One Short
"Ich komm schon zurecht. Ich war mein ganzes Leben lang alleine, glaubst du, jetzt brauch ich plötzlich jemanden?!"
Qhuinns Worte trafen den jungen Vampir und doch wusste er, dass sie nicht persönlich gemeint waren.
"Hau ab!"
Blay stand auf dem Balkon und sah in aufgebrachte blau-grüne Augen, die ihn direkt anfunkelten. In dem schwarzen, viel zu weiten T-Shirt wirkte der Prätrans noch schlachsiger, als sonst und in roten Großbuchstaben waren die Worte >Fuck You< aufgedruckt.
Blays Herz zog sich zusammen und er wandte sich ab, lehnte sich an das elegant verzierte Geländer und steckte sich eine Kippe an.
Er atmete tief durch und ließ den Blick über den nächtlichen Garten schweifen - den perfekt gepflegten Rasen, die Häcken und Sträucher...
Was würde er dafür geben ihn aus diesem goldenen Käfig heraus holen zu können.
Verschwinde... Selten hatte Qhuinn seinen besten Freund mit so viel Ablehnung gestraft wie heute Nacht. Es tat weh und doch war er froh, hergekommen zu sein. Als sie vorhin telefoniert hatten und Qhuinn ihm von dieser Sache mit der Transition seines Bruders erzählt hatte... Fuck, er mochte gar nicht daran denken, was ihm für Bilder durch den Kopf geschossen waren.
Sein Freund litt schon immer unter der Diskriminierung seiner Familie und dieses ganzen verdammten Glymera Packs, auch wenn er es für gewöhnlich nach außen hin gut verbarg und überspielte. Doch noch nie hatte er ihn so verzweifelt erlebt, wie vor wenigen Stunden.
"Du stinkst zur Hölle, lass das."
Blay zuckte zusammen, als Qhuinn plötzlich hinter ihm stand, ihm die Zigarette aus der Hand nahm und ausdrückte.
Seine schwarzen Haare standen zu allen Seiten ab, frech gegelt wie immer und die Piercings, die sich nach und nach ansammelten, glitzerten im matten Mondlicht. Und sie sahen verdammt gut an ihm aus.
Zwei unergründliche Augen musterten ihn fragend - eins Ozeanblau, das andere Grasgrün - und Blay hasste seinen hellen Hauttyp dafür, dass er die Röte nicht verbergen konnte, die ihm ins Gesichs schoss.
Er drehte sich weg und betrachtete angestrengt das Balkongeländer vor seiner Brust.
"Alles okay?"
Qhuinns Atem kizelte ins Blays Nacken und jagte ihm einen Schauer durch den gesammten Körper. Der Vampir stand so dicht hinter ihm, dass er seine Wärme spüren konnte - mochte er sich noch so kalt der Welt präsentieren, sich mit erhobenem Stinkefinger durch die Gegend schlagen... Blaylock liebte ihn. Schon immer.
"Ich hatte Angst, dich zu verlieren...", gestand er, den Blick noch immer fest auf das Geländer getackert.
Nur widerstrebend ließ er sich herum drehen, als ihn vertraute Hände an den Schultern fassten.
"Ich bin hier, okay?"
Qhuinn sah dem Rotschopf fest in die Augen und in Blays Gehirn liefen lediglich irgendwelche Fehlermeldungen ab. Was hatte er sagen wollen? Er starrte auf die Lippen seines Freundes, auf die kleinen spitzen Eckzähne und er fragte sich zum ersten mal, wie es wohl wäre, sie in ein paar Jahren in voller Länge zu sehen. Wie es wohl wäre, ein mal zu spüren, wie sich sich in seinem Hals vergruben.
Starrte auf den Ring in Qhuinns Unterlippe und fragte sich - zum was wusste er wie vielten mal - ...wie es wohl wäre, ihn zu küssen.
