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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
keine große Ansprache, Kopfschmerzen... mal wieder. Komplett anzeigen

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Schlaflosigkeit

Es war Abend. Zusammen mit Ron und Hermine saß Harry im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin, den ihre Mitschüler freiwillig hergegeben hatten, als sie ihn hatten kommen sehen. Aus welchem Empfinden heraus sie das taten, wusste Harry nicht ganz einzuordnen. Aus Angst? Oder Mitgefühl? Vielleicht auch Ehrfurcht. Er wusste es nicht, aber egal was es war, es gefiel ihm nicht.

Langsam leerte sich der Gemeinschaftsraum und Harry wusste, dass seine beiden Freunde nur noch wach waren, weil sie ihn nicht alleine lassen wollten. Aus schlechtem Gewissen schlug er ihnen schließlich vor, dass sie ruhig schon vorgehen konnten, was für Skepsis sorgte.

„Meinst du denn du kannst heute Nacht schlafen?“, fragte Hermine behutsam nach.

Harry wollte zu einer ermunternden Antwort ansetzen, doch bei ihrem Blick brachte er es nicht fertig zu lügen.

„Wahrscheinlich nicht“, gab er seufzend zu. „Ich werde es versuchen.“

„Wir können uns oben ja noch ein wenig unterhalten“, schlug Ron vor. „Vielleicht schläfst du dann ja irgendwann dabei ein.“

Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht des Schwarzhaarigen. Er wusste ziemlich genau, wer bei so etwas immer als erstes einschlief. Alternative wäre allerdings, die beiden noch länger wach zu halten und so stimmte er zu. Nachdem sie sich in ihre Betten gelegt hatten, begann Ron tatsächlich mit der Unterhaltung.

„Weißt du eigentlich, wann Snape wieder anfängt zu unterrichten?“

„Nur, dass er anfangs unseren Kurs übernehmen soll und dann Stück für Stück die anderen“, zuckte Harry mit den Achseln.

„Hm“, machte Ron grübelnd. „Wir hatten bisher Professor Babbling als Vertretung. Besonders doll ist die aber auch nicht.“

„Wer?“, runzelte Harry die Stirn.

„Professor Babbling. Die unterrichtet eigentlich Alte Runen... und ist genauso verstaubt wie ihr Fach.“

Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht des Grünäugigen, ehe er wieder ernst wurde. Runen. Die brauchte man als Zaubertrankexperte sicherlich häufiger als man denkt. Wäre Severus nicht mit in den Höhlen gewesen, hätte Harry niemals herauskommen können, selbst wenn er den Ausgang gefunden hätte. Aus den alten Schriftzeichen wäre er niemals schlau geworden.

„Es ist zu spät Alte Runen noch zu wählen, oder?“, schmiss Harry seine Gedanken in den Raum.

„Du willst Alte Runen belegen?“, fragte Ron verwundert nach. „Seit wann interessierst du dich denn für sowas? Aber nein, glaube nicht. Man müsste auch viel zu viel nachholen, schätze ich. Wie kommst du auf so eine Idee?“

„Sie können einem das Leben retten“, antwortete Harry ruhig und wusste sofort, dass Ron aufmerksamer wurde. Eine angespannte Stille trat ein.

„Gab es etwa welche... dort?“, kam die zögerliche Frage.

„Nein“, seufzte Harry und seine Gedanken verdunkelten sich immer weiter, „aber Altenglisch in den alten lateinischen Buchstaben. Hätte Severus das nicht lesen können... wären wir nicht hier.“

Wieder entstand eine Pause.

„Oh“, kam vom anderen Bett. „Aber sagte Hermine nicht auch mal etwas von Altenglisch? Dass sie das auch in Alte Runen gehabt hätte?“

„Severus sagte, dass Altenglisch sowohl in Runen als auch später in lateinischen Buchstaben geschrieben wurde“, erklärte Harry und war erstaunt darüber, dass er sich so genau erinnern konnte, wo er zu dem Zeitpunkt doch im Fieberwahn gewesen war.

„Was sagt er eigentlich dazu, dass du ihn beim Vornamen nennst?“

Harry stockte kurz, ehe er sagte: „Am Anfang war er nicht sonderlich begeistert... aber eigentlich auch nur, weil er mich nicht an sich heranlassen wollte.“

War das vielleicht immer noch der Grund? Hatte Severus sich das mit dem Instinkt vielleicht doch nur ausgedacht, weil er Harry von sich stoßen wollte? Aber warum würde man so etwas tun? Warum sollte ein Mensch die Einsamkeit wählen wollen?

„Schon ein komischer Kerl“, schloss Ron und Harry wusste, dass sein Freund nicht besonders scharf darauf war, weiter über Snape zu sprechen.

 

Natürlich hatte Harry in dieser Nacht kein Auge zugetan. Stundenlang hatte er wach auf seinem Bett gelegen und in der Gegend herumgestarrt, größtenteils aus dem Fenster. Als es dämmerte, setzte er sich auf das Fensterbrett und wartete auf die Sonne am Horizont. Doch irgendwie war ihm das nicht genug. Rasch und leise ging er zu seinem Koffer und holte die Karte des Rumtreibers heraus. Filch war inzwischen in seine Räume zurückgekehrt und die Lehrer patrouillierten auch nicht mehr. Nur Severus schlich durch die Gänge, auf dem Weg zu den höheren Stockwerken. Kurzum schnappte Harry sich seinen Mantel, zog seine Schuhe über und verließ den Schlafsaal. Die Stille im Schloss war für ihn sehr angenehm. Endlich konnte er wieder in Ruhe genießen in Hogwarts zu sein, ohne dass irgendwelche Schüler herumschwirrten. Diese Ruhe wäre ihm allerdings bei Tage lieber gewesen. Bereits in den ersten Gängen beschlich ihn eine Beklommenheit, die er nicht ganz verstand. Obwohl er eigentlich unauffällig bleiben wollte, entzündete er seinen Zauberstab und erkannte in dem Moment, warum ihm so unwohl war: Die dunklen Gänge erinnerten an Necrandolas. Verärgert biss Harry sich auf die Zunge und versuchte diesen lächerlichen Gedanken zu vertreiben. Das wäre ja noch schöner, wenn er jetzt nicht einmal mehr nachts umherwandern könnte. Er zwang sich ruhig zu bleiben und sich jede Einzelheit in den Gängen anzusehen, um sich besser ins Gedächtnis zu rufen, dass das hier Hogwarts war und somit ungefährlich. Dennoch nahm er den kürzesten Weg zu den äußeren Gängen, die mit großen Fenstern versehen waren und endlich atmete der Gryffindor auf. Hier war es schon viel besser. Als Harry in der Eingangshalle ankam, schob er vorsichtig das Tor ein Stück auf, um auf die Ländereien zu gelangen. Sofort begrüßte ihn das Vogelgezwitscher und eine frische Brise, bei der er genussvoll die frische Luft tief einatmete.

Langsam schlenderte er über das Gras hin zu einem Baum, unter den er sich setzte und Richtung verbotenen Wald schaute, hinter dessen Wipfeln ein oranger Streifen den Sonnenaufgang ankündigte. Sein Blick wanderte weiter zum Schloss, welches von den ersten Sonnenstrahlen angestrahlt wurde und dadurch noch imposanter und geheimnisvoller wirkte, als es eh schon war. Als Harrys Blick auf den Astronomieturm fiel, war er sich sicher, dort oben eine Gestalt gesehen zu haben. War das Severus? Sah er sich von dort oben ebenfalls den Sonnenaufgang an? Von dort musste der Ausblick um einiges besser sein.

Erst als die Sonne komplett über den Bäumen erschien, erhob sich der Gryffindor und machte sich auf den Rückweg. Die Schüler waren bereits in der großen Halle, um zu frühstücken, doch Harry hatte keine große Lust sich ihnen anzuschließen. Also lief er gegen den Strom zum Gryffindorturm und verzog sich unter die Dusche. Während er das warme Wasser über sich laufen ließ, fragte er sich, wann endlich die Müdigkeit groß genug sein würde, um den Körper zum Schlafen zu zwingen. Er hatte von Madam Pomfrey Traumlostrank mitbekommen, aber den konnte er schlecht nehmen, wenn er gar nicht erst einschlief. Im Krankenflügel hatte er doch auch schlafen können, dann dürfte das hier doch auch nicht so schwer sein! Vielleicht musste er sich nur erst einmal wieder an den Raum gewöhnen. Seufzend hob er den Kopf und streckte sich dem Wasserstrahl entgegen. Er kam sich vor wie ein Kleinkind. Schrecklich! Fehlte nur noch, dass er ein Nachtlicht bräuchte. Seine Freunde würden ihn spätestens dann für verrückt erklären.

 

Die nächsten Tage ließ der Schlaf weiterhin auf sich warten. Harry versuchte es zwar, indem er sich jeden Abend ins Bett legte und vor der Dämmerung auch nicht wieder aufstand, aber das brachte überhaupt nichts. Eines gutes hatte das ganze trotzdem: Er war zu müde, um weitere Wutausbrüche zu bekommen. Dafür sah Severus jedoch von Mahlzeit zu Mahlzeit zermürbter aus und Harry glaubte zu sehen, dass er seine Schwester jedes Mal anfauchte, wenn sie es wagte ihn anzusprechen. Also konnte er auch nicht schlafen. Irgendetwas müssten sie doch dagegen tun können.

„Harry, wie wäre es, wenn ich gleich in der ersten Unterrichtsstunde mit in den Gemeinschaftsraum komme und du machst dich auf dem Sofa ein bisschen lang“, riss Hermines Stimme den Schwarzhaarigen aus seinem merkwürdig schwammigen Zustand.

„Habt ihr da nicht Verteidigung gegen die dunklen Künste?“, runzelte Harry die Stirn und war verwundert, dass er den Stundenplan noch auswendig konnte, erst recht bei der Müdigkeit.

„Ach, das wird schon kein Problem sein“, winkte die junge Hexe ab und wurde von Neville und Ron mit offenen Mündern angestarrt.

„Was?“, zog sie die Schultern hoch.

„Du... schwänzt?“, schaute Ron weiterhin ungläubig, während Milch und Cornflakes von seinem Löffel tropften.

„Ich sehe das nicht als schwänzen. Professor Levin wird es sicher verstehen.“

„Ist nett gemeint, Hermine“, murmelte Harry erschöpft und strich sich über die Augen, „aber du solltest wegen mir den Unterricht nicht verpassen.“

„Harry, du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten vor Müdigkeit. Außerdem muss ich eh noch die Hausaufgaben für Alte Runen fertig machen.“

Skeptisch sah Harry zu seiner Freundin herüber, die ihn eindringlich ansah, bis er seufzend klein bei gab.

„In Ordnung. Vielleicht hilft das ja.“

Und so machten sie sich auf den Weg zum Gryffindorturm, während die anderen Schüler Richtung Klassen stürmten. Im Gemeinschaftsraum hetzten noch die letzten Gryffindors herum, die verschlafen oder eines ihrer Bücher verlegt hatten und zu spät zum Unterricht kamen. Nach einigen Minuten kehrte Ruhe ein und Harry und Hermine machten es sich vor dem Kamin gemütlich, Hermine auf dem Sessel, während Harry sich auf dem Sofa lang machte. Während Hermine eines ihrer Bücher hervorkramte, sah Harry geistesabwesend ins knisternde Feuer. Immer wieder spürte er Hermines Blick auf sich ruhen und er wusste genau, woran sie dachte. In den letzten Tagen hatte er bemerkt, dass seine beiden Freunde ihn immer häufiger neugierig ansahen und ihnen dabei etwas auf der Zunge lag. Es war nicht schwer zu erraten was es war: Sie wollten wissen, was in Necrandolas passiert war, so wie jeder Schüler in Hogwarts, doch trauten sie sich nicht zu fragen. Und eigentlich war es ganz gut so, denn bei dem Gedanken daran all die Erinnerungen wieder aufleben lassen zu müssen, schnürte sich ihm die Kehle zu.

„Harry, kann es sein, dass...?“, begann Hermine leise, zögerte aber.

Fragend zog Harry die Augenbrauen hoch und sah zu ihr herüber.

„Dass was?“

Forschend sah Hermine zurück und suchte nach dem richtigen Ansatz.

„Hast du mit Professor Snape mal über deine Schlafprobleme gesprochen?“

Nun zog der Gryffindor die Brauen wieder verwundert zusammen.

„Warum sollte ich das tun? Denkst du etwa es interessiert ihn?“

Damit wandte er den Blick wieder dem Feuer zu, um Hermine nicht sehen zu lassen, dass dieses Fakt ihn nicht so kalt ließ, wie er es sich wünschte. Warum war da dieser Stich in der Brust?! Verärgert über sich selbst, versuchte Harry dieses Gefühl abzuschütteln.

„Ich meine nur...“, sprach die Hexe weiter, „Professor Snape kann sicherlich auch nicht schlafen.“

„Und?“

So langsam fragte der Grünäugige sich, worauf Hermine überhaupt hinaus wollte.

„Hast du es denn nicht bemerkt?“, wunderte sich die Braunhaarige und seufzend setzte Harry sich auf.

„Hermine, rede nicht um den heißen Brei herum, sondern spucke endlich aus wovon du redest.“

Mit einer leichten Unsicherheit musterte Hermine ihren Freund, der immer ungeduldiger wurde. War sie gerade wirklich so erstaunt, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach? Wie sollte er das auch wissen, wenn sie sich immer nur so ungenau ausdrückte?

Harry wollte sie gerade erneut auffordern, als Hermine ihr Buch zur Seite legte und sagte: „Du kannst nicht schlafen, weil Snape nicht bei dir ist. Und bei ihm ist es genauso mit dir.“

Völlig perplex öffnete Harry den Mund, um ihr zu widersprechen, ließ den Mund jedoch nur so offen stehen, ohne einen Ton herausbringen zu können.

„Du hast das wirklich nicht gewusst?“, klang Hermine immer ungläubiger. „Harry, ihr habt auf der Krankenstation nie gleichzeitig geschlafen, sondern immer nur abwechselnd. Ihr habt Wache gehalten. Und ich bin mir sicher, dass Snape das aufgefallen ist.“

Wieder kam kein Ton aus Harrys Kehle. Konnte sie Recht haben? Ja, wenn er so darüber nachdachte, ergab es Sinn. Warum hatte er nicht daran gedacht? Aber jetzt, wo er das wusste, wusste er trotzdem nicht, wie ihm das weiterhelfen sollte. Sollte er etwa den Rest seines Lebens keine Nacht mehr durchschlafen, nur weil Severus nicht da war? Absurd! Dennoch machte er sich deswegen Sorgen.

„Und was soll ich jetzt tun?“, murmelte er und erhielt einen mitleidigen Blick von seiner Freundin, die sich ein wenig vorbeugte.

„Vielleicht solltest du Professor Snape darauf ansprechen.“

Sollte er? Aber wie erbärmlich würde das denn herüberkommen? 'Hey Severus, ich kann nicht einschlafen, wenn du nicht bei mir bist. Hältst du mir in Zukunft die Hand, wenn ich ins Bett gehe?' Ja, das würde sicherlich gut beim anderen ankommen. Seufzend raufte sich der Gryffindor die Haare.

„Ich fürchte, ich muss damit alleine klarkommen“, murmelte er etwas verloren klingend. „Selbst wenn ich mit ihm darüber sprechen würde, was soll uns das bringen? Wir können nicht in einem Raum schlafen, also müssen wir lernen damit zurechtzukommen.“

Nun war es Hermine, die ratlos aufseufzte. Es war selten keine weiteren Ratschläge von ihr zu hören zu bekommen. Lange wurde er forschend von Hermine angesehen, was ihn irritierte.

Schließlich murmelte sie sanft: „Und zwischen euch ist alles... okay?“

Stirnrunzelnd sah Harry seine Freundin an. Was meinte sie denn jetzt damit? Oder hatte sie etwa gesehen, wie Harry versucht hatte, sein Gefühlschaos zu verbergen? Aber wie, wenn vielleicht nicht einmal Syndia etwas gesehen hatte? Oder hatte sie doch? Hatten es alle gesehen und sich nur nichts anmerken lassen? Aber wie hatte er sich denn verraten? Er hatte doch selbst vor Severus versucht, alles zu verbergen und zu verdrängen. Jeden Drang den anderen anzusehen, zu berühren oder anzulächeln hatte er unterbunden. Harrys Gedanken rasten, während er versuchte nach außen hin ruhig und gelassen zu wirken.

„Was...“, er räusperte sich, „wie meinst du das?“

„Es ist nur...“, begann die junge Hexe, zögerte dann aber und senkte den Blick zu ihren Händen. „Ich habe mich gefragt, ob ihr... als du und Snape, als ihr den Krankenflügel verlassen habt, ob ihr da alles zwischen euch geklärt hattet.“

„W-was denn geklärt?“, versuchte Harry unschuldig zu klingen und wusste nicht, wo er hinsehen sollte.

„Ich weiß nicht genau... es wirkt einfach so, als würde dich noch etwas beschäftigen. Was ihn angeht.“

Sie hatte ihn also tatsächlich durchschaut. Aber zumindest war sie nicht in der Lage, das richtig zu interpretieren, was Harry beruhigte. Dennoch... wäre es denn so schlimm? Nachdem Severus dieses Gefühlschaos so abgetan hatte, war es vielleicht gar nicht schlecht jemanden um Rat zu fragen. Jemanden, der ihm helfen könnte sich selbst besser zu verstehen. Natürlich musste er dafür einige Dinge erzählen, die vorgefallen waren und Ron gegenüber würde er das nicht fertig bringen. Was, wenn sein Freund angewidert das Gesicht verziehen würde? Was, wenn er auf Abstand zu ihm gehen würde, weil Harry offensichtlich Interesse an Männern hatte? Vielleicht war Hermine da der bessere Ansprechpartner.

„Naja. Da ist schon etwas...“, wurde Harry zum Schluss hin immer langsamer und leiser, während er nervös seine Handflächen aneinander rieb und ins Feuer sah. „Aber es ist... ein wenig... absurd.“

Interessiert sah Hermine ihn auffordernd an und Harry lehnte sich seufzend zurück. Wo sollte er anfangen? Was wäre er überhaupt bereit zu erzählen?

„Es... in Necrandolas ist etwas merkwürdiges passiert“, sprach Harry leise zu seinen Händen.

Er bemerkte, wie Hermine sich anspannte, da er das erste Mal dazu bereit war, über das Labyrinth zu sprechen. So gut wie möglich versuchte er das zu ignorieren und suchte nach Worten.

„Ich weiß nicht warum, aber... irgendwann...“, seufzend schloss Harry die Augen und entschied sich dafür, es einfach auszusprechen. „Wir sind uns näher gekommen.“

„Was meinst du mit näher?“, fragte Hermine stirnrunzelnd, anscheinend in der Hoffnung seine Worte falsch interpretiert zu haben.

Das machte Harry nervös. Was, wenn sie ihn verurteilte? Was, wenn sie sagen würde er sei krank und pervers? Aber sie war seine Freundin und würde ihm so etwas nie ins Gesicht sagen. Denken könnte sie das aber trotzdem.

„Na... näher eben...“, murmelte Harry und begann mit den Händen zu gestikulieren. „Ich, also... wir haben uns... geküsst. Oder eher ich ihn. Mehrmals.“

Nervös strich er sich über das Gesicht, bevor er in das der Gryffindor sah. Sie hatte die Augen aufgerissen und er rechnete schon mit einer angeekelten Miene, doch diese kam nicht. Stattdessen schnappte sie nach Luft und suchte nach Worten, ehe sie es aufgab und sich baff nach hinten in den Sessel fallen ließ.

„Wow“, brachte sie nur hervor.

War das jetzt gut oder schlecht? Harry begann wieder seine Handflächen zu reiben und sah unsicher zu seiner Freundin, dessen Gesichtsausdruck noch immer Verblüffung zeigte.

„Aber...“, begann sie und ihr Blick wurde etwas skeptischer, „Harry, er ist...“

„Was, zu alt? Mein Lehrer? Ein Mann? Ich weiß!“, fiel Harry ihr ins Wort, da er diese Anklagen von ihr nicht ertragen hätte.

Hermine schloss erneut den Mund, da sie begriff, dass er genau das nicht von ihr hören wollte.

„Aber wie... was...?“, stotterte sie, ehe sie sich ruckartig wieder nach vorne lehnte und damit Harry erschreckte. „Das musst du mir genauer erzählen.“

„Was?“, sah Harry verständnislos zurück. „Wieso, was soll man da denn genauer erzählen?“

Sofort begann die Braunhaarige Worte aus sich heraussprudeln zu lassen: „Na wie hat Snape reagiert? Was meinst du mit mehrmals? Wie seid ihr damit umgegangen? Habt ihr darüber gesprochen? Hat er die Küsse erwidert oder hat er dich vielleicht auch mal geküsst? Hat er es genossen oder dich weggestoßen? Was hast du dabei empfunden? Seid ihr weiter gegangen als küssen?...“

„Hermine“, unterbrach Harry ihren Redeschwall und sofort verstummte sie, sah ihn jedoch weiterhin eindringlich an. „Du... willst das wirklich wissen?“

Völlig irritiert sah der Schwarzhaarige zu Hermine, die aufseufzte und eine ernste Miene aufsetzte.

„Nur so kann ich es vielleicht verstehen. Es ist... ungewöhnlich, ja, aber vielleicht gibt es da eine vernünftige Erklärung für.“

Harry ließ seinen Blick düster sinken. Also kam sie zu dem gleichen Schluss wie Severus? War es wirklich so unwahrscheinlich, dass die Gefühle echt waren? Skeptisch wurde er betrachtet.

„Kannst du erklären, warum du das getan hattest?“

„Keine Ahnung“, hob Harry die Schultern an. „Ich hab einfach... es war... schön und... ich...“

Seufzend zog Hermine ihre Beine auf den Sessel und schlang ihre Arme darum.

„Am besten erzählst du mir alles von Anfang an. Wann war der erste Kuss?“

Harry setzte an zu sprechen, doch es fiel ihm schwerer als gedacht und er presste heraus: „Als ich ihm half aufzustehen... als er aufgeben und... einfach sterben wollte.“

Wieder sog Hermine hörbar die Luft ein, fing sich dann aber schnell wieder.

„Also... ähm, du wolltest ihn aufmuntern?“, klammerte sie sich offenbar an eine neue Hoffnung.

Nachdenklich legte Harry den Kopf schief.

„Vielleicht. Oder... eigentlich... nein, ich glaube das war es nicht.“

„Sondern?“

Wieder zuckte Harry mit den Schultern.

„Ich... konnte nicht widerstehen. Er stand so dicht vor mir“, murmelte der Gryffindor, während er sich in seine Erinnerung vertiefte. „Ich habe... einfach nicht darüber nachgedacht, sondern es einfach getan.“

„Hattest du vorher schon einmal das Bedürfnis ihn zu küssen?“

Harry schluckte, ehe er nickte und dabei ins Feuer starrte. Eine kurze Stille trat ein. Er spürte, dass Hermine nicht ganz wohl bei diesen Fakten war, aber er rechnete es ihr an, dass sie dennoch versuchte ihm zu helfen.

„Und wie ging es weiter? Wie hat er reagiert? Wie hat sich das weiterentwickelt?“

„Er hat sich schon darauf eingelassen... irgendwie. Je öfter das passiert ist, umso mehr. Und irgendwann hat er sogar mich geküsst. Aber meistens war er danach dann wieder distanziert und meckerte an mir herum, wahrscheinlich aus Selbstschutz.“

Geistesabwesend sah Harry in die Flammen.

„Und habt ihr darüber gesprochen? Wie soll es weitergehen?“

„Gar nicht“, kam Harry wieder in die Gegenwart zurück und lehnte sich seufzend nach hinten. „Im Krankenflügel hat er mir zu verstehen gegeben, dass wir so weitermachen werden, als sei nie etwas passiert.“

„Aber“, begann Hermine verständnislos, „es ist schon verständlich, dass ihr nach außen hin so tun solltet, als sei nichts passiert, immerhin ist er dein Lehrer. Aber ihr müsst euch doch aussprechen, damit das ein für alle Mal geklärt ist.“

Harry erklärte so gelassen wie möglich: „Er sagte, in Necrandolas seien nur die Hormone mit uns durchgegangen, weil der Instinkt uns zur Fortpflanzung bringen wollte bevor wir sterben.“

Überlegend kaute Hermine auf ihrer Unterlippe und wandte den Blick ab.

„Das könnte sein“, murmelte sie schließlich.

„Meinst du?“, zog Harry die Augenbrauen hoch.

Wenn Hermine das auch sagte, war da ja vielleicht doch etwas dran. Aber warum stach es gerade so in seiner Brust? War das einfach nur eine Nachwirkung, die bald vergehen würde?

„Das kannst du am besten beurteilen, Harry“, sah Hermine nun wieder zum Gryffindor. „Wie fühlt es sich inzwischen an?“

Nachdenklich sah Harry auf seine Hände, ehe er murmelte: „Ich weiß es nicht. Irgendwas ist auf jeden Fall anders als sonst. Es tut weh. Aber vielleicht liegt das nur daran, dass wir so lange zusammen waren und es legt sich wieder.“

„Das ist gut möglich“, antwortete Hermine und musterte ihren Freund genau. „Ich kann verstehen, dass du verwirrt bist, aber ich denke etwas anderes als Abwarten kann man nicht tun. Bestimmt legt sich das bald, wenn du dich hier wieder eingewöhnt hast. Vielleicht ist es auch nur eine gewisse... Verbundenheit, weil ihr diese Hölle zusammen durchgestanden habt. Da ist es völlig normal sich nach der Anwesenheit des anderen zu sehnen, weil man es gewohnt war, ihn immer um sich zu haben. Deswegen kannst du auch nicht schlafen.“

Seufzend nickte Harry. Wahrscheinlich hatte sie Recht und seine Gefühle waren einfach völlig überdreht und mussten sich erst legen. Er musste das nur ein paar Wochen durchhalten und dann würde sicherlich alles wieder normal werden. Hoffte er zumindest.

„Und du hast kein Problem damit, dass ich... naja“, suchte Harry nach Worten.

„Dass du dich von einem Mann angezogen fühlst, zusätzlich noch von einem, der viel älter ist und dazu noch dein Lehrer?“

„Nun... ja.“

„Es könnte gut sein, dass es wirklich der Instinkt war, Harry. Also dass du speziell auf Snape angesprungen bist, meine ich. Aber es könnte doch sein, dass du bi bist. Gab es mal einen Schüler, den du attraktiv fandest?“

„Ähm“, überlegte Harry. „Ich glaube nicht, nein. Und du findest das nicht schlimm?“

„Bi zu sein? Nein, warum?“, sah Hermine ihn unschuldig an. „Da ist nichts schlimmes dran. Im Übrigen wärst du auch nicht der einzige hier. Ich habe zum Beispiel gehört, dass Wayne Hopkins, Stephen Cornfoot und Roger Malone schwul sein sollen. Also Wayne Hopkins ist es auf jeden Fall, denn Ginny hat ihn mal mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang erwischt.“

Noch immer war Harry darüber verwundert, wie locker Hermine das sah.

Unbeirrt sprach sie weiter: „Vielleicht solltest du dich mal bewusst nach Männern umschauen. Das könnte dir helfen herauszufinden worauf du stehst.“

„Ähm... ja. Vielleicht“, antwortete Harry verlegen.

Wie konnte ihr das so wenig ausmachen? Sie schlug ihm das einfach vor, als würde sie ihm raten, Morgen Brötchen zu frühstücken statt Toast. Doch eigentlich sollte er froh darüber sein. Sie akzeptierte es. Er musste sich nicht vor ihr verstecken und das verringerte die Last auf seinen Schultern um einiges und dafür war er ihr dankbar.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ungewöhnlich viel Gerede, ich weiß, aber das musste halt sein. Ich hoffe das hat das Kapitel nicht langweilig gemacht.
Bis Donnerstag! ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Salatgurke
2016-08-17T14:58:50+00:00 17.08.2016 16:58
Oh mann die armen beiden.
Das Snape aber auch so ein Dickkopf ist,
er wusste doch sicher schon längst wo das Problem liegt.
Aber er denkt nicht im Traum daran Harry und sich zu helfen...
Bin mal gespannt wie es mit Harry weitergeht.
Finde Hermine auch sehr süß :)
Wie sie reagiert, ich konnte mir das echt bildlich vorstellen :)
Freue mich auf morgen ;)
Antwort von:  -wolfsmoon-
18.08.2016 17:29
Dann scheine ich Hermine ja gut getroffen zu haben :D Snapes Gedanken lasse ich mal noch n bissl im Dunklen, schließlich muss ich meine lieben Leser ja auch ein wenig foltern :D Aber ja, er ist ein Dickkopf :D
Von:  Im_Whats_Left
2016-08-15T14:40:33+00:00 15.08.2016 16:40
Langweilig war es sicher nicht ;) Harry konnte sich bei Hermine mal einen kleinen Teil von der Seele reden. Schlau wie unsere Hermine ist, hat sie ja recht fix die richtigen Schlüsse gezogen und die richtigen Fragen gestellt.
Und zumindest weiß Harry jetzt, das sie ihn wegen dieser Sache nicht stehen lassen wird. Bei Rons Hitzkopf wäre ich mir da nicht so sicher. Und ich mein, hey, sie hat sogar geschwänzt! Das muss Hermine echt auf der Seele gebrannt haben. Geschlafen hat Harry aber immer noch nicht *gg* Bin mal gespannt, wie es weitergeht - und was Severus dazu sagen würde, wenn unser kleiner Gryffindor auf einmal anderen Kerlen hinterherschaut :D
Antwort von:  -wolfsmoon-
15.08.2016 18:38
Tjaaa Severus wird noch merken, wie er das finden würde XD Allerdings dauert das noch n paar Kapitelchen ;)


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