich daran, dass er ihm nur einen Gefallen damit tat. Er wollte ihn nicht verletzen und ließ ihn deswegen gewähren. Weil er wusste, wie zugeinigt Tohya ihm war.

Welch eine Schmach. Gerade, als Tohya beschloss, nun jeden Tag tanzen zu gehen um noch dünner zu werden und damit vielleicht attraktiver für Nero, ging die Wohnzimmertür auf und sein Freund stand im Zimmer - mit seiner Kamera um den Hals und reichlich verdutztem Blick hin zu dem auf der Couch sitzenden Tohya. Die Fotos auf dem Tisch waren ihm natürlich als allererstes aufgefallen. Offenbar hatte der Kleine sie gefunden, was Nero eifrig zu verhindern versucht hatte, um keine Missverständnisse zu provozieren. Aber nun war es zu spät und zu genau solchen war es gekommen. Tohya sah äußerst betrübt aus. Seine schönen, großen Augen strahlten nicht mehr so verliebt, wie immer, wenn er sonst nach Hause kam, was Nero beinahe das Herz brach. Er hasste es, seinen Freund traurig zu erleben, was zum Glück aber selten vorkam, war Tohya doch im Grunde eine Frohnatur, die ihn mit seiner Lebendigkeit oft anzustecken wusste, aber offenbar schlummerte hinter der fröhlichen Fassade ein weitaus angeschlageneres Selbstbewusstsein, als er je vermutet hätte. Und diese Bilder hatten dieses noch weiter gemindert, genau so, wie Nero es sich fast gedacht hatte.

 

"Minpha ist schön, nicht wahr?" Jegliche Begrüßung fiel aus. Kein Hallo, kein Schön, dass du da bist. Nur diese entmutigten Worte, die Tohya ihm nicht einmal ins Gesicht sagen konnte. Er schaute betrübt auf die Tischplatte und kratzte nervös an seinem Daumennagel herum, ehe er schließlich doch den Kopf hob und Nero todtraurig ansah. "Schöner als ich?"

Nero konnte kaum fassen, was er da hörte. Er nahm die Kamera ab und legte sie weg, um sich anschließend zu seinem Freund zu gesellen, der noch immer vor den Bildern brütete und sie desillusioniert anstarrte.

"Die Fotos haben nichts zu bedeuten", versuchte er ihn wenig geschickt zu trösten und betrachtete die Bilder ebenfalls, um etwas an ihnen zu finden, das Tohya von ihrer Bedeutungslosigkeit überzeugen könnte. "Sie sind in keiner Weise anstößig oder auch nur im Geringsten erotisch. Viel mehr sind sie neutral und drücken eine gewisse Distanz, eine deutliche Unnahbarkeit Minphas aus." Er versuchte sich an einem Lächeln, als Tohya skeptisch zu ihm schaute. "Der Fokus liegt nur auf der Ästhetik. Minpha ist wie eine Puppe."

"Ja." Tohya nickte. "So schön, wie ich niemals sein werde."

Derartige Worte konnte sich eindeutig kein verliebter Mann aus dem Mund seines Schatzes anhören. Nero suchte nach etwas, mit dem er Tohya zeigen konnte, wie viel er ihm bedeutete, wusste aber nicht recht, welche Worte, welche Berührungen überzeugend rüberkommen würden. Dennoch nahm er nun die kleine, verkrampfte Hand Tohyas und hielt sie, während er sie mit der anderen bedeckte. Hoffnung funkelte in Tohyas Augen, hell und klar. Wenn er sich nur einmal selbst mit Neros Augen gesehen hätte, dann hätte er nie wieder daran gezweifelt, dass er der schönste Junge auf der ganzen Welt war.

"Die meisten Jungs werden erst dann schön, wenn sie Make Up tragen, wenn sie ihre Gesichtszüge verstecken", erklärte Nero ihm mit ruhiger, warmer Stimme und ebenso warmen Augen. "Aber du brauchst das nicht zu tun. Du hast eine unglaublich einnehmende, positive Ausstrahlung und von Natur aus ein Gesicht wie..." Er hielt inne und strich ihm eine seiner blonden Haarsträhnen von der Schläfe. "Ein Gesicht zum niemals Sattsehen. Genau wie dein ganzer Rest wundervoll ist. Was denkst du, wieso ich nicht anders konnte, als mich in dich zu verlieben?"

Tohya wandte mit einem leicht verschämten Lächeln das Gesicht ab. So deutlich hatte Nero ihm noch nie gesagt, was er für ihn empfand, weswegen ihn diese Worte etwas überforderten. Aber ihm auch unheimlich schmeichelten. Vielleicht, ja vielleicht brauchte er tatsächlich nicht an Neros Gefühlen zu zweifeln? Vielleicht hatte er sich ganz umsonst diese scheußlichen Gedanken gemacht? Er glaubte Nero, aber leichte Skepsis blieb dennoch.

"Vielleicht magst du aber auch Jungs, die ihre Gesichtszüge aufhübschen", überlegte er laut. "Vielleicht gefällt dir auch das Unnahbare. Das Geheimnisvolle. Das, was man nicht auf den ersten Blick sieht..."

Nero machten solche Annahmen sehr traurig. So traurig, dass er gar keine passende Erwiderung auf diese Worte fand, nichts, dass seinem kleinen Tohya den Wind aus den Segeln genommen hätte.

"Ganz egal, was passiert, ich liebe nur dich, so lange du es erwiderst und noch länger", versprach er ihm nur und bekam dafür einen wehmütigen Blick von Tohya geschenkt. Der Kleine war gefangen zwischen Hoffen und Bangen, und weil er es sich so sehr wünschte, dass Nero die Wahrheit sagte, kuschelte er sich nun an ihn und schmiegte mit geschlossenen Augen seine Wange gegen seine Brust.

"Ich liebe dich sehr, Nero-chama", säuselte er, während der andere ihm sanft durchs Haar strich und sich wünschte, ihm nur irgendwie zeigen zu können, wie schön er war, jetzt, in diesem Augenblick. Einfach nur den Moment festhalten, um ihn nie wieder loszulassen. Das sichtbar machen, was bislang nur sein Herz zu sehen in der Lage war.

Und dann wurde ihm klar, dass er dies tatsächlich bewerkstelligen konnte. Es war so simpel, dass er beinahe nicht darauf gekommen wäre.

 

 

*

 

 

Für gewöhnlich störte er den Schlaf seines Freundes nicht, fand dieser doch oft relativ spät in das Land der Träume und brauchte morgens wesentlich länger als Nero, um fit für den Tag zu sein.

Auch heute war er nicht bestrebt, den kleinen, schlafenden Engel zu wecken, weshalb er ihm nur einen kurzen, zufriedenen Blick zuwarf und sich dann seine Kamera schnappte.

Nach wie vor lag Tohya auf der Seite, das Gesicht dem sich neben das Bett Hockenden zugewandt. Sein Atem ging tief und gleichmäßig, und die kleine Haarsträhne, die sich an seine Nase verirrt hatte, vibrierte leicht in der ausgestoßenen Atemluft. Nero fand beinahe nichts an seinem Freund entzückender, als wenn dieser sich einmal nicht um den akkuraten Sitz seiner Haare zu kümmern in der Lage war und er dementsprechend verwuschelt aussah. Die seidigen, blonden Strähnen luden ihn zum Ordnen ein, aber Nero beließ es dabei, ihn nur zu betrachten. Und mit ihm zu lächeln, als er sah, wie Tohyas Mundwinkel im Schlaf zu zucken begannen. Bestimmt hatte er süße Träume, und hoffentlich handelten diese von Nero. Aber davon war er fast überzeugt. Der vorangegangene Tag war wundervoll ausgeklungen, mit viel Liebe und Zärtlichkeit und einem kleinen Wonneschrei aus Tohyas Kehle. Vielleicht ließ er das Erlebnis gerade Revue passieren, während er nicht ahnte, dass Nero ihn betrachtete, mit diesen Augen, die seine Schönheit enthüllten.

"Mein süßer, süßer Engel", lächelte Nero in sich hinein und setzte die Kamera an, um das einzufangen, was er gerade sah und was er so liebte. Die weiche Haut, das kleine Näschen, die frechen Piercings in Kinn und Augenbraue und diesen seligen Gesichtsausdruck. Wenn er glücklich war, gefiel er Nero eindeutig am besten. Insbesondere dann, wenn er der Grund für sein Glück sein durfte.

Ein auslösendes Knacken folgte dem nächsten, konnte Nero alsbald nicht mehr aufhören, das schönste Modell, welches ihm je vor die Linse gekommen war, zu knipsen. Auch dann nicht, als Tohya sich mit zusammengekniffenen Augenbrauen zu räkeln begann und sich schließlich auf den Rücken drehte. So wie er dies tat, hockte Nero sich eifrig neben ihn auf die Matratze und fotografierte ihn über ihn gebeugt weiter. Bis Tohya schließlich zu blinzeln begann.

Erst noch träge und verschlafen, staunte Tohya nicht schlecht, als er direkt in ein Kameraobjektiv blinzelte. Sofort war die Müdigkeit passé und ein verwirrter Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht.

"Was...", setzte er irritiert an, ehe er bemerkte, dass er halb nackt war und sich rasch die Bettdecke bis unter die Nase zog. Was Nero inne halten und schmunzelnd an der Cam vorbeischauen ließ.

"Vorhin hast du aber noch schöner für mich posiert", behauptete er. "Und jetzt ist der hübsche Engel auf einmal ganz kamerascheu..."

Neros Komplimente ließen Tohya stets erröten, würde er sich doch nie an solche lieben Worte gewöhnen können, schon gar nicht dann, wenn sie von seinem Liebsten kamen, der nicht gerade mit Zärtlichkeiten um sich warf. Kein Wunder also, dass er die Decke noch ein wenig höher zog, um dann mit lächelnden Augen über sie zu lugen.

Natürlich fühlte Nero sich dazu berufen, diesen bezaubernden Moment sofort einzufangen. Knips, knips, knips. Tohya lachte nun unter der Decke, und er bedauerte, dass die Kamera nicht dazu in der Lage war, Geräusche festzuhalten. Dafür aber war sie flink genug, um Tohya noch zu erwischen, als dieser rasch unter der Bettdecke hervorschlüpfte und versuchte, in das Bad zu flüchten. Unter lautem Gelächter rannte der Kleine vor ihm und der Kamera davon und versuchte in - eindeutig gespielter - Scham seine Blöße mit den Armen zu verdecken. Dadurch aber konnte Nero ungeniert Bilder von seinem kleinen, süßen Po schießen, der in engen, schwarzen Boxershorts ganz besonders gut zur Geltung kam. Aber auch sein schlanker Rücken wusste ihn zu begeistern, gab es doch nichts an ihm, was Nero nicht gefallen hätte. Das gerade geschossene Foto zeigte einen ausgelassen lachenden Tohya, der gerade frech hinter der Badtür hervorschaute und versucht war, diese Nero samt seinem Gerät vor der Nase zuzuwerfen. Aber natürlich wehrte er sich nur halbherzig und machte es seinem Freund leicht, ihm selbst in das Bad zu folgen.

Nero ahnte, dass das Shooting äußerst interessante Züge annehmen würde, als Tohya sich die Unterhose herunterriss und anschließend in die Dusche hoppelte, die hinter einem roten Vorhang verborgen lag. Ob dieser kleine Schlingel etwa ein Spielchen mit ihm spielte? Man durfte Tohya auf keinen Fall unterschätzen. Er mochte mitunter fast schüchtern sein und eine sehr unschuldige Art an den Tag legen, so, als hätte er von schlimmen Worten wie Sex oder gar Ficken noch nie etwas gehört, aber damit kokettierte er nur, das hatte Nero alsbald gelernt. Und deshalb war er sich auch ziemlich sicher, dass Tohya nichts dagegen haben würde, wenn er sich noch weiter auf die Pirsch begeben würde.

Er vernahm das Rauschen von Wasser, doch zum Glück war seine Kamera wasserdicht, wie sich bereits bei dem Shooting mit Minpha bewiesen hatte. Die Hersteller wussten mittlerweile, dass der Job eines Fotografen mitunter ziemlich schmutzig und abenteuerreich war und fertigten stabile Geräte, die einiges abhalten konnten. Und zum Glück hielten die Linsen auch Dingen stand, die schmutzig in ganz anderer Form waren. Schmutzig, aber gleichzeitig auch sehr, sehr süß...

 

"Hat der Kameramann endlich genug?"

Ein kurzer, lockender Blick seitens Tohya, der bereits nasse Haare besaß, huschte hinter dem Vorhang hervor und forderte Nero eindeutig dazu auf, seine Privatsphäre zu stören. Es kicherte und giggelte in der Dusche, aber so, wie Nero gespannt den Duschvorhang ein wenig lüftete und einen Blick hinter ihn warf, schmunzelte Tohya ihn nur noch verschmitzt an. Und wirkte gar nicht mehr verschämt, sondern äußerst stolz auf das, was er ihm ungeniert zur Schau stellte.

Er stand unter den Wasserstrahlen und war bereits pitschnass. Kleine Rinnsale bahnten sich ihren Weg an seinem schlanken, blassen Körper abwärts, woraufhin Nero nicht widerstehen konnte und ein paar von ihnen in den Fokus nahm. Der eine Tropfen, der mit einem zweiten auf seiner Hüfte verschmolz und geradewegs zwischen seine Beine huschte. Jener, der an seinem Kinn hing und, als er abfiel, unter seinem Nabel landete und sich von dort aus in Gefilde wagte, die bislang eigentlich ganz allein Nero gehört hatten. Was für kleine, freche Tropfen, machten diese ihm doch sein Privileg abspenstig. Aber das durften sie, wenn sie die Schönheit dieses wundervollen Jungen derart zu betonen wussten.

"Jetzt leg doch endlich mal die Cam weg", beschwerte Tohya sich nach einer Weile, in der er es mit roten Wangen heimlich in vollen Zügen genossen hatte, von dem Objektiv begehrt zu werden und ein wenig mit ihm beziehungsweise mit Nero geflirtet hatte, der sich nicht nur einmal auf die Unterlippe gebissen hatte. "Ich würde jetzt gern in Ruhe duschen."

Nero ließ die Kamera sinken und schaute seinen Kleinen mit schiefgelegtem Kopf an.

"Allein?"

Tohya drehte sich weg, aber Nero sah trotzdem, dass er grinste.

"Das habe ich nicht behauptet..."

So lief der Hase also. Und freilich konnte Nero diese Einladung auf keinen Fall ausschlagen. Gut, dass er ebenfalls nur Unterhosen trug, waren diese doch rasch ausgezogen. Die Cam durfte derweil eine wohlverdiente Pause einlegen, denn auch, wenn sie es vermochte, perfekte Momente und Schönheit für die Ewigkeit festzuhalten, so war sie doch nicht in dem Maße in der Lage, diese so gebührend zu würdigen wie es nur jemand tun konnte, der zu Gefühlen imstande war. Und der einfühlsame Hände, einen sich zum Verwöhnen eignenden Mund und noch ganz andere lustspendende Körperteile sein eigen nannte.

Alsbald wurde aus dem ausgelassenen Kichern seitens Tohyas ein sinnliches Stöhnen, das allein Nero zu verdanken war, der genau wusste, wie er seinen Jungen lieben musste.

 

 

*

 

 

Tohya war es selbstverständlich mehr als unangenehm, die Bilder zu Gesicht zu bekommen, welche am Morgen entstanden waren. An so ziemlich jedem, das Nero ihm vor die Nase hielt, hatte er etwas auszusetzen.

"Quetsch ich mir wirklich so doof die Wange und den Mund breit, wenn ich schlafe?", wollte er wenig begeistert wissen, doch Nero strich ihm nur amüsiert durch das Haar.

"Das ist gar nicht doof", meinte er, und in solch einem Fall war seine Meinung Gesetz. "Das ist mein Freund, den du da beleidigst, klar?"

Tohya schaute verwundert zu Nero auf, ehe er schmunzeln musste. Er konnte wirklich furchtbar süß sein, wenn er wollte, auf seine ganz eigene Art und Weise.

"Dein Freund sieht aus wie ein dicker Fisch", lachte Tohya in der leisen Hoffnung, noch ein kleines Kompliment einheimsen zu können, aber Nero reagierte gar nicht auf seine Worte, sondern schaute sich schweigend die nächsten Fotos an. Schließlich kam er bei jenen an, die Tohya ganz nackt zeigten.

"Oh Gott." Der Kleine hielt sich die Augen zu. "Dass du das wirklich aufgenommen hast..."

"Etwa noch nie nen nackten Mann gesehen?" Nero musste schmunzeln, während er sich gefällig an den Bildern weidete. "Also, ich finds gelungen, und du hast es eindeutig so gewollt."

Das konnte Tohya nicht abstreiten. Er hatte total billig posiert, einfach, weil er plötzlich ziemlich spitz gewesen war und sich nach seinem Freund verzehrt hatte. Manchmal kam es einfach so über ihn, und dann brauchte er es. Dringend. Unbedingt. Und dann tat er alles, um es zu bekommen.

Natürlich gab er nicht offen zu, dass er es heiß gefunden hatte, Nero als Nacktmodell zu dienen. Anstelle schüttelte er die ganze Zeit über peinlich berührt lachend den Kopf, das Gesicht in den Händen vergrabend.

Das letzte Bild gefiel Nero, der sich von Tohyas Verhalten nicht irritieren ließ, ganz besonders, aus eindeutigem Grund.

"Hierauf hat mein Freund schon halb einen stehen", brummte er zufrieden, wofür Tohya ihn giggelnd gegen die Schulter schlug.

"Hör auf!", empörte er sich nach wie vor lachend und mit heißem Kopf, was Nero mit einem amüsierten Schmunzeln hinnahm. Es bereitete ihm viel Spaß, Tohya in Verlegenheit zu bringen. Viele Jungs mimten den Schüchternen, um süß zu wirken, das war bei Weitem nicht nur eine Mädchenmasche. Denn es kam oftmals gut an, nicht nur niedlich auszusehen, sondern auch niedlich zu wirken. Tohya würde seinen jugendlichen Charme wahrscheinlich noch ewig nicht ablegen, auch wenn er bereits die dreißig überschritten hatte - was er natürlich unter keinen Umständen hören wollte.

Nero legte die Fotos schließlich vorerst beiseite, war sich aber sicher, sie alsbald wieder hervorzuholen, um sich an ihnen zu erfreuen. Auf Tour würde er sie bestimmt benötigen, wenn sein Tohya daheim bleiben musste oder dieser wiederum er auf Reisen ging. Dann waren solche Aufnahmen besser als nichts.

"Weißt du was?" Nero sah Tohya an, als dieser schließlich noch immer mit leicht geröteten Wangen seinen Blick erwiderte. "Ich würde garantiert eine Menge Geld bekommen, wenn ich die Bilder an eine Zeitschrift verkaufen würde..."

Zutiefst erschrocken riss Tohya die Augen auf und schnappte nach Luft.

"Wenn du das machst..."

"Keine Sorge." Er legte den Arm um seinen Freund und drückte den ängstlichen Kerl fest an sich. "Für mich sind diese Bilder unbezahlbar. Sie bleiben natürlich bei mir."

Tohya atmete ungemein erleichtert auf und lächelte zufrieden, als Nero ihm mit den Fingerknöcheln über die Wange strich und ihn damit animierte, ihn wieder anzusehen.

"Aber sie sind genauso auch für dich", meinte der Ältere. "Damit du jederzeit sehen kannst, wie wunderschön du in meinen Augen bist, Toto-chan."

Tohya mochte sich auf den Fotos nicht sonderlich attraktiv finden, aber Nero war ohne Frage so hingerissen von ihm und diesen Momenten, die ihn so schrecklich unperfekt zeigten, dass er begann, die Bilder dennoch ein wenig zu mögen. Auch die peinlichen, die nicht nur seine Schönheit, sondern auch seine unverhohlene Lust zeigten, die er niemandem außer seinem Nero zeigte, welchen er von Herzen liebte und den er nie wieder hergeben wollte.

 

Reflected Feelings

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Little Satsuma

Dem bitteren Gefühl der Scham lag Tohyas impulsives Verhalten zugrunde. Er, der eigentlich immer alle mit seiner guten Laune und seiner Lebenslust ansteckte, zerriss vor laufender Kamera und den Augen seiner Kumpels und Kollegen ein im Grunde unschuldiges Blatt Papier, um das zu zerstören, was auf es gezeichnet worden war. Er hasste Kouki in diesem Moment abgrundtief, zumal dieser derjenige war, welcher am lautesten von allen lachte und gar in die Hände klatschte, während Tomo noch versuchte, ihn zu beruhigen. Aber es half alles nichts. So heftig, wie Tohya Gefühle wie Freude lebte, so wenig konnte er negative Empfindungen unterdrücken und in sich hineinfressen. Wie ein wildes Tier gebärdete er sich gegen die Berührung seines besten Freundes, welche er in diesem Augenblick schlichtweg nicht ertragen konnte. Denn wenn er eines wusste, dann, dass auch er ihn nicht verstehen konnte. Kein Mitglied der beiden versammelten Bands konnte ahnen, wieso er sich so aufregte. Wieso er am liebsten aus dem Zimmer gestürmt und sich schamerfüllt in irgendeine Ecke verkrümelt hätte, wo ihn so schnell niemand mehr finden konnte. Derart gedemütigt war er von seinen Freunden noch nie geworden. Die Enttäuschung diesbezüglich schnürte ihm die Kehle zu und sorgte dafür, dass er kein einziges Wort mehr zum laufenden Interview beizutragen hatte. Ständig kreisten seine Gedanken um diese furchtbare Bloßstellung. Es tat weh, verhöhnt zu werden. Aber noch mehr schmerzte die Gewissheit, dass Kouki Recht hatte mit seiner Zeichnung. Dass er nichts weiter als die Realität dargestellt hatte. Und das wiederum ließ Tohya seine Wut gegen sich selbst richten. Und außerdem gegen jenen, der ebenfalls unweigerlich an der ganzen Misere beteiligt war.

 

Um irgendwelchen dummen Fragen und lästigen Gesprächen zu entgehen, machte Tohya sich nach dem Event rasch aus dem Staub. Heute wollte er Tomo oder gar Kouki ganz bestimmt nicht mehr begegnen. Zunächst musste Gras über die Sache wachsen, die ihn mit großem Unbehagen erfüllte, seitdem man sie ihm schwarz auf weiß unter die Nase gerieben hatte.

Aber ganz konnte er ihr dennoch nicht ausweichen. Er wusste, dass Nero versprochen hatte, ihn nach der Show abzuholen, und für gewöhnlich hielt er seine Versprechen auch, wie Tohya wieder einmal feststellen konnte, als er in der Eingangshalle des Konferenzgebäudes ankam. Noch hatte der andere ihn nicht entdeckt, schaute er doch aus einem der großen Fenster hinaus auf die Stadt und schien in Gedanken versunken zu sein. Tohya atmete tief durch und straffte die Schultern, denn das, was er nun tun würde - musste - würde kein leichtes Unterfangen für ihn darstellen. Denn im Grunde seines Herzens wollte er nichts weniger als diesen Schritt tun.

 

Es dauerte freilich nicht lange, bis Nero von seinem Erscheinen Notiz nahm. Das sanfte Lächeln, das er Tohya zuwarf, so wie er sich umdrehte und ihn prompt erkannte, sorgte für einen heftigen Stich in der Magengegend des kleinen Drummers. Heute war wirklich ein schrecklich beschissener Tag. Als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen, so zumindest kam es ihm vor.

Doch Nero hatte sich nicht gegen ihn verschworen, im Gegenteil - der Mann, der ihm derzeit am nächsten von allen stand, schritt nun auf den unschlüssig wirkenden Jungen zu, welcher einen heftigen Kampf mit sich selbst ausfocht. Er schien nicht einmal zu ahnen, wie es in ihm aussah, glaubte bestimmt, er sei müde aufgrund des anstrengenden Interviews, weshalb er ihm liebevoll über den Kopf strich und gar mit den Fingerknöcheln über die zarte Wange des niedlichen Tohyas fuhr. Wenn er nur hätte in Tohyas zerrissenes Inneres hätte sehen können. Wenn er nur im Ansatz geahnt hätte, was der Kleine durchmachte. Wie jede Berührung, jeder zärtliche Blick schmerzte. Tohya hätte so gern seine Hand genommen und ihm ein Lächeln geschenkt, das zeigte, wie sehr er sich freute, dass Nero an ihn gedacht und sich die Zeit genommen hatte, ihn abzuholen, aber er fühlte sich zu entblößt. Und die Wunde würde wahrscheinlich nie mehr zuheilen. Weswegen Tohya, anstatt Neros Hand zu nehmen und ihre Finger miteinander zu verschränken, auswich und den Blick senkte.

"Hey, was ist denn los?"

Nun merkte Nero schließlich, dass etwas im Argen war. Und das tat noch einmal weh, so sehr. Tohya wollte das nicht, wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, war es doch genau das Gegenteil dessen, was er sich in diesem Moment wünschte.

In den Arm genommen werden. Getröstet werden. Geküsst werden. Einfach nur Halt bei seinem engsten Vertrauten finden. Aber er konnte den anderen nicht den Beweis für die Richtigkeit ihrer Annahme liefern. Er wäre eher am Schmerz der Zurückweisung gestorben als sich vor seinen Freund noch einmal zu blamieren.

"Ich glaube, wir sollten uns vorläufig nicht mehr sehen", brachte Tohya wenig überzeugt hervor, dabei nach wie vor schwermütig seine Schuhe fixierend, damit es Neros Augen ihm nicht noch schwerer machten. "Es wäre vielleicht besser..."

Er hielt die Luft an, als Nero zunächst nichts dazu sagte. Die Spannung, die in der Luft lag, schien greifbar und einfach nur unerträglich. Die Gewissheit, mittels weniger Worte unwiderruflich das kleine Pflänzchen zerstört zu haben, was so viele süße Früchte getragen hatte, sorgte dafür, dass sich ein Kloß in Tohyas Kehle bildete. Zu seinem eigenen Missfallen bemerkte er, dass er den Tränen nahe war. Und umso stärker es unter seinen Lidern drückte, desto verzweifelter wollte er sich Nero entgegenwerfen und sich an ihn klammern, damit er doch bei ihm blieb.

Aber er tat es nicht.

"Und warum?" Dass Nero nun so schrecklich reserviert klang, machte Tohyas Situation nicht besser. Seine kalten Hände zitterten nun gar, und er wollte...wollte verschwinden. Allem entkommen, um seine Ruhe zu haben. "Wie kommst du darauf? Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich dir zu nahe getreten?"

"N-nein..." Um Gottes Willen, dies sollte Nero nicht glauben. Er hatte nichts falsch gemacht, überhaupt nichts. "Es ist nur...ich...ich weiß nicht..."

Scheu hob er den Blick und blinzelte Nero an. Da sein Gesicht ihm so vertraut und lieb war, so viel Ruhe und auch eine gewisse Sanftheit ausstrahlte, wenn er ihn anschaute, traten dem Kleinen nun tatsächlich die Tränen in die Augen. Er hasste es. Hasste sich. Wollte Neros traurigen Blick nicht sehen, an dem nur er schuld war. Wollte nicht, dass Nero seine Tränen sah. Wollte nur, dass alle endlich sein verwundetes Inneres in Ruhe ließen.

Aber damit konnte er bei Nero natürlich nicht rechnen. Tohya schloss seine Augen zu spät, um dass der andere nicht hätte sehen können, dass er sich mit seinen eigenen Worten und Entschlüssen verletzte.

"Ich schlage vor, wir gehen wie geplant zu mir", meinte Nero mit warmer Stimme, die Tohya fast genauso viel Trost spendete wie eine Berührung durch seine wundervollen sanften Hände, unter denen seine Haut stets zu prickeln begann. Als er nun, wieder etwas ermutigter, die Augen aufschlug, sah er direkt in die dunklen Iriden des Älteren, welche fest entschlossen waren, ihn nicht gehen zu lassen. Zumindest nicht so. "Du siehst mir aus, als würdest du einen Whiskey brauchen. Und dann erzählst du mir, was wirklich los ist, mh?"

Einerseits war es Tohya nicht recht, nun doch wieder mit Nero mitzugehen, aber es war die einzige Option, wenn er den anderen nicht verlieren wollte. Und verdammt, das wollte er nicht! Nero und er, sie waren ein Herz und eine Seele, auch wenn sie sich in so vielen Dingen unterschieden. Im Grunde jedoch waren sie gleich, zwei Puzzleteile, die sich ineinander fügten und ohne einander nicht mehr sein konnten. Das, was sie verband, war etwas, das zu stark war, um es nur mit ein paar Worten zu trennen. Und Tohyas Gefühle hätten wahrscheinlich nicht einmal viele Worte auszulöschen gewusst. Er war vernarrt in Nero, sehnte sich nach dessen Nähe...und genau das war der Punkt, der einen ekelhaften Beigeschmack mit sich zog. Eine Sache, die ihn befangen machte. Eine Barriere zwischen ihm und dem Mann errichtete, der innerhalb von ein paar Sekunden sein Herz zum Schnellerschlagen gebracht hatte. Er musste ihn einfach begleiten, wenn er Nero nicht ebenfalls verletzen wollte. Schließlich wusste er, dass er ebenfalls große Zuneigung für ihm empfand, und so etwas durfte man nicht mit Füßen treten. Man war ein schlechter Mensch, wenn man so etwas tat. Und unwürdig, überhaupt geliebt zu werden. Von irgendjemandem, aber insbesondere von solch einem tollen Mann.

 

Kaum, dass sie in Neros Wohnung angekommen waren, zog es Tohya natürlich prompt hin zu seinem Lieblingsplatz. Er schätzte die Couch im Wohnzimmer für ihre Gemütlichkeit, kuschelte sich nur zu gern in die großen Kissen und war in diesen nicht nur einmal sehr schnell eingeschlafen. Heute aber blieb er auch dann noch hellwach, als er die Beine an den Körper zog und sich eines der Kissen schnappte, um es fest zu umarmen. Nero kam nicht umhin, kurz zu schmunzeln, so wie er dem Kleinen zuschaute - lediglich dessen trauriges Gesicht wusste seine Entzückung zu trüben. Tohya schien es wirklich nicht gut zu gehen, irgendetwas musste vorgefallen sein. Nicht umsonst verhielt er sich so und wollte Nero gar aus seinem Leben verbannen, und das, obwohl sie sich doch ohne jeden Zweifel lieb hatten.

Auch wenn Nero sich am liebsten noch länger an dem putzigen Bild geweidet hätte, dass der notgedrungen mit einem Kissen kuschelnde Tohya ihm lieferte, machte er sich nun auf in die Küche, um wie abgemacht den Whiskey zu servieren. Tohya mochte keine süßen Schnäpse, bevorzugte harte Spirituosen, was bei Nero anfangs für Erstaunen gesorgt hatte. Wie konnte ein so niedlicher kleiner Kerl nur saufen wie ein beinharter Mann, hatte er sich gefragt, es aber nicht laut formuliert, denn Tohya hörte es oft nicht gern, wenn man seine Männlichkeit untergrub oder infrage stellte. Und deshalb tat es Nero auch nie wieder und gab Tohya, nach was es ihm gelüstete, war es doch wahrscheinlich auch das einzige, was seine Nerven etwas zu beruhigen vermochte. Nero konnte allein mit Worten auch nicht immer zu ihm durchdringen.

Doch sein Plan sollte jäh durchkreuzt werden; so wie er einen Blick in den Schrank warf, musste er feststellen, dass die Wiskeyflasche keinen einzigen Tropfen mehr enthielt. Ob Tohya bei seinem letzten Besuch etwa heimlich genascht hatte? Nun, er hatte schon etwas nach Schnaps gerochen und war lachend ausgewichen, wann immer Nero versucht hatte, ihn in seine Arme zu ziehen und zu knuddeln, denn knuddeln war alles, was man mit Tohya tun wollte. Es kam Nero wie eine Pflicht vor, den Kleinen zu herzen und zu drücken, war es doch auch genau das, was Tohya wie die Luft zum Atmen zu benötigen schien. Aber vielleicht hätte Nero ihn zur Abwechslung einmal küssen sollen, um festzustellen, ob seine Lippen denn auch nach Whiskey schmeckten. Und ob sie tatsächlich so weich waren, wie sie aussahen. Weich und zart und schon bald feucht, wenn erst ihre Zungen zum Einsatz kamen...

Er schüttelte die Gedanken rasch ab und kehrte mit der schlechten Nachricht zu Tohya in das Wohnzimmer zurück. Die großen Augen, die ihn nun erwartungsvoll anschauten, musste er leider enttäuschen.

"Der Whiskey muss verdunstet sein", eröffnete er Tohya. "Die Flasche ist auf einmal leer."

Anstatt, dass Tohya die Schultern sinken ließ und seufze, musterte er Nero nun skeptisch.

"Verdunstet?" Seine Mundwinkel zuckten leicht. "Sicher, dass du nicht im Schlaf dran genippt hast? So was soll es ja geben...Leute, die im Schlaf essen und trinken."

Nero, dessen Hoffnung auf eine vernünftige Klärung von Tohyas Problem wuchs, zeigte sich nicht etwa entrüstet über diesen Vorwurf. Tohya ließ er ohnehin Dinge durchgehen, die er bei anderem bereits mit Strenge geahndet hätte. Der Kleine konnte im Grunde kaum etwas falsch machen, so sehr mochte er ihn.

"Ich nehme eher an, dass sich ein kleiner, frecher Gast an der Flasche zu schaffen gemacht hat, als ich gerade nicht im Zimmer war. Jemand, der immer das Gesicht aufgrund der Schärfe des Schnapses verzieht, aber seine Finger trotzdem nicht davon lassen kann."

"Wer kann denn das gewesen sein?" Tohya zeigte sich ahnungslos, während er an der Ecke des Kissens pfriemelte. "Etwa einer von den vielen Jungs, die du immer auf einen Whiskey einlädst?"

Er grinste nun ganz breit und wirkte somit schon wieder fast wie der alte. Seine Unbeschwertheit schien wieder aufgetaucht zu sein, jene Aura der Leichtigkeit, in der Nero oft so gut von den Sorgen und Problemen des Alltags abschalten konnte. Es gab kaum etwas, was dem Kleinen besser stand als dieser Frohmut. Er war sein schönster Schmuck, der seine Augen hell strahlen und Nero stets wissen ließ, wieso er diesen Jungen so fest in sein Herz geschlossen hatte.

"Nun", neckte er Tohya weiter, dem solche Spielchen immer ziemlich gut gefielen. "Ich bin eben ein sehr gefragter Mann mit gutem Schnaps und einem bequemen Sofa."

"Heute bist du lediglich ein gefragter Mann mit einem bequemen Sofa", meinte Tohya und griff sich eine der Mandarinen, die in der Schale auf dem Couchtisch lagen. "Und einer, der ziemlich gesunde Dinge anzubieten hat."

Nero sah dem Kleinen dabei zu, wie er die Mandarine zu schälen begann und setzte sich alsbald neben ihn. Rasch hatte Tohya die Schale abgeknibbelt und eine der fruchtigen Spalten gelöst, um sie sich zwischen die Lippen zu schieben.

Süß. Einfach nur süß. Wie konnte ein Mensch nur so hinreißend sein, bei allem, was er tat? Und wenn er nur aß?

Aber er durfte sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lassen und den Vorfall von vorhin ignorieren, nur um des lieben Friedens willen. Wenn sie darüber schwiegen, würde er womöglich ihre ganze gemeinsame Zukunft belasten. Oder auf kurz oder lang dafür sorgen, dass es keine gemeinsame Zukunft gab. Und das hätte Nero sehr traurig gemacht. Tohya war doch sein Sonnenschein, und wie sollte er ohne diesen sein können, wenn er nicht mehr für ihn strahlte?

"Magst du mir nun erzählen, was passiert ist? Wieso du am liebsten nichts mehr mit mir zu tun gehabt hättest?"

Tohyas Miene verhärtete sich prompt, nahm etwas eisigere Züge an. Trotzdem kaute er weiter und steckte sich alsbald sogar noch eine Mandarinenscheibe in den Mund. Auch wenn er nicht aussah, als würde es ihm noch schmecken.

"Bei dieser Show...", setzte er an, offenbar nach den richtigen Worten suchend, während er es nicht schaffte, Nero anzusehen, der dafür ihn nicht mehr aus seinen geduldigen Augen ließ. "Es war eigentlich ganz lustig, wir hatten mächtig viel Spaß...bis wir dann die Aufgabe hatten, das zu zeichnen, von dem wir glauben, dass es die anderen am meisten auf der Welt lieben." Er kaute angestrengt weiter, den Blick auf das Kissen gerichtet. Jetzt kam der schwere Part. "Kouki sollte das zeichnen, was ich am meisten liebe, und ich hatte eigentlich gedacht, dass er mein Drumkit malt...aber..."

"Aber?", hakte Nero nach, da die Neugierde ihn mittlerweile plagte und Tohya nicht zum Punkt kam.

Nun seufzte der Kleine tief und suchte etwas unsicher nach Neros Blick.

"Er hat mich und dich gemalt, küssend", verriet er dem anderen mit leiser und beschämter Stimme und wurde prompt ein wenig rot um die Wangen, aber schon im nächsten Moment trat eine kleine Zornesfalte auf seine Stirn. "Er hat mich als schwul und verliebt in dich hingestellt und mich damit vor allen blamiert...ich habe das Blatt sofort zerrissen, aber das hat auch nichts mehr geholfen..." Seine Verzweiflung ließ sich deutlich heraushören, während er ratlos weiße Fäden von der Apfelsine zupfte. "Die denken doch nun alle, wir hätten was miteinander und werden mich bis in alle Ewigkeit ärgern."

Nun wurde Nero einiges klar. Tohya und seine Kumpels erinnerten Nero in ihrem Verhalten ganz oft an Schuljungs, plagten sie doch ähnliche Probleme und gerieten sie doch rasch wegen irgendwelchen Nichtigkeiten aneinander. Kein Wunder also, dass es den Älteren etwas amüsierte, dass solch eine kleine Zeichnung der Grund für Tohyas schlechte Laune war. Aber dass er dies zum Schmunzeln fand, verriet er Tohya nicht, schien der Kleine doch nun wieder mehr mit dem Geschehenen zu hadern. Er musste Einfühlungsvermögen zeigen, wenn er Tohya nicht gegen sich aufbringen wollte.

"Ist das denn so schlimm?", wollte er wissen, in der Hoffnung, Tohya die Sache dadurch von einem etwas anderem Blickwinkel sehen zu lassen. "Ich meine, die anderen bezeichnen dich doch auch als schwul, wenn du mit Tomo oder einem der anderen Jungs knutschst, und da regst du dich auch nicht auf. Das sind einfach nur Scherze, die nicht böse gemeint sind, und das weißt du doch eigentlich auch."

Tohya wirkte nachdenklich. Für einen Moment sah es so aus, als würde er sich nun in sein Schneckenhaus zurückziehen und nicht mehr über die Sache reden wollen, da Nero ihn ohnehin nicht verstand, ja seine Sorgen noch nicht einmal sonderlich ernst nahm, weil der Altersunterschied sie eben doch aus zwei anderen Welten kommen ließ. Doch Nero wartete ab, ließ dem Kleinen Zeit, bis dieser schließlich den Kopf noch etwas weiter gegen seine Brust drückte in seiner Scham ob der folgenden Worte.

"Mit Tomo und mir ist das auch was ganz anderes", verriet er leise. "Es hat nichts zu bedeuten, es ist ein Spaß. Wir haben uns auch lieb, aber...nicht so."

"Nicht so?" Nero hatte sich diesen erstaunten Kommentar nicht verkneifen können. Auch wenn man wohl nicht vermutet hätte, dass ein besonnener Typ wie er zu solch heftigen Gefühlsregungen in der Lage war, schlug sein Herz jetzt voller Aufregung in seiner Brust.

Tohya, dachte er nur. Tohya, bitte lass es wahr sein...

"Nero-chan, ich..." Tohya schluckte. Die angefangene Apfelsine fest in den Händen haltend, sah er Nero aus großen Augen an, plötzlich frei jeglicher Scham und voll eines aufrichtigen Gefühls, das Nero zum glücklichsten Mann auf der Welt machte. Er brauchte eigentlich nichts mehr sagen, aber er tat es dennoch. "Zwischen uns, das ist ernster. Ich will nicht, dass sich jemand darüber lustig macht. Ich fühle mich sonst verurteilt dafür, dass ich...einen Mann liebe. Wirklich liebe."

Ergriffen ob dieser Worte rückte Nero näher an den Kleinen heran und nahm dessen schönes Gesicht in seine Hände. Gebannt sah Tohya ihm in die leuchtenden Augen, nicht mehr wissend, was geschah und wie ihm geschah in diesem Moment, der so erfüllt war von intimen Gefühlen und stillem Verlangen.

Und Neros Verlangen blieb in der Tat still. Er mochte der Sprecher Merrys sein, derjenige, der auf der Bühne die kleinen Ansagen tätigte, aber gerade fand er kein einziges, treffendes Wort, um Tohya die Erwiderung seiner Gefühle zu gestehen. Was aber nicht bedeutete, dass seine Lippen untätig blieben.

Er hatte sich schon so lange gefragt, wie weich Tohyas Haut sein musste, wenn sein Mund sie berührte, hatte sich gewünscht, die kleinen Leberflecke in seinem Gesicht zu zählen mittels einzelner, kleiner Küsse, und nun endlich war die Gelegenheit dafür gekommen. Das, was er so lange nicht gewagt, aber sich genauso lange gewünscht hatte, durfte nun sein, denn Tohyas Gefühle waren ein Abbild seiner eigenen. So unterschiedlich sie gewissermaßen sein mochten, so gleich waren sie sich in diesem Moment, in welchem sie nichts weiter als zwei Liebende waren.

Tohya schloss geruhsam die Augen, während Nero sein anbetungswürdig hübsches Gesicht mit all den Küssen bedeckte, die er sich über Monate hinweg zusammengespart hatte. Seine zärtlichen Lippen erkundeten jedes Detail, angefangen von seiner Wange bis zu seinem Ohr, was den Kleinen im Überschwang der süßen Gefühle wonnig zucken ließ, war er dort sehr empfindlich, ehe Nero ihm einen Kuss auf die Nasenspitze drückte, gefolgt von einem auf den linken Mundwinkel und schließlich einen mitten auf den Mund. Die Suche hatte ihr Ende, und das Ziel war süß, zuckersüß. Nun war Nero froh, dass er Tohya nicht geküsst hatte, als er nach scharfem, bitterem Whiskey geschmeckt hatte, denn der erste Eindruck zählte bekanntlich auch bei diesen Dingen. In dem Moment, in dem sie ihre Gefühle füreinander endlich zu einem Paar machten, schmeckte Tohya nach den fruchtigen, etwas sauren Apfelsinen, deren Saft seine Lippen ein bisschen klebrig gemacht hatten. Wahrscheinlich würde Nero sich immer an diesen Augenblick erinnern und Tohyas Geschmack mit diesen orangenen Früchten in Verbindung bringen, welche genauso süß und köstlich waren wie der Kleine. Little Satsuma würde Nero ihn nennen, wenn er an ihn dachte und in ansah. Kleine Mandarine. Es mochte kitschig sein, aber wer würde ihn schon dafür verurteilen? Tohyas Freunde ganz bestimmt nicht. Diese würden ihnen nie wieder etwas anhaben können. Und davon würde er Tohya auch sehr bald überzeugen, da war er sich ganz sicher.

 

*

 

 

Der Frühling zog mit großen Schritten ins Land und brachte alsbald die ersten warmen Tage mit sich, welche insbesondere Paare ins Freie zogen. Schließlich gab es kaum etwas Besseres, als die Sonne gemeinsam zu genießen und sich in dem kleinen Glück zu aalen, welches nur zwei Menschen sich gegenseitig zu schenken vermochten. Nun, natürlich war es auch nicht ungewöhnlich, wenn sich frisch Verliebte zunächst im heimischen Bett verkrochen und zunächst dort ihre Liebe zelebrierten, aber dies hatten Tohya und Nero bereits in den letzten Tagen getan. Wunderschöne Nächte aus Zärtlichkeit waren aus ihrer Zuneigung geboren worden, Nächte, die nur ihnen allein gehörten und zu denen die Augen der Welt keinen Zutritt besessen hatten. Aber nun war es an der Zeit, ihre Liebe nach außen zu tragen, so diskret wie möglich, aber doch eindeutig.

Es kam selten vor, dass man zwei Menschen Hand in Hand durch die herrlichen Parks ziehen sah, und noch seltener kam es vor, dass man zwei Männer verbunden durch diese Geste der Liebe antraf. Kein Wunder also, dass Tohya sich zunächst etwas geniert hatte, sich an Neros Hand in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber die Scham war ein hässliches Gefühl, das so viel kaputtmachte, weshalb er beschlossen hatte, stolz auf sein Herz zu sein, welches sich dem richtigen Menschen anvertraut hatte. Was zunächst nur ein Entschluss gewesen war, wurde schon bald zu einem irrationalen Gefühl, so wie sie Seite an Seite durch den Park schlenderten und den herrlichen Frühling auf sich wirken ließen, der das Abbild ihrer Empfindungen vonseiten der Natur zu sein schien. Die Welt war ein schöner, friedlicher Ort, wenn man diese beiden Attribute nur in sich selbst fand.

 

Auf einer Parkbank erblickte Tohya schließlich eine Gruppe Jungs, die er ohne jeden Zweifel als ein paar seiner Freunde erkannte. Kouki war unter ihnen, genau wie Tomo, der an einem Crepe knabberte und bereits über und über mit Schokolade beschmiert war. In anderen Situationen hätte er ihm das Zeug wahrscheinlich persönlich aus dem Gesicht gewischt, aber heute würde er sich nicht zu den anderen gesellen. Dieser Tag gehörte nur ihm und Nero, dessen Hand er entschlossen noch etwas fester umschloss, als sie sich dem Grüppchen näherten. Der Ältere war natürlich äußerst erstaunt bezüglich dieses Sinneswandel, ließ sich aber stolz auf seinen Freund mit sich ziehen. Und konnte sich einen etwas überlegenen Blick nicht verkneifen, als sie an den verblüfft dreinschauenden Jungs vorbeizogen.

Die gute Laune, die Liebe und nicht zuletzt der gute Sex in den letzten Tagen schienen Tohya derart zu beflügeln, dass er seinen Freunden sogar keck zuzwinkerte, als er sich ihrer Blicke bewusst war. Zu sagen gab es nichts. Er sonnte sich förmlich in der ungeteilten Aufmerksamkeit und zeigte jedem gerne sein Glück, insbesondere jenen, die sich vor ein paar Tagen noch darüber amüsiert hatten.

 

"Hast du gesehen, wie sie geglotzt haben?", kicherte Tohya, als sie sich ein wenig von den anderen entfernt hatten und sie sie nicht mehr hören konnten.

"Klar habe ich das gesehen", bestätigte Nero, der nun seinen Arm um Tohyas Schultern gelegt hätte, während die Hand des Jungen auf seiner Hüfte ruhte. "Sie sind erblasst vor Neid, weil sie ihre große Liebe noch nicht gefunden haben. Im Gegensatz zu dir."

Leicht verschämt schmunzelte Tohya ob dieser Worte in sich hinein. Nero hatte mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen, so, wie er es immer tat. Tohya hatte seine große Liebe gefunden, und dies würde ihm nicht mehr peinlich sein. Denn daran gab es nichts Schämenswertes, was er dank Nero hatte lernen dürfen. Liebe war immer schön und so natürlich, denn sie zauberte einem den Frühling ins Herz. Und manchmal schmeckte sie sogar nach Mandarinen.

 

very PRECIOUS ...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Blind Romance

Dass Tomo regelrecht strahlte, war schlichtweg unverkennbar. Bereits, als er mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf Tohyas Fußmatte gestanden und von seinem Freund und Bandkollegen in die gute Stube gebeten worden war, hatte er mit seiner bombastischen Laune förmlich die Luft verpestet. Nicht, dass Tohya mies drauf war - das war er nur in Ausnahmefällen und dann nur, wenn es einen triftigen Grund gab - aber auf einem Höhenflug befand er sich momentan auch nicht direkt, machte ihm doch eine etwas knifflige Situation zu schaffen, welche Tomos bald folgende Erzählung nicht gerade einfacher gestalten sollte.

Zufrieden seufzend ließ der Sänger sich auf der Couch nieder und ließ sich ein Bier von seinem Kumpel in die Hand drücken, welcher natürlich mit Gastfreundschaft glänzte. Als er Tomo anschließend Gesellschaft leisten wollte, indem er neben ihm Platz nahm - mit ebenfalls einem Bier in der Hand - plapperte dieser bereits los. Und dies freilich nach wie vor mit diesem Atomgrinsen im Gesicht.

"Ich hatte so eine geile Nacht, das kannst du dir gar nicht vorstellen."

Diese Offenbarung sorgte dafür, dass Tohya seinen Kumpel erstaunt anguckte. Dieser, in seinen heißen Frühlingsgefühlen badend, sonnte sich voller Stolz in seinem Erlebnis und sah Tohya noch nicht einmal an. Selbstzufrieden hockte er da und trank einen Schluck aus der Flasche, während der andere noch am Verschluss der seinen herumknibbelte und dessen Verwunderung rasch verflog.

"Ah ja", kommentierte Tohya nur wenig sagend und entschied sich letzten Endes dazu, die Flasche an der Tischkante zu köpfen. Ein kleines Ächzen entwich ihm, dann knackte der Deckel und Dampf stieg aus der Flasche auf. Ein kurzer, abschätzender Blick hin zu Tomo folgte. "Versuchst du mich damit zu beeindrucken?"

Diese Frage besaß ihre Berechtigung - schließlich war Tomo nicht gerade ein Unschuldslämmchen, auch wenn seine Singstimme wie die eines solchen klingen mochte. Es kam häufig vor, dass Tomo etwas mit Fans hatte, denn wieso sollte er die hübschen Mädchen auch verschmähen, wenn sie bereits danach gierten, von dem zugegeben attraktiven Sänger abgeschleppt zu werden?

Tomo ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er ignorierte gar Tohyas spitze Frage.

"Sie war unglaublich, die Kleine", schwärmte er nur offen mit einem versonnenen Lächeln. "Sie wollte es die ganze Nacht. Und sogar ihren Hintereingang durfte ich benutzen."

Tohya zog eine Augenbraue empor und musste auf diese Information erst einmal einen Schluck trinken. Dafür, dass sein bester Freund sich als bisexuell identifizierte, war er aber ein ganz schöner Weiberheld. Für Jungs schien er nicht sonderlich viel übrig zu haben, obwohl sich unter ihren Fans hier und da ein paar ganz ansehnliche junge Männer tummelten, welche Tohya an Tomos Stelle nicht von der Bettkante geschubst hätte.

Doch wie dem auch war - ein nagendes Gefühl der Missgunst machte sich in Tohyas Bauch breit. Nicht etwa, weil er auch gerne ein Mädchen abbekommen hätte, nein; es wäre auch für ihn ein Leichtes gewesen, einen Groupie abzuschleppen, schrien doch alle Mädchen im Chor laut 'Kawaiiiii!', wenn er ihnen ein Lächeln schenkte. Das Problem bestand darin, dass er sich nicht allzu viel aus ihnen machte...

"Hey, bist du etwa wirklich neidisch?" Tomo riss ihn per Schulterstoß aus seinen Gedanken. Als er wieder im Hier und Jetzt ankam, blinzelte er verdattert in das Gesicht des Sängers, das ihn aufmunternd anlächelte. "Mann, Toto-chan, spar dir deinen Neid und angle dir irgendeinen Jungen. Sei nicht immer so schüchtern in der Beziehung."

Das war Tohya natürlich gewissermaßen, aber da dies ohnehin nicht sein Problem darstellte, stritt er es ab.

"Ich bin gar nicht schüchtern."

"Ooookay." Tomo lachte, ehe er Tohya mit schiefgelegtem Kopf abschätzend musterte. "Du nimmst aber hoffentlich nicht nur niemanden mehr mit ins Hotel, weil du noch immer diesem Nero hinterherhechelst, oder?"

Wieso musste Tomo ihn denn immer so leicht durchschauen? Das war nicht fair. Grummelig verschränkte Tohya die Arme vor der Brust und schaute weg. Dann brummelte er mit leicht roten Wangen etwas, von dem er selbst nicht wusste, was es bedeuten sollte.

"Oh Maaaann." Auch wenn Tohya ihn nicht anguckte, hörte er anhand des klatschenden Geräuschs, dass Tomo sich die Hand vor die Stirn schlug. "Ich hab wirklich keine Ahnung, was du an dem findest..."

"Nero ist toll, ja?", blaffte Tohya ihn mit glühenden Wangen an, da er sich etwas schämte, als er sich diese Worte sagen hörte. Aber es musste sein. "Ich kann viel von ihm lernen, was das Schlagzeugspielen angeht. Es macht Spaß, etwas mit ihm zu unternehmen. Er ist ein guter Trinker."

"Und er sieht sooooo gut aus", äffte Tomo den Freund mit quietschiger Stimme nach. "Er ist sooo sexy, und sein Schwanz ist bestimmt riiiiiesengroß."

"Du bist doof", piepste Tohya peinlich berührter denn je. "Über solche Sachen mach ich mir gar keine Gedanken."

"Natürlich tust du das." Tomo war sich seiner Sache sehr sicher. "Wäre er nur ein Kumpel für dich, würdest du doch in der Gegend herumvögeln."

"Würde ich nicht", versuchte Tohya sich noch immer zu verteidigen, kam sich dabei aber vor wie ein Vollidiot. "One Night Stands liegen mir generell nicht so..."

"Hör mal." Tomo hörte nun auf, sich über den reichlich gepeinigt wirkenden Tohya zu amüsieren und mimte den Kumpel, der es nur gut mit ihm meinte. "Nero spielt in einer ganz anderen Liga. Er ist viel zu alt für dich. Außerdem will er nichts von dir. Oder?"

Das war ja der Knackpunkt, der Tohya so unglücklich machte. Traurig und zugleich sehr ratlos ließ er die Schultern hängen.

"Frag mich was Leichteres."

Natürlich mochte Nero Tohya sehr, ansonsten hätte er sich wohl nicht so oft mit ihm umgeben. Sie verstanden sich prächtig, konnten miteinander umgehen, als würden sie sich bereits seit Ewigkeiten kennen. Und doch wusste Tohya partout nicht, woran er bei Nero war. Ob er in ihm nur einen kleinen Bruder sah oder doch mehr.

"Wahrscheinlich ist der Typ noch nicht einmal bi", redete Tomo seinem Freund ein und legte ihm plötzlich in einer vertraulichen Geste die Hand auf den Oberschenkel, was Tohya mit erstaunt aufgerissenen Augen kommentierte. "Vergiss ihn lieber. Guck dir jemanden aus, von dem du weißt, dass er auch auf Jungs steht."

Daraufhin schaute Tomo ihn mit solch einem seltsamen Funkeln in den Augen an. Was sollte denn das werden?

"Alte Säcke mögen gut ficken, aber junge Typen sind experimentierfreudiger und wilder", raunte Tomo und rückte Tohya förmlich auf die Pelle, ohne aufzuhören, sein Gesicht zu mustern. Die fremde Hand wähnte der kleine Drummer nun äußerst nahe an seinem Schritt, was zunächst nicht gerade für Wohlbehagen sorgte. Zwar geizten die beiden besten Freunde meist nicht gerade mit Körperkontakt, aber für gewöhnlich war dieser nicht derart ernst gemeint.

"T-Tomo?", stammelte der verunsicherte Tohya, der sich immer weiter gegen die Sofalehne presste, aber dem anderen mit seinen offenbar perversen Absichten einfach nicht entkommen konnte. "Was...was soll das werden?"

"Shh." Tomos Zeigefinger legte sich auf seine Lippen. "Lass mich dir den Kopf wieder zurechtrücken, okay? Du wirst es mögen, das versichere ich dir."

"Was m-"

Er konnte seine Frage nicht vollenden, denn es sprach sich äußerst schlecht, wenn sich gerade ein fremdes Paar Lippen auf die eigenen presste.

Tohya wusste nicht recht, wie ihm geschah. Er kannte Tomos Mund, wusste, wie weich sich seine vollen Lippen anfühlten und wie gut und gern er küsste. Es hatte also schon beinahe etwas Vertrautes, sich in solch einem intimen Augenblick mit ihm zu befinden. Und es fühlte sich auch kein bisschen schlecht an. Vielleicht ein wenig falsch, aber auch diese Empfindung verflog rasch, als der andere entschlossen seine Arme um Tohyas Körper schlang und ihn enthusiastisch zu küssen begann. Tomo war bald so voller Tatendrang, dass er beinahe auf Tohyas Schoß hockte. Dazu jedoch kam es nicht, wohl aber dazu, dass er über ihm kniete, so wie er den verdutzten Tohya in horizontaler Lage in die Sofakissen gedrückt hatte. Aus großen, kugelrunden Augen schaute der Kleine ihn daraufhin an, die Lippen feucht von seinem eigenen, aber auch Tomos Speichel. Er sah unschlüssig aus, schien zu überlegen. Und Tomo wartete ab. Wartete, bis der Kleine hastig seine Hände an seinen Hinterkopf legte und ihn gedankenlos zu sich hinab zog, um es zu vollbringen. Die zu lange Abstinenz Tohyas forderte ihren Tribut und zeigte sich schon bald in hemmungsloser Gier nach körperlicher Vereinigung. Er wollte nicht unbedingt seinen besten Freund, aber er wollte, ja brauchte Sex. Schön, dass der andere ihm sein Bedürfnis stillte. Schön, dass er da war. Es war wie ein Befreiungsschlag. Allerdings nicht für eine sehr lange Zeit...

 

*

 

Angespannt saß Tohya auf der Couch, die Hände fest zwischen seine Knie gepresst, während sein Blick bereits seit Minuten an der Wanduhr klebte.

Schon zweimal hatte er Nero vertröstet, ihm gesagt, er hätte keine Zeit, um sich mit ihm zu treffen - ein drittes Mal hätte er ihn unmöglich belügen können. Zumal er jedes Mal dessen ehrlich enttäuschtes Gesicht sah, wenn er ihm abermals eine Absage erteilte.

Heute also musste er sich mit ihm treffen, und zu allem Überdruss würde er Tohya auch noch in dessen Wohnung besuchen. Für gewöhnlich empfing man nur beste Freunde oder Partner in den eigenen vier Wänden, in welchen der Platz knapp bemessen war. Nero musste sich ja ziemlich sicher sein, dass er zu Tohyas engsten Vertrauten zählte. Und dies wiederum verpasste Tohya einen Stich im Herzen. Was total albern anmutete. Er hatte überhaupt nichts Verwerfliches getan. Und doch fühlte es sich genau so an.

Als hätte er-

Das Klingeln an der Tür ließ ihn erschrocken hochschnellen, obwohl er bereits darauf gewartet hatte. Hastig rannte er zur Sprechanlage und drückte auf den Türöffner, ohne nachzufragen, wer denn da sei. Anschließend stellte er sich an die Tür und lugte unsicher durch den Spalt in den Flur. Die Etagenanzeige des Fahrstuhls gab alsbald grünes Licht, und dann glitten die Türen auch schon auseinander.

Himmel, sieht der heute wieder gut aus, war Tohyas erster, impulsiver Gedanke, als er Nero erblickte. Er trug ein elegantes Jackett, dazu kurze Hosen über einer modischen Leggings, kombiniert mit schwarzen Schnürstiefeln. Eine neue, knallgrüne Strähne zierte seine schwarzen Haare, und außerdem schien er eine neue Brille zu besitzen. Der dicke, schwarze Rahmen verlieh seinem Gesicht einen noch strengeren Touch. Tohya vermochte sich kaum mehr an dem anderen sattzusehen und blickte Nero äußerst verdattert an, als der plötzlich mit dem Anflug eines Lächelns direkt vor ihm stand.

"Lässt du mich rein?", fragte er amüsiert, woraufhin Tohya schnell zusah, dass er nicht mehr so auffällig starrte. Schlimm genug, dass er sich an diesem Tag bereits lächerlich mit seiner dummen Schwärmerei vor dem anderen gemacht hatte.

"K-klar", krächzte Tohya und trat beiseite, damit Nero freie Fahrt hatte. Ohne jeden Kommentar sah Tohya ihm dabei zu, wie er vollkommen ungeniert in die Wohnung trat und das Wohnzimmer ansteuerte. Mit Höflichkeitsbekundungen hielten die beiden sich schon sehr lange nicht mehr auf, das wurde in diesem Moment auch wieder deutlich.

Tohya war ganz froh, dass er den Gastgeber spielen durfte, konnte er dadurch doch kurz in der Küche verschnaufen, während er für jeden ein Bier aus dem Kühlschrank holte. Allmählich kam ihm Neros Gesellschaft beinahe unerträglich vor, was er wirklich sehr bedauerte. Anfangs hatten sie sich so gut verstanden, doch dann hatte Tohya - gegen seinen Willen - angefangen, diese albernen Gefühle für Nero zu hegen, die ihm selbst absolut lästig waren. Und alles sabotierten, was zwischen ihnen war. Schon jetzt konnte er kaum mehr normal mit Nero umgehen.

Aber er musste sich zusammenreißen. Tief atmete er durch, presste die Lippen aufeinander und betrat dann mit den Bieren in der Hand das Wohnzimmer, wo Nero mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen auf der Couch saß - und ihn bereits erwartete.

"Komm her, ich hab was für dich."

Er lockte ihn gar mit dem Finger; das Bier schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.

Tohya stutzte kurz, rief sich aber zur Ordnung und wollte sich auf keinen Fall wieder so lächerlich benehmen. Also trat er an den Couchtisch, stellte die Bierflaschen ab und hockte sich doch reichlich neugierig neben Nero.

"Was hast du denn?", wollte er wissen und blinzelte den anderen erwartungsvoll an, welcher mit einem kleinen Lächeln ein buntes Tütchen hervorholte. Tohya erkannte natürlich sofort, um was es sich dabei handelte.

"Saure Würmer!", jubilierte er und war versucht, Nero die Tüte aus der Hand zu reißen, doch der öffnete die Packung bereits und hielt sie dann seinem gierigen Freund unter die Nase. Dieser langte natürlich sofort hinein und stopfte sich prompt drei der bunten Gummiwürmer in den Mund. Verdammt, er liebte saure Würmer. Wenn man Tohya verführen wollte, musste man ihm im Grunde nur saure Würmer verabreichen, dann machte er alles.

Moment...er hielt im Kauen inne. Hegte Nero mit der Aktion etwa Absichten? Aber mitnichten - Tohyas Wunschdenken agierte einmal mehr zu übereifrig. Nero wollte ihm lediglich eine kleine Freude machen - und er sah, wie ihm dies gelang. Für einen kurzen Moment vergaß Tohya seine Sorgen und Nöte und naschte zufrieden. Er wurde erst wieder skeptisch, als Nero ihn abschätzend musterte.

"Ist was?", hakte er nach, was Nero jedoch nicht davon abbrachte, ihn zu betrachteten. Anstelle rückte er sich sogar seine Brille zurecht, was meist das Zeichen dafür war, dass etwas Unangenehmes folgen würde.

"Ist alles gut bei dir?", konfrontierte er Tohya mit seinen Bedenken, der erschrocken inne hielt und ihn aus großen Augen anstarrte. "Du wirkst in letzter Zeit ein wenig...nun ja, seltsam. Distanziert. Ich bekomme gar keine Wangenküsschen mehr, nicht mal zum Dank für die Würmer."

Tohya schien wie versteinert. Hatte er wirklich so ein entlarvendes Verhalten an den Tag gelegt? Dabei hatte er sich so bemüht, sich nichts anmerken zu lassen von seinem sehr schlechten Gewissen, welches sofort nach dem Sex mit Tomo eingesetzt hatte. Das Ganze war ein Fehler gewesen, auch wenn es sich zunächst nicht wie ein Fehler angefühlt hatte. Die miesen Gefühle lohnten sich noch nicht einmal, war die Nummer zwar nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut gewesen. Aber das konnte man vorher nicht wissen. Und nun musste er irgendwie damit leben. Auch damit, dass er Nero versichern musste, dass alles in Ordnung war.

Trotzdem es ihm sehr schwer fiel, näherte er sich dem anderen nun doch und drückte ihm einen zarten Kuss auf die Wange, so, wie er es früher sehr oft getan hatte. Nero hatte dies oftmals ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen lassen, was Tohya stets das Gefühl gegeben hatte, dass Nero nicht sehr viel daran lag. Aber offenbar war dem nicht so. Und heute zeigte er es Tohya zum ersten Mal wirklich deutlich.

"Es ist alles gut", gab er Nero zu verstehen, während er Mühe hatte, dem Blickkontakt standzuhalten, der schon so viele Sekunden lang währte. Allerdings schaute Nero ihm nicht nur in die Augen, sondern konnte sich kaum mehr von dem Anblick seiner Lippen lösen, an denen noch immer etwas von dem Zucker der sauren Würmer haftete. Verlockend süß war Tohya ja immer, aber heute vermochte selbst ein gestandener Mann wie Nero der Versuchung nicht mehr zu widerstehen.

"Das ist schön", flüsterte er zufrieden, um im nächsten Moment die Hand auf Tohyas Wange zu legen und ihn einfach auf den Mund zu küssen. Wieder erschrak Tohya, kam sich wie in ein Deja Vu versetzt vor, nur, dass dieser Kuss ein förmliches Feuerwerk des Glücks in seinem Bauch auslöste, im Gegensatz zu jenem mit seinem besten Freund. Er kam nicht umhin, sich in Neros Jackett zu krallen, während er dessen Lippen auf den seinen spürte, so viel mehr sagend als Worte es nur gekonnt hätten. Tomo hatte Unrecht, schoss es ihm durch den Kopf. Tomo hatte so Unrecht.

Oder vielleicht doch nicht? Lange nämlich währte der Kuss nicht gerade. Er blieb kurz und wenig leidenschaftlich, was dafür sorgte, dass Tohya reichlich überrascht aus der Wäsche schaute, als Nero sich von ihm löste und ihm zum Schluss zärtlich über die Wange strich. Was sollte das werden?

"Ich geh mal rasch ins Bad", verriet er Tohya und griff zu dessen Verwunderung nach der inzwischen leeren Gummiwürmer-Tüte. "Die kann ich dann gleich in dem Zug entsorgen."

Wie paralysiert schaute Tohya dem anderen nach, der das Zimmer verließ und ihn vollends durcheinander zurückließ. Noch nie war es innerhalb so kurzer Zeit geschehen, dass ihn gleich zwei verschiedene Männer vollkommen unerwartet geküsst haben. Lag das am Frühling? Oder sollte er vielleicht sein Haarshampoo wechseln? Nicht, dass dies irgendwie aphrodisierend wirkte und irgendwann eine ganze Horde von Männern hinter ihm herlief, welche alle nur das eine von ihm wollten. Also, wenn Nero nun tatsächlich ins Bad gegangen war, um nach Kondomen zu suchen, würde er durchdrehen. Allerdings wohl eher vor Freude. Nein hätte er nämlich ganz bestimmt nicht gesagt...

 

Nero aber hatte tatsächlich nur brav die Toilette aufgesucht, sein Geschäft verrichtet und wollte nun die Tüte entsorgen. Da er sich bei Tohya inzwischen wie zu Hause fühlte, wusste er auch, wo er seinen Müll aufbewahrte und konnte den Schub zielgerichtet öffnen. Als er jedoch den Deckel des Plastikmülleimers öffnete, musste er eine recht eigenartige Entdeckung machen. Obenauf lag ohne Zweifel ein benutztes Kondom.

Nachdenklich gab er die Gummiwürmer-Tüte dazu und schloss den Deckel wieder, um ins Wohnzimmer zurückzukehren. Dort saß der für seine Begriffe ziemlich schweigsame und ernste Tohya, in dessen Augen jedoch Hoffnung funkelte, so wie er Nero anschaute. Jene jedoch sollte einer großen Betrübtheit Platz machen, als der Ältere sich wieder zu ihm gesellte und ihn prompt mit seinem Fund konfrontierte.

"Du hattest mit jemandem Sex?", fragte er, und schon allein das sorgte dafür, dass Tohya schwindelig wurde. Schlimmer aber noch war die Tatsache, dass Nero so furchtbar verletzt klang. Und mit unerbittlichem Blick eine Antwort von ihm forderte. Die Zeit der Lügen war vorbei.

"Ja", gestand Tohya ihm schweren Herzens und sank vollends in sich zusammen, schaffte es nicht mehr, Nero in die Augen zu sehen. Zu sehr kam er sich vor, als hätte er ihn betrogen, obwohl dem doch eigentlich gar nicht so war. "Mit Tomo. Es ist...es ist...ich wollte nicht..."

"Du wolltest nicht?" Nun klang Nero misstrauisch. "Hat er dir wehgetan?"

"Nein", beeilte Tohya sich zu sagen, auch wenn es ihn rührte, dass Nero selbst in einer solchen Situation noch um sein Wohl besorgt war. "Natürlich nicht. Aber es ist...einfach so passiert. T-tut m-mir..."

Das kleine Wörtchen 'leid' brachte er nicht mehr heraus, zumal er nun genauso verschüchtert wie reumütig den Blick hob und Nero anblinzelte, welcher ihn nun lediglich enttäuschend ansah.

"Und was ist mit uns?"

Mit einer solchen Frage hätte Tohya am allerwenigsten gerechnet. Verwundert runzelte er die Stirn.

"Mit uns?"

"Ja", bestätigte Nero. "Ich hatte eigentlich das Gefühl, als hättest du dich in mich verliebt und es würde sich etwas anbahnen zwischen uns. Aber wenn du noch Augen für andere hast..."

Vollends überfordert schnappte Tohya nach Luft.

"Ab-aber..." Hilflos klammerte er sich an Neros Jackett fest und blickte ihm aufrichtig, aber zugleich auch ungemein panisch in die Augen. "Ich hab doch nicht gewusst, dass du...das erwiderst. Ich dachte, du willst mich nicht. Und ich...dachte, es würde sich nicht lohnen, zu warten..."

"Und da du zu viel Angst davor hattest, irgendwann unbefleckt zu sterben", ergänzte Nero mit seinem trockenen Humor, "hast du dir eben einen Notnagel gesucht. Armer Tomo. Bestimmt heult er sich nun die Augen aus."

Zunächst schnallte Tohya nicht recht, auf was Nero hinauswollte und beäugte den anderen misstrauisch, doch als in dessen intelligenten Augen der Schalk aufblitzte, musste er befreit lächeln.

"Immer noch besser er als du", gab er amüsiert zurück und schlang dann erleichtert die Arme um seinen Freund. "Oh Mann, wieso hast du mich auch nie von dir aus geknuddelt? Dann hätte ich vielleicht schneller gerafft, dass du mich genauso magst wie ich dich."

"Zur Entschädigung knuddle ich dich jetzt, so lange und oft du willst", nuschelte der glückliche Nero in das blonde Haar seines Kleinen und hielt ihn ganz fest. "Damit du nie wieder an irgendetwas zweifeln musst." Ein wenig löste er sich nun wieder von dem anderen, gerade weit genug, um ihm ein süffisantes Lächeln zuzuwerfen. "Und natürlich befriedige ich dir auch deine Bedürfnisse..."

Dafür erntete er einen Boxhieb des entrüsteten Tohyas gegen seine Brust, der ihm ein ächzendes Lachen entlockte. Im nächsten Moment aber kuschelte Tohya sich wieder zufrieden an seinen Freund, in dem Wissen, dass nun alles gut war und er nun endlich die schöne Gewissheit genießen durfte, dass der Mann seiner Träume all seine zarten Gefühle erwiderte.

 

Sekkusukuma

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Puzzle Pieces

Selbst die Presse hatte rasch Wind von dem guten Verhältnis bekommen, welches Tohya zu Nero pflegte. Sie machten in der Tat auch keinerlei Hehl daraus, dass sie sich mochten - immer wieder tauchten in den Social Medias Selfies auf, die die beiden vereint zeigten, und meist zeigten jene Bilder sehr deutlich, wie nah sie sich standen. Hier gab Tohya dem Älteren ein Küsschen auf die Wange, da aßen sie gemeinsam in einem Restaurant und wirkten sehr vertraut und glücklich. Oft fanden sich dazu auch niedliche Texte, welche die Fans zu euphorischen Reaktionen bewegten.

Aber natürlich war dies alles nur Spaß, egal, wie viele Mädchen bereits gemutmaßt hatten, dass es sich bei den beiden in Wirklichkeit um ein Paar handelte. Nero und Tohya waren Freunde, und dazu diente Nero dem anderen als Senpai, beriet ihn in verschiedenen Fragen bezüglich des Schlagzeugspielens und hatte gar bereits den einen oder anderen Vistlip-Song des neuen Albums mitproduziert. All diese Aspekte sorgten schließlich für weitreichende Spekulationen, und es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ein Magazin die Anfrage stellte, ob sie denn Lust auf ein gemeinsames Interview besaßen. Und dazu nicht nur auf irgendeines, sondern auf ein ganz besonderes, welches vorzüglich zu der Beziehung, die sie pflegten, passte. Die Fragen für das Interview sollten nicht von einem Mitarbeiter des Magazins kommen, sondern von den Befragten selbst. So war jeder der beiden dazu angehalten worden, sich im Voraus Dinge zu überlegen, die sie über den jeweils anderen in Erfahrung bringen wollten. Und natürlich würde der spätere, geneigte Leser rasch die Zuneigung aus jeder Zeile lesen können. Denn die meisten der Fragen beschäftigten sich äußerst intensiv mit dem, der sie gestellt bekam.

Selbst der Interviewleiterin stand ein verzücktes Lächeln ins Gesicht geschrieben, schon seitdem Tohya es sich neben Nero auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Dem Jüngeren war dies freilich nicht entgangen, denn die meisten Leute reagierten so, wenn sie sich zusammen präsentierten. Irgendetwas schien von ihnen auszugehen, das die Menschen berührte. Wahrscheinlich lag dies der Chemie zugrunde, die zwischen ihnen herrschte. Vielleicht vermochte man so etwas ja zu sehen, auch wenn Tohya es noch nie hatte ausmachen können, bei niemandem. Er wusste nur, dass er ganz ähnlich warm empfand, wenn er Nero ansah. So, wie er es auch jetzt wieder tat, während er seine wahren Gefühle hinter seiner typischen Unbeschwertheit verbarg.

Nero verschränkte die Hände gerade um sein Knie herum, das auf dem anderen Bein ruhte und blickte Tohya an.

"Nun würde ich gerne wissen, was du an dir magst."

Abermals bekam Tohya solch eine positive Frage gestellt, was er sehr begrüßte. Er mochte nicht gern über negative Dinge sprechen. Negative Dinge verdrängte er gern ganz tief in sich.

Dennoch brauchte er eine Weile, um über die Frage nachzudenken. Er tippte sich mit dem Zeigefinger ans Kinn und ließ seinen Blick schweifen. Schließlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

"Ich kann gut Schlagzeugspielen", verriet er, was Nero ein Lachen abrang.

"Darauf wäre ich ja nie gekommen", feixte er, der so viel ausgelassener wirkte, wenn er mit Tohya zusammen war, als wenn er sich in Gesellschaft anderer Personen befand. "Und was magst du noch an dir? Das kann nicht das Einzige gewesen sein."

Es freute Tohya, dass Nero das so sah, und sein Körper reagierte mit einem zarten Kribbeln darauf. Natürlich gab es noch mehr Dinge, die ihm an sich gefielen.

"Im Tanzen bin ich ebenfalls nicht schlecht", gab er zu und lachte mit zusammengekniffenen Augen auf. "Die anderen haben schon gemeint, ich wäre besser in einer Girlidolgroup aufgehoben als in einer Band." Kurz dachte er nach, ehe er zu Nero schmunzelte. "Und ich mag meine Augen. Sie sind so schön groß."

Ihm war, als würde Nero etwas dazu sagen wollen, denn seine Lippen zuckten bereits, aber offenbar hatte er es sich anders überlegt. Deshalb stellte Tohya dem anderen nun eine Frage. Eine, die ganz ähnlicher Natur war wie jene, die er eben bekommen hatte.

"Und was magst du an mir?"

Als er hin zur Interviewleiterin linste, hätte er am liebsten mit den Augen gerollt, so verträumt schaute sie sie beide an, die Wange in die Hand gestützt und innerlich förmlich aufseufzend. Aber Tohya vermochte ihr die Verzückung nicht zu verübeln. Auch er fand, dass Nero ihm gut stand. Und er Nero.

Nero musste ihm Gegensatz zu ihm nicht lange über die ihm gestellte Frage nachdenken. Er schien genau zu wissen, was er an Tohya schätzte. Und es schienen sogar sehr viele Aspekte sein.

"Du bist sehr begeisterungsfähig", urteilte er mit dem Lächeln auf den Lippen, das er schon die ganze Zeit über auf ihnen trug. Seine dunklen, intelligenten Augen ruhten die ganze Zeit über auf Tohya. "Du siehst in allem und jedem das Gute. Außerdem steckt deine Lebensfreude selbst den größten Miesepeter an. Wenn man mit dir zusammen ist, hat man unweigerlich eine gute Zeit. Und du hast keine Angst, deine Gefühle zu zeigen, was ich sehr angenehm finde."

Tohya spürte, wie seine Wangen aufgrund der ganzen wertschätzenden Worte aus dem Mund des Mannes, der ihm so viel bedeutete, ganz heiß wurden und blickte verschämt zu Boden. Aus der Ferne quietschte irgendein Mitglied der Crew 'Kawaiiii!', aber vielleicht bildete er sich dies auch nur ein, weil er es erwartete. Dabei war die Situation weit mehr als nur kawaii. In Momenten wie diesen glaubte er ganz deutlich zu spüren, dass Nero mehr in ihm sah als nur einen guten Freund. Es schien so klar und greifbar, aber doch wagte er es nicht, die Hand danach auszustrecken. Nero hatte Recht, er hatte keine Angst, seine Gefühle zu zeigen, aber er erwischte sich bezüglich dessen, was Nero und ihn verband, immer öfter dabei, wie er etwas von seinen wahren Empfindungen verbarg. Einfach, weil sie ihn so verletzlich machten.

"Und was schätzt du an mir?"

Da hatte Nero es sich ja reichlich einfach gemacht. Im Grunde aber hatte Tohya bereits damit gerechnet, dass etwas in der Art folgen würde. Abermals brauchte er seine Zeit, um eine Antwort zu finden, allerdings nicht, weil er nicht wusste, was er an Nero mochte - das nämlich wusste er sehr genau, zu genau - sondern weil er aufpassen musste, dass er auch heute wieder etwas von seinen Gefühlen zurückhielt. Trotzdem war die Frage nicht gerade zuträglich für seine Gesichtsfarbe. Er musste rot wie ein Tomate sein, und dies auch noch vor Publikum.

"Ich finde deine unerschütterliche Geduld sehr bewundernswert", meinte er lächelnd und wippte mit dem Fuß. "Ich bin schließlich oft eine ganz schöne Nervensäge, und dass du es mit mir aushältst, ist krass." Als Nero eine abwertende Handbewegung machte und bescheiden lächelte, grinste er selbst kurz breit. Und unfreiwillig hingerissen. "Außerdem finde ich deinen Style ziemlich cool. Du siehst so erwachsen und schlau in deinen Klamotten aus."

"Ich bin erwachsen und schlau, ich sehe nicht nur so aus", amüsierte Nero sich und brachte damit die ganze Mannschaft zum Lachen, inklusive Tohya. Der aber fühlte sich ein wenig befangen, denn ihm lag noch etwas auf den Lippen, was er an Nero mochte, aber wusste nicht recht, ob er es tatsächlich verraten sollte. Aber dann entschied er sich doch dafür, denn er war schließlich dafür bekannt, mit jenen Zuneigungsbekundungen nicht zu geizen, die den Fans und den Lesern des Magazins sicher gefallen würden.

Als sich alle halbwegs beruhigt hatten, legte er seine Hand auf Neros Arm und schaute ihn so niedlich, wie er nur konnte, an.

"Und ich mag, dass ich mich bei dir immer so geborgen fühle, Nero-chan."

Nun vermochten sich ein paar der anwesenden Damen endgültig nicht mehr zu beherrschen und quiekten hinter vorgehaltener Hand, was der Kuss, den Tohya dem ziemlich selig dreinschauenden Älteren auf die Wange drückte, nur noch weiter anheizte. Aber das kümmerte Tohya nun weniger. Alles, was er deutlich wahrnahm, war Neros Hand, die sich in einer Geste der Zuneigung bekräftigend auf seinen Unterarm legte und ihm verriet, dass es in Ordnung war. Dass Nero ihn auch mochte. Sehr mochte.

Der Moment allerdings konnte natürlich nicht für immer währen, auch wenn Tohya sich das gewünscht hätte. Die Professionalität aller Beteiligten hielt alsbald wieder Einzug, und Nero hob den Zeigefinger, als Tohya gerade neuerlich zu sprechen ansetzen wollte.

"Bevor du irgendetwas sagst, hab ich noch eine Frage an dich", erklärte er und sorgte dafür, dass Tohya ihn ganz erwartungsvoll musterte. "Wie oft warst du bereits verliebt?"

Oh. Nero stellte ihn vor Herausforderungen. Kurz dachte er darüber nach, ob er seine Kindergartenfreundin mitzählen sollte, aber wahrscheinlich vermochten Kinder noch nicht auf diese bestimmte Weise zu empfinden. Auch sie konnten lieben, genauso innig und tief, doch nicht so, wie man einen Partner liebte. Jemanden, mit dem man sein ganzes Leben verbringen wollte.

"Einmal", gab er schließlich preis, was Nero zu seiner Verwunderung einen erstaunten Blick abrang.

"Einmal erst?", wiederholte er ungläubig, woraufhin Tohya nickte.

"Ja", versicherte er. "Ich bin zwar wirklich sehr begeisterungsfähig, aber mit so etwas wie wirklicher Liebe werfe ich trotzdem nicht um mich."

Er hatte gehofft, dass Nero nun wieder etwas zufriedener dreinschauen würde, doch der nachdenkliche Ausdruck seiner Augen blieb bestehen. Sehr lange, so lange, dass Tohya die Stirn runzelte und ins Grübeln geriet. Wieso nahm Nero sich dieses Geständnis derart an? Es brauchte ihn doch überhaupt nicht zu berühren. Aber offenbar tat es das doch. Was Tohya zwar ahnte, aber nicht explizit wusste, war, dass Nero viel daran lag, dass er glücklich war. Dass er alles hatte, was er brauchte. Und dazu gehörte eben auch die Liebe.

Es hatte nur eins, zwei Treffen bedurft, um ihn herausfinden zu lassen, dass Liebe etwas sehr Wichtiges für Tohya darstellte. Er mochte Körperkontakt, und genauso hatte er Komplimente gern, und dies waren auch jene Dinge, die er sehr oft von sich aus gab, viel eher noch und freigiebiger als jeder andere, den Nero bislang kennengelernt hatte. Wenn Tohya jemanden mochte, dann zeigte er dies sehr deutlich. Und dann musste man ihn auch widermögen, sonst brach sein kleines, liebes Herz rasch entzwei. Allerdings stellte es ein Ding des Unmöglichen dar, Tohya nicht gern zu haben. Selbst Nero, der die meisten Jungs mit dieser quirligen, verspielten Art, wie sie auch Tohya zu eigen war, als eher nervig und penetrant empfand, hatte ihn in sein Herz geschlossen. Und das musste einiges heißen. Deswegen verwunderte es Nero so sehr, dass Tohya erst einmal wirklich verliebt gewesen war, ja, es schmerzte ihm gewissermaßen sogar. Tohyas Glück würde doch keine Grenzen mehr kennen, wenn er jemanden an seiner Seite wusste, der ihm ebenfalls das Liebste auf der ganzen Welt war. Und einzig und allein aus diesem Grund setzte Nero sich in den Kopf, dieses Gefühl in Tohya neuerlich zu entfachen. Er mochte sich zwar noch nie als Amor betätigt haben, aber er wollte dennoch sein Bestes versuchen. Denn schließlich wusste er auch schon ganz genau, wer Tohyas perfektes Gegenstück darstellte...

 

*

 

"Ich hab gehört, Tomo soll eine neue Haarfarbe haben", meinte Nero und bemühte sich dabei um bloße Beiläufigkeit, obwohl er seine wachsende Neugierde wohl kaum zu verhehlen mochte, als er zu Tohya hinschaute, der neben ihm lief und keinen blassen Schimmer von dem hatte, was ihn erwartete. Noch wusste er nicht, auf was Nero hinauswollte, weswegen er auch gänzlich unbeschwert mit einem Lächeln antwortete.

"Ja, er hat sie sich ganz schwarz gefärbt", erwiderte er amüsiert. "Nun sieht er fast aus wie ein Teufel. Obwohl, Umi ist ja schon unser Teufel..."

Tohya fühle sich verdammt wohl in seiner Haut und so unbeschwert wie immer, wenn er mit Nero unterwegs war. Er freute sich bereits auf einen gemütlichen Nachmittag im Café, gemeinsam mit seinem mittlerweile besten Freund, der ihm für gewöhnlich nicht nur ein Getränk, sondern auch eine Kugel Eis spendierte. Erdbeere natürlich, da brauchte Nero inzwischen nicht einmal mehr zu fragen. Er kannte Tohyas Wünsche wie seine Westentasche.

"Blond hat ihm aber am besten gestanden", tastete der Ältere sich weiter an sein eigentliches Anliegen heran und beobachtete Tohya unentwegt aus den Augenwinkeln. "Obwohl er eigentlich immer ganz gut aussieht, oder?"

Er ahnte, dass er es falsch angepackt hatte, als er sah, wie Tohya kurz die Augenbrauen hob und ihn irritiert anlächelte. Schließlich boxte der Kleine ihm keck gegen die Schulter.

"Hey, was soll das denn?", wollte Tohya wissen und klang eindeutig amüsiert. "Wirst du mir nun etwa untreu? Lass gefälligst die Finger von Tomo, sonst rede ich nie wieder ein Wort mit dir."

Gespielt eingeschnappt verschränkte er die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. Okay, dieser Versuch Neros, Tohya ein wenig bezüglich seinen etwaigen Gefühlen für Tomo auszuhorchen, war wohl gehörig danebengegangen. Aber es war ja zum Glück noch nicht aller Tage Abend.

"Keine Sorge", beschwichtigte Nero seinen Freund und legte den Arm um ihn, um ihn genauso gespielt aufzuheitern. "Du wirst immer meine Nummer eins bleiben, Tohya. Schließlich kenne ich niemanden, der in einem Schulmädchenkostüm so hinreißend aussieht wie du."

"Perversling", schnaubte Tohya, ehe er den Blick hob und seine Augen Nero förmlich anfunkelten vor Belustigung. Doch Nero glaubte, dass sich auch noch etwas anderes in seine Iriden gemischt hatte, etwas ganz Warmes und Zärtliches, aber wahrscheinlich war das nur das Spiegelbild dessen, was er selbst in diesem Moment empfand wie in unzähligen zuvor.

Er ließ den Perversling tatsächlich auf sich sitzen und drückte Tohya dafür enger an sich, um so mit ihm Seite an Seite in Richtung des Cafés zu schlendern, das ihren Besuch erwartete. Sie mussten wie ein frischverliebtes Paar wirken, aber das taten sie ohnehin oft. Und Nero wahrte den Schein genauso gern wie Tohya, denn schließlich war dies nichts, wofür man sich schämen musste. Tohya war ein toller Kerl in Neros Augen, und für ihn nahm er sogar in Kauf, dass die Leute ihn für schwul hielten. Solche Dinge verloren an Bedeutung, wenn er Tohya im Arm hielt. In solchen Augenblicken zählten ganz andere Sachen. Solche, die sein Herz vor Zuneigung schneller schlagen ließen.

 

Fast bekam Nero ein schlechtes Gewissen, als er Tomo an einem der Tische entdeckte. Ihre Blicke trafen sich, woraufhin der Sänger die Eiskarte sinken ließ, die er gerade noch studiert hatte und Tohya und ihm einen irritierten Blick schenkte. Noch immer klammerte Tohya sich glücklich lachend an den Älteren und schien, als würde er ihn in der nächsten Zeit nicht mehr loslassen wollen, was Tomo einen winzig kleinen Stich ins Herz versetzte. Nero hatte vorgeschützt, sich mit Tomo treffen zu wollen, um etwas bezüglich des neuen Albums mit ihm zu besprechen - ohne Tohya geschweige denn den anderen -, aber im Grunde hatte er dem Unterfangen von Anfang an reichlich skeptisch gegenübergestanden. Schließlich war es eben diese Skepsis gewesen, die ihn dem Treffen hatte zustimmen lassen. Denn wenn irgendjemand ein zwielichtiges Spiel mit Tohya treiben wollte, würde er alles dafür geben, um das Vorhaben desjenigen rechtzeitig zu entlarven und zu verhindern, dass jemand dem Kleinen wehtat. Aber das würde Nero doch nicht tun, oder? Nun, ganz sicher konnte man sich da nie sein...

Auch Tohya erblickte irgendwann durch Zufall seinen Bandkollegen und winkte ihm etwas verdutzt zu, während Nero ihn bereits in seine Richtung zog. Nun gab es für den Älteren kein Zurück mehr. Er wollte wenigstens versuchen, das Feuer zu entfachen, wenn er schon einmal hier war.

"Das ist ja ein Zufall", wunderte Tohya sich, als er den Stuhl Tomo gegenüber zurückzog, um anschließend auf ihm Platz zu nehmen. "Seit wann gehst du denn in Cafés?"

Tomo fing den flehenden Blick auf, den Nero ihm zuwarf, der sich ebenfalls an den Tisch gesetzt hatte und runzelte kurz die Stirn, verriet ihm aber die Wahrheit nicht. Allerdings interessierte ihn nun brennend, was hier gespielt werden sollte. Wieso sollte Tohya nicht wissen, dass er sich hier mit Nero hatte treffen wollen? Wollte der Ältere sie sich etwa beide warmhalten? Also, das hätte der Sänger dem alten Casanova sofort zugetraut. Er hoffte nur, dass er Tohya nicht wirklich irgendwann das Herz brechen würde. Kein Wunder also, dass Tomo ihm ab jetzt mit gewissem Argwohn begegnen würde.

"Ich hatte halt spontan Lust auf einen Eiskaffee", lieferte er die erstbeste Notlüge, die er parat hatte, warf allerdings Nero noch einen scharfen Blick zu, damit dieser sich nicht allzu sehr in Sicherheit wog. Anschließend lächelte er Tohya arglos an. "Und ihr beiden Hübschen? Ihr wolltet doch noch ins Studio."

"Da waren wir auch", erwiderte Nero an Tohyas Stelle und faltete die Hände auf dem Tisch. "Aber ich fand, dass wir uns eine kleine Pause verdient haben."

"Ah ja", befand Tomo mit unverhohlener Skepsis in der Stimme und wirkte abermals kurz besorgt, doch Nero zögerte nicht damit, den Gesprächsfaden neuerlich an sich zu reißen. Denn schließlich befand er sich auf einer Mission.

"Deine neue Haarfarbe steht dir wirklich gut", befand er mit einem schiefen Schmunzeln, wofür Tohya ihm neuerlich einen amüsiert-rügenden Blick zuwarf. "Tohya meinte, du würdest nun wie ein Teufel aussehen. Und er hat recht gehabt. Ich wette, die Kerle werden dir nun scharenweise hinterherlaufen."

Tomos Meinung von Nero wurde immer geringschätziger, schien dieser ihn nun tatsächlich anzuflirten. Was zum Henker sollte das? Es wunderte ihn stark, dass Tohya sich nicht sonderlich viel daraus zu machen schien, sondern im Gegenteil noch am Kichern war. Nahm er diese Dinge denn nicht ernst? Der Kleine war viel zu gutgläubig, ja bisweilen regelrecht naiv. Tomo wusste schon lange, wie sehr Tohya Nero mochte, und er würde darauf Acht geben, dass dieser Kerl ihm nicht das Herz brach. Darauf konnte er Gift nehmen.

"Mir läuft niemand hinterher", erwiderte Tomo trocken, schenkte Tohya anschließend jedoch ein kleines Lächeln, ehe er zurückschoss. "Dafür ist Tohya vor Verehrern kaum mehr sicher, weil er immer so süß lächelt. So wie jetzt auch wieder!"

"Stimmt doch gar nicht!", wehrte Tohya ab, der lauthals lachte und zart rosa schimmernde Wangen bekam. "Du spinnst doch!"

"Das finde ich nicht", kommentierte Nero beharrlich und schaute zwischen Tohya und Tomo hin und her. "Ihr seid beide ganz tolle Kerle, die nebenbei gesagt auch noch ein ganz hübsches Paar abgeben würdet." Er stupste Tohya mit dem Zeigefinger gegen den Arm. "Nicht, Tohya, Tomo ist doch wirklich nicht von schlechten Eltern? Gutaussehend und sehr nett."

Die Verwirrung der beiden Vistlip-Mitglieder kannte mittlerweile keine Grenzen mehr. Selbst Tohya irritierte die Situation zunehmend.

"Auf was willst du hinaus?", hakte er skeptisch nach, und Tomo nickte zustimmend, konnte er sich doch ebenfalls keinen Reim mehr auf Neros Anspielungen machen.

"Och, auf nichts, auf gar nichts." Nero hob abwehrend die Hände und stand dann plötzlich auf, allerdings mit einem breiten Lächeln im Gesicht. "Ich lass euch dann mal allein, nicht?"

Er schimpfte sich einen Vollidioten, als er sich an einen der freien Tische in der Nähe setzte, von wo aus er die beiden zukünftigen Turteltäubchen aus bestens beobachten konnte. Allerdings bezweifelte er arg, dass Tohya dank seiner Hilfe nun Gefühle für einen seiner besten Freunde entwickeln würde. Anstelle nämlich sah dieser kopfschüttelnd und mit einem schiefen Lächeln zu Nero herüber, der nun die Eiskarte aufschlug, um sich hinter dieser zu verstecken. Verdammt, er taugte wirklich überhaupt nicht als Amor. Aber Tohya und Tomo hatten sich auch wenig empfänglich für seine Kuppelversuche gezeigt. Wenn keine guten Voraussetzungen gegeben waren, vermochte auch er auch mittels eines kleinen Schubses in die richtige Richtung nichts auszurichten. Schade.

 

"Der ist ja verrückt", murmelte Tomo und deutete mittels eines Kopfruckens hin zu Nero. "Erst dachte ich, er gräbt mich an, und dann versucht er auf einmal, uns miteinander zu verkuppeln. Den Eindruck hattest du doch auch, oder?"

"Ja", kam es von Tohya, welcher jedoch inzwischen gedankenverloren in seinem Eiskaffee herumrührte. Es gefiel ihm nicht so recht, dass Nero ihm Tomo hatte schmackhaft machen wollen. Schließlich zeigte dies nur, dass er selbst nicht dasselbe für Tohya empfand wie dieser für ihn...

"Ach, Tohya-kun." Tomo seufzte nun laut, und als Tohya den Blick hob, sah er in dessen vorwurfsvolles Gesicht. "Du hast ihm also immer noch nichts gesagt. Wie lange soll das eigentlich noch so gehen? Das kann sich ja keiner mit ansehen."

"Du hast gut reden", entgegnete Tohya so betrübt wie er es selten war. "Nero will mich nie und nimmer. Ich weiß zwar, dass er mich mag, aber...nicht so." Wehmütig ließ er seinen Blick hin zu dem anderen schweifen und sah rasch weg, als Nero ihn auffing. "Er steht mehr auf solche wie...Asanao."

"Asanao?" Ein Grinsen huschte über Tomos Gesicht. "Sorry, das glaub ich nun wirklich nicht..."

"Doch." Tohya wirkte sich seiner Sache sehr sicher. "Er hat ihn sogar schon auf den Mund geküsst. Was er mit mir nie macht."

Tomo rollte mit den Augen.

"Mann, du solltest euch mal zusammen sehen!", stöhnte er. "Er schmachtet dich ganz genauso an wie du ihn. Und manchmal dachte ich echt schon, er würde dich am liebsten küssen wollen, aber traut sich nur nicht."

Tohya rümpfte skeptisch die Nase.

"Ich weiß nicht..."

"Ja, und genau das ist das Problem", nannte Tomo die Sache beim Namen. "Ihr wisst nicht, was der jeweils andere fühlt. Weil keiner es wagt, den Mund aufzumachen und Klartext zu reden."

"Ist ja auch schwer." Nero vom Nebentisch lächelte ihn ermutigend an, aber Tohya vermochte nicht zurückzulächeln. "Wenn er mir einen Korb gibt, bin ich ihn als Kumpel auch gleich noch mit los."

"Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", gab Tomo einer seiner Weisheiten zum Besten, ehe er sich zu Tohya vorlehnte und ihm fest in die Augen sah. "Weißt du was, Kleiner? Ich werde die Sache ab jetzt in die Hand nehmen. Aber du musst mitmachen, ja?"

Tohya schien diese Aussicht nicht zu behagen, aber Tomo legte die Hand bekräftigend auf seinen Arm.

"Vertrau mir. Ich würde so etwas nicht tun, wenn ich mir nicht ganz sicher wäre, dass ihr beide nicht nur einen kleinen aber feinen Tritt in den Hintern brauchen würdet."

Noch immer zweifelte Tohya an Tomos fixer Idee, aber als er abermals sehnsüchtig hin zu Nero linste, der gerade seinen Eiskaffee mit einem Lächeln entgegennahm, das er der Kellnerin schenkte, erklärte er sich bereit, den Versuch zu wagen. Denn er spürte, dass er Nero für sich gewinnen wollte. Kostete es, was es wollte. Für das Liebste auf der ganzen Welt war er bereit, jeden Preis zu zahlen. Und mit Tomos Hilfe würde das Unterfangen sicher glücken. Er musste optimistisch bleiben, so wie sonst auch immer. Aber wenn es um die Liebe ging, war er einfach nicht der Alte. Manchmal erkannte er sich selbst nicht wieder, seit er Nero kannte. Im Schlechten, aber natürlich auch im Guten.

 

*

 

Tomo hielt sich für ein gewieftes Genie, als er schließlich neben Nero auf dem Beifahrersitz hockte und sich zu dem vermeintlichen Date mit Tohya chauffieren ließ. Es war von Vorteil gewesen, dass Tohya wusste, dass Nero über einen Führerschein sowie ein Auto verfügte, denn so ließ sich sein Plan perfekt in die Tat umsetzen. Ja, er war eben brillant. Der brillante Tomo.

"Schön, dass ihr beide euch so gut versteht", meinte Nero irgendwann, als er an einer Kreuzung abbog. "Ich habe mir gleich gedacht, dass es zwischen euch irgendwann funken würde. Früher oder später..."

"Ja." Ein Schmunzeln breitete sich auf Tomos Gesicht aus, welches jedoch weitaus andere Ursachen hatte als Nero annahm. "Tohya ist eben wirklich etwas ganz Besonderes."

"Oh ja, das ist er."

Tomo musste sich zusammennehmen, um nicht förmlich wissend zu grinsen, als Nero ihm nicht nur zustimme, sondern anschließend sogar träumerisch seufze. Scheiße, war der verknallt. Dass Tohya und er sich so schwer taten, konnte er nicht verstehen. Es war so offensichtlich, dass sie ineinander verschossen waren. Aber Liebe machte ja bekanntlich blind, und vielleicht sahen sie ja deshalb nicht, was der eine vom anderen dachte.

"Was bringst du ihm eigentlich mit?"

Neros Frage riss Tomo aus seinen Gedanken.

"Äh", eierte er herum und merkte nun, dass er im Grunde nichts bei sich führte außer seinem Wohnungsschlüssel und seiner Brieftasche. "Ich...muss ihm was schenken?"

"Du kannst unmöglich mit leeren Händen bei ihm aufkreuzen!", entrüstete Nero sich und schnaubte, als er an einer Ampel hielt. "Was bist du denn für ein Gentleman?"

"Ich dachte, weil Tohya ja kein Mädchen ist...", setzte Tomo an, verstummte aber und begann einen neuen Gesprächsfaden, da er eine Chance witterte. Nero erwies sich als fabelhafter Protagonist in jener Liebesgeschichte, die er zu schreiben begonnen hatte. "Was soll ich ihm denn deiner Meinung nach schenken?"

"Ganz klassisch Blumen", riet Nero ihm ohne nachzudenken. Wenig später schon hielt er direkt vor einem Blumenladen und winkte Tomo heraus, nachdem er den Wagen geparkt hatte.

Eine Weile standen sie vor den vielen bunten Sträußen, die das Geschäft anbot. Die Auswahl schien schier riesig zu sein, und Tomo, der nicht gerade viel Ahnung davon hatte, was man einem Angebeteten zu einem Date schenkte, zeigte sich reichlich ratlos. Er selbst machte sich zugegeben nicht sehr viel aus Blumen, und sicherlich tat dies Tohya auch nicht, aber das hier war schließlich Neros Date, beziehungsweise würde sich zu einem solchen entwickeln, und deswegen überließ er die Entscheidung ganz ihm.

"Was meint du, welche werden ihm gefallen?", suchte er Rat bei Nero, der ebenfalls die vielen bunten Sträuße beäugte. Auf Tomos Frage hin jedoch beugte er sich zu den roten Rosen hinab und zog ein paar - zwei an der Zahl - aus der Vase.

"Nichts symbolisiert die Liebe so eindeutig wie eine Rose", urteilte er, während er die Blumen betrachtete. "Und zwei davon symbolisieren ein Liebespaar. Ich würde ihm ja am liebsten Kirschblüten schenken, weil sie genauso besonders und schön sind wie er, aber die Rosen hier werden ihm auch gefallen."

Tomo beobachtete den anderen Mann dabei, wie er vollkommen in seinen Gedanken versunken mit dem Zeigefinger über die zarten Blüten strich, so zärtlich, als handelte es sich dabei um Tohyas Gesicht.

Tomo vermochte sie förmlich zu hören, die Bassgeigen, die den ganzen Himmel schmückten und die Melodie der Liebe spielten. Es wurde Zeit, dass er Nero endlich zu dem wartenden Tohya verfrachtete und den Sehnsüchteleien ein für alle Mal ein Ende setzte. Ansonsten lief er Gefahr, in all dem Kitsch zu ertrinken. Romantikkram stellte nicht gerade seine Vorliebe dar, aber für Tohya tat er sich das Ganze gern an. Schon bald würde der Kleine auf Wolke sieben schweben, und das war es wert. Er war nur noch einen winzigen Schritt weit von seinem Ziel entfernt, das wusste er, wann immer er Neros schmachtenden Blick sah, der nur zu deutlich verriet, an was er tagein, tagaus dachte.

Tohya, Tohya und nochmals Tohya.

 

*

 

Schließlich parkte Nero das Auto in einer Parklücke direkt vor dem Haus, in dem Tohya wohnte.

"Viel Glück", wünschte er Tomo, doch dieser machte ein unsicheres Gesicht und beäugte die Rosen in seinen Händen reichlich skeptisch, während er keinerlei Anstalten machte, auszusteigen. Was Nero natürlich seltsam vorkam. "Stimmt irgendwas nicht?"

"Ich..." Tomo seufzte und warf Nero einen bittenden Blick zu. "Ich glaube, ich traue mich nicht alleine dort hoch. Kommst du noch mit an die Tür?"

Nero wirkte im ersten Moment ratlos, aber Tomo war bekanntermaßen ein Überzeugungstalent.

"Komm schon, ein wenig seelischer Beistand würde mir guttun", versuchte er Nero zu überreden. "Du willst doch schließlich auch, dass Tohya glücklich ist, nicht wahr?"

"Natürlich."

Damit hatte er ihn, und das hatte Tomo geahnt. Er stieg sogar schneller aus als er selbst, wartete dann aber gnädig draußen auf ihn und schlenderte schließlich an seiner Seite auf das Haus zu. Währenddessen musste Tomo anerkennen, wie uneigennützig Nero sein konnte. Er unterdrückte seine eigene Eifersucht, nur um Tohya das Glück zu schenken, was er seiner Meinung nach verdiente. Er hätte ihn an der Seite eines anderen akzeptiert, auch wenn er ihn im Grunde seines Herzens ganz für sich allein wollte. Tomo wusste zwar nicht sonderlich viel von der Liebe, aber das musste sie sein, und zwar in Reinform. Inzwischen hatte selbst er eingesehen, dass Nero der Richtige für Tohya war. Dass es niemanden gab, der Tohya so glücklich machen konnte wie Nero.

 

"Na dann...", setzte Nero an, als sie schließlich vor Tohyas Wohnungstür standen und Tomo nur noch ein Klingeln weit entfernt von seinem Date war.

Der Ältere wollte sich gerade zum Gehen wenden, da er ja seine Aufgabe erfüllt hatte, doch Tomo packte ihn am Ärmel seines Hemdes und hielt ihn auf.

"Warte", meinte er, und just in diesem Moment tat sich die Wohnungstür auf und ein neugieriger Tohya steckte den Kopf heraus.

Noch ehe irgendjemand etwas zu sagen in der Lage war, drückte Tomo Nero die zwei roten Rosen in die Hand und stürmte anschließend mit einem fröhlichen Gruß und einem geflöteten 'Viel Spaß!' die Treppe hinunter.

Und so stand der verdatterte Nero also auf Tohyas Matte, mit zwei Rosen in der Hand und einem entschuldigenden Lächeln im Gesicht.

"Mh, Tomo hat offensichtlich kalte Füße bekommen", brummte er, obwohl er selbst wusste, dass er Mist redete. Aber sein Hirn wollte einfach nicht mehr so wie er, blockierte ihm sein beschleunigter Herzschlag doch seine Fähigkeit, rational zu denken. Denn verdammt, er stand Tohya gegenüber, der ihn aus ganz großen, schönen Augen anschaute, in denen sich die Liebe spiegelte wie die Reflektion eines hellen Sterns in einem nächtlichen See. Und trotzdem konnte er noch immer nicht wahrhaben, dass Tohya nun tatsächlich eine seiner Hände von den beiden Rosen löste und ihn in die Wohnung zog. Tausende Zweifel rauschten durch seinen Kopf, als er über die Schwelle trat.

Nein, Tohya konnte ihn nicht lieben. Nicht so. Er war doch viel zu alt für ihn, und sie waren doch so grundverschieden. Natürlich, sie verstanden sich gut, sie hatten viel Spaß zusammen, aber deswegen musste Tohya ihn ja nicht zwangsläufig lieben.

Aber dann fand er sich plötzlich in einem abgedunkelten Wohnzimmer wieder, in welchem Kerzen die einzigen Lichtquellen darstellten. Ein paar zierten die niedrigen Regale, und eine weitere befand sich auf dem Tisch, zwischen den beiden bereitstehenden Tellern. Im Hintergrund spielte leise Musik, aber diese verschwamm alsbald inmitten der zahlreichen Eindrücke, von denen der bedeutendste Tohyas Anblick war. Der Kleine stand ihm nun direkt gegenüber und hielt noch immer etwas unsicher seine Hand. Nero stellte fest, dass sie genauso feucht war wie seine.

"Nero", setzte er mit leicht bebender Stimme an. Das Licht der Kerzen flackerte bedeutungsschwer in seinen Augen. "Erinnerst du dich noch daran, was ich geantwortet habe, als du mich gefragt hast, wie oft ich bereits verliebt war?"

"Ja", gab Nero zu, denn daran erinnerte er sich noch genau, wie an alles andere, was er von Tohya wusste. Wie an so ziemlich jedes Wort, das je die Lippen des Kleinen verlassen hatte. "Du warst bisher nur einmal wirklich verliebt."

"Richtig." Tohya nickte, und das Licht in seinen Augen schien nun noch heller zu strahlen als zuvor, doch es war nicht mehr nur das Licht der Kerzen. Dieses Licht hier kam von innen. Aus seiner Seele. "Und zwar in dich."

Es war, als wäre eine große Last in diesem Moment von ihren beiden Herzen abgefallen. Diese Worten hatten genügt, um die Ungewissheit ein für alle Mal zu beseitigen.

Die Rosen noch in der Hand haltend schlang Nero die Arme um Tohya, der sich mit geschlossenen Augen an ihm klammerte und das Gefühl genoss, endlich das gefunden zu haben, nach was er so lange gesucht hatte.

Wenn es zu jedem Puzzlestück nur ein zweites gab, das zu ihm passte, dann war Nero dieses Puzzlestück für Tohya. Und nun, wo sie sich zusammengefügt hatten, ergaben sie ein untrennbares Ganzes. Ein Bild, gezeichnet aus der wahren Liebe.

 

Pikaboy

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Tokyo Chaos

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Von:  Shirokura
2017-08-12T19:02:13+00:00 12.08.2017 21:02
Hey Serpa,
ich will jetzt nicht allzu sehr ins Detail gehen, weil der Inhalt explizit ist, aaaaber unkommentiert kann ich das jetzt auch nicht vorbei ziehen lassen!

Ich mag, wie immer, die Dynamik zwischen Nero und Tohya. Es ist witzig, wie zickig sie werden, wenn sie spitz sind. Herrlich.
Aber als dann die Tür aufgeht und ein weiteres OTP die Räumlichkeiten zur Stillung ihrer Bedürfnisse nutzen will, bin ich fast vom Sofa gefallen vor Begeisterung.
Chapeau! Sehr, sehr gut gemacht!

LG
Shirokura
Von:  Shirokura
2017-05-13T14:14:29+00:00 13.05.2017 16:14
Hey Serpa,
ich muss jetzt einfach mal n Kommentar da lassen, da meine Reviews an anderer Stelle ja mit der Story zusammen weggesperrt wurden. =(
Aber ich will einfach öffentlich loben, weil ich ich die beiden so süß finde! Ich sehe ein Foto oder Video von ihnen und will sie mit Konfetti bewerfen, weil sie so hinreißend zusammen sind.

Besonders die fluffigen Kapitel haben es mir furchtbar angetan! (Ich weiß gar nicht mehr, wie weit ich das alles damals kommentiert hab, also werd ich hier einfach mal alles los, was mir gerade durch den Kopf schießt.)

Das du gleich im ersten Kapitel Minpha untergebracht hast, macht mich ja fast neidisch. Ich suche schon die ganze Zeit nach ner Möglichkeit, ihn irgendwo einzubauen, ohne, dass es ein Drama von epischer Breite wird. (Weil davon hab ich ja inzwischen genug angefangen. xD) Das Kapitel ist derart süß, ich könnte es tausendmal lesen. Mein Lieblingssatz: "Die Cam durfte derweil eine wohlverdiente Pause einlegen, denn auch, wenn sie es vermochte, perfekte Momente und Schönheit für die Ewigkeit festzuhalten, so war sie doch nicht in dem Maße in der Lage, diese so gebührend zu würdigen wie es nur jemand tun konnte, der zu Gefühlen imstande war." *schmelz*

Kapitel drei zerreißt mir immer noch das Herz. Es ist so traurig. :´( Armer Tohya. Zum Glück hat Nero ihn nicht damit durchkommen lassen, sonst hätte ich bestimmt geweint. ;-)
Bei der "Nicht so?"-Stelle bin ich immer noch total ergriffen, obwohl ich ja weiß, was passiert. <3

Tja... Sekkusukuma ist schon ziemlich abgedreht. Wusstest du, dass es von Vistlip einen Song namens Dr.Teddy gibt? Ich schäme mich jetzt immer ein wenig, wenn ich ihn höre. xDD

Aber kommen wir endlich zu Puzzle Pieces! Ich liebe das Kapitel und muss die ganze Zeit lächeln, wenn ich es lese. *-*

"Aber natürlich war dies alles nur Spaß, egal, wie viele Mädchen bereits gemutmaßt hatten, dass es sich bei den beiden in Wirklichkeit um ein Paar handelte."
*hüstelnd wegschlender und dabei unschuldig schau* Wen meinst du nur damit? ;-)

"Die Fragen für das Interview sollten nicht von einem Mitarbeiter des Magazins kommen, sondern von den Befragten selbst."
Was für eine süße Idee. =)

"Irgendetwas schien von ihnen auszugehen, das die Menschen berührte."
Oh ja. *kämpft schon wieder den Zwang nieder, mit Herzchenkonfetti zu werfen*
Ich könnte echt jeden zweiten Satz hier hin kopieren und rum-awwww-en, aber das wäre dann wohl doch zu viel des Guten. xD

"Es schien so klar und greifbar, aber doch wagte er es nicht, die Hand danach auszustrecken."
Hach. Es ist so ein schöner Satz. Ich glaube, es ist mein Lieblingssatz in dem Kapitel.

""Ich bin erwachsen und schlau, ich sehe nicht nur so aus", amüsierte Nero sich"
An der Stelle muss ich immer lachen. Ich finde Nero großartig. =)

"Alles, was er deutlich wahrnahm, war Neros Hand, die sich in einer Geste der Zuneigung bekräftigend auf seinen Unterarm legte und ihm verriet, dass es in Ordnung war. Dass Nero ihn auch mochte. Sehr mochte."
*quietscht* Es ist so schön, wie du das Vertraute zwischen den beiden hervorhebst.

"Denn schließlich wusste er auch schon ganz genau, wer Tohyas perfektes Gegenstück darstellte..."
Es ist so niedlich, ihn dabei zu beobachten, wie unglaublich falsch er liegt und wie großherzig er ist, sein Schätzchen Tomo überlassen zu wollen. Hab ich schon gesagt, das Kapitel liebe? Egal. Ich liebe es.

"Schließlich kenne ich niemanden, der in einem Schulmädchenkostüm so hinreißend aussieht wie du."
Da hat er wohl noch nicht Chiaki gesehen. *hüstel*

"Tomos Meinung von Nero wurde immer geringschätziger, schien dieser ihn nun tatsächlich anzuflirten."
Ich finde es so lustig, wie sie sich alle missverstehen. Großartig. Und wie Tohya immer rot wird. *-*

"Ich würde ihm ja am liebsten Kirschblüten schenken, weil sie genauso besonders und schön sind wie er, aber die Rosen hier werden ihm auch gefallen."
Bei der Stelle kipp breche ich immer noch fast zusammen vor Überzuckerung, obwohl ich es schon mal gelesen hab. Es ist aber auch zu süß!

"Du willst doch schließlich auch, dass Tohya glücklich ist, nicht wahr?"
Jaja. Der brillante Tomo. xDD

"Mh, Tomo hat offensichtlich kalte Füße bekommen", brummte er, obwohl er selbst wusste, dass er Mist redete."
Das ist so süß! Er ist so ein Idiot!

"Und zwar in dich."
Kein Scheiß, mir quillt fast das Herz über an der Stelle. Es ist so verdammt hinreißend. Und der Schlußsatz! <3

Vielen Dank für das wirklich bezaubernde Kapitel, dass mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert und so fluffig ist, dass ich es wohl noch tausend Mal lesen werde! Und jetzt schwebe ich davon.

LG
Shirokura


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