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Akt 5 - Die entscheidende Frage?

Als Usagi die Tür ihres Elternhauses öffnete, blickte sie zuerst in große rotbraune Augen, die ihr ungläubig entgegen blinzelten. Sobald sie das Überraschungsmoment überstanden hatte, sprang ihr Luna entgegen. Miauend, auch wenn es ihr schwer fiel, ihre Worte für sich zu behalten, damit sie von Ikuko nicht gehört werden konnte. Usagi schloss ihre treuste Gefährtin in ihre Arme. Sie flüsterte ihr zu: „Tut mir leid, dass ich dich so lang allein gelassen habe…“ Mehr brachte sie nicht über ihre Lippen. Luna schnurrte verstehend.

Kaum weniger freute sich Ikuko, ihre Tochter endlich wieder willkommen zu heißen. Aber die Wiedersehensfreude währte nicht lang, erklärte Usagi bald, sie hätte noch einiges zu tun. Ganz oben auf ihrer Liste stand ein Treffen mit Ami.

Entgegen aller Gewohnheiten schob die angehende Ärztin sofort all ihre studentischen Aufgaben beiseite, als sie von ihrer Prinzessin um Hilfe gebeten wurde. Gemeinsam betraten sie Mamorus Apartment. Ami beobachtete Usagi gewissenhaft. Hatte die Trauernde tatsächlich ihren Schmerz überwunden? Vorgestern hatte es noch so ausgesehen, als würde sich die Blondine nie mehr in ihr Leben wagen wollen. Jetzt waren deren Gesichtszüge zwar angespannt, jedoch sprachen sie von Ernsthaftigkeit, nicht von Verzweiflung.

„Die meisten Verträge hatte er hier abgeheftet.“

Ami blinzelte sich aus ihrer Konzentration.

„Handyvertrag, Strom, Fernsehen, Internet und der Mietvertrag.“ Usagi reichte ihrer Freundin einen dicken Ordner.

Nickend nahm Ami die Unterlagen an und setzte sich mit ihnen an den Wohnzimmertisch. Sie blätterte die Dokumente durch, wobei ihr Blick immer wieder zu Usagi huschte, die in den Schubladen der nahen Kommode nach weiteren wichtig aussehenden Ordnern suchte. „Sag mal“, begann die Medizinstudentin vorsichtig. „wie kamst du so plötzlich zu dem Schluss, wir müssten uns um Mamorus Verträge kümmern? Ich hätte gedacht, dazu wärst du erst in einigen Wochen bereit. Und dafür hätte ich auch Verständnis gehabt!“

Usagi unterbrach ihre Suche nicht, während sie antwortete: „Ich muss weiterleben, oder? Er hätte nicht gewollt, dass ich mich hier so einmauere.“

Überrascht hob Ami ihre Brauen. „Da hast du recht, aber trotzdem verblüfft es mich, dass du diese Einstellung so plötzlich erreicht hast. Immerhin hat sich für dich nicht nur die Gegenwart geändert.“ Im nächsten Moment biss sich Ami auf die Zunge. Sicher war es keine gute Idee, jetzt auch noch von Chibiusa anzufangen! Immerhin hatte sich die zukünftige Königin gerade erst wieder gefangen.

Usagi hielt in ihrem Tun inne. „Du sprichst von ihr, oder? Von ihr und der Zukunft, die uns vorgestellt wurde. Aber… Diese Zukunft war nur ein mögliches Szenario.“ Traurig lächelnd starrte sie zu Boden. Langsam und wie in Trance wiederholte sie das Mantra, das ihr von Pluto auf die Zunge gelegt worden war und das ihr immer wieder Halt geschenkt hatte in den letzten Stunden: „Ob und wie sie eintreten wird, bestimmen wir noch immer selbst, in der Gegenwart.“
 

Schritt für Schritt kehrte Usagi wieder in ihr Leben zurück. Zwar wagte sie sich noch nicht wieder in die Uni, aber zumindest musste sie nicht mehr rund um die Uhr betreut werden. Nur nachts wurde sie noch regelmäßig von der Trauer übermannt, doch da hatte sie Luna, die sich fürsorglich um ihre Prinzessin kümmerte.

Hin und wieder erwischte sich Usagi dabei, wie sie über Plutos Worte nachdachte. Und nur wenn sie allein war, ließ sie es zu, über mögliche Wege in die Zukunft zu grübeln. Nach Wochen der Trauerarbeit hatte sie sich mit dem Verlust Endymions abgefunden, doch wie sollte es ohne ihn eine Chibiusa geben können? Eine Tochter brauchte doch auch einen Vater, oder nicht? Vielleicht war der Silberkristall der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels… Nachdenklich drehte Usagi das mystische Schmuckstück zwischen ihren Fingern. Nein, der Silberkristall konnte Leben retten und Verstorbene wiedererwecken. Aber vollkommen neues Leben entstehen lassen? Ein Menschenwesen erschaffen, das sie, Usagi selbst, aus einer Erinnerung rekonstruierte?

Seufzend legte sie ihren Edelstein zurück in die herzförmige Brosche. Sie könnte hier noch Stunden sitzen und aus dem Fenster starren. Die Antwort versteckte sich vor ihr und ohne Hilfe würde sie die auch nie finden.

Ein leises Knarren ließ die Blondine herumfahren. Mit wachen Augen beobachtete sie, wie Luna von der angelehnten Tür aus durchs Zimmer schlich. Elegant setzte die Kätzin zum Sprung an und setzte sich schließlich vor ihrer Herrin auf den Schreibtisch. Der Blick der Katze wanderte von Usagi zum Silberkristall und nachdenklich wieder zurück. „Was ist los, Usagi? Ich sehe immer häufiger, dass du nur grübelnd bis in die späten Abendstunden vor dich hin starrst. Willst du mir nicht sagen, was in deinem Kopf vorgeht? Vielleicht kann ich dir ja helfen.“

Kaum erkennbar lächelnd legte Usagi ihren Kopf schief. „Vielleicht kannst du das wirklich. Hast du je gesehen, wie meine Mutter mit dem Silberkristall neues Leben erschaffen hat?“

Luna stutzte.

„Ich meine nicht, wie sie uns zur Erde schickte, damit hier unsere Leben neu beginnen konnten, sondern wie durch ihn vielleicht neues Leben entstand.“ Plötzlich schreckte Usagi von ihren eigenen Worten auf. „Ich meine, sowas ist doch möglich, oder Luna? Ich selbst kann mich an so viele Dinge erinnern, an die Zeit des Silver Millenniums, aber zu einer Sache habe ich überhaupt keine Bilder! Ich muss doch… Meine Mutter muss doch… Luna! Hatte ich zur Zeit des Silver Millenniums einen Vater?“

Luna starrte vollkommen überrumpelt auf die mittlerweile stehende Frau vor ihr, deren fest entschlossener Blick sie durchbohrte. „Ich, ähm… Was?!“

Usagi ging in die Hocke und schob ihr Gesicht ganz nahe der zurückweichenden Katze entgegen. „Ich kann mich an so Vieles erinnern, an meine Freundinnen, an Endymion, an dich und an Mutter. Aber nicht daran, dass ein Mann an ihrer Seite stand. Hatte ich denn überhaupt einen Vater? Wenn ja, was ist mit ihm passiert? Und wenn nicht, wie bin ich dann entstanden? Und kann ich dann nicht auch Chibiusa entstehen lassen? Sag schon, Luna!“

Luna fühlte sich in die Ecke gedrängt. Fluchtartig sprang sie vom Schreibtisch aus auf Usagis Bett, um Distanz zu schaffen. Sie setzte sich, ihre Schwanzspitze zuckte nervös und irgendwie schienen ihr die vielen Fragen unangenehm zu sein. Langsam antwortete sie: „Es tut mir leid, Usagi, aber dazu kann ich nicht viel sagen. Mit deiner Erweckung sind zwar die meisten Erinnerungen zurückgekehrt, aber was das Leben im Mondreich vor deiner Geburt betrifft, fühlt es sich noch immer so an, als würde ein schwarzer Schleier meine Gedanken verhüllen. Ich kann dir nicht sagen, was vor dir war. Ich weiß nur, dass du keinen Vater hattest. Jedenfalls nicht bei deiner Geburt. Was davor war…“ Luna dachte angestrengt einige Minuten nach. Usagi ließ ihr die Zeit. Doch dann schüttelte die treue Beraterin niedergeschlagen ihren Kopf. „Nein, tut mir leid, Usagi. Ältere Erinnerungen kann ich nicht abrufen.“

Enttäuscht warf sich Usagi auf ihr Bett neben Luna. Großartig! Da war sie der Lösung vielleicht ein Stück näher gekommen, doch endete auch dieser Pfad scheinbar in einer Sackgasse. Die Prinzessin drückte ihr Gesicht in ein Kissen und schwieg für eine lange Zeit.

Als die Abendsonne Tokio allmählich in sanfte Orangetöne tauchte, schreckte sie plötzlich wieder hoch. „Pluto!“, rief sie aus und riss Luna damit aus ihrem Schlaf. „Wer sonst weiß mehr über die Vergangenheit als die Wächterin der Zeit selbst?!“
 

„Haruka, gibst du mir bitte mal die Paprikawürfel?“

„Meinst du die hier?“

„Da steht nur eine Schüs-sel… Haruka!“ Mit vorwurfsvollem Blick schaute Michiru dabei zu, wie sich Haruka zwei weitere Stücken Paprika aus einer Schale klaute, die bis vor kurzem noch viel voller gewesen war.

„Wasch denn?“, schmatzte die Blondine unschuldig. „Ich hab eben Hunger!“

Kichernd mischte sich die am Küchentisch sitzende und mit Messer und Brett bewaffnete Setsuna ein: „Lass sie, Michiru. Ich schneide noch eine auf.“

Seitdem die Wächterin ihre Sorgen offenbart, sich ihren Freundinnen gegenüber geöffnet hatte, hatte sich für sie einiges geändert. Sie fühlte sich freier, musste sich nicht länger verstecken und Ängsten nachgeben, sie würde sich verraten. Die geheime Sehnsucht nach der Mondprinzessin, die sie früher getrieben hatte, ließ von Tag zu Tag mehr nach und suchte sie fast nur noch nachts heim. Tagsüber taten ja Haruka und Michiru ihr Bestes, sie auf andere Gedanken zu bringen, oder aber ihr Leiden sofort ausbrechen und wieder abebben zu lassen.

Es klingelte an der Tür. Gerade rechtzeitig für Haruka, hatte sie nun die Möglichkeit, Michirus Tadeln zu entgehen. Als sie in die Küche zurückkehrte, sah sie sich unsicher um, wie ein Kind, das die Strafe für den heimlichen Diebstahl einer Süßigkeit erwartete. Die Ursache ihrer Unsicherheit folgte ihr auf Schritt und Tritt – Usagi.

„Wir kochen gerade das Abendessen, Mondhäschen. Kommst genau richtig“, erklärte Haruka. Deren Blick wanderte zu Setsuna, die unbeirrt ihrer Arbeit nachging. Sie hatte sich lange genug verstellt, um auch jetzt wie eh und je die Kontenance zu wahren.

„Besonders großen Hunger habe ich eigentlich gar nicht.“ Mit dieser Aussage zog Usagi gleich drei Augenpaare auf sich. Schüchtern fuhr sie fort: „Ich komme eigentlich aus einem ganz anderen Grund. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne mit Setsuna sprechen. Also eigentlich eher mit Pluto.“

Setsuna sah wieder von der Prinzessin ab. Während sie weiter Paprika zerteilte, antwortete sie in gewohnter Tonlage: „Ich habe dir alles Wichtige gesagt, Prinzessin. Der Rest liegt in deiner Hand, nicht in meiner. Du musst deinen Weg selbst finden.“

Usagi schüttelte ihren Kopf. „Ich will nicht wissen, was vor mir liegt. Ich will wissen, was schon war. Ich will, dass du mir zeigst, was vor meiner Geburt war.“

Erneut visierten drei Augenpaare die Erbin des Mondreiches an. „Wer war mein Vater, Pluto? Hatte ich überhaupt einen?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  GothicVampir
2016-12-26T16:29:07+00:00 26.12.2016 17:29
Sehr gut, das sich Usagi endlich gefangen hat und wieder nach vorne blickt. Die Ansprache von Setsuna, hat sie also doch aufgeweckt und zum nachdenken gebracht.
Interessant, das du die Frage, nach den Vater der Prinzessin ausgreifst. Ich bin sehr gespannt, welche Gedankengänge du dazu hast.
Allgemein finde ich das Kapitel sehr gut. Im gegensatz zum letzten Kapitel 🙈, hab ich dieses förmlich aufgesaugt 😅
Antwort von:  Ruka_S_Orion
26.12.2016 21:09
Freut mich, dass dieses Kapitel besser bei dir angekommen ist :D Jetzt heißt es wohl abwarten, was ich mir zur Vaterfrage ausgedacht habe ;P
Von:  LHMoonrozu
2016-12-26T14:06:49+00:00 26.12.2016 15:06
Das Kapitel ist echt Hammer, vorallem dass du die Frage um Usagis Vater aufgreifst finde ich genial, ich hoffe es geht bald weiter^^
Antwort von:  Ruka_S_Orion
26.12.2016 16:00
Ein Wagnis, und ich hoffe, dass ich mich mit der Antwort nicht zu weit aus dem Fenster lehne ;P


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