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Petunias Erleben

Die Beziehung zu Harry und ihre Entscheidungen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Diese Szene spielt am Mittwoch Morgen, nachdem Vernon Dursley Petunia am Vorabend gefragt hat, ob sie in letzter Zeit etwas von ihrer Schwester gehört hat.
In dieser Nacht wird Harry vor der Hautür abgelegt. Komplett anzeigen

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Petunias Entscheidung

Der Kaffee war heiß und so stark, dass Petunia das Gesicht verzog. Vernon, der gerade nach seiner Zeitung gegriffen hatte, legte sie zurück und reichte seiner Gattin stattdessen unaufgefordert die Milchflasche. Verliebt lächelte er sie an. Mit einem dankbaren Blick verdünnte Petunia das Getränk, spreizte den kleinen Finger ab und trank.

Was für ein Morgen! Petunia fühlte sich, als wäre sie des Nachts nicht im Bett, sondern auf der Flucht gewesen. Jedes kleinste Geräusch ließ sie zusammenfahren.

„Das ist die letzte Flasche“ erinnerte Vernon sie. Petunia nickte, rieb gedankenverloren an einem Fleck in der Tischdecke und seufzte leise. Es gab keinen Grund für diese rätselhafte, innere Alarmbereitschaft. Alles war wie immer vollkommen normal. Genau so, wie sie es liebte und brauchte.
 

Dudley krabbelte auf die Vase zu, die Petunia vor zweiundzwanzig Monaten auf den kleinen Tisch gestellt hatte. Die Frau verharrte in der Bewegung, wollte Dudley wegziehen und zugleich sehen, wie er sie zerbrach. Das hässliche Geschenk der Schwester zerstörte und es vielleicht vermochte, ihr die Genugtuung zu verschaffen, die sie so sehr herbeisehnte. Sie selbst konnte sich nicht dazu überwinden, die Vase zu entsorgen. Wie achtlos und hektisch sie auch den Tisch säuberte: Seit zweiundzwanzig Monaten stand dieses Ding wie festgewachsen. Lilys Geschenk hatte ihr nie gefallen, so erhielt die Schwester zur vergangenen Weihnachtszeit das Gegenstück. Petunia dachte an den Brief, der noch immer in ihrer Schreibtischschublade lag. Das mitgeschickte Foto von sich, ihrem Mann und dem Kind, existierte nicht mehr. So sehr Petunia damals versucht hatte, sich nur auf die Schwester zu konzentrieren: Immer wieder schob sich der Mann in ihr Blickfeld, der ihr Lily zum dritten Mal genommen hatte. Das zerrissene Foto milderte damals die stürmischen Gefühle. Nur die Vase war geblieben.

Wahrscheinlich auch so ein verdammtes Zauberding, dachte Petunia verbittert – bis es klirrte. Petunia verschluckte sich und hustete. Tränen stiegen ihr in die Augen und eilig klopfte Vernon ihr den Rücken. Eine Schrecksekunde lang schien Dudley erstarrt zu sein, dann heulte und schrie er los. „Alles gut, Diddyschatz“, würgte die junge Frau zwischen dem Hustenanfall hervor und nahm ihr Goldstück auf den Arm.

Nachdem sie ihn eine volle Viertel Stunde lang gestreichelt hatte, ihm eine frische Windel angezogen, gesüßten Tee gereicht und vierzehn Mal „Heile, heile Segen“ vorgesungen hatte, hörte Dudley auf zu brüllen. Erleichtert setzte sie ihn in den Sandkasten und ging in die Küche zurück. Die Milchflaschen auf dem Arm öffnete sie die Haustür und wurde zunächst von der Sonne geblendet. Jedoch nicht lange. Entsetzt schrie sie auf: Ein Bündel lag zu ihren Füßen.

Eingewickelt in eine Decke und einen Brief auf der Brust. Petunia wusste nicht, wie ihr geschah. Sie war zu Boden gesunken und sah auf den kleinen Jungen hinab. Nie zuvor hatte sie das Kind leibhaftig gesehen, doch noch ehe sie in die grünen, mandelförmigen Augen sah, wusste sie, wer da auf der Fußmatte lag. Die Frage Vernons nach dem Namen ihres Neffen am vergangenen Abend erschien ihr nun wie ein böses Omen. Zehn Monate hatten sie nicht über diesen familiären Schandfleck gesprochen und nun das.

„Petunia, Liebling, was ist passiert?“ Vernon stand neben ihr und Fassungslosigkeit breitete sich beim Anblick von Harry auf seinem Gesicht aus. Ohne dass Petunia selbst es wirklich wahrnahm, schlang sie die Arme um das Kind. Harry war wach und blickte sie interessiert an. „Halt du mal“, murmelte Petunia und drückte ihrem überrumpelten Ehemann das Kind in die Arme, noch ehe dieser protestieren konnte.

Mit zitternden Fingern löste Petunia den Brief und zögerte. Sie wollte nicht wissen, was darin stand. Wollte das Unvermeidliche so lange hinauszögern, wie ihre Fähigkeit der Verdrängung es zuließ. Dieser Brief würde ihr geordnetes Leben unwiderruflich verändern und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Unter größter Anstrengung begann sie zu lesen.
 

Der Brief war in der selben schrägen Handschrift verfasst, wie jener, den sie vor so langer Zeit erhalten hatte. Damals, als sie als dumme dreizehnjährige Albus Dumbledore gebeten hatte, mit ihrer Schwester auf Hogwarts zu dürfen.

Bei der Erinnerung kochte erneut eine Welle von Wut und Scham in ihr hoch. Dumbledore hatte freundlich erklärt, dass ihre Schwester die Fähigkeiten habe, die ihr leider nicht gegeben waren.

Sie würde in der Welt der Magier nicht glücklich werden.

Und zu allem Überfluss hatten Severus und ihre Schwester den Brief auch noch gelesen.

All dies kam ihr in den Sinn, als sie versuchte, den Inhalt des aktuellen Briefes zu erfassen.

Nur bruchstückhaft schienen die Worte sich in ihrem Gehirn zusammenzufügen und Sinn zu ergeben.

Lily und James hatten den Angriff von Lord Voldemort nicht überlebt.

Lily ... tot.

Lily, ihre kleine Schwester, die sie über alles geliebt, die sie beneidet und gehasst hatte. Petunia sah zu den Scherben der Vase und ein irreales Schuldgefühl erstickte sie. Lily ist tot, weil die Vase zerbrochen ist.

Tränen brannten in ihren Augen und sie wusste nicht, ob aus Trauer oder Wut. Das Kind brauchte Schutz. Der alte Magier hatte eine Verbindung erschaffen. Sie sollte das Kind bei sich aufnehmen, ansonsten wäre es in tödlicher Gefahr.

Was ging es sie an?

Sollte es doch sterben, wie ihre Schwester gestorben war!

Ihr Gatte war hinter sie getreten, um mitzulesen. Nun schnaubte er empört: „Was bildet sich dieser Mann eigentlich ein? Uns ein Kind aufzuhalsen, das genauso abnormal ist!? Wir bringen ihn ins Waisenhaus." Langsam ließ Petunia die Hand sinken. Widerwille regte sich in ihr. Weshalb musste sie diese Entscheidung treffen?

Warum musste ausgerechnet ihr das passieren?

War sie nicht genug gestraft gewesen mit dieser Familie, dieser Schwester?

Hatte sie nicht endlich auch ein bisschen Glück und Ruhe verdient?

Und doch...

Unwillkürlich fiel ihr Blick auf das Kind.

Es hatte ihre Augen. „Petunia?"

„Lass uns ... überlegen Vernon." Sie schaffte es nicht. Ihr Blick fiel auf das Fenster. Dudley buddelte friedlich im Sandkasten. Ihm war nichts aufgefallen.

Das Kind wurde unruhig. Wie von selbst ging sie zum Kühlschrank und begann, Brei anzurühren und es zu füttern.

Er heißt Harry, dachte sie.

Sein Name ist Harry und er hat die Augen seiner Mutter und meiner Schwester Lily.

Ihre Entscheidung war gefallen.
 

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https://www.youtube.com/watch?v=Yq2Ga43s3jQ&t=57s



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