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Ratschläge sind auch nur Schläge (Arbeitstitel)

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Prolog

Desinteressiert liegt mein Blick auf dem Fenster und gibt den Blick auf die Straße frei. Sachte wehen die wenigen Bäume im Wind, die zu sehen sind und auf dem Fußweg gepflanzt wurden. Kaum eine Menschenseele ist hier unterwegs, da ich mich in einer Gegend befinde, in der es eher ruhig von statten geht.

Nur mit halbem Ohr lausche ich dem Gerede des Lehrers, der versucht uns zu erklären, wie ein Motor funktioniert, als ob ich das nicht schon längst wüsste. Wahrscheinlich weiß ich sogar mehr über Motoren als unser Physiklehrer. Doch das ist auch kein Wunder, immerhin arbeite ich fast alle zwei Wochen in der Werkstatt eines Bekannten, der sich dort darum kümmert, das die Motorräder der leidenschaftlichen Harleyfahrer auch weiterhin funktionieren oder eben wieder.

Ein müdes Gähnen hinter meiner Hand versteckend, sehe ich auf die Uhr, die über der Tür hängt und mir zeigt, dass ich nur noch fünf Minuten hier ausharren muss, ehe ich entlassen bin. Besser gelaunt fange ich schon mal leise an, meine Tasche zu packen, damit ich nach dem Klingeln schnellstmöglich den stickigen Raum verlassen kann, in welchem die Luft gerade zu steht.

Aber das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass unser Lehrer uns verboten hat, die Fenster zu öffnen und das, obwohl es draußen schon mindestens 20 Grad sind. Etwas zu warmes Wetter für den Mai, doch ich will mich nun wirklich nicht darüber beschweren.

Gerade, als ich den Reißverschluss meines Rucksacks geschlossen habe, ertönt die Schulglocke und kündigt das Ende des Schultages an. Noch während der Lehrer uns unsere Hausaufgaben fürs Wochenende aufgibt, stehe ich auf und marschiere einfach zur Tür. Dabei ignoriere ich gekonnt den genervten Blick meines Lehrkörpers, der jedoch schon vor einem Jahr damit aufgehört hat, mir diese Angewohnheit abzugewöhnen. Was bringt es ihm auch, mir jedes Mal Nachsitzen auf Auge zu drücken, wenn ich es beim Nächsten Mal doch wieder mache. Außerdem geht dabei ja auch ein Teil seiner eigenen Freizeit verloren, da er mich ja in dieser Zeit beaufsichtigen muss.

Auf dem Flur, der schon ziemlich mitgenommen von der Zeit aussieht, herrscht bereits reges Treiben und von überall her dringen laute Stimmen und Lachen an meine Ohren. Hier und dort rempeln die jüngeren Schüler sich gegenseitig um, um schneller hier heraus zu kommen. Dabei achten sie jedoch kaum auf ihre Umgebung, weswegen auch die Älteren des Öfteren einen Ellenbogen oder einen Rucksack abgekommen.

Nur um mich machen die fünft bis zehnt Klässler einen großen Bogen, was mir mal wieder ein spöttisches Grinsen auf die Lippen zaubert, das von einem hämischen Unterton begleitet wird, als ich daran denke, warum das so ist. Es ist noch kein halbes Jahr her, als ich das erste und das letzte Mal angerempelt wurde. Der Junge, der das Pech hatte, mir seinen Ellenbogen in den Bauch zu rammen und mir auch noch auf den Fuß zu treten, tut mir schon fast leid.

Erst war es ja eher harmlos, da ich ihn nur, an seiner Kapuze gepackt, festgehalten und darauf angesprochen habe was das soll. Aber das Bürschen hatte seinen Fehler leider nicht eingesehen, ganz im Gegenteil.

Statt sich einfach zu entschuldigen oder ähnliches, wurde er auch noch frech und meinte das er mich anpampen und sogar beleidigen dürfte. Dadurch ist bei mir eben einfach eine Sicherung durchgebrannt, weswegen ich ihm meine Faust ins Gesicht gerammt und ihn angebrüllt habe, das er nicht so mit mir sprechen solle, außer er könne die Antwort darauf ertragen. Die Antwort darauf, also meine Faust, die Bekanntschaft mit seiner Nase gemacht hat, hat er vielleicht ertragen, aber ein gebrochenes Nasenbein hat er trotzdem davon getragen.

Ich weiß wohl sehr gut, dass diese Reaktion übertrieben war und darum habe ich die Strafe, eine Woche Suspendierung und danach Küchendienst, auch wortlos hingenommen. Aber wer reagiert nicht manchmal über, wenn er eine beschissene Woche hinter sich hatte. Also ich kenne kaum jemanden, der sowas außen vor lassen kann.

Jedenfalls ist das der Grund, warum sich keiner der jüngeren Schüler mehr in meine Nähe traut. Diese Geschichte hat sich innerhalb kürzester Zeit herumgesprochen und als ich nach meiner kurzen Auszeit zurück zur Schule kam, hatte ich mehr Ruhe vor den Anderen als jemals zuvor. Also hatte das ganze auch etwas Gutes, wie ich finde.

Noch während ich das Schultor passiere, krame ich mir eine Zigarette aus der Tasche meiner Lederjacke und stecke sie mir an, während ich den Weg zur Bushaltestelle einschlage. Etliche Schüler und auch ein paar Lehrer stehen schon davor und warten darauf, dass das Gefährt auftaucht.

Die Zigarette im Mundwinkel, kämpfe ich mich durch die Massen um zu schauen wann mein Bus fährt. Wobei, kämpfen ist wohl das falsche Wort, da die Leute freiwillig Platz machen, um mich vorbei zu lassen.

Zehn Minuten noch, viel zu lange.

Seufzend nehme ich den Glimmstängel in die Hand und blase den Rauch aus, ehe ich kehrt mache und den Weg zu Fuß antrete. Eigentlich ist es sinnlos, mit dem Bus zu fahren, da man selbst zu Fuß nur zehn Minuten braucht, aber manchmal, wenn alles passt, fahre ich lieber. Ist eben doch schneller und auch gemütlicher.

So vor mich hin grübelnd, schlendre ich durch die Straßen und halte nach kurzem auf die Tür eines Wohnhauses zu, welche mich direkt zu meinem besten Freund führt. Mühelos schiebe ich die Haustür einfach auf, bei der das Schloss schon seit Jahren den Dienst versagt und erklimme die paar Stufen zur ersten Etage.

Noch ehe ich klopfen kann, reißt Marcos die Tür auf und drückt mich überschwänglich an sich. „Ja, ja, ich freue mich auch dich zu sehen“, brumme ich in den dunkelblonden Haarschopf, der sich mir ins Gesicht drückt, während ich ihm ein paar Mal locker auf den Rücken klopfe. Breit grinsend löst er sich schließlich von mir und zieht mich einfach in die Wohnung.

„Ich muss mich schnell noch umziehen und dann gehen wir für später einkaufen. Jo kommt in einer Stunde her. Sie meinte sie müsste nach der Schule noch schnell ihre Ratten sauber machen“, rattert Marcos gut gelaunt, wie eh und je, herunter und flitzt, gefolgt von mir in sein Zimmer.

Während der Blonde in dem hellbraunen Doppeltürschrank nach Klamotten sucht, werfe ich einen Blick auf die Uhr und versuche zu überschlagen, wann Johana oder auch Jo, wohl ungefähr hier sein dürfte. Denn die Gute sagt zwar immer, das sie dann und wann da sein würde, doch meist verspätet sie sich um 20-30 Minuten. Doch daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt, weswegen wir meistens auch erst etwas später zu dem jeweiligen Treffpunkt aufbrechen.

Heute jedoch ist das nicht notwendig, da wir einen gemütlichen Nachmittag bei Marcos verbringen wollten. Denn leider hat der Gute heute Abend noch irgendwas vor, keine Ahnung was, das wollte er mir nicht sagen. Aber das ist in Ordnung mir ist nämlich bewusst, dass er außer mir und Jo noch etliche andere Freunde hat. Bei einer Frohnatur wie ihm, ist das kein Wunder.

„Wie sehe ich aus?“ Reißt mich die Stimme meines besten Freundes aus den Gedanken und erst jetzt sehe ich wieder zu ihm auf. Wie so oft trägt er abgelatschte Chucks, in Kombination mit einer ausgeblichenen, grauen Jeans und einem neuwertigen, roten T-Shirt mit V Ausschnitt. „Gut, wie immer“, grinse ich ihm zu, ehe ich mich von seinem Bett erhebe, auf welches ich mich gesetzt habe, „dann können wir ja los.“

Zustimmend nickt der Blondschopf und schnappt sich seinen Schlüssel vom Schreibtisch, ehe wir beide die Wohnung wieder verlassen, wobei er seinen Eltern noch ein „Bis gleich“ zu ruft. „Wie läuft´s eigentlich so in der Schule, Akela? Macht Frau Scholz dir immer noch die Hölle heiß?“

Ohne Marcos anzusehen, weiß ich, dass er von einem, zum anderen Ohr belustigt grinst, da ich es aus seiner Stimme deutlich herausgehört habe. Missmutig verziehe ich mein Gesicht bei dem Gedanken an meine Geschichtslehrerin und seufze schwer.

„Sie ist immer noch so ein Hausdrache wie zu dem Zeitpunkt, als du die Schule verlassen hast. Es vergeht kein Tag, an dem ich bei ihr Unterricht habe, an dem sie mir keine Extraaufgabe mit nach Hause aufgibt. Und das nur weil sie der Meinung ist, ich würde nicht genug aufpassen.“ Meine Worte bringen den Blonden dazu, lauthals zu lachen, was ich mit einem bösen Blick quittiere, wie eigentlich immer, wenn wir auf dieses Thema kommen.

„Ja Frau Scholz hat wirklich einen Narren an dir gefressen.“ Noch immer lachend, klopft er mir aufmuntert auf die Schulter, während wir den kleinen Supermarkt betreten. Planlos laufen wir einmal durch den kompletten Laden und sehen uns um, ehe wir bei der zweiten Runde alles holen was wir brauchen könnten und was uns eben so ins Auge gestochen ist.

An der Kasse legen wir dann schließlich zwei verschiedene Chipstüten, eine Packung fertiges Popcorn, eine Schachtel mit drei Salami Pizzen, zwei Flaschen Cola und ähnliches aufs Band, was wir so in den nächsten Stunden gebrauchen könnten. Der Mann hinter der Kasse, ein dickliches, kleines Kerlchen, mit fettigem Haar, zieht lustlos unsere Waren über den Scanner, ehe er uns monoton den Preis nennt, den wir unter uns aufteilen.

Vollgepackt mit unserem Einkauf machen wir uns also auf den Weg zurück, während ich einhändig versuche, mir eine Zigarette anzustecken. Leichter gesagt als getan, bei dem Wind. „Wie sieht´s eigentlich bei dir in Sachen Männer aus?“ richte ich mich schließlich wieder an den Blonden, der gemütlich neben mir her schlendert, sein allseits bekanntes Grinsen auf den Lippen.

Seine grün-braunen Augen richten sich auf mich, die in mir häufig den Anschein erwecken, als führten sie ein eigen Leben, so wie sie manchmal vor Lebensfreude strahlen. „So wie immer eigentlich, sie lieben mich und ich sie, aber eben nur für ein oder auch zwei Nächte.“ Um seine Aussage zu bekräftigen zuckt er unbekümmert mit den Schultern und zwinkert mir zu, was mir ein Grinsen abringt.

„Wir zwei sind auch unverbesserlich. Nur gut das du Schwul bist und ich nicht, sonst wären wir uns wohl schon des Öfteren gegenseitig in die Quere gekommen.“ „Da hast du wohl Recht, darum bleib du schön bei deinen Frauen, dann bleiben mehr heiße Typen für mich übrig.“

Den restlichen Weg feixen wir so rum und tauschen uns darüber aus, was so alles in der letzten Woche passiert ist, auch noch, als wir schon wieder bei ihm zu Hause angekommen sind. Gemeinsam bringen wir die Sachen in die Küche, um die zwei Tüten auszupacken, während ich erneut einen prüfenden Blick auf die Uhr werfe. Wir haben länger fürs einkaufen gebraucht, als ich erwartet hätte, denn der Uhrzeit nach zu urteilen, dürfte Jo demnächst hier auflaufen, wo bei ich ihre typische Verspätungszeit schon oben drauf gerechnet habe. Und tatsächlich, kaum habe ich diesen Gedanken beendet, klingelt es auch schon an der Tür.

Grinsend verschwindet Marcos im Flur, um ihr zu öffnen, wobei ich in der Küche bleibe, um schon einmal eine der Pizzen in den Ofen zu schieben.

Zwei Filme, etliche Gläser Cola und Chipstüten später, ist es bereits 21 Uhr und wir machen uns gerade daran, das Chaos zu beseitigen, das wir angerichtet haben. „Warum willst du uns eigentlich nicht sagen, was du heute vorhast, Marcos?“ Diese Frage kam von Jo, welche sie nun schon zum gefühlten hundertsten Mal gestellt hat. Mit durchdringendem Blick fixiert sie unseren schwulen Kumpel, ohne damit aufzuhören, den Müll einzusammeln.

„Weil es ebenso ist, finde dich damit ab.“ Auch dieser Satz wurde in den letzten Stunden so oft wiederholt, das ich mich frage, ob die beiden zwei defekte Schallplatten wären, die ein und das selbe in dauerschleife immer wieder abspielen.

Mit einem Kopfschütteln bemerke ich, wie das ausgeflippte Weibchen in unserer Runde die Unterlippe schmollend vorschiebt und verziehe mich lieber schnell, bepackt mit dem Geschirr in die Küche.

Auf eine schmollende Jo kann ich heute gut und gerne verzichten, denn sie kann dann ganz schön penetrant werden. Als ich die Sachen schließlich im Geschirrspüler verstaut habe, schlüpfe ich in meine Springerstiefel, die ich feinsäuberlich im Flur abgestellt habe und ziehe mir meine Lederjacke über. Ohne die Schuhe zu schnüren, betrete ich wieder Marcos Zimmer und klopfe ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Ich wünsche dir einen schönen Abend, Großer und falls sich deine Pläne doch noch ändern, dann ruf mich einfach an“, grinse ich ihm entgegen und habe ihn kurz darauf wieder am Hals kleben. „Danke den wünsche ich auch.“

Die gleiche Prozedur wiederhole ich bei Johana, wobei mir diese einen Kuss auf die Wange drückt, ehe ich mir meinen Rucksack schnappe und die Wohnung verlasse. Draußen stehe ich einige Momente planlos herum, da ich vorerst nichts mit mir anzufangen weiß. Normalerweise verbringen wir drei jedes Wochenende miteinander, weswegen es seltsam ist, einmal nichts mit ihnen vorzuhaben.

Natürlich kommt es des Öfteren vor, das Marcos etwas anderes macht, ohne mich, doch an diesen Tagen machen dann eben Johana und ich uns einen netten Abend. Aber da sie seit einigen Wochen einen Freund hat, fällt das auch ins Wasser.

Überlegend kratze ich mir über das kurzgeschorene Haar meiner linken Kopfhälfte, ehe ich einfach drauflosstapfe und mir nebenbei eine Zigarette anstecke. Kaum ein Geräusch ist zuhören, das die abendliche Ruhe stören könnte, wenn man einmal von den dumpfen Lauten absieht, die meine Stiefel bei jedem Schritt verursachen. Nur mäßig weht der Wind durch die Straßen und lässt die frischen Blätter der Bäume, ebenso wie meine Haare tanzen.

Ohne wirklich zu wissen warum, steuere ich den Weg zu mir nach Hause an, was mir erst nach einer halben Stunde klar wird, als ich vor der Tür stehe. Wie so oft, sehe ich an dem Gebäude hinauf und erspähe die Fenster, die zu unserer Wohnung gehören, um zu sehen ob dort noch Licht brennt: Bedauerlicherweise ja. Mir wäre es lieber, wenn meine Mutter und ihr Anhang schon schlafen würden.

Da es mich nicht weiter bringt, länger hier draußen zu stehen, öffne ich das kleine Tor, das zum Innenhof führt und schließlich auch die Haustür. Lustlos folge ich der Treppe nach oben und betrete kurz darauf die Wohnung. Leise Stimmen und flackerndes Licht zeigen mir, dass meine Mutter mal wieder mit ihrem Mann einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher verbringt.

So leise wie es mir möglich ist, schließe ich die Tür und wollte gerade unbemerkt in mein Zimmer treten, als eine Tür links von mir geräuschvoll geöffnet wird. Sofort erblicke ich meine Stiefschwester, Sinja, die mich mit einem seltsamen, schiefen Grinsen mustert, das sie immer aufsetzt, wenn sie etwas ausheckt.

Noch bevor ich ihr eine Warnung zuraunen kann, dass sie die Klappe halten soll, flötet sie fröhlich ins Wohnzimmer, das der verlorene Sohn endlich nach Hause zurückgekehrt sei. Fast augenblicklich verstummt der Ton des Fernsehers und Schritte sind deutlich auf dem Laminat zu hören, das in der gesamten Wohnung verlegt wurde.

Tonlos seufzend verdrehe ich die Augen, bevor ich mich der Wohnzimmertür hinter mir zuwende, in welcher mittlerweile meine Mutter steht. Ihre roten Locken leuchten in dem spärlichen Licht regelrecht, ebenso wie ihre grünen Augen. Auf den ersten Blick würde man wohl nicht bemerken, dass wir Verwandt sind und auch auf den zweiten dürfte es schwer sein, denn meine Haar- und Augenfarbe habe ich von meinem Vater, wie so vieles anderes.

Nur mit mäßigem Interesse sehe ich meine Mutter an, welche die Arme vor der Brust verschränkt, während ich mich lässig an die Wand lege.

„Akela Althauser, wo warst du so lange? Wir hatten abgemacht, dass du zum Mittagessen zu Hause bist, damit du Sinja pünktlich zum Tennistrainig bringen kannst. Du weißt doch, dass dein Vater und ich Freitagnachmittag keine Zeit dafür haben. Nie kann man sich auf dich verlassen“, donnert sie auch sogleich, mit lauter und anklagender Stimme, den Blick fest auf mich gerichtet.

Noch während sie Luft holt, um fortzufahren, schalte ich auf Durchzug, da ich ihre Schimpftriaden mittlerweile auswendig kenne. Die Wortwahl ändert sich vielleicht, aber der Inhalt bleibt der Gleiche. Ich bin enttäuscht von dir. Man kann sich nicht auf dich verlassen. So habe ich dich nicht erzogen. Du bist ein Taugenichts. Ein schlechtes Vorbild und das schlimmste, du bist genau wie dein leiblicher Vater.

Auch wenn es fast täglich vorkommt, dass sie mir sowas entgegen bringt, so tut es doch trotzdem jedes Mal aufs Neue weh. Aber das bemerkt sie nicht, sie sieht nur die Dinge, die ihr Mann ihr in den Kopf setzt. Denn eigentlich ist meine Mutter nicht so. Sie hat früher nie geschrien oder gar die Stimme erhoben. Immer war sie freundlich, fröhlich und verständnisvoll. Sie hat immer das gute in mir gesehen und vor allem hat sie mich nie mit meinem Erzeuger verglichen.

Als sie endlich damit fertig ist, mich zur Sau zu machen, öffne ich unbeeindruckt die Tür meines Zimmers und werfe meinen Rucksack hinein. Über die Schulter sehe ich sie schließlich an, wie sie wutschnaubend und mit empört geöffnetem Mund dasteht.

Nur mit Mühe kann ich mir ein spöttisches Grinsen verkneifen, da ihr Gesichtsausdruck einfach nur lächerlich aussieht. Aber diese kurze Belustigung meinerseits verpufft sofort wieder, als ich das selbstgefällige Grinsen von Reinhold, dem Ehemann meiner Mutter, sehe, welcher nur knapp hinter ihr steht.

Gekonnt verziehe ich mein Gesicht zu einer desinteressierten Maske, wie ich es immer mache, wenn ich vermeiden will, dass jemand in mir lesen kann wie in einem Buch. Mein Blick trifft erneut den meiner Austrägerin, die eine leichte Röte auf den Wangen vom lauten sprechen und der Aufregung hat.

„Zum ersten, geht es dich einen Scheißdreck an, wo ich war, immerhin bin ich neunzehn Jahre alt und damit gesetzlich gesehen erwachsen.

Zweitens, haben wir gar nichts abgemacht, sondern du hast einfach etwas über meinen Kopf hinweg beschlossen, aber da mache ich nicht mit.

Drittens, ist deine ach-so-tolle-Stieftochter fünfzehn Jahre alt und sehr gut alleine dazu im Stande, zum Training zu kommen.

Und der Vierte und wohl wichtigste Punkt: Reinhold Althauser ist nicht mein Vater, war nie mein Vater und wird auch niemals mein Vater sein. Darum wage es nie wieder so etwas zu behaupten oder mich mit seinem Nachnamen anzusprechen, denn ich heiße nicht Althauser, sondern Bullerick.“ Mit diesen Worten, die ich leise und bedacht ausgesprochen habe, jedochunverhohlenen Hass in der Stimme, lasse ich sie einfach stehen.

Fluchs schnappe ich mir das wichtigste aus meinem Zimmer und verlasse fast schon fluchtartig die Wohnung. Als ich über die Schwelle trete, steht meine Mutter noch immer verwundert an Ort und Stelle und sieht mir bewegungslos nach, bis die Tür ins Schloss fällt. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, steige ich die Treppe hinab und an die frische Luft, die sich um diese Uhrzeit stark abgekühlt hat.

Wie automatisch wandert mein Blick nach oben zu den Fenstern und, wie ich es mir gedacht habe, erblicke ich eben genannten Reinhold Althauser. Mit wutverzerrter Fratze sieht er mich an und deutet drohend mit dem Finger auf mich: „Junger Mann, komm sofort wieder hoch und entschuldige dich bei deiner weinenden Mutter oder du hast die nächsten Monate Ausgehverbot.“

Mit einem aufgesetzten, höhnischen Grinsen, sehe ich zu ihm herauf und strecke ihm langsam den Mittelfinger zu. Erst, als sein Gesicht beinahe kirschrot anläuft, mache ich auf dem Absatz kehrt und marschiere die verlassene Straße entlang, verfolgt von dem lauten Organ meines Stiefvaters.

Unterdrückte Wut und Trauer über das Verhalten meiner Mutter lassen meine Finger leicht zittern, als ich mir nach einigen Straßen eine Zigarette anstecke. Mäßig beruhigend dringt der Rauch in meine Lungen ein und wird durch meine Nase wieder entlassen.

Wie gerne würde ich jetzt einfach zu Marcos oder Jo gehen, nur um nicht alleine durch die Gassen der Stadt zu wandern. Am liebsten wäre es mir noch, mit den beiden zu feiern, um meinen Kopf frei zu bekommen und einfach nur etwas Spaß zu haben.

Resigniert, da ich nichts mit mir anzufangen weiß, irre ich ziellos umher, ehe ich unsere Stammkneipe ansteuere. Es ist bereits Zehn, als ich den Laden betrete und direkt auf die Bartheke zuhalte. Musik ist im Hintergrund zuhören, die die leisen Gespräche zwar nicht überdeckt, sie aber zu verschwimmen scheint, sodass man nichts genaueres aufschnappen kann, außer ein paar Wortfetzen.

Als ich mich auf einem der Barhocker niederlasse, schweift mein Blick fast automatisch zu Ellie, die beinahe jedes Wochenende hinter der Theke steht. Als sie mich bemerkt, kommt sie lächelnd zu mir herüber und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Schön dich zu sehen, Akela, aber wo sind denn deine besseren Hälften heute hin?“

Unbestimmt brumme ich, während sie mir ein Glas Bier zapft und vor mir abstellt. „Haben heute beide schon was vorgehabt.“ Verstehend nickt die Brünette und wollte gerade etwas erwidern, als einer der Gäste um ihre Aufmerksamkeit bittet. Entschuldigend lächelt sie mich an, ehe sie sich um den Wunsch der Frau kümmert, die sicherlich die vierzig schon überschritten hat.

Erst, als mein Glas beinahe leer ist, hat die Barfrau wieder Zeit für mich und lehnt sich vor mich, mit den Ellenbogen auf die Theke. Ihren Kopf stützt sie dabei in die Hände und sieht mich einen Moment schweigend an.

„Du siehst aus, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen. Was ist los?“ bringt sie schließlich heraus und stellt sich wieder gerade hin. „Das übliche, stress in der Schule und zu Hause.“ Es ist ein Wunder, das sie die leise gegrummelten Worte von mir versteht, oder einfach nur Übungssache. „Ja, das war bei dir ja schon immer ein ziemliches Problem“, pflichtet sie mir bei und stellt ein neues Glas vor mir ab, nachdem ich das vorherige gänzlich geleert habe.

Einige Minuten unterhalten wir uns noch ungezwungen, wobei sie immer mal wieder den Wünschen der Gäste nachgeht. Ellie ist eine wirklich sympathische Person, die ich gleich am ersten Abend gemocht habe, als wir diese Bar hier gefunden haben. Sie ist auch der Grund, warum wir seither häufig hier trinken, denn trotz ihrer knappen dreißig Jahre, ist sie vom Charakter her jung geblieben. Sie lebt in den Tag hinein, tut, was immer sie gerade will und auch über Partys und Musik kann man mit ihr prima reden. Alles in allem ist sie eine tolle Frau, weswegen ich mich immer wieder aufs Neue wundere, das ihr die Männer nicht scharenweise hinterher rennen.

Gerade, als ich ein neues Getränk bei ihr ordern möchte, drängt sich ein Mann zwischen mich und meinen stummen Sitznachbern, wobei mir ein Ellenbogen unangenehm gegen die Rippen gedrückt wird. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sehe ich zu dem Glatzkopf auf und hätte ihm am liebsten die Meinung gegeigt, wäre da nicht der bittende Blick von Ellie gewesen. Und so schlucke ich schwerfällig die Wut hinunter, die seit meinem Aufenthalt zu Hause leise und heimlich vor sich hin kocht, hinunter.

„Hey Süße, wie wäre es denn, wenn du mir die nächste Runde schenkst und stattdessen gebe ich dir das, was alle Frauen lieben: Mich“, schnarrt der Mann, der mindestens die 1,80 m Marke geknackt hat und breit wie ein Schrank ist.

Empört verschränkt Ellie die Arme vor der Brust und sieht vernichtend zu dem Mann hinauf, den das nicht zu interessieren scheint. Mir wiederum zittern die Hände erneut vor unterdrückten, negativen Gefühlen, doch noch kann ich mich beherrschen. „Sir, wenn sie für ihre Getränke nicht bezahlen können, dann sollten sie gehen, denn auf Schmarotzer wie sie kann ich getrost verzichten.“

Ellies Konter ist frech und zeugt von ihrer Selbstsicherheit, die sie immer schon an den Tag legt. Doch ihre Worte haben eine andere Wirkung als sie sollten, denn sogleich verzieht der Mann wütend das Gesicht und beugt sich über die Theke, um die Braunhaarige zu erreichen, während er etwas von, „Frauen haben zu gehorchen, Schlampe“, faselt.

Doch noch ehe er sie erreichen kann und ich weiß, was ich hier mache, habe ich seinen Arm gepackt und ziehe ihn mit einem Ruck von der Theke weg. In der gleichen Bewegung gleite ich von dem Barhocker und stelle mich zwischen ihn und die Barkeeperin.

Sein Gesichtsausdruck zeigt deutlich, dass es ein Fehler war, jedoch beachte ich diesen Fakt nicht, da ich sowas nicht mit Freunden von mir machen lasse. Es ist dem Glatzenträge anzusehen, das er etwas sagen will, jedoch komme ich ihm zuvor: „Hör mir mal zu, Arschloch. Mir ist egal, wer du bist oder für wen du dich hältst, aber niemand und damit meine ich wirklich niemand, geht so mit Ellie um, während ich daneben stehe.“

Während ich das sage, versuche ich ihn zurück Zudrängen, indem ich auf ihn zugehe und bin ehrlich verwundert darüber, dass es tatsächlich klappt. Einen Moment scheint der Mann verwundert über meinen ruhigen und doch gleichzeitig eindringlich drohenden Ton zu sein, da er mich einfach nur ansieht. Mittlerweile sind wir der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, erst recht, als der Typ schallend zu lachen anfängt und mit dem Finger auf mich zeigt.

„Du halbe Portion willst mir drohen, dich verspeise ich doch zum Frühstück“, bringt er zwischen dem lachen prustend hervor, was ein erneutes, wütendes Zittern und Adrenalin durch meinen Körper jagen lässt. Das bittende „Akela, tu´s nicht“, von Ellie ignorierend, hole ich aus und ramme dem Glatzkopf meine Faust mit voller Kraft auf die Nase.

Überrascht keucht er auf und taumelnt einen Schritt zurück. Wie hypnotisiert greift er sich an sein Riechorgan, wodurch dickflüssiges Blut auf seine Hand tropft. Totale Stille herrscht, wenn man einmal von der Musik absieht, die noch immer im Hintergrund läuft. Der Blick des Blutenden liegt für Sekunden auf seinen Fingern, ehe er langsam zu mir schweift und seine Miene sich verfinstert.

Sofort schrillen bei mir die Alarmglocken, aber nicht weil ich Angst vor der Antwort habe, sondern weil mir klar wird: Wenn wir uns jetzt prügeln, dann bekommt Ellie Ärger, da wir die Bar wohl nicht unversehrt lassen würde.

Diesen Gedanken im Kopf, nehme ich die Beine in die Hand und verlasse die Räumlichkeiten, mit dem Wissen, das der Typ nicht lange auf sich warten lässt. Und genauso ist es dann auch. Kaum dass ich in der Seitenstraße stehen bleibe, die direkt neben der Kneipe ist, höre ich Schritte hinter mir und sehe schließlich den Kahlköpfigen, fies grinsend, auf mich zukommen. Doch was mich überrascht ist, das er nicht alleine ist.

Hinter ihm befindet sich ein zweiter Mann, der zwar nicht genauso breit, dafür aber so groß wie der erste ist. Nur wenige Schritte von mir entfernt, bleiben sie stehen und wir fixieren uns mit herausfordernden Blicken.

„Das wirst du mir büßen, Knirps.“ Mit diesen Worten macht die Glatze einen Schritt auf mich zu und setzt zum Angriff an. Ehe ich reagieren kann, spüre ich seine Faust in meinem Magen und kann ein Röcheln nicht unterdrücken.

Einen Augenblick tanzen Sterne vor meinen Augen, da die Rechte dieses Mannes nunwirklich hart zuschlagen kann. Nur knapp kann ich verhindern in die Knie zu gehen, was ihn hämisch auflachen lässt.

Gerade als ich mich wieder aufrichten will, um nun meinerseits zu zuschlagen, werde ich von hinten gepackt. Zwei kräftige Arme umgreifen mich an den Schultern, während die dazugehörigen Hände sich in meinem Nacken verschränkten.

Aus dem Konzept gebracht sehe ich über die Schulter zu der Person, die mich fixiert, so dass ich mich nicht mehr wehren kann und erkenne den Freund des Schranks. Höhnisch grinst er mich an und verstärkt seinen Griff, bis meine Schultern protestierend knacken. Als ich meinen Blick wieder von ihm lösen und nach vorne sehen kann, trifft mich auch schon eine weitere Faust, mitten ins Gesicht.

Der nächste Treffer landet auf meiner Schläfe, dann in meinem Magen, auf dem Brustbein, wieder das Gesicht. So geht’s das immer weiter, bis ich gegen die Tränen und den Schmerz ankämpfen muss, doch der Mann hört einfach nicht auf.

Fast schon verzweifelt suche ich nach einer Lösung, doch mir will einfach nichts einfallen. Und so hänge ich schlaff in den Armen die mich halten und lasse das ganze über mich ergehen. In der Hoffnung, sie würden mich in Ruhe lassen, wenn ich mich ohnmächtig stelle, schließe ich die Augen und gebe jede Gegenwehr auf.

Es dauert noch ganze zwei Schläge, bis ich losgelassen werde und hart auf dem Boden aufkomme. Ein atemloses Keuchen entkommt mir und ich öffne die Augen einen Spalt breit. Sofort erblicke ich das glatzköpfige Gesicht, das noch immer schadenfroh grinst und auf mich hinunter spuckt. Als der Typ zum letzten Schlag, in Form eines Trittes, ansetzten will, reagiere ich schneller, als ich erwartet hätte.

Blitzschnell greifen meine Arme nach seiner Kniekehle und ich ziehe ihn mit voller Kraft über mich hinweg. Da er nicht damit gerechnet hat, verliert er augenblicklich das Gleichgewicht und landet neben mir im Dreck.

Ohne die Schmerzen und den Schwindel zu beachten, richte ich mich in der gleichen Bewegung auf, wie ich ihm meine Faust auf den Kehlkopf schlage. Ein röcheln entkommt ihm, doch meine Aufmerksamkeit liegt auf seinem Gefolgsmann, der auf mich zukommt. Mit einem gezielten Tritt trete ich ihm, unfairerweise zwischen die Beine, ehe ich seinen Kopf packe und ihn zu Boden werfe.

Ohne mich zu vergewissern, dass die beiden ausgeknockt sind, verlasse ich schnellstmöglich die Gasse und renne schwer atmend die Straße entlang.

Als ich gerade zu hoffen wage, dass ich jetzt sicher bin, höre ich das wütende Gebrüll der Beiden hinter mir. Mein Atem geht schon jetzt nur noch stockend und auch mein Fuß versagt mir langsam den Dienst. Trotzdem sporne ich mich zu Höchstleistungen an und hetze die Straße hinauf, in der Hoffnung mein Ziel zu erreichen, bevor die beiden mich erwischen.

Stolpernd biege ich schließlich um die Ecke und halte genau auf eine Tür zu, die in einen angesagten Club führt, indem wir auch schon Stammgäste sind und ohne warten hinein kommen. Es hat eben schon Vorteile, wenn man sich mit den Türstehern gutstellt.

Schon von weitem erkenne ich Rob, einen der eben genannten Securityleute, der mir verwundert entgegen sieht. Erst als er die zwei hinter mir bemerkt, scheint er zu verstehen und öffnet schon einmal das Band, das dafür sorgen soll, dass keiner sich vordrängelt.

Noch einmal meine ganze Kraft zusammen sammelnd, stratze ich weiter und schließlich an Rob vorbei, dem ich nur ein Kopfnicken schenke. Schwer atmend und mit meiner Kraft am Ende betrete ich den kleinen Vorraum und hole erst einmal tief Luft. Gekonnt ignoriere ich dabei die fragenden Blicke der umstehenden, egal ob Fremde oder Angestellte.

Es dauert eine Weile, bis sich meine Atmung halbwegs beruhigt hat und ich schließlich, humpelnd, den Weg nach oben ansteuere. Zielsicher halte ich auf einen Raum zu, indem die Musik nicht so laut ist, wie sonst überall und in dem sich die größteBar dieses Clubs befindet. Als ich die Tür etwas zu laut aufstoße, habe ich zum zweiten Mal an diesem Abend die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden.

„Scheiße Akela, was machst du denn hier und wie siehst du überhaupt aus?“ Dem Klang dieser wohlbekannten Stimme folgend, drehe ich meinen Kopf verwundert nach links, zu einem Tisch an dem mein bester Freund mit einer Reihe unbekannter sitzt. Verlegend grinsend fahre ich mir über meine abrasierten Haare und humple langsam auf meinen Kumpel zu.

„Hey Marcos, hier treibst du dich also rum“, versuche ich ungeschickt seine Frage zu übergehen, da er und Jo es überhaupt nicht gerne sehen, wenn ich mal wieder in einer Schlägerei hing. Wie erwartet zeigen meine Worte keine Wirkung und der Blondschopf sieht mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen und einem tadelnden Blick an. „Versuch gar nicht erst, abzulenken, Akela. Was hast du schon wieder angestellt?“ Beinahe reumütig reibe ich mir den schmerzenden Nacken und lasse meinen Blick durchdie Runde schweifen, die mich ebenfalls mit ihren Augen mustert.

„Das war nicht so geplant“, entkommt es mir schließlich und mein schwuler Kumpel seufzt nur schwer: „Das ist es doch nie.“

Noch ehe ich etwas erwidern kann, dreht er sich zu seinen Leuten um, zumindest glaube ich nicht, dass er sich einfach zu Fremden gesetzt hat. „Hunter, kannst du vielleicht ein Stück rutschen, damit er sich setzten kann, während ich ihm was zum Kühlen besorge.“ Kaum dass er die Worte ausgesprochen hat, erhebt sich einer der Typen, der fast einen Kopf größer ist als ich, mit einem etwas zu breiten Iro auf dem Kopf. Seine Haare sind tiefschwarz und nur knappe zwei Zentimeter lang. Auf seinen Lippen liegt ein leichtes Lächeln, als er mir seinen Platz anbietet. Humpelnd dränge ich mich also an dem muskulösen Mann vorbei und lasse mich schwer auf dem Polster der Bank nieder.

Seufzend schließe ich kurz die Augen, ehe ich mich an den Schwarzhaarigen neben mir wende und ein erleichtertes „Danke“ hervorbringe. Das Lächeln auf seinem Gesicht wird etwas breiter, als er abwinkt und bringt seine dunkelblauen Augen leicht zum Leuchten.

Wie zufällig lasse ich meinen Blick kurz über ihn wandern und entdecke schnell die Tattoos, die sich über seine Arme, sowie über seine Schlüsselbeine und seinen Hals schlängeln. Sein breiter Oberkörper steckt in einem dunkelblauen Muskelshirt, was seinen Zweck mehr als gut bei ihm erfüllt. Nach dieser kurzen in Augenscheinnahme, wandert mein Blick über die restlichen Leute dieser gemütlichen Runde, doch irgendwie will mir so keiner richtig auffallen, was wohl daran liegt, dass meine Sicht leicht eingeschränkt ist.

Schon jetzt kann ich spüren, dass mein linkes Augenlid langsam anschwillt und hoffe nur, dass es nicht zu schlimm werden würde. Trotz dieser Einschränkung fällt mir etwas an den hier sitzenden auf: Es befindet sich nicht eine einzige Frau unter ihnen. Diesen Fakt in meinem Kopf auswertend, fahre ich mir vorsichtig über meine linke Kopfhälfte, die schon seit geraumer Zeit unangenehm vor sich hin pocht. Als meine Finger gerade eine kleine Unebenheit ertasten, die ich als Platzwunde identifiziere, kommt Marcos zurück, in der Hand einen sauberen Lappen und ein Geschirrtuch, das irgendetwas zu umwickeln scheint.

„So Akela, du gehst jetzt zu den Waschräumen und machst dein Gesicht sauber“, befiehlt mir der Blondschopf regelrecht und legt die Sachen, etwas zu heftig auf den Tisch. Kurz darauf holt er aus seiner hinteren Hosentasche eine Flasche Wodka, die er ebenfalls vor mir abstellt.

Mit einem Nicken bestätige ich, dass ich ihn verstanden habe und bedanke mich gleichzeitig stumm damit. Schwerfällig kämpfe ich mich schließlich auf die Beine und wollte nach den Utensilien greifen, die auf dem Tisch liegen, jedoch kommt mir eine tätowierte Hand zuvor. Irritiert hebe ich den Blick und sehe in das lächelnde Gesicht von Hunter.

„Ich helfe dir, mit sowas kenne ich mich aus“, zwinkert er mir, fast schon verschwörerisch zu, woraufhin ich nur mit den Schultern zucke und mich langsam auf den Weg zu den Toiletten mache. Kurz nach mir betritt der Schwarzhaarige die WC-Räume und legt die Sachen auf dem Waschbecken ab, während ich mich im Spiegel betrachte.

Tatsächlich kann ich erkennen, dass mein linkes Auge langsam zu schwillt und, sich langsam verhärtendes Blut an meiner Schläfe klebt. Getrocknetes Blut klebt ebenfalls unter meiner Nase und an meiner aufgeplatzten Lippe. Glücklicherweise ist die Wunde weit genug weg von der alten Narbe, die sich schon über meine Lippen zieht.

Erst als das Wasser neben mir aufgedreht wird, reiße ich mich von meinem Spiegelbild los und sehe zu dem Tätowierten, welcher so eben den weißen Lappen unter den Strahl hält. „Dann lass uns mal anfangen.“ Mit diesen Worten tritt er auf mich zu und besieht einen Moment mein Gesicht, bevor er vorsichtig damit beginnt, mir das Blut von Kinn und Lippen zu waschen und wandert weiter zu meiner Schläfe. Immer mal wieder zucke ich leicht zusammen, wenn er an eine der Wunden kommt, jedoch gebe ich keinen Laut von mir.

Nur wenige Minuten später, hat er mein gesamtes Gesicht von Blut befreit und benetzt eine trockene Ecke des Tuchs mit dem Wodka. Mit dem in Alkohol getränktem Stoff tupft er nun die kleinen Verletzungen ab und noch immer bleibe ich still.

„Fertig“, grinst er schließlich und drückt mir das Geschirrtuch aufs Auge, welches sofort Kälte auf meine Haut bringt. Scheinbar wurde ein Kühl Pack darin eingewickelt. Ihm das Geschirrtuch aus der Hand nehmend und auf mein Gesicht drückend, bedanke ich mich erneut bei ihm, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg zurück zu den anderen machen.

Wie zuvor, überlässt mir Hunter seinen vorherigen Platz und zieht sich stattdessen einen Stuhl heran, den er neben mir und Marcos platziert. Letzterer sieht mich, seit wir wieder am Tisch sind, mit einem auffordernden Blick an. Auch ohne zu fragen, was er denn will, weiß ich, das ich über die Geschehnisse reden soll. Trotzdem schweige ich, und erwidere seinen Blickkontakt stumm.

„Wie wäre es, wenn du mir jetzt erzählst, wie es dazu kam, das du hier blutend und humpelnd auftauchst?“ Durchdringend ruht sein Blick weiterhin auf mir, weswegen ich den Augenkontakt abbreche und müde seufze.

„Musst das sein? Ich meine, ich habe deinen Abend doch schon genug versaut.“ Statt mir zu antworten, verschränkt er die Arme vor der Brust und zieht die Augenbraue abwartend nach oben. Die pochenden Kopfschmerzen, die mich seit geraumer Zeit plagen, scheinen auf diesen Blick zu reagieren und steigern sich noch ein wenig mehr.

„Gut, ich rede ja schon, aber zuerst brauche ich ein Glas“, gebe ich schließlich nach, woraufhin mein bester Freund zufrieden nickt und sein Getränk leert. Kurz darauf steht sein nun mehr leeres Glas vor mir und ich frage Hunter nach dem Wodka, den er noch immer in der Hand hält.

Mit einer Hand befülle ich den gläsernen Trinkbehälter vor mir, während ich mit der Anderen in meiner Jackentasche krame, in welcher ich immer allerlei Dinge aufbewahre. Unter anderem auch Schmerztabletten, von welcher ich nun eine herauslöse.

Gekonnt verstecke ich das Medikament so in meiner Hand, das ich die Tablette erst kurz zum Vorschein bringe, als sie in meinen Mund plumpst. Wie immer schaffe ich es, diese Prozedur vor Marcos zu verheimlichen, während ich die weiße Kapsel mit der klaren Flüssigkeit hinunter spüle.

Als ich das Glas abstelle, spüre ich eine Hand, die mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf versetzt und sehe mit zusammen gezogenen Augenbrauen zu Hunter, der mich nur wissend anlächelt.

Gemeinsam mit dem empörten Ausruf von Marcos, beugt sich der Tätowierte zu meinem Ohr vor. „Tabletten und Alkohol vertragen sich nicht“, raunt er nur, ehe er sich wieder gerade hinsetzt. Irritiert sieht mein bester Freund zwischen uns beiden hin und her, bis ich abwinkend mit dem Kopf schüttle, was ihn scheinbar vorerst davon ablenkt.

Mit einem Nicken gibt er mir schließlich zum Verstehen, das ich anfangen soll und ich atme tief durch. Das kühlende Tuch wieder auf mein Gesicht drückend, suche ich einen Moment nach Worten, doch mir will einfach kein Anfang einfallen.

„Fang am besten einfach da an, wo du bei mir abgehauen bist. Immerhin weiß ich ja du prügelst dich nicht ohne Grund“, scheint er mir den Einsatz leichter machen zu wollen. Kurz und bündig erzähle ich dem Blondschopf und unweigerlich auch den hier Anwesenden, was heute alles vorgefallen ist. Absichtlich benutze ich dabei nur die Namen meiner Mutter und ihres Anhangs, da die Anderen nicht wissen müssen, dass ich Stress mit meiner eigenen Mutter habe.

Vielleicht sind sie nett und kommen gut mit Marcos aus, aber das ist kein Grund für mich, ihnen etwas zu verraten, was sie nichts angeht.

Einen Moment lässt der Blonde die Informationen sacken, ehe er leise seufzt. „Ich frage mich immer wieder, wie du es schaffst, in solche Situationen zu geraten.“ „Tja ich habe eben ein Talent dafür, auch wenn ich sagen muss, dass es kein empfehlenswertes ist“, grinse ich ihm versucht belustig zu und erhebe mich langsam, „am besten ich gehe jetzt und lasse euch in Ruhe.“

Doch statt mich gehen zu lassen, deutet Marcos auf den Platz hinter mir um mich zum Bleiben zu bewegen. „Jetzt wo du schon hier bist, kannst du auch bleiben. Außerdem wollte ich dir schon länger mal meine anderen Freunde vorstellen und wusste nur nicht, wie du darauf reagieren würdest.“



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