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neko

von

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Ein Schubs weckte Darius. Er hörte einen leisen, überraschten Aufschrei, der nicht von ihm stammen konnte, der er ja, soweit er wusste, immer noch eine Katze war, und spürte, wie sich ein kräftiger Griff um seinen Brustkorb legte. Verwirrt öffnete er die Augen und sah den Boden des Zimmers, in dem er seit ein paar Tagen lebte, ein ganzes Stück unter sich schweben. Besser gesagt schwebte er über dem Boden.

„Kätzchen!“

Das war die Stimme des Mannes. In dem Moment wurde Darius zurück auf das Bett gesetzt und der Griff lockerte sich.

„Das wäre fast ins Auge gegangen.“ Noch etwas verschlafen wirkend blickte der Mann Darius an. Der Mensch saß auf der Bettkante und hob nun wieder seine Hand, um Darius einen leichten Klaps auf den Kopf zu geben. „Wie du es nur geschafft hast, überhaupt hier herauf zu kommen mit deinem Bein.“ Kopfschüttelnd stand er auf und Darius konnte abermals einen Blick auf die kräftige Gestalt erhaschen, als der Mann das Stoffhemd, das er während des Schlafens getragen hatte, ablegte. Ein wirklich schöner Körper … Darius war sich sehr wohl bewusst, dass er kaum Vergleichsmaterial für diese Aussage hatte, war sich in dem Punkt aber ziemlich sicher. Er spürte ein Kribbeln, diesmal in seiner Magengegend, und ein leichtes Stechen in seiner Brust, das ihm das Atmen erschwerte. Unwillkürlich stieß er einen leisen Katzenlaut aus und der Mann, der gerade auf dem Weg in den Raum nebenan gewesen war, drehte sich zu ihm um.

Oh nein, was war bloß los? Darius zwang sich, den Blick zu senken und machte sich ganz klein. Wenn er diesen Menschen direkt ansah, wurde das merkwürdige Gefühl in ihm sogar noch stärker. War es das, was eine Katze gegenüber ihrem Besitzer empfand? Das konnte er kaum glauben.

Darius hörte, wie der Mann nun doch nach nebenan ging, hielt seinen Blick aber weiter beschämt auf die Matratze gerichtet. Irgendetwas stimmte da doch nicht. Vielleicht lag es tatsächlich daran, dass er sich schon zu lange im Körper einer Katze befand. Das musste es sein.

Darius hörte das Plätschern von Wasser, was seine Aufmerksamkeit wieder von der Matratze weg lenkte. Das Geräusch kam von draußen, es klang aber nicht wie Regen. Regen … Das war etwas, das er als Katze nur schwer ertragen konnte. Bei Regen war er lieber in seinem richtigen Körper, als triefendes Fell überall auf der Haut kleben zu haben.

Nur ein paar Augenblicke später kehrte der Mann zurück ins Schlafzimmer. Ganz offensichtlich hatte er sich gewaschen, denn Darius nahm nur allzu deutlich die feinen Wasserperlen auf dessen Haut wahr. Statt der Hose hatte der Mann nun ein rechteckiges Stück Stoff um die Hüften gewickelt. Er ging zu seinem Schrank und holte dieselben Kleidungsstücke hervor, die er schon tags zuvor getragen hatte, als er das Haus verlassen hatte. Darius überlegte immer noch, welcher Arbeit der Mann wohl nachging.

Der Mensch stand nun mit dem Rücken zu Darius und ließ das Tuch von den Hüften gleiten. Und obwohl Darius damit gerechnet hatte, schaute er nicht weg. Wie gebannt sog er den Anblick der Wirbelsäule in sich auf, die in einem sanften Schwung in einen festen Hintern überging. Ihm fiel auf, wie sich die Gesäßmuskeln bei jedem Schritt unter der Haut bewegten und er wurde das Gefühl nicht los, diesen perfekten Körper einmal berühren zu müssen, um sich seiner Realität zu versichern. Darius merkte erst nach einiger Zeit, dass er die Luft anhielt, während er darauf wartete – darauf hoffte – dass der Mann sich herumdrehte und er noch mehr von ihm sehen konnte. Als er sich dieser Gedanken bewusst wurde, war er zunächst wie gelähmt, was allerdings dazu führte, dass er den Mann weiterhin nicht aus den Augen ließ. Dieser drehte sich jetzt tatsächlich zu ihm, hatte die abgetragene Lederhose aber bereits übergezogen und so blieb Darius nur, erneut die Bauchmuskeln, die sich leicht unter der Haut abzeichneten, zu bewundern.

„Dann komm mal mit.“ Der Mann trat zu Darius ans Bett, hob ihn auf und trug ihn nach nebenan in die Küche, wo er ihn auf den Tisch setzte. Sanft aber bestimmt drückte er ihn nach unten, sodass er auf der Seite zum Liegen kam und sein geschientes Hinterbein oben war. Darius fügte sich, empfand den Druck nicht einmal als unangenehm – eigentlich sogar als recht angenehm. Der Mann prüfte den Sitz der Schiene und die Knoten der Stoffbahnen, die sie an Ort und Stelle halten sollten. Als er vorsichtig das Bein anhob, weckte das Darius aus seiner wohligen Träumerei. Nicht, weil es weh getan hatte, aber wenn er sich vorstellte, dass der Mann ihn dort ansah, war ihm das mit einem Mal mehr als peinlich. Sicher, er war eine Katze – ein Kater – aber trotzdem … Er strampelte mit den Pfoten, um die Hände des Mannes abzuschütteln, doch der hatte keine Probleme, ihn weiter festzuhalten. Vor allem, da die Bewegung wieder dazu führte, dass er die Verletzung als scharfes Ziehen spürte.

„Ganz ruhig“, murmelte der Mann mit tiefer Stimme. „Ich meine es nur gut. Es ist gleich vorbei.“ Er kraulte Darius kurz an der Seite, was diesen sofort wieder umstimmte und ihn sämtliche Gegenwehr vergessen ließ. Es war aber auch zu angenehm, auf diese Weise gestreichelt zu werden. Wobei … Wenn er so darüber nachdachte, musste er sich mehr wehren, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten, oder? Andererseits wollte er sich auf keinen Fall unbeliebt machen, nicht, dass ihn der Mann noch vor die Tür setzte. Das würde er sowieso irgendwann tun …

Wieder in seinen Grübeleien versunken bemerkte Darius erst, dass die Kontrolle vorüber war, als der Druck der Hände von ihm abließ und stattdessen der Geruch von altem Fisch in seine Nase stieg. Unwillkürlich rümpfte Darius die Nase, wobei er keine Ahnung hatte, wie das bei einer Katze aussah. Es handelte sich ganz offensichtlich um Reste von gestern Abend, die ihm der Mann vorsetzte. Reste, die Darius als Mensch nicht gegessen hätte und – ja, vermutlich einer Katze gegeben hätte. Der Kopf des Fisches lag bei den Resten und glotzte ihn nun noch leerer an als beim letzten Mal. Kritisch schaute Darius zu dem Menschen, der sich selbst eine Scheibe Brot abschnitt und etwas Butter darauf verteilte. Das war zwar auch kein Festmahl, aber doch besser als alter Fischkopf. Darius zwang sich, den Kopf zu recken und zumindest ein paar der weichen Teile der Fischreste zu schlucken. Jede normale Katze hätte dieses Essen so schnell wie möglich hinuntergeschlungen.

Es war ein schnelles Frühstück. Der Mann musste offenbar heute wieder das Haus verlassen und machte sich bereits fertig zum Gehen, während Darius noch immer etwas lustlos an seinem Fisch herumkaute.

„Schmeckt‘s dir nicht?“, fragte der Mann mit einem schiefen Lächeln, als er aus dem Schlafzimmer kam und nun komplett angezogen war. Außerdem hatte er die Milchschale in der Hand, die die Nacht über dort gestanden hatte und aus der Darius nicht wirklich etwas getrunken hatte. So langsam merkte der aber, dass er Durst hatte; auf die Toilette musste er demnächst auch. Er gab dem Menschen ein kurzes Miauen als Antwort, das diesen kurz innehalten ließ.

„Ich glaube manchmal fast, dass du mich verstehen kannst“, murmelte der Mann mit einem Stirnrunzeln. Dann ging er weiter, am Tisch vorbei, auf dem Darius saß, und nach draußen. Dort stellte er die Milchschale ab, kam zurück, nahm Darius in die eine und den Teller mit den Fischresten in die andere Hand und setzte beides ebenfalls vor der Tür im Freien ab. Darius war verdattert. War es nun etwa schon so weit? Wurde er mit einem letzten, kargen Essen einfach so ausgesetzt? Er wollte schon etwas sagen, was vermutlich wieder nur als Miauen zu hören gewesen wäre, als ihm der Mann zuvorkam.

„So ist es besser, nicht wahr? Heute musst du nicht den ganzen Tag im Haus bleiben.“ Er zog die Tür zu und ging vor Darius in die Hocke. „Pass auf dich auf. Wenn ich am Abend wieder da bin, gibt‘s was Leckeres zu essen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2022-01-31T15:55:12+00:00 31.01.2022 16:55
Schreibst du denn diese Geschichte noch weiter?
LG reni


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