Zum Inhalt der Seite

Die Zeitungssache

Oder Relationes fürnehmer und gedenkwürdiger Historien aus Raum und Zeit
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Zeitungssache

Cardiff, Torchwood Hauptquartier
 

Jack schlenderte zu seinem Schreibtisch und ließ sich daran nieder. Er war der Einzige, der sich noch in der Basis aufhielt, da Gwen und Ianto sie für ihren wohlverdienten Feierabend verlassen hatten. Er rieb sich die Schläfen, es war nicht mehr wie früher. Der Verlust von Tosh und Owen hatte ein spürbares Loch im Team hinterlassen. Eine Weile drehte er einen Kuli in den Fingern. Die Basis war groß, leer und fühlte sich deprimierend ausgestorben an. Abrupt erhob Jack sich, griff nach seinem Mantel und setzte den Lift in Bewegung. Ein wenig frische Luft würde ihm gut tun und dabei könnte er sich in einen Pub begeben, um sein Abendessen einzunehmen. Langsam glitt die Steinplatte nach unten. Sie war noch recht weit oben, als ein Mann aus dem Nichts darauf erschien. Der Pteranodon kreischte weit über ihren Köpfen, was den Mann zusammenzucken und zurückstolpern ließ.

„Achtung!“ Jacks Warnung kam zu spät. Der Eindringling, taumelte, verlor den Halt und stürzte schreiend zu Boden. Ein dünnes Heftchen löste sich im Fall aus seinem Griff und segelte in wilden Drehungen durch die Luft. Dumpf schlug der Mann auf. Es knackte mehrfach beunruhigend.

Jack hastete zu dem Gestürzten. Verdrehte Gliedmaßen ließen auf mehrere Brüche schließen. Blut sickerte aus dem Mundwinkel des Mannes, über dessen Kinn auf eine Halskrause, die an ein weißes Ballettröckchen erinnerte. Jack kniete sich neben ihn und ergriff seine Hand. „Hey, ganz ruhig, alles wird gut.“

Weit aufgerissene Augen starrten ihn an. „Ihr...? Welch Teufelei...“ Der Mann hustete. Sein Körper verkrampfte sich. Ein Stöhnen entwich ihm, dann erschlaffte er. Jack seufzte und ließ die Hand des Toten los. Woher kannte der Tote ihn? Wie war er in die Basis gekommen? Und wo kam der Mann her?

Die Kleidung des Mannes stammte entweder aus dem Theaterfundus oder wies auf eine andere Zeit hin. Neben der Halskrause trug er ein Hemd mit weiten Puffärmeln, die am Handgelenk eng wurden und das sehr viel Taille hatte und gelb-rot längs gestreift war. Dazu hatte er eine rote Pluderhose, weiße lange Socken und schwarze Schnallenschuhe an.

Jack runzelte die Stirn. Besser er überprüfte die Rissaktivitäten. Ein kurzer Blick auf den Computer verwirrte ihn. Das Ergebnis der Überprüfung laute: Keine ungewöhnlichen Aktivitäten.

Als nächstes scannte er den Toten, um mehr Informationen zu erhalten. Der Scann bestätigte, dass der Mann nicht durch den Riss gekommen war. Dafür taten sich weitere Rätsel auf. Laut Scann, handelte es sich um einen mittelalten, einigermaßen gesunden Mann mit schlechten Zähnen. Die Kleidung bestand aus Baumwolle und Leinen, gefärbt mit Farbstoffen, die schon lange nicht mehr verwendet wurden. Außerdem beherbergte die Leiche Viren von Krankheiten, die als ausgerottet galten. Somit wurde die These, dass er aus der Vergangenheit stammte immer wahrscheinlicher.

Damit sein Team nicht mit den Viren in Berührung kam, verfrachtete Jack die Leiche in einen Leichensack und in die kleine Leichenhalle. Als nächstes verbrachte er eine ganze Weile damit das Hub zu desinfizieren.

Dabei stieß er auf das kleine Heftchen. Es war dünn, bestand aus etwa sechs gefalteten DinA4 Seiten und roch nach frischer Druckerschwärze. Dies deutete darauf hin, dass es neu sein musste. Direkt unter dem Titel „Relationes Aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien.“ hatte jemand ein paar Sätze gekritzelt. Jack kannte die Handschrift nur zu gut, es war seine Eigene. Stirnrunzelnd las er die Botschaft.
 

„Get there. Oh and duck! Really, duck!”
 

Er starrte die Sätze an. Er hatte sie noch nicht geschrieben, obwohl er sich da ein wenig unsicher war. Es gab so viel, was er vergessen hatte.

Auf der ersten Seite fanden sich neben dem Erscheinungsjahr 1605 keine weiteren brauchbaren Informationen. Den Erscheinungsort Straßburg und eine ausführliche Vorrede des Herausgebers entdeckte er auf der zweiten Seite. Jack las sie sich durch, doch auch sie sagte ihm nichts, genauso wenig wie der Name des Herausgebers Johann Carolus. Die Bedeutung des Blättchens erschloss sich ihm nicht.

Jack murrte. Er hatte eine Leiche in historischer Kleidung und ein neues Papierheftchen, dass eigentlich über hundert Jahre alt war.

Das hieß wohl, er sollte ein wenig recherchieren. Er setzte sich und gab den Titel, sowie Herausgeber und Datum in eine Suchmaschine ein. Das Ergebnis war verblüffend.

„Älteste Zeitung der Welt, erste erhaltene Ausgabe 1609,“ murmelte Jack, während er sich einen Artikel über Johann Carolus durchlas. „Ein ganz schöner Zufall, dass man belegen kann, wer die Zeitung erfunden hat. Erstaunlich, meist sind solche Dokumente, wie dieser Bittbrief, verloren gegangen.“

Er hoffte, sein Toter, war nicht besagter Johann Carolus. Wobei, das konnte nicht sein, dessen Todesjahr war im Artikel angegeben. Also irgendein anderer armer Teufel, der ausgerechnet die erste Zeitung der Welt bei sich gehabt hatte, sehr verdächtig. Da lohnte es sich, das weiter zu untersuchen. Kein Grund Gwen und Ianto zu stören, um diese Sache konnte er sich selbst kümmern.

Sich nun bewusst, worum es sich bei dem Blättchen handelte, steckte er es behutsam in seine Manteltasche. Er hatte eine Zeitangabe, eine Ortsangabe und die Aufforderung von sich selbst dorthin zu kommen, was also sollte er damit anfangen?

Eigentlich war es doch völlig klar. Schließlich forderte er sich selbst dazu auf. Er stand abrupt auf, schlüpfte in den Mantel und schob den Ärmel zurück. Ganz kurz zögerte er. Warum riet er sich, sich zu ducken? Nun er würde es sicherlich herausfinden. Jack gab die entsprechenden Koordinaten in den Vortexmanipulator ein.

Er erschien an einem Flussufer und sah sich einem Mann mit Pistole gegenüber, der ihn entsetzt anstarrte. In dem Moment, wo er den Mann erblickte, krachten zwei Schüsse. Jack zuckte als ihn die Kugeln trafen, die eine ins Herz.

Er hörte schwach eine vertraute Stimme seinen Namen rufen. Er hatte diese Stimme vermisst, obwohl es noch gar nicht so lange her war, dass er sie zuletzt gehört hatte. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als alles um ihn schwarz wurde.
 

Rajax, Bucht der Ruhe
 

Der Doktor platschte durch die Brandung, Richtung Strand. Er kam nur nervenaufreibend langsam voran. Endlich erreichte er den Kieselstrand. Jetzt war er in der Lage richtig zu rennen. Kiesel knirschten unter seinen Taucherflossen, die darauf klatschten.

Er hatte doch nur helfen wollen. Und das Problem war wirklich leicht zu lösen gewesen. Dummerweise wurde er trotzdem für den Verursacher gehalten. Unbefugtes Eindringen in ein gesperrtes Gebiet legte man ihm auch zur Last.

Eine elektrische Entladung schwärzte Steine direkt neben ihm. Ein hastiger Blick über die Schulter verriet ihm, dass einer seiner Verfolger innegehalten hatte und die Flossen aneinander legte. Das hieß, er machte sich für eine weitere elektrische Entladung bereit.

„Nun immerhin ist mein Taucheranzug isoliert! Aber ob das hilft?“

Warum mussten rajanische Wächter auch ausgerechnet zu den Mitgliedern der Spezies gehören, die Zitterrochen ähnelten und Stromstöße ausschicken konnten!

Kiesel spritzten auf. Eine Schwimmflosse des Doktors klappte um, er stürzte und der Stromstoß schoss über ihn hinweg. Fluchend rappelte er sich auf, stolperte die letzten Meter und schloss die Tür in dem Moment hinter sich, als sie eine elektrische Ladung traf.

Von einem Bein aufs andere hüpfend entledigte er sich der Schwimmflossen. Nun hatte er Zeit sich seine nächsten Schritte zu überlegen oder auch den Taucheranzug los zuwerden. In die TARDIS kam so schnell keiner rein. Mit den Schwimmflossen in der Hand ging er in die Kleiderkammer, um sich aus dem Taucheranzug zu schälen und in seinen üblichen braunen Anzug zu schlüpfen. Es kribbelte in seiner Jackettasche. Der Doktor zog sein Gedankenmanipulationspapier hervor und klappte es auf.
 

„Bitte. Irgendwer. Hilf mir!“
 

„Na das scheint dringend zu sein,“ stellte er fest. Beschwingt sprintete er in den Konsolenraum. Er strich liebevoll über die Konsole. „So meine Schöne, lass uns von hier verschwinden. Alle gut...“, er stockte. Er war alleine an Bord. Niemand da, dem er irgendetwas zu erklären brauchte oder der sein Zeug in der TARDIS verteilte. Martha war heimgekehrt, was er gut verstehen konnte, auch wenn es schmerzte. Und an die Sache mit der Titanic wollte er lieber nicht denken. Ein wenig zu energisch bediente er die TARDIS. Er hetzte um die Konsole herum, sein Mund ein dünner Strich. Es gab so viel Neues da draußen zu entdecken, was sollte er da an Altem festhalten?

Kaum war er gelandet, schnappte er sich seinen Mantel. Er brauchte keine Anzeige der TARDIS um zu wissen, dass es draußen kalt sein sollte, das Datum reichte.

Der Doktor öffnete die Tür der TARDIS und trat in eine enge, verdreckte Gasse. Er schnupperte. Ja, der Duft des Jahrhunderts war unverkennbar. Diesmal schien es keine Abweichungen zu geben. Hinter sich zog er die Tür zu. Wohin jetzt?

Der Ruf war von diesem Ort gekommen, grob betrachtet. Er war am nächstgelegenen Platz gelandet, der dafür geeignet schien. Dieser Platz erwies sich als kleiner Hof zwischen engstehenden Häusern. Eine Gasse, die gerade breit genug für eine Person war, führte ihn auf eine Straße, die belebter war. So ganz nah war er dem Ruf allerdings nicht gekommen. Also schlenderte er an den Läden und Ständen vorbei, die aufgebaut und geöffnet wurden. Es war erst kurz nach Sonnenaufgang, da es ein kühler Herbsttag war, war es dadurch nicht mehr allzu früh. Er achtete darauf, dem Dreck auf der Straße auszuweichen.

Mit einem Apfel von einem der Stände in der Hand bog er in eine weitere Gasse ein. Er kam am befestigten Flussufer heraus. Auch hier herrschte schon ein wenig Betrieb. Längliche, tiefe Schiffe, die von Ochsen gezogen wurden, erreichten gerade den Kai. Es waren wohl Salzschiffe. Doch sonst waren hier kaum Leute, so fiel ihm die Gruppe am anderen Ende des Kais deutlich auf. Er runzelte die Stirn. Es handelte sich um sechs gut gekleidete Männer. Als zwei von ihnen sich in der Mitte Rücken an Rücken aufstellten, vertiefte sich sein Stirnrunzeln. Gemessenen Schrittes entfernten die zwei Männer sich von einander, was den Doktor zum Murren brachte. Wegen eines Duells war er nicht hier und dabei zu zusehen, behagte ihm nicht. Gerade als er sich abwandte, flackerte in seinem Augenwinkel eine Gestalt auf. Er fuhr herum, das konnte doch nur... „Jack!“, schrie er im Losrennen.

Da krachten schon zwei Schüsse und Jack brach zwischen den Duellanten zusammen. Er stoppte bei der Gruppe und lächelte, die erstarrt dastehenden Männer beruhigend an. „Alles gut. Ich kümmere mich um ihn!“

„Teufelswerk! Schwarzer Zauber!“, hörte er einen der Männer wispern.

Oh, da sollte er besser schnell handeln. „Gestatten, der Doktor. Ich bin für solche Fälle zuständig. Es sieht schlimmer aus als es ist,“ behauptete er. Er traute sich nicht das Gedankenmanipulationspapier zu verwenden, da er sonst womöglich den Hilferuf verlieren würde.

„Aber... der Mann tauchte plötzlich auf... und wir... er...“, stotterte einer der Duellanten.

„Wie gesagt, ich kümmere mich um ihn. Sie brauchen sich keine Sorgen machen.“

„Komm schon, wenn er sagt, er kümmert sich drum, soll er doch die Scherereien haben. Wir sollten sehen, dass wir wegkommen. Du weißt doch, dass Duelle innerhalb der Stadtmauern nicht gern gesehen sind,“ flüsterte einer der Zeugen ein wenig zu laut. Unter Verbeugungen verabschiedeten sich die Männer, da sie lieber schnell wegkommen wollten, ehe noch mehr Probleme entstanden. Der Doktor wedelte nur mit der Hand in eine unbestimmte Richtung. Er wollte die Männer lossein, bevor Jack aufwachen würde. Die Männer verzogen sich eilig, während er neben Jack stehen blieb und wartete.

Keuchend erwachte Jack. Er japste nach Luft. Der Doktor bemerkte, wie Jacks Blick an seinem Paar weißer Sneaker hängen blieb und die braun, gestreiften Hosenbeine hinaufwanderte.

„Doktor!“

„Schon wieder bei billigen Zeitreisetrips. Ich dachte, dass hätte ich unterbunden. Bei dieser Art zu Reisen sind Unfälle, wie der gerade eben vorprogrammiert. Es ist schon erstaunlich genug, dass man dabei nicht aus Versehen in Leuten materialisiert, oder haben sie dafür einen Sensor eingebaut?“

Jack erhob sich, klopfte sich den Mantel ab und zuckte mit den Schultern. „Hat sich so ergeben. Keine Ahnung, ob der Manipulator so etwas hat. Aber bei unserer letzten Begegnung hat es sich für dich gelohnt, dass er funktionierte.“

Der Doktor zog eine Augenbraue hoch, fragte allerdings nicht nach. „Wie auch immer. Hallo, Captain!“ Er breitete ehrlich erfreut seine Arme aus und Jack umarmte ihn fest.

„Deinem Team muss es gut gehen, wenn du dich so davonstiehlst.“

Jack versteifte sich. „Sie kommen zurecht,“ wiegelte er das Thema ab.

Der Doktor musterte ihn, bevor er ihn kurz noch ein wenig fester umarmte, ehe er Jack losließ.

„Ich bin nicht zum Vergnügen hier. In unserer Basis ist ein Mann aufgetaucht. Offensichtlich aus der Vergangenheit, nicht aus dem Riss gefallen und er hatte das hier bei sich.“ Jack zog die Ausgabe der ersten Zeitung aus seiner Manteltasche.

„Was hat er denn erzählt?“

„Nichts. Er stürzte direkt nach seiner Ankunft zu Tode. Ich konnte es nicht verhindern.“

„Also dachtest du, du siehst an seinem möglichen Herkunftsort nach?“

„Nein.“ Jack reichte dem Doktor die Zeitung, der sie studierte, bei Jacks Botschaft belustigt schnaubte und sie dann zurückgab. Jack ließ sie wieder in seiner Manteltasche verschwinden.

„Der Rat hat dir wirklich viel genützt.“

„Tja, hinterher ist man immer schlauer. Dennoch, diese Notiz hat mich hergebracht.“

Während sie sich unterhielten liefen sie an den Häusern, die an den Kai grenzten vorbei. Um sie herum waren die üblichen Alltagsgeräusche zu vernehmen, menschliche Stimmen, das Gebrüll der Ochsen, welche den Salzkähne zogen und das Gurren der Tauben. Ein technisches Piepen störte diese Geräuschkulisse.

„Jack?“

„Ich seh’ mal nach.“ Jack schob den Ärmel von dem Vortexmanipulator fort. „Er ortet fremde Alientechnologie.“

Sofort zückte der Doktor seinen Schallschraubenziehen. „Ja, hier ist etwas und zwar in diese Richtung.“ Der Doktor wies vom Fluss fort. Dem Signal folgend, bogen sie in eine andere Gasse ein, als die aus der, der Doktor gekommen war. Ihr Weg führte sie zu einem Kirchplatz, wo das Piepsen abrupt abbrach.

„Oh.“ Der Doktor schüttelte seinen Schallschraubenzieher und hielt ihn sich ans Ohr. Auch Jacks Vortexmanipulator hatte das Signal verloren.

„Es muss eine Art Deflektionstechnik gegen Ortung geben,“ überlegte der Doktor laut. Die beiden Männer sahen sich an.

„Gibt es eigentlich einen Grund für dein Hier sein,“ erkundigte Jack sich.

Der Doktor nickte, während er den Schallschraubenzieher einsteckte. „Ein Hilferuf, ich konnte ihn hierher verfolgen, aber nicht weiter.“

Er zeigte Jack die Botschaft auf dem Gedankenmanipulationspapier.

„Keine Ortsangabe.“

„Genau.“ Der Doktor streckte die Hand aus. „Zeitung!“

„Hier.“ Jack gab sie ihm erneut. Der Doktor drehte das Schriftstück in den Händen und wanderte auf dem Platz umher. Ein Hilferuf und ein Toter, der einfach so in der Torchwoodbasis auftauchte, es könnte ein Zusammenhang bestehen und die Zeitung war nun ihr einziger Hinweis. Leider zeigte ihm das Gedankenmanipulationspapier mit einem sanften Ziehen nur eine grobe Richtung an. Ohne richtig hinzuschauen hielt der Doktor inne und sah die Kirche an.

„Das ist die St. Thomas Kirche, richtig?“, fragte er lächelnd mit der Zeitung noch in der Hand eine junge Frau, die mit einem Korb am Arm gerade an ihm vorbeigehen wollte. „Ja, Sir.“ Sie knickste leicht vor dem Doktor, wobei ihr dunkelbrauner Rock sich bauschte. Ihr Blick glitt zu Jack, den sie scheu anlächelte. Jack zwinkerte ihr zu.

„Oh, lass es!“

„Aber ich tue doch gar nichts!“

„Lass es einfach!“ Der Doktor wandte sich wieder an die junge Frau, „Entschuldigt.“

„Es gibt nichts zu entschuldigen. Ich muss weiter, ... die Herren.“ Sie lächelte Jack noch einmal besonders strahlend an, bevor sie weiterging.

Der Doktor strebte nun in eine bestimmte Richtung, wobei er sich suchend umsah. Kurz darauf kamen sie bei einem hohen Stadthaus, mit einem Buchladen im Erdgeschoss, an. In Goldenen Buchstaben war über ein großes Fenster aus vielen kleinen, gelblichen Scheiben „Buchhandlung Carolus“ geschrieben. Verzerrt waren durch die, mit Schlieren und Wirbeln durchzogenen Fenster, Regale voller Bücher auszumachen. Bevor der Doktor die hölzerne Ladentür öffnete, verstaute er de Zeitung in seiner Manteltasche. Ein Messingglöckchen bimmelte beim Öffnen der Tür.

Kaum standen sie im Laden, trat eine Frau Anfang dreißig aus dem Hinterzimmer. Sie trug ein dunkelblaues Kleid und ihr Haar war von einer weißen Haube bedeckt, was sie respektabel wirken ließ.

„Guten Morgen, die Herren,“ grüßte sie freundlich.

„Guten Morgen, wir schauen uns erst einmal um, wenn es recht ist,“ erwiderte Jack die Begrüßung, da der Doktor schon an die Regale herangetreten war. Nun drehte er sich um. „Hör auf!“

„Ich habe nur gegrüßt!“

„Er war nur höflich“, wurde Jack, wie so oft von der Frau verteidigt.

Ein rothaariges Mädchen in hellblauem Kleid lugte hinter einem Regal hervor.

„Oh Marie, nicht schon wieder! Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst die Finger von den Bücher lassen, weil wir sie noch verkaufen wollen?“

Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern und stellte das Buch zurück. Sie lehnte sich an das Regal und beobachtete nun den Doktor und Jack, wie sie den Laden durchstöberten. Die Frau runzelte die Stirn, doch dann ging sie zum Tresen an der Wand, die zum Hinterzimmer führte. „Moritz, holst du bitte den Korb? Er steht in der Küche auf dem Tisch!“, rief sie in das Haus hinein.

„Jaha.“, ertönte eine Jungenstimme von irgendwo aus dem Haus. Ein paar Minuten später gesellt der Junge sich mit dem Korb zu Marie. Er trug dunkelblaue Pluderhosen und ein ebenso dunkles Hemd mit Puffärmeln. Die Kleidung der Kinder entsprach der, der Erwachsenen.

„Marie, bringst du Vater bitte sein Mittagessen. Er hat es hier vergessen und ich kann den Laden nicht unbeaufsichtigt lassen,“ bat die Frau sie.

Das Mädchen erbleichte, mit großen Augen zupfte sie den Jungen am Ärmel, obwohl der jünger als sie zu sein schien.

„Oh, sei kein Angsthase! Es ist nicht weit!“

Ihr Blick wurde flehendlich.

„Na gut, ich komme mit,“ murrte er.

„Du vergisst deine Lateinstunden, mein Lieber,“ warf seine Mutter ein. „Wenn du Marie begleitest kommst du zu spät.“ Moritz zog eine Grimasse.

Der Doktor wirbelte herum. Noch mit dem Buch in der Hand, welches er angesehen hatte, überwand er die Distanz zu den Kindern in drei Schritten. Vor ihnen ging er in die Hocke. Sein Lächeln, zeigte wie sehr es ihm gefiel, sie zu treffen.

„Hallo Marie, ich bin der Doktor. Magst du mir sagen, warum du Angst hast nach draußen zu gehen?“ Zur Begrüßung hielt er ihr die Hand hin, wofür er das Buch auf dem nächsten Regalbrett ablegte. Marie reichte ihm die Hand, welche er schüttelte.

„Marie ist stumm,“, teilte ihr Bruder ihm mit.

„Ach so.“ Statt sich nun von Marie ganz abzuwenden, fragte der Doktor, „Aber du verstehst mich richtig?“

Sie nickte.

„Hervorragend. Du hast Angst davor raus zu gehen, stimmt’s?“

Wieder nickte sie und Moritz platze dazwischen: „Sie ist immer ganz verängstigt, wenn sie an der Kirche vorbeigehen soll!“

Der Doktor lächelte beide beruhigend an. „Kann es sein, dass du nach jemandem gerufen hast, der dir hilft, weil du dich fürchtest?“

Maries starrte ihn an, ehe sie zögerlich nickte.

„Und dein Ruf hat mich erreicht. Vertrau mir, ich werde dir helfen. Weißt du wer der Albtraum aller Monster ist?“

Beide Kinder schüttelten die Köpfe, obwohl er Marie gefragt hatte.

„Das bin ich.“

„Da hat er verdammt noch mal Recht!“, schaltete Jack sich ins Gespräch ein.

Maries Mundwinkel zuckten minimal, während sich in Moritz Gesicht ein breit Grinsen zeigte. „Siehst du Marie, dein Wünschen hat doch geholfen!“

Sie schnaubte durch die Nase.

Die Frau kam nun auch zu ihnen. Über dem Arm hatte sie ein graues Kindercape hängen. „Moritz dein Unterricht. Marie, du solltest langsam wirklich los zur Druckerei. Und wenn die Herren nichts kaufen möchten, würde ich sie nun bitten zu gehen.“ Man sah ihr an, dass ihr das Verhalten des Doktor und sein Gespräch mit den Kindern nicht ganz geheuer war.

Marie hob den Korb hoch und ergriff die Hand des Doktors.

„Aber Marie! Belästige den Herrn nicht!“

„Schon gut, ich bin ja hergekommen um ihr zu helfen. Vertrauen sie mir, ich passe auf sie auf.“, versuchte der Doktor sie zu beschwichtigen, was ihm halbwegs gelang, so dass sie mit der ins Cape gehüllten Marie ungehindert die Buchhandlung verlassen konnten.

„Darf ich helfen die Monster zu verjagen?“, wollte Jack wissen, der neben den beiden herging.

Marie musterte ihn von der Seite, ehe sie nickte.

„Nun, wenn das beschlossen ist, allons-y!“

Die beiden Männer passten ihre Schritte Marie an, damit das Mädchen nicht rennen musste. Als sie den Kirchplatz betraten, drängte sie sich näher an den Doktor. Ihre Blicke huschte über die Fassade der Kirche, so als suche sie etwas. Auch der Doktor und Jack betrachteten nun die Kirche genauer. Das Gebäude bestand aus rotem Backstein bei dem die graue Statue neben dem Eingang ein wenig Fehl am Platz war. Der Doktor runzelte die Stirn, doch er schwieg. Sie ließen die Kirche hinter sich. Den Rest des Weges sah Marie sich ständig um. Es war bewundernswert, wie sie es dabei schaffte nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern.

„Wovor hast du nur so eine Angst?“ Der Doktor stellte diese Frage zwar, aber es fühlte sich an als wäre die Frage überflüssig. Irgendetwas lief hier falsch. Marie legte den Kopf schief, es war als überlege sie, als schien sie sich über etwas unschlüssig zu sein. Sie zog ihre Schultern hoch und zerrte den Doktor rasch weiter. „Es ist fast, als hätte ich etwas übersehen,“ murmelte er.

„Verwende doch Zeichensprache,“ schlug Jack vor.

„Hier noch nicht erfunden für diesen Zweck,“ wiegelte der Doktor ab.

Etwa fünf Gehminuten später, kamen sie bei einem Haus an, dass sich äußerlich nicht von den Nachbarhäusern unterschied. Marie zog den Doktor durch die Tür und Jack folgte ihnen. Sie fanden sich in einem trotz Fenstern mit Öllampen erleuchteten Raum wieder, der vor Geschäftigkeit brummte. Ein braunhaariger Mann, in dezentes Blau gekleidet, reichte gerade dem Setzer vor dem Setzkasten einige Blätter. „Setz bitte diesen Text. Es ist eine Zusammenstellung der neuesten Nachrichten aus Rom, Hamburg, London und Paris.“

Der Setzer, er war schon ergraut, aber noch recht drahtig, nickte. Seine Kleidung war in verwaschenem Blau, das sich mit genauso verwaschenen grünen Streifen abwechselte.

Blätter hingen an Leinen, die quer durch den Raum gespannt waren zum Trockenen. Auf einem Tisch nahe des Eingangs stapelten sich dünne Heftchen. Sie hatten etwa das Format DinA5 und waren der Zeitung in Jacks Manteltasche zum Verwechseln ähnlich. Die Luft war mit dem Geruch nach Druckerschwärze durchtränkt.

Marie winkte dem braunhaarigen Mann und lief auf ihn zu, den Doktor im Schlepptau. Einen weiteren Mann, der an einem Stehpult stand, der mit Lesen beschäftigt war, beachtete sie nicht. Dieser Mann hielt einen Stift in der Hand, mit dem er ihm Blatt herumstrich. Es handelte sich um den Korrektor, seine gelb-rote Kleidung hob ihn in dieser Umgebung hervor, obwohl er sich ruhig verhielt.

Jack blieb am Tisch mit den gedruckten Zeitungen, denn darum handelte es sich, zurück. Er hob eine Ausgabe hoch, zückte einen Kuli und schrieb seine Botschaft darauf, während der Doktor sich Maries Vater vorstellte.

„Welch eine Freude, den Erfinder der Zeitung zu treffen!“

„Erfinder? Als Erfinder würde ich mich nun nicht bezeichnen. Ich habe nur, meinen Nachrichtenbrief nicht mehr mit der Hand schreiben wollen, es war so anstrengend. Und da ich die Druckerei erworben habe, lag es nahe, ihn zu drucken. Aber, was führt euch her? Wollt ihr ein Manuskript drucken lassen?“

„Wo sie mich darauf ansprechen...“ Der Doktor begann seine Taschen abzuklopfen.

„Was tut ihr da? Ihr könnt nicht einfach auf die Relationes schreiben!“ Der Korrektor hatte sein Stehpult verlassen und stürzte zu Jack, dessen Augen sich weiteten. Er entriss Jack die Zeitung. „Das geht doch nicht! Die müsst ihr zahlen!“

Ehe Jack antworten konnte, öffnete sich unbemerkt die Tür. Erst als der Korrektor schreiend verschwand, richteten sich alle Blicke auf die Engelsstatue, die direkt vor Jack stand.

„Aber natürlich, wie konnte ich das nur übersehen! An der St. Thomas Kirche gibt es gar keine Statuen! Nicht blinzeln! Alle nicht blinzen! Nicht wegsehen und bloß nicht blinzeln!“, rief der Doktor, wobei er Marie hinter sich schob. Das zitternde Mädchen klammerte sich am Arm ihres Vaters fest und starrte den Engel von dort aus an. Johann legte ihr einen Hand auf den Rücken.

„Doktor! Was ist das?“, ließ sich Jack vernehmen.

„Ein weinender Engel! Er hat eine Quantensperre, solange man ihn ansieht, besteht er aus Stein. Schau weg und er kann sich bewegen!“

„Heiliger Herr im Himmel, schütze uns vor dieser Teufelsbrut!“, wisperte der Setzer hinter ihm. Er hatte einen Rosenkranz aus der Tasche gezogen und hielt ihn mit bebenden Fingern dem Engel entgegen.

„Keine Teufelsbrut, nur eine außerirdische Lebensform. Was auch immer geschieht: Nicht blinzeln!“

„Was passiert, wenn man blinzelt?“ Das war wieder Jack, der langsam rückwärts ging, Richtung Doktor.

„Er schickt dich in die Vergangenheit und ernährt sich von der dadurch freigewordenen Zeitenergie.“

„Kann man sie bekämpfen?“

„Äh...“

Es heißt Raumzeitparadoxa vergiften sie,“ flüsterte eine Mädchenstimme im Kopf des Doktors.

„Raumzeitparadoxa. Denk dir was aus, denk, denk, denk schon!“, murmelte der Doktor, wobei er sich die Haare raufte, wobei er vergaß den Engel anzusehen. Auch Jack, der gegen eine Tischkante stieß löste den Blick von dem Engel. Der Setzer war auf sein Kreuz fixiert. Marie schrie tonlos auf, denn der Engel war plötzlich bei dem Tisch, gegen den Jack gestoßen war, die Arme erhoben und den Mund mit den spitzen Zähnen geöffnet.

„Ich sagte doch: NICHT BLINZELN! Nicht wegschauen!“

Alle achteten nun wieder darauf den Blick auf den Engel gerichtet zu halten ohne zu blinzeln.

„Du sagtest Vergangenheit, aber der hier, schickt Leute auch in die Zukunft,“ warf Jack ein, der hektisch versuchte nicht zu blinzeln.

„Was? Oh! Moment. Nein! Oder doch? Oh! Ohhh!“

„Was jetzt?“ Inzwischen klang Jack ernsthaft genervt.

„Du! Du bist die Lösung! Er hat jemanden in die Zukunft geschickt, weil du ihn irritierst. Was passiert wohl, wenn du ihn berührst?“

„Doktor?“

Der Doktor lehnte sich trotz des Risikos nach vorne und flüsterte Jack ins Ohr: „Du bist ein einziges wandelnde Raumzeitparadox, Jack. Vertrau mir und berühr’ den Engel.“

Jack drehte sich zum Doktor um, musterte ihn einige elendslange Sekunden, ehe er sich dem Engel zuwandte. Der Doktor beobachtet wie Jack sich straffte und auf den Engel zutrat. „Auf mein Kommando, alle weggucken! Jetzt!“

Der Doktor sah nicht, was geschah, weil er kurz zu Boden blickte. Ein hoher Schrei gellte durch den Raum, dann rieselte Steinstaub zu Boden.

„Was zur Hölle..!“, flüsterte jemand hinter ihm. Der Doktor betrachtete den Staubhaufen. Das war nicht, was er erwartet hatte. Er fuhr sich durchs Haar und wirbelte zu Marie herum. „War das der Einzige?“

Sie nickte ernst.

„Diese, diese Dinger, waren hinter meiner Marie her? Erklärt mir das!“ Johann packte den Doktor am Mantelkragen.

„Schön ruhig.“ Jack ergriff Johanns Arm. „Es ist doch alles gut ausgegangen.“

Marie schlüpfte zwischen Johann und den Doktor. Dem Druck ihrer kleinen Hände gab Johann nach und löste seinen Griff. „Es tut mir Leid.“ Dies hörten nur der Doktor und Jack.

„Verstehe.“ Der Doktor ging vor Marie in die Hocke. Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Mundwinkel zitterten. „Du hast dich hier versteckt, weil ein Engel hinter dir her war,“ stellte er fest.

Marie lächelte zaghaft. Sie hielt dem Doktor ihre Hand hin. Goldgelbes Licht erglühte darauf. Es formte eine schimmernde Knospe, die sich entfaltete, wobei nur noch zwei Blätter übrigblieben. Der Doktor nahm die Blätter entgegen. Er studierte sie. „Deine Wunschzettel?“

Ja. Einer ist für deinen Begleiter. Vor langer Zeit, als ich noch nicht geboren war, floh mein Volk vor der sterbenden Sonne von unserem Heimatplaneten. Der Weg durchs All zu einem neuen Planeten war lang und voller Gefahren. Das Schiff, auf dem ich aufwuchs wurde angegriffen. Uns Kinder brachten die Erwachsenen in Fluchtkapseln unter, die darauf programmiert waren uns auf die nächsten Planenten zu bringen, auf dem wir überleben konnten. Meine Kapsel landete hier. Ich verbarg mich, aber da war ein weinender Engel, der mich entdeckte. Also schrieb ich die Wunschzettel...“ Marie blickte zum Doktor auf.

„Was passiert hier?“ Johann schlang seine Arme um Marie. „Was ist das? Was hat dieser Zauber zu bedeuten?“

„Es tut mir so Leid,“ murmelte der Doktor, wobei er sowohl Marie als auch Johann meinte. „Wie ist dein richtiger Name?“, wollte er von Marie wissen.

Sisch.

„Es tut mir wirklich sehr leid,“ sprach er nun Johann an, „Dieses Kind, ist nicht eure Tochter. Ihr hattet nie eine Tochter. Sisch hier, hat bei euch Zuflucht gesucht und euch dafür glauben gemacht, ihr hättet eine Tochter.“

„Das kann nicht sein!“

„Es ist so, tut mir Leid. Sisch gehört zu einer Spezies, die in der Lage ist Gedanken zu manipulieren, so konnte sie sich hier verbergen. Ich schätze, die Supernova, vor der ihr Volk floh, ist die, die man seit Oktober des letzten Jahres am Nachthimmel beobachten kann. Ihr Volk kommt zumindest aus dem Planetensystem.“

Johann und der Setzer starrten den Doktor verständnislos an. „Meine Tochter ist kein Wesen von den Sternen!“

„Da irrt ihr euch leider. Sischs Volk flieht schon seit Jahrhunderten durch die halbe Galaxie vor der explodierenden Sonne ihres Planetensystems. Auf solch einer Flucht gehen häufiger Kinder verloren. Ich schätze, der Engel wurde von der Energie der Fluchtkapsel angezogen.“

„Wo ist deine Fluchtkapsel eigentlich?“, erkundigte Jack sich, der Sischs Erzählung auch gehört hatte, im Gegensatz zu Johann und dem Setzer.

Kaputt. Sie wurde beschädigt.“, teilte Sisch mit.

„Ist sie hier?“

Das Mädchen deutete auf einen Nebenraum. Jack eilte in den Raum, welcher mit Holzkisten die Lettern enthielten und Regalen voller Kupferstichvorlagen vollgestopft war. Kurz darauf kehrte er mit einem geschwärzten Metallgegenstand zurück. Das Ding hatte die Form einer Rosenknospe und war zirka einen Meter lang und fünfundsiebzig Zentimeter breit an der dicksten Stelle. Er stellte es auf dem Boden vor dem Doktor ab, der in seine Jackettasche griff, seine Brille aufsetzte und den Schallschraubenzieher hervorholte. „Dann wollen wir mal sehen, was damit nicht stimmt.“

Johann presste Sisch nur noch enger an sich, auf seinem Gesicht stand Unglaube. Der Setzer sank auf den Hocker vor dem Setzkasten. Das Alles war ein bisschen viel für sie.

Der Doktor fand den Öffnungsmechanismus. Ein leises Zischen erklang. Die Kapsel öffnete metallene Blütenblätter ein stückweit, gerade genug, dass ein ziemlich kleines Wesen ins Innere schlüpfen könnte. Aus der Öffnung dran dunkelviolettes Licht. Rasch schloss der Doktor die Kapsel wieder.

„Kannst du sie reparieren, Doktor?“

„Hm, mit etwas Zeit wahrscheinlich. Aber ich schick damit kein Kind alleine durchs All!“ Der Doktor lächelte Sisch an. „Ich kann dich zu eurem neuen Planeten bringen, was hältst du davon, Sisch?“

„Ihr bringt meine Tochter nirgendwo hin!“

Bitte sei nicht böse. Ich wusste nicht weiter.“ Johann zuckte zusammen und ließ das Mädchen los.

„Hast du gerade gesprochen?“

Nein. Du hörst meine Gedanken, Pa... Johann. Danke, dass ihr für mich da wart. Ich war glücklich als deine Tochter. Es tut mir Leid, dass ich euch täuschen musste. Ich sah keinen anderen Weg in dieser Welt zu überleben und ihr wart so nett zu mir... Aber ich will zu Meinesgleichen. Sag Moritz, dass er ein toller Bruder war und ich ihn vermissen werde. Ich danke dir und deiner Frau für alles.

Sie schlang kurz die Arme um Johann und drückte ihn fest, ehe sie sich von ihm löste und ein paar Schritte zurücktrat, dahin, wo etwas mehr Platz war. Ihre Gestalt schrumpfte, bis sie nur noch etwa siebzehn Zentimeter groß war. Cape und Kleid sanken zu Boden. Nun schwebte sie in der Luft darüber. Sie leuchtete golden, orange und hellgelb. Durchsichtige Fledermausflügel, warfen Lichtreflexe durch den Raum. Sisch flatterte auf die ausgestreckte Hand des Doktors.

Johann schwieg. Er war bleich geworden und zitterte, während sein Blick auf diesem merkwürdigen Wesen ruhte.

„Dämon!“, knurrte der Schriftsetzer.

„Nein, nur ein verängstigtes Kind von einer anderen Welt, dass getan hat, was es konnte um nicht aufzufallen,“ erwiderte der Doktor ruhig. „Johann, es war mir eine Ehre Sie zu treffen. Ihre Idee wird soviel ermöglich, glauben Sie daran, die Zeitung ist etwas Wichtiges. Sie haben den Lauf der Welt verändert und einem Kind das Leben gerettet!“

„Doktor!“, mahnte Jack. Er hatte die Fluchtkapsel aufgehoben.

„Ach, ja, sicher. Wir gehen dann.“ Der Doktor wandte sich Johann zu. „Führen Sie ein fantastisches Leben..“ Er hob die freie Hand zum Abschiedsgruß.

Sisch stieg seinen Arm hinauf und setzte sich auf seine Schulter, wo sie sich an seinem Mantelkragen festhielt.

Obwohl nun viel mehr Leute auf den Straßen unterwegs waren, zogen sie keine Aufmerksamkeit auf sich. Die Leute schienen Sisch auf der Schulter des Doktor nicht einmal zu bemerken. So erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle die TARDIS.

Im Konsolenraum flog Sisch auf die Lehne der Bank. Jack legte ihre Fluchtkapsel davor ab. Sisch drehte sich im Kreis um den großen Raum ansehen zu können.

„Also auf nach Zississn! Das war doch der Name, dem ihr dem neuen Planeten gegeben habt, richtig?“

„Ja.“ Sisch setzte sich auf der Lehne zurecht und schlug mit den Hacken dagegen.

Der Doktor grinste. „Alle gut festhalten!“ kommandierte er, während er um die Konsole tanzte um die TARDIS zu starten.

Jack hielt ich an der Bank fest. Sisch kippte nach vorne, erwischte den Rand von Jacks Ärmel und krabbelte wieder auf die Lehne. Oben angekommen legte sie sich platt hin und krallte sich an Jacks Ärmel fest. Mit einem Ruck kam die TARDIS zum Stillstand. Sisch wurde über die Lehne geschleudert und hing wieder nur an Jacks Ärmel, der seine andere Hand unter sie hielt als er sich aufrichtete.

„Danke.“ Sisch stieß sich von der Hand ab und flog zur Tür. Der Doktor öffnete sie. Es zeigte sich, dass die TARDIS mitten in einem Wald aus blaugrün belaubten Bäumen gelandet war. Zwischen den Blättern schimmerte ein lila Himmel. Nur der Boden war, wie in Wäldern üblich, mit einer Schicht grauer und brauner vertrockneter Blätter bedeckt. Es roch harzig. Über ihnen rauschten die Blätter im Wind. In den Ästen der Bäume befanden sich zarte Gebilde, die an runde Nester erinnerten. Ein Schwarm leuchtender Wesen wirbelte auf die Telefonzelle zu und um sie herum. Zirpende Rufe erklangen. Zwei der Wesen lösten sich vom Schwarm. Laut zwitschernd schossen sie auf den Doktor zu. Sisch sauste los zu den beiden hin. „MAMA! PAPA! Ihr lebt!“ Die drei umarmten sich in der Luft und sackten als eng umschlungenes Knäuel ein wenig ab, woraufhin sie sich voneinander lösten und in einem wilden Flug umeinander herum wirbelten. Nun erfüllte Gelächter die Luft.

Um besser zuschauen zu können, lehnte der Doktor sich an die TARDIS. Sein Gesicht strahlte vor Freude. Jack schmunzelte.

„Du hast das arrangiert.“

„Nur eine kleine schriftliche Nachricht an das Zentrum für Verlorengegangene hier auf Zississn.“

Nun flogen Sisch und ihre Eltern auf sie zu. Die beiden Erwachsenen verbeugten sich in der Luft vor dem Doktor. „Wir können nicht in Worte fassen, wie viel es uns bedeutet, dass ihr uns unsere Tochter zurückgebracht habt.

„Das haben wir gerne getan,“ antwortete der Doktor. Sisch stupste ihn an.

Behaltet die Wunschzettel. Solltet ihr es brauchen, werden sie euch einen Wunsch erfüllen, so wie ihr mir meinen Wunsch erfüllt habt.

Der Doktor neigte nur den Kopf. „Danke, ich merke es mir. Und nun muss ich weiter, Jack bei seinem Team abliefern.“ Er zwinkerte Jack zu, der sich ebenfalls bei Sisch bedankte. Da keiner nach der Fluchtkapsel von Sisch fragte, behielt der Doktor sie. Irgendwofür konnte er die Technik daraus sicher mal gebrauchen.

Zurück in der TARDIS kramte der Doktor eines der schimmernden Blätter aus seiner Tasche „Ach ja... hier,“ mit diesen Worten reichte er es Jack. „Von wann bist du gestartet?“

Jack nahm das Blatt entgegen und nannte dem Doktor das Datum, obwohl er mit seinem Vortexmanipulator auch selbst zurückkehren könnte, ließ er sich den Flug mit der TARDIS nicht entgehen.
 

Cardiff vor dem Millenium Center
 

Nach einem wie üblich ruckeligen Flug trat Jack aus der TARDIS. Er sog den Duft nach Algen tief ein. Eine leichte Brise wehte. Nebel sammelte sich über dem dunklen Meer. Die Straßenlaternen erleuchteten den Platz. Er war zurück und das wohl ohne Zeitverschiebungen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Jack wandte sich dem Doktor zu.

„Kann gut sein, dass Sischs Wunschzettel hier nicht funktioniert. Falsches Jahrhundert und so,“ erklärte er Doktor.

Jack lächelte ihn an. „Schon in Ordnung. Er erinnert mich dennoch an eine entzückende kleine Lady, die heimgefunden hat.“

Beide grinsten sich an. Impulsiv umarmte Jack den Doktor zum Abschied, schließlich wusste er nicht, wann und ob er ihn je wiedersehen würde. Der Doktor klopfte ihm auf den Rücken, bevor er sich aus der Umarmung löste. Dieses Mal ließ er den Vortexmanipulator in Ruhe. Er bestieg die TARDIS, dreht sich in der Tür um, gab Jack seinen üblichen Nichtsalut und schloss die Tür.

Jack blieb auf dem Platz stehen und sah zu, wie die Polizeizelle entmaterialisierte. Erst als auch das letzte Zischen der TARDIS verklungen war, kehrte auf dem längeren Weg in die Basis zurück. Ihm war so gar nicht danach heute noch den Aufzug zu benutzen.

In der Basis angekommen verstaute er das golden schimmernde Blatt in einer Pappschachtel, die er mit einem Vermerk im Archiv einschloss. Das kleine Intermezzo mit dem Doktor war vorbei, nun hatte der Alltag ihn wieder.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2016-04-24T14:55:09+00:00 24.04.2016 16:55
Ich finde es toll, wie sich die Informationen alle nacheinander in das Puzzle einfügen. Nachdem Jack bei dem Duell abgeschossen wurde und dann gleich der Szenenwechsel zum Doktor stattfand, war ich erst einmal voll verwirrt XD

Eine Zeit lang dachte ich, Du erzählst verschiedene Geschichten, aber dieser "Aha!"-Effekt war umso cooler und intensiver, als der Doktor dieselbe Duellszene wie Jack erlebte, nur von einem anderen Standpunkt aus! Allgemein finde ich deinen Schreibstil echt großartig und soweit es Doctor Who betrifft finde ich, hast Du ihn sehr authentisch interpretiert (die anderen kenne ich leider nicht). Gerade dieses "Zeitung!" und Jack gibt ihm daraufhin die Zeitung während der Doktor ganz woanders hinschaut XDD Das so typisch für ihn, finde ich!

Auch die Struktur deiner Geschichte erinnert mich sehr an den Werdegang einer Doctor Who-Folge. Erst einmal voll die Verwirrung und keiner weiss eigentlich, was überhaupt los ist und später fügen sich mehr und mehr Informationen zusammen. Du hast das echt toll geschrieben!

Es hat mir viel Spaß gemacht, deine Arbeit zu lesen und ich glaube ernsthaft, (als Laie wohlgemerkt) dass Du ein Stärke dafür hast, authentische Doctor Who-Folgen zu schreiben. Profis mögen es anders sehen, aber diese Geschichte war ja wie eine Folge aus der Serie, finde ich. Supertoll! :)
Antwort von:  Salix
24.04.2016 18:55
Vielen Dank für deinen tollen Kommentar und für das Lob. XD

Ich habe mir viel mühe beim Schreiben der Geschichte gegeben und es ist für mich ein Riesenlob, dass du sie mit einer Folge der Serie verglichen hast.
Da mir Doctor Who selbst sehr gut gefällt und ich ein Fan des zehnten Doctors bin, wollte ich es so authentisch wie möglich schreiben und bin froh, dass es mir geglückt ist.
Von:  Emerald_Phoenix
2016-02-04T18:20:02+00:00 04.02.2016 19:20
Gnihihi, ich muss immer noch grinsen. :3 Allein wegen der Sache mit dem Ducken. Wie doof ist Jack eigentlich, seinen EIGENEN Hinweis zu ignorieren? Ich finde das Szenario zum Zeitpunkt der Erfindung der Zeitung so schön. Und wie der Doktor Jack immer wieder über den Mund gefahren ist, wenn er in seiner typischen Art geflirtet hat. :D Dass sich das Mädchen auf der Erde vor dem Engel versteckt hat, war sooo traurig...und so schön beschrieben. Von dem Engel und Jack als Zeitparadoxon ganz zu schweigen. Macht der Kerl sich also wenigstens mal nützlich, wenn er sich schon nicht duckt! :3 Auch die ganzen Details, die du eingebaut hast, besonders das mit dem Engel vor der Kirche. So schön. <3 Danke, für diese wundervolle Geschichte!
Antwort von:  Salix
04.02.2016 22:02
Danke für deinen Kommentar. Ich hatte echt richtig Spass sie zu schreiben!
Ich wollte schon länger mal was zu Doctor Who schreiben, wo die Erfindung der Zeitung mit drin ist, also danke für die Gelegenheit, das endlich zu tun. :)
Hab mir extra noch mal DW-Folgen angeguckt, wo der Doctor und Jack zusammen unterwegs sind, um die Dynamik zwischen den beiden beschreiben zu können. Dabei ist mir aufgefallen, dass Jack bei Torchwood der Anführer ist, mit dem Doctor zusammen ordnet er sich aber automatisch dem Doctor unter.
Die Idee mit dem Mädchen ist mir gekommen, weil ich ja auch für den Doctor einen Grund brauchte in genau diese Zeit zu reisen.
Ich habe extra auf die Details geachtet, hatte kurz davor deinen Weblogeintrag zum Krimi schreiben gelesen und mir gedacht, einige deiner Ratschläge sind auch für eine Doctor Who Story nützlich.
Also alles in allem gern geschehen. Ich freue mich sehr, dass sie dir so gut gefällt.


Zurück