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Mutantenbrut

Im Land der Draconigena
von

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Nyrociel

Irgendwo im Unüberwindbaren Gebirge, 150 Jahre nach dem Zusammensturz Arbors

Mit zehn Jahren war Nyrociel noch lange nicht erwachsen. Dennoch half sie ihrer Mutter und ihrem Vater so gut es ging, auch wenn es sie lockte, draußen mit den anderen Kindern zu spielen. Doch brav blieb sie bei ihren Eltern sitzen und nahm die Tiere aus, die ihr Vater heute mit den anderen Jägern gejagt hatte. Nyrociel blickte kurz hoch und sah ein paar der Elfen lachend über das steinige Land huschen und sehnsüchtig sah sie ihnen hinterher, während ihre Hände automatisch weiterarbeiteten, den Bauch des Berghasen aufschnitten, damit sie die Gedärme rausnehmen konnte. Der metallene Geruch von Blut stieg ihr in die Nase und die junge Elfin senkte den Blick, damit sie sich nicht in die Finger schnitt.

Die anderen Elfen spielten nicht so gerne mit ihr denn alleine ihr Name bedeutete ein Unheil.

Nyrociel – die im Sturm Geborene.

Manchmal fragte sich Nyro, warum ihre Mutter sie so genannt hatte, aber dann fiel ihr in, dass Herrin Sanaha bei der Wortwahl doch einiges mitzusagen gehabt hatte, gerade wegen den Umständen, unter denen sie geboren war, mitten im Herz eines der größten Stürme, die der Clan miterlebt hatte. Alaia beruhigte ihre Tochter immer und sagte ihr, dass Dariawida – die alte Schamanin, die fernab von ihnen in einer kleinen Höhle lebte – zwar ein schlechtes Omen hervorgesehen hatte, aber man auf die alte, halb wahnsinnige Elfin nicht hören sollte, denn Daria schien geistig nicht mehr ganz gesund zu sein.

„Das liegt an Darias Schamanentum“, hatte Nyros Vater, Tenobaal, gemeint, nachdem Nyrociel ihn danach gefragt hatte. „Dariawida verbringt zu viel Zeit mit den Geistern der Natur und das hat die Elfin geschädigt.“

Nyrociel verstand, dennoch glaubten gerade die Elfenkinder, die bei ihrer Geburt mit dabei gewesen waren, dass die junge Elfin verflucht war – und sie drückten ihren Unmut über Nyros Anwesenheit nur zu gerne aus. So behaupteten sie zum Beispiel, dass es Nyrociel gewesen war, die den Sturm damals heraufbeschworen hatte, wobei Herrin Sanaha immer nur abfällig schnaubte und die Jungen dann fragte, wie Nyrociel dies denn aus dem Bauch ihrer Mutter hätte machen sollen. Sie rügte jeden, der schlecht über Nyro sprach und deswegen flüsterten sie nur noch, in der Hoffnung, Sanaha würde sie überhören.

Aber Nyrociel wusste, was sie redeten und für die meisten war sie ein Unglückskind, dabei war seit ihrer Geburt nichts geschehen und der Clan lebte friedlich beisammen – sogar friedlicher als vorher, jetzt, wo Dariawida sich zurückgezogen hatte.

„Wenn Nyrociel fertig ist, darf Nyrociel spielen gehen“, sagte Alaia, der der sehnsuchtsvolle Blick ihrer Tochter aufgefallen war.

„Nyrociel will nicht spielen“, antwortete die Elfin prompt und machte sich daran, das Herz und die Leber rauszunehmen – wertvolle Zutaten, die mit am besten schmeckten. „Alleine spielen ist nämlich nicht schön.“

Alaias Blick wurde ein wenig traurig und sie sagte: „Aber Nyrociel hat doch Freunde im Clan. Nyrociel sollte sich nicht darum scheren, was die anderen Clanmitglieder sagen, denn Nyrociel ist etwas Besonderes. Alaia ist sehr stolz auf Nyrociel.“

Natürlich war Alaia stolz auf ihre Tochter, immerhin war Nyro ihre Erstgeborene. Und dennoch fühlte sich die Elfin oft unwohl inmitten all der Elfen, die unter normalen Umständen geboren waren – der Clan der Elfen des Unüberwindbaren Gebirges war ein abergläubisches, kleines Völkchen und die anderen Elfenclans rollten häufig nur mit den Augen über sie.

„Wenn Nyrociel möchte“, mischte ihr Vater sich ein und setzte sich zu seiner kleinen Tochter, „Dann kann sie die Gegend erkunden. Nyrociel erkundigt die Gegend doch gerne, richtig?“

Die junge Elfin dachte einen Moment nach – ja, sie entfernte sich tatsächlich gerne von dem Clan, um zu schauen, was die Berge alles hergaben. Das Unüberwindbare Gebirge war groß, unheimlich groß und der Clan selbst schaffte es nur selten, die Bergspitzen zu erreichen – meistens in den Sommermonaten, denn ganz oben wuchsen seltene Kräuter, die sie dann zu den Treffen mit den anderen Clans mitbrachten, denn die Herrinnen profitierten von den seltenen Gewächsen unheimlich.

Die Menschen waren ziemlich dumm, weil sie glaubten, dass das Gebirge tatsächlich unüberwindbar sei – sie hatten über all die Jahre hinweg einen Tunnel gebaut, der durch das Gebirge hindurchführte und damit Arensentia, die Wüstenstadt, nicht abgeschnitten vom Rest des Landes war – doch so abergläubisch wie die Wildelfen selbst, konnte auch das Volk der Menschen sein. Also ließen sie die Wildelfen in dem Gebirge in Ruhe und kümmerten sich lieber um ihre eigenen Probleme.

Außer Collis, denn immerhin waren es die Ländereien des großen Königreiches, wo sich der Clan aufhielt und die Elfen waren ein ziemlich großer Dorn im Auge des Menschenherrschers. Aber Sanaha lächelte nur milde, wenn sie Soldaten sahen und ihre Jäger waren gut genug, jene auch wieder zu verscheuchen.

„Nyrociel könnte zudem Lafadiel fragen, ob er mitkommt“, sagte Alaia noch. Die Angesprochene wandte den Kopf und ihre gräulichen Augen suchten den genannten Elfen. Lafadiel war ein paar Jahre älter als sie, fünf oder zehn, doch sie mochte ihn ziemlich gerne. Er sollte ein großer Jäger des Clans werden und trainierte viel mit seinem selbstgeschnitzten Bogen. Er trug sogar schon einen Kopfschmuck, was ihm von den Elfenfrauen ziemlich viel Respekt einbrachte und sah obendrein auch noch gut aus mit dem harten Gesichtszügen, den schräg stehenden, grünen Augen, den roten Lippen und den langen, schneeweißen Haaren, die in der Sonne silbern schimmerten. Außerdem war er kräftig, was man unter dem ganzen Leder und den Fellen nicht erkannte, doch die Weibchen tuschelten immer aufgeregt, wenn er vorbei ging.

„Hm. Vielleicht fragt Nyro Lafadiel ja wirklich“, meinte sie und wischte sich die blutigen Hände an ihrer Kleidung ab. Ihre Eltern lächelten sie liebevoll an und die junge Elfin stand auf und machte sich auf den Weg zu dem begehrten Elfen, der gerade eben seine Bogensehne mit Fett einrieb, damit sie schön geschmeidig blieb. Lafadiel blickte hoch, als er Nyrociel näher kommen sah und lächelte sie lieb an.

„Hallo Nyro“, begrüßte er sie mit sanfter Stimme. „Wie geht es dem Unglückskind des Clans?“

Lafadiel meinte das nur als Scherz und Nyrociel wusste das, deswegen nahm sie es ihm nicht übel. Bei jedem anderen Elfen wäre sie nun beleidigt gewesen, aber bei dem sympathischen Jäger schaffte sie es einfach nicht.

„Nyrociel ist ziemlich langweilig“, gestand sie ein, „Nyro möchte gerne die Gegend erkundigen. Kommt Lafa mit?“

„Lafadiel würde wirklich gerne mitkommen, aber…“ Er stockte und Nyro bemerkte, wie seine Augen unsicher zu seinen Freunden hin schwenkten. Die anderen Jäger, die in seinem Alter waren, sahen rüber und unterhielten sich angespannt. Wahrscheinlich lästerten sie wieder über Nyrociel und die Elfin bemerkte, wie ihre Anwesenheit Lafadiel ein wenig unangenehm war. Er mochte sie zwar, das wusste sie, aber dennoch war ihm sein Ansehen im Clan wichtig.

Nyrociel konnte es ihm nicht verübeln.

„Ist schon gut“, sagte sie also, um Lafadiel die schwere Entscheidung abzunehmen. „Nyrociel geht alleine. Nyro ist es ja schon gewöhnt.“ Sie wandte sich um, um zu gehen, als Lafadiel sie noch einmal zurückhielt: „Nyro, warte.“ Er stand auf und stellte sich zu ihr, lächelte. „Lafadiel kommt mit. Was die anderen Elfen sagen, ist Lafadiel ziemlich egal. Die Gegend erkundigen ist interessanter, als die Bogensehne mit stinkendem Ziegenfett einzuschmieren!“ Nyrociel strahlte regelrecht und sie spürte, wie es ihr wärmer ums Herz wurde: Lafadiel hatte sich für sie und gegen seine überheblichen Freunde entschieden, das war ein äußerst gutes Zeichen. Der gutaussehende Elf nahm ihre Hand und meinte: „Nyro kommt jetzt mit.“

„Ja, Nyro kommt mit“, lächelte die Elfin und ein wenig Wärme stahl sich in ihr Herz. Immerhin hielt Lafadiel ihre Hand! Das war ein unglaubliches Gefühl und die junge Elfin bemerkte bereits die eifersüchtigen Blicke der anderen, älteren Mädchen. Aber Nyrociel hatte keine romantischen Gefühle für Lafadiel… sie war noch viel zu jung, als dass jemand um sie werben würde.

Sie mochte Lafadiel einfach nur so, weil er nett zu ihr war und weil man mit ihm viel Spaß haben konnte. Genau wie heute. Sie lächelte breit und winkte ihren Eltern zu, die sie mit wohlwollendem Blick beobachteten, danach machten sie und Lafa sich auf den Weg, das Lager zu verlassen und die Gegend anzuschauen.

„War Lafadiel heute jagen?“, wollte Nyrociel wissen, denn schweigsam nebeneinander her zu laufen empfand sie immer ein wenig befremdlich. Außerdem war sie neugierig.

„Nicht wirklich. Lafadiel ist mit den anderen Jägern mitgelaufen, um sich alles anzuschauen“, erzählte der begeisterte Elf neben ihr und half ihr hoch, einen Felsen zu erklettern. Er hievte sich sofort nach ihr hoch und fuhr fort: „Es war äußert spannend. Der Clan wird heute Abend reichlich zu Essen haben!“

„Das ist doch schön. Herrin Sanaha war bestimmt sehr erfreut“, meinte Nyrociel, die ja selbst noch viel zu jung war, als dass sie mit jagen gehen durfte. Außerdem war die Jagd den Männchen des Clans vorbehalten, während die Weibchen… nun ja, andere Aufgaben übernahmen.

Aufgaben wie Kochen oder Beeren und Kräuter pflücken, wenn es denn welche gab. Sanaha brachte sie immer zu Orten, an denen solche Sachen wuchsen und von daher war es kein Wunder, dass sie eine der besten Herrinnen war, die der Clan jemals gehabt hatte.

„Sanaha ist immer erfreut, wenn es um das Wohlergehen des Clans geht“, lachte Lafadiel und half ihr wieder von dem Felsen runter. Während er neben ihr stand, blickte die Elfin in die Ferne und ihre Augen blieben an einer kleinen Stelle liegen – eine kleine Höhle, vor der ein kleines Feuer brannte.

„…es ist seltsam, findet Nyrociel nicht auch?“, fragte Lafadiel und blickte in dieselbe Richtung. „Der Clan kommt alle paar Monate hierhin zurück.“

„Herrin Sanaha möchte einfach nicht, dass Dariawida so lange alleine lebt“, meinte Nyrociel. „Es ist ehrenhaft von Sanaha, Daria weiterhin zu verpflegen, obwohl Daria ausgestoßen ist.“

„Dariawida ist eine Legende“, meinte Lafadiel zu ihr. „Daria lebt, obwohl Daria schon tot sein sollte. Es ist ein Wunder der Natur.“

„Wahrscheinlich möchten die Geister Darias Tod nicht“, mutmaßte Nyrociel und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Sie würde es niemals zugeben, aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich zu der alten Schamanin hingezogen… beinahe so, als flüsterte eine Stimme ihr immer wieder zu, sie sollte sich von ihr unterrichten lassen. Noch nie hatte Nyro darüber mit jemanden gesprochen, denn dann würde man sie endgültig für verrückt halten.

Sie hörte keine Stimmen, punkt.

Dariawida ist wie Nyrociel…, hallte es in ihrem Kopf. Keiner im Clan versteht Nyrociel… Dariawida wird es. Daria wird Nyro aufnehmen und wie eine Tochter behandeln.

Die leise, verführerische Stimme, sie existierte nicht. Nyro bildete sie sich ein, weil alle im Clan sie für ein Unglückskind halten. Weil man ihr einredete, dem Clan Pech zu bringen, obwohl das nicht stimmte. Außerdem hatte sie ihre Eltern, die sie über alles liebten, warum sollte Nyrociel zu der alten Schamanin gehen?

Nyrociel war nicht wie Dariawida – sie war ganz anders.

„Vielleicht“, sagte Lafadiel und Nyro zuckte zusammen: Sie hatte schon beinahe vergessen, dass der Elf noch da war. „Aber Daria will bestimmt nicht gestört werden. Sieht Nyrociel die Erhöhung dort hinten?“

„Nyrociel sieht sie“, antwortete die Elfin und wandte den Blick von dem kleinen Feuer der Schamanin ab. „Dort wächst etwas. Ein Baum?“

Lafadiel stupste sie an und meinte: „Nyro und Lafa sollten das rausfinden!“

„Ja, das sollten sie“, erwiderte die Elfin und gemeinsam gingen sie los, ohne zu bemerken, wie Dariawida aufgestanden war und sie beobachtete.



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