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Zwillinge

von

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Die Dunkelheit, die ihn für Stunden, Tage, Wochen umgeben hatte und der er sich letztendlich ergeben wollte, begann sich zu lichten. Etwas war da. Wie Rauch, der langsam verflog, konnte Pietro plötzlich etwas wahrnehmen. Ein grauer Schleier hing noch immer über seinen Augen, aber die Silhouette vor ihm war eindeutig menschlich.
 

„Er ist wach.“. Die raue, weibliche Stimme bahnte sich einen Weg in sein Bewusstsein. Wach? Er versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Die Avengers. Ultron. Und dann die Schüsse. Er war sich sicher gewesen, dass er tot war, aber was war dann das? Ein Piepen holte ihn aus seinen Gedanken. „Alexis! Nicht!“ wieder eine Frauenstimme, heller, freundlicher.

„Der Schmerz wird ihn schneller aufwecken.“ Sie hatte Recht. Ein Schmerz fuhr durch jede Faser seines Körpers und er wollte sich krümmen. Er war festgeschnallt. Panik wallte auf. Er schüttelte den Schleier ab, keuchte vor Schmerz. „Was?!“ seine Stimme war nur ein Krächzen aus seiner wunden Kehle.
 

Wieder lehnte sich die Frau über ihn. Schwarze Haare, dunkelblaue Augen, kein freundliches Gesicht. Sie schnippte vor seinem Gesicht, wahrscheinlich um seine Reaktion zu testen. „Ja wach, du kannst gehen Kitty.“. „Aber Alexis…!“ Sie winkte sie streng hinaus. Im Augenwinkel erkannte Pietro nur die blonden Locken.

„Weißt du, wo du bist?“ Sie fuhr das Kopfende seines Bettes in eine aufrechte Position, damit er sie ansehen konnte. Der Schmerz lenkte ihn ab, er zerrte an den Fesseln. „Wenn du so weiter machst, war Kittys Arbeit umsonst und die Wunden gehen wieder auf.“ Trocken, fast gelangweilt. Der junge Mutant zwang sich, sich wieder zusammen zu reißen. Er sah sie jetzt an, gab aber keine Antwort, da er die Frage schon wieder vergessen hatte.

„Man hat dich erschossen.“ Er nickte. Daran erinnerte er sich. „Man hat dich zu uns gebracht – um mal wieder ein Wunder zu bewirken.“ Sie machte eine Geste, die ihm ihre Arroganz beweisen sollte. „Tadaa. Da ist dein Wunder. Du lebst.“

Er atmete schwer, noch immer musste er die Dinge in seinem Kopf sortieren. „Wanda..?“ stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Sie wird informiert, sobald du stabiler bist.“ Endlich ließ sie ihm die Zeit, zu verstehen. Demonstrativ sah sie sich um und ignorierte ihn für einige Minuten.
 

„Wer bist du?“ sein Atem hatte sich normalisiert, er versuchte die verkrampften Muskeln zu entspannen. „Alexis.“

Er hatte den Namen schon einmal gehört. Ganz entfernt. Aber es wäre schon ein großer Zufall, wenn ausgerechnet dieses Mädchen, die besagte Alexis wäre.

Sie stand auf, lehnte sich über ihn. Sofort verkrampfte er sich wieder. Genervt sah sie ihm ins Gesicht, bevor sie fortfuhr. Eine Strähne fiel aus ihrem streng zusammengebundenen Haar. Er roch Zigaretten und Menthol. Plötzlich ließ der Druck auf seine Gelenke nach. Sie hatte ihn los gebunden.

„Wenn du gehen willst –oder kannst- , ich werde dich nicht aufhalten.“ Sie machte eine Pause und wartete seine Reaktion ab. „Aber wenn nicht, kannst du bleiben, bis du wieder völlig hergestellt bist.“

Das war keine Gastfreundschaft. Wahrscheinlich bezahlte sie jemand für diesen Dienst. „Meine… Institution… wird dafür sorgen, dass du keine bleibenden Schäden zurück behältst. Dafür verlange ich nur, dass du dich an meine Regeln hältst.“

Wieder nickte er schweigend. Alles hier war so bizarr. Alexis wirkte wie ein Roboter. Der Raum war weiß und steril, ohne Fenster. Er kämpfte gegen die alten Erinnerungen an. Die Narben auf seiner Seele würden nie verheilen, aber er durfte nicht zulassen, dass sie die Kontrolle übernahmen.
 

Mit einem Zischen öffnete sich wieder die Tür und Pietro zuckte alarmiert zusammen. Jetzt, nicht mehr festgebunden, hielt ihn nichts in der Position, so dass er durch die tatsächliche Bewegung an den Nähten zog. Die Welle von Schmerz, die ihn überkam, raubte ihm fast das Bewusstsein. Befriedigt stellte er fest, dass auch ihre Gesichtszüge nicht regungslos geblieben waren. Offensichtlich war Miss Arrogant auch angespannter als sie wirken wollte.

Der „Eindringling“ war ein großgewachsener Mann, vielleicht Anfang dreißig, mit ebenso schwarzen Haaren wie das Mädchen. „Blackbird.“ begrüßte sie ihn eindeutig gereizt. Der Rest der Konversation fand ausschließlich nonverbal statt, aber man musste keine Gedanken lesen können, um zu sehen, dass sie wütend war und er nicht viel drauf gab.

Trotzdem stellte er sich hinter sie und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter, dabei beruhigend über Wange streichend. „Pietro, du bist wach!“ der Mann schien sich ehrlich zu freuen und streckte dem Verletzten die Hand hin. „Mein Name ist Blackbird.“. Pietro sah in die fast schwarzen Augen, konnte aber keine Gefahr ausmachen, also hob er unter Schmerzen seinen Arm und erwiderte die Geste „Quicksilver.“
 

Blackbirds Gesicht spiegelte erst Besorgnis, dann Entsetzten wieder, als er hastig wieder die Schmerzmittel in Pietros Tropf hochdosierte. „Alexis, was hast du dir dabei gedacht?!“ fuhr er sie wütend an. Sie sah nicht auf, die blauen Augen noch immer auf ihren „Patienten“ gerichtet. „Quicksilver ist unser Gast und du solltest ihn so behandeln!“ Noch immer regte sie sich nicht. Wütend seufzte der Mann und fuhr sich durch die Haare, während er gereizt ein paar Schritte auf und ab ging.

Als er wieder zu einer weiteren Beschwörung ihrer Menschlichkeit ansetzen wollte, hob sie die Hand und brachte ihn damit sofort zum Schweigen.

Sie erhob sich wieder, kam näher und setzte sich zu Pietro aufs Bett. Ihre Ablehnung ihm gegenüber strömte aus jeder Zelle. „Wo sind nur meine Manieren?“ Ihr Tonfall war noch immer monoton. „Sei mein Gast, Pietro Maximoff.“ Der Angesprochene sah einen Moment zu dem Mann an der Wand, der offensichtlich nicht mehr den Mut oder die Kraft hatte, das Mädchen zu ermahnen.

 

„Die Regeln sind ganz einfach. Alles hier ist meins.“ Irritation spiegelte sich in den eisblauen Augen wieder. Klang sie gerade wie ein trotziges Kind?

Die Tür zischte, diesmal zuckte keiner. Nur Alexis‘ Arm schoss in einer –für normale Menschen- unglaublichen Geschwindigkeit in die Luft. Wieder die flache Hand erhoben. Wer auch immer gerade eintreten wollte, erstarrte sofort.

„Du hast alle Freiheiten hier. Tu was immer dir gerade in den Sinn kommt, nur widersprich mir nicht, hör ohne Zögern auf meine Anweisungen und komm niemals – ich wiederhole- niemals auf die Idee dich mir auf mehr als einen Meter zu nähern.“

Sie wartete keine Reaktion ab, sondern sprang von seinem Bett auf, durchquerte den Raum mit wenigen Schritten und verschwand im Flur.

 

Die Blondine, noch immer in der Tür, ächzte, da sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Pietro erkannte die Locken wieder. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, war sie die Ärztin. Blackbird ging auf sie zu, zog sie in den Raum und nahm ihr dabei das Tablett, das sie gebracht hatte ab. „Es tut mir so…“ setzte sie an. Gequält von irgendetwas machte sie einige Schritte hinter dem Mann her, der das Tablett neben das Krankenbett auf einen kleinen Tisch stellte. „Hier.“ Er reichte Pietro ein Glas Wasser. Da das Schmerzmittel schnell wieder angefangen hatte zu wirken, konnte er es ohne große Probleme entgegen nehmen. Er hatte nicht bemerkt, wie durstig er war und leerte das Glas in zwei Schlucken. „Es war richtig mich zu holen.“ beruhigte derweil Blackbird die junge Frau. Er zog sie mit einem Arm an seine Schulter. „Du kennst Alexis. Sie will uns nur vor jeder möglichen Bedrohung schützen.“ Bei den letzten Worten hatte er Pietro mit einem entschuldigenden Blick angesehen. Insgeheim fragte dieser sich, ob Blackbird und Alexis ebenfalls Geschwister waren. Ihr Verhältnis war nicht annähernd so herzlich wie seines zu Wanda, aber er hatte eine Vertrautheit gesehen, die nur Liebe sein konnte – aber die beiden ein romantisches Paar?

Die aufgelöste Frau wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht, eine schwarze Spur Mascara auf ihrem weißen Ärmel hinterlassend. „Wie geht es dir, Quicksilver?“ Ihr Gesicht war voller Wärme. „Eh… okay…“ seine Stimme war noch immer mehr ein Krächzen. „Oh wie schön!“ quietschte sie, scheinbar ehrlich erfreut und damit tänzelte sie zu einem Pult am anderen Ende des Raums. Blackbird schüttelte grinsend den Kopf.
 

Er zog sich den Stuhl heran, auf dem vorher Alexis gesessen hatte. „Das ist ShizoKitty, oder einfach nur Kitty, unsere Ärztin. Naja, mehr noch.“ Er kratzte sich etwas verlegen am Kopf. „Sie ist ziemlich genial, weißt du? Sie hat dich wieder zusammengeflickt, nachdem alle dich aufgegeben hatten.“ Er deutete auf Quicksilvers Brust. Ungläubig, aber neugierig schob dieser sein Hemd hoch, um zu sehen, ob dieses Wunder wirklich war. Er ließ vor Erstaunen das Glas, das er noch in der anderen Hand gehalten hatte, fallen. Blackbird fing es in weiser Voraussicht auf.

Pietro hatte einen narbenübersähten Flickenteppich erwartet, aber alles, was er sah, waren einige wenige Nähte. Sogar alte Narben waren verschwunden.
 

Die blonde Ärztin stand wieder neben seinem Bett und lächelte sehr zufrieden. „Neues Gewebe zu generieren ist nicht einfach – für andere.“ Sie strahlte wie ein kleines Kind an Weihnachten. „Das… das ist…“ Pietro sah abwechselnd in ihre rehbraunen Augen und wieder auf seinen Oberkörper. „Es tut nur so weh, weil der Körper, nun, sozusagen umprogrammiert wurde. Das dauert immer seine Zeit.“ fragend sah sie zu Blackbird, der nickte zufrieden.

 

„Ich habe deine Schwester schon informiert. Auch wenn wütend eine Untertreibung für Alexis‘ Reaktion sein wird, dachte ich, ihr wollt euch sicher schnellst möglich wieder sehen.“ Er reichte ihm ein weiteres Glas Wasser. Pietro nahm es, trank aber nicht sofort. Wanda. Er war sich sicher gewesen, sie nie wieder zu sehen. Die Gefühle, die in ihm aufwallten waren kaum zu bremsen. Er brachte nur ein gepresstes „Danke“ hervor, dann starrte er schweigend auf das Glas, voll darauf konzentriert, nicht hier in Tränen auszubrechen, wie ein kleines Kind. Blackbird drückte ihm freundschaftlich die Schulter und verließ den Raum.

Ein Blick in die andere Richtung verriet Pietro, dass Kitty mit ihrem großen Kopfhörern und so vertieft in die Arbeit absolut nichts mitbekam. Sofort brachen die Tränen aus ihm heraus. Leise, kein Schluchzen, aber quälend ehrlich.

 

Alexis, die verborgen hinter einer einseitig verspiegelten Glasscheibe neben der Tür stand, knirschte mit den Zähnen. Blackbird hinter ihr, wieder die Hand auf ihrer Schulter. „Er ist keine Gefahr für dich.“ flüsterte er einfühlsam. Ihre Schultern versteiften sich. „Ich aber für die beiden.“ Sie wandte sich um, die Hand von ihrer Schulter abschüttelnd und ging.



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