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The Streets

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Herzlich willkommen zu meiner neuen Geschichte!

Die Idee dazu ist mir ganz spontan beim Einkaufsbummel gekommen...was euch hoffentlich nicht abschreckt! ;)
Jedenfalls wird dies meine erste wirkliche Geschichte mit einem OC.
Ich hoffe inständig, ich keine der berühmt-berüchtigten Mary Sue's produziere...!


Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Lesevergnügen bei meiner neuen Geschichte und hoffe natürlich, einige Leser von ihr begeistern zu dürfen! :D

Ganz dickes Grüsschen,
Poemi-chan Komplett anzeigen

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Bei der Laterne

Missmutig starrte ich auf meine Matheprüfung. Eine glatte fünf. Das war ein neuer Rekord in meiner Miese-Noten-Skala. Ich freute mich jetzt schon auf die Moralpredigt von Mama und Papa, wenn ich ihnen heute die Prüfung unter die Nase halten würde. Zur elterlichen Unterschrift. Na, das würde sicherlich ein ganz entspannter Freitagabend werden. Sarkasmus? Eine Prise.

„Seh ich das Richtig?“, ertönte eine Stimme neben mir und meine beste Freundin lehnte sich zu mir rüber um einen Blick auf meine Prüfung zu erhaschen. „Sie hat dir einen Punkt dafür gegeben, dass du deinen Namen richtig geschrieben hast?“

„Sieht ganz danach aus“, erwiderte ich grummelnd. „Sonst hätte ich vermutlich eine sechs geschrieben“

Tatsächlich stand auf meiner Prüfung neben Aoi Nishimori eine kleine eins. Unsere Mathelehrerin hatte mir also tatsächlich einen Punkt für meinen richtig geschrieben Namen gegeben. Irgendwie wünschte ich mir, sie hätte es nicht getan. Das machte die ganze Angelegenheit nur noch demütigender für mich.

„Sie hätte mir ruhig auch einen Punkt für meinen Namen geben können“, lachte meine Freundin und deutete auf ihren säuberlich geschriebenen Namen Sakura Haruno, welcher ganz oben auf dem Blatt prangte. Ich schnaubte verächtlich als ich einen Blick auf ihre Note erhaschen konnte. Eine eins. Das überraschte mich kein bisschen. Sakura war einfach ein Genie. Dabei sah sie nun wirklich nicht nach der typischen Streberin aus. Sie war sehr hübsch mit ihren kurzen, blassrosa Haaren und den hellgrünen Augen. Das einzige, über was sie sich ständig beschwerte, war ihre Körbchengrösse.

„Wie schaffst du das bloß, immer so gut bei ihren Prüfungen abzuschneiden?“, fragte ich sie immer noch leicht verdrossen und stopfte meine eigene Prüfung unwirsch in meine Tasche. Sakura lachte.

„Das Thema war doch gar nicht so schwer“, meinte sie und ehe ich sie empört unterbrechen konnte sprach sie weiter. „Ich versteh eh nicht, wie du so eine miese Note schreiben konntest. Wir haben doch so lange zusammen gelernt. Ich hab echt gedacht, du hättest das Thema Logarithmen im Ansatz verstanden“

„Ich versteh es ja auch...irgendwie!“, stritt ich ab und fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum. „Ich machte bei den Prüfungen einfach immer so viel Falsch“

„Bei der nächsten Prüfung schreibst du mir gefälligst eine gute Note!“, meinte Sakura und warf mir einen drohenden Blick zu. „Dafür werde ich persönlich sorgen“

„Ist das ne Drohung?“, fragte ich gespielt schockiert. Sakura kicherte.

„Vielleicht“
 

Die Straßenbahn, in welcher wir saßen, brachte uns in beruhigend flottem Tempo von unserer Schule weg. Selbst meine grottenschlechte Note konnte meine Stimmung nicht trüben. Schliesslich war Wochenende! Besser konnte es doch gar nicht mehr werden. Ich würde nur das Gespräch mit Mama und Papa überleben müssen und ein paar Tagen voller Spass und Entspannung würde nichts mehr im Wege stehen. Bei dem verlockenden Gedanken jauchzte ich innerlich auf. Doch schon im nächsten Moment rammte mir jemand volle Pulle seinen Rucksack in die Seite und ich schreckte auf.

„Verdammt!“, fauchte ich und rieb mir die schmerzende Stelle an meiner Hüfte. Voll auf den Knochen. Es tat zwar verflucht weh, doch ich hatte nicht vor, den Schuldigen deswegen anzufahren. Das würde nur zu noch mehr Problemen führen. Doch ich konnte nicht umhin, dem Täter einen bösen Blick zuzuwerfen und siehe da, als hätte er meine Augen auf sich gespürt, drehte sich die Person um und mir stockte der Atem.

„Oh, Sorry, Puppe“, entschuldigte sich der grosse Junge, welcher nun auf mich herunter schaute. Ich hockte vollkommen versteinert auf meinem Sitzplatz und war schlichtweg nicht in der Lage, einen einzelnen Muskel zu bewegen.

Der Kerl, welcher mir soeben seinen Rucksack in die Seite gerammt hatte, blickte milde interessiert zu mir hinab, während ich mich gerade bis auf das Knochenmark blamierte. Ich blinzelte mit leicht offenem Mund und völlig verrenktem Hals an während  mein Kopf mit nichts anderem als Zuckerwatte gefüllt zu sein schien. Gott sei Dank rettete mich Sakura aus meiner Trance indem sie mir einen unsanften Stoss in meine Rippen verpasste. Ich schreckte hoch wie ein verstörtes Reh.
 

„Öhm...ähm...das macht doch nichts, Hi...Hidan!“, presste ich hervor und hätte mich im nächsten Moment selbst steinigen können. Aoi, musst du dich selbst so sehr blamieren, dass du dich demnächst nur noch mit einer McDonalds-Tüte auf dem Kopf aus deinem Haus wagen kannst?

„Hö? Kennen wir uns?“, fragte Hidan, drehte sich um und beugte sich zu mir hinab. Seine blassvioletten Augen stachen in meine Grauen und ich schaffte es doch tatsächlich, mich an der Luft zu verschlucken. Ich bekam prompt den starken Drang zu Husten, unterdrückte diesem aber so krampfhaft, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Oke Aoi, antworte ganz normal und gelassen. Gaaaanz normal und gelassen.

„Wir haben jeden Sport zusammen Woche!“, platze es aus mir heraus und schon lief ich Gefahr, mich vom Fernsehturm herunterzustürzen. Wieso konnte ich nicht normal mit diesem Typen reden, oder wieso konnte ich überhaupt nicht mir ihm reden, ohne mich selbst als total gehandicapt darzustellen? Ach egal. Einfach nicht anmerkten lassen Aoi. Tu so, als wäre das nie passiert. „Äh, ich meine wir haben jede Wochen zusammen Sport - und wir waren sogar in der selben Grundschule“

„Ach ja stimmt. Du bist doch diese Aki, oder?“, fragte er mich und strich über seine glatt nach hinten gekämmten, weißen Haare.

„Aoi“, korrigierte ich ihn und ignorierte das Gefühl, dass mir das Herz zerquetscht wurde wie eine Beere. Er kannte nicht mal meinen Namen.

„Genau, Aoi! T’schuldigung“, lachte er und ich hatte das Gefühl, wie ein Eis in der Hand eines Kleinkindes vor mich hin zu schmelzen. „Du bist in der Klasse M1.312 oder?“

„Sti...stimmt“, stammelte ich und nickte so heftig, dass sicher nicht mehr viel gefehlt hätte und ich hätte mir meinen eigenen Nacken ausgekugelt. Er wusste in welche Klasse ich ging! Dass das eigentlich selbstverständlich war, da unsere Klassennummer fett auf ihrem Stundenplan bei dem Fach Sport prangte, schob ich professionell in den Hintergrund. Ein Erfolgserlebnis musste sein.

„Du hast ja nen süßen Sprachfehler“, feixte Hidan ehe die Straßenbahn erneut zum Stillstand kam. „Also dann, Ami. Man sieht sich nächste Woche nehme ich an“

Er wandte sich frech grinsend ab und verließ zusammen mit seinen Kollegen die Bahn. Gekonnt ignorierte ich erneut die Tatsache, dass er meinen Namen schon wieder vergessen hatte, wärend ich ihm verträumt nachstarrte. Ich war ein paar Sekunden so weggetreten, dass ich fast vergessen hätte, mich zu verabschieden. Im Nachhinein wäre es vielleicht sogar besser gewesen, wenn ich es wirklich vergessen hätte.

„Tschüss Hidan! Tschüuuhüüüss!“, brüllte ich und winkte ihm so wild nach, dass ich einem älteren Herren direkt den Hut vom Kopf schlug.
 

„Das war’s Sakura. Ich wandere nach Guatemala aus und tauche unter!“, jammerte ich während ich neben Sakura die Bahnhofstrasse entlanglief. Die lange, breite Strasse war voller Passanten, die ihren Freitagabend genossen und noch einmal kräftig Shoppen gingen. Die Läden zu beiden Seiten waren allesamt bis zum Bersten gefüllt. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust mehr, Sakura auf ihrer Jagt nach einem Neuen BH zu begleiten. Ich ging eigentlich so selten Shoppen wie kaum jemand. Ich war so eine Spontankäuferin. Wenn mir was gefällt, wird’s gekauft. So einfach ist das. Da muss man doch nicht extra Nachmittage in den vollgestopften und überhitzen Geschäften verbringen und sich von unfreundlichen Kassiererinnen anschnauzen lassen.

„Ach komm schon. Soooo schlimm war das doch gar nicht“, meinte Sakura ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach. Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

„Das ist nicht lustig!“, maulte ich verzweifelt.

„Oh doch, das ist es“, meinte Sakura und wuschelte mir durch meine aschblonden, glatten Haare. „Du bist einfach zu putzig wenn Hidan in der Nähe ist“

„Haha, du bist ja so witzig“, lachte ich trocken und ordnete meine Haare mit einem prüfenden Blick in ein Schaufenster. Vielleicht sollte ich sie mal wieder schneiden. Ich hatte schon wieder etwas Spliss entdeckt. Ausserdem bekamen sie langsam eine nervige Länge. Bald würden sie mir über die Brust reichen und gewiss eine halbe Falsche Shampoo pro Woche verschlingen. Ein Frisörbesuch wäre vermutlich gar nicht so verkehrt. Ich könnte sie mir auch so schön Schokobraun färben. Dann würden sie nicht mehr so...matt und farblos wirken.

„Mensch Aoi, wann hast du eigentlich vor, ihn mal ins Kino einzuladen oder so“, fragte sie mich während sie vor Lachen immer noch leicht Gluckste. Ich sah sie schockiert an.

„Bist du bekloppt! Das mach ich doch nicht!“, entgegnete ich panisch. Sakura zuckte mit den Achseln.

„Was soll schon passieren? Was Schlimmeres als „nein“ sagen kann er ja nicht, oder?“

„Doch, dass kann er!“, fauchte ich energisch zurück. „Er kann mich vor versammelter Mannschaft in Grund und Boden auslachen. Mein Leben wäre ruiniert!“

„Aber du bist doch jetzt schon seit der Grundschule in ihn verknallt. Ich meine, ihr wart seitdem zusammen auf der gleichen Schule“, meinte Sakura nachdenklich.

„Ja und trotzdem kennt er immer noch nicht meinen Namen“, murrte ich trotzig womit ich das Thema mehr als nur deutlich mit abgeschlossen kennzeichnete.

Es stimmte was Sakura gesagt hatte. Ich hatte mich bereits in der ersten Klasse in Hidan verknallt. Damals war es natürlich nur so eine Schwärmerei unter kleinen Kindern. Ich fand ihn genau so toll, wie kleine Mädchen auch Märchen-Prinzen toll finden. Er war halt schon in der zweiten Klasse, somit ein Jahr über mir und dass reichte ihn in meinen Augen zum idealen zukünftigen Ehemann. Doch mit der Zeit hatten sich meine anfänglichen Kindergefühle in wahres Verknallt-Sein verwandelt. Und diese Verliebtheit hatte sich bis heute standhaft gehalten und das sollte was heissen. Immerhin war ich jetzt schon 16 Jahre alt. Also war ich seit knapp 10 Jahren in Hidan verliebt. Eine unendlich lange Zeit. Leider hatte mir das auch vieles verbaut, wenn man es so sagen will. Immerhin hatte ich bisher noch nie einen Freund gehabt und hatte noch nicht mal meinen ersten Kuss hinter mich gebracht. Ich war nämlich immer noch von der kindlichen Wunschvorstellung besessen, dass ich von Hidan meinen ersten Kuss bekommen würde. Vermutlich würde ich als alte Jungfer im Kloster enden.
 

„Gehen wir hier rein?“, fragte mich Sakura und ich schrak aus meinen Gedanken.

„Mhm...wo rein?“, erwiderte ich und warf einen Blick auf den Laden, auf welchen Sakura deutete. Na grandios. Das war absolut nicht mein Laden. Alles ziemlich enges und vor allem sehr billiges Zeug, das gerne mal nach der ersten Wäsche auseinander fiel. Aber eins musste man diesem Teeny-Laden lassen - was Unterwäsche anging punktete er.

„Wollen wir?“, sagte Sakura und sah mich fragend an.

„Joa klar. Ich könnte eigentlich auch mal etwas Neues suchen“, meinte ich nach reiflicher Überlegung. Sakura strahlte mich an und zog mich hinter sich her in den vollgestopften Laden. Bewaffnet mit Ellbogen und Fingernägeln kämpften wir uns zu dem Gestell mit der Unterwäsche durch. Es war proppenvoll. Sogar noch voller, als es von Aussen gewirkt hatte. Ich bekam innerhalb von wenigen Minuten mehr Highheels in die Füße gerammt, als ich jemals tragen werde. Vor Schmerzen fluchend erreichten wir endlich das Gestell, welches mit BHs, Tangas, Slips und vielen anderen seltsamen Kleidungsstücken zugestellt war. Mir klappte die Kinnlade runter als mein Blick auf einige der Slips viel. Ich nahm ein besonders knappes Teil aus dem Gestell und zeigte es Sakura.

„Schau dir das Ding mal an. Wie unbequem ist das bitte!?“, lachte ich und fuchtelte mit dem kaum nennenswerten Stückchen Spitzenstoff vor ihrer Nase herum. „Da kann man ja auch gleich gar nichts anziehen“

„Sieht aber auf jeden Fall unheimlich sexy aus“, kommentierte Sakura während sie sich vor Lachen schüttelte. „Kauf das doch für Hidan. Der würde sich sicher freuen“

„Haha! Ja so weit kommt’s noch“, lachte ich mit diabolischem Sarkasmus und suchte nach etwas, dass ich wirklich anziehen würde.
 

Nach einer knappen Viertelstunde tauchte ich mit einer kleinen Einkaufstasche neben Sakura auf und stopfte noch schnell meine Quittung in die Plastiktüte. Ich hatte mir bereits zwei neue, hübsche BHs gekauft und zwei passende Slips direkt dazu. Die Auswahl hatte Gott sei Dank nicht so lange gedauert, wie ich anfangs befürchtet hatte und ich war ganz zufrieden mit meinen neuen Sachen. So gesellte ich mich nach getaner Arbeit wieder zu Sakura die immer noch konzentriert zwischen der Unterwäsche herumwühlte.

„Haste schon was?“, fragte ich sie neugierig. Immerhin hatte ich sie in den letzten 15 Minuten sicher mehr als sieben Mal, mit vollgepackten Armen, zu den Garderoben huschen sehen. Für irgendwas musste sie sich doch entschieden haben. Sie drehte sich zu mir um und sah mich überrascht an.

„Du bist schon fertig?“, fragte sie entsetzt und starrte auf meine Tüte.

„Öhm...sieht so aus“, sagte ich belustigt während sie aufstöhnte.

„Tut mir Leid Aoi, aber ich glaube, ich brauche noch ein bisschen...“, sagte sie entschuldigend und sah mich flehend an. Irgendwie vermittelte sie mir den Eindruck, dass sie befürchtete ich würde sie jetzt gewaltsam aus dem Laden schleifen. Ich lachte und klopfte ihr beschwichtigend auf die Schulter.

„Lass dir Zeit, Sakura. Aber ich warte draussen, okay?“, sagte ich zu ihr und deutete zum Ausgang. „In der Hitze hier drin geh ich ein!“

„Alles klar. Ich beeil mich!“, erwiderte Sakura sichtlich erleichtert und wandte sich wieder ihrer Problemzone zu. Ich bahnte mir unterdessen einen Weg zum sicheren Ausgang. Natürlich wurden mir unterwegs wieder die Füße flach gelatscht, doch was dagegen machen konnte man ja eh nicht. So verzog ich jedes Mal nur kurz das Gesicht und fluchte mir innerlich übel einen ab. Doch früher oder später erreichte ich ziemlich heil und unversehrt den Ausgang und trat erleichtert hinaus in die kühle Abendluft.
 

Froh endlich aus dieser Massenpanik raus zu sein, atmete ich erst mal kräftig durch. Das tat gut. Frische Luft. Die Luft in dem Laden war wirklich unglaublich stickig gewesen. Ich warf einen Blick gen Himmel. Dieser hatte sich bereits verdunkelt. Es war Abend geworden. Ich und Sakura waren offensichtlich doch ein bisschen länger am werkeln gewesen, als erwartet. Na ja, macht ja nichts. Ist schliesslich Wochenende. Bei diesem Gedanken jauchzte mein Inneres mal wieder auf.

Ich machte ein paar Schritte nach vorne, drehte mich um und lehnte mich an eine Laterne. So konnte ich halbwegs bequem den Eingang beobachten und gleichzeitig war ich vor diesen Marathon-Shoppern einigermaßen sicher.

Schweigend stand ich nun also da und wartete auf meine Freundin. Nur schon nach wenigen Sekunden war ich so gelangweilt, dass ich irgendwas machen musste. Aus reiner Gewohnheit zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und tippe wahllos auf den Tasten herum. Ein bisschen Fotos anschauen hier. Ein bisschen Handyspiele spielen da. Hauptsache man stand nicht einfach da und machte gar nichts.

Nach gewisser Zeit hob ich den Kopf und starrte ungeduldig in Richtung des Einganges. Sakura brauchte echt lange. Aber das war nichts, wegen was ich mir hätte Sorgen machen müssen. Sie war schon immer so kompliziert gewesen, wenn sie etwas kaufen wollte. Normalerweise blockierten wir bei McDonalds gerne für 10 Minuten den ganzen Betrieb, da sich Sakura nicht entscheiden konnte. Ich hatte mich also einigermaßen dran gewöhnt. Das heisst aber nicht, dass sich die Wartezeiten dadurch verkürzten.
 

Ich bewegte mich ein bisschen und versuchte so, eine neue Position zum Stehen zu finden. Mein Rücken begann langsam taub zu werden. Ich drehte mich also etwas nach Links, als mein Blick wie zufällig auf eine Person fiel. Einige Meter neben dem Eingang zum Laden, kauerte eine Gestalt und schien sich kein bisschen zu rühren. Ich vermutete anhand seiner Kleidung, dass es ein Junge war aber sicher war ich mir da nicht. Er trug eine sehr weite Jeans und einen ebenso weitgeschnittenen Pullover dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Wegen der weiten Kleidung konnte ich also keine genauen Konturen seiner Statur ausmachen und da er zu Boden starrte, konnte ich auch sein Gesicht nicht erkennen. Anbei fiel mir auf, dass seine Klamotten total verdreckt und voller Risse und Löcher waren. Sie sahen so aus, als hätten sie schon lange keine Waschmaschine von Innen gesehen. Ich fand es irgendwie seltsam, dass sich ein Junge, oder ein Mann, man weiss es nicht so genau, einfach mir nichts dir nichts auf den Bürgersteig setzt. Ich fragte mich gerade, ob er vielleicht betrunken war, als mir die Antwort wie Schuppen von den Augen fiel.

Eine Frau mittleren Alters blieb vor ihm stehen, musterte ihn kurz und begann dann in ihrem Portemonnaie herumzuwühlen. Sie zog etwas daraus hervor und bückte sich. Erst wusste ich gar nicht was das sollte, bis ich den kleinen weißen Plastikbecher am Boden entdeckte, welcher vor dem Jungen stand. Im nächsten Momente konnte ich ganz leise das Klimpern von Münzen hören und mir wurde alles klar. Der Junge bettelte.
 

Leicht geschockt starrte ich ihn an während er leicht den Kopf hob und sich bei der Frau bedankte. Doch auch so konnte ich nur ein paar Strähnen schwarzes Haar erkennen. Mir selbst war jedoch gerade unglaublich unwohl zu mute. Ich schämte mich richtig dafür, dass ich erst geglaubt hatte, er sei einfach nur irgendein besoffener Typ. Es war ja auch nicht so, als hätte ich noch nie einen bettelnden Menschen gesehen. Ich gehörte einfach zu den Menschen, welche immer ungesund viel Mitleid mit solchen Leuten haben. Wenn ich auf meine Straßenbahn warte und irgendeiner dieser Obdachlosen will mich um ein bisschen Kleingeld anhauen, muss ich regelrecht weglaufen, denn hat er mich einmal danach gefragt, kann ich unmöglich nein sagen. Würde ich es doch tun, hätte ich den ganzen restlichen Tag ein absolut zerstörtes Gewissen. Schon als Kind hatte ich das gehabt und war regelmässig in Tränen ausgebrochen, wenn ich auf der Strasse einen Bettler gesehen hatte. Mama und Papa waren keine schlechten Menschen, doch sie waren auch unglaublich ehrlich zu mir. Sie hatten mir gesagt, dass viele dieser Menschen Drogenabhängig waren und das Geld nur dazu verwenden würden, um an neuen Stoff zu kommen. Wir lebten immerhin in einem sehr modernen Land in welchem kein Obdachloser die Nacht hungrig auf der Strasse verbringen musste, wenn er sich an eine der extra für sie erbauten Unterkünfte wenden würde. Das hatte ich immer im Hinterkopf, wenn ich diesen Leuten begegnete - doch diese schrecklichen Gewissensbisse blieben konstant erhalten.
 

Wortlos beobachtete ich den Jungen, welcher immer noch regungslos an der Wand kauerte. Ich fragte mich, wie viel Geld wohl in diesem Becher war. Würde es für etwas zu Essen reichen? Würde er einen Ort zum Schlafen haben? War er drogenabhängig? Hatte er jemanden, der sich auch nur im Ansatz um ihn kümmerte?

Die ewig gleichen Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich dachte immer genau das gleiche, wenn ich einen Obdachlosen traf. Vermutlich war es falsch sich so Sorgen um diese Leute zu machen doch ich konnte mir nicht Helfen. Ich hatte das irgendwie gar nicht im Griff. Vielleicht war er auch selber an seinem Elend schuld doch auch wenn ich versuchte so zu denken, klappte das meist nicht sonderlich.

Ich beobachtete den Jungen noch eine ganze Weile ehe ich einen Schluss fasste. Ich seufzte leise und kramte mein Portemonnaie aus meiner Tasche hervor und öffnete das Kleingeldfächlein. Ich wühlte etwas darin herum und fischte einige Münzen heraus. Anbei redete ich mir ein, dass ich so auch etwas Kleingeld loswerden könnte, welches sich meist zu Unmengen in meiner Geldbörse sammelte. So umklammerte ich die wenigen Münzen fest in meiner Faust, fasste mir ein Herz und lief langsam zu dem Jungen herüber. Ich wünschte mir beinahe, dass die Entfernung zwischen uns mehr betrugen hätte ein paar Meter denn in Nullkommanichts war ich bei ihm angelangt. Ich stand direkt vor ihm und starrte mit klammem Herzen auf ihn hinab. Er schien mich nicht bemerkt zu haben, denn er rührte sich immer noch nicht. In dem Becher selbst langen nur wenige Münzen was mir erneut einen gehörigen Tritt ins Herz verpasste. Ich zögerte noch ein paar sinnlose Sekunden ehe ich einmal fest schluckte, mich bückte und die Münzen so leise wie möglich in den Becher gleiten lies. Kaum waren diese auf dem Boden des Plastikbechers angekommen, fühlte ich mich unglaublich erleichtert. Ich hatte das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Gerade wollte ich mich wieder aufrichten, als sich der Junge vor mir bewegte und er den Kopf hob. Ich selber hob ebenfalls meinen und so trafen sich unsere Blicke.
 

Es war seltsam überraschend, dass er trotz seines sonst so schrecklichen Aufzuges einen unheimlich klaren Blick hatte. Viele der Bettler, welchen ich schon begegnet war, hatten trübe Augen aus welchen alle Lebensfreude gewichen zu sein schien. Doch der Junge hatte klare schwarze Augen, welche in meine grauen zurückstarrten. Von Lebensfreude in seinem Blick konnte man allerdings beim besten Willen nicht reden. Er sah müde aus. Blassdunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab und sein Gesicht wirkte leicht eingefallen. Doch bei all dem Dreck und den verzottelten Haaren, welche ihm in die Stirn hingen musste ich zugeben, dass er an sich ein schönes Gesicht hatte. Plötzlich öffnete er den Mund und ich schnappte erschreck nach Luft. Irgendwie hatte mein Hirn gar nicht mehr damit gerechnet, dass er mich ansprechen könnte.

„Danke“, sagte er mit einer ruhigen matten Stimme und ein leises, dankbares Lächeln legte sich auf seine Lippen. Ich blinzelte ihn überrascht an. Seltsam. Nur mit diesem einen Wort und diesem sanften Lächeln hatte er mehr Dankbarkeit ausgedrückt, als es ein Blumenbouquet jemals könnte. Mir wurde richtig warm ums Herz und automatisch begann auch ich zu lächeln.

„Keine Ursache“, antwortete ich freundlich, erhob mich und lief schnell zurück zu meiner Laterne. Ich fühlte mich richtig gut und war froh, dass ich ihm ein bisschen Geld gegeben hatte. Ich hatte ausnahmsweise das Richtige getan.

Als ich bei meiner Laterne ankam, lehnte ich mich wie gewohnt an sie und richtete meinen Blick wieder auf den Ausgang. Sakura beeil dich! Es war zwar bereits April, aber Abends wurde es immer wieder etwas frisch. In meiner dünnen Jacke würde ich einer saftigen Erkältung nicht lange trotzen können. Während ich dort stand und auf Sakuras Ankunft wartete, wanderten meine Augen langsam und unauffällig in die Richtung, in welcher der Junge kauerte. Als ich ihn mit einem Seitenblick erhaschen konnte plumpste mein Herz im Sturzflug in meine Magengegend. Der Junge hockte nicht mehr mit gesenktem Kopf an der Mauer. Nein, er starrte in meine Richtung!
 

Stumm erwiderte ich seinen Blick aber keiner von uns machte Anstalten, etwas anderes zu tun als den anderen anzustarren. Aber Moment Mal! Sah er wirklich mich an, oder einfach nur jemanden hinter mir? Probeweise drehte ich mich um doch hinter mir war niemand der in dieser Blickrichtung stand. Es musste ja eine stehende Person sein, denn sonst wäre der Blick des Jungen gewandert. Ich drehte mich wieder zu ihm um und musste mit Schrecken feststellen, dass er mich immer noch anschaute. Gar nicht gut.

Plötzlich kam mir die ganze Sache mit den Münzen wieder wie eine unglaublich blöde Idee vor. Was wenn er jetzt vorhatte mir zu folgen und mir mein restliches Geld abzuknöpfen? Da ich ihm etwas gegeben hatte musste er vermuten, dass ich noch mehr davon besaß. Na ganz toll gemacht, Aoi!

„Aoi! Ich hab alles!“, ertönte eine Stimme und in der nächsten Sekunde sprang Sakuras Gesicht in mein Blickfeld. Ich zuckte zusammen und wich reflexartig einen Schritt zurück.

„Meine Fresse, hast du mich erschreckt!“, keuchte ich und hielt mir eine Hand aufs Herz. Dieses wummerte wie bekloppt. Ich konnte es gar nicht leiden, wenn man mich erschreckte.

„T’schuldigung“, sagte Sakura rasch und hielt mir eine prall gefüllte Plastiktasche unter die Nase. „Ich hab so tolle Sachen gefunden! Ein paar waren auch noch runtergesetzt!“

„Also hast du gar nicht nur bei der Unterwäsche gesucht?“, fragte ich und zog gespielt schockiert eine Augenbraue hoch. Sakura grinste mich schuldbewusst an.

„Sorry, Aoi aber ich konnte nicht widerstehen! Die Versuchung war zu gross!“, sagte sie theatralisch und wir beide begannen zu lachen.

„Wollen wir nachhause?“, fragte ich sie und schulterte meine Tasche. Sakura nickte zustimmend.

„Jap, ich brauch nichts mehr!“, sagte fröhlich sie und präsentierte erneut ihre knüppelvolle Tasche.

„Na dann ist ja gut“, lachte ich während wir zu der Straßenbahnhaltestelle liefen, welche sich nur wenige Meter neben dem Laden befand.

 
 

Wir hatten Glück. Nur schon während wir zu der Haltestelle schlenderte, rollte unsere Bahn bereits langsam in die Haltestelle und wir joggten die letzen paar Meter. Nachdem die Bahn neben uns zum Stehen gekommen war, hämmerte Sakura auf den leuchtenden Knopf und die Türen glitten auseinander. Schnell hopsten wir die niedrigen Stufen hinauf und ließen uns ganz hinten auf zwei Sitzplätze nieder.

Sakura war bereits dabei mir irgendetwas unglaublich spannendes zu erzählen, als mein Blick durch die Scheibe hindurch auf den Platz fiel, an welchem der Junge gesessen hatte. Ich entdeckte ihn genau an der Stelle, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Er hatte den Kopf wieder gesenkt, die Unterarme lagen auf seinen Knien. Er saß genau so da wie in dem Moment als ich ihn getroffen hatte. Nachdenklich beobachtete ich ihn während Sakura mir anscheinend die spannenste Geschichte meines Lebens erzählte, von der ich rein gar nichts mitbekam, und sich die Straßenbahn langsam in Bewegung setzte. Ich blickte ihm so lange nach, bis mir die anderen Passanten die Sicht raubten. Seufzend lies ich mich in den Sitz zurücksinken und starrte aus dem Fenster. Ich sollte das ganze schnell wieder vergessen. Schliesslich war es nur eine Begegnung von Minuten gewesen und ich würde diesen Jungen sowieso nie wieder sehen. Obwohl, man sieht sich ja bekanntlich immer zwei Mal im Leben. Na ja, dann würde ich ihm halt ein zweites Mal ein paar Münzen in seinen Becher legen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Inara
2016-09-16T04:47:27+00:00 16.09.2016 06:47
Interessant. Das ist was neues.
Von:  Scorbion1984
2016-09-08T05:27:57+00:00 08.09.2016 07:27
Diese Geschichte hat mich neugierig gemacht !
Antwort von:  Poemi-chan
08.09.2016 11:08
Ich bin echt glücklich, dass dich meine Geschichte neugierig machen konnte ^^
Danke dir viel mals dass du dir Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen UND einen Kommentar da zu lassen :D
Von:  SOLEVITA
2016-09-07T16:46:14+00:00 07.09.2016 18:46
Normalerweise lese ich nicht so gerne Geschichten mit Oc´s, bloß in Death Note, da mir dort Frauen Mangel ist :D
Aber du schreibst wirklich gut und das macht mich echt neugierig!
Antwort von:  Poemi-chan
08.09.2016 11:07
Ich bin echt unheimlich froh, dass dir mein Oc bisher gefällt! :D
Vielen vielen Dank dass du meiner Geschichte (und meinem Oc) eine Chance gegeben hast ^^
Von:  Bookja
2016-09-07T15:16:12+00:00 07.09.2016 17:16
So schön *-*
Ich hoffe du machst schnell weiter ;)
Antwort von:  Poemi-chan
08.09.2016 11:06
Ein ganz dickes fettes Dankeschön von mir, dass du dir Zeit genommen hast mir so einen lieben Kommentar dazulassen! :D
Bin richtig motiviert, direkt weiterzuschreiben ^^


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