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Die kleine Meerjungfrau

einmal anders
von

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.:05:. Meredia

Alles war wie immer, nichts hatte sich verändert außer mir. Ich saß lange auf einem Felsen und starrte auf mein Zuhause, oder zumindest auf das Haus, von dem ich dachte es wäre mein Zuhause. Aber erst jetzt wurde mir klar, dass ich mir all die Jahre etwas vorgemacht hatte. Das hier war nie mein Heim gewesen und wird es auch nie sein. Auch wenn sie es nie wirklich gesagt hatten, so war ich hier dennoch unerwünscht. Ich passte einfach nicht in das Gesamtbild der schönen, perfekten Familie. Ich war zu hässlich gewesen. Meine Familie hatte nie gemerkt, wie sehr ihre Worte und ihre Abneigung mich verletzt hatten. Würde meine Mutter noch leben, wäre sicher alles anders gekommen. Für sie waren wir alle etwas Besonderes, jede auf ihre eigene Art und Weise. Sie liebte uns bedingungslos und ging nicht nach unserem Aussehen, wie mein Vater. Doch dann starb sie, ganz plötzlich, zusammen mit unserem ungeborenen Geschwisterchen. Mein Vater hatte lange um sie getrauert, er hatte sie aufrichtig geliebt. Doch er klammerte sich mehr an meine Schwestern und ließ mich links liegen. Gerade in dieser Zeit hätte ich einen Vater gebraucht, der mir zur Seite stand, mich tröstete, mir über diesen Verlust hinweghalf. Doch er war nicht da, nie wenn ich ihn gebraucht hatte. Diese Tatsache machte mich wütend, sogar sehr wütend, dass ich mich am liebsten sofort rächen wollte. Doch ich musste mich gedulden. In einem Moment der Unvorsichtigkeit würde ich zuschlagen. Ich würde ihm das liebste rauben, das er auf der Welt besaß und gnadenlos umbringen - meine Schwester April.

Ich schwamm auf das Schloss zu, indem ich meine Kindheit verbracht hatte. Am Eingangstor wurde ich von den Wachen aufgehalten.

„Wer bist du?“, grölte einer. Natürlich erkannten sie mich nicht, jetzt da ich komplett anders aussah.

„Ich bin es, Meredia.“, antwortete ich und sah die beiden an. Sie tauschten vielsagende Blicke und einer schwamm sofort los, während der andere mir weiterhin den Weg versperrte. Er schwamm vermutlich zu meinem Vater. Kurz darauf erschien der Wachmann zusammen mit meinem Vater am Tor.

„Meredia, …“, begann mein Vater, „was ist mit dir passiert?“, fuhr er fort.

„Das ist eine lange Geschichte, Vater. Aber vertrau mir, ich bin es, deine Tochter Meredia!“

Er beäugte mich ebenfalls misstrauisch, doch als er seinen Blick über meinen Körper schweifen ließ, hellte seine Miene sich auf.

„Du bist auf einmal so schön!“, rief er aus. „Naja, bis auf deine Schwanzflosse…“

Ich schaute an mir herunter, zuckte nur mit den Schultern. „Ich mag sie.“, erwiderte ich.

Mein Vater nickte und ich folgte ihm durch das Tor ins Schloss, wo meine Schwestern sich alle am großen Tisch im Thronsaal versammelt hatten. Sie alle schauten mich verwirrt an, sie konnten nicht begreifen, dass aus ihrer hässlichen kleinen Schwester eine strahlende Schönheit geworden war. Als mich an den Tisch gesetzt hatte, begannen alle mich mit Fragen zu löchern. Was genau passiert ist, warum ich nun so aussah und dergleichen. Und ich erzählte meine Geschichte, von meinem Reißaus, weil man mir den Oberflächenbesuch verweigert hatte, die Trümmerteile des versunkenen Schiffes, das Öl. Nur die Tatsache, dass ich einen Mann brutal ermordet hatte, ließ ich außen vor. Das musste ich ihnen nun nicht auf die Nase binden, wenn ich vorhatte meine Schwester April umzubringen. Die mich in diesem Moment auch ziemlich feindselig ansah. Bislang war sie bei jedem Abendessen der Star, alle scherten sich um sie und um ihr Leben. Nun war sie einmal nicht der Mittelpunkt des Geschehens und ich sah ihr an, wie sehr sie das wurmte. Ich warf ihr ein freundliches Lächeln zu, doch sie zog nur die Nase kraus und beachtete mich nicht weiter. Doch das sollte mir nur recht sein, schließlich war ich sie eh bald los.

Nach dem Abendessen wollte ich mich mit meinen Schwestern in unser Zimmer verziehen, doch meine Schwester April hielt mich am Arm fest und zog mich von den anderen weg.

„Ich weiß nicht, was für ein krankes Spiel du hier abziehst, Meredia. Aber eins sage ich dir: du wirst damit auf keinen Fall durchkommen!“, herrschte sie mich an.

„Das werden wir schon noch sehen, liebste Schwester.“, antwortete ich. Ich lächelte sie an, riss mich von ihr los und schwamm dann auf mein Zimmer zu. April hatte mir schon immer misstraut. Egal was war, für sie war ich immer die Schuldige gewesen. Und dafür hasste ich sie am meisten. Denn mein Vater hatte April immer mehr geglaubt als mir, weswegen ich auch immer die Strafen bekommen hatte, die eigentlich ihr hätten gebühren müssen. Sie hatte sich immer aus der Affäre gezogen und ich war immer die Dumme, die für ihre Intrigen aufkommen musste. Auch deshalb hatte ich sie als mein nächstes Opfer auserkoren. Nicht nur um mich an meinem Vater, für all seine Missgunst und fehlende Liebe zu mir, zu rächen, sondern auch an April persönlich. Denn sie war es, die meine Kindheit am meisten zerstört hatte. Sobald sie wieder etwas an mir gefunden hatte, an dem sie nörgeln konnte, taten meine übrigen Schwestern es ihr gleich. In solchen Momenten hatte ich meine Mutter am meisten vermisst. Doch damit war nun Schluss. April würde nie wieder irgendjemanden terrorisieren können, wenn ich mit ihr fertig war.

Ich wartete bis alle in ihren Betten waren und tief und fest schliefen. Leise schwamm ich zu April rüber und legte ihr ein Kissen auf den offenen Mund. Ich drückte fest zu und sie riss erschrocken ihre Augen auf. Sie sah mich an, in ihren Augen loderte purer Hass, doch ich ließ nicht locker. Schließlich hörte sie auf zu zappeln und das letzte Fünkchen Leben in ihrem Körper erlosch. Anders als bei meinem vorherigen Opfer ließ ich Aprils Körper unversehrt. Umso größer sollte so der Schock sein, wenn der Rest meiner Familie bemerkte, dass die Älteste tot war.

Es dauerte am nächsten Morgen nicht lange, bis mein Vater auftauchte, um uns zu wecken. Als er an Aprils Bett kam und an ihrer Schulter rüttelte um sie zu wecken, bildeten sich bereits die ersten Falten auf seinem Gesicht. Normalerweise war April ziemlich schnell wach, doch heute war eben alles anders. Er rüttelte sie fester an der Schulter, doch sie bewegte sich nicht. Langsam wurde er ungeduldig und ich musste mich beherrschen, nicht laut loszulachen. Manchmal war er wirklich schwer von Begriff. Irgendwann kam er auf die Idee, nach ihrem Atem zu horchen, als er mehrmals vergeblich ihren Namen gerufen hatte. Als er merkte, dass sie nicht mehr atmete, brach für ihn eine Welt zusammen. Nun konnte ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Mein Vater sah dies und seine Verzweiflung verwandelte sich sofort in unbändige Wut und tiefen Hass. Er funkelte mich an, schwamm auf mich zu und schrie mich an: „Du warst das?! Warum?!“

„Warum?“, fragte ich spöttisch. „Weil sie ein Miststück war, dass mir regelmäßig mein Leben versaut hatte. Und du warst zu blind es zu sehen. Es war nichts weiter als Rache! Rache an dir, weil du nie ein Vater für mich warst, gerade in der Zeit, wo ich ihn am meisten gebraucht hätte. Rache an ihr, dass sie mir jeden Tag vorhielt, dass sie etwas Besseres war als ich und von unserem Vater innig geliebt wurde. Rache an euch allen, weil ihr mich alle wie ein Stück Dreck behandelt habt, als ich noch hässlich war!“, schrie ich ihn an. Ich hatte mich in Rage geredet und mein Körper bebte vor Zorn. Die Hände zu Fäusten geballt sah ich meinen Vater kampflustig an. Doch er hatte nichts weiter als ein Kopfschütteln für mich übrig.

„Du bist ein Monster. Deine Mutter wäre enttäuscht von dir.“, sagte er regelrecht friedlich, was mich erst richtig wütend machte.

„Wenn Mutter noch hier wäre, würde April noch leben! Mutter hat uns alle geliebt, egal wie wir aussahen. Du hast uns nur darauf reduziert und April als deine Lieblingstochter festge-legt. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr mich das verletzt hat?! Wie sehr ich mir einen Vater gewünscht habe, der für mich da war, wenn ich ihn brauchte?! Doch diesen Wunsch hast du mir nie erfüllt! Ich war verletzt, wütend, traurig und vor allem einsam!“, warf ich ihm vor. Das musste jetzt alles raus. Ich hatte sonst nie die Gelegenheit dazu gehabt. Die Antwort meines Vaters war eine schallende Ohrfeige. Ich hielt mir meine brennende Wange und sah ihn ebenfalls hasserfüllt an. „Du bist verbannt! Kehre nie wieder nach Hause zurück oder auch nur ins Meer. Solltest du es jemals wieder tun, dann wird es deine letzte Tat sein, die du begangen hast.“, sagte mein Vater. Das war mir nur recht. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schwamm ich sofort davon, vorbei an den schockierten Gesichtern meiner Schwestern. Es tat mir nicht leid, was ich getan hatte.
 

Es hatte sich definitiv gelohnt, auch wenn mein Vater mich daraufhin verbannt hatte. Es traf ihn hart, was mein Ziel war. Doch ich konnte nicht mehr ins Meer zurückkehren, so blieb mir nichts anderes übrig, als an Land zu gehen. Ich sprang von dem Felsen zurück ins Meer und schwamm auf das Festland zu. Sobald ich nicht mehr von Wasser umgeben war, verschwand erneut meine Schwanzflosse und zurück blieben die Beine. Doch es gab noch ein Problem: Ich war weiterhin nackt, weswegen ich mir irgendwas einfallen lassen musste. Von den Erzählungen meiner älteren Schwestern, wusste ich, dass die Menschen stets bekleidet liefen. Um nicht aufzufallen, musste ich mir also Kleidung besorgen. Vom Strand aus entdeckte ich ein kleines Häuschen, dass etwas abseits von den anderen stand. Ich ging darauf zu, bedacht darauf, mich hinter Felsen oder Büschen aufzuhalten. Ich wollte kein Aufsehen erregen. Als ich das Haus erreicht hatte, spähte ich vorsichtig durch ein Fenster hinein. Ich sah ein älteres Pärchen an einem Tisch sitzen, die sich lachend unterhielten. Sofort stieg in mir wieder die Gier nach frischem Menschenfleisch auf und ich stellte mir vor, wie sie wohl schmecken würden. Sie waren beide alt, also würde ihr Blut nicht ganz so frisch und süß schmecken, wie das von Brutus. Fast tat es mir um beiden leid, dass sie gleich einen äußerst schlimmen Tod sterben würden, doch so schnell der Gedanke kam, umso schneller verflüchtigte er sich wieder. Ich hatte auch schon eine Idee, wie ich die beiden dazu bringen konnte, mich freiwillig in ihr Haus zu lassen.

Ich sah mich um und entdeckte einen spitzen Stein. Ich nahm ihn, um mir Schnittwunden an Armen, Beinen, am Oberkörper und auch im Gesicht zuzufügen. Etwas Erde vervollständigte den Anblick von dem armen, zutiefst traumatisierten Mädchen. Zufrieden mit meinem Werk, ging ich auf die Haustür zu und klingelte wild. Ich bemühte mich, äußerst schockiert auszusehen, als die Frau mir die Tür öffnete. Sie hatte wohl nicht mit jemanden wie mit meinem Anblick gerechnet, denn sie öffnete den Mund, als ob sie schreien wollte und griff sich mit einer Hand ans Herz.

„Bitte, helfen Sie mir. Ich … ich“, begann ich, doch dann brach ich vor den Füßen der Frau zusammen. Ich war sehr zufrieden mit meinem schauspielerischen Talent.

„Kurt!“, rief die Frau. „Komm schnell!“

Ihr Mann eilte herbei und nach einem unverständigen Murmeln, spürte ich, wie ich hochgehoben und ins Haus getragen wurde. Man legte mich auf einem weichen Untergrund ab. Ich tat so, als ob ich aus meiner Ohnmacht erwachte. Die beiden sahen mich mitleidig an, fragten, wer ich denn sei, wo ich her komme und was mit mir passiert war. Ich begann zu erzählen: „Es tut mir leid, dass ich Ihnen so einen Schrecken eingejagt habe. Aber Sie waren das erste Haus, dass ich sah und ich hoffte einfach, hier Hilfe zu finden. Man hat mich verschleppt, schlimme Dinge mit mir angestellt und mich dann einfach achtlos ins Meer geworfen. Sie dachten, ich sei tot, doch ich hatte es geschafft an den Strand zu kommen. In der Angst, dass sie zurückkommen könnten und mich finden, bin ich losgerannt, so schnell mich meine Beine trugen und da fand ich Ihr Haus.“ Ich hatte beobachtet, wie sich auf ihren Gesichtern immer mehr das Mitleid sammelte. Ich ergriff die Hand der Frau und schaute sie an. „Ich bitte Sie, mir zu helfen. Ich möchte nicht noch einmal in die Fänge dieses Mannes geraten.“, flehte ich sie an.

Sie nickte und antwortete: „Wir helfen Ihnen, meine Liebe. Als erstes zeige ich Ihnen das Badezimmer, wo sie sich waschen und Ihre Wunden verarzten können. Währenddessen suche ich nach Kleidung für Sie.“

„Oh, Sie sind wahrer Engel. Ich danke Ihnen von Herzen.“, erwiderte ich und erlaubte mir sogar ein kleines Lächeln über die Lippen gleiten zu lassen. Nachdem man mir das Bad gezeigt und mir Kleidung gebracht hatte, saß ich mit den Beiden am Tisch. Die Frau, die Helen hieß, goss mir etwas in eine Tasse. Es war eine braune Flüssigkeit, die ich nicht recht einzuordnen wusste. Auf jeden Fall war sie heiß, wie ich feststellen musste, als ich davon trinken wollte. Ich verschluckte mich auch etwas daran und musste erst einmal husten.

„Erzählen Sie doch mal, äh …“, begann Kurt. Offenbar wollte er mich mit meinem Namen anreden, also half ich ihm auf die Sprünge. „Meredia“, sagte ich lächelnd.

„Ah, Meredia. Was ist denn genau passiert?“, fuhr er fort.

„Ich war abends spazieren, als mir plötzlich jemand entgegen kam und mich ansprach. Es war ein Mann, den ich vorher noch nie zuvor gesehen hatte. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, etwas mit ihm zu unternehmen. Ich verneinte und wollte gehen, doch er hielt mich am Arm fest und zerrte mich in eine dunkle Gasse. Ich weiß nur noch, dass ich geschrien und wild um mich getreten hatte, doch das half alles nichts. Irgendwann verlor ich die Kraft und das Bewusstsein. Als ich aufwachte, fand ich mich auf einem Boot wieder, nur das dieses Mal mehr Männer dabei waren. Sie alle machten sich an mir zu schaffen, quälten mich aufs äußerste und es interessierte sie nicht, was für Schmerzen sie mir zufügten. Irgendwann wehrte ich mich nicht mehr und hoffte nur noch, dass das alles bald vorbei sein würde. So glaubten sie bald, ich wäre tot und schmissen mich demzufolge achtlos ins Meer. Als ich mir sicher war, dass das Boot weg war, schwamm ich auf den Strand zu, den ich sah und den Rest kennen Sie ja schon.“, erzählte ich. Ich war selbst überrascht, wie leicht es mir gefallen war, mir diese Geschichte einfach so auszudenken.

„Oh Gott, das klingt schrecklich.“, stieß Helen aus, was Kurt nur bekräftigte. Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass Kurt mir nicht wirklich glaubte und dass er nur seiner Frau zuliebe, dieses Spiel mitspielte. Diese schien von meinem Schicksal aufrichtig ergriffen zu sein und beteuerte erneut, dass sie mir helfen wollte.

„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Helen. Sie sind so ein großartiger Mensch.“, sagte ich, während ich ihre Hand nahm und sie anlächelte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kurt mich misstrauisch beäugte. Du wirst als erstes daran glauben, du alter Knacker., dachte ich mir nur. Ich sah weiterhin Helen an, als ich sie fragte, wo ich denn hier gelandet wäre.

„In Wellington in Neuseeland.“, antwortete Helen.

Neuseeland also., dachte ich. Ich hing meinen Gedanken nach und hörte nur noch mit hal-bem Ohr hin, was Kurt und Helen sagten. Irgendwann war es später Nachmittag geworden. Helen ging in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Ich sah meine Chance nun gekommen. Ich ging auf Kurt zu, der es sich nichtsahnend in seinem Sessel bequem gemacht hatte. Noch bevor er wusste, wie ihm geschah, brach ich ihm das Genick und er war sofort tot. Ich bevorzugte es eigentlich, wenn meine Opfer schrien, während ich sie bei lebendigem Leib tötete. Aber ich wollte noch nicht, dass Helen das Elend sah und so musste ich verhindern, dass Kurt sie durch sein Schreien angelockt hätte. Allerdings machte es jetzt nur noch halb so viel Spaß. Ich riss ihm die Kehle auf und saugte ihm wie ein Vampir das Blut aus dem Körper. Ich hinterließ so wenig Flecken wie möglich, da ich in diesem Haus eine Weile bleiben wollte. Dennoch konnte ich nicht umhin ihm, wie dem anderen Menschen, sämtliche Eingeweide aus dem Körper zu holen und das Fleisch von den Knochen zu reißen. Jetzt noch Helen., dachte ich, als ich Kurts Leichnam achtlos im Wohnzimmer liegen ließ. Sie stand in der Küche am Herd und summte zu einem Lied, das aus dem Radio kam, mit. Als ich eintrat, drehte sie sich zu mir um und ließ schockiert den Rührlöffel zu Boden fallen. „Meredia, was..“, begann sie, doch im nächsten Moment schien sie zu begreifen, denn sie rief ängstlich nach ihrem Mann.

„Er wird leider nicht kommen.“, sagte ich und grinste sie verschlagen an. Die arme Helen zitterte am ganzen Körper und Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie mich anflehte, mir alles zu geben, was ich wollte, nur damit ich sie leben ließ.

„Ach, kleine Helen. Das einzige, was du mir geben kannst, ist dein Leben.“, sagte ich sanft Ich streichelte ihr mit einer blutverschmierten Hand über die Wange. „Dein lieber Mann hing nicht so an seinem Leben, wie du.“, redete ich weiter. „Aber er hatte ja auch keine Chance zu flehen.“, fügte ich hinzu.

Helen liefen mittlerweile die Tränen in Sturzbächen die Wangen hinunter und ich machte ihrem Leiden ein Ende. Anders als bei Kurt, ließ ich sie am Leben, damit ich ihre süßen Schmerzensschreie hören konnte, während ich sie aufschlitzte und sie auseinandernahm wie ein Metzger seine geschlachteten Tiere. Nachdem ihr Herz aufhörte zu schlagen, versiegten auch ihre Schreie. Ich stand auf und begutachtete mein Werk.

„Was für eine Sauerei.“, murmelte ich, als ich den blutverschmierten Küchenboden sah.

Ich entsorgte die beiden Leichen, indem ich sie im Waldstück, das an ihr Haus grenzte, vergrub. Im Haus beseitigte ich nun die Flecken und machte es mir anschließend auf dem großen Sofa bequem. Eigentlich sollte es mir leidtun, denn die beiden wollten mir wirklich helfen, zumindest Helen. Doch ich empfand nichts, außer ein Sättigungsgefühl. Die Gefühle, Schmerzen und auch die Leben der Menschen, die ich tötete, waren mir egal. Es ging mir einzig und allein um mich, um mein Überleben. Wann war ich so grausam geworden? Doch ehe ich länger darüber nachdenken konnte, wurde der Gedanke von irgendetwas in meinem Kopf verdrängt. Ich war wahrlich zu einem Monster geworden, doch ich fühlte mich unglaublich gut. Noch nie in meinem Leben fühlte ich mich lebendiger.

Ich erhob mich vom Sofa und ging durch das Haus, das von nun mein Heim sein würde. Im Flur hingen Bilder von Helen und Kurt und von anderen Menschen, die offenbar ihre Kinder waren. Hm, wenn die mal hier aufkreuzen, muss ich mir etwas einfallen lassen. Ich ging weiter zur Treppe, die in den ersten Stock führte. Dort oben befanden sich lediglich ein kleines Bad und das Schlafzimmer. Sehr wohlhabend waren die beiden wohl nicht., dachte ich, während ich meinen Rundgang fortsetzte. Neben der Küche befand sich eine weitere Tür, die anders aussah als die anderen. Als ich sie öffnete, fand ich mich in einer Garage wieder. Ich pfiff anerkennend durch die Zähne, als ich darin einen rubinroten Porsche 911 Turbo S stehen sah. Von wegen nicht wohlhabend., dachte ich lächelnd. Dieses Auto war der Wahnsinn!

Als meine Schwester Saphir ihren Oberflächenbesuch hatte, hatte sie sich weniger für die Menschen, sondern mehr für deren Gefährten interessiert: die Autos. Seitdem ließen diese Dinger meine Schwester nicht mehr los und sie brachte alles, was sie konnte, darüber in Erfahrung. Saphir war die Einzige, bei der ich das Gefühl hatte, dass sie mich aufrichtig mochte. Deswegen lauschte ich immer aufmerksam ihren Erzählungen, wenn es um ihre Vorliebe ging und so wusste ich, was für ein Auto nun vor mir stand. Doch ich im Moment interessierte es mich nicht weiter. Achselzuckend ging ich wieder ins Haus und suchte in der Küche im Kühlschrank nach etwas essbarem. Auch wenn ich satt war, interessierte es mich doch, wovon Menschen sich so ernährten. Ich fand eine aufgerissene Packung indem sich ein großer gelber Klumpen befand, der bereits ins Scheiben geschnitten worden war. Auf der Verpackung stand Gouda. Unschlüssig was das war, machte ich mir ein Stück ab und probierte es. Es schmeckte irgendwie nach nichts, fand ich. Ich legte es zurück in den Kühlschrank und schloss ihn. Ich trat ans Fenster und schaute hinaus in den Garten. Offenbar war dies ein Hobby der beiden gewesen, denn man konnte sehen, welche Mühe sie da rein gesteckt hatten. Es war wirklich ein zauberhafter kleiner Garten mit seinem kleinen Teich, seiner Sitzecke, in deren Mitte sich eine Feuerstelle befand und mit den vielen Rosenbüschen in verschiedenen Farben. Helen und Kurt würden das nun nie wieder sehen. Ich konnte nicht verhindern, dass erneut Mitleid für beiden in mir aufkeimte, doch es wurde je zerschlagen. Langsam fing ich an, mich zu wundern, was, meine sozusagen guten Gefühle, so schlagartig bekämpfte. Was genau war mit mir passiert? Ob ich jemals eine Antwort auf diese Frage bekam, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.



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