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Der Pfad des blutroten Teufels

von

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Der blutrote Teufel

Ein verrücktes Lachen schallte durch die Dunkelheit. Es klang so schrill, dass es einem durch Mark und Bein ging und eine unbehagliche Gänsehaut auf der Haut hinterließ, sobald man es hörte. Nachdem das Gelächter verstummt war, folgte die wahrhaftige, eigentlich wunderschön anzuhörende Jungenstimme. Hätte sich jemand in diesen Gefilden befunden, dann mochte man kaum glauben, dass es sich um ein und dieselbe Stimme handelte, die eben noch seiner kranken Ekstase Ausdruck verliehen hatte.

„Das war nun der Siebte. Es war zu einfach. Oh jah, es war wirklich zu einfach.“ Ein leises Kichern folgte auf die verträumte Aussage hin. Sein Herz klopfte schnell und kräftig vor Erwartung. Es fehlten nicht mehr viele bis er sein Ziel erreichen würde.

'Der Pfad des blutroten Teufels' oder auch 'Die Hexe Madea', wie man ihn mittlerweile hier in London nannte, war ebenso bekannt wie der brutale Verbrecher Jack the Ripper. Fernerhin tränkte der blutrote Teufel seine Umgebung verträumt in Blut und leckte lebensfremd ein wenig von seinen Händen. Kurz darauf legte er seine Stirn in Falten. Diese weichen, feuchten Innereien waren vor nur einem kleinen Moment noch ein Teil dieses lebendigen Menschen gewesen und hatten pulsiert und ihre natürliche Arbeit im Körperinneren verrichtet. Sie fühlten sich noch immer lauwarm in seinen blutbesudelten Händen an. Der Teufel liebte das Gefühl vom warmen Leben zwischen seinen schmalen Fingern, doch hatten diese menschlichen Überreste mittlerweile eine Temperatur erreicht, die er nicht mehr als angenehm empfand.

„Sieh‘ sich einer diese Unmengen von Blut an. Gut dass ich kein Vampir bin, sonst hätte ich vermutlich alles davon trinken müssen“, sprach er zu sich selbst. Früher hatte er mit den Seelen der Karten gesprochen, die ihn oft besuchten, heute kamen sie nicht mehr zu ihm. Vielmehr konnten sie ihn nicht mehr erreichen, denn der blutrote Teufel und die Hexe Medea sind vor vielen Jahren schon weltfremd geworden. Ihre Gedanken waren an jemand anderen gebunden, den es nicht mehr gab in dieser Welt, den sie doch aber unter allen Umständen wiederfinden wollte.

Zu den Füßen des Teufels lagen all die Teile, die zuvor noch in einem Menschen gewesen waren, doch augenblicklich glich alles einem verschmierten Chaos. Ähnlich wie eine groteske Zeichnung eines traumatisierten Kindes. Es handelte sich um eine vollkommen rote Blutlache, welche langsam immer dunkler wurde. Vor kurzem glich dieser weite Fleck noch einem kleinen See, auf dem das Mondlicht herabschieb und der Teufel sich spiegeln konnte. Hin und wieder war die Oberfläche von kleineren und groben Unregelmäßigkeiten unterbrochen – Fleisch-, Faser- und Muskelstücken kamen immer weiter und weiter zum Vorschein, so wie das Blut trockener wurde. All dies konnte man kaum mehr als Mensch identifizieren. Selbst das schöne, nun mehr durch und durch mit blutbesprenkelte, saphirblaue Haar nicht mehr. Nur hier und dort stach es aus dem dunkelroten Kontrast zu den Überresten heraus. Das Gesicht des jungen Mannes war durch die abgezogene Haut, kaum mehr als ein solches zu erkennen. Die sonst so genau passenden Augäpfel waren aus ihren Höhlen gerissen und gleich darauf vom Teufel zertreten worden. Der Schauplatz spiegelte die Szene eines grausamen Gemäldes über die Hölle wieder.

Der getötete Jugendliche war lediglich in einen gewöhnlichen Haushalt hineingeboren worden und hatte eine ebenso normale Erziehung sowie Ausbildung genossen. Wie es seinen gewohnten Routinen entsprach, sollte er an diesem Abend wie üblich nach den abgeschlossenen Terminen wieder nach Hause zurückkehren. Nach der Schule zum Duel Monsters Duellklub, dann zum Physiknachhilfeunterricht bei einem nahen Verwandten und dann, gegen zweiundzwanzig Uhr wieder nach Hause. Zu seinem Leidwesen aber kreuzte dieser Junge den Pfad des blutroten Teufels, der wohl ausgerüstet mit einem Deck war, doch nicht den Hauch einer Chance gegen diesen gefährlichen Gegner hatte. Dieser unglückliche Jugendliche machte den Fehler, dem Teufel gegenüber eine überaus erbärmliche Gestalt zu zeigen und bitterlich um sein Leben zu betteln. Genauso wie es jeder andere Mensch, der an seinem Leben hing auch täte. Der Junge, den der Teufel lieb hatte, war dagegen ganz anders gewesen. Der Junge damals, war wirklich außergewöhnlich selbstlos und dazu bereit gewesen sein eigenes Leben für all seine Schulkameraden zu opfern.

Der Teufel hatte diesen Jungen geliebt.

„Hmm. 'Der Pfad des blutroten Teufels' hat gar keinen so schlechten Klang, aber ich mag ihn nicht. Wenn es schon etwas mit Rot sein muss, warum nicht 'Die roten Schuhe des Teufels', das würde ich viel besser finden. Aus den Märchen von Hans Christian Andersen. 'De røde Sko' – Karen, die rote Schuhe trug. Haha...“, sinnierte der Teufel gedankenverloren, während er im roten Fleck tanzte, als trüge er tatsächlich feine, rote Tanzschuhe.
 

Es war dem Teufel nichts anderes übrig geblieben als seinem Opfer die Beine abzutrennen, wobei er belustigt in die kalten Hände klatschte. Er hatte endlich die siebte Komponente, oder viel mehr das siebte Menschenopfer, für das von ihm gewünschte Organ. Beim letzten Mal hatte er für die Nieren gemordet. Das Menschenopfer vor dem, heimste ihm die Leber ein und zuvor hatte der Teufel die Milz und die Lunge errungen. Die Harnblase war schlussendlich mit diesem siebten Opfer, in seine Hände gefallen. Nun fehlten ihm nur noch vier weitere Organe und Innereien. Darunter waren der Dickdarm, Dünndarm, der Magen, die Hoden und als letztes noch das Herz. Die weiteren fünf Bestandteile ergaben zusammen die zwölf Tode, die es laut des heiligen Rituals verlangte. Ob aber andere, klardenkende Menschen ein solches Ritual als heilig titulierten, interessierte den Teufel nicht. Für ihn war es ein langersehntes Wunder. Ein solches Mirakel konnte nur heiligen Ursprungs sein. Da war sich der blutrote Teufel ganz sicher.

Fünf Organe und sechs Eingeweide. Es fehlten ihm noch einige wertvolle Dinge, darunter eines der wertvollsten für das Ritual: das Herz. Dieses Opfer ward mit Bedacht gewählt. Der Teufel kannte das Gesicht und den Namen seiner Beute bereits, aber er war ihm bisher noch nie gegenübergestanden.

Neben dem Wertvollstem, dem Herzen waren die Hoden von größter Wichtigkeit für den Teufel.

Die Hoden…

Oh ja, diese fehlten ebenfalls noch. Eben dieser Gedanke brachte den Teufel erneut dazu, in ein hysterisches Kichern zu verfallen, das schier endlos erschien. Es soll Fälle gegeben haben, in denen Jack the Ripper den Uterus einer Frau herausgezogen hatte. Vielleicht war er, dem Serienmörder doch nicht so ungleich. Das Lachen verstummte nicht. Sobald 'der Pfad des blutroten Teufels' ein solches Lachen ausstieß, bedeutete es entweder dass er vollkommen verzückt war, oder augenblicklich frei von jeglichen Emotionen. In diesem Augenblick musste es wohl sein Verzücken gewesen sein.

„Sobald die zwölf Tode, nein, die zwölf Menschenopfer gebracht sind, wird 'Kettenmaterial' aktiviert. Ich brauche diese blöden Augäpfel und auch die Haut dieses Jungen nicht. Das Haar ist auch nutzlos. Nur noch dein schöner Körper bleibt übrig. Keine Sorge, man wird dich finden und wahrscheinlich bekommst du ein würdiges Begräbnis. Aber du wirst für alle Ewigkeit durch meine Hand weiterschlafen“, säuselte der Teufel, wobei er auf das wenige Blau des Haares herabsah, welches ihn noch immer an seinen Geliebten erinnerte, „Es ist ein Jammer. Du hättest sicher jemanden glücklich machen können. Genau wie er mich einst glücklich machte…“

Wenn der Teufel an seinen Geliebten dachte, der einfach weiterschlief, wurde sein Gemüt ein wenig sanfter. Er liebte alles an ihm. Allerdings blieb die wunderschöne Gestalt seiner Begierde noch immer eingefroren. Seit er das letzte Mal den wohlklingenden Namen ausgesprochen hatte, waren zehn Jahre vergangen. Der schlummernde Junge verblieb treu an der Seite des Teufels, allerdings er war nicht mehr und nicht weniger, als ein lebloser Körper.
 

Ein Toter sprach nicht.
 

Er überbrachte dem Teufel kein Liebesgeflüster.
 

Ein Toter sagte kein Wort.
 

Er flüsterte ihm weder Liebe zu, noch tadelte er ihn für diesen Wahnsinn.
 

„Nur für dich werde ich zu einem Dämon, zu einem Monster, wenn es sein muss, oder auch zu einem Mörder. Vielleicht aber auch zu einem Teufel oder einer hinterhältigen Hexe und ziehe mir dieses rote Paar Schuhe an, um wie ein dummes, kleines Mädchen in der Welt zu tanzen. Meinetwegen werde ich auch zur Schneekönigin, ich werde alles für dich. Denn jetzt kann ich nicht mehr zum Rückzug ansetzen. In dem Augenblick, als du 'ermordet' wurdest habe ich damit begonnen und jetzt habe ich endlich den Siebten eingesammelt, da lohnt es sich nicht einen Rückzieher zu machen. Ich werde wie Medea meinen sündigen Weg bis zum Schluss gehen. Ganz egal wie viele mich fürchten oder mir die kalte Schulter zeigen…

Egal wie viele mich in die Hölle zurückwünschen, oder auch verfluchen…

Für mich… spielt das alles keine Rolle“, sang nun die leicht feminine Stimme des Teufels vor sich hin.

In der griechischen Göttersage heißt es, dass die berühmte Hexe Medea von Hera, Zeus' Frau dazu verführt wurde ihren Vater zu hintergehen und sie verliebte sich Hals über Kopf in den eigentlichen Erzfeind Jason. Es gelang ihr tatsächlich Jason zu heiraten und ihre Intentionen waren, von den aller besten Absichten gewesen, allerdings wurde sie letzten Endes von ihrem Mann gefürchtet, als er von ihren teuflischen Taten erfahren hatte. Jason vermählte sich erneut, mit der Prinzessin eines anderen Landes. So entschloss sich die von Eifersucht und Wut geplagte Medea dafür die neue Frau ihres Mannes zu verbrennen und anschließend verschaffte sie ihrem eigenen Kind und sich selbst ein Begräbnis, so dass sie für immer von Jason getrennt waren. Allerdings hatte sie dadurch auch ihr Leben im göttlichen Paradies verwirkt.

Der Teufel warf sich das herausgezogene Organ, welches mittlerweile ausgekühlt war, in den Mund und schluckte es ohne zu kauen herunter. Das Gefühl jeden Moment erbrechen zu müssen, breitete sich in seinem Hals aus. So eine Harnblase war eigentlich viel zu groß zum Schlucken, doch der Teufel riss sich zusammen und tat es trotzdem ohne seine Miene zu verziehen. Dann, machte er sich auf den Weg und ließ den Rest des Opfers ungeachtet auf der Straße liegen. Man konnte sowieso nicht mehr erkennen, ob dieser Körper ursprünglich einmal ein anständiger Mensch gewesen war, oder nicht.

„Johan... Johan… Mein Johan...

Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Für dich Johan, nur für dich, gebe ich mein Bestes. Würdest du vielleicht schon aus dem Grund wieder für mich lächeln? ...“, wie ein naives Mädchen, sang der Teufel die Worte süß und leise hervor. Der Wahnsinn dieser Liebe schrie aus ihm heraus. In seinen Handlungen lag keine Gerechtigkeit mehr. Alles war einfach nur noch vom Wahnsinn verdreht.

„Jeder, der dir schaden will, werde ich mit meinen eigenen Händen von dir fernhalten. Alles was du hasst, werde ich mit meinen bloßen Händen ausmerzen.... Sind dies die Taten eines Ketzers? Oder eines Partners? Oder bin ich jetzt zur Ausgeburt des Krieges selbst geworden...?“ Ein leises Lied vor sich hin summend, legte der Teufel den Weg bis zu seinem Nest zurück. In sein warmes Nest, in welchem sein Geliebter auf ihn wartete. Derjenige, für den die zwölf Tode vollbracht werden mussten. Eine leblose Hülle. Der tote Körper seines Geliebten, der schön wie eine Porzellanpuppe darauf wartete, die fehlenden Teile wiederzubekommen. Hier in dieser dunklen Grotte, in der nur der Geruch der See und feuchten Algen hineindrang. Erst seit geraumer Zeit vermischte sich dieser angenehme Duft nach Meer mit dem modrigen Geruch von Fleisch und metallischem Blut. Von seinem aufgeregt schlagenden Herzen geleitet, tanzte der Teufel in dieses schaurige Nest zurück und murmelte verträumt vor sich hin:

„Nein, Glaube... Glaube ist Wahnsinn. Ich habe lediglich Sünde in mir aufgenommen um Gott endlich nicht mehr ertragen zu müssen. Wo ist nur mein Gott?“

Niemandes Stimme antwortete ihm. Deshalb musste der Teufel die Antwort selbst aussprechen und fuhr fort: „Mein Gott ist der Herr des Regenbogens. Johan Andersen ist bis in alle Ewigkeit an meiner Seite.“

'Der Pfad des blutroten Teufels' oder 'Yuuki Juudai' heulte wie ein verträumtes, junges Mädchen.
 


 

Fortsetzung folgt



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