Eine Frage der Ehre
[JUSTIFY]„Roberts purpurbehelmter Krieger verlangte behäbig Einlass in die dunkle Höhle des Schotten. Mit regelmäßigen, immer wieder kehrenden, Stößen kam er seinem Ziel der Erforschung der Enge näher“, für einen kurzen Moment hielt Robert im Text inne und sah von seinem Buch auf. Um ihn herum saßen auf der Couchgarnitur Enrico, Oliver und Johnny, die sich über die Weihnachtsfeiertage im McGregor-Anwesen getroffen hatten. Nach der gemeinsamen Bescherung hatten sie sich zusammengesetzt, um gemeinsam das Buch ‚Die Lanzen der Leidenschaft‘ zu lesen. Es war ein Geschenk des Majestics-Fanclubs gewesen, der seither in der Wahl der Geschenke recht... ungewöhnlich war. Seine Teamkollegen lauschten ihrem Captain aufmerksam, der den Geschichtentext viel zu lebhaft für seine ernste Miene, vortrug.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Johnny leistete dabei keinen Widerstand und gewährte bereitwillig Zugang und auch sein kleiner schottischer Prinz schien sich den Liebkosungen des Deutschen zugetan zu fühlen. Der Raum war erfüllt von kehligem Stöhnen und heißerem Seufzen, das ein Zeugnis ihres Kampfes darstellte, den sie gerade so hart ausfochten.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Gottverdammt, Enrico!“, die aufgebrachte Stimme Johnnys riss Robert aus seinem Vortrag und er blickte sichtlich irritiert auf, „Nimm deine Hand aus deiner Hosentasche. Das ist abartig!“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Augenblicklich lag alle Aufmerksamkeit auf dem jungen Italiener, der sein Gegenüber jedoch nur vorwurfsvoll anblickte. „Ich werde doch wohl noch meine Hände in die Hosentaschen stecken dürfen!“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Lass. Es. Ich will nicht, dass du dich an einer schlecht geschriebenen Liebesszene zwischen Robert und mir aufgeilst.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Das mache ich gar nicht! Als ob an dieser Vorstellung irgendetwas Reizvolles wäre. Eher das Gegenteil!“, wie als suche er nach Bestätigung, sah er zu Oliver und Robert, die jedoch nur langsam mit dem Kopf schüttelten. Enrico verzog gekränkt die Miene und verschränkte seine Arme vor der Brust. Robert senkte den Blick zurück zu seinem Buch.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Während sich ihre Leiber hart gegeneinander pressten und die Lust sie mehr und mehr übermannte, griff Robert nach Johnnys Liebesdolch. Seine Berührungen waren hart und fordernd und es dauerte nicht lange, bis die überwältigende Explosion der Gefühle sie einholte und-...“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Das tut doch weh!!“, die kindliche Stimme riss Robert aus seiner Erzählung und seine Miene entglitt ihm, als er sich umwandte. Dort standen Johnnys Neffen, auf die sie über den Tag hinweg aufgepasst hatten und die vor wenigen Stunden über dem Spiel mit ihren Geschenken eingeschlafen waren. Eigentlich.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Johnny starrte die beiden Kinder seiner Schwester fassungslos an, als sie näher traten. Tims Augen leuchteten vor Begeisterung: „Hat der purpurbehelmte Krieger es denn geschafft?? Was war in der Höhle?“ „Und was ist mit der Explosion?!“, Marco sprang begeistert auf und ab.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Ihr solltet schon längst im Bett sein“, schimpfte Johnny, der jetzt schon ahnte, was seine Schwester ihm erzählen würde, wenn sie erfuhr, was die Kinder da mitgehört hatten.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Wir hatten noch keine Gutenachtgeschichte“, schmollten die beiden Jungen nun und Marco setzte sich demonstrativ auf den Teppich, was ihm sein Bruder im kindlichen Eifer gleich tat.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Ihr geht jetzt wieder ins Bett“, Johnny stand auf, seine Hände in auffordernder Geste vor sich her gestreckt. Tim stierte ihn böse an und Johnny wollte sich gerade bücken, um ihn sich zu schnappen und ihn notfalls zurück in sein Zimmer zu tragen, als sich Enrico zu Wort meldete.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Natürlich erzählt euch euer Onkel Johnny die Geschichte zu Ende.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Der heißblütige Schotte erstarrte augenblicklich in seiner Bewegung und musste sich zusammen nehmen, über den Jubel der beiden Jungen, nicht in einen Schwall von Beleidigungen gegen Enrico auszubrechen, der ihn selbstzufrieden ansah und erst etwas in sich zusammensackte, als er Olivers und Roberts aufgebrachte Blicke bemerkte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Also, was passierte in der Grotte? Der purpurbehelmte Krieger von Robert hat gegen Prinz Johnny gekämpft oder? Und dann gab es diese Explosion!“, Marcos Augen leuchteten förmlich und er wirkte wahnsinnig gespannt.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Prinz Johnny hat den Kampf gewonnen und damit endet die Geschichte. Ab ins Bett.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Das stimmt doch gar nicht!“, maulte nun Tim, der mehr als enttäuscht aussah. Johnny seufzte resigniert und ließ sich zurück auf seinen Sessel fallen. Dann griff er nach seinem Glühwein, als hoffte er, dass dadurch die ganze Geschichte einfacher würde.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Ihr müsst wissen, Kinder, dass Robert den purpurbehelmten Krieger nur deswegen zu Prinz Johnny geschickt hat, weil er ihn ganz sehr gerne hat“, begann Enrico, was ihm ein verstehendes „Aaaaaah!“ der jungen Zuhörer entlockte. Sofort wandte sich Marco um, mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich zeigte, dass er einen tieferen Zusammenhang entdeckt hatte: „Magst du Johnny auch, Robert?“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Johnny verschluckte sich und es dauerte eine ganze Weile, bis sein Husten sich gelegt hatte. Die besorgten Blicke seiner Teamkollegen lagen noch immer auf ihm, als er sich wieder gefasst hatte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Der dunkle König Robert wollte den Prinzen also zu sich holen, und deshalb hat er den Krieger geschickt. Aber der Prinz wollte das nicht“, ergänzte er mit leicht kratziger Stimme, ehe Enrico seine wüsten Ausführungen fortsetzen konnte, „Deswegen haben die beiden in der Höhle miteinander gekämpft. Der Prinz hatte dort Zuflucht gesucht. Und eigentlich hatte er auch einen Soldaten zur Seite gestellt bekommen, Sir Enrico. Leider hatte der nicht ganz so viel im Kopf und war augenblicklich abgereist, als er gehört hatte, dass eine Jungfrau in Nöten in der Nähe in einem Turm wartete.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Enrico und Johnny starrten sich böse an. „Sir Enrico war also, während der heftige Kampf tobte, auf den Weg zum Turm. Dort wartete Lady Oliv-...“ „Olivia!“, Oliver warf Johnny einen mahnenden und durchdringenden Blick zu, der sich davon jedoch nicht beeindrucken ließ.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Dort wartete Lady Olivia auf ihn. Sir Enrico wollte sie retten, weil er unheimlich auf ihren Bruder Oliver stand, der über das Nachbarreich herrschte.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Tim nickte zustimmend und Oliver wirkte furchtbar aufgebracht. „Leider hatte König Oliver gar kein Interesse an so einem hohlen Ritter“, murmelte er und setzte dann die Erzählung fort: „Währenddessen wurde Prinz Johnny vom purpurbehelmten Ritter übermannt und außer Gefecht gesetzt. Sehr zur Freude von König Robert, der sonst keinen Lebensinhalt hatte, als den Prinzen mit seiner Zuneigung zu beglücken.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Jetzt lag es an Robert pikiert dreinzublicken. „Durchaus pflegte König Robert sehr viele Hobbys. Lesen, reiten und fechten waren nur wenige davon. Nur hatte er eben auch eine Schwäche für diesen Prinz Johnny, von dem er bisher jedoch nur aus Erzählungen gehört hatte.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Zumindest dachte er das!“, mischte sich sofort Enrico ein und grinste stolz, „Aber tatsächlich hatte Prinz Johnny sich schon vor ein paar Jahren undercover in sein Schloss eingeschleust und dort eine sehr enge Bindung zu dem fremden König aufgebaut. Als der jedoch das Interesse an ihm verlor und lieber nach dem temperamentvollen Prinzen suchen ließ, war er so sauer, dass er nichts mehr mit Robert zu tun haben wollte. Und deshalb weigerte sich eben zu dem König zu gehen.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Und als der purpurbehelmte Ritter den Prinzen zum König brachte und der seinen Fehler erkannte, hatten die beiden einen heftigen Streit.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Tim kicherte und Marco gluckste laut. „So wie Onkel Johnny und Robert immer streiten!“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Währenddessen war leider Lady Olivia verstorben“, der Nachdruck in Johnnys Stimme war nicht zu überhören, „Denn als Sir Enrico mit dem Drachen gekämpft hatte, der sie in dem Turm gefangen hielt, war ihm sein Schwert ausgerutscht und er hatte sie getötet. Weil der Drache das so witzig fand, ließ er den Ritter am Leben.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Der sich natürlich nun vor König Oliver rechtfertigen musste. Der König war aber gar nicht wütend, weil er seine Schwester gar nicht so gerne mochte“, ergänzte Robert, „Deswegen verliebte er sich augenblicklich in den kühnen Ritter, als er bemerkte, welche Gefahren dieser für ihn aufgenommen hatten, und die beiden heirateten.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Oliver starrte seinen Teamcaptain entgeistert an.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Aber es wurde eine Doppelhochzeit!“, warf Enrico ein, „Denn der dunkle König Robert zwang den Prinzen Johnny, der sich von der Verletzung bei der Explosion inzwischen erholt hatte, zur Ehe. Und so war die Geschichte zu Ende.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Tim und Marco wirkten nun auf der einen Seite verwirrt, auf der anderen Seite begeistert von der Erzählung. Johnny glaubte sich zu verhören, als sie laut „Noch eine Geschichte!“ riefen. Hastig sprang er auf und packte sie an den Händen. „Jetzt geht es ins Bett, es ist schon spät. Und ihr wisst, wenn Kinder nicht artig sind, holt der Weihnachtsmann die Geschenke zurück.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Das ließen sich die beiden Jungen nicht zwei Mal sagen und hastig folgten sie nun ihrem Onkel, während Robert, Oliver und Enrico alleine zurück blieben. Sie schwiegen eine Weile, ehe Oliver sich in seinem Sessel zurücklehnte.[/JUSTIFY][JUSTIFY]„Also wesentlich schlechter als die Geschichte im Buch war das auch nicht.“[/JUSTIFY]