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Der Ruf

von

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5. Wellen

 

 

 

Kalt waren die grauen Augen auf den dunklen Marmorfußboden gerichtet. Sein Herz schlug, als hätte es gerade einen Marathon abgeschlossen und er konnte nicht verhindern, wie sich winzige Schweißperlen an seiner Schläfe stauten. Nur die Fassung wahren; rief er sich die Aufforderung seiner Mutter ins Gedächtnis. 

 

Er starrte auf die grauen und schwarzen Maserungen, welche ein doch schon malerisches Bild in Stein ergaben. Fast hätte er meinen können, die Muster würden sich bewegen, als sich die unangenehme Stimme in sein Bewusstsein drückte. 

 

"Erheb Dich, Draco!“, befahl jene und eine gewisse Vorfreude schwang darin mit. Angesprochener zuckte leicht zusammen, bevor er zügig seine kniende Position verließ und Haltung annahm. Unsicher trafen seine Iriden auf den scheinbar belustigten Blick seines Gegenübers - seines Lords. "Nun Draco, ich denke, Du bist bereit und wirst nicht so eine Enttäuschung, wie Lucius!“. Die Worte klangen spottend, aber der Blonde verschloss sämtliche Emotionen hinter dem Grau seiner Seelenfenster. Unterdrückte das aufkeimende Unbehagen. Zum einen wollte er einfach vergessen, wie es seinem Vater wohl in Askaban ergehen musste; zum anderen hatte er Angst. Angst vor dem dunklen Lord und Angst davor, was gleich folgen würde. 

 

Er spürte die Blicke der anwesenden Todesser in seinem Nacken - insbesondere den seiner Tante. Sie musste ihn feurig mustern; dies verrieten allein schon ihre vor Ungeduld triefenden Quietscher, welche sich in Dracos Ohren schrill verfingen. Bei Salazar, wie konnte so eine unbeherrschte Hexe nur mit ihm verwandt sein! 

 

"Mäßige Dich, Bellatrix!“, schnitt der diffizile Tonfall des dunklen Lords seiner Tante die Luft ab. "Wir wollen doch Dracos Gedanken nicht zerstreuen.“. Malfoy Junior erschauderte bei dem Klang seines Namens und lugte gehemmt zu seiner linken Seite. Nie hätte er vermutet, wie viel Energie ihm ein simpler Blickkontakt mit dem dunklen Lord abverlangen würde. 

 

Seine Sicht traf auf die eines weiteren Anhängers und der Blonde konnte kurz Erstaunen in den Pupillen des Anderen wahrnehmen, bevor die Augäpfel erstarrten und den Glanz verloren. Entgeistert verfolgte er den Zusammenbruch des erschlaffenden Körpers. Nur langsam konnten seine Synapsen das Bild mit einem ausgesprochenen Avada Kedavra in Verbindung bringen. 

 

"Tz, tz Draco. Deine Aufmerksamkeit lässt heute zu wünschen übrig. Dabei liegt doch solch ein großes Vergnügen vor uns.“.

 

Die zwitschernde Stimme erschien Draco so abstrus, nachdem gerade jemand ermordet wurde. Allem Anschein nach konnte der dunkle Zauberer auch noch seinetwegen das Ableben verzeichnen. Dabei hatte er nichtmal bewusst auf diese Person gesehen. Mechanisch nahm er jedoch erneut Haltung ein und verbeugte sich entschuldigend vor seinem Meister. „"Verzeiht mir, Herr.“ - Worte die in seinem Rachen kratzten. 

 

Doch dem dunklen Lord schienen diese zu genügen. Jener klatschte augenblicklich in die Hände. „"Nun, wir wollen keine weiteren, kostbaren Minuten verschwenden. Draco, deinen Arm!“. 

Fahrig legte der junge Malfoy die Haut seines linken Unterarms frei und verbann für einen Moment sämtliche Zweifel. Wenn er leben, seinen Vater befreien und die Ehre der Malfoys wahren wollte, musste er gehorchen. Er wurde auserwählt! 

 

Die geschichtsträchtige Zauberstabspitze - Eibenholz täuschend, als wäre es pures Elfenbein - traf auf die blasse Haut. In seinen Geist drängte sich die ehrfürchtige Stimme. „"Draco, schwörst Du bedingungslosen Gehorsam und unabdingbare Treue, mir, Deinem einzig wahren Herren? Du erfüllst Deine dir zugedachten Aufgaben tadellos und ohne jeglichen Zögerns? Hingebungsvoll, unter Einsatz deines Lebens?“. Paralysiert besah sich Angesprochener die Spitze des Zauberstabs und erwiderte den einstudierten Wortlaut. „

 

"Ja Herr. Der Sinn meines Lebens liegt allein darin, Euch zu dienen!“. 

 

Ein höhnisches Lächeln umspielte die Gesichtszüge des dunklen Lords und der Zauberstab ließ brennend die Proteus-verzauberte Gravierung in das weiße Fleisch gleiten. 

 

Schmerz - mehr konnte der Slytherinschüler nicht ausmachen. Ein unsagbarer Schmerz zog marternd durch den Kreislauf. Sein Blut schien ihn kochend zu verzehren, während sein Blick an keinem Fixpunkt Halt fand. Es blieb ihm verwehrt zu schreien, dafür durchfuhr ihn ein exaltiertes Schütteln und er bemerkte unerwartet den weichen Untergrund. 

 

Außer Atem versuchte er sich zu orientieren. Luft - er brauchte Luft! 

Hastig stolperte er in eine aufrechte Position und befreite mit schnellen Händen seinen Oberkörper von dem befremdlich scheinenden, schwarzen Hemd. Sogleich hinterließ die kühle Raumtemperatur Spuren auf dem schweißgebadeten Körper. Doch der frische Schauer wischte seinen Albtraum fort. 

 

Draco saß auf seinem zerwühlten Kingsize Bett und allmählich konnte er den Traum von der Realität trennen. Schwer atmete er aus. Das Erlebte war damals der Anfang vom Ende. Nach seinem offiziellen Beitritt in den Kreis der Todesser wurde sein Leben komplizierter. 

 

Erwartung, Druck, Enttäuschung bekamen neue Definitionen. 

 

Hegte sein Vater früher in Draco Erwartungen, waren diese der stumpfen Etikette eines Reinblüters geschuldet und meist schulischer Natur. Doch der dunkle Lord forderte den bedingungslosen Gehorsam seiner Anhänger stets ein. Wurde der Lord enttäuscht, waren die Folgen existenzieller Natur. Der Malfoy Sprössling fürchtete jeden Ruf des dunklen Lords. Er hatte sich diesem verpflichtet. Aber eine besondere Auswahl an Lebenswegen war ihm schlichtweg nicht vergönnt. 

 

Bitter inspizierte er seinen linken Arm und fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die Begrenzungen seines Males. Es schmerzte. Seine Sinne schienen noch dem eben geträumten verfallen zu sein. Anders konnte er sich diese brennende Qual nicht erklären. Mit jedem Zentimeter, den er an seiner Haut entlang tastete, wurde die Tätowierung heißer. Scharf sog er die Luft ein. Das konnte nicht sein! Der dunkle Lord war tot. Wie sollte also das Mal schmerzen können. Oder war die Verbindung zu den anderen Todessern noch aktiv? Rief da etwa jemand die ganze Mannschaft zusammen? Aber was hatte es ihn zu interessieren. Aus der Perspektive der anderen Anhänger zählten er und seine Familie zu Verrätern. 

 

Also biss er fest die Zähne aufeinander, schloss die Augen und fing an zu zählen. Irgendwann musste das Stechen schließlich nachlassen. 

 

„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieb~“ 

 

"Draco! Versuchst Du mich zu ignorieren? Du hast deinen Schwur geleistet.“, fuhr ihn missbilligend die bekannte Stimme an. 

 

Dracos Augenlider flogen auf und das erste, was seinen Blick traf, war der massive Bettpfosten aus Schwarznuss. Wie angewurzelt blieb er auf dem Bauch liegen und lauschte in die Stille. Was war passiert? Hat eben der dunkle Lord wahrhaftig zu ihm gesprochen? Das ist unmöglich! Potter hat ihn getötet! 

 

Ein barsches Klopfen an seiner Zimmertür ließ ihn von neuem zusammen fahren. 

 

"Draco. Öffne selbst, oder ich übernehme das.“. 

 

Ganz eindeutig die Stimme seiner Mutter. Vorsichtig hob der Platinblonde den Schopf, besah sich das Zimmer und blieb an der Tür hängen. Niemand, außer ihm, befand sich hier. Kein dunkler Lord. Nur seine Mutter randalierte am Türschloss und die Erinnerungen an den gestrigen Abend flammten auf. 

 

Er beglückwünschte sich selbst, dass er seine Zimmertür nicht nur normal verschlossen, sondern zusätzlich Colloportus-versiegelt hatte. Wollte er sich erst gar nicht ausmalen, was für ein klägliches Bild er in diesem Moment abgeben musste. Bis auf die Schuhe, Sakko und seine Krawatte war er noch in voller Montur gekleidet und er fühlte sich trotz des Schlafes nicht erholt. Immerhin hätte er bis vor ein paar Minuten noch schwören können, der dunkle Lord sei zurückgekehrt. Jedoch zeigte sein Arm keinerlei Anzeichen, jemals geschmerzt zu haben. Zudem verbarg der Ärmel seines schwarzen Hemdes das dunkle Mal. Sollte dieses Kleidungsstück nicht schon längst in irgendeiner Ecke liegen? Verständnislos schüttelte er den Kopf. Was war das nur für eine grausige Nacht! Er sollte zu keiner zweitklassigen Trauerzeremonie mehr erscheinen.

 

"Ich weiß wo du gestern warst, Draco! Vertraust Du dich neuerdings den Weasleys an?“. 

 

Erschrocken setzte er sich auf. Hatte er doch seine Mutter draußen vor dem Zimmer vergessen. Vielmehr schockierte ihn aber die Tatsache, woher sie plötzlich wissen wollte, was er gestern getrieben hatte. Träumte er noch immer? Seine Mutter konnte genauso wenig dieses Wissen besitzen, wie Lord Voldemort auferstanden sein soll. Falls er noch immer träumte, dann sollte er doch bitte jetzt erwachen. Es wäre eine Katastrophe, wenn er seiner Mutter erklären müsste, was ihn zu den Weasleys getrieben hatte. Sie würde es nicht verstehen. 

 

Draco konnte vor der Tür das Klackern von Absätzen vernehmen, die sich entfernten. Ist er tatsächlich um die Konfrontation herum gekommen? Auf dem Flur war kein Laut mehr zu vernehmen. Die Chancen unbemerkt in sein eigenes Badezimmer zu gelangen, standen also recht gut. Zwar mied er einen Blick in den großen Spiegel, welcher neben einem schwarzen Bücherregal prangerte, doch allein die Tatsache, dass er sich unwohl fühlte, drängte ihn zu einer Morgenwäsche.

 

Fast hätte sich seine Laune gehoben, wäre in diesem Augenblick nicht mit einem Plopp die Hauselfe aufgekreuzt. Gereizt beäugte er das kleine Geschöpf, welches daraufhin unsicher die Händchen knetete. "Vergebt, dass Disly stört. Disly sollte nach dem jungen Herrn sehen. Der junge Herr sieht nicht gut aus. Kann Disly etwas für den jungen Herrn tun?“. 

 

Für Dracos Geschmack waren das drei Sätze am Morgen zu viel. „"Du wagst es ein Urteil über MEIN Äußeres zu bilden? Was maßt du dir an; wertloses Stück!“. Demonstrativ schritt er an der Hauselfe vorbei, fischte den Zauberstab von der Anrichte neben dem Bett und entriegelte seine Zimmertür. 

 

Das war doch nicht zu fassen, jetzt schickte ihm seine Mutter auch noch Hauselfen hinterher!  Kein Zauberer kann nach dem Aufstehen den Anblick von Hauselfen ertragen. Schon gar nicht, wenn sie duzende Male um Verzeihung bitten und sich selbst bestrafen wollen, wie Disly gerade. Dann kann so ein hauseigener Sklave den Herrn um den Verstand bringen. 

 

Auf der Türschwelle drehte er sich noch einmal um. Wenn das Wesen nun hier war, konnte es sich in der Tat als nützlich erweisen. "Disly, Badewasser!“, grollte seine Stimme durch den Raum und die Hauselfe verstand sofort. Bereits als er in das Bad trat, empfing ihn das Gluckern von Wasser und Disly schien überglücklich, gebraucht zu werden. Verstehe einer diese Geschöpfe. 

 

Sehnlichst streifte Draco die, nun mehr als schmierigen, Kleidungsstücke von sich. Doch bevor er sich gänzlich entblößte, schickte er die Hauselfe weg. Erst als die Tür zufiel, sog er den geliebten Badeduft aus frischen Rosen gepaart mit einer Nuance Minze in sich auf. Sogleich fand sein Körper in dem angenehm temperierten Wasser Platz und langsam lockerten sich seine Glieder. Wie er seiner Mutter gegenüber treten sollte, musste er später spontan entscheiden. Zuerst wollte er das Bad genießen, welches er auch redlich verdiente. 

 

Gemächlich tauchte er tiefer. Wasser benetzte zuerst seinen Bauchnabel, die Rippen, bis seine Brust hin zum Schulterblatt eintunkte. Beinah nahm er eine liegende Stellung ein und beobachtete die kleineren Wellen, welche zwischen seinem Körper und der Fassung des Beckens schaukelten. 

 

"Draco ~“, ein verhaltenes Wispern erreichte seine Sinne und wüsste er es nicht besser, hätte er gesagt, jemand würde seinen Namen flüstern. Aber die Gemäuer waren alt und er hatte zu wenig Schlaf bekommen. Es lag demnach nahe, dass durch irgendwelche undichten Ritzen der Wind sang. Erneut tönte ein „"Draco ~“ in der Atmosphäre. Jedoch war jenes prägnanter als zuvor und hallte an den steinernen Wänden wieder. Der entstandene Singsang zwang ihn nun doch prüfend das Bad zu untersuchen. Sein Ergebnis fiel aber wie erwartet aus. Er war alleine und sollte nicht zu viel hinein interpretieren! 

 

Resigniert, da er das Badewasser nun nicht mehr genießen konnte, angelte er ein Seifenstück vom Beckenrand. Dieses glitt dem Slytherin allerdings rapid aus der Hand, denn der Wasserhahn sprang an. Aus dem Schlund der silbrig glänzenden, schlangenförmigen Apparatur entlud sich ein funkelnder Strahl silberner Flüssigkeit. Sobald dieses Elixier aber auf die Wasseroberfläche traf, durchzogen schwarz-rauchige Fäden das Becken. 

 

Wie in Zeitlupe quollen die Fädchen auf Draco zu, der wie erstarrt auf das Szenario sah. Ein Sammelsurium missgestalteter Memoiren loderte auf. Es keifte; lachte; stöhnte; schrie den 17jährigen an. 

 

„"Feigling!“

 

„"Narcissa, ihr solltet Euch glücklich schätzen!“

 

„"Malfoy, Du Verräter!“

 

„"Sie ahnen nicht wozu ich fähig bin! Sie wären schockiert, wenn Sie´s wüssten!“

 

„"Gut gemacht, Draco!“

 

„"Ich will Ihre Hilfe nicht; wollen Sie das nicht verstehen?!“

 

„"Avada Kedav~ “ / "Neiiiiiin!“

 

Draco kniff panisch die Augen zusammen. Je fester er indes die Hände auf seine Ohren presste, umso lauter wurden die Erinnerungen. 

 

„"Er hat nicht den Mumm dazu, genau wie sein Vater!“

 

„"Goyle!“

 

„"Versaaaager~“

 

Der Kopf pochte und die Luft wollte seine Lungen nicht mehr erreichen. Sein Brustkorb fühlte sich viel zu eng an. Wie sollte so genügend Sauerstoff hinein passen?  Immer tiefer versuchte er zu atmen. Schneller, stoßweise, so dass ihn ein Husten überfiel und sich seine Hände um die Ohren krampften. Ungeachtet dessen, tanzten helle und dunkle Körnchen vor seinem gesenkten Augenlid. So lange, bis schlagartig alles still wurde.

 

 

 

 

 



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