Zum Inhalt der Seite

Der Ruf

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

3. Propaganda

 

Ein dumpfes Plopp dröhnte durch die Graslandschaft Wiltshires, gefolgt von einem entkräfteten Stöhnen. Gras knickte ab, als zwei Knie gegen den Boden sanken und eine Hand sich in das Grün bohrte, um den Sturz abzufangen. Bei Weitem war es nicht sein erstes apparieren, doch in letzter Zeit kostete diese Art des Reisens ihm mehr Kraft, als üblich. Er war schon damit zufrieden, im ganzen sein Ziel erreicht zu haben. Taumelnd drückte er sich vom Boden wieder ab, nur um in eine sitzende Position zu gelangen. Die langen Beine überschlug er elegant, nachdem seine Arme ihm hinter dem Rücken Halt gaben und er den Kopf in den Nacken legte. 

 

Die Umgebung schien unter ihm zu wanken, weshalb er sich noch etwas fester in das feuchte Gras krallte. Konzentriert atmete er durch. Was erhoffte er sich von dieser Aktion? Fast fluchtartig hatte er die Trauerzeremonie verlassen. Auf Befehl Potters hin! Seit wann ließ sich ein Malfoy kommandieren? Jetzt musste sich Potter doch noch größer fühlen. Was für eine Erniedrigung! Aber was blieb ihm übrig? Hätte er einen Aufstand angefangen, wäre es nur noch peinlicher für ihn geworden. Dem chaotischen Haufen aus Hexen und Zauberern hätte er nichts entgegenbringen können. Überhaupt - auf eine Weasley Zeremonie zu gehen, war schon peinlich. Wenn das sein Vater wüsste - er wäre sicher enttäuscht. 

 

Dracos Gesichtszüge umspielten ein eisiges Lächeln. Wenigstens konnte sein Vater in Askaban nicht ahnen, wie schwach sich sein Sohn verhielt. Er hat nicht sich, sondern den Namen Malfoy, bloßgestellt. Zumindest was davon noch übrig war. Das Ableben des dunklen Lords wurde vom Tagespropheten in alle Welt propagiert und Draco erinnerte sich, zuerst eine gewisse Erleichterung gespürt zu haben. Wurde seine Familie in den letzten Monaten doch regelrecht von jenem terrorisiert. 

 

Schmerzhaft zog sich seine Stirn in Falten. Aber schon mit dem nächsten Artikel wurde klar, was diese Nachricht für Auswirkungen hatte. Kingsley Shacklebolt nahm seine neue Aufgabe als Zaubereiminister sehr ernst und fing an die Korruption und die reinblütige Politik des Ministeriums zu bereinigen. Damit wurde ebenso eine regelrechte Jagd auf alle verbliebenen Todesser und Anhänger des dunklen Lords eröffnet. Die Tätigkeiten in der Aurorenzentrale wurden sofort aufgenommen und so war es nicht verwunderlich, als keinen Tag später Auroren Malfoy Manor einnahmen. Immerhin wurde bekannt, der Lord habe sich dort sein Hauptquartier eingerichtet. Zudem war die traditionsbewusste, magische Familie leichter aufzuspüren, als andere dunkle Zauberer. Die Malfoys zählten nun zu den bekanntesten Todessern, was der Tagesprophet weiter zu schüren verstand. Zumindest sein Vater und er wurden in niedriger Art und Weise karikiert. Als ob die Verhandlungen nicht schon zehrend genug waren. 

 

Malfoy Junior schloss die Augen. 

Da saß er, allein, auf dem Anklagestuhl. Er achtete nicht auf die Worte der Strafanklage, sondern war damit beschäftigt seine Fassung zu wahren. Die schweren Bänke der Zaubergamotmitglieder stiegen in einem Halbrund vor ihm auf, wodurch das Gamot noch bedrohlicher herabblicken konnte. Nur die pflaumenblauen Roben der Mitglieder nahmen ihm etwas die Furcht, empfand er diese doch als äußerst unvorteilhafte Bekleidungsstücke. Als er aufgefordert wurde zu der Anklage Stellung zu beziehen, sah Draco dem Zaubereigamot entgegen. Nervös verkrampften sich seine Hände, die unter den magischen Fesseln der Armlehnen des Anklagestuhls, leicht zu schmerzen begannen. Er hatte das Gefühl kein Wort über seine trocknen Lippen zu bekommen und wusste ebenso nicht, was er eigentlich sagen sollte. Seine Mutter hatte mit ihm zwar im Vorfeld gesprochen, aber sein Kopf war jetzt wie leer. Umso erstaunter war der Blonde selbst, als er seine Stimme hörte - klar und monoton. Das Veritaserum, welches ihm vor der Verhandlung eingeträufelt wurde, schien ausgezeichnete Arbeit zu leisten. Draco erklärte genau, wie er den Todessern einen Zugang nach Hogwarts ermöglichte. Aber auch, dass er den Wünschen des dunklen Lords nicht, zu dessen Zufriedenheit, nachkommen konnte. Er hatte seinen Schulleiter nicht getötet; er hatte Harry Potter nicht verraten. Vor allem Letzteres wurde ihm strafmildernd angerechnet. Das Wohl des Auserwählten zu garantieren, war von großem, öffentlichen Interesse. Zudem war das Gamot überzeugt, der junge Malfoy wurde von seinem Vater manipuliert und kam nur so zu dem dunklen Mal. In Dracos nicht ganz freiwilligem Anflug von Ehrlichkeit widersprach er dieser These zwar und meinte, aus freien Stücken in den Kreis der Todesser getreten zu sein. Doch auch, wie ihm eingebläut wurde, es sei eine große Ehre das Mal tragen zu dürfen. Er würde dem Namen Malfoy nicht gerecht, wenn er sich dieser Ehre nicht bewusst wäre. Genau diese ehrliche Erklärung stützte den Tatbestand, er sei von seinem Vater manipuliert. Nicht zu letzt auf Grund seiner gerade mal 17-jährigen Lebenserfahrung, wurde er freigesprochen. 

 

Der Platinblonde erinnerte sich an diesen Moment noch genau. Er empfand nichts. Keine Freude machte sich in ihm breit. Die Fesseln ließen von seinen Handgelenken ab und er konnte den Verhandlungssaal frei verlassen. Dennoch keimte Unbehagen in ihm auf. Vor der schweren Tür empfing ihn seine Mutter. Sie blieb reserviert, strich ihm zaghaft über die Wange und er spürte ihre Erleichterung. Zeitgleich wurde sein Vater vor das Zaubereigamot gestellt. Mit einem Krachen schloss sich die große Tür erneut. Draco konnte seiner Mutter nicht in die Augen sehen, als er noch immer monoton begann, "Die werden Vater inhaftieren“.

 

Keuchend fiel der junge Malfoy zurück in weiches Gras und verbarg sein Gesicht unter seinem rechten Arm. Natürlich hatte ihn sein Gefühl nicht betrogen. Sie konnten sich nicht einmal mehr von dem Vater und Ehemann verabschieden, bevor jener nach Askaban überführt wurde. Lucius Malfoy hatte sich zu viel zu schulden kommen lassen. 

 

Draco hatte seinen Vater immer bewundert, zu ihm aufgesehen, aber ihn mindestens genauso stark gefürchtet. Er konnte keinen Tagespropheten ansehen, ohne dass nicht ein Artikel von seiner Familie handelte. Jeder Artikel entzündete Wut. Sie beschrieben die Dinge nicht so, wie sie waren. Sein Vater war ein stattlicher Mann, doch Draco konnte oft genug die Angst seines Erzeugers fühlen, wenn ihn der dunkle Lord zu sich rief. 

 

Ihm wurde heiß und seine Gedanken kreisten. Wenigstens sollen, nach neuesten Erkenntnissen, keine Dementoren mehr in Askaban eingesetzt werden. Vielleicht war es dort ja gar nicht mehr so schrecklich, wie angenommen? Der Blonde schüttelte sich. Bestimmt erging es seinem Vater jetzt schlechter, als er es sich ausmalen konnte. Es war nicht fair! Lord Voldemort wurde der Tod vergönnt, während seine Familie buchstäblich in einer weltlichen Hölle aus Verurteilungen schmoren durfte. Draco war sich nicht mal sicher, ob der Lord tatsächlich verschwunden war. Er hatte es nicht mit eigenen Augen gesehen und konnte sich fast nicht vorstellen, wie der Potter Junge, den Lord besiegen sollte. Ja, Potter war der Auserwählte. Das musste er als 11-jähriger begreifen. Den Celebrity-Status nutzte Potter schon damals aus. Gegen sämtliche Regeln verstoßen und trotzdem am Ende des Schuljahres den Hauspokal ergattern. Dabei hielt das Haus Slytherin zuvor einen langjährigen Rekord. Aber wie sollte der einen so mächtigen und dunklen Zauberer besiegen? Potters Noten waren nichts besonderes, seine Kräfte wirkten auf den Blonden nie großartig. Potter hatte nur immer verdammt viel Glück. Reichte Glück dafür aus? 

 

Um dieser Frage nachzugehen, besuchte er die Weasleys. Malfoy ging nicht der Nächstenliebe geschuldet zu der Trauerzeremonie. Ihm hatte kein plötzliches Beileid ergriffen. Das Leid anderer konnte ihm herzlich egal sein! Nein, Fred Weasley interessierte ihn nicht im Geringsten. Er wollte mit eigenen Augen den Helden der Zaubererschaft sehen und sich von dessen Überleben überzeugen. Was zur Folge haben musste, dass diese Artikel des Tagespropheten auf der Wahrheit beruhten. 

 

Der dunkle Lord wurde von einem 17-jährigen besiegt. Vielleicht hatte er sich heimlich sogar erhofft, Potter selbst würde ihm dies bestätigen - ihm die Worte sagen, an denen er zweifelte. 

 

Doch alles was sich ihm bot, war eine bemitleidenswerte Veranstaltung. Im Nachhinein betrachtet, hätte Draco doch ein paar Galeonen in seine Trauerkarte stecken sollen. Dann wäre eine nächste Weasley Familienfeierlichkeit bestimmt pompöser. Obwohl - diese angeblichen Reinblutzauberer hatten keinen Geschmack. Selbst mit Gold würden sie nichts geschmackvolles veranstaltet bekommen. Der Slytherin hatte sich am letzten Abend genau überlegt, wie er die Trauerbekundung schreiben sollte und kam zu dem Schluss, die eigentlich üblichen Galeonen würden ein falsches Bild vermitteln. Am Ende würde noch im Tagespropheten stehen, er wolle sich die Freundschaft zum Auserwählten und seinen minderbemittelten Freunden erkaufen! 

Draco verstand nichts von Mitgefühl, aber er war ein Meister im Täuschen. Wusste er doch ganz genau um jede Wirkung bescheid, welche eine Handlung hervorrufen konnte. Die Trauerkarte war nur dazu da, um einen Zugang zu Potters jämmerlichen Freunden zu schaffen. Nur drei diskrete Worte wollte er mit dem Gryffindorhelden wechseln. Eine Chance. Er handelte aus purem Selbsterhalt. Denn der Malfoy Sprössling fürchtete jeden Schatten, erschreckte sich vor noch so kleinen Geräuschen. Er glaubte Naginis Rascheln zu hören, wenn der Wind das Gras streifte. Vermutete die wilden Locken seiner wahnwitzigen Tante hinter allen Ecken. Es musste aufhören!
 

 Ihm war klar, dass der Kriegsheld es sich nicht nehmen ließ, bei so einer Trauerzeremonie seinen Großmut öffentlich aufzudrängen. Aber Draco verzog verbittert die Gesichtszüge. Die angeblich doch ach so gute und tolerante Seite guter Zauberer und Hexen, waren auch nichts weiter, als kleine Biester, die sich den Tagespropheten durchlasen und einen freigesprochenen Todesser erneut verurteilten. Nach dieser Erfahrung zu schließen, konnte er es vergessen sachlich mit Potter über das Ableben des dunklen Lords zu sprechen. Potter würde ihm nicht zeigen, wie er diese Wundertat vollbracht hatte. Der Kriegsheld wandelte noch unter den Lebenden. Dies konnte Draco aus seinem Besuch mitnehmen und es musste ihm wohl als Beweis reichen. 

 

Müde setzte er sich auf. Sein Körper hatte sich vom Apparieren vollständig erholt und nicht weit von dieser Wiese, auf welcher er gelandet war, konnte er Malfoy Manor erahnen. Das pompöse Gebäude lag immerhin unter Schutzzaubern, die es vorwiegend vor nicht magischen Wesen geheim halten sollten. Am Horizont waren die letzten Strahlen der Abendsonne zu erhaschen. Wie tief war er nur gesunken. Er verschwendete doch tatsächlich seine Zeit mit Gedanken an Potter! Der Tag war sinnlos. 

 

Wütend stand er auf, klopfte sich angewidert etwas Schmutz aus den Sachen und stolzierte erhobenen Hauptes in das Gebäude, das sich sein zu Hause schimpfte. Die Tür zur mächtigen Empfangshalle schwang auf. Er wollte es nicht sehen. Die Halle, durch die bis vor wenigen Tagen noch der dunkle Lord gewandelt war. Zügigen Schrittes durchquerte er diese, achtete nicht auf die Treppen, den steinernen Fußboden und den langen, dunklen Korridor, welcher zu seinem Zimmer führte. 

 

Es knallte. 

 

Narcissa Malfoy, geb. Black, sah von dem Weinglas in ihrer Hand auf, in welchem sie die dunkelrote Flüssigkeit fasziniert betrachtete. 

 

Ihr Sohn war zurück.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück