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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
so Leute, es wird ernst. Hoffentlich kommt alles so gut rüber, wie ich es wollte.
Viel Spaß! ^^ Komplett anzeigen

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Das Licht am Ende des Tunnels

Zwei weitere Tage vergingen und Severus wunderte sich, dass Harry noch lebte. Er war bereits mehrere Male zusammengeklappt, sodass Severus ihn hatte auffangen müssen und nach jeder Rast fiel es Harry schwerer wieder aufzustehen. Nicht mehr lange und er würde einfach liegen bleiben. Jedes Mal, wenn Harry im Schlaf ruhiger wurde, bekam der Tränkemeister einen Schreck und kontrollierte den Puls, der sowieso viel zu schnell ging.

Gerade strich der Slytherin dem anderen beruhigend durchs Haar, damit dieser etwas Schlaf fand, als Harry mit schwacher Stimme fragte: „Severus?“

„Hm?“, antwortete dieser ebenso leise.

„Hast du... Denkst du auch so oft an Hogwarts wie ich?“, flüsterte Harry ohne seinen Blick zu heben und klang dabei, als wäre er weit weg mit seinen Gedanken.

Ohne die Streicheleinheiten zu beenden, seufzte Severus auf und auch sein Blick wirkte, als würde er vor seinem inneren Auge das Schloss betrachten.

„Schon möglich.“

„Der Gryffindor-, Eulen- und der Astronomieturm, wie sie sich dem Himmel entgegen strecken“, murmelte Harry sehnsuchtsvoll. „Das warme Licht hinter den Fenstern, das nachts dem gesamten Schloss einen magischen Glanz verleiht. Die Geborgenheit und Wärme, die dieses Licht verspricht. Der See, der bei Mondschein so geheimnisvoll glitzert. Der Wald, der vor sich hin flüstert und einen magisch anzieht und zugleich einen Schauer über den Rücken wandern lässt. Die schier endlos hohe Decke der Großen Halle, ihr Glanz, wenn zu Halloween die Kürbisse ihr Licht spenden und die Fledermäuse ihre Schatten werfen. Und der Duft von Tanne und Zimt, wenn es auf Weihnachten zugeht.“

Stumm lauschte Severus Harrys Erzählungen und tauchte so sehr in sie ein, dass er gar nicht bemerkte, wie seine Hand immer langsamer über Harrys Haar strich. Er konnte es sehen, es spüren. Er wusste ganz genau, wovon Harry da sprach und verspürte dabei die gleiche Sehnsucht wie der Gryffindor.

Sanft hauchte Harry: „Wie gerne würde ich es noch einmal sehen. Hogwarts ist mein Zuhause.“

Seufzend schloss Severus kurz die Augen und schluckte dann den Kloß in seinem Hals hinunter.

„Meines auch“, flüsterte er kraftlos.

„Du wirst es wiedersehen“, bestimmte Harry und schloss erschöpft die Augen. „Das verspreche ich dir.“

„Dann wirst du es auch wiedersehen“, antwortete der Slytherin und ein sanftes Lächeln huschte auf Harrys Lippen.

Langsam drehte er seinen Kopf und sah zu Severus hoch. Seine Augen verrieten, wie schwach er inzwischen war. Doch trotz der Kraftlosigkeit, lag in ihnen ein letzter Funken von Leben, den Severus sich nicht erklären konnte.

Mit absoluter Überzeugung sprach Harry: „Ich bezweifle, dass ich es noch einmal betreten werde. Aber keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass du dorthin zurückkehren kannst. Dafür bringe ich noch genug Kraft auf.“

Severus' Augen weiteten sich, während er in diese unglaublich grünen Augen sah, dessen letzter Funken nur ihm galt. Nur für ihn machte Harry weiter. Nur weil er Severus retten wollte, kämpfte er weiterhin gegen den nahenden Tod.

Fassungslos schüttelte Severus den Kopf und brauste auf: „Das lässt du schön bleiben. Du hältst das hier gefälligst genauso durch wie ich!“

Weiterhin seelenruhig lächelnd erwiderte der Gryffindor: „Wir wissen doch beide ganz genau, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Es ist okay, solange ich mit der Gewissheit gehe, dass du in Sicherheit bist.“

Erneut musste der Slytherin schwer schlucken, während er in Harrys Augen sah. Da war kein Zweifel, keine Angst. Harry hatte sein Schicksal bereits akzeptiert. Severus' Eingeweide zogen sich zusammen und Harry griff beruhigend nach seiner zittrigen Hand.

„Es ist okay, wirklich“, hauchte er erneut, bevor ihn die Kraftlosigkeit wieder übermannte und er langsam die Augen schloss, um ein wenig zu schlafen.

Verzweifelt lehnte Severus sich zurück und sah zur Decke. Das konnte doch nicht Harrys Ernst sein! Wie konnte er einfach so akzeptieren, dass er sterben würde? Er durfte nicht sterben! Sie brauchten jetzt dringend ein Wunder, aber Harrys Schutzengel schien schon damit beschäftigt zu sein, ihnen alle Kreaturen aus dem Weg zu räumen. Severus presste die Lippen aufeinander und begann gedanklich zu beten. Das letzte mal hatte er das getan, als Lily gestorben war.

 

Severus hatte so einen Durst, aber die letzten Tropfen aus der Flasche hatte er Harry überlassen. Und obwohl es ihm wichtig war voranzukommen, grauste es ihm davor, Harry wieder zum Aufstehen bewegen zu müssen. Er hatte Angst vor dem Moment, an dem Harry einfach nicht mehr reagieren würde. Was sollte er dann tun? Das konnte jederzeit passieren und er könnte den Gryffindor niemals zurücklassen. Er würde hier sitzen bleiben, bei ihm bleiben, bis Harry seinen letzten Atemzug machen würde... und so geschwächt wie Severus war, würde er ihm sicherlich bald folgen. Der Blutgeschmack in seinem Mund verschwand inzwischen gar nicht mehr und bei jedem Hustanfall zerriss es ihm die Lunge. Eines stand also fest, er hatte auch nicht mehr lange zu leben. Sie würden gemeinsam sterben.

Ein schwaches, witzloses Auflachen entwich Severus' Kehle. Er hatte sich geschworen Harry mit seinem Leben zu beschützen und nun sollte dieser ihm in seinen Armen sterben, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Damit hatte er auf ganzer Linie versagt. Da war es das mindeste, dass er ebenfalls sein Leben aushauchte. Ja, sein Entschluss stand fest. Wenn Harry ging, dann ging er mit ihm.

Bald quälten sie sich weiter und Severus musste erneut Renervate benutzen, um Harry bei Verstand zu halten. Ewig würde er diesen Zauber jedoch nicht anwenden können. Zusätzlich legte er Harry sein Medaillon um, in der Hoffnung, dass ihm das ein wenig helfen würde. Er spürte sofort, wie seine eigenen Schmerzen sich rapide verstärkten, aber das war ihm egal. Wenn es Harry dabei half zu überleben, nahm er jeden Schmerz in Kauf. Dennoch konnte er nicht verhindern, sich nach dem Ablegen der Kette ächzend an die Wand zu lehnen und vor sich hinzufluchen. Das sorgte wiederum für einen Hustanfall, der ihn fast in die Knie zwang. Obwohl Harry sich selbst kaum noch auf den Beinen halten konnte, legte er Severus sofort den Arm um die Hüfte und stützte ihn so gut er konnte. Zittrig lehnte Severus seine Stirn gegen seine Hand an der Wand und versuchte, so ruhig wie möglich Luft zu bekommen, während der Schmerz sein Denken für einen Moment vollkommen lahmlegte. Etwas benommen nahm er wahr, wie Harry ihm mit einem Stück Stoff das Blut wegwischte.

„Es tut mir Leid.“

„Lass das, das hilft uns auch nicht weiter“, erwiderte Severus erneut kratzig und wollte sich Harry zuwenden, damit sie weitergehen konnten.

Doch statt sich ebenfalls wieder dem Weg zuzuwenden, trat Harry dichter an den Slytherin heran, strich ihm durchs Haar und zog ihn sanft an sich. Noch immer etwas betäubt von der ungewohnten Schmerzwelle, ließ Severus es zu und lehnte seine Stirn an Harrys Schulter, ließ zu, dass Harry ihm einen Moment lang Halt gab.

„Halte noch ein bisschen länger durch, bitte“, hauchte Harry leise und setzte dem Slytherin einen federleichten Kuss aufs Haar.

„Keine Sorge“, antwortete Severus atemlos. „So schnell sterbe ich nicht.“

Damit sammelte er sich wieder und richtete sich auf. Er hätte sich dafür schelten können, dass er einen Moment der Schwäche zugelassen hatte, aber zum einen wurde ihm durch die Schmerzen so einiges völlig egal und zum anderen wusste er eh nicht, wie viel Harry wirklich noch bewusst wahrnahm.

Nachdem sie eine weitere Abbiegung ein paar Meter hinter sich gelassen hatten, glühte auf einmal der Fels unter Severus' Hand auf. Erschrocken zog er sie zurück und das Glühen erstarb. Auch Harry merkte, dass etwas nicht stimmte und sah fragend zum Slytherin.

„Was ist?“

„Sieh dir mal diese Wand an“, sagte der Tränkemeister und leuchtete nun die Wand neben ihnen ab.

Da war eine Vertiefung. Ein großer Bogen, der an die zweieinhalb Meter hoch war.

„Könnte das...“, begann Harry und bekam große Augen.

Da entdeckte Severus eine Schrift über dem Bogen. „Ich glaube, das ist der Ausgang“, keuchte er fassungslos.

Auch dem Gryffindor stand vor Erstaunen der Mund offen. Sie konnten es einfach nicht fassen, es war so unwahrscheinlich. Eine Wunschvorstellung. Severus ließ sich von Harry noch ein Stück vorschleppen, damit er die Schrift ableuchten konnte.

Überlegend kniff Harry die Augen zusammen. „Ich kann das nicht lesen. Meine Sicht ist zu verschwommen.“

„Das ist Altenglisch. Alte Zaubertränke wurden noch damit geschrieben. Zum Glück ist das bereits die Form in lateinischen Buchstaben, denn um die Runen zu entziffern, würde ich deutlich länger brauchen“, erklärte der Slytherin ruhig und versuchte etwas zu entziffern. „Aber das sind nur einzelne Worte. Da steckt kein Sinn hinter.“

Ohne ein Wort ließ Harry den Slytherin los, der schon Angst hatte, dass Harry wieder zusammenbrach, doch stattdessen ging dieser wieder ein Stück zurück und tastete die Wand ab. Plötzlich glühte eine kleine Fläche in einem hellen Blau auf und bildete die Form einer Hand. Zögerlich legte Harry seine darauf und da erglühte eine Schrift über der Hand. Zusätzlich fingen einige Wörter über dem Bogen an zu glühen.

„Mut... Treue... Ehrlichkeit“, las der Slytherin vor.

„Hier steht auch noch etwas“, berichtete Harry.

Wenige Wörter glaubte er zu erkennen, doch es gab zusätzlich merkwürdige Buchstaben. Sollte das eine vielleicht 'rein' bedeuten? Und das andere 'Herz'? Danach stand da irgendetwas von einem Tor. Severus leuchtete zu ihm und las sich das durch.

„Wer reinen Herzens ist, wird das Tor öffnen können.“

„Wie ist das gemeint?“

„Davon hat Syndia mir erzählt“, berichtete Severus. „Die Erbauer hatten gesagt, dass nur Menschen mit reinem Herzen Necrandolas wieder verlassen können. Wahrscheinlich öffnet sich das Tor, wenn ein Mensch über all diese Eigenschaften hier verfügt.“

Fragend zog Harry die Augenbrauen hoch. Anscheinend war er momentan nicht in der Lage Severus' Worte zu verstehen. Also drehte sich der Slytherin wieder zu den Worten über dem Tor und versuchte die zu erkennen, die noch nicht leuchteten.

„Freundschaft.“

Auffordernd sah er zum Gryffindor, der nur fragend zurücksah.

„Komm, Potter, denk mal nach. Versuche an deine Freunde zu denken. Lass dich von dem Gefühl durchströmen“, knurrte Severus ungeduldig.

Grummelnd sah Harry auf seine Hand an der Wand und versuchte sich zu konzentrieren. Er sah Hermine vor sich und Ron, Neville, Ginny... Und schon erleuchtete das Wort über dem Bogen.

„Jetzt Trauer“, wies Severus ihn an.

Harrys Gedanken wanderten zu Sirius und das Wort sowie ein weiteres leuchtete auf.

„Reue hast du damit auch geschafft“, berichtete der Slytherin und warf einen flüchtigen Blick zum Gryffindor. „Hilfsbereitschaft.“

Das war schon schwieriger. Wie sollte man das denn nachweisen? Harry spulte einige Erinnerungen durch, in der Hoffnung irgendwo so eine Situation zu finden. Zu seiner Überraschung glühte damit schon bald das Wort, ohne dass er an etwas spezielles gedacht hatte.

„Mitleid.“

Wieder musste Harry überlegen. Er versuchte es mit seinen Erinnerungen an Dobby, als er noch den Malfoys gedient hatte. Und tatsächlich funktionierte es.

Nun war nur noch ein Wort übrig. Eines, das direkt auf Harrys Seite stand und der Slytherin kämpfte sich zu ihm, um das Wort entziffern zu können.

„Das ist so verwittert“, murmelte er und hatte Schwierigkeiten es zu erkennen.

Er stützte sich bei Harry ab, um besser zu stehen. Sogleich erglühte das Wort.

„Liebe“, las Severus vor und Harry sah ihn erschrocken an.

Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch schnell auf das Tor gelenkt, welches ein lautes Krachen von sich gab. Dann schob sich der Fels knirschend zur Seite und ein frischer Luftzug drang zu ihnen durch. Beide starrten fassungslos zur Wand und Harrys Hand krallte sich in den Umhang des Slytherins.

Doch fast im gleichen Moment kniffen sie die Augen zusammen und hielten ihren Arm davor. Das Licht tat so unglaublich in den Augen weh, dass Harry glaubte sein Augenlicht zu verlieren. Selbst mit dem Arm davor war es noch unerträglich hell.

„Wir müssen ein Stück vor“, rief Severus dem anderen zu und obwohl Harry nicht verstand warum, schlang er seinen Arm um Severus und ging blind nach vorne.

Nach einigen Schritten spürte er, dass er durch etwas hindurch lief, eine Barriere. Sogleich setzte sich etwas auf seine Augen und es wurde wieder dunkel. Verwundert sah Harry auf und bemerkte, dass er eine Brille auf hatte, die an allen Seiten zu war, so dass kein Licht hindurchdrang. Die Gläser waren fast schwarz getönt, doch für Harry war es damit noch so hell, dass er zwar geblendet war, es aber nicht in den Augen wehtat. Mit einem Seitenblick zu Severus bemerkte er, dass er auch so eine Brille aufhatte und nun den Zauberstab sinken ließ. Erst jetzt verstand es Harry. Severus wollte durch die Barriere, um die Brillen heraufbeschwören zu können. Sie befanden sich ganz tief in einer Höhle, an deren Ende Licht hereinfiel und Vögel zwitscherten. Sprachlos sah Harry zum Slytherin, welcher zurücksah. Dann drehten sie sich langsam um und sahen in den dunklen Tunnel zurück.

„Sag mir, dass ich nicht halluziniere“, brach Harry die Stille nach einer Weile.

„Wenn, dann halluzinieren wir beide“, kam die Antwort.

„Das würdest du mir auch sagen, wenn du nur eine Halluzination wärst, oder?“

Ein Schmunzeln huschte über Severus' Gesicht. „Wahrscheinlich.“

Wieder Stille. Diese wurde unterbrochen, als der Felsen sich wieder zurück an seine Position schob und den Tunnel verschloss. Jetzt standen sie nur noch vor der Steinwand.

„Wir haben es wirklich geschafft?“, fragte Harry unter Schock.

„Sieht so aus.“

Plötzlich schmiss Harry sich nach vorne und umarmte den verdatterten Slytherin. Dieser schloss den anderen ebenfalls fest in seine Arme. Sie hatten es geschafft, sie waren gerettet. Und was Severus am wichtigsten war: Harry lebte noch. Sie klammerten sich aneinander wie Ertrinkende, völlig überwältigt von ihren Gefühlen. Dem Gryffindor entwich ein seltsames, hohles Lachen und auch Severus begann ungläubig zu schmunzeln. Harry musste blinzeln, damit ihm keine Träne herunterlief. Dennoch ging sein Atem stockend und er legte seinen Kopf auf Severus' Schulter ab, um genussvoll seinen Duft einzuatmen, der ungemein beruhigend war. Sie hatten überlebt, zusammen. Ausgerechnet mit Snape hatte er diese Hölle durchgestanden. Er spürte den warmen Atem des anderen in seinem Nacken, merkte wie auch der diese Umarmung genoss, sich an ihn klammerte und glaubte sogar kurz seine Lippen auf der Haut zu spüren. Vollkommen entspannt schloss Harry die Augen. Dieser Moment war so unglaublich, wirkte endlos und kurz zugleich, sowohl unwirklich als auch intensiv.

Irgendwann jedoch hob Severus wieder den Kopf und strich dem anderen durch die Haare, weshalb dieser aufsah. Es war nervig die Augen des anderen nicht sehen zu können.

„Wir müssen Hilfe holen“, flüsterte der Slytherin und strich dabei über Harrys heiße Stirn.

Sie waren zwar diesem Labyrinth entkommen, aber Harry schwebte immer noch in Lebensgefahr. Da der Gryffindor wusste, dass er dem anderen nichts vormachen konnte und er sich nicht weniger Sorgen um den Slytherin machte, nickte er resigniert und Severus löste die Umarmung. Er zauberte sich zwei Gehhilfen herbei, ließ eine aber wieder verschwinden, als er bemerkte, dass Harry ohne ihn noch viel mehr schwankte und so gaben sie sich gegenseitig Halt. Langsam gingen sie auf den Ausgang zu und die Brille wurde immer dunkler. Der hinterste Winkel der Höhle, wo sie herausgekommen waren, musste für das normale Auge fast ohne Licht gewesen sein. Sicherlich mit Absicht von den Gründern. Wären sie Nachts herausgekommen, hätten ihre Augen wahrscheinlich nicht so gelitten. Mit großer Spannung gingen sie weiter und hielten dann den Atem an. Vor ihnen lag ein kleiner Wald mit einem plätscherndem Bach auf der linken Seite. Direkt vor ihnen war eine kleine Lichtung, auf der das Gras so saftig grün aussah. Überall zwitscherten Vögel und flogen zwischen den Bäumen umher. Eine warme Brise kam zu den beiden Zauberern herübergeweht und brachte den Duft des Waldes mit sich.

Völlig perplex ließ Harry den Slytherin los und ging mit langsamen Schritten auf die Wiese zu. Severus zauberte sich die zweite Gehhilfe herbei und folgte ihm. Dann kniete Harry sich hin und starrte auf den Boden. Schon an den Knien merkte er, wie unglaublich weich der Boden war. Fasziniert, als würde er so etwas zum ersten Mal in seinem Leben sehen, strich Harry sanft mit den Händen über das Gras. So weich. Dann schmiss er sich der Länge nach auf den Boden, drehte sich auf den Rücken und sah in den blauen Himmel hinauf. Dabei strich er immer wieder mit den Händen über das Gras. Völlig überwältigt von dieser Farbenpracht um ihn herum, ließ Harry seinen Blick wandern. Nach der ständigen Dunkelheit und den grauen Wänden, schienen die Bäume, die Büsche, das Wasser und auch das Gras nahezu zu leuchten, als wären sie mit den Farben eines Regenbogens gemalt worden. Und auch die anderen Sinneseindrücke waren so intensiv, dass es den Gryffindor beinahe überforderte. Ja er hätte sogar schwören können, dass die Luft nach Wald schmeckte.

„Das ist himmlisch. Versuche es auch mal, Severus“, rief er dem anderen zu, der amüsiert eine Augenbraue hob. „Komm schon, das ist wie in einem Himmelbett.“

Dann hörten sie plötzlich von rechts ein Keuchen. „Bei Merlins Bart...“

Beide sahen erschrocken zur Seite und ein Stück weiter an der Felswand entdeckten sie einen Mann. Er saß auf einem Stuhl und hatte einen Korb mit allerlei Sachen daneben stehen. Völlig fassungslos war er aufgesprungen und starrte die beiden Zauberer mit offenem Mund an.

„Kingsley“, rief Severus erleichtert aus. „Was machen Sie hier?“

„Ich halte Wache, was sonst?“, kam Kingsley nun auf die beiden zugeeilt, sah aber immer noch so aus, als habe er soeben ein Wunder gesehen. „Wir... Wir haben Schichten eingeteilt, damit immer jemand am Tor ist, aber... niemand hätte gedacht... Wir wollten die Wache schon vor einer Woche einstellen, aber Dumbledore hat gesagt... Das ist wirklich unglaublich.“

Matt lächelnd ließ Harry wieder den Kopf sinken und schloss die Augen. Er spürte, dass Severus' Stärkungszauber wieder nachließ.

„Hast du was zu Essen oder zu trinken dabei?“, fragte Severus als erstes das Ordensmitglied.

„Essen? Trinken? Ja natürlich“, sagte dieser immer noch ein wenig zerstreut und schwang seinen Zauberstab.

Aus dem Korb neben dem Stuhl kamen eine Dose und eine Trinkflasche herbeigeflogen. Sofort griff Severus nach der Flasche und stürzte den Inhalt hinunter. Gerade als Kingsley ihm sagen wollte, dass er Harry etwas abgeben sollte, setzte Severus die Flasche ab, schloss sie und wollte sie zu Harry schmeißen, doch dieser hatte von dem ganzen gar nichts mitbekommen. Mit einem mulmigen Gefühl ging der Slytherin auf Harry zu, der mit geschlossenen Augen im Gras lag.

„Harry?“, murmelte Severus, als er sich neben den Grünäugigen hockte, doch als Antwort kam nur ein stark verzögertes „Hm?“.

„Ich hab hier Wasser. Sieh mich an“, sagte der Tränkemeister ruhig, drehte Harrys Gesicht zu sich und hoffte einfach, dass der Gryffindor seine Augen unter der Brille öffnete.

„Hier, trink“, zeigte Severus die Flasche und öffnete sie.

Harry wollte bereits nach ihr greifen, doch lieber half Severus ihm zuerst, sich ein wenig aufzurichten, bevor er ihm die Flasche hinhielt. Gierig trank der Gryffindor ohne abzusetzen den gesamten Inhalt und sackte danach nach Luft ringend wieder zu Boden.

„Wehe du gibst jetzt noch auf dem letzten Stück auf“, knurrte der Slytherin, was bei Harry für ein leichtes Schmunzeln sorgte.

„Keine Sorge“, antwortete dieser wieder etwas wacher. „Wer sollte dich denn sonst weiter zur Weißglut treiben?“

Nun musste auch Severus schmunzeln, das sogleich erstarb, als er erneut zu husten begann. Sofort setzte Harry sich besorgt auf, konnte aber nur hilflos dabei zusehen, wie Severus sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Brustkorb hielt und sich vor Husten krümmte.

„Das gleiche gilt aber auch für dich, klar?“, murmelte Harry düster, legte seine Hand auf Severus' Schulter und lehnte behutsam seinen Kopf gegen Severus', ohne seinen analytischen Blick vom Gesicht des anderen zu lösen.

Der Slytherin gab sich die größte Mühe den Husten zu unterdrücken und wischte sich schließlich mit dem Handrücken über die Lippen.

Etwas atemlos krächzte er: „Gib mir dein Versprechen, dann gebe ich dir meins.“

Ein tapferes Lächeln huschte auf Harrys Lippen. „Abgemacht.“

„Ich würde euch gerne überhäufen mit Fragen, aber erst müsst ihr medizinisch versorgt werden“, schaltete sich Kingsley wieder ein und beobachtete die beiden anderen mit größter Sorge. „Ich habe die Anweisung euch sofort nach Hogwarts zu bringen. Im St. Mungo würdet ihr zu viel Aufmerksamkeit auf euch ziehen.“

Verstehend nickte Severus und war froh, dass Dumbledore sich so entschieden hatte. Im Krankenhaus hätten sie nach einer halben Stunde die Presse auf dem Hals gehabt.

„Wie lange waren wir weg?“, fragte Severus, während Kingsley ihm ein Sandwich aus der Dose reichte.

„24 Tage“, antwortete Kingsley sofort.

Harry und Snape sahen sich an. 24 Tage. Auch wenn diese Zahl sie umhaute, war es ihnen wie zwei Monate vorgekommen, mindestens.

Die Sandwiches waren schnell leer, denn beide verputzten sie, als seien sie wilde Tiere. Dann stand der Gryffindor wackelig auf, gestützt von Severus.

„Es geht schon“, nuschelte Harry und wollte bereits loslaufen, doch Severus hielt ihn zurück.

„Rede keinen Blödsinn! Kingsley, könntest du Harry...“

„Natürlich“, kam Kingsley zu Hilfe und nahm dem Slytherin Harry ab.

Dieser schickte Severus einen bösen Blick zu, den man aber durch die Brille nicht sehen konnte.

„Bereit zum Apparieren?“, fragte Kingsley, während er Harry auf der einen Seite stützte und mit dem anderen Arm nach Severus griff.

Die beiden nickten und sofort spürten sie den bekannten Sog. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ging Harry auf die Knie und erbrach sich. Sofort hatte Severus nach ihm gegriffen, sodass er nicht ganz stürzte.

„Wir sollten schnell nach oben zum Schloss“, sagte Kingsley besorgt.

Keuchend und zitternd stand Harry auf und so stützte Kingsley ihn, oder trug ihn schon fast, während Snape nebenher auf seinen Gehhilfen ging. Kingsley schickte seinen Patronus vor, bevor er sich voll auf den Gryffindor konzentrierte, der vollkommen entkräftet an seiner Schulter hing und nun unmöglich alleine hätte laufen können. Es war gerade Unterricht und so waren die Gänge leer. Sie hatten gerade die Eingangshalle durchquert, als Syndia von oben angerannt kam. Kurz blieb sie oben am Geländer stehen und sah sie mit großen Augen an. Dem Slytherin blieb das Herz stehen und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

„Oh Merlin...“, flüsterte Syndia und rannte auf sie zu.

Mitten auf der Treppe schmiss sie sich ihrem Bruder an den Hals, der schmerzvoll ächzte.

„Vorsicht, Vorsicht“, krächzte dieser, ehe Syndia erschrocken zu ihm aufsah.

„Severus, Merlin sei Dank“, flüsterte sie mit belegter Stimme und umarmte ihn nun vorsichtiger.

Mit einem Schmunzeln erwiderte der Tränkemeister die Umarmung und entspannte sich wieder. Syndia begann zu schluchzen und er strich ihr beruhigend übers Haar. Erst jetzt wurde Severus richtig bewusst, wie sehr er seine Schwester vermisst hatte. Er verstärkte die Umarmung und setzte ihr einen Kuss ins Haar, während er eine Träne wegblinzelte. Die Hexe konnte es einfach nicht fassen. Als der Patronus zu ihr gekommen war, dachte sie zuerst, sie würde träumen und war dann sofort losgerannt. Severus dort auf der Treppe stehen zu sehen...

Völlig übermannt schluchzte sie an der Brust ihres Bruders: „Ich kann es nicht glauben... Severus...“

Der Slytherin hätte gerne etwas gesagt, um sie zu beruhigen, doch er brachte keinen Ton heraus.

„Geht es dir gut?“, sah Syndia nun mit verheulten Gesicht besorgt auf.

„Es geht schon irgendwie.“

Sie setzte ihm einen Kuss an die Schläfe und wandte sich dann an den Gryffindor.

„Harry!“

„Hey“, lächelte dieser schwach.

Sofort nahm Syndia Kingsley den Gryffindor ab und setzte diesem ebenfalls einen Kuss aufs Haar.

„Wir müssen schnell in den Krankenflügel“, beschloss sie, als sie spürte, wie heiß Harrys Stirn war.

Während sich die drei auf dem Weg zur Krankenstation machten, eilte Kingsley zum Büro des Direktors. Immer wieder wischte Syndia sich fahrig die Tränen aus dem Gesicht und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren.

„Wie... Wie seid ihr...? Wie schlimm sind die Verletzungen?“, fragte sie schließlich und sah besorgt zwischen Harry und Severus hin und her.

„Nur ein paar Knochen gebrochen“, murrte der Slytherin. „Aber Potter muss dringend als erstes behandelt werden. Er hat eine Entzündung an der Wirbelsäule.“

Wieder sah Syndia zum Gryffindor und befühlte nochmals seine Stirn, welcher verärgert diese runzelte.

„Hey, so schlimm ist es nicht“, protestierte er mit so schwacher Stimme, dass ihm niemand diese Worte abgekauft hätte.

„Doch ist es“, gab der Tränkemeister kühl zurück.

„Und bei dir sind auch nicht nur ein paar Knochen gebrochen.“

Sofort huschte Syndias Blick wieder besorgt zu ihrem Bruder, der auf Harrys Einwände gar nicht erst einging.

An der Krankenstation angekommen, lief ihnen die völlig fassungslose Poppy entgegen. Sofort rief sie zwei der Betten herbei und bestand darauf, dass sich die beiden bereits am Eingang hinlegten. Schnell verschaffte sie sich einen Überblick über die Verletzungen, indem sie beide kurz untersuchte.

„Ich werde Hilfe aus dem St. Mungo brauchen“, sagte sie, nachdem sie sich besonders Harry angesehen hatte. „Syndia, ich muss Sie bitten erst einmal draußen zu warten. Severus, Potter, trinkt das hier.“

Sie hielt jedem einen Becher hin, an dem Severus skeptisch roch.

„Ein Schlaftrunk“, sagte Poppy ungeduldig. „Los, runter damit oder ich werde euch im wachen Zustand behandeln müssen. Ich sage euch, das wird nicht angenehm.“

Nachgiebig trank Harry das Gebräu und nach einem kurzen Zögern tat Severus es ihm nach. Syndia kam kurz zum Bett ihres Bruders, strich ihm sanft übers Gesicht und lächelte warm. Dann trat sie unsicher zurück und Poppy ließ die Betten vor sich her fahren. Sie brachte sie in den hinteren Teil des Krankenflügels und sperrte einen Bereich mit Vorhängen ab. Eilig schob sie die Betten dort hinein, verdunkelte die Fenster und auch die Decke und ließ die Brillen verschwinden. Der Bereich mit den Vorhängen war nun genügend abgedunkelt. Damit verschwand die Medihexe eilig, um Kontakt zum St. Mungo aufzunehmen.

Harry und Severus sahen sich an. Ein schwaches Lächeln huschte über Harrys Gesicht und der Tränkemeister schmunzelte zurück. Sie hatten es geschafft, sie waren zu Hause. Oder war das alles nur ein Traum? Das Lächeln gefror und verschwand dann langsam von Harrys Gesicht. Auch Severus war nun die Unsicherheit in den Augen abzulesen. Die Müdigkeit kroch in ihnen hoch und sie bekamen Angst in Necrandolas wieder aufzuwachen. Der Gryffindor streckte die Hand aus und Severus verschränkte seine Finger mit Harrys. Dann umfing sie Dunkelheit.

Als Poppy wieder durch den Vorhang trat, um alles für ihre Kollegen vorzubereiten, blieb sie verwirrt stehen. Die beiden Schlafenden hatten jeweils einen Arm ausgestreckt und ihre Hände lagen verdächtig nah beieinander. Sie blinzelte einige Male nervös und schob die Betten dann an ihre richtige Position.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tada, geschafft :) Ich hoffe, das "Finale" war zufriedenstellend. Natürlich ist die Geschichte an der Stelle noch lange nicht zuende, schließlich kommt da noch ne Menge auf die beiden zu. Aber erstmal ist jegliche Gefahr gebannt.
Bis Montag! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Legoory
2016-07-28T15:02:23+00:00 28.07.2016 17:02
Sie haben es geschafft und sind draußen. Yay. Aber jetztbmüssen sieverst mal wieder gesund werden. Danach kommen wahrscheinlich viele fragen auf sie zu und was mich persönlich am meisten interessiert: wie schaffen es die beiden zusammen zu bleiben? Allein in einem Labyrinth ist was anderes wie in Hogwarts zu sein.
Antwort von:  -wolfsmoon-
01.08.2016 13:52
Hogwarts ist nochmal eine ganz andere Herausforderung, ja. Harry hat sich so schon oft genug nicht verstanden gefühlt, das macht so ein Erlebnis wie Necrandolas nicht gerade besser. Auf den Punkt mit dem Zusammenbleiben gehe ich absichtlich nicht ein :D
Von:  Salatgurke
2016-07-28T14:03:09+00:00 28.07.2016 16:03
Oh mann bin ich froh das die beiden es geschafft haben :)
Hätte nicht gedacht das du die beiden schon raus lässt :D

Jetzt bin ich mal gespannt wie Snape sich weiter verhalten wird.
Bei Harry kann ich es mir ja schon denken.
Auf das du ihn nicht zu sehr leiden lässt?
Naja wird sich ja zeigen.
Dann bis Montag ;)
Antwort von:  -wolfsmoon-
01.08.2016 13:49
Bei Harry kann mans sich denken? Ok, erzähl mir nachher, ob er sich so verhalten hat, wie du es dir gedacht hast :D Wäre interessant zu wissen ^^ Und lass dich von Snapes Verhalten bitte nciht abschrecken, der fängt sich wieder ;)
Von:  Im_Whats_Left
2016-07-28T13:29:48+00:00 28.07.2016 15:29
Ja! Chakka! Wenn einer das unmögliche schafft, dann Harry *jubel*

Bin gespannt, wie es weitergeht - und ob Severus sich Harry gegenüber jetzt wieder anders verhalten wird, immerhin sind sie jetzt wieder Schüler und Lehrer... mal sehen :D
Antwort von:  -wolfsmoon-
28.07.2016 15:43
Bei deinem Jubel musste ich wirklich schmunzeln. Das ist genau die Einstellung, die ich auch immer habe XD
Tja, vor den beiden türmt sich nun die näcchste Herausforderung auf. Die Geschichte ist nicht umsonst noch so lang ;)
Antwort von:  Im_Whats_Left
28.07.2016 15:53
Ist mir schon klar ;) Immerhin war das in den Grotten ein absoluter Ausnahmezustand... Das, was sich da gelernt haben (über sich und den anderen) gilt es ja jetzt noch im normalen Alltag umzusetzen - und gerade bei Sevvie wird das sicherlich kein Zuckerschlecken. ;)
Von:  Roxi_13
2016-07-28T12:50:27+00:00 28.07.2016 14:50
ich froh das die beiden Lebend aus dem Gefängnis R ausgekommen sind
Wenn Sie jetzt noch wieder ganz gesund werden bin ich fürs erste Wunschlos glücklich

Schreib bitte schnell weiter
Bin doch immer so neugierig wie es weiter geht

LG
Roxi_13
Antwort von:  -wolfsmoon-
28.07.2016 15:39
Wirklich, wunschlos glücklich? Die Gesundheit reicht dir? Okay, dann werden dir die nächsten Kapitel wohl als einzige nicht auf die Palme gehen :D
Antwort von:  Roxi_13
28.07.2016 16:48
Na vielleicht nicht ganz wunschlos
Da warten wir lieber mal ab was noch so kommt
Aber im Moment ist es in Ordnung


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