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Café Enterprise

von

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Gelbe Becher

Als Pavel A. Chekov das erste Mal in dem gemütlichen Café namens Enterprise ein normal großes Heißgetränk bestellen wollte, das nichts mit Kaffee zu tun hatte, stellte er fest, dass hier einiges anders war als im guten alten Russland. Sein frisch aufgenommenes Studium hatte ihn in die USA kommen lassen und eine Empfehlung in diesen Coffee Shop. Es war jedoch sein erstes Mal in so einer Einrichtung und er war sich noch nicht sicher, was er davon halten sollte. Zumindest war er von dem reichhaltigen Angebot überfordert. Vor allem, weil er mit einigen der Worten auf der großen Tafel nichts anfangen konnte.

Geduldig stand Jim bei ihm und erklärte alles.

„Aber was ist ein 'Red eye'?“, fragte Chekov im dicken, russischen Akzent.

„Ein drittel Espresso und der Rest mit starken Kaffee aufgeschüttet.“

Chekov verzog das Gesicht.

„Gibt es auch Kaffee ohne Kaffeegeschmack?“

„Klar“, grinste Jim. „Unsere Cream Frappuccino zum Beispiel.“

„Dann nehme ich einen davon.“

„Schokolade, Erdbeer, Vanille oder Kokos?“

„Eeh..Schokolade.“

„Klein, mittel oder groß?“

Chekov blickte auf die ausgestellten Becher und fand, dass selbst der kleinste noch recht groß war.

„Klein.“

„Mit Sahne oder ohne?“

„Mit, denke ich.“

Der Russe fragte sich, wie viele Optionen er noch Entscheiden musste. Aber offensichtlich hatte er sich soweit erfolgreich durchgekämpft, denn Jim zückte Becher und Stift.

„Hervorragend. Wie ist dein Name?“

„Chekov“, erwiderte dieser verwirrt. Er war bisher noch nie beim Einkaufen danach gefragt worden. Jim erklärte ihm jedoch, dass er aufgerufen wurde, sobald sein Getränk fertig war. Chekov fand das ein wenig merkwürdig, weil sein Kaffee doch schnell gemacht war und er direkt hier stand.

Aber wie sagte man so schön: andere Länder, andere Sitten.

Als er dann sein Getränk bekam und probierte, fand er, dass Frappuccinos echt lecker schmeckten.

Auf einem für die Kunden aufgestellten Tisch gab es neben Strohhalm, Servietten und Zucker für die Kunden auch extra Zimt und er schüttete sich zwei zusätzliche Päckchen davon in den Becher, rührte das ganze mit dem Strohhalm um. Alles in allem waren Coffee Shops gar keine so schlechte Einrichtung. Wenn auch ein wenig verwirrend.
 

~
 

Das zweite Mal, dass Pavel A. Chekov die Enterprise betrat, war er mit einem Kommilitonen verabredet.

Während er sich anstellte und wartete, beobachtete er einige andere Gäste. Einige erkannte er aus Kursen in der Uni, viele andere schienen, mit Laptops und Textbüchern ausgestattet, aus anderen Fachbereichen zu sein.

Der Russe selbst hatte sich gleich für zwei Fächer eingeschrieben: Ingenieurwissenschaft und Astrophysik. Wobei letzteres sein Hauptfach war.
 

Als er an die Reihe zum Bestellen kam, grüßte ihn wieder Jim.

„Einen kleinen Schokoladenfrappuccino“, zitierte Chekov sich an seine Bestellung vom letzten Mal erinnernd.

Der junge Geschäftsmann nickte.

„Mit Sahne?“

"Да.“

„Soll ich auch gleich einen Schuss Zimt reinmachen?“

Das war der Augenblick als Chekov auffiel, dass James T. Kirk hinter seinem freundlichen Lächeln ein ebenso außergewöhnliches Hirn wie sein eigenes verbergen musste.

Es war bestimmt eine Woche her, dass Chekov hier gewesen war, und dennoch hatte er sich dieses kleine, eigentlich recht unscheinbare Detail gemerkt. Dass er überhaupt darauf geachtet hat, sprach für sein scharfes Auge. Und ohne Zweifel war es auch der richtige Name, den Jim da auf den Becher schrieb.

Chekov hatte keine Ahnung wie viele Menschen hier tagein tagaus herkamen. Viele definitiv, denn das Café war gut besucht. Dass Jim sich überhaupt für seine Gäste interessierte. Chekov schien das ungewöhnlich.
 

Mit seinem Getränk ging er zum Tisch, an dem sein Kommilitone bereits saß und begrüßte Sulu. Der junge Asiate war bereits zwei Semester länger an der Uni, und plante seine Zukunft als Pilot. Die beiden hatten sich bei einer Diskussion über Navigation in der Exosphäre angefreundet. Sulu war es auch gewesen, der Chekov die Enterprise empfohlen hatte.

„Wie findest du es hier?“, fragte der Dunkelhaarige, der bereits seit einiger Zeit an seinem Kaffee nippte, und schlug sein Buch zu.

„Es ist wirklich sehr nett.“

Chekov lächelte. Die beiden unterhielten sich, bis sich noch eine weitere Person dazu setzte.

„Hallo Jungs. Wartet ihr schon lange?“

Uhura schlug die Beine übereinander und lächelte breit.

„Nein, du bist pünktlich.“

„Bin ich nicht“, erwiderte die Dunkelhaarige wohl wissend. „Ich musste meine Hausarbeit in Neurolinguistik abgeben und der Professor hat mich noch aufgehalten.“

Die anderen beiden nickten verstehend.
 

Sulu und Uhura hatten sich übrigens, obwohl sie an der gleichen Uni studierten, hier in der Enterprise kennengelernt.

Die junge Frau jobbte hier, damals noch nicht lange, und wurde meist hinter die Kasse gestellt. Als herausragende Linguistik Studentin wäre es blöd von Jim sie nicht mit Kunden sprechen zu lassen. Außerdem sah sie auch gut aus, was sich hinterm Tresen immer gut machte. Aber natürlich hütete er sich ihr das so formuliert zu sagen.

Sulu stand in der Reihe zum bestellen, war aber, während er wartete, in ein Telefonat vertieft, das er auf japanisch hielt. Er kurz bevor er an der Reihe war, legte er auf.

Uhura, die das ganze mitbekommen hatte, hielt ihn für einen Touristen und begrüßte ihn in fehlerfreien japanisch: „Guten Tag. Was darf es sein?“

Sulu, der gerade den Mund aufgemacht hatte, um zu bestellen, blickte sie verwirrt an. Im ersten Moment dachte Uhura, sie hätte sich vielleicht versprochen. Dann erwiderte der Dunkelhaarige jedoch völlig akzentfrei: „Alter, ich bin aus San Francisco.“

Jetzt war es Uhura, die ihn überrascht anschaute. „Oh, entschuldige.“ Etwas peinlich berührt nahm sie seine Bestellung auf und war froh, als dann der nächste Kunde kam.

Jim hatte das ganze amüsiert mitbekommen, und verkniff sich ein Lachen.

Als sie dann kurz darauf Feierabend hatte, nahm Uhura ihre Jacke und näherte sich dem Tisch, an dem Hikaru Sulu aus San Francisco saß.

„Hey“, begrüßte sie ihn kurz „Sorry noch mal wegen vorhin.“

Der Asiate blickte auf und winkte ab, als er sie erkannte.

„Ach, schon gut. Ich hab mit meiner Großmutter in Osaka telefoniert“, erklärte er „Aber dein japanisch hat mich schon etwas überrascht.“

„Studier ich, unter anderem“, lächelte Uhura.

So fanden sie heraus, dass sie die gleiche Universität besuchten.

Da beide das Café regelmäßig besuchten – Uhura auch wenn sie nicht arbeitete – sahen sie sich öfters, begannen hier und da ein Gespräch, und im Laufe der Zeit wurde ihre Bekanntschaft in der Enterprise zu einer Art Freundschaft.
 

„Sagt mal“, fragte Chekov die beiden „was hat es eigentlich mit den Becherfarben auf sich?“ Er deutete auf Sulus gelben Becher und machte eine Geste ins Café, wo Leute auch blaue und rote in der Hand hielten. Die meisten zumindest. Einige wenige hatten, wie er selbst auch, einen normalen, farblosen.

„Jim gibt jedem Stammkunden eine Farbe“, erklärte Sulu. „Aber das System dahinter kennt außer ihm keinen.“

„Meine Vermutung war ja zuerst, dass er Leute nach ihrem Aussehen bewertet und einteilt“, fügte Uhura hinzu.

„Und die Idee war gar nicht so schlecht. Aber leider falsch“, kommentierte Jim, der zu ihrem Tisch trat. Er brachte ihre Bestellung persönlich vorbei. „Bitte sehr, einen Eiskaffee für die Dame mit der flinken Zunge.“

Uhura verdrehte die Augen, lächelte jedoch.

„Also, wie gehen die Uni-Arbeiten meiner brillanten Wunderkinder voran?“, fragte der Blonde dann in die Runde, und sie begannen nacheinander zu erzählen.

Sulu durfte seit neusten im Flugsimulator Übungsstunden nehmen. Und gerade als sein Professor einmal dabei war, um zuzuschauen, hatte er die Maschine starten wollen, doch nichts war passiert. Erst als sein Co-Pilot ihn darauf hinwies, bemerkte er, dass er vergessen hatte den hydraulischen Reifendruckkompensator zu lösen.

„Also die Handbremse“, stellte Jim fest und sie lachten, als Sulu nickte. Es schien niemanden zu wundern, dass der Besitzer des Café sich mit solchen Dingen auskannte.

Uhura erzählte von ihren Übersetzungsarbeiten und Chekov von den vielen Fächern, die er Dank seiner doppelten Studienfachwahl belegen musste. Insgesamt fand er den Unterricht großartig. Nur bei einem Professor für Ingenieurwissenschaft hatte er einige Sprachschwierigkeiten, weil er nicht immer dessen europäischen Akzent verstand.
 

Der Nachmittag verging schnell und die drei – Jim war irgendwann wieder seiner Arbeit nachgegangen – lachten viel. Chekov hatte zum ersten Mal seit seinem Umzug auf diesen fremden Kontinent ein Gefühl von Zuhause.

Die Enterprise wurde auch zu seinem Stammcafé. Und als er das nächste Mal kam und seine Bestellung aufgab, drückte Jim ihm grinsend einen gelben Becher in die Hand.

Chekov wusste zwar immer noch nicht, was die Farbe bedeutete, aber er war trotzdem ein bisschen stolz.



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