Zum Inhalt der Seite

Chronograph

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

-1-

 

„Kakashi Hatake, du bist zu spät“, wütend bohrte ich ihm meinen Finger in die Brust.

 

Zweiundvierzig Minuten. So lange stand ich nun schon an unserem Treffpunkt und wartete auf den Mann, der angeblich so wahnsinnig wichtige Informationen für mich hatte. Nicht, dass es mich sonderlich überraschte, dass er mal wieder nicht pünktlich auftauchte, aber vorhin am Telefon hatte er wirklich beunruhigt geklungen. Bei jedem anderen hätte ich diesen dezent besorgten Unterton wahrscheinlich ignoriert, aber Kakashi war niemand, der sich besonders leicht aus der Ruhe bringen ließ.

 

„Ah, weißt du, Naruto, das ist eine ganz komische Geschichte“, er kratze sich am Hinterkopf und um seine Augenwinkel bildeten sich kleine Fältchen. „Auf dem Weg hierher habe ich eine ältere Dame getroffen und sie hat so schwere Einkaufstüten getragen. Da konnte ich gar nicht anders, als ihr zu helfen.“

 

Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.

 

„Du hättest wenigsten Bescheid sagen oder eine kurze SMS schreiben können.“

 

Normalerweise war ich nicht besonders nachtragend, aber heute hatte er mich in aller Frühe aus dem Bett geklingelt und zu unserem Treffpunkt bestellt. In der Eile hatte ich es nicht mal mehr geschafft eine Tasse Kaffee zu trinken und noch dazu regnete es schon seit Stunden wie aus Eimern. Der Sand unter meinen Füßen war dunkel und schwer, hatte sich bereits vollständig vollgesaugt. Abgesehen von dem kleinen Holzhäuschen, in das ich mich mühevoll gequetscht hatte, gab es hier auf dem Spielplatz kaum eine Möglichkeit sich unterzustellen. Die alten Planken waren allerdings nicht gerade das, was man als wasserabweisend bezeichnen würde und so war kontinuierlich ein kleines Rinnsal direkt auf meinen Kopf getropft. Wie sollte ich da nicht nachtragend sein?

 

„Ich hatte Einkaufstüten in der Hand. Wie hätte ich dir da schreiben sollen?“, fragte Kakashi und schlug den Kragen seines Mantels hoch.

 

Man könnte meinen, dass er sich dadurch vor dem Wetter schützen wollte, doch es war vielmehr eine symbolische Geste. Schon seit ich denken konnte, trug Kakashi eine Gesichtsmaske, die seinen Mund und seine Nase bedeckte, was vor allem daran lag, dass er anonym bleiben wollte. Oft starrten die Leute ihn dadurch erst recht an, doch heute und bei diesem unbarmherzigen Regen wirkte es alles andere als ungewöhnlich.

 

„Also warum sollte ich herkommen?“, hakte ich noch einmal misstrauisch nach.

 

Hatte ich mir den aufgeregten Unterton am Telefon etwa nur eingebildet? Mittlerweile kannte ich Kakashi schon seit knapp zwanzig Jahren und auch wenn wir uns zeitweise nur sehr unregelmäßig sahen, bildete ich mir ein, ihn einigermaßen einschätzen zu können.

 

„Die Akademie hat eine Entscheidung getroffen.“, erklärte er knapp.

 

Augenblicklich spürte ich, wie mein Herz in meiner Brust schneller schlug. Eigentlich hatte ich genug Zeit gehabt mich auf diesen Moment vorzubereiten, doch wenn man mal ehrlich war, konnte man sich auf so etwas niemals ausreichend vorbereiten. Immerhin ging es um den Rest meines Lebens. Mehr noch, es ging darum, wem ich mein Leben anvertrauen musste.

 

„Wer ist es?“, fragte ich mit ungewöhnlich leiser Stimme.

 

Es fühlte sich so an, als würde mir mein Herzschlag die Kehle zuschnüren. Normalerweise war ich laut und penetrant. Selbstbewusst. Ungehobelt. Energiegeladen. Alles nur nicht leise. Aber in diesem Moment fiel es mir schwer meine Sorgen wie sonst einfach herunterzuschlucken und stattdessen ein Grinsen aufzusetzen. Was, wenn sie die falsche Entscheidung getroffen hatten?

 

„Lass uns ein Stück gehen“, schlug Kakashi vor.

 

An Tagen, an denen es wie heute regnete und der Himmel von grauen Wolken verhangen war, ließ er sich des Öfteren mal zu einem kleinen Spaziergang hinreißen. Es war immer riskant, wenn man uns beide zusammen sah, aber um diese Uhrzeit waren noch nicht besonders viele Menschen auf den Straßen unterwegs und wir mussten eben vorsichtig sein. Kakashi bedeckte zwar sein Gesicht, aber die große Narbe die quer über sein rechtes Auge verlief, zeichnete ihn unverkennbar als denjenigen, der er war. 

 

Es war ein ekliges Gefühl, als ich durch das viel zu schmale Fenster aus dem kleinen Holzhäuschen kletterte und mir die ersten Regentropfen den Nacken hinunterkrochen. Meine blonden Haare begannen sofort auf meiner Kopfhaut zu kleben und ich widerstand der Versuchung, mir zum Schutz die Arme über den Kopf zu halten. Ich würde so oder so nass werden, da führte kein Weg dran vorbei. Ich schob meine Hände in die Jackentaschen und hätte ich eine Kapuze gehabt, hätte ich mir die über den Kopf gezogen. Doch bedauerlicherweise hatte ich keine Kapuze. Noch nicht mal einen Regenschirm.

 

„Wo gehen wir hin?“, fragte ich neugierig.

 

„Frühstücken“, antwortete er nur knapp und schlenderte in Richtung Straße.

 

Die Gegend hier war relativ verlassen und das war auch genau der Grund, warum er den Spielplatz als Treffpunkt ausgewählt hatte. Hier spielten schon seit mindestens fünf Jahren keine Kinder mehr und stattdessen war es ein Ort, an dem sich zwielichtige Gestalten tummelten. Auf diese Weise fielen wir zumindest nicht unnötig auf und niemand kam auf die Idee unangenehme Fragen zu stellen. Wahrscheinlich hielten die Leute uns für Drogendealer oder einen Stricher und seinen deutlich älteren Freier.

 

Der Asphalt platschte laut unter unseren Füßen, als wir den Gehweg entlang schlenderten und auf den belebteren Teil des Viertels zusteuerten. Gegen ein kleines Frühstück hatte ich nichts einzuwenden, was vermutlich daran lag, dass ich für Essen generell immer zu begeistern war. Manchmal scherzte Kakashi, dass mir diese Schwäche irgendwann noch zum Verhängnis werden würde, aber ich konnte einfach nichts Schlechtes darin sehen.

 

Wir betraten ein kleines Eckcafé und sofort schlug mir der Geruch von frischen Brötchen und gerade erst aufgebrühtem Kaffee in die Nase. Es war nicht besonders gemütlich hier, der Anstrich könnte durchaus eine kleine Auffrischung vertragen und auch die klapprigen Metalltische machten keinen allzu vertrauensvollen Eindruck, aber allein die wohlige Wärme, die einen umfing, sobald man das Café betrat, lud zum Verweilen ein. Alles war besser als weiter draußen im Regen zu stehen. Angewidert schüttelte ich mich und verteilte dabei unabsichtlich ein paar Tropfen auf Kakashis Mantel, der mir nur einen mahnenden Blick zuwarf.

 

Wir suchten uns einen kleinen Tisch in der Ecke, wo man uns unmöglich belauschen konnte, und bestellten uns dann jeweils ein kleines Frühstück bestehend aus einem Heißgetränk, drei Brötchen und verschiedenen Aufstrichen. Kakashi trank wie immer Pfefferminztee, während ich mir einen Kaffee bestellt hatte. Irgendwie musste ich ja noch wach werden. Die Uhrzeit gepaart mit der deprimierenden Schwärze des Himmels trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich sonderlich fit fühlte.

 

„Du solltest dieses Zeug nicht immer trinken“, Kakashi nickte in Richtung meiner Kaffeetasse. „Es tut dir nicht gut.“

 

Abwehrend zuckte ich mit den Schultern. Es war nicht das erste Mal, dass er mich ermahnte, aber das ging bei mir schon immer zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Manchmal übertrieb er es ein wenig mit seiner Fürsorge und der damit verbundenen Paranoia. Abgesehen davon half mir der Kaffee, die Kopfschmerzen im Rahmen zu halten und das allein war mir jedes Risiko und jede Nebenwirkung wert.

 

„Ich bin keiner von euch“, erinnerte ich ihn.

 

Seufzend begann er damit sein Brötchen aufzuschneiden.

 

„Das spielt keine Rolle, Naruto. Du solltest lieber Tee trinken.“

 

Angewidert verzog ich das Gesicht. Ich mochte keinen Tee und schon gar keinen Pfefferminztee, so wie er ihn immer trank. Der schmeckte nach Grünzeug, nach Kräutern und irgendwie auch nach Medizin. Kurz gesagt, einfach widerlich. Niemals würde ich dieses Zeug anrühren, egal wie oft Kakashi mir predigte, dass es viel gesünder war.

 

„Kein Tee“, wehrte ich entschieden ab. „Sag mir lieber, für wen die Akademie sich entschieden hat.“

 

Nachdem er sich mehrmals vergewissert hatte, dass niemand zusah, schob Kakashi seine Gesichtsmaske ein Stück nach unten und bis herzhaft von seinem Käsebrötchen ab. Es war immer wieder aufs Neue befremdlich, sein komplettes Gesicht sehen zu können. Irgendwie fühlte es sich nicht richtig an und doch konnte ich nicht anders als zu starren.

 

„Sie werden eine zusätzliche Person schicken“, erklärte er zwischen zwei Bissen. „Es soll möglichst unauffällig bleiben, denn noch gehen wir davon aus, dass sie dich nicht gefunden haben. Zwei Wächter reichen fürs erste.“

 

Ich nickte, um zu signalisieren, dass ich verstanden hatte.

 

„Du solltest trotzdem so bald wie möglich dein Urlaubssemester beantragen, Naruto“, fuhr er mit wichtiger Miene fort. „Die Wächter werden morgen im Laufe des Tages ankommen und dann bleibt ihr noch so lange wie möglich hier. Allerdings kann man nie ausschließen, dass irgendwelche unvorhergesehenen Ereignisse eintreten und dann müssen wir flexibel sein.“

 

Überrascht sah ich ihn an. Den zweiten Teil hatte ich gar nicht mehr richtig mitbekommen, weil ich viel zu sehr von dem abgelenkt wurde, was er am Anfang gesagt hatte.

 

„Die Wächter kommen hier her?“

 

Diesmal war es Kakashi, der nickte.

 

„Solange du noch hier bist, werden sie auf dich aufpassen“, bestätigte er.

 

Gerade wollte ich von meinem Salamibrötchen abbeißen, doch stattdessen verzog ich nur unzufrieden das Gesicht.

 

„Wie Kindermädchen?“

 

Genau so hörte es sich nämlich für mich an. Dabei war ich bei weitem kein Kind mehr. Ich war mittlerweile neunzehn, fast zwanzig Jahre alt und ich hatte absolut keine Lust mich von zwei völlig fremden Menschen auf Schritt und Tritt begleiten zu lassen. Mir reichte schon Kakashis teilweise übertriebene Fürsorge, da brauchte ich nicht noch zusätzliche Glucken um mich herum.

 

„Wie Wächter“, korrigierte mich Kakashi. „Das ist ihr Job, Naruto.“

 

Grummelnd nahm ich einen Schluck Kaffee und erntete dafür prompt einen missbilligenden Blick. Wächter hin oder her. Es passte mir nicht, wenn jemand versuchte mir Vorschriften zu machen, das löste dann erst recht genau dieses Verhalten bei mir aus. 

 

„Und wer sind jetzt diese beiden?“, fragte ich eher widerwillig.

 

Wieder sah Kakashi sich misstrauisch in dem kleinen Café um. Abgesehen von unserem waren nur noch zwei weitere Tische besetzt. An einem saß eine Gruppe junger Menschen, die so aussahen, als hätten sie die komplette letzte Nacht durchgefeiert, an dem anderen ein älterer Herr, der sich hinter einer Tageszeitung versteckt hatte und nur ab und zu einen Schluck aus seiner Tasse nahm. Vorhin hatte ich gesehen, wie er Whiskey aus einem kleinen silbernen Flachmann hineingekippt hatte. Alles in allem nicht gerade die Art von Menschen, die uns gefährlich werden konnten, aber Kakashi war der Meinung, dass man nie vorsichtig genug sein konnte.

 

„Du wirst sie bald kennenlernen“, versprach er. „Mehr kann ich dir dazu noch nicht sagen – das wäre zu gefährlich. Man sollte dich und deinen Wächter auf keinen Fall jetzt schon in Verbindung bringen. Die Identität der beiden muss also vorerst geheim bleiben.“

 

Es wollte mir zwar nicht wirklich einleuchten, warum er selbst mir die Namen der beiden nicht verraten wollte, aber auch das schob ich mal wieder auf seine paranoide Art. Wahrscheinlich dachte er wirklich, dass uns der Alkoholiker da drüben am anderen Tisch möglicherweise belauschen könnte. Früher war Kakashi um einiges unbeschwerter gewesen, positiver, aber mit Sicherheit auch naiver.

 

Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie oft wir den Ort gewechselt hatten. Wie oft er für mich eine neue Wohnung, einen neuen Kindergarten, eine neue Schule, eine neue Universität gesucht hatte. Seitdem hatten immer mehr Sorgenfalten tiefe Spuren auf seiner Stirn hinterlassen und seine Züge waren von Jahr zu Jahr härter geworden. Aber mir ging es nicht anders.

 

Als Kind konnte man so etwas leichter verkraften, man vergaß viel schneller die Menschen, die man kennengelernt hatte und freute sich stattdessen über das aufregende Neue. Doch irgendwann fällt einem das nicht mehr so leicht. Irgendwann beginnt man zu vermissen. Und irgendwann gibt man es schließlich auf, immer wieder Fuß fassen zu wollen. Stattdessen beginnt man damit, sich mit der Einsamkeit anzufreunden und gibt sich mit oberflächlichen Kontakten zufrieden, aus Angst die Menschen, die einem wichtig geworden sind, wieder verlassen zu müssen.

 

„Naruto?“

 

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und stellte fest, dass Kakashi mich besorgt ansah. Schnell setzte ich wieder mein übliches Grinsen auf und verschränkte meine Arme hinter dem Kopf.

 

„Man, diese Geheimniskrämerei ist ja schön und gut, aber wie soll ich meinen Wächter denn dann erkennen?“, kehrte ich dann abrupt zum Thema zurück.

 

Diesmal war es Kakashi, der mich verblüfft ansah. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mir darüber Gedanken machen würde. Einen Moment lang überlegte er, dann legte sich ein geheimnisvolles Lächeln auf seine Züge.

 

„Du wirst regelrecht erstarren, wenn du ihn zum ersten Mal siehst.“

 

In einem Zug trank er den Rest seines Tees aus und stellte die leere Tasse zurück auf den Tisch.  Dann zog er sich die Gesichtsmaske wieder bis über die Nase. Die beiden letzten Brötchen hatte er nicht angerührt, doch ich wusste, dass er jetzt aufbrechen würde. So war Kakashi. Er kam, wann er wollte und er ging, wann er wollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir uns jetzt für eine längere Zeit nicht mehr sehen würden und wollte ihm noch irgendetwas zum Abschied sagen, aber stattdessen sah ich ihm nur dabei zu, wie er seinen Mantel von der Stuhllehne nahm und in die immer noch leicht nassen Ärmel schlüpfte.

 

„Mach’s gut, Naruto.“

 

-2-

 

„Wie kann ich Ihnen helfen?“

 

Die Frau beugte sich ein wenig auf ihrem Drehstuhl nach vorne und beäugte mich misstrauisch, als erwarte sie, dass ich nur hergekommen war um ihre Zeit zu stehlen. Das Plastik ächzte leise unter ihrem Gewicht, als sie sich bewegte. Vor ihr auf dem Schreibtisch lagen haufenweise Formulare und Blätter, die über und über mit Post-Its voller Notizen beklebt waren. Unter den Papieren spitzte eine Art Kalender hervor, der jedoch nicht oft gebraucht zu werden schien. Vermutlich saß die Frau den lieben langen Tag in ihrem Büro und wartete auf Studenten wie mich, die irgendein Anliegen hatten.

 

„Ich würde gerne ein Urlaubssemester beantragen und brauche das Formular.“

 

Ich lächelte sie freundlich an, doch ihre Miene blieb skeptisch.

 

„Studiengang?“, fragte sie knirschend und musterte mich abschätzig, als würde sie bereits vermuten, was meine Antwort auf ihre Frage sein würde.

 

„Soziale Arbeit“, antwortete ich knapp.

 

Sie drehte sich auf ihrem Schreibtischstuhl um und begann in ein paar Fächern zu kramen. Wieder ächzte der Stuhl leise. Es war mir schleierhaft, wie man bei dieser Unordnung irgendetwas wiederfinden sollte, doch scheinbar hatte ihr Chaos System. Nur wenige Sekunden später hielt sie mir bereits das Formular unter die Nase.

 

„Sie wissen aber, dass Sie die Unterschrift des zuständigen Professors brauchen?“

 

Ich nickte.

 

„Ja, kein Problem, das hab ich schon geregelt. Kann ich das Formular dann wieder hier bei Ihnen abgeben oder muss ich woanders hin?“, erkundigte ich mich.

 

Allmählich wirkte sie ein wenig genervt, als würde ich sie permanent mit überflüssigen Fragen bombardieren. Dabei hatte ich sie bisher noch nicht einmal fünf Minuten ihrer kostbaren Zeit gekostet. Ihre genervte Art machte mich ebenfalls wütend. Meine Laune war heute sowieso nicht gerade die Beste, was nicht zuletzt an dem Formular selbst lag. Es war mal wieder soweit – ich musste ein Leben verlassen, dass ich mir mühsam aufgebaut hatte und der einzige Lichtblick war das Formular, das es mir eventuell ermöglichen würde, irgendwann wieder zurückzukehren und wieder dort anzusetzen, wo ich aufgehört hatte. Aufhören musste. Ein Urlaubssemester war kein Studienabbruch.

 

„Sie können das Formular auch mit der Post schicken“, die Frau funkelte mich entnervt an.

 

Vermutlich würde ich genau das auch machen. Ich hatte absolut keine Lust hier noch einmal persönlich vorbei zu kommen. Noch dazu befand sich das Büro am hintersten Ende des Campus, wo man noch nicht einmal mit dem Bus hingelangte. An sich hatte ich nichts gegen ein bisschen Laufen, aber wenn man dann auch noch so unfreundlich behandelt wurde, konnte ich gerne darauf verzichten.

 

„Vielen Dank“, erwiderte ich dennoch bemüht freundlich. „Schönen Tag noch.“

 

Ich ging aus dem Büro und schloss die Tür hinter mir. Das Formular hielt ich fest umklammert. Wenigstens hatte ich es jetzt. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich den Aufzug nehmen sollte, steuerte dann jedoch auf die Treppe zu. Am oberen Ende standen zwei Personen – ein schwarzhaariger junger Mann und eine Frau – die offenbar in eine angeregte Diskussion vertieft waren. Doch als ich mich ihnen näherte, verstummten die beiden. Ich spürte wie sich mich mit ihren Blicken taxierten und genau musterten.

 

Es war mir unangenehm und ich wollte ein wenig schneller gehen, um der Situation möglichst bald zu entkommen, doch irgendetwas bremste mich aus. Meine Schritte waren mit einem Mal so schwerfällig, als würde mich irgendetwas Unsichtbares festhalten und meine Füße umklammern. Erschrocken blieb ich stehen.  Der Junge hatte sich an die Wand neben dem Geländer gelehnt, den einen Ellenbogen lässig darauf abgestützt und beobachtete mich ganz ungeniert. Das Mädchen stand ein paar Treppenstufen unter ihm und sah ebenfalls in meine Richtung.

 

Es schien als würden sie auf etwas warten. Wahrscheinlich aber wunderten sie sich einfach nur, warum ich plötzlich stehen geblieben war, und ich bildete mir das alles nur ein. Um mir selbst zu beweisen, dass ich Recht hatte, ging ich zögerlich einen Schritt nach vorne und es klappte ohne Probleme. Es musste unheimlich dämlich ausgesehen haben, wie ich mich hier langsam den Gang entlang bewegte, kein Wunder dass die beiden mich so anstarrten. Ich lächelte unsicher, weil mir die Situation mehr als nur peinlich war.

 

„Soziale Arbeit also, hm?“, die Stimme des Jungen klang tief und melodisch.

 

Es bestand kein Zweifel daran, dass er mit mir gesprochen hatte. Sein Blick lag immer noch auf mir und seine dunklen Augen durchbohrten mich, während ein süffisantes Grinsen seine Lippen umspielte. Obwohl er einige Stufen unter mir stand, hatte ich das Gefühl, dass er auf mich herab sah.

 

„Äh… was?“, fragte ich nicht gerade wortgewandt.

 

„Du studierst Soziale Arbeit“, stellte er fest.

 

„Ähm ja. Und?“, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Was wollte der Typ von mir?

 

Ich war mittlerweile stehen geblieben und hielt vorsichtshalber etwas Abstand zu den beiden. Mir war nicht ganz bewusst woran es lag, doch irgendwie kam er mir unheimlich vor und ich traute mich nicht, an ihm vorbeizugehen. Gleichzeitig hatte ich aber ein seltsames Gefühl der Vertrautheit, sodass ich nicht genau wusste, wie ich ihm nun gegenübertreten sollte. Er verunsicherte mich. Und das rosahaarige Mädchen neben ihm hatte bisher noch keinen einzigen Ton gesagt.

 

„Hast du im Abi so versagt, dass du nichts Ordentliches studieren kannst?“

 

Ich knurrte. Anscheinend ging es dem Bastard einfach nur darum, mich zu provozieren. Wahrscheinlich hatte er mitgekriegt, wie ich im Büro das Formular abgeholt hatte und machte sich jetzt einen Spaß daraus, aber das musste ich mir nicht gefallen lassen. Mein Blick huschte einmal über seinen Körper und ich stellte zufrieden fest, dass er etwa genauso groß war wie ich. Zudem war er eher schmaler gebaut, wenn auch recht sportlich, aber das war nichts, was mich irgendwie einschüchtern konnte.

 

„Ist dir langweilig oder so?“, fauchte ich ihn an.

 

Provokativ zog er eine Augenbraue nach oben.

 

„Und wenn es so wäre?“

 

Seine Selbstgefälligkeit machte mich aggressiv. Es war mehr als nur offensichtlich, dass er sich für etwas Besseres hielt, und ich hätte ihm am liebsten das arrogante Grinsen aus dem Gesicht geprügelt. Allerdings würde sich das hier auf dem Flur wahrscheinlich nicht so gut machen und ich wollte unter keinen Umständen Aufmerksamkeit erregen. Nicht jetzt und so kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag.

 

„Dann würde ich sagen, dass du dich verpissen kannst“, zischte ich. „Ich hab keine Lust auf deinen kranken Scheiß.“

 

Ein leises Glucksen verließ seine Kehle und zu sagen, dass es merkwürdig klang, wäre noch untertrieben gewesen.

 

 „Es muss dir nicht peinlich sein, dass du ein armseliger Loser bist.“

 

Mit der rechten Hand strich er über das Treppengeländer und warf mir einen herausfordernden Blick zu. In mir begann es zu brodeln. Was bildete der Typ sich ein? Bisher hatte ich gerade mal fünf Sätze mit ihm gewechselt und er glaubte sich ein Urteil über mich erlauben zu können? Wütend ging ich einen Schritt auf ihn zu. Dem würde ich es zeigen und wenn ich dafür alle Vorsicht über Bord werfen müsste.

 

„Du mieser…“

 

Meine Hand war bereits in Richtung seines Hemdkragens ausgestreckt und ich wollte ihn packen und gegen die Wand drücken, als ich plötzlich erstarrte. Niemand hatte mich berührt und nichts war geschehen. Trotzdem konnte ich mich keinen Millimeter mehr fortbewegen. Ein wenig fühlte es sich an wie vorhin, als ich so ausgebremst worden war, doch nun war das Gefühl viel deutlicher und stärker. Fast so als wäre ich mitten in der Bewegung eingefroren.

 

„Was…?“, stieß ich erschrocken hervor.

 

Ich starre den Jungen ungläubig an. Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Hatte er das etwa getan? Er löste sich geschmeidig von der Wand und kam ebenfalls einen Schritt auf mich zu, sodass wir nun ganz nah beieinander standen. Seine Bewegungen waren ruhig und flüssig und glichen denen einer Katze. Wieder umspielte ein triumphierendes Lächeln seine Lippen.

 

„Sasuke, spinnst du?! Lass ihn sofort los!“, mischte sich nun auch das Mädchen ein.

 

Sie kam die paar Stufen hinaufgerannt, die sie noch von uns trennten und packte den Typen grob am Arm. Jetzt wo ich ihm so nahe war, wurde das Gefühl der Vertrautheit mit einem Mal noch viel stärker und ich kniff angestrengt die Augen zusammen. Wo hatte ich diesen Sasuke schon mal gesehen? Möglicherweise in der Akte mit verdächtigen Personen, die Kakashi in seinem Büro aufbewahrte? Der Name kam mir jedenfalls nicht bekannt vor. Mein Herz begann dennoch schneller zu schlagen und ich hatte das Gefühl, dass er es bemerkte. Hatten sie mich gefunden?

 

Wenn man es sich genauer überlegte, sah er schon ein wenig gefährlich aus. Das Gesicht war schmal und blass, wirkte fast ein bisschen kränklich und die hohen Wangenknochen verliehen ihm zusätzlich eine markante Strenge. Dazu kamen dann noch diese stechenden dunklen Augen, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Seine Kleidung war unauffällig, ganz im Gegensatz zu ihm selbst und erinnerte eher an den typischen Durchschnittsstudenten. Aber gerade das machte ihn in meinen Augen noch viel verdächtiger. Wer garantierte mir, dass er überhaupt an dieser Uni studierte?  

 

Wenn er wirklich einer von ihnen war, hatte ich jetzt ein verdammtes Problem. Mein Blick wanderte ziellos den Gang am Fuß der Treppe auf und ab. Der Flur schien wie ausgestorben und ich fragte mich, wie wahrscheinlich es war, dass innerhalb der nächsten paar Minuten jemand hier vorbeikommen und mir helfen würde. Vermutlich mehr als nur unwahrscheinlich. Auch die schlechtgelaunte Sekretärin würde sich wohl eher nicht in nächster Zeit aus ihrem gemütlichen Drehstuhl bequemen, um mir den Arsch zu retten. Ich musste also selber zusehen, wie ich aus dieser Situation wieder herauskam.

 

„Sasuke“, schimpfte das Mädchen und zog an seinem Arm.

 

Ein letztes Mal sah er mir tief in die Augen, dann wandte er scheinbar desinteressiert den Blick ab.

 

„Vorsicht!“

 

Noch bevor ich begriff was er meinte, verlor ich bereits das Gleichgewicht, da mich mit einem Mal nichts mehr zurückhielt. Fast fühlte es sich so an, als hätte er mir einen kleinen Schubs verpasst, doch zwischen unseren Körpern waren immer noch mehrere Zentimeter Abstand. Er hatte mich zu keinem Zeitpunkt berührt. Ungeschickt ruderte ich mit den Armen und versuchte das Treppengeländer hinter mir zu fassen zu kriegen. Gerade noch so gelang es mir mich abzufangen, um schlimmeres zu verhindern, doch mein Kopf donnerte mit voller Wucht gegen die Wand.

 

„Hast du dir wehgetan?“, fragte das Mädchen sofort besorgt.

 

Benommen rieb ich mir den Hinterkopf. Er pochte schmerzhaft.

 

„Geht schon“, antwortete ich.

 

„Du solltest besser aufpassen“, schmunzelte Sasuke.

 

Ich hatte zwar keine Ahnung, wie er es angestellt hatte, aber ich war mir sicher, dass er nicht ganz unschuldig an meinem Fast-Sturz war. Während ich ihm einen wütenden Blick zuwarf und versuchte herauszufinden, wie er das gemacht hatte, musterte mich das Mädchen noch immer beunruhigt.

 

„Wir wollten dich nicht erschrecken“, beteuerte sie. „Wir kommen von der Akademie. Kakashi hat dir sicher schon von uns erzählt. Ich bin Sakura.“

 

Sie hielt mir ihre Hand entgegen, doch ich starrte sie nur verblüfft an. Von der Akademie? Damit hatte ich nun mal überhaupt nicht gerechnet und vor allem nicht so plötzlich und hier an diesem Ort, wo uns theoretisch jeder sehen konnte. Außerdem waren die beiden unglaublich jung. Ich war automatisch davon ausgegangen, dass die Akademie sich für einen erfahrenen Wächter entscheiden würde, der schon mehrere Missionen ausgeführt hatte. Nicht, dass ich mich mit diesen Auswahlprozessen besonders gut auskannte, aber die Schatten waren ein Gefahrenpotential, das man definitiv nicht unterschätzen sollte.

 

„Ich muss mich für meinen Partner entschuldigen – er ist wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen“, fügte Sakura hinzu, nachdem ich immer noch keine Reaktion gezeigt hatte. „Wir wollten dich in einer ruhigen Minute abpassen und erst mal mit dir reden. Das hat dann wohl nicht so gut geklappt.“

 

Sie schoss zornig funkelnde Blicke in Sasukes Richtung, der sich jedoch gänzlich unbeeindruckt zeigte. Allmählich begann ich die neuen Informationen zu verdauen und das alles ergab auch einen Sinn. Noch einmal musterte ich die beiden ganz genau, um abzuschätzen, ob ich ihnen wirklich trauen konnte. Kakashi hatte mir schließlich beigebracht stets vorsichtig zu sein.

 

Das Mädchen, Sakura, war nicht besonders groß, dafür aber schlank und sportlich gebaut. Das auffälligste an ihr waren ohne Zweifel die etwa schulterlangen rosafarbenen Haare. Im Gegensatz zu Sasuke wirkten ihre Augen viel heller und freundlicher und auch insgesamt waren ihr Auftreten und ihre Erscheinung um einiges sympathischer und angenehmer. Meiner Ansicht nach wirkte sie weitestgehend vertrauenswürdig. War sie meine Wächterin oder hatte man sie mir nur zugeteilt? Ich hoffte ersteres, denn andernfalls würde das bedeuten, dass er mein Wächter war.

 

Mein Blick wanderte zu Sasuke und er erwiderte ihn entschlossen mit seinen tiefdunklen Augen, die einen direkt zu durchbohren schienen. Noch immer fand ich ihn irgendwie unheimlich und suchte nach einer Erklärung für das, was da gerade eben passiert war. Er hatte mich doch eindeutig mit Absicht provoziert und das nur, um mir im Anschluss daran seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Auch wenn ich zugeben musste, dass es irgendwie beeindruckend war, konnte ich den Kerl jetzt schon nicht leiden.

 

„Und du?“, fragte ich schroff. „Wer bist du?“

 

Seinen Namen kannte ich bereits, aber das spielte keine Rolle. Hier ging es darum, dass gewisse Höflichkeitsformen eingehalten werden mussten und nachdem er mich bereits die halbe Treppe hinuntergeworfen hatte, fand ich es nur angemessen, dass er sich nun auch vorstellte.

 

„Mein Name ist Sasuke Uchiha. Ich bin dein Wächter.“

 

Verdammt, also war wirklich er derjenige, mit dem ich von Geburt an verbunden war und Sakura nur die Unterstützung. Augenblicklich musste ich wieder an Kakashis Worte denken. Du wirst regelrecht erstarren, wenn du ihn zum ersten Mal siehst. Er hatte es also nicht nur im übertragenden, sondern im tatsächlichen Sinne so gemeint. Es war seine Fähigkeit. Na, das konnte ja noch heiter werden.

 

„Naruto“, antwortete ich knapp und reichte ihm ein wenig widerwillig die Hand.

 

„Ich weiß.“

 

Einen Moment lang hatte ich Angst, dass er mich direkt wieder einfrieren würde, doch er schmunzelte nur und erwiderte meinen Griff. Sofort überlief mich ein kribbelnder Schauer, der sich anfühlte wie ein leichter Stromstoß und ich musste dem Drang widerstehen, meine Hand wieder wegzuziehen. Was zum Teufel war das?

 

-3-

 

Die hölzernen Planken des Bodens waren komplett versengt. Überall waren dunkle Brandflecken, die die Umgebung zierten wie ein makabres Mosaik und die gelbe Tapete war über und über bedeckt mit Ruß, sodass man ihre Farbe nur noch erahnen konnte. Ein widerlich süßlicher Geruch, den ich nicht wirklich zuordnen konnte, lag in der Luft und verursachte ein beißendes Stechen in meiner Nase. Von meiner Position aus konnte ich nur einen Teil des Raumes einsehen, doch im Nachhinein wäre es mir sogar lieber gewesen, ich hätte gar nichts gesehen.

 

Die dunkelroten Vorhänge des Himmelbetts konnten nur einen Teil der Grausamkeit verbergen, die sich hinter ihnen versteckte. Schwarze Löcher waren in den Stoff gebrannt worden und gaben der Blick frei auf die Frau, die zwischen den Kissen und Decken lag. Friedlich und mit einem Lächeln auf den Lippen, so als würde sie lediglich schlafen, doch ich wusste, dass dem nicht so war. Sie war tot.

 

Genau wie die unzähligen anderen Menschen, die überall im Raum verteilt auf dem Boden lagen, erstarrt in ihren Bewegungen und teilweise bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Ihr Geruch drang in meine Nase und kitzelte unangenehm in meiner Kehle. Ich spürte, wie mir schlecht wurde und zwang mich den Blick abzuwenden. Schon viel zu oft hatte ich diese Szene sehen müssen und jedes Mal war es noch schlimmer als beim letzten Mal.

 

Bald schon tauchte ein Gesicht über mir auf. Es wirkte unnatürlich groß und auch wenn ich die Augen fest zusammenkniff, konnte ich es nur verschwommen wahrnehmen, so als würde mir irgendetwas die Sicht versperren. Große feste Hände griffen nach mir und hoben mich aus dem kleinen Gitterbett. Ich wehrte mich nicht dagegen und ließ mich von der Person aus dem Raum tragen. Weg von all den Leichen. Weg von dieser Grausamkeit. Weg von meiner toten Mutter.

 

Ein lautes Klopfen ertönte und ich fuhr erschrocken aus dem Schlaf hoch. Es dauerte einen Moment, bis ich die Orientierung wiedergefunden hatte und realisierte, dass ich in meinem Bett lag. Schweiß stand auf meiner Stirn und noch immer spürte ich die unterdrückte Übelkeit, die der Anblick der Leichen bei mir ausgelöst hatte. Wie immer war mein Traum unglaublich real gewesen und egal, was ich tat, die Bilder kamen wieder. Jedes Mal wachte ich mit diesem seltsam beklemmenden Gefühl auf, als wäre das alles mehr als nur die ausgekochte Fantasie meines Unterbewusstseins, und jedes Mal fühlte es sich so an, als ob mein Kopf jeden Moment explodieren würde.

 

Das Geräusch wiederholte sich. Diesmal deutlich lauter und ungeduldiger.  Vollkommen gerädert schlug ich die Decke zurück und tapste in Boxershorts nach draußen auf den Flur. Ich hatte meine Hand bereits auf dem Türgriff, als ich mich schließlich doch noch mal besann. Sakura hatte mich bereits mehrmals regelrecht zusammengefaltet, weil ich jedem einfach so die Tür öffnete, und gewissermaßen hatte sie Recht, wenn sie mich darum bat, vorsichtiger zu sein.

 

„Wer ist da?“, fragte ich und legte gleichzeitig mein Ohr gegen das Holz.

 

Einen Spion hatte ich blöderweise nicht. Der hätte mir die Fragerei ersparen können.

 

„Ich bin’s, mach auf.“

 

Ich drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür einen Spalt weit, sodass Sasuke eintreten konnte. Wie eine Katze schlüpfte er hindurch. Vermutlich war er mal wieder ungeduldig geworden und hatte beschlossen mir Dampf zu machen. Geduld gehörte nicht gerade zu seinen Stärken und dementsprechend widerstrebte es ihm morgens vor der Wohnung auf mich zu warten. Dennoch bestand er darauf, mich jeden Tag zur Uni zu begleiten. Er konnte richtig anstrengend sein.

 

„Hast du verschlafen?“, wollte er wissen, nachdem er mein morgendliches Outfit mit einem abfälligen Blick bedacht hatte.

Müde fuhr ich mir durch die Haare und zuckte mit den Schultern.

 

„Schätze schon.“

 

Dann ging ich hinüber zur Kaffeemaschine und legte ein neues Pad ein. Die Kopfschmerzen machten mich wahnsinnig und ich brauchte jetzt ganz dringend etwas, um wach zu werden. So wie es aussah, konnte ich mir die Vorlesung sowieso schenken, also hatte ich noch etwas Zeit. Routiniert betätigte ich die Knöpfe und ignorierte dabei die mörderischen Blicke, die Sasuke mir zuwarf.

 

„Du solltest das nicht trinken“, warf er ein.

 

Seit die beiden vor einer Woche aufgetaucht waren, schrieben sie mir in einer Tour vor, was ich zu tun oder lassen hatte und auch, wenn es größtenteils zu meiner eigenen Sicherheit war, riss mir allmählich der Geduldsfaden. Ich hatte keine Lust mir ständig Vorschriften machen zu lassen, was meinen Kaffeekonsum betraf. Schon Kakashi hatte bei dem Thema nie locker gelassen und das obwohl ich ihm immer wieder klar gemacht hatte, dass er nichts an meinen Gewohnheiten ändern würde. Sasukes überheblicher Tonfall war nur noch die Kirsche auf der Sahnetorte.

 

Demonstrativ griff ich nach der Tasse Kaffee, schmiss zwei Würfel Zucker hinein, damit das Zeug überhaupt trinkbar war und wollte mir gerade einen großen Schluck daraus genehmigen, als ich plötzlich wie gegen einen unsichtbaren Widerstand traf. Mitten in der Bewegung hielt ich inne. Meine Hand bewegte sich nicht mehr. Ich starrte Sasuke an.

 

„Lass das!“, fauchte ich.

 

Er trat einen Schritt auf mich zu, sodass er nun ganz dicht vor mir stand. Seine Statur war imposant. Obwohl er gerade mal einen Zentimeter größer war als ich und obwohl er nicht sehr breit gebaut war, strahlte er eine unglaubliche Stärke aus. Seelenruhig griff er nach der Tasse und nahm sie mir aus der Hand. Ich konnte es nicht verhindern.

 

„Hör endlich auf dieses Zeug zu trinken“, befahl er.

 

In einer schnellen Bewegung kippte er den Rest des Kaffees in die Spüle und ich sah wehmütig dabei zu, wie er in einem kleinen Strudel im Abfluss verschwand.

 

„Wenn du wach werden willst, mach Sport oder trink Schwarzen Tee.“

 

Er stellte die Tasse zurück auf die Theke und im selben Moment spürte ich, dass ich meine Hand wieder bewegen konnte. Wütend funkelte ich ihn an.

 

„Es kann dir doch egal sein, ob ich Kaffee trinke oder nicht. Ich mach das schon mein halbes Leben lang und daran wirst auch du nichts ändern.“

 

„Das ist mir nicht entgangen“, antwortete er verächtlich. „Aber auch wenn es dir vielleicht nichts ausmacht – mir schon. Von deinem Kaffee wird mir schlecht.“

 

Verblüfft sah ich ihn an. Das hatte ich nicht gewusst.

 

„Dir wird schlecht, wenn ich Kaffee trinke?“

 

Er nickte und verschränkte dann die Arme vor der Brust. Es schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen, eine Schwäche zugeben zu müssen. Dass Wächter keinen Kaffee vertrugen, wusste ich bereits von Kakashi, aber dass es auch Auswirkungen auf ihn hatte, wenn ich welchen trank, hatte ich nicht geahnt.

 

„Wenn ich Kaffee trinke wird dir also sofort schlecht? Oder nur wenn du mir dabei zusehen musst?“, hakte ich neugierig nach.

 

An seinem verbissenen Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass es ganz eindeutig nicht sein Thema war, aber ich war viel zu neugierig, um es jetzt einfach fallen zu lassen.

 

„Nicht sofort“, antwortete er knirschend. „Die Wirkung kommt zeitverzögert, so wie alle Effekte, die vom Menschen auf den Wächter übertragen werden. Das gibt uns die Chance zu reagieren.“

 

Mein Interesse war sofort geweckt.

 

„Zeitverzögert?“, wiederholte ich.

 

Er nickte nur und schwieg dann wieder. Von dieser Übertragung hatte mir Kakashi bereits erzählt, allerdings hatte ich mir darunter bisher nicht wirklich etwas vorstellen können. Soweit ich wusste, war der Zustand eines Wächters stark von dem des Menschen abhängig, mit dem er verbunden war. Bei Sasuke und mir war das Ganze allerdings nochmal ein Sonderfall. Ich war ein Jinchuriki und dementsprechend wusste ich nicht, inwieweit wir eine normale Wächter-Mensch-Beziehung führten.

 

„Ist das bei allen so?“, fragte ich.

 

„Bei allen“, bestätigte er. „Aber es ist immer unterschiedlich wie lange es dauert, bis die Wirkung auch beim Wächter angekommen ist und es hängt von der Distanz ab. Wie genau das funktioniert, kann ich dir auch nicht erklären.“

 

Für ihn war das Thema damit offensichtlich abgehakt und er begann damit ungeniert in meinen Schränken zu wühlen. Obwohl wir uns gerade mal seit einer Woche kannten, bewegte er sich in meiner Wohnung bereits wie ein langjähriger Freund und manchmal verschlug mir seine Dreistigkeit schlicht und ergreifend die Sprache. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ausgerechnet er mein Wächter sein sollte. Sakura war im Gegensatz zu ihm viel unkomplizierter und auch weitaus sympathischer, man konnte fast behaupten, dass wir uns eigentlich ganz gut verstanden, aber nein, natürlich hatte ich ausgerechnet das unsympathische Arschloch erwischt.

 

„Ich nehme an, wir gehen nicht mehr in die Vorlesung?“, fragte Sasuke.

 

Als er eine Packung Teebeutel mit Apfelgeschmack aus dem Schrank zog, rümpfte er angewidert die Nase. Mittlerweile wusste ich, dass er, was Tee anbelangte, einen sehr erlesenen Geschmack hatte, aber es war mir egal. Immerhin hatte ich ihn nicht eingeladen.

 

„Nein, gehen wir nicht“, bestätigte ich.

 

Noch immer müde und wohlgemerkt ohne meine morgendliche Tasse Kaffee schlurfte ich zurück ins Schlafzimmer. Dort würde ich mir zuerst einmal etwas anziehen. Nicht, dass ich mich vor Sasuke schämte, aber allmählich wurde es doch ein wenig frisch und ich konnte ja schlecht den ganzen Tag in Boxershorts herumlaufen. Wahrscheinlich würde ich trotzdem nicht nach draußen gehen, aus dem einfachen Grund, dass mein Kopf noch immer höllisch wehtat.

 

„Hast du eine Kopfschmerztablette?“, rief ich durch die halb angelehnte Tür.

 

Sasuke würdigte mich nicht einmal einer Antwort, obwohl ich mir sicher war, dass er mich verstanden hatte. Das bedeutete dann wohl nein.

 

„Arschloch“, schnaubte ich.

 

Zurück in der Küche setzte ich mich dann ohne ein weiteres Wort an den Tisch und zog in Ermangelung einer anderen Beschäftigung eines meiner Lehrbücher zu mir her. Vielleicht würde Sasuke ja wieder gehen, wenn er sah, dass ich zu tun hatte. Immerhin wollte er mich ursprünglich nur für die Vorlesung abholen und das hatte sich nun, nachdem ich verschlafen hatte, offensichtlich erledigt. Lustlos blätterte ich die Seiten um und warf immer mal wieder eher alibimäßig einen Blick auf den Text. So richtig blieb von dem, was ich da las, so gut wie gar nichts hängen, aber wenn man es genau nahm, würde ich die Klausuren dieses Semester ja sowieso nicht mitschreiben.

 

„Sozialpsychologie?“, obwohl er eine Frage gestellt hatte, klang Sasukes Stimme eher desinteressiert. „Wieso nicht irgendetwas Sinnvolles? Physik oder so.“

 

Meine Abneigung gegen ihn wuchs mit jeder Minute, die wir miteinander verbrachten mehr und mehr. Konnte er nicht einfach mal die Klappe halten? Normalerweise war er doch auch nicht so gesprächig, aber wenn es darum ging an mir herumzukritisieren, fielen ihm auf einmal tausend Sachen ein, die er loswerden wollte. Die Sache mit dem Kaffee hatte schon gereicht, und jetzt provozierte er mich schon wieder. Denn das und nichts anderes waren seine Aussagen. Pure Provokation.

 

„Was soziales Verhalten betrifft, könntest du auch noch einiges lernen“, zischte ich ungehalten.

 

„So?“, er zog eine Augenbraue nach oben und griff nach dem Buch.

 

Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Küchentheke und begann zu blättern. Eine Zeit lang schien es nichts zu geben, was seine Aufmerksamkeit erregen könnte, doch schließlich blieb sein Blick doch an einer Seite hängen.

 

„Tit-for-Tat-Strategie“, las er laut vor. „Man handelt in der ersten Runde kooperativ und dann, je nachdem wie sich der Gegner verhält, ebenfalls kooperativ oder kompetitiv. Ist das deren Ernst?“

 

Ich zuckte mit den Schultern.

 

„Klingt doch plausibel.“

 

Mir war nicht ganz klar, worauf er hinauswollte, und ehrlich gesagt hatte ich auch keine Lust, mich mit ihm über die Sinnhaftigkeit meiner Studieninhalte zu streiten. Meistens konnte man es ihm sowieso nicht Recht machen und er suchte einfach nur nach einem Grund, um sich über irgendetwas zu beschweren. Eine Diskussion war da komplett überflüssig.

 

„Daran ist absolut nichts plausibel“, widersprach er mir überzeugt, gleichzeitig klang sein Tonfall so, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. „Das funktioniert vielleicht im Spiel, aber in der Realität bist du mit so einer Strategie aufgeschmissen. Wenn du immer das Gleiche machst wie dein Gegner, wirst du absolut durchschaubar. Man kann nur dann gewinnen, wenn der Gegner nicht weiß, was der nächster Schritt sein wird.“

 

Diesmal zog ich eine Augenbraue nach oben und war gleichzeitig stolz darauf, dass ich es konnte. Meiner Meinung nach nahm Sasuke dieses Thema einfach viel zu ernst.

 

„Vielleicht kann ich meinen Gegner ja so zur Kooperation bewegen“, warf ich dennoch ein.

 

Er zischte genervt. Aus irgendeinem Grund wurde er zunehmend aggressiver. Mit viel zu viel Wucht nahm er die Packung Teebeutel aus dem Schrank und ließ die Tür unsanft wieder zufallen. Offensichtlich hatte er sich doch dazu entschieden, mit dem minderwertigen Tee vorlieb zu nehmen.

 

„Schwachsinn“, schimpfte er dann. „Hast du schon mal was von Proteus gehört? Der Typ hat seine Feldzüge ausgewürfelt und hat sie dadurch komplett dem Zufall überlassen. Seine Feinde hatten keine Ahnung, was er als nächstes machen würde und auf diese Weise hat er sie besiegt. Das nenne ich eine Strategie. Aber sowas bringt man euch in eurem tollen Studium anscheinend nicht bei.“

 

Ich stand auf und riss ihm unsanft das Buch aus der Hand. Für heute hatte ich definitiv genug blöde Kommentare von seiner Seite gehört. Als sich unsere Hände berührten, spürte ich erneut einen unangenehmen Stromschlag und hätte es beinahe fallen gelassen. Erschrocken sah ich ihn an und zum ersten Mal wich er meinem Blick aus. Er hatte es also auch gespürt.

 

„Du hältst also Auswürfeln für eine gute Strategie?“, griff ich doch nochmal das Thema auf, um die seltsame Situation zu überspielen.

 

Ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht. Langsam kam er einen Schritt näher auf mich zu und blieb dann ganz dicht vor mir stehen. Ich hatte das Gefühl, dass ich seine Präsenz mit jeder Faser meines Körpers spüren konnte und obwohl es ganz eindeutig etwas Bedrohliches hatte, war da gleichzeitig ein seltsames Kribbeln.

 

„Hast du dir schon mal angeschaut, wie ein Hase vor dem Fuchs davon läuft, Naruto?“, seine Stimme klang dunkel und irgendwie angsteinflößend. „Warum wohl rennt er im Zickzack und nimmt nicht einfach den kürzesten Weg zur Flucht?“

 

Seine dunklen Augen bohrten sich tief in meine und hielten mich gefangen. Gerade hatte ich das Gefühl, dass ich der Hase war und er der Fuchs, mit dem Unterschied, dass man vor ihm nicht wirklich fliehen konnte. Nicht mit seiner Fähigkeit. Nicht, wenn er wusste, wo man versuchte, sich zu verstecken. Mein Herz schlug schneller und ich schluckte das seltsame Gefühl herunter, dass seine Nähe bei mir auslöste. Die Antwort lag auf der Hand.

 

„Weil der kürzeste Weg voraussehbar wäre.“

 

-4-

 

Es regnete mal wieder und das nun schon seit Stunden. Sakura und ich hatten in der Bibliothek gewartet in der Hoffnung, dass es bald wieder aufhören würde, doch stattdessen war es nur noch schlimmer geworden. Selbst für Anfang Oktober war es mittlerweile bitterkalt und keiner von uns hatte besonders große Lust gehabt nach draußen zu gehen. Trotzdem wurde es allmählich immer später und meine Kopfschmerzen immer schlimmer. In letzter Zeit kamen sie leider häufiger und die stickige Luft in der Bibliothek trug nicht gerade dazu bei, dass es besser wurde. Also hatte ich schließlich seufzend meine Sachen gepackt und wir hatten uns auf den Rückweg gemacht.

 

Um zur Bushaltestelle zu gelangen, mussten wir zuerst durch den Park. Im Sommer war es hier richtig schön, aber jetzt im Moment sahen die Beete eher karg und trist aus. Die Wege waren mit braunem, matschigem Laub bedeckt und es wunderte mich nicht, dass außer uns niemand hier war. Einzig und allein die Straßenlaternen spendeten ein bisschen Licht und hüllten den Pfad in einen schummrigen Glanz, während die Bäume ihre langen Schatten über uns warfen. Zumindest wurden wir so auch ein wenig vor dem Regen geschützt. Außer unseren Schritten auf dem nassen Boden waren keine Geräusche zu hören und ich beschloss, dass es an der Zeit war, die Stille zu durchbrechen.

 

„Er ist ein bisschen gruselig, oder? Sasuke, meine ich.“

 

Es kam selten vor, dass ich mit Sakura alleine unterwegs war und ich hatte beschlossen, dass ich die Chance nutzen würde, um ein bisschen mehr über Sasuke herauszufinden. Meiner Meinung nach war das nur fair, denn immerhin wusste er so gut wie alles über mich und mein bisheriges Leben. Wo ich gewohnt hatte, wie lange ich dort gewohnt hatte, wo ich zur Schule gegangen war und mit wem ich befreundet gewesen war. Wohingegen ich nahezu nichts über ihn wusste, abgesehen davon, dass er wie Sakura die Akademie besucht hatte.

 

Wächter, die mit besonders wichtigen Menschen verbunden waren, bekamen dort eine Spezialausbildung, genauso wie Wächter deren Verbindung zu ihren Menschen aus irgendeinem Grund getrennt worden war. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie genau so eine Ausbildung aussah oder wie lange sie dauerte. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass es wie in einer normalen Schule ablief – insbesondere weil jeder Wächter seine eigenen ganz besonderen Fähigkeiten hatte. Sasukes Fähigkeit hatte ich bereits kennengelernt. Sakura hatte mir erzählt, dass sie verschiedene Arten von Schutzbarrieren erschaffen konnte und man sie deswegen für die Mission ausgewählt hatte. Unterschiedlicher konnten ihre Kräfte nicht sein und wahrscheinlich bekamen sie deswegen auch so etwas wie Privatunterricht.

 

„Ja, manchmal kann er einem ein bisschen Angst machen“, Sakura lachte befreit und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

 

Mit ihr unterwegs zu sein war so wunderbar unkompliziert und ab und zu gelang es mir sogar zu vergessen, dass sie eigentlich mein Kindermädchen war.

 

„Warum ist er so?“, hakte ich neugierig nach.

 

Sakura seufzte und verlangsamte unbewusst ein wenig ihren Schritt. Scheinbar musste sie nachdenken, bevor sie mir antworten konnte.

 

„Weißt du, ehrlich gesagt denke ich, dass er ein bisschen neidisch auf dich ist“, begann sie dann. „Für ihn war immer klar, dass er auf die Akademie gehen würde. Ein Studium oder sowas kam nicht in Frage, auch wenn es notentechnisch locker drin gewesen wäre, aber im Gegensatz zu dir wurde ihm nie die Wahl gelassen. Dabei habt ihr ja eine sehr ähnliche Ausgangslage.“

 

Ich musste zugeben, dass das ihre Vermutung plausibel klang und möglicherweise einiges von seinem Verhalten erklären konnte, jedoch bei weitem nicht alles. Je mehr ich darüber nachdachte, desto undurchschaubarer erschien er mir. Beispielsweise konnte ich nicht nachvollziehen, warum er mich ständig provozierte wo er nur konnte, wenn er doch genau wusste, dass sich mein Gemütszustand auch auf ihn auswirken würde. Das ergab absolut keinen Sinn. Ein stechender Schmerz fuhr in meinen Kopf und ich blieb unwillkürlich stehen und fasste mir an die Schläfen.

 

 „Naruto, alles in Ordnung bei dir?“, fragte Sakura besorgt.

 

„Geht schon. Nur ein bisschen Kopfschmerzen“, beruhigte ich sie.

 

An sich war ich Kopfschmerzen ja bereits gewohnt, denn sie hatten mich mein Leben lang begleitet. Trotzdem waren diese hier besonders hartnäckig und unangenehm. Zurück in der Wohnung würde ich mich erstmal eine Runde hinlegen und ausruhen. Es pochte wie verrückt hinter meinen Schläfen und sogar das Knirschen des Kieses unter unseren Füßen schien im Moment zu laut zu sein. Jedes Geräusch dröhnte in meinem Kopf wie ein Presslufthammer.

 

„Naruto, bist du sicher, dass es geht?“, erkundigte sich Sakura noch einmal.

 

Es war rührend, wie sie sich um mich sorgte, doch es gab wirklich keinen Grund dazu.

 

„Alles gut“, versicherte ich ihr.

 

Wir gingen weiter und ich versuchte mich auf etwas anderes als den Schmerz zu konzentrieren. Meistens kam er in Wellen, die mal stärker und mal weniger stark ausfielen. Jetzt im Moment ging es tatsächlich ein wenig besser. Ein sanfter Wind wehte über die Wiesen und ließ das Gras tanzen und mich schauern. Warum war es plötzlich so kalt geworden? Ich schlang die Arme um meinen Körper und Sakura tat es mir gleich.

 

Der Weg vor uns teilte sich auf und führte in zwei Richtungen. Manchmal kam mir der Park vor wie ein einziges Labyrinth und am Anfang hatte ich mich auch überhaupt nicht zurechtgefunden. Insbesondere nicht so spät am Abend, wenn es bereits dunkel war. Allerdings war es nun mal der kürzeste Weg zur Bushaltestelle und ich hatte keine Lust länger als notwendig durch den Regen zu laufen. Schweigend gingen wir weiter, bis sich Sakuras Körper plötzlich von einer Sekunde auf die andere anspannte.

 

Es war nur eine kleine Veränderung, die mir jedoch sofort aufgefallen war, und ich spürte, wie sich zunehmend Unruhe in mir breit machte. Immer wieder warf sie prüfend einen Blick über die Schulter und gerade als ich mich auch umdrehen und nachsehen wollte, wer oder was da hinter uns war, packte sie ungeduldig meinen Arm und drängte mich schneller zu gehen. Sie war in höchster Alarmbereitschaft. Irgendetwas musste tatsächlich ihre Aufmerksamkeit erregt haben und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es sich um nichts Gutes handeln konnte.

 

 „Ich glaub, wir sind nicht mehr allein“, zischte sie im Laufen.

 

Jeder Muskel ihres Körpers war angespannt ihre Augen sprangen unruhig hin und her. Ich glaubte so etwas wie Angst in ihnen erkennen zu können und spürte, wie mir mit einem Mal selbst die Knie weich wurden. Das bedeutete nichts Gutes, auf gar keinen Fall. Ein Geräusch ließ uns beide herumwirbeln, es kam von der Weggabelung, die wir zuvor passiert hatten. Irgendjemand oder irgendetwas war da hinter uns.

 

„Rühr dich nicht vom Fleck“, befahl Sakura. „Ich sehe nach, was das ist. Wir sollten auf keinen Fall voreilig handeln, aber vorsichtshalber werde ich ein Schutzschild um dich aufbauen. Es ist wichtig, dass du dich keinen Zentimeter bewegst, hast du verstanden?“

 

Das Freundliche aus ihrem Gesicht war mit einem Mal vollkommen verschwunden und stattdessen einer ernsten Miene gewichen, die im fahlen Licht der Straßenlaternen irgendwie verzerrt wirkte. Mein Herz pochte so laut, dass ich glaubte den Boden unter mir vibrieren zu spüren. Sakura hätte mir gar nicht befehlen müssen mich nicht zu bewegen, denn ich wäre sowieso nicht dazu in der Lage gewesen. Ich fühlte mich wie festgefroren und ich beobachtete ängstlich, wie sie sich Schritt für Schritt von mir entfernte und zurück in die Richtung ging, aus der wir gekommen waren.

 

Sie hatte ihre Angst im Griff, war vermutlich auf solche Situationen trainiert worden, doch mir wurde in diesem Moment zum ersten Mal bewusst, wie ernst die ganze Sache wirklich war. Man hatte die beiden nicht umsonst so gut ausgebildet, denn es gab da jemanden, der es auf mich abgesehen hatte. Um genau zu sein handelte es sich um eine ganze Gruppe und die waren mindestens genauso gut ausgebildet – die Schatten.

 

Sakura hatte nun die Stelle erreicht, wo sich der Weg aufteilte und blieb unschlüssig stehen. Scheinbar wusste sie nicht, in welche Richtung sie weitergehen sollte. Wir hatten nicht genau ausmachen können, woher das Geräusch gekommen war. Sie drehte sich zu mir um und sah mir fest in die Augen, als wolle sie mich nochmal daran erinnern, dass ich ihr versprochen hatte, mich nicht zu bewegen. Dann entschied sie sich für den linken Weg. Sie hätte es gemerkt, wenn uns vorher jemand gefolgt wäre und die Verfolger mussten auf der anderen Seite gewartet haben.

 

„Guten Abend, Naruto.“

 

Ich hatte nicht bemerkt, dass er neben mir stand. Instinktiv wollte ich mich wegdrehen und davonlaufen, doch ich war noch immer wie festgefroren. Es war ein anderes Gefühl als wenn Sasuke mich mit seinen Fähigkeiten festhielt. Es fühlte sich an als würde ein Eisstrahl meinen Körper durchbohren und sowohl Lunge als auch Herz fest umschlungen halten. Ich konnte nicht atmen und mein Herz trommelte wie wild. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich den Mann an.

 

Er war komplett dunkel gekleidet und auch sein Haar war dunkel. In der Hand hielt er eine Art Metallstab, der in etwa eine Länge von zwanzig Zentimetern hatte und vorne spitz zulief. Eine Waffe? Was hatte er damit vor? Mir wurde schlecht bei dem Gedanken daran, dass er damit auf mich losgehen würde. Es bestand kein Zweifel daran, dass er ein Schatten war. Noch bevor ich reagieren konnte, machte er einen Schritt auf mich zu und ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Kopf. Unwillkürlich schrie ich auf. Der Schmerz war schier unerträglich. So unerträglich, dass ich mit einem Mal damit abfinden konnte, dass das hier das Ende sein sollte. Ich schloss meine Augen und wartete darauf, dass er mich angreifen würde.

 

„Naruto, bleib wo du bist! Beweg dich nicht!“

 

Das war eindeutig Sakuras Stimme, die von weit her zu kommen schien. Vorsichtig öffnete ich die Augen und musste sie sofort wieder schließen. Alles um mich herum hatte begonnen zu flimmern. Es fühlt sich an, wie wenn man zu lange in eine besonders helle Lichtquelle gesehen hatte, nur dass es mein gesamtes Sichtfeld betraf und noch dazu flackerte wie tausend helle Lichtpunkte. Ein stechender Schmerz durchzuckte immer wieder meinen Kopf. In dem kurzen Moment in dem ich die Augen geöffnet hatte, hatte ich gesehen, dass der Mann nicht an mich herangekommen war. Irgendwo war er wohl auf die unsichtbare Barriere gestoßen, die Sakura um mich herum aufgebaut hatte. Sie hatte mir von ihren speziellen Fähigkeiten erzählt, doch nun erlebte ich sie zum ersten Mal in Aktion.

 

„Eine Barriere. Klug von dir“, raunte der Mann neben mir. Seine Stimme jagte mir eisige Schauer über den Rücken. „Aber es wird dir nichts nützen.“

 

Mein Körper bebte vor Angst. Was meinte er damit? Im Moment kam er nicht an mich ran, aber scheinbar schien ihn das absolut nicht zu stören. Seine Stimme hatte so siegessicher geklungen, dass ich nicht daran zweifelte, dass er sein Ziel schon bald erreichen würde – mich.

 

„Keine Chance“, widersprach Sakura. „Meine Barriere ist perfekt, niemand kommt da durch. Ich wurde nicht umsonst von der Akademie ausgewählt, Naruto zu schützen.“

 

Zu meiner Überraschung begann der Mann neben mir leise zu lachen.

 

„Bist du dir da sicher?“

 

Ich spürte einen leichten Windhauch eine sanfte Berührung an meinem Unterarm und zwang mich meine Augen erneut zu öffnen. Er hatte mit der Handfläche gegen die Barriere gestoßen und sie hatte den leichten Windstoß verursacht. Dennoch hatte sie gehalten und er war keinen Zentimeter näher an mich herangekommen. Ich sah zu Sakura hinüber. Obwohl ich nahezu nichts erkennen konnte, war mir sofort klar, dass auch sie nicht mehr alleine war. Um sie herum standen vier dunkel gekleidete Gestalten, die sie von allen Seiten her umzingelt hatten.

 

Der Mann neben mir hatte bemerkt, dass ich meine Augen geöffnet hatte, und wandte sich nun mir zu.

 

„Naruto, ich muss schon sagen, deine Mutter ist damals aber besser geschützt worden“, zischte er gehässig. „Hat ihr aber auch nichts genützt.“

 

Er grinste bösartig. Meine Mutter? War er etwa derjenige gewesen, der sie getötet hatte? Die besten Wächter hatten damals nicht verhindern können, dass man sie erwischt hatte. Wie sollte ich da die geringste Chance haben zu entkommen?

 

„Warst du es?“, keuchte ich erschrocken.

 

Er lachte laut.

 

„Ich wäre es gerne gewesen. Und glaub mir, ich hätte dich damals auf keinen Fall entkommen lassen“, sein Gesicht verzog sich zu einer bösartigen Fratze. „Und jetzt genug Zeit verschwendet. Holt euch das Chakra von dem Mädchen, dann kann sie auch ihre Barriere nicht mehr länger aufrechthalten.“

 

Die Männer um Sakura hatten scheinbar auf dieses Kommando gewartet und machten alle gleichzeitig einen Schritt auf sie zu. Sie saß in der Falle. Was sollte ich tun? Irgendwie musste ich ihr da raushelfen. Diese Kerle sahen ganz und gar nicht zimperlich aus.

 

„Was ist wenn sie auch eine Barriere hat?“, rief einer der Männer.

 

„Keine Sorge“, entgegnete der Mann neben mir. „Zufällig weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass sie nur eine Barriere auf einmal schaffen kann. Sie ist zu weit entfernt von dem Jinchuriki, um das Schutzschild auf beide auszudehnen.“

 

Ungläubig schnappte ich nach Luft. Die Männer kamen von allen Seiten immer näher auf Sakura zu und wenn ihr Anführer Recht hatte, konnte sie nur eine Barriere gleichzeitig aufrechterhalten. Das bedeutete, dass sie momentan nicht in der Lage dazu war, sich selbst zu schützen, wenn sie den Anführer weiterhin von mir fern halten wollte. Aber woher konnte er so genau über ihre Fähigkeiten Bescheid wissen und  woher wusste er, dass es ausgerechnet sie war, die man ausgewählt hatte um mich zu schützen? Ganz egal, woher er dieses Wissen nahm, wenn ich nicht sofort handelte, würde es zu spät sein.

 

„Ha!“, rief einer der Männer bei Sakura. „Halt sie fest, ich komm sonst nicht an sie ran.“

 

Sie hatten den Kreis immer enger gezogen und zwei von ihnen hatten sie an den Armen gepackt, sodass sie sich kaum noch bewegen konnte. Mit ihren Beinen schlug und trat sie nach den Männern, die direkt vor ihr standen, doch die wichen ihr geschickt aus. Die Situation war absolut aussichtslos und ich kam mir in dem Moment so unglaublich nutzlos vor. Ich hatte keine Ahnung wie weit Sakuras Barriere reichte und wie weit ich mich bewegen konnte, ohne uns beide in Gefahr zu bringen. Abgesehen davon wusste ich auch nicht, wie ausgerechnet ich etwas gegen diese brutalen Männer ausrichten sollte.

 

„Beweg… dich nicht“, keuchte sie.

 

Von meiner Position aus war es schwer zu erkennen, was an der Weggabelung genau vor sich ging. Noch dazu flimmerte noch immer alles, was ich mit meinen Augen versuchte zu fixieren und ich musste dem unbändigen Drang widerstehen, sie einfach zu schließen. Der Schmerz verursachte bei mir zunehmend Übelkeit und ich fühlte mich so hilflos wie noch nie zuvor in meinem Leben. Zwei der Männer hatten unsanft die Spitzen ihrer Eisenstangen in Sakuras Bauch und Brust gerammt und sie schrie vor Schmerz. Der Anführer, der noch immer dicht bei mir stand, lachte laut und trat einen Schritt nach vorne.

 

„Nehmt ihr ihr gesamtes Chakra weg, dann kann ich mir den Jinchuriki schnappen“, befahl er seinen Männern.

 

Demonstrativ ging er einen Schritt weiter in meine Richtung und streckte mir dabei seine Handfläche entgegen, wie um zu prüfen, bis wohin die Barriere noch reichte. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. Am liebsten wollte ich meinem Instinkt folgen und weglaufen um Hilfe zu holen oder einfach losschreien, damit irgendjemand auf uns aufmerksam werden würde. Doch ich wusste, dass der Kerl mich sofort schnappen würde, wenn ich mich auch nur einen Schritt außerhalb der Barriere befand. Die Situation war aussichtslos.

 

Sakuras Beine gaben nach, doch die Männer hielten sie so fest an den Armen gepackt, dass sie nicht zu Boden sinken konnte. Sie hatte keine Kraft mehr sich zu wehren. Die Eisenstangen wurden noch immer gegen ihren Körper gepresst und mit jeder Sekunde, die verstrich, wirkte sie kraftloser. Der Anführer trat noch einen Schritt auf mich zu, die Hand dabei immer noch nach meinem Gesicht ausgestreckt. Ich hielt den Atem an. Er war bis auf wenige Zentimeter an mich herangekommen und ich konnte im fahlen Licht der Straßenlaterne jede Einzelheit seines schrecklichen Gesichts erkennen. Er hatte genau wie Sasuke tiefdunkle Augen, die nun bestialisch funkelten, doch seine Züge waren um einiges kantiger und härter. Seine Haut war rau, sein Mund zu einem erbarmungslosen Schlitz geformt. Dieser Mann war ohne Zweifel gefährlich.

 

Er trat noch einen Schritt auf mich zu und ich konnte sehen wie seine Hand die Barriere durchbrach. Funken sprühten und stoben in alle Richtungen. Erschrocken wich ich noch weiter zurück, doch es war zu spät. Ich war nicht schnell genug und mein Schutzschild war nun vollständig erloschen. Er griff nach meinem Arm und ich schloss die Augen. Das war es also.

Sie würden mich mitnehmen und wer weiß was mit mir anstellen. Vermutlich würden sie mich umbringen. Aber eventuell war es auch besser so, denn dann bestand immerhin noch die Möglichkeit, dass sie Sakura in Ruhe ließen. Sie konnte schließlich auch nichts dafür, dass ausgerechnet sie dafür ausgewählt worden war eine Person zu beschützen, auf die es blöderweise alle abgesehen hatten.

 

„Bitte lasst sie gehen“, flüsterte ich.

 

Ich hielt meine Augen geschlossen und wartete darauf, dass der Anführer mich packen würde. Die Barriere war gebrochen und nun hielt ihn nichts mehr von mir fern.

-5-

 

Ein Klirren. Dann war es mit einem Mal still um mich herum. Das einzige was ich hören konnte, war mein eigenes lautes Atmen und meinen beschleunigten Herzschlag. Doch ich spürte nichts. Hatte die Barriere doch gehalten? Warum war es auf einmal so still um mich herum? Vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder und starrte direkt in das Gesicht des Anführers, der tatsächlich genau vor mir stand. Sein Arm hing ausgestreckt in der Luft, die Hand zur Kralle geformt und kurz davor meinen Arm zu packen, doch er bewegte sich keinen Millimeter. Als wäre er mitten in der Bewegung erstarrt und festgefroren.

 

„Sakura, los! Du musst mir helfen.“

 

Ich fuhr herum. Weniger als einen Meter von mir entfernt stand Sasuke, das Gesicht vor Anstrengung verzerrt und doch hochkonzentriert. Er fixierte den Anführer der direkt vor mir stand und schien eine Art inneren Kampf mit ihm auszufechten.

 

„Sakura, jetzt mach schon“, presste er zwischen leicht geöffneten Lippen hervor. „Ich halt das nicht ewig durch.“

 

Ich sah zu ihr hinüber. Auch die Männer um sie herum bewegten sich nicht mehr und hatten sie losgelassen, sodass sie jetzt wie ein Häufchen Elend auf dem Boden lag. Neben ihr die beiden Metallstangen, mit denen sie angegriffen worden war. Ich rannte sofort los.

 

„Naruto“, schimpfte Sasuke. „Bleib verdammt nochmal stehen.“

 

Es war mir egal. Die Barriere war offensichtlich außer Kraft gesetzt worden und Sakura brauchte Hilfe. Sie hatte sich für mich eingesetzt und war nur in diese Gefahr geraten, weil sie mich beschützen wollte. Sie hatte mir befohlen, mich nicht vom Fleck zu rühren, und hatte währenddessen versucht, den Angriff dieser Männer abzuwehren. Sie hatte um mich herum ein Schutzschild aufgebaut, wohl wissend, dass dies bedeutete, dass es für sie keines gab. Je mehr ich mich ihr näherte, desto schlimmer wurden meine Kopfschmerzen, bis ich schließlich das Gefühl hatte, den Schmerz nicht mehr aushalten zu können. Ich hatte die Weggabelung erreicht und ging sofort neben ihr in die Knie.

 

„Sakura! Sakura! Bist du okay?“

 

Sie war bei Bewusstsein, schien aber Schwierigkeiten damit zu haben, zu realisieren, was passiert war. Orientierungslos blickte sie umher, stellte fest, dass die Männer um sie herum festgefroren waren, und entdeckte schließlich Sasuke, der in einiger Entfernung neben dem Anführer stehen geblieben war und ebenfalls zu uns herüber sah. Umständlich versuchte sie sich aufzurappeln. Ich eilte ihr sofort zu Hilfe und versuchte sie zu stützen so gut ich konnte, obwohl ich selbst ein wenig schwindelte. Ihre Kleidung hatte an einigen Stellen dunkle Löcher, die mich irgendwie an Brandflecken erinnerten.

 

„Naruto… die Stäbe“, keuchte sie. „Ich brauche… die Stäbe.“

 

Sie streckte ihre Hand nach den Metallstäben am Boden aus und verzog dabei vor Schmerz das Gesicht. Ich begriff, bückte mich und beim Aufheben stellte ich fest, dass es sich um Rohre handelte, die innen teilweise hohl waren. Außerdem fühlte sich das Rohr seltsam heiß an und die Oberfläche war viel rauer, als es zunächst den Anschein hatte.

 

„Geht das vielleicht ein bisschen schneller“, rief Sasuke ungeduldig.

 

Als Sakura nach dem Rohr griff, entging mir nicht, dass ihre Hände dabei leicht zitterten, doch schon den Bruchteil einer Sekunde später hatte sie es einem ihrer Angreifer direkt in den Bauch gerammt. Erschrocken keuchte ich auf.

 

„Es tut mir Leid, dass du das mit ansehen musst, Naruto, aber ich muss sie außer Gefecht setzen“, sagte sie entschieden. „Ich verletze sie nicht wirklich, aber auf diese Art kann ich ihr Chakra ausleiten und selbst wieder zu Kräften kommen.“

 

Es widerstrebte mir zutiefst, doch ich betrachtete die Stelle genauer, an der die Spitze des Rohrs den Mann berührte. Erstaunt stellte ich fest, dass das Rohr nicht gewaltsam in seinen Körper eingedrungen war, sondern eher mit ihm verschmolzen war. An dieser Stelle prangte nun ein kleines, dunkel umrahmtes Loch in seinem T-Shirt. Wenige Sekunden später fiel er zu Boden. Ein einzelner etwas größerer Kieselstein kullerte davon, als er knirschend auf den Weg prallte. Sakura löste den Eisenstab von seinem Körper und wandte sich dem nächsten Angreifer zu.

 

„So, jetzt bist du dran.“

 

Mittlerweile schien es ihr wieder deutlich besser zu gehen. Sie hatte kaum noch Mühe sich auf den Beinen zu halten und ihr Gesicht hatte ebenfalls wieder mehr Farbe. Man konnte noch erkennen, dass der Angriff Spuren hinterlassen hatte, doch sie hatte sich erstaunlich schnell wieder regeneriert. Hatte es vorhin noch so ausgesehen, als müsste sie ihre restlichen Kraftreserven mobilisieren, so wirkte sie jetzt in etwa so erschöpft wie nach einer ausgiebigen Runde Joggen.

 

Sakura nahm sich den nächsten ihrer Angreifer vor und führte bei ihm das gleiche Prozedere durch wie bei seinem Nebenmann, der noch immer bewusstlos am Boden lag. Die beiden Männer, die hinter uns standen und sie zuvor an den Armen fixiert hatten, beobachteten argwöhnisch jeden Schritt, den sie machte, konnten sie jedoch nicht davon abhalten, da sie noch immer völlig erstarrt waren. Der zweite Mann ging zu Boden. Ich konnte so etwas wie Furcht in ihren Augen erkennen.

 

„Sasuke, wie lange hältst du noch durch?“, rief Sakura.

 

Sie ging bereits auf den dritten Mann zu.

 

„Beeil dich einfach“, rief er knurrend.

 

Man konnte seiner Stimme die Anstrengung anhören, die ihn das Fixieren der drei übriggebliebenen Männer kostete. Trotzdem würde er das natürlich niemals zugeben. Wir mussten uns beeilen. Wild entschlossen drängte ich den Schmerz zurück in die hinterste Ecke meines Bewusstseins und hob ebenfalls einen der Metallstäbe auf.

 

„Naruto, du kannst mir nicht helfen“, hielt Sakura mich zurück. „Du hast noch nicht die Möglichkeit Chakra auszuleiten.“

 

Ich nickte und ließ den Stab sinken. Vermutlich hätte ich sowieso viel zu große Angst davor gehabt, so etwas zu tun. Nur zu gut erinnerte ich mich an die Schreie, die Sakura ausgestoßen hatte, als die Männer sie angegriffen hatten. Wahrscheinlich gaben die Männer nur deswegen keinen Mucks von sich, weil Sasuke ihre Bewegungen kontrollierte. Der dritte Mann ging zu Boden.

 

„Geh schon mal zurück zu Sasuke“, befahl Sakura.

 

Sie sah mich dabei nicht an, sondern ging direkt über zum vierten und letzten Angreifer. Da ich ihr sowieso nicht helfen konnte und das Gefühl hatte, dass sie die Situation im Griff hatte, gehorchte ich und entfernte mich von der Weggabelung. Ich fühlte mich wie betäubt, als ich den Kiesweg entlang schritt. Es war unmöglich, das alles was hier gerade passierte irgendwie zu verarbeiten und selbst der Kopfschmerz pochte nur noch dumpf in meinem Hinterkopf. Meine Glieder fühlten sich schwer an, doch meine Füße trugen mich automatisch voran.

 

Sasuke und der Anführer standen sich noch immer genauso gegenüber wie vorhin. Es schien so als hätte sich auch Sasuke die ganze Zeit über keinen Millimeter bewegt und die beiden lieferten sich noch immer ein intensives Blickduell. Die Augen des Anführers waren zu kleinen Schlitzen verengt und wenn man in sie hineinsah, schlug einem der pure Hass entgegen. Ich registrierte minimale Bewegungen seiner Pupille, die angestrengt auf und ab hüpfte. Bedeutete das, dass die Fessel bald nachlassen würde?

 

„Geh nicht so nah an ihn ran“, warnte Sasuke zischend.

 

Er musste mich kommen gehört haben, denn er hatte seinen Blick keine Sekunde lang von seinem Gegner gelöst. Allmählich fühlte ich mich wie ein kleines Kind, das man ständig hin und herschickte. Doch ich gehorchte und blieb einen guten Meter von den beiden entfernt stehen. Aus dieser Entfernung konnte ich jedoch sehen, dass sich auf Sasukes Stirn Schweißperlen gebildet hatten. Sein Brustkorb hob und senkte sich schneller als normal und jeder Muskel seines Körpers schien in höchster Alarmbereitschaft. Was wohl passierte, wenn er plötzlich nicht mehr genug Kraft hatte, den Anführer festzuhalten? Vermutlich würde er sich sofort auf ihn stürzen.

 

Sasuke war stark – keine Frage – doch gegen diesen Mann würde er ohne seine Fähigkeiten wohl kaum eine Chance haben. Der Mann war groß, muskulös und breitschultrig. Noch dazu reagierte er wahnsinnig schnell und die Wut in seinen Augen war angsteinflößend. Sasuke hingegen war zwar ebenfalls muskulös, jedoch viel schmaler gebaut als sein Gegner. Noch dazu konnte ich ihn mir absolut nicht in einer körperlichen Auseinandersetzung vorstellen – er war einfach nicht der Typ dazu. Alles hing davon ab, ob er seine Fessel lange genug aufrechterhalten konnte.

 

„Das darf doch nicht wahr sein“, zischte er ungehalten.

 

Zuerst wusste ich nicht, was er meinte, doch dann sah auch ich es. Die Hand des Anführers bewegte sich ganz langsam auf Sasuke zu und auch über seine Füße schien er langsam die Kontrolle wiederzuerlangen. Ich sah zu Sakura hinüber, doch die schien immer noch mit dem vierten Mann beschäftigt zu sein. Sie musste sich beeilen. Der Kies knirschte bedrohlich, als der Anführer seinen Fuß langsam nach vorne schob. Seine Augen konnte er mittlerweile wieder frei bewegen und er sah immer wieder zwischen mir und Sasuke hin und her, als würde er überlegen, wen von uns beiden er als erstes angreifen sollte.

 

Er hatte seine Hand zur Faust geballt und auch seine Finger waren nun wieder voll einsatzfähig. Mit jeder Sekunde, die verging, erlangte er mehr und mehr die Kontrolle über seinen Körper zurück, wobei er sich nun auf Sasuke fixiert hatte. Ihn würde er vermutlich zuerst angreifen, denn von ihm ging definitiv eine größere Gefahr aus als von mir. Was sollte ich auch groß machen?

 

Mit sichtbarer Anstrengung zog er nun schon den zweiten Fuß nach. Die beiden Männer wirkten hochkonzentriert. Sasuke versuchte die Starre aufrechtzuerhalten, während der Anführer mit aller Macht dagegen ankämpfte – und er schien damit erfolgreich zu sein. Während Sasukes Kräfte immer weniger wurden, kehrten seine mehr und mehr zurück. Schließlich gelang es ihm sogar, einen großen Satz nach vorne zu machen. Sakura hatte zu lange gebraucht und der Kerl hatte seine Bewegungsfähigkeit vollständig zurückerlangt.

 

Alles geschah so schnell, dass ich gar nicht richtig mitbekam, was ich tat. Der Kerl versuchte auf Sasuke loszugehen, und der hatte keine Kraft mehr sich dagegen zu wehren. Intuitiv reagierte ich und noch bevor er Sasuke erreicht hatte, sank der Angreifer zu Boden. Das Geräusch als er auf dem Kiesweg aufkam war viel lauter als bei den anderen zuvor, denn im Gegensatz zu ihnen war er ein richtiger Koloss.

 

Ungläubig starrte Sasuke mich an und ich starrte genauso ungläubig zurück. Hatte ich das eben wirklich getan? Ich starrte auf die Metallstange in meiner Hand, an der nun Blut klebte. Wie aus Reflex hatte ich zugeschlagen. Dabei war mir noch nicht einmal bewusst gewesen, dass ich das Rohr immer noch in meiner Hand gehalten hatte.

 

Sakura hatte aus dem Augenwinkel ebenfalls mitbekommen, dass der Kerl sich bewegt hatte und war sofort losgerannt. Den vierten Angreifer hatte sie soeben erledigt, doch sie konnte uns nicht mehr früh genug erreichen. Mir war gar nichts anderes übrig geblieben als zu handeln. Ich wollte nicht immer nur nutzlos daneben stehen und zulassen, dass die beiden für mich alles riskierten – auch wenn sie meine Wächter waren.

 

„Warst du das?“, keuchte Sakura überrascht.

 

Sie war so schnell gerannt wie sie nur konnte und nun völlig außer Atem. Vornübergebeugt und die Hände auf die Knie gestützt versuchte sie wieder zu Atem zu kommen.

 

„Wir müssen schnell hier weg“, stellte Sasuke fest.

 

Er versuchte, es so gut er konnte zu verbergen, doch mir entging nicht, wie angeschlagen er war. Seine Miene war kühl und verschlossen wie meistens, doch auf seiner Stirn standen immer noch Schweißperlen und ich sah wie seine Hände leicht zitterten, als er in seiner Hosentasche kramte. Auch meine Hände zitterten und ich hatte nicht mehr die Kraft das Rohr, mit dem ich den Anführer außer Gefecht gesetzt hatte, weiter festzuhalten. Es fiel scheppernd zu Boden. Meine Arme fühlten sich unglaublich schwer an und ich hatte das Gefühl, sie nicht mehr anheben zu können. Auch meine Beine wollten mir nicht mehr gehorchen, als wäre ich mit Gewichten am Boden festgebunden.

 

Sasuke zog einen Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und reichte ihn Sakura.

 

„Du fährst. Wenn ich mir Naruto so anschaue, werde ich wohl demnächst nicht in der Lage sein ein Auto zu fahren.“

 

Er spielte auf die verzögerte Übertragung von Zuständen zwischen Menschen und Wächtern an. Sakura betrachtete mich besorgt und legte dann einen meiner Arme um ihre Schulter. Er wollte sofort wieder herabgleiten, doch sie packte gerade noch rechtzeitig meine Hand und hielt sie fest, sodass ich nicht abrutschen konnte.

 

„Komm ich helf‘ dir“, sagte sie ruhig.

 

Die Situation hatte etwas Ironisches, da sie sich noch vor wenigen Minuten selbst kaum auf den Beinen hatte halten können. Doch ich war ihr dankbar, denn ohne sie hätte ich keinen einzigen Schritt geschafft. Es war, als hätte jemand auf einen Knopf gedrückt und plötzlich hatte sich der ständige Kopfschmerz in Gliederschmerzen verwandelt. Mir war schwindlig und schlecht vor Schmerz und ich taumelte leicht, als wir den Kiesweg entlang in Richtung Straße gingen. Jedenfalls vermutete ich das.

 

„Ich hab gleich hier in der Nähe geparkt“, verkündete Sasuke. Er blieb stehen, blinzelte und kniff dann die Augen zusammen „Wir müssen uns beeilen – ich kann kaum noch was sehen. Und wer weiß, wann dieser Typ wieder aufwacht. Der hatte noch jede Menge Chakra, sonst hätte ich ihn weiter kontrollieren können.“

 

Auch ich blinzelte und stellte fest, dass das Flimmern fast vollkommen verschwunden war. Ich hatte noch gar nicht bemerkt, dass ich wieder einigermaßen normal sehen konnte. Mit den Kopfschmerzen war auch die komische Sehstörung wieder verschwunden.

 

Wenige Minuten später hatten wir den Rand des Parks und damit die Straße erreicht. Es waren kaum Autos unterwegs und außer uns war auch weit und breit kein Fußgänger zu sehen. Ich ließ meinen Blick die Straße entlang wandern, doch sie war wie ausgestorben. Ein paar Meter weiter standen einige Autos am Bordstein und ich betete, dass eines davon Sasuke gehörte. Warum war er überhaupt hierhergekommen? Eigentlich hatte Sakura an diesem Abend auf mich aufpassen sollen und normalerweise konnte er es kaum erwarten, endlich seine Ruhe zu haben.

 

Zielstrebig ging er auf einen der Wagen zu und wir hatten Mühe mit ihm mitzuhalten. Mit der freien Hand betätigte Sakura den Mechanismus auf dem Schlüssel und mit einem schnappenden Geräusch entriegelte sich der Wagen. Sasuke öffnete die Tür zur Rückbank und bugsierte mich dann gemeinsam mit ihr auf die hinteren Sitze. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich mich mit einem Mal so schwach fühlte, doch ich war heilfroh, endlich sitzen zu können. Sakura ging um den Wagen herum und stieg bei der Fahrertür ein, während sich Sasuke zu mir auf die Rückbank setzte. Er griff über mich drüber zum Gurt und zog ihn zu sich herüber. Sogar zum Anschnallen fühlte ich mich zu schwach. Ich war nicht einmal in der Lage meinen Arm zu heben.

 

„Was ist mit ihm los?“, fragte Sakura verunsichert.

 

„Das ist die Chakraaura der Schatten“, erklärte er knapp.

 

Sie drehte sich auf dem Fahrersitz nach hinten um.

 

„Merkst du auch schon was davon?“

 

„Ein wenig“, er vermied es sie anzusehen und schnallte sich stattdessen ebenfalls an. „Fahr jetzt los.“

 

Sakura steckte den Schlüssel ins Zündschloss und ließ den Motor an. Dann hielt sie noch einmal inne.

 

„Wohin fahren wir?“, fragend blickte sie in den Rückspiegel.

 

Sasuke zögerte keine Sekunde lang.

 

„Zum Flughafen.“

 

-6-

 

Ich hatte große Mühe mich während der Fahrt wach zu halten. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so erschöpft und ausgelaugt gefühlt wie in diesem Moment. Es war als hätten mir die Kopfschmerzen Stück für Stück meine gesamte Lebensenergie entzogen und ich wurde von Sekunde zu Sekunde schwächer. Jetzt, nachdem die Schmerzen nachgelassen hatten, fühlte ich mich jedoch noch immer, als hätte ich eine ganze Packung Schlaftabletten auf einmal eingeworfen.

 

Ab und zu zuckte ich zusammen, wenn die Lichter von draußen über mein Gesicht glitten. Es war stockdunkel und erst als wir Richtung Autobahn fuhren, kamen uns einige Autos entgegen, die um diese Uhrzeit ebenfalls noch unterwegs waren. Sasuke und Sakura sprachen die ganze Zeit über kaum ein Wort. Kurz nachdem wir losgefahren waren, hatte Sasuke die Flugdaten an allen umliegenden Flughäfen gecheckt, um uns kurzfristig einen Flug nach Konoha zu organisieren. Die beiden hatten beschlossen an den Ort zu gehen, den sie momentan als am sichersten für mich einschätzten – die Akademie.

 

Sasuke neben mir holte tief Luft und stieß sie dann stoßweise wieder aus. Es schien unverkennbar, dass er Schmerzen hatte – vermutlich war es die Art von Schmerzen, die ich selbst erst vor kurzem erlebt hatte. Unerträgliche Schmerzen. Und doch ließ er sich kaum etwas anmerken. Bemüht unauffällig sah ich zu ihm rüber und musterte seine angespannten Gesichtszüge. Sein Gesicht wirkte noch schmaler als sonst und sein dunkles Haar ließ ihn in dem wenigen Licht unheimlich blass aussehen. Er sah krank aus.

 

Wir fuhren auf die Autobahn auf und ich ließ meinen Blick wieder aus dem Fenster schweifen. Die vorbeiziehenden Bäume und Autos hatten eine entspannende Wirkung auf mich und bald schon fielen mir die Augen zu. Wir hatten noch eine lange Fahrt vor uns, ein wenig Schlaf würde sicher nicht schaden. Die Geräusche um mich verschwammen allmählich, alles fühlte sich so an, als wäre ich in eine dicke Watteschicht verpackt, und als der Schlaf schließlich seine Hände nach mir ausstreckte, ließ ich mich dankbar hineinfallen. Wenigstens für einen Moment wollte ich das vergessen, was heute Abend passiert war.

 

Ich wurde mehr oder weniger unsanft aus dem Schlaf gerissen, als ich plötzlich Sasukes laute Stimme hörte. Es dauerte ein bisschen, bis ich mich einigermaßen orientiert hatte und dem Gespräch folgen konnte. Meine Augen ließ ich trotzdem geschlossen.

 

„Er wird es verstehen“, sagte er überzeugt. „Ich hab meine Schmerzen im Griff, also tu nicht so als wäre ich unzurechnungsfähig. Ohne mich wärt ihr jetzt nicht mal hier.“

 

Ich konnte spüren, wie sehr Sakura diese Aussage traf und auch in meiner Brust bildete sich ein dicker Knoten, als mir klar wurde, wie Recht er hatte. Allein ihm hatten wir es zu verdanken, dass die Kerle uns nicht längst außer Gefecht gesetzt und geschnappt hatten. Sakura hatte ihr Bestes gegeben, doch es hatte nicht gereicht. Und ich, ich hatte nur im Weg gestanden, war ein leichtes Ziel gewesen und hätte allein nicht den Hauch einer Chance gehabt.

 

„Warum bist du überhaupt aufgetaucht?“, fragte sie ihn.

 

Interessiert horchte ich auf. Denn genau diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt, mich jedoch bisher nicht getraut, sie laut auszusprechen. Insgeheim hatte ich vermutet, dass Sasuke mich für so einen Vollidioten hielt, dass ein Wächter zum Schutz nicht ausreichte. Außerdem war er mit mir verbunden und das bedeutete, dass alles was mir passierte, auch Auswirkungen auf ihn haben würde. Möglicherweise hatte er das einfach unter allen Umständen verhindern wollen.

 

„Ich hatte einfach ein ungutes Gefühl.“

 

„Du hast ein ungutes Gefühl und machst dich sofort auf den Weg?“, wiederholte Sakura skeptisch.

 

Selbst mit geschlossenen Augen konnte ich deutlich spüren, wie Sasuke sich neben mir immer mehr anspannte. Offensichtlich verspürte er nicht die geringste Lust, dieses Gespräch weiterzuführen. Da wir uns aber in einem Auto befanden, hatte er auch nicht die Möglichkeit einfach zu gehen, wie er es sonst so oft tat. Dinge auszudiskutieren war nicht seine Art, das hatte ich bereits des Öfteren feststellen dürfen. Er traf Entscheidungen.

 

„Die Kopfschmerzen“, sagte er knapp.

 

„Werden sie schlimmer?“, Sakuras Stimme klang sofort wieder besorgt.

 

Sasuke stöhnte genervt.

 

„Nein. Ich spreche von seinen Kopfschmerzen“, er nickte zu mir hinüber. „Ich hab sie gespürt und da wusste ich, dass definitiv was nicht stimmt.“

 

In Gedanken versuchte ich mich nochmal daran zu erinnern, wann genau die Kopfschmerzen begonnen hatten. Wenn ich mich recht erinnerte, waren sie schon da gewesen, als wir uns auf den Weg gemacht hatten. Hatte Sasuke da schon etwas geahnt?

 

„Die Verbindung wird stärker, oder?“, erkundigte sich Sakura kaum hörbar.

 

Sie hatte so leise gesprochen, dass ich Mühe hatte sie zu verstehen. Das Motorengeräusch übertönte zum Großteil ihre Stimme und zerriss die Töne in kleine Fetzen, die sich nur schwierig wieder zusammensetzen ließen. Es war als hätte sie Angst davor, das auszusprechen, was sie soeben vermutet hatte. Sasuke schwieg. Entweder er hatte ihre Frage nicht gehört oder aber er wollte sie nicht beantworten.

 

Ich musste mir eingestehen, dass mich die Thematik sehr interessierte. Über die Verbindung, die zwischen einem Wächter und seinem Menschen bestand, hatte mir Kakashi bisher kaum etwas erzählt und Sasuke schien um das Thema einen großen Bogen zu machen. Einzig und allein Sakura hatte mir bisher bereitwillig Auskunft gegeben. Dass diese Verbindung mit der Zeit stärker werden konnte, hatte ich allerdings nicht gewusst und ich konnte auch überhaupt nicht einschätzen, wie stark die Verbindung zwischen Sasuke und mir war. Woran konnte man so etwas feststellen? 

 

Da sie davon ausgehen musste, dass er ihre Frage nicht gehört hatte, wiederholte Sakura sie noch einmal. Diesmal lauter. Er reagierte patzig. Die Schmerzen schienen einen Einfluss auf seine Selbstbeherrschung zu haben.

 

„Kümmer‘ dich um deinen eigenen Kram. Du hast ganz schön was abgekriegt von diesen Typen.“

 

Er klang fast ein bisschen schadenfroh.

 

„Tut mir Leid, dass ich damit beschäftigt war Naruto zu schützen – was ja wohl durchaus in deinem Interesse sein dürfte“, allmählich schien auch Sakura die Geduld zu verlieren. „Im Gegensatz zu dir kann ich wenigstens zugeben, dass ich Schmerzen habe.“

 

„Es hätte denen niemals gelingen dürfen, euch zu trennen“, stellte Sasuke nüchtern fest. „Das ist der größte Schwachpunkt deiner Fähigkeit – sie ist einfach nicht dazu geeignet jemand anderen und dich selbst zu schützen. Du bist der größte Schwachpunkt. Wenn sie es schaffen, dich anzugreifen, nützt deine ganze Barriere nichts mehr.“

 

Sakura schwieg, hatte dem nichts entgegenzusetzen. Wieder einmal hatte er Recht. Trotzdem war es ihr gelungen eine nicht unwesentliche Menge an Zeit zu schinden, die Sasuke für seinen Angriff genutzt hatte. Allein wäre auch er nicht in der Lage gewesen, die Typen abzuwehren. Möglicherweise war genau das der Grund, warum man sich für sie entschieden hatte. Die beiden ergänzten sich gegenseitig und konnten ihre jeweiligen Schwächen ausgleichen.

 

„Trotzdem…“, er schien einen Moment zu überlegen. „Sie hätten davon nichts wissen dürfen. Das war kein Zufall, dass sie euch auseinander getrieben haben. Die wussten Bescheid!“

 

„Sasuke, die Akademie schützt das Wissen über die Fähigkeiten ihrer Schüler. Du willst doch nicht sagen, dass Informationen rausgegeben wurden?“, stieß Sakura geschockt aus.

 

In ihrer Stimme schwang das pure Entsetzen mit. Die Vorstellung, dass die Akademie Informationen über ihre Schüler nach draußen weitergab, schien für sie absolut undenkbar zu sein.

 

„Vielleicht haben sie die Infos nicht freiwillig rausgegeben. Aber irgendwie muss es denen gelungen sein, mehr herauszufinden“, gab Sasuke zu bedenken. „Sie wussten, wo Naruto ist. Sie wussten, wer ihn begleiten würde. Und sie wussten, was du für Fähigkeiten hast und wo deine Grenzen liegen. Das macht mir die größten Sorgen. Wer weiß, was die sonst noch rausfinden können und wir wissen so gut wie nichts über sie. Wir haben keine Wahl – wir müssen so schnell wie möglich in die Akademie. Sarutobi muss informiert werden. Und ich werde mit Itachi sprechen.“

 

Damit war das Thema für ihn erledigt. Die restliche Fahrt über sprachen die beiden kein Wort mehr und es dauerte nicht mehr lange, bis ich wieder eingeschlafen war. Das nächste Mal wachte ich auf, als jemand meinen Namen sagte.

 

„Naruto, wach auf. Wir sind da.“

 

Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass wir in einem Parkhaus waren. Draußen war es bereits dämmerig und die ersten Sonnenstrahlen tauchten den Himmel in ein leicht rötliches Licht. Der Flughafen war nicht gerade um die Ecke gewesen, doch es war der einzige Flug, für den wir so kurzfristig noch drei Tickets bekommen hatten. Sakura hatte sich auf dem Vordersitz zu uns umgedreht. Ihr T-Shirt war an der Hüfte leicht nach oben gerutscht und ich sah einen dunklen Fleck, der noch von dem Angriff der Männer stammte. Es sah schmerzhaft aus.

 

„Alles okay bei dir?“, fragte ich sie und deutete auf den Punkt.

 

Sofort griff sie nach dem Saum ihres T-Shirts und zog ihn nach unten, sodass die Haut wieder bedeckt war. Es schien ihr unangenehm zu sein.

 

„Alles okay“, winkte sie ab. „Mach dir keine Sorgen.“

 

Ich sah zu Sasuke hinüber und der sah tatsächlich nicht allzu besorgt aus. Außerdem hatte er wieder deutlich mehr Farbe im Gesicht.

 

„Was sind das für dunkle Flecken?“, diesmal war ich entschlossen, mich nicht wieder einfach so abspeisen zu lassen.

Sakura wich meinem Blick aus, doch Sasuke gab mir überraschenderweise bereitwillig Auskunft.

 

„Das kommt von dem Chakra, das die Typen ausgeleitet haben. Dieser Metallstab mit dem du den einen Typen ausgeknockt hast“ – bei diesen Worten stahl sich fast unmerklich ein leichtes Grinsen auf sein Gesicht – „ist ein Ausleiter. Damit kannst du einem anderen Wächter Chakra entziehen und zwar so lange, bis der andere keins mehr hat und erstmal für eine gewisse Zeit das Bewusstsein verliert. Die Dinger sind verboten, weil es uns Wächtern allgemein verboten ist einem anderen Wächter Chakra zu stehlen. Bei Schatten gibt es allerdings Ausnahmen.“

 

Was er sagte, ergab durchaus Sinn. Im Prinzip drehte sich alles um das Chakra, das ein Wächter besaß. Chakra erhielten die Wächter durch die Verbindung mit ihren Menschen, soviel wusste ich bereits. Negative Emotionen oder auch Krankheiten konnten diese Verbindung blockieren, sodass der Wächter kein weiteres Chakra mehr erhielt und mit der Zeit mehr und mehr an Kraft verlor. Allerdings war mir bislang nicht klar gewesen, dass man Chakra auch stehlen konnte.

 

„Tut das weh?“, fragte ich.

 

Ich dachte zurück an Sakura, die vor Schmerzen geschrien hatte, als die Männer auf sie losgegangen waren. Zuerst hatte ich gedacht, dass sie sie mit diesen Eisenstangen aufspießen würden, doch die hatten wohl einen anderen Zweck gehabt.

 

„Es fühlt sich an wie Strom“, erklärte Sasuke trocken. „Die Ausleiter ziehen das Chakra an und das fließt dann durch deinen Körper in den Stab. Dadurch, dass sehr viel Chakra auf einmal konzentriert auf eine Stelle deiner Haut trifft, kommt es zu sowas wie leichten Verbrennungen.“

 

Meine Augen weiteten sich erschrocken.

 

„Das sind keine richtigen Verbrennungen“, mischte sich Sakura nun doch ein. „Es verheilt auch viel schneller und man sieht danach auch nichts mehr. Unsere Körper sind dafür geschaffen, Chakra zu absorbieren – nur eben nicht so viel auf einmal.“

 

Aufmunternd lächelte sie mich an, wie um mir zu demonstrieren, dass sie kaum noch Schmerzen hatte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich ihr Gespräch vorhin mitgehört hatte. Im Gegensatz zu dir kann ich wenigstens zugeben, dass ich Schmerzen habe.

 

Sasuke schnallte sich ab, stieg aus dem Auto und ging nach hinten zum Kofferraum. Er öffnete die Heckklappe und holte zwei Rucksäcke heraus. Mir wurde bewusst, dass ich überhaupt nichts dabei hatte. In meiner Tasche, die ich mit zur Uni genommen hatte, waren lediglich ein paar Bücher, Blöcke und mein Geldbeutel. Kurzfristiges Abreisen war ich bereits gewohnt, doch normalerweise blieb mir zumindest noch die Zeit, das Wichtigste zusammenzupacken. Irgendwie fühlte ich mich verloren. Wieder einmal hatte ich alles zurücklassen müssen – und diesmal wirklich alles im wahrsten Sinne des Wortes.

 

„Kannst du laufen?“, Sasuke hatte sich die beiden Rucksäcke über die Schulter geworfen und die Autotür auf meiner Seite geöffnet.

 

Ich nickte und stieg wortlos aus. Auch mir ging es mittlerweile wieder deutlich besser. Ein bisschen fühlte ich mich, wie nach einer schlimmen Grippe. Meine Arme und Beine drückten unangenehm und in meinem Kopf dröhnte es ununterbrochen. Trotzdem war es nichts im Vergleich zu dem, was ich zuvor gefühlt hatte. Sakura stieg ebenfalls aus und schloss dann das Auto ab.

 

„Haben wir alles?“, fragte sie.

 

Instinktiv tastete ich nach meinem Handy, das sich normalerweise in meiner Hosentasche befand. Es war nicht mehr da.

 

„Mein Handy ist weg“, stellte ich erschrocken fest.

 

„Tut mir Leid“, sagte Sasuke. „Das mussten wir loswerden.“

 

„Aber du bekommst ein Neues“, warf Sakura ein.

 

Hatte er es etwa genommen, als ich geschlafen hatte? Und warum hatte ich davon nichts mitbekommen? Wäre es zu viel verlangt gewesen, mich vorher zu informieren? Es war nicht das Handy, das mir fehlte, um Gottes Willen, so wichtig war das Ding nun auch wieder nicht. Es ging vielmehr darum, dass schon wieder von außen über mein Leben bestimmt wurde, dass mir nichts mehr blieb von dem, was ich mir erarbeitet hatte und dass ich keinerlei Mitspracherecht hatte.

-7-

 

Unzählige Male hatte ich mir überlegt wie die Akademie wohl aussehen würde. Oft hatte ich sie  mir als ein riesiges Schloss mit unendlich vielen Gängen und Türmen vorgestellt, umgeben von Wäldern und Bergen. Die Wahrheit war im Gegensatz dazu recht unspektakulär und am besten ließ sie sich wohl als eine Mischung aus einer typischen altmodischen Schule und einer Villa im Jugendstil beschreiben. Allerdings hatte ich kaum Zeit, das Gebäude richtig zu betrachten, da Sasuke uns sofort von der Zufahrtsstraße wegzerrte, die vor den imposanten Eingangstoren in einem großen Wendekreis mündete. Er hielt es für sicherer, den Hintereingang zu benutzen, nicht zuletzt, weil ihm die Tatsache keine Ruhe ließ, dass die Männer, die uns angegriffen hatten, so genau über Sakuras Fähigkeiten Bescheid gewusst hatten.

 

Kurzerhand ließ er uns in einem der leeren Klassenzimmer zurück und verschwand dann, um den Schulleiter zu informieren. Sensei Sarutobi. Mein erster Gedanke als ich ihn sah, war: Alt. Seine Haut war an manchen Stellen fleckig und von tiefen Furchen durchzogen. Sowohl das Haupthaar, als auch sein kleiner Spitzbart waren komplett ergraut, doch seine stahlblauen Augen waren klar und aufmerksam. Er strahlte etwas Erhabenes und Überlegenes aus, auch wenn er aus irgendeinem Grund unzufrieden zu sein schien. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine missbilligende Falte gebildet.

 

„Naruto, es freut mich, dass ihr es ohne weitere Probleme hierher geschafft habt“, verkündete Sarutobi. „Dennoch muss ich mich für die vielen Unannehmlichkeiten entschuldigen, die die Schatten euch bereitet haben. Sasuke hat mir bereits einiges erzählt. Es lag nicht in meiner Absicht, dich in irgendeiner Art und Weise in Gefahr zu bringen.“

 

Es war mir unangenehm, dass ich so im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, und ich wollte nicht, dass er meinetwegen ein schlechtes Gewissen hatte. Immerhin hatte ich selbst mit eigenen Augen gesehen, dass Sasuke und Sakura ihr Bestes gegeben hatten, um mich vor den Schatten zu schützen, und der Schulleiter konnte nichts dafür, dass sie uns vorzeitig gefunden hatten. Unsicher sah ich zu den beiden herüber, bevor mein Blick schließlich unwillkürlich zur fünften Person im Raum wanderte.

 

Es war ein junger Mann, der vorhin gemeinsam mit Sarutobi den Raum betreten hatte. Bisher hatte er sich gänzlich aus dem Gespräch herausgehalten und ich war mir nicht sicher, was seine Aufgabe in der ganzen Sache war. Er war deutlich jünger als der Schulleiter und ich schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Seine braunen Augen leuchteten jedoch freundlich, als er mich ansah und er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Sogleich fühlte ich mich ein wenig besser. Aus irgendeinem Grund beruhigte mich seine Anwesenheit.

 

„Es ist ja nichts passiert“, sagte ich deshalb schnell. „Das einzig blöde ist jetzt nur, dass ich vorher keine Zeit mehr hatte meine Koffer zu packen.“

 

Als Antwort kam nur ein kehliges Lachen von Sarutobi. Der Ernst und die Verdrossenheit in seinem Gesicht waren mit einem Mal wie weggewischt und er sah sofort einige Jahre jünger aus.

 

„Das sollte jetzt unsere kleinste Sorge sein, Naruto“, meinte er. „Aber ich bin mir sicher, Itachi kann ein paar Sachen für dich auftreiben. Ich würde sowieso vorschlagen, dass ihr euch erstmal ein wenig ausruht und dann besprechen wir morgen alles Weitere. Ihr seid sicher müde.“

 

Wie zur Bestätigung blinzelte Sakura ein paar Mal und unterdrückte dann mühsam ein Gähnen. Auch ich spürte, wie sich allmählich eine behagliche Schwere auf meine Knochen legte, obwohl ich bereits im Auto ein paar Stunden geschlafen hatte. Nach allem was heute passiert war, klang Ausruhen definitiv nach einer guten Option.  Außerdem war es schon weit nach Mitternacht.

 

„Ich bringe Naruto auf sein Zimmer“, mischte sich nun auch der junge Mann ein, den Sarutobi zuvor als Itachi bezeichnet hatte.

 

Seine Stimme klang tief und samtig.

 

 „Ich komme mit“, verkündete Sasuke sofort und setzte einen entschlossenen Blick auf, der deutlich machte, dass er keinen Widerspruch duldete. Er hatte mal wieder eine Entscheidung getroffen. Itachi nickte. Er war einverstanden.

 

„Traust du deinem eigenen Bruder nicht?“, Sarutobi lachte amüsiert. „Dein Misstrauen kennt wirklich keine Grenzen.“

 

„Keinem mehr als ihm“, widersprach Sasuke ruhig.

 

Itachi und er wechselten einen kurzen Blick. Ich war verblüfft. Brüder? Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Im Gegensatz zu Sasuke war mir der Mann von Anfang an sympathisch gewesen. Er wirkte offen und freundlich, hatte ein einnehmendes Lächeln und gab einem allein durch seine Anwesenheit ein gutes Gefühl. Rein von ihrer Ausstrahlung her schienen die beiden gegensätzlicher zu sein, als die zwei Pole eines Magneten.

 

Trotzdem musste ich nun zugeben, dass sie zumindest optisch gewisse Ähnlichkeiten aufwiesen. Beide hatten ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und glänzendes schwarzes Haar, wobei Sasuke seines relativ kurz trug, während Itachi die langen Haare zu einem Zopf zurückgebunden hatte. Nasen- und Mundpartie kamen mir auch irgendwie bekannt vor, doch die Augen waren komplett unterschiedlich. Itachis Augen leuchteten freundlich in einem hellen Braun. Sasukes Augen waren kühl, berechnend und drohten einen jedes Mal regelrecht zu durchbohren.

 

„Dann folgt mir, bitte“, forderte Itachi ruhig.

 

Wir verließen das Klassenzimmer und bogen dann nach rechts ab in einen der vielen Gänge. Schon vorhin hatte ich festgestellt, dass sie nahezu alle gleich aussahen und sich einzig und allein durch die Gemälde unterschieden, die an den Wänden hingen. Die dunklen Holzpaneelen gaben bei fast jedem Schritt ein knarzendes Geräusch von sich und in der Stille der Nacht wirkte es seltsam überzeichnet. Irgendwann befanden wir uns in einer Art Nebenflügel der Villa, irgendwo im dritten Stock und schienen tatsächlich endlich am Ziel zu sein.

 

Itachi zog einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und öffnete dann eine der Türen. Es war die drittletzte im Gang. Er machte eine einladende Handbewegung und wir betraten das Zimmer, das ab heute wohl meines sein sollte. Es war nicht besonders groß. An der hinteren Wand stand ein einfaches Bett, das bereits bezogen worden war und auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers befand sich eine Kommode mit mehreren Schubladen und ein Schreibtisch. Passend zum Stil der Akademie wirkten die Möbel fast schon antiquiert.

 

Unschlüssig stand ich in der Mitte des Zimmers und sah mich um. Es gab noch eine weitere Tür, die wohl ins Bad führte. Insgesamt war das Zimmer in etwa so groß wie das Schlafzimmer in meiner Wohnung. Um nicht weiterhin blöd in der Gegend herumzustehen, ließ ich mich schließlich auf die Matratze sinken und fühlte mich sofort schuldig, als ich sah wie die sandfarbene Tagesdecke unter meinem Gewicht zerknitterte.

 

„Ihr seid also Brüder?“, fragte ich dann, einfach nur um irgendwas zu sagen.

 

Mit der linken Hand strich ich die Falten auf dem Bezug glatt. Seit ich denken konnte, hatte ich noch nie so etwas wie eine Tagesdecke besessen und wenn ich ehrlich war, gehörte ich auch nicht zu den Personen, die jeden Morgen ihr Bett machten. Irgendwie hatte ich jedoch das Gefühl, dass man hier an der Akademie Wert auf solche Dinge legte.

 

„Sind wir“, bestätigte Sasuke knapp.

 

Scheinbar war er momentan nicht in der Laune für Smalltalk. Bei Sasuke konnte man nie wissen. Dennoch startete ich einen zweiten Versuch, indem ich mich diesmal direkt an Itachi wandte.

 

„Bist du auch Schüler an der Akademie? Ich will dir nicht zu nahe treten oder so, aber du siehst schon ein wenig älter aus.“

 

Vorsichtig blinzelte ich zu ihm hoch, um zu sehen ob er mir meine Frage übel nahm, doch seine Miene wirkte komplett entspannt.

 

„Ich bin Lehrer“, erklärte er milde lächelnd. „Normalerweise unterrichte ich hier die Spezialschüler, aber sobald dein Chakra aktiviert ist, bin ich hauptsächlich für dich zuständig.“

 

Bei einem normalen Wächter wurde das Chakra im Alter von dreizehn Jahren aktiviert,  bei Jinchurikis dauerte es bis zum zwanzigsten Geburtstag. Mein zwanzigster Geburtstag war bereits in wenigen Tagen und anscheinend hatte man mich in die Akademie gebracht, damit ich dort lernen konnte, mit meinen neuen Kräften umzugehen.

 

„Heißt das, ich hab auch irgend so eine coole Fähigkeit?“, fragte ich begeistert.

 

Aus Sasukes Ecke kam nur ein belustigtes Schnauben. Offensichtlich konnte er sich einen Kommentar nur schwer verkneifen, auch wenn er ansonsten beschlossen hatte, sich nicht in das Gespräch einzumischen.

 

„Wir haben alle eine spezielle Fähigkeit“, bestätigte Itachi. „Allerdings kann ich dir nicht sagen, welche das bei dir ist. Zuerst musst du sowieso lernen, dein Chakra zu kontrollieren. Normalerweise geht das nicht von einem auf den anderen Tag.“

 

Ein wenig enttäuscht ließ ich die Schultern sinken. Wenn ich also Pech hatte, bekam ich am Ende gar keine Fähigkeit oder nur eine, mit der man nicht wirklich viel anfangen konnte.

 

„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich schließlich.

 

Die Frage klang banal und doch war sie alles andere als das. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, wie die nächsten Minuten meines Lebens aussehen würden, die nächsten Stunden, die nächsten Tage. Einmal mehr hatte ich die Planung komplett aus der Hand geben müssen und einmal mehr hatte ich keine Ahnung, wohin es gehen sollte. Momentan waren wir einfach nur dabei uns zu verstecken. Allerdings war das auf Dauer auch keine Lösung. Scheinbar war für mich vorgesehen, dass ich ab meinem zwanzigsten Geburtstag Unterricht bei Itachi nahm. Und dann? Was würde passieren, wenn ich mein Chakra unter Kontrolle bekommen würde und eine Fähigkeit entwickelt hatte?

 

„Am besten, du ruhst dich erst mal aus“, schlug Itachi vor. „Morgen früh will Sensei Sarutobi mit dir sprechen. Und ich werde ein paar Sachen für dich besorgen. Der Tag war für euch alle anstrengend und ich bin sicher, du hast einiges zu verdauen.“

 

Er hatte Recht. Mir war nicht entgangen wie erschöpft Sakura gewesen war, denn ihr hatte die Reise mindestens so zugesetzt wie mir. Auch Sasuke wirkte deutlich angespannter als sonst, selbst wenn er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Es würde den beiden gut tun, endlich mal eine kleine Pause von mir zu bekommen. Während ich mich hier absolut fremd fühlte, war die Akademie für sie wie ein zweites Zuhause. Ein Ort, an dem sie sich sicher fühlen konnten. Davon ging ich zumindest aus.

 

„Denkst du, sie können uns hier finden?“, fragte ich vorsichtig.

 

Itachis legte den Kopf ein wenig schief.

 

„Was das betrifft, musst du dir keine Sorgen machen, Naruto. Die Chakraaura der Akademie ist so immens, dass sie jede Spur überdeckt. Selbst wenn sie dich hier vermuten, kommen sie auf keinen Fall durch die Schutzbarrieren.“

 

Seine Worte beruhigten mich und trotzdem blieb eine gewisse Unsicherheit bestehen. Möglicherweise lag es daran, dass dieser Ort für mich immer noch komplett fremd war. Ich war nicht wirklich ein Wächter und doch befand ich mich mitten unter ihnen, war hierher gereist und versteckte mich vor einer Bedrohung, die niemals konkreter hätte sein können, als an diesem Abend. Zum ersten Mal war ich den Schatten begegnet und zum ersten Mal war es richtig brenzlig geworden. Kein Wunder also, dass es mir nicht gelang, einfach abzuschalten und mich wie ein naives Kind in Sicherheit zu wiegen.

 

Itachi übergab mir einen Stapel Klamotten, die ich zum Schlafen anziehen konnte und erklärte mir dann, wo ich ihn im Notfall finden würde. Dann ließen die beiden mich allein. Sasuke eher widerwillig, weil er mich für einen kompletten Idioten hielt, der sicher in den nächsten Minuten irgendetwas Dummes anstellen würde. Doch auch er brauchte seinen Schlaf.

 

Mir fielen schon fast die Augen zu und ich schlüpfte schnell in die neuen Klamotten und dann unter die Decke. Es fühlte sich fremd an. Das Bett. Das Zimmer. Das T-Shirt. Ganz fest schloss ich die Augen und stellte mir vor, ich würde Zuhause in meinem Bett liegen, dass alles so war wie immer. Dass jeden Moment irgendwelche betrunkenen Idioten unten vor meinem Fenster dämliche Lieder grölen, sich über die neusten Fußballergebnisse unterhalten und dann irgendwelchen vorbeilaufenden Mädels hinterherrufen würden. Über diesem Gedanken schlief ich schließlich tatsächlich endlich ein.

 

Ein lautes Klopfen riss mich aus meinem Schlaf. Kaffee, war mein erster Gedanke. Ich brauche dringend Kaffee.

 

„Na, wie hast du geschlafen?“, flötete Sakura gutgelaunt und steckte den Kopf zur Tür herein.

 

Sie hatte gar nicht erst auf eine Antwort von mir gewartet. Ihr rosafarbenes Haar leuchtete im Sonnenlicht und verglichen mit gestern wirkte sie, als wäre sie gerade aus einem einwöchigen Wellnessurlaub in der Karibik zurückgekehrt. Ihr gutgelauntes Strahlen am frühen Morgen ließ meine Laune nur noch mehr in den Keller sinken. Die ganze Nacht über war ich immer wieder aus dem Schlaf hochgeschreckt und hatte mich gefragt, wo ich war. An die neue Umgebung musste ich mich erst noch gewöhnen.

 

„Geht so“, antwortete ich deswegen wahrheitsgemäß.

 

„Ja, die Matratzen hier sind nicht so der Knaller, aber man gewöhnt sich dran“, meinte sie grinsend. „Und jetzt hopp, hopp, zieh dir was an! Wir gehen nach unten frühstücken und danach will Sensei Sarutobi dich noch sprechen – den lässt man besser nicht warten.“

 

Sarutobi. Stimmt, da war ja noch was. Sofort rappelte ich mich auf und kletterte aus dem Bett. Ich sammelte die Klamotten auf, die ich gestern Abend achtlos auf den Boden geworfen hatte und verschwand schnell im Bad. Vielleicht konnte Sarutobi endlich ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

 

Auf dem Weg zum Büro des Schulleiters mussten wir immer wieder kleinen Gruppen von Schülern ausweichen und mehrmals das Stockwerk wechseln. Während im Gästeflügel absolut niemand unterwegs war, war im Rest der Akademie ganz schön was los. Wir machten einen großen Bogen um die Eingangshalle, nahmen eine Abkürzung durch den Speisesaal, der momentan eigentlich geschlossen war und schlichen uns an den Türen mehrerer Klassenräume vorbei. Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, bis wir endlich angekommen waren. Ich war so ungeduldig, dass ich am liebsten direkt hineingestürmt wäre, doch ich hielt mich zurück und ließ stattdessen Sakura an die schwere Holztür klopfen. Mein Herz raste in meiner Brust.

 

„Herein“, dröhnte es von innen.

 

Sie nickte mir aufmunternd zu und ich drückte die Klinke nach unten. Die Tür leistete weniger Widerstand, als ich angenommen hatte und so stolperte ich mehr in das Büro, als dass ich eintrat.

 

Sarutobi saß hinter einem großen schweren Schreibtisch, der über und über mit Büchern bedeckt war, von denen manche aufgeklappt dalagen, andere wiederum verkehrt herum mit dem Buchrücken nach oben. Mehrere Tassen standen über den Tisch verteilt und in einer davon war sogar noch ein Teesieb. An der Kante des Tisches stand ein Glasgefäß, das mit Kandiszucker gefüllt war. Eine falsche Bewegung und es würde herunterfallen und in tausend Stücke zerspringen.

 

„Sie wollten mich sprechen“, nervös knetete ich meine Finger.

 

Ich wusste nicht genau wohin mit meinen Händen und es wäre unhöflich, sie einfach in die Taschen meiner Hose zu stecken.

 

„Ganz recht, Naruto, setz dich doch bitte“, Sarutobi wies auf den Stuhl ihm gegenüber.

 

Ich nahm Platz und sah mich in dem riesigen Büro um. Die Wände waren unglaublich hoch. Nahezu jeder Zentimeter war mit Bücherregalen bedeckt. Mein Blick wurde jedoch von einem riesiges Gemälde mit goldverziertem Rahmen an der Wand hinter dem Schreibtisch angezogen. Es war das Portrait einer streng aussehenden Frau mit zurückgeflochtenen Haaren. Sie trug ein altertümliches Kleid mit einem tiefen Ausschnitt. Im Fokus des Bildes lag ein goldenes Amulett mit einem roten Stein in der Mitte, das sie um ihren Hals trug. Es sah wertvoll aus.

 

Sarutobi schlurfte zu einer kleinen Vitrine, die schräg neben einem der Bücherregale stand.

 

„Tee?“

 

„Nein, danke“, ich schüttelte den Kopf. Momentan würde ich keinen einzigen Schluck runterbekommen.

 

Scheinbar hatte er meine Antwort gar nicht gehört, oder aber er ignorierte sie einfach, denn er holte zwei saubere Tassen und eine golden verschnörkelte Kanne aus der Vitrine. Beides stellte er vor mir auf den Tisch und goss uns dann ein. Seine Hand zitterte ein wenig und ich fragte mich, ob er nervös war. Mir selbst schlug das Herz noch immer bis zum Hals und der Geruch des dampfenden Tees sorgte dafür, dass mir regelrecht schlecht wurde. Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, während er sich in aller Ruhe einen Löffel Kandiszucker in die Tasse schaufelte und umrührte. Das Geräusch des Löffels, der auf dem Boden der Tasse kratzte, war wie ein lautes Dröhnen in meinen Ohren.

 

„Ich nehme an, du weißt, was ein Wächter ist?“, erkundigte er sich.

-8-

 

„Ein Wächter ist so etwas wie ein Beschützer für den Menschen, mit dem er verbunden ist. Er hat besondere Fähigkeiten, die ihm bei dieser Aufgabe helfen sollen und er erlebt körperliche Zustände des Menschen zeitlich verzögert?“

 

Zum Ende des Satzes hin ging meine Stimme leicht nach oben. Das waren so ziemlich die Informationen, die ich bisher über die Wächter hatte.

 

„So könnte man das zusammenfassen“, bestätigte Sarutobi. „An dem Tag, an dem ein Mensch geboren wird, wird auch irgendwo auf der Welt ein Wächter geboren. Natürlich kann man von einem Baby noch nicht erwarten, dass es in der Lage ist einen anderen Menschen zu beschützen – deswegen sind in den ersten Lebensjahren die Wächter der Eltern für dieses Kind verantwortlich. Mit dem dreizehnten Lebensjahr jedoch erwacht das Chakra des Wächters und die Verantwortung geht auf den Wächter über.“

 

Mit einem Klirren ließ Sarutobi den Löffel in die Tasse fallen und er machte eine ausladende Geste mit seinen Armen, die einer Explosion glich.

 

„Es geschieht tatsächlich von einenm auf den anderen Tag“, er riss die Augen auf und sah mich eindringlich an. „Genauso wie es auch bei dir passieren wird. Nur sieben Jahre später.“

 

Bis zu meinem Geburtstag waren es nur noch wenige Wochen, doch ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie sich so plötzlich alles ändern sollte. So wie der Schulleiter davon berichtete, klang es, als würde man sich komplett in einen anderen Menschen verwandeln. Wieder begann er mit seinem Löffel den Tee umzurühren und ich starrte wie hypnotisiert auf die kleinen Zuckerkristalle, die er dabei immer wieder aufwirbelte.

 

„Wie genau funktioniert das eigentlich mit dem Chakra?“, erkundigte ich mich neugierig.

 

„Das“ – er hielt mir seinen Zeigefinger direkt unter die Nase – „ist eine ausgezeichnete Frage!“

 

Er stand auf und ging zu einem seiner endlos hohen Regale. Eine gefühlte Ewigkeit blieb er reglos davor stehen und ließ seinen Blick über die Bücherrücken schweifen. Dann endlich schien er gefunden zu haben, wonach er suchte, und zog ein besonders dickes und offensichtlich sehr altes Exemplar aus dem Regal. Er schlug es auf und legte es vor mir auf die Tischplatte, wobei er beinahe seine eigene Teetasse umgekippt hätte.

 

„Das hier ist eine Zeichnung, die die verschiedenen Formen von Chakra abbildet.“

 

Die Buchseite, die er aufgeschlagen hatte, zeigte mehrere Personen, wobei sich immer zwei gegenüberstanden. Zwischen ihnen waren jeweils unterschiedliche Linien gezeichnet. Einige waren wellenförmig, andere gestrichelt, eckig oder auch gerade durchgezogen. Es gab auch strudelförmige Bewegungen und der Weg, den die Linie zwischen den Personen zurücklegte, war nur selten der direkte. Auf der zweiten Seite waren einzelne Personen abgebildet, die von unterschiedlichen Linienarten umgeben waren. Darunter standen in kursiver, bereits leicht verblichener Schrift Worte in einer fremden Sprache.

 

„Chakra ist eine Art Energie und wie du siehst, kann sie ganz unterschiedliche Formen annehmen und Wege zurücklegen“, fasste Sarutobi zusammen. „Das ist zum einen abhängig davon, in welchem Zustand sich der Mensch befindet und zum anderen davon, was der Wächter aus dem Chakra macht, das ihm zur Verfügung gestellt wird. Die Fähigkeiten, die ein Wächter besitzt, basieren zum Großteil darauf, wie er sein Chakra einsetzen und kontrollieren kann. Ein weiterer Teil wird dadurch bestimmt, welche Art von Chakra er von dem Menschen empfängt, mit dem er verbunden ist.

 

Chakra ist aber nicht nur für die speziellen Fähigkeiten notwendig, sondern auch für das Wohlbefinden eines Wächters. Überträgt der Mensch nicht mehr genug Chakra an seinen Wächter oder wird die Übertragung aus irgendeinem Grund gestört, verliert der Wächter immer mehr Energie und das kann bis zur Bewusstlosigkeit führen. Chakra reagiert sehr empfindlich auf alles, was dem Menschen widerfährt. Ein Wächter sollte also möglichst früh lernen, wie er negativen Einflüssen vorbeugen kann. Natürlich lässt sich längst nicht alles vermeiden, aber wir haben im Laufe der Jahre einige Tricks entwickelt.“

 

Sarutobi zwinkerte mir vielsagend zu. Ich musste zugeben, dass das, was er da sagte, nicht gerade fair klang. Wenn ich mir vorstellte, dass bereits dreizehnjährige Kinder die Verantwortung für ein ebenfalls dreizehnjähriges Kind zu tragen hatten, konnte ich nur innerlich mit dem Kopf schütteln. Egal, welche Tricks die Wächter in dieser Hinsicht entwickelt hatten, diese Wächter-Mensch-Beziehung war in meinen Augen mehr als suboptimal. Sarutobi schien meinen Unmut zu spüren, denn er begann sofort mich zu beschwichtigen, noch bevor ich auch nur ein Wort dazu gesagt hatte.

 

„Du musst dir die Wächter wie eine große Gemeinschaft vorstellen – unsere Kinder werden mit ihrer Verantwortung natürlich nicht alleine gelassen. Vielmehr kümmern wir uns alle darum. Die Abhängigkeit zwischen Mensch und Wächter wahrt ein gewisses Gleichgewicht und sorgt dafür, dass die Menschheit sich nicht irgendwann aus Hass und Neid selbst zerstört. Die Wächter haben eine wichtige Aufgabe und tragen eine große Verantwortung. Dieser Verantwortung ist es geschuldet, dass eine Akademie wie diese hier überhaupt eine Daseinsberechtigung hat, denn hier werden unsere Kinder darauf vorbereitet, ein Teil dieser Gemeinschaft zu werden, die alles dafür tut, Frieden zu erhalten und Frieden zu schaffen.“

 

Gemeinschaft. Frieden. Das alles klang wahnsinnig positiv und schien alles in allem auch irgendwie Sinn zu ergeben, doch tief in mir drin spürte ich noch immer einen leisen Widerstand. Die Erhaltung des Friedens an eine Abhängigkeit zu koppeln, war in meinen Augen verantwortungslos, wenn nicht sogar gefährlich. Insbesondere fiel es mir schwer mir vorzustellen, dass jeder Wächter nichts als den Frieden im Sinn hatte und mit seiner Rolle als Beschützer der Menschen einverstanden war.

 

„Ich könnte mir vorstellen, dass einige Wächter mit ihrer Aufgabe nicht gerade zufrieden sind“, warf ich vorsichtig ein.

 

Sofort trat ein betretener Gesichtsausdruck auf Sarutobis Gesicht und sein Kiefer spannte sich kaum merklich an. Anscheinend hatte ich bei ihm einen wunden Punkt getroffen.

 

„Da hast du leider Recht“, räumte er ein. „Allerdings nennen wir sie nicht mehr Wächter, denn sie haben unsere Gemeinschaft verlassen. Wir nennen sie Schatten.“

 

Bei dem Wort lief mir unwillkürlich ein kleiner Schauer über den Rücken. Vor meinem inneren Auge tauchten die Bilder der Männer auf, die uns im Park angegriffen hatten. Auch sie hatten zu den Schatten gehört.

 

„Was bedeutet, sie haben die Gemeinschaft verlassen?“, fragte ich.

 

Sarutobi überlegte einen Moment. Er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt und strich sich immer wieder mit dem Daumen über den Bart. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.

 

„Es gibt eine Möglichkeit, die Verbindung zwischen Mensch und Wächter zu trennen“, setzte er schließlich an. „Das bedeutet dann, dass keinerlei Zustände mehr übertragen werden können – allerdings kommt so auch kein Chakra mehr beim Wächter an.“

 

„Das heißt, es muss noch eine andere Möglichkeit geben, um an Chakra zu kommen“, schlussfolgerte ich.

 

Wieder dachte ich an die Männer, die uns überfallen hatten. Mit den Ausleitern war es ihnen gelungen, Sakura Chakra zu entziehen.

 

„Man kann es stehlen, oder?“, es war nur geraten und doch war ich mir ziemlich sicher, dass ich Recht hatte.

 

Sarutobi deutete wieder auf das Buch, das noch immer aufgeschlagen vor mir lag.

 

„Wie du hier sehen kannst, kann Chakra in den Körper eines Wächters eintreten und genauso auch wieder austreten“, er zeigte auf die Bilder auf der zweiten Seite. „Allerdings passiert das im Normalfall nur durch den Wächter selbst, wenn er entweder Chakra aufnimmt oder freisetzt. Mithilfe von Ausleitern ist es jedoch möglich, einem Wächter Chakra gegen seinen Willen zu entziehen. Diese Technik ist verboten und ihr Einsatz gegen einen Wächter wird streng bestraft. Das Stehlen von Chakra bringt das Gleichgewicht durcheinander, das wir alle zu erhalten versuchen.“

 

Ich fragte mich, wie viele Wächter es wohl geben mochte, die die Verbindung zu den Menschen aufgelöst hatten und nun auf diese Art und Weise Chakra beschaffen mussten. Es war ja nicht gerade unauffällig, wenn man mitten auf der Straße mit einer Eisenstange auf einen anderen Wächter losging. Ich konnte mich jedoch nicht daran erinnern, in den Medien jemals von einem solchen Fall gehört zu haben.

 

„Diese Angriffe“, setzte ich an. „Fällt das nicht auf?“

 

Sarutobi erhob sich von seinem Chefsessel und ging um den Schreibtisch herum zu der Vitrine mit der goldenen Teekanne. Sein Gang war leicht schlurfend, als würden unsichtbare Gewichte ihn zurückhalten. Gemächlich griff er nach der Kanne und goss sich erneut Tee nach, während sein Blick missbilligend auf meine noch volle Tasse fiel. Schuldbewusst rührte ich einmal um und nahm dann einen großen Schluck. Der Tee schmeckte scheußlich. Vielleicht hätte ich mir mehr Zucker nehmen sollen.

 

„Genau das ist der Knackpunkt“, stimmte Sarutobi mir dann zu. „Wie du richtig erkannt hast, würde es auffallen, wenn permanent Angriffe auf Wächter stattfinden würden. Um also an fremdes Chakra zu gelangen, muss man es abfangen, bevor es beim Wächter angekommen ist. So vermeidet man einen direkten Angriff.“

 

Ich versuchte mir das Ganze bildlich vorzustellen. Die Zeichnungen in dem Buch hatten den Chakrafluss vom Menschen zum Wächter dargestellt, wobei das Chakra viele unterschiedliche Wege nehmen konnte. Dennoch hatte ich mir die Übertragung immer als einen sehr direkten Prozess vorgestellt. Dass es möglich war Chakra einfach abzufangen, überraschte mich.

 

„Wie funktioniert sowas?“, wollte ich wissen. 

 

„Dazu musst du erstmal wissen, wie genau Chakra vom Menschen zum Wächter übertragen wird“, erklärte Sarutobi. „Neben den Ausleitern gibt es noch einige Gegenstände mehr, die gezielt Chakra aufnehmen, speichern und abgeben können. Weitaus mächtiger als diese Gegenstände allerdings sind die sogenannten Jinchuriki – zu denen auch du gehörst. Und natürlich deine Mutter. Alles Chakra, das von einem Menschen zu seinem Wächter fließt, fließt vorher durch die Jinchuriki hindurch. Jinchuriki sind das Verbindungsstück zwischen den Menschen und den Wächtern und gehören somit keiner der beiden Gruppen an. Ihre Aufgabe ist es, stets das Gleichgewicht zu halten und dafür zu sorgen, dass das Chakra seinem geregelten Fluss folgt.“

 

Unwillkürlich blickte ich auf meine Handflächen. Das gesamte Chakra, das von den Menschen auf die Wächter übertragen wurde, sollte also durch mich hindurchfließen? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

 

„Du spürst davon noch nichts“, Sarutobi schmunzelte belustigt. Meine Blicke waren ihm offenbar nicht entgangen. „Das Chakra in dir erwacht erst mit dem zwanzigsten Lebensjahr, was übrigens auch einer der Gründe dafür ist, warum die Schatten dich bisher noch nicht aufspüren konnten. Genau genommen ist es auch nicht dein eigenes Chakra, sondern das der Menschen und Wächter, das durch dich hindurchfließt und dabei kanalisiert wird. Es ist sehr viel mächtiger als das Chakra eines Wächters.“

 

Ich schluckte. Mächtiger als das eines Wächters? Nur zu gut erinnerte ich mich an Sasukes kleine Machtdemonstrationen und ehrlich gesagt hatte mir das bereits mehr als nur imponiert.

 

„Was genau heißt das, mächtiger als das eines Wächters?“, fragte ich vorsichtig.

 

„Nun, wie das bei dir genau aussehen wird, das kann ich dir leider nicht sagen“, Sarutobi strich sich durch das ergraute Haar. „Das kommt auch immer ganz darauf an, wie gut du dein Chakra unter Kontrolle bringen kannst. Je mehr Chakra, desto schwerer lässt es sich natürlich auch kontrollieren.“

 

„Klingt logisch“, räumte ich ein.

 

Mein Blick fiel wieder auf die Zeichnungen in dem Buch. Es waren jeweils ein Mensch und ein Wächter abgebildet, nirgendwo wurde so etwas wie ein Verbindungsstück erwähnt. Wenn die Menge an Chakra, die ein Wächter zur Verfügung hatte, solche Fähigkeiten freisetzen konnte, wie Sasuke und Sakura sie hatten – was war dann erst möglich, wenn einem das gesamte Chakra, das von den Menschen auf  die Wächter übertragen wurde zur Verfügung stand?

 

„Wie hat meine Mutter das hinbekommen?“, fragte ich. „Ihr Chakra zu kontrollieren, meine ich.“

 

Ein Lächeln stahl sich auf Sarutobis Lippen.

 

„Oh, sie war ein wahres Naturtalent! Im Gegensatz zu dir ist sie bereits mit sechzehn Jahren an die Akademie gekommen und hat alles an Büchern verschlungen, was sie in die Finger bekommen hat. An den Trainingseinheiten der Wächter konnte sie noch nicht teilnehmen, aber sie hat sich alles genau angesehen und daraus bereits gelernt. Als mit zwanzig ihr Chakra erwacht ist, hat sie weniger als eine Woche gebraucht, bis sie es unter Kontrolle hatte. Beeindruckend!“

 

Sarutobi sah in meine Richtung, doch seine Gedanken waren längst abgeschweift und es war, als würde er durch mich hindurch sehen. Die Erinnerung an meine Mutter spielte sich vor seinem geistigen Auge ab. Ob er wohl derjenige gewesen war, der mit ihr trainiert hatte, als ihr Chakra schließlich erwacht war?  Ich musste zugeben, dass es mich mit Stolz erfüllte zu hören, dass sie ihre Kräfte so gut unter Kontrolle gehabt hatte. Gleichzeitig jedoch hatte ich große Angst davor, dass es mir nicht gelingen würde.

 

„Also, wie ich bereits sagte, war deine Mutter wie du ein Jinchuriki und stand dadurch zwischen Menschen und Wächtern“, fuhr er fort. „Das Chakragleichgewicht zu halten ist nicht gerade einfach und zudem gibt es natürlich auch einige politische Herausforderungen, denn wie du bereits festgestellt hast, ist nicht jeder mit der Aufteilung, so wie sie jetzt ist, zufrieden. Deswegen waren an der Seite deiner Mutter zwanzig Wächter, die zum inneren Rat gehörten, sie unterstützten und bei schwierigen Fragen berieten. Sie alle genossen ihr vollstes Vertrauen und mit Stolz darf ich verkünden, dass auch ich mich zu dieser Elite zählen durfte.“

 

Er legte sich eine Hand auf die Brust und senkte ehrfurchtsvoll den Kopf. Dunkle Schatten legten sich auf seine Augen, als er den Blick wieder hob und mich nun direkt ansah.

 

„Auf einer ihrer Reisen lernte deine Mutter schließlich deinen Vater Minato kennen. Die beiden verliebten sich sofort unsterblich ineinander, doch das Tragische daran war, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige Jahre zu leben hatte. Minato litt an einer unheilbaren Krankheit, die ihn von Jahr zu Jahr schwächer werden ließ, bis er schließlich wenige Monate vor deiner Geburt starb. Die Trauer raubte deiner Mutter jegliche Energie und doch schwor sie sich durchzuhalten – deinetwegen. Natürlich ist dieser Umstand nicht lange geheim geblieben und es verbreiteten sich Gerüchte. Ein Jinchuriki, der kein Chakra einsetzen kann und zudem auch noch schwanger ist, trägt praktisch eine riesige Zielscheibe auf dem Rücken. Es war von Anfang an klar, dass der Moment der Geburt sie noch mehr schwächen würde und so war es dann auch. Allerdings war es niemand von außerhalb, der diesen Umstand ausnutzte – es waren Mitglieder des inneren Rates, die Wächter, denen sie am meisten vertraut hatte.“

 

Bisher hatte ich immer nur einen Teil der Geschichte gekannt. Kakashi hatte mir immer erzählt, dass meine Mutter bei einem Angriff der Wächter ums Leben gekommen war, weil sie versucht hatte mich zu schützen. Nun all diese Details zu hören, zu hören, dass der Verrat aus den eigenen Reihen gekommen war, machte mich krank.

 

 „Warum hat ihr keiner geholfen?“, meine Stimme bebte vor unterdrückter Wut.

 

 „Glaub mir, wir alle haben unser Bestes gegeben“, versicherte Sarutobi. „Ich hörte Geräusche aus dem Zimmer deiner Mutter. Ungewöhnliche Geräusche. Natürlich bin ich so schnell ich konnte zu ihr gerannt, doch wie ich bereits gesagt habe, kam der Feind aus unseren eigenen Reihen und so habe ich keinen Verdacht geschöpft als mir jemand aus dem inneren Rat in den Weg trat und versicherte, dass alles in Ordnung sei.“

 

Seine Stimme bebte leicht bei diesen Worten und seine Hand umschlang den Griff der Teetasse so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.

 

„Und dann ging es los. Ich habe noch nie in meinem Leben so einen gewaltigen Donner gehört“, Sarutobi erschauerte und musste für einen Moment die Augen schließen. „In dem Moment wussten alle, dass etwas nicht stimmte. Der Anblick war grausam. Neun tote Wächter, deine Mutter die ebenfalls tot im Bett lag und du. Du warst einfach verschwunden. Das Kinderbett war leer. Deine Mutter hat es nicht geschafft, die Angreifer länger aufzuhalten. In dem Moment, als sie dich in Sicherheit gewusst hat, ist sie bis ans Äußerste gegangen. Sie hat die Angreifer mit sich in den Tod gerissen.“

 

Augenblicklich tauchten die Bilder aus meinen Träumen vor meinem inneren Auge auf. Schon immer hatte ich mich gefragt, wie viel verdrängte Erinnerung möglicherweise in ihnen steckte und hier hatte ich nun die Antwort darauf. Offenbar hatte sich tatsächlich alles so abgespielt, wie ich es immer und immer wieder vor mir sah. Es war nicht nur ein Traum. Diese Menschen waren wirklich gestorben. Sarutobi räusperte sich und lenkte somit wieder meine Aufmerksamkeit auf ihn.

 

„Das Wichtigste ist aber, dass es uns gelungen ist, dich zu retten. Erst fünf Jahre später habe ich erfahren, dass es dich noch gibt und dass es dir gut geht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich war!“

 

Ich spürte, wie zunehmend Wut in mir hochkochte. Wut auf die Wächter, die meine Mutter angegriffen hatten und Wut auf die Wächter, die es versäumt hatten sie zu beschützen. Dass es ihnen gelungen war, mich zu retten, bedeutete in meinen Augen gar nichts. Den Bruchteil einer Sekunde lang erwog ich sogar, ob es nicht besser gewesen wäre, die Schatten hätten mich ebenfalls erwischt.

 

So viele waren gestorben und das alles nur um mich zu schützen. Es kam mir so sinnlos vor. War das das Schicksal von allen, die mir nahestanden? Sofort musste ich an Sakura und Sasuke denken. Ihre Aufgabe war es ebenfalls, mich zu schützen, und bisher hatte ich keine Ahnung gehabt von den Hintergründen. Jetzt wo ich sie kannte, hatte ich plötzlich das Gefühl, Sasukes ablehnende Haltung mir gegenüber besser verstehen zu können. Er hatte keine Wahl. Von Geburt an wurde von ihm erwartet, dass er bereit war sein Leben für mich zu geben.

 

„Der Mann der dich gerettet hat, Obito, wusste nicht, wem er noch trauen konnte, deswegen hat er niemandem gesagt, wohin er ging und ist untergetaucht. Auch für mich war es schwierig herauszufinden, wem ich noch trauen konnte. Fünf Mitglieder des Rates, die an dem Angriff beteiligt waren, sind durch deine Mutter ums Leben gekommen. Zuvor haben sie vier Wächter ausgeschaltet, die versucht haben deine Mutter zu schützen. Der innere Rat wurde zerschlagen und Obito war völlig auf sich allein gestellt.“

 

Ich atmete tief durch. Das alles war so surreal. Den Namen Obito hatte ich noch nie zuvor gehört und nun erfuhr ich, dass er es war, der mir das Leben gerettet hatte. Er war der Mann, dessen Gesicht ich in meinen Träumen niemals erkennen konnte.

 

„Was ist mit ihm passiert?“

 

„Er hat dich zu einem guten Freund gebracht – Kakashi. Kurz darauf wurde er von den Schatten gestellt und getötet.“

 

 

-9-

 

Das Gespräch mit Sarutobi hatte einige meiner Fragen beantwortet, jedoch gleichzeitig auch noch viel mehr Fragen aufgeworfen. Er wollte mich nicht mit all den Informationen überfordern und hatte deswegen vorgeschlagen die Unterhaltung zu einem anderen Zeitpunkt fortzuführen. Einen kurzen Moment lang hatte ich überlegt, ob ich protestieren sollte, dann jedoch beschlossen, dass es vermutlich besser war, seine Entscheidung erstmal so hinzunehmen.

 

Für den Rest des Tages blieb ich in meinem neuen Zimmer. Es war unglaublich langweilig und nachdem ich noch nicht mal mehr ein Handy besaß, wusste ich absolut nichts mit meiner Zeit anzufangen. Nach draußen durfte ich ja auch nicht, aber zumindest kam Itachi kurz vorbei und brachte mir ein paar neue Klamotten. Ich nutzte den Moment, um ihn über seine Lehrertätigkeiten an der Akademie auszuquetschen, doch er hatte leider nicht besonders lange Zeit und konnte mir nur ein paar kurze Anekdoten erzählen.

 

Umso erleichterter war ich, als Sakura direkt am nächsten Morgen in meinem Zimmer auftauchte. Wie immer war sie gut gelaunt und voller Tatendrang und hatte sich natürlich nicht die Mühe gemacht, vorher anzuklopfen. Nachdem ein Großteil der Schüler übers Wochenende nach Hause gefahren war, hatte sie mir eine kleine Tour versprochen. Ich war mehr als nur neugierig. Bisher hatte ich noch nicht wirklich viel von der Akademie gesehen – abgesehen vom Außenbereich und ein paar Gängen und Treppenhäusern. Insbesondere die Trainingshalle war ein Bereich, der mich brennend interessierte.

 

Sie befand sich im Untergeschoss der Akademie ungefähr auf Höhe des Eingangsbereichs und erinnerte mich ein bisschen an eine große Turnhalle, die ringsum von einer Art Empore umgeben war. Von dort aus hatte man einen guten Blick auf das Geschehen. Es gab keine Fenster, weswegen die Beleuchtung von großen Neonröhren an der Decke kam. Das künstliche Licht, das von den grauen Wänden reflektiert wurde verlieh dem Raum jedoch einen leicht unheimlichen Touch. Von der Empore aus führte an jeder Ecke eine Treppe nach unten. Ich trat ein Stück näher an das Geländer und bemerkte ein Flimmern, das sich bis nach oben zur Decke erstreckte.

 

„Was ist das?“, fragte ich irritiert.

 

Sakura streckte ihre Hand aus und schien dann gegen etwas Festes zu stoßen. Es sah aus wie bei einem Pantomimen, der versuchte eine unsichtbare Wand zu imitieren.

 

„Eine Barriere“, erklärte Sakura. „Die Leute, die von hier oben aus zuschauen, sollen nicht verletzt werden… man kann ja nie wissen.“

 

Ich hob ebenfalls meine Hand und drückte sie gegen die nahezu unsichtbare Barriere. Ein leichtes Kribbeln breitete sich auf meiner Handfläche aus und ein paar flimmernde Pünktchen stoben davon. Fasziniert sah ich ihnen hinterher.

 

„Bist du bereit?“

 

Die Stimme kam von unten aus der Halle und sie kam mir nur zu bekannt vor. Itachi. Soweit es die Barriere zuließ, lehnte ich mich über das Geländer, um besser sehen zu können. Er stand ziemlich genau unter uns, hatte beide Arme in die Hüfte gestützt und schien uns noch nicht bemerkt zu haben. Ein Stück entfernt von ihm war Sasuke.

 

„Kann losgehen“, rief er.

 

Ich fragte mich, was die beiden da taten. Um besser sehen zu können, ging ich ein Stück am Geländer entlang und umrundete die Halle zur Hälfte. Sakura folgte mir grinsend. Sasuke stand in der Mitte eines Kreises aus seltsamen Figuren. Sie hatten etwas von Schaufensterpuppen und waren in regelmäßigen Abständen um ihn herum platziert. Die Arme der Puppen waren angewinkelt, überdimensional groß und sie hatten alle keine Hände mehr, statt der Beine standen sie auf einer dicken Eisenstange.

 

Itachi stand etwas außerhalb des Kreises und hielt ein komisches Gerät in der Hand, das Ähnlichkeit mit einem Walkie-Talkie hatte. Offensichtlich befanden sich die beiden gerade mitten im Training. Hatte Sakura nicht gesagt, die Halle wäre nicht besetzt? Gespannt, was als nächstes passieren würde, beugte ich mich weiter nach vorne und stieß mit der Stirn gegen die Barriere. Es kribbelte und flimmerte, doch diesmal wurde mein Interesse von etwas anderem geweckt. Da unten tat sich was.

 

„Los!“, rief Itachi.

 

Er drückte mehrere Knöpfe auf dem komischen Gerät, das er in der Hand hielt und trat dann sofort noch einen Schritt zurück. Nur den Bruchteil einer Sekunde später, nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung war und in dem Moment war es auch schon wieder vorbei. Eine der Puppen schräg hinter Sasuke, hatte mit irgendetwas auf ihn geschossen, doch er hatte die Bewegung sofort gestoppt und umgekehrt. In der Brust der Puppe steckte eine Metallstange. Erschrocken drehte ich mich zu Sakura um.

 

„Ist das…?“

 

„Ein Ausleiter, ja“, bestätigte sie. „Sasuke trainiert immer so.“

 

Ein leises Pfeifen durchschnitt die Luft und wieder schoss eine der Puppen einen Ausleiter auf ihn, doch er wehrte den Angriff geschickt ab. Diesmal blieb die Metallstange direkt in der Stirn der Puppe stecken. Erst jetzt bemerkte ich die kleinen Zielscheiben, die überall auf ihnen abgebildet waren. Brust, Schulter, Kopf, Bauch, Herz. Sasuke hatte bisher immer genau in die Mitte getroffen.

 

„Was ist, wenn er von dem Ausleiter erwischt wird?“

 

Wieder ein Pfeifen. Der Abstand zwischen den Angriffen war kürzer geworden.

 

„Wird er nicht“, sagte Sakura überzeugt.

 

Diesmal war Sasuke dem Metallstab mit einem kleinen Schritt zur Seite ausgewichen, statt ihn umzulenken. Der Stab traf direkt in den Bauch einer anderen Puppe gegenüber. Es folgten weitere Angriffe und der zeitliche Abstand zwischen ihnen wurde immer geringer. Allmählich konnte ich den Ausleitern mit den Augen gar nicht mehr folgen, doch Sasuke wusste immer, was er tat. Seine Bewegungen waren geschmeidig, seine Treffer präzise. Bisher hatte er noch keinen Kratzer abbekommen. Selbst wenn die Angriffe aus seinem Rücken kamen, war es als würde er sie bereits vorausahnen. Fasziniert beobachtete ich jeden seiner Schritte.

 

„Er ist gut“, murmelte ich.

 

„Warts nur ab“, sagte Sakura vielversprechend.

 

Sie beobachtete das Geschehen unter uns mindestens genauso fasziniert wie ich und wandte den Blick keine Sekunde lang ab. Obwohl ich selbst nicht dort unten stand, spürte ich bei jedem Angriff, wie mein Herz schneller schlug und ich für einen kurzen Moment lang die Luft anhielt. Es flogen immer mehr Ausleiter durch die Gegend und Sasuke war mittlerweile in der Mitte des Kreises stehen geblieben. Er hatte es aufgegeben ihnen auszuweichen und versuchte stattdessen, alle Stäbe mithilfe seines Chakras zu kontrollieren und abzulenken. Einige erreichten ihr Ziel, einige fielen vorher mit einem lauten Klirren zu Boden.

 

Seine Atmung ging deutlich schneller und Schweiß stand auf seiner Stirn. Wie lange konnte er das noch durchhalten? Ich zählte zehn Puppen, die in einem Kreis um ihn herumstanden. Der Angriffswinkel betrug somit dreihundertsechzig Grad und war nicht vollständig einsehbar für Sasuke. Teilweise flogen drei bis vier Stäbe gleichzeitig aus unterschiedlichen Richtungen, die er alle abwehren musste. Die kleinste Unachtsamkeit würde ihn sofort zum Ziel machen. Es war für mich unverständlich, warum er sich solch einer Gefahr aussetzte. Die Geschwindigkeit mit der die Ausleiter geflogen kamen war unglaublich und mit bloßem Auge fast nicht zu erkennen.

 

Wieder kamen drei Stäbe auf ihn zu, die er mit seinem Chakra bündelte und einer der Puppen direkt ins Herz rammte. Die Gewalt ließ mich erschaudern. Hoffentlich war das nicht die Art von Training, die mir nach meinem Geburtstag bevorstehen würde. Sasuke sah völlig konzentriert aus. Seine Augen waren leicht verengt, damit ihm keine noch so kleine Bewegung entging. Die Muskeln in seinen Oberarmen waren angespannt und das T-Shirt klebte an seinem Körper. Trotzdem stand er völlig ruhig da und rührte nun keinen Finger mehr, bewegte sich keinen Millimeter, während ein Regen aus Ausleitern auf ihn einprasselte.

 

„Wie macht er das?“, raunte ich Sakura zu.

 

Seine Attacken auf die Puppen hatten eine ungeheure Kraft. Durch die Stäbe waren sie fest im Boden verankert und doch hatte die eine oder andere bereits geschwankt, nachdem er sie getroffen hatte.

 

„Er hat die vollkommene Kontrolle über sein Chakra“, erklärte Sakura. „Er muss die Stäbe nicht sehen, er spürt die Bewegung und verändert sie.“

 

Vollkommene Kontrolle. Ich fragte mich, ob ich wohl jemals dazu in der Lage sein würde, mein Chakra auch nur ansatzweise so gut zu kontrollieren wie er. An ihrem bewundernden Tonfall konnte ich erkennen, dass es wohl nicht ganz so einfach war, diese Kontrolle zu erlangen. Sasuke hatte viele Jahre lang hart trainiert. Sakura ebenfalls. Und doch schien sie sich nicht auf einem Niveau mit ihm zu sehen.

 

Es wurde plötzlich still in der Halle. Das Pfeifen der fliegenden Ausleiter hatte aufgehört und stattdessen legte sich nun eine bedrohliche Stille über den Raum und die darüber liegende Empore. Sasuke holte tief Luft und schloss die Augen. Jede Sehne seines Körpers war angespannt und bereit zu reagieren. Eine knisternde Spannung erfüllte die Luft und ich hielt unwillkürlich den Atem an. Die Stille war trügerisch – das hier war noch nicht vorbei. Schweiß perlte von seiner Haut, glänzte auf seiner Nase und durchnässte seine Kleidung.

 

Das schwarze Haar klebte ihm an der Stirn und stand wild in alle Richtungen ab, als hätte er sich durch die Haare gerauft. Bei jedem Atemzug bebte sein Körper. Seine dunklen Wimpern ruhten sanft auf seiner Wange und er hielt noch immer die Augen geschlossen. Dann passierte es. Ein ohrenbetäubendes Pfeifen zerriss die Stille, als plötzlich aus allen Puppenarmen gleichzeitig die pfeilähnlichen Metallstäbe schossen und direkt auf ihn zuflogen. Er machte keinerlei Anstalten auszuweichen und sah nicht einmal auf. Er hatte die Arme schützend vor der Brust verschränkt.

 

„Sasuke, pass auf!“, rief ich erschrocken.

 

Ich erwartete das Geräusch von Metall, das auf Haut trifft, das sich in Haut und Knochen bohrt. Doch es geschah nichts. Ein leises Knistern war zu hören, das ihn zu umgeben schien. Er atmete tief ein. Das Knistern wurde lauter. Ich kniff die Augen zusammen, um zu sehen, was dort unten vor sich ging. Müsste er nicht schon längst am Boden liegen? Und warum griff Itachi nicht ein?

 

Sasuke atmete aus und breitete die Arme aus. Wie bei einer großen Explosion flogen die Metallstäbe wie Geschosse in alle Richtungen davon. Der Lärm, den sie dabei machten war ohrenbetäubend. Zuvor hatte er die Puppen gezielt getroffen – nun wurden sie alle einfach nur noch weggefegt und in ihre Einzelteile zerfetzt. Es klirrte wieder und wieder, als die Metallstäbe und Puppenteile zu Boden fielen und dort bewegungslos liegen blieben. In der Mitte des Kreises stand Sasuke, völlig unversehrt und ohne einen einzigen Kratzer. Er lächelte triumphierend.

 

„Wie hat er das gemacht?“, stieß ich ungläubig hervor.

 

Sakura runzelte nachdenklich die Stirn.

 

„Er hat die Ausleiter bis auf wenige Millimeter an sich rangelassen, um dann die maximale Zerstörungskraft zu erreichen. Das ist wahnsinnig gefährlich! Aber auch genial.“

 

Die Bewunderung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. Mein Blick wanderte über das zerstörte Trainingsfeld. Sasukes Kraft war wirklich beachtlich und das, nachdem er sich zuvor bereits eine ganze Weile mit den Puppen herumgeschlagen hatte. Der Kreis, in dem er zuvor gestanden hatte, war nur noch zu erahnen.

 

Ein unterdrückter Schmerzensschrei drang zur Empore hinauf. Sofort waren Sakura und ich wieder am Geländer und beugten uns so weit es ging darüber. Wir hatten nur einen kurzen Moment nicht aufgepasst und uns unterhalten, doch genau in den paar Sekunden musste dort unten etwas passiert sein. Sasuke war auf die Knie gesunken, die Hände am Boden abgestützt und atmete schwer. Der Schmerzenslaut war definitiv von ihm gekommen. Allerdings konnte ich nicht erkennen, was ihn verletzt haben konnte. Die Puppen waren alle zerstört und er hatte seine Verteidigungsposition bereits aufgegeben, was darauf hindeutete, dass auch er keinen weiteren Angriff erwartet hatte.

 

Was war passiert? Und wo war Itachi? Ich sah mich unten in der Halle um, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Irgendetwas stimmte hier nicht.

 

„Habe ich dir nicht beigebracht, dass du deinen Feind niemals aus den Augen lassen sollst?“, Itachis Stimme klang ein wenig fremd, dennoch konnte ich mit Sicherheit sagen, dass es seine war.

 

Wieder sah ich mich in der Halle um, versuchte mich noch weiter über das Geländer zu beugen, was jedoch durch die Barriere verhindert wurde. Ich konnte ihn nirgendwo entdecken, dennoch schien sich seine Stimme unmittelbar hinter Sasuke zu befinden. Der Bereich war jedoch wie leergefegt. Die Puppenreste lagen alle in einem Abstand von mindestens fünf Metern verstreut und ich nahm keine einzige Bewegung in seinem näheren Umfeld war.

 

„Er hat ihn getroffen!“, Sakura deutete mit dem ausgestreckten Finger auf Sasuke.

 

Zunächst konnte ich nicht erkennen, was sie meinte, doch als ich genauer hinsah, entdeckte ich es. In seinem Rücken steckte ein einzelner Ableiter. 

 

„Aber wie…?“, entgeistert starrte ich auf die zerstörten Puppen unten in der Halle.

 

Keine von ihnen wäre in der Lage gewesen, auch nur einen einzigen Stab abzufeuern. Ungläubig starrte ich Sasuke an, der noch immer nach vorne gebeugt am Boden kniete. Schweißperlen tropften von seiner Stirn auf den Boden und er schien zu entkräftet, um aufzustehen. Wie versteinert starrte ich ihn an. Er wirkte mit einem Mal so unglaublich angreifbar und verletzlich.

 

„Mach dir keine Sorgen“, versuchte Sakura mich zu beruhigen. „Das sieht brutaler aus als es ist! Die Ableiter verschmelzen mit unserem Körper in dem Moment, in dem sie uns berühren. Es ist natürlich unangenehm, aber nicht so schmerzhaft wie es aussieht. Nur der erste Kontakt tut ganz schön weh.“

 

Sasuke hob den Kopf. Unsere Blicke trafen sich und in diesem Moment stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Zu meiner Überraschung wirkte es fast schon triumphierend. Seine dunklen Augen sprühten Funken. Er wirkte gefasst, keinesfalls überrascht über diesen Angriff, fast schon so, als würde es ihm Spaß machen, sich treffen zu lassen. Fast so, als hätte er es mit Absicht getan.

 

„Keine Sorge, ich habe dich keine Sekunde lang aus den Augen gelassen, Bruderherz.“

 

Sasuke sah mir noch immer unmittelbar in die Augen und es war mir unmöglich, den Blick abzuwenden, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er sich direkt in mich hineinbohrte. Es fühlte sich fast so an, als würde er mich wie ein Magnet anziehen.

 

„Ich muss dich nicht anschauen, um zu wissen, wo du bist“, sagte er leise.

 

Redete er mit Itachi? Und wo zum Teufel steckte der?

 

Es gelang mir meinen Blick von ihm zu lösen und mit einem Mal erhoben sich die Ausleiter, die um ihn herum auf dem Boden verstreut lagen. Die anderen Ausleiter lösten sich aus den zerstörten Körpern der Puppen und schwebten bedrohlich über dem Boden. Sie alle schienen sich auf ein bestimmtes Ziel auszurichten, das sich unmittelbar hinter Sasuke befand. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was dort war. Die Luft flimmerte leicht, doch ich war mir nicht sicher, ob ich mir das nur einbildete oder ob es sich lediglich um das Flimmern der Barriere direkt vor mir handelte.

Sasuke atmete tief ein.

 

„Du solltest lieber deine Umgebung nicht aus den Augen lassen!“, seine Stimme klang kalt und triumphierend.

 

Dann atmete er aus. Es ging alles so schnell, dass ich Mühe hatte mit meinen Augen zu folgen. Wie ein Regen aus Metall prasselten die Ausleiter auf eine Stelle hinter ihm ein, wo sie tatsächlich etwas zu treffen schienen – oder jemanden. Das Flimmern wurde intensiver und schließlich war ich mir sicher, dass ich es mir nicht nur eingebildet hatte. Allmählich nahm es sogar eine Gestalt an. Itachi. Sakura neben mir keuchte und schlug die Hände vors Gesicht.

 

Sein Schmerzensschrei ging mir durch Mark und Bein. Wie Sasuke war auch er auf die Knie gesunken und stützte sich mit beiden Händen nach vorne ab. Im Gegensatz zu ihm hatte er jedoch unzählige Ausleiter abbekommen. Er hatte versucht den Angriff mit seinen Armen abzuwehren, denn hier hatte Sasuke besonders viele Treffer erzielt. Genauso an seinem Rücken, der gespickt war mit Metallstäben. Sein Atem ging keuchend.

 

Wie von der Tarantel gestochen rannte Sakura zu der Holztür hinter der sich das Treppenhaus befand und stürmte nach unten in die Halle. Sie ging sofort auf Sasuke los.

 

„Bist du eigentlich bescheuert?“, sie schleuderte ihm jedes Wort einzeln entgegen, sodass der Satz abgehackt klang. „Das ist dein Bruder, du Idiot!“

 

Sie stieß ihn mit voller Wucht gegen die Brust und er war viel zu verdutzt, um rechtzeitig zu reagieren. Er taumelte ein paar Schritte rückwärts, bevor er sein Gleichgewicht wieder fand. Sofort griff er nach ihren Handgelenken und hielt sie fest, um sie an einem weiteren Angriff zu hindern.

 

„Misch dich nicht in unser Training ein“, zischte er.

 

Sie wand sich aus seinem Griff und er ließ sie gewähren, obwohl es vermutlich ein leichtes für ihn gewesen wäre, sie zu fixieren. Doch anstatt erneut auf Sasuke loszugehen, ging sie nun eilig auf Itachi zu, der noch immer am Boden kniete.

 

„Es geht schon“, beschwichtigte er sie. „Ich brauch nur einen kurzen Moment.“

 

Sie legte sich seinen Arm um die Schulter und half ihm dann aufzustehen.

 

„Ich bring dich ins Krankenzimmer!“, verkündete sie.

 

„Nein, nein!“, widersprach er. „Schon okay. Ich kann das verkraften.“

 

Er versuchte sich an einem Lachen, bekam stattdessen jedoch einen Hustenanfall und musste noch stärker von Sakura

gestützt werden. Wütend funkelte sie Sasuke an, der nur dastand und die Situation beobachtete. Er schien zufrieden mit sich zu sein.

 

„Geh mir bloß aus dem Weg“, fauchte sie.

 

Gemeinsam mit Itachi, den sie noch immer stützte, durchquerte sie die Halle. Als die beiden an Sasuke vorbeikamen, griff Itachi nach seinem Arm.

 

„Du hast ihn bemerkt, oder?“, fragte er keuchend.

 

Seine Stimme war voller Stolz und Anerkennung, gleichzeitig aber auch ein wenig neugierig. Offenbar war er im Gegensatz zu Sakura kein Stück weit sauer auf seinen Bruder.

 

„Schon lange“, antwortete Sasuke.

 

Sein Blick wanderte wieder nach oben zur Empore. Zu mir.

 

„Das… war brillant“, keuchte Itachi. Sasuke grinste.

-10-

 

Itachi saß auf einer Liege im Krankenzimmer und sah schon wieder deutlich fitter aus, als vorhin noch. Das konnte zum einen daran liegen, dass die Farbe wieder in sein Gesicht zurückgekehrt war, zum anderen mochte die Tatsache, dass keine Ausleiter mehr in seinem Körper steckten, einen nicht unwesentlichen Teil dazu beitragen. Dennoch waren die Schrammen an Händen und Nacken, die nicht durch sein Sweatshirt bedeckt waren, deutlich zu erkennen.

 

„Wie geht’s dir?“, fragte ich vorsichtig.

 

„Alles Bestens“, versicherte er. „Da hat Sasuke mich wohl erwischt.“

 

Lachend deutete er auf die vielen Schrammen.

 

„Hör auf das so runterzuspielen“, schimpfte Sakura und senkte dann abrupt ihre Stimme, als ihr wieder einfiel, dass es wohl besser wäre, wenn niemand uns bemerkte. „Er hätte das nicht tun dürfen.“

 

Ich hatte darauf bestanden, zu Itachi zu gehen, da ich mich selbst davon überzeugen wollte, dass es ihm gut ging. Da sich derzeit außer ihm niemand im Krankenzimmer befand, hatte sie zugestimmt und wir waren das Risiko eingegangen. Er freute sich sichtlich über unseren Besuch.

 

„Sakura“, sagte Itachi sanft. „Hör du auf, ihn zu verurteilen. Er hat genau das getan, was ich von ihm wollte – er hat sein Bestes gegeben und jeden bekämpft, der ihn angegriffen hat. Etwas anderes würde ich von meinem kleinen Bruder auch nicht erwarten!“

 

Ärgerlich zog sie die Augenbrauen zusammen.

 

„Er hat dich aus dem Hinterhalt angegriffen!“

 

„Genau das gleiche habe ich auch gemacht“, entgegnete er lachend. „Nur weniger erfolgreich als er. Wie Sasuke schon richtig gesagt hat, ich hätte meine Umgebung nicht aus dem Blick lassen dürfen. Meine ganze Umgebung. Ich war so überzeugt davon, dass ich ihn kriegen würde!“

 

Wenn er über das Training sprach, klang es fast wie ein lustiges Spiel unter Brüdern, eine kleine bedeutungslose Rivalität. Die Tatsache, dass Sasuke ihn ohne zu zögern verletzt hatte, schien er entweder völlig verdrängt zu haben, oder aber es war ihm egal.

 

„Was genau ist da eigentlich passiert?“, wollte ich wissen. „Wieso hat er dich angegriffen?“

 

Ich musterte Itachi. Sein Lachen, mit dem er die Situation herunterzuspielen versuchte. Die Art wie er sich immer wieder über die Schrammen an seiner Hand strich. Der Stolz in seiner Stimme, wenn er von Sasuke sprach.

 

„Genau genommen habe ich ihn zuerst angegriffen. Sogar mehr oder weniger ernsthaft“, gab er zu. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das bereits mit eingeplant hatte. Von dem Moment an, als er dich bemerkt hat.“

 

„Mich?“, wiederholte ich.

 

Er nickte.

 

„In dem Moment, als du seinen Namen gerufen hast, wusste er, dass ihr auf der Empore seid“, erklärte er. „Ich hab dem Ganzen keinerlei Bedeutung gegeben – Mein Fehler. Und er hat es einfach nur ausgenutzt. Ich an seiner Stelle hätte das Gleiche getan.“

 

Nur mühsam konnte ich mir einen Kommentar verkneifen. Zwar kannte ich die beiden noch nicht besonders lange, doch ich glaubte mit Sicherheit sagen zu können, dass dem nicht so war. Immer wieder rief ich mir Sasukes triumphierenden Blick ins Gedächtnis, kurz bevor er seinen Bruder angegriffen hatte. Das war auch keine Verteidigungshandlung gewesen, er hatte einfach beweisen wollen, dass er der Stärkere war.

 

„Wir trainieren zusammen seit Sasuke sieben Jahre alt ist. Ich wusste schon immer, dass ich später mal Lehrer an der Akademie werden will und er war mein Übungsobjekt. Seitdem habe ich versucht, ihm alles beizubringen, was ich weiß. Er war noch nicht mal dazu in der Lage Chakra zu kontrollieren, aber bis zur Aktivierung wusste er alles darüber.“

 

Ich konnte nicht verhindern, dass ich an mein Gespräch mit Sarutobi zurückdenken musste. Etwas Ähnliches hatte er auch über meine Mutter gesagt.

 

„Er war der beste Schüler, den ich jemals hatte. Nun gut...“-  er schmunzelte – „…vielleicht bin ich in der Hinsicht auch ein wenig parteiisch, weil er mein Bruder ist. Trotzdem hat er schon immer hart trainiert und er musste auch schon einiges einstecken. Er hat sich immer die härtesten Trainingspartner ausgesucht, weil er der Meinung war, dass er an ihnen am besten wachsen kann. Er hat auch mich immer wieder herausgefordert und ich muss zugeben, dass ich nicht gerade zimperlich mit ihm war. Es ist also ganz einfach unsere Art, im Training alles zu geben, um den anderen zu schlagen. Da ist er nicht schlimmer als ich und ich bin umgekehrt nicht rücksichtsvoller als er.“

 

„Also hast du ihn rücksichtslos angegriffen?“, ich konnte nicht anders als die Frage albern klingen zu lassen.

 

Im Gegensatz dazu, war seine Stimme jedoch vollkommen ernst.

 

„Ja das habe ich“, bestätigte er. „Ich hab ihn mit den Puppen müde gemacht – mittlerweile  kann ich seine Fähigkeiten und Ausdauer ganz gut einschätzen – und ich wusste, dass er sie irgendwann alle ausschalten würde. Diesen Zeitpunkt wollte ich nutzen, um ihn selbst anzugreifen. Ich war mir sicher, dass seine Kraft durch den Rundumschlag aufgebraucht sein würde und auch dass er nicht mit einem direkten Angriff durch mich rechnet. Also hab ich mich an ihn herangeschlichen, als er seine Deckung vernachlässigt hat.“

 

Das Flimmern hinter Sasukes Rücken, das ich zunächst für eine Einbildung gehalten hatte, das war also Itachi gewesen. Er war es auch gewesen, der ihm den Ausleiter in den Rücken gerammt und ihn somit zu Boden gebracht hatte. Aber hatte er ihn tatsächlich zu Boden gebracht? Oder war Sasuke mit Absicht gefallen? Ich musste an das triumphierende Lächeln auf seinen Lippen denken, als er nach oben zur Empore gesehen hatte.

 

„Du bist durch dieses Flimmern so nah an ihn rangekommen“, vermutete ich. „Ist das so etwas wie eine Barriere?“

 

Itachi schien überrascht zu sein, dass ich das Flimmern bemerkt hatte.

 

„Nein, nicht ganz“, widersprach er. „Eine Barriere besteht aus reinem Chakra und lässt sich weder von Menschen noch von Wächtern durchdringen. Das Flimmern, das du gesehen hast, ist durch Bewegung entstanden. Enge Verwandte haben oftmals ähnliche Fähigkeiten – und so ist es auch bei Sasuke und mir. Unsere Fähigkeiten basieren jeweils auf Bewegung. Allerdings ist sein Wirkungsbereich um einiges größer als meiner. Sasuke manipuliert Bewegungen von Gegenständen und Personen auf beliebige Art und Weise. Meine Fähigkeit ist da etwas… spezieller.“

 

Er hatte eine Weile gebraucht, bis er das passende Wort gefunden hatte.

 

„Was heißt spezieller?“, wollte ich wissen.

 

Unter spezieller konnte ich mir persönlich noch nicht besonders viel vorstellen. Spezieller konnte vieles bedeuten, insbesondere wenn es um Bewegungen ging. Sasukes Fähigkeit war meiner Meinung nach schon sehr speziell, soweit ich so etwas überhaupt beurteilen konnte. Immerhin hatte ich in meinem Leben noch nicht besonders viele Wächter kennengelernt, geschweige denn deren Fähigkeiten. Mir fiel auf, dass ich noch nicht einmal wusste, was für eine Fähigkeit Kakashi beherrschte und mit dem hatte ich immerhin den Großteil meines bisherigen Lebens verbracht. Was also meinte Itachi mit speziell?

 

„Ich bewege ausschließlich Personen und das auch immer auf die gleiche Art und Weise. Meine Bewegung ist mehr eine Vibration, aber sie ist so schnell, dass die Person mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbar ist. Ich mache Menschen also gewissermaßen unsichtbar.“

 

Zunächst einmal war ich baff. Unsichtbar. Der Traum unzähliger Kinder und mit Sicherheit auch einiger Erwachsener. Auch ich selbst hatte mir schon gefühlte tausend Male ausgemalt, was ich machen würde, wenn ich einen Tag lang unsichtbar sein könnte. Insbesondere hätte ich mich wohl vor Kakashi versteckt, Reißaus genommen und den ganzen Tag lang gemacht, worauf ich Lust hatte. Eine echte Superheldenkraft.

 

„Das heißt, du hast dich selbst so schnell bewegt, dass Sasuke dich nicht mehr sehen konnte, hast dich dann an ihn herangeschlichen und dieses Flimmern, das ich gesehen habe, kam von der Vibration?“, fragte ich fasziniert.

 

„Ich hab kein Flimmern gesehen!“, warf Sakura ein.

 

„Es ist auch ungewöhnlich, dass Naruto es bemerkt hat“, lobte Itachi. „Wie gesagt, normalerweise sind Personen, die ich bewege mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbar.“

 

Wenn ich ehrlich war, war ich mir ja zunächst auch nicht sicher gewesen, ob ich tatsächlich etwas gesehen hatte. Zudem war mir das Flimmern auch erst aufgefallen, nachdem sich die Ausleiter alle auf ihr Ziel gerichtet hatten.

 

„Aber ich dachte, Sasuke kann Bewegungen spüren?“, gab Sakura zu bedenken.

 

Itachi lachte und senkte ertappt den Blick. Es schien ihm peinlich zu sein, dass er etwas so wichtiges außer Acht gelassen hatte.

 

„Das ist richtig. Aber nicht nur die Fähigkeiten von Verwandten ähneln sich oft sehr stark – auch ihr Chakra ist manchmal nahezu identisch. Das ist auch der Grund, warum Geschwister und enge Verwandte Chakra an den jeweils anderen übertragen können. Diese Verbindung ist einzigartig. Normalerweise gibt es keine Möglichkeit Chakra direkt von Wächter zu Wächter zu übertragen – deswegen wurden ja die Ausleiter entwickelt.“

 

Für mich war das alles neu, Sakura schien diese Info nicht zum ersten Mal zu hören und winkte ungeduldig ab.

 

„Und was hat das damit zu tun, dass du versucht hast, dich an Sasuke heranzuschleichen?“

 

Itachi zuckte mit den Schultern.

 

„Er spürt die Bewegungen nicht, die ich mit meinem Chakra verursache, weil es seinem eigenen zu ähnlich ist. Es ist sozusagen eine natürliche Bewegung für ihn, die er nicht gesondert wahrnimmt. Das heißt, ich bin eigentlich der einzige, dem es gelingt, sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen – und eventuell Naruto.“

 

„Ich?“, fragte ich verblüfft.

 

Soweit ich wusste, war ich nicht einmal entfernt mit Sasuke verwandt.

 

„Er bezieht sein Chakra von dir“, erinnerte mich Sakura. „Dementsprechend ist es bei euch wirklich zu einhundert Prozent identisch.“

 

Itachi nickte bestätigend.

 

„Oh“, ich musste zugeben, dass das irgendwie Sinn machte.

 

Abgesehen davon, dass ich sowieso niemals dazu imstande sein würde, Sasuke aus dem Hinterhalt anzugreifen. Nach dem was ich heute beim Training gesehen hatte, würde vermutlich alleine der Versuch für mich äußerst schnell und äußerst schmerzhaft enden.

 

„Das ist übrigens auch der Grund, warum die Übertragung von Chakra nur zwischen einem Wächter und seinem Menschen so mühelos abläuft“, fügte Itachi noch hinzu. „Es muss völlig identisch sein, damit das klappt.“

 

Je ähnlicher Chakra also war, desto leichter ließ es sich übertragen und desto schwerer ließ es sich lokalisieren. Das also war der Grund, weshalb Itachi so nahe an Sasuke herankommen konnte, ohne dass der etwas bemerkt hatte. Der Treffer war dementsprechend tatsächlich aus dem Hinterhalt gekommen. Doch irgendetwas ließ mich an dieser Version zweifeln. Ich erinnerte mich nur zu gut an Sasukes Blick, als er schließlich den Kopf gehoben und zur Empore hinauf geschaut hatte. Als hätte er genau darauf gewartet, dass Itachi ihn von hinten angreifen würde. Zweifellos hatte er es gewusst.

 

„Aber er hat dich bemerkt“, stellte ich fest. „Sasuke, meine ich.“

 

Itachi blickte einen Moment lang nachdenklich aus dem Fenster.

 

„Ja, das hat er. Beziehungsweise, er hat wohl vorausgesehen, was ich tun würde und hätte es im Normalfall wohl rechtzeitig verhindert. In diesem Fall aber“ – er sah mich nun direkt an –„hat er es als Gelegenheit für den perfekten Gegenschlag gesehen, weil du da warst. Und während ich der festen Überzeugung war, dass alles nach Plan läuft, ist in Wirklichkeit alles nach seinem Plan gelaufen. Ich kann vor meinem kleinen Bruder nur den Hut ziehen.“

 

Er konnte den Stolz, den er empfand nicht verbergen und lächelte stattdessen verhalten.

 

„Und sein Plan war, dich hinterhältig und mit viel zu viel Kraft anzugreifen. Das hätte man auch weniger brutal regeln können“, fuhr Sakura dazwischen.

 

„Er wollte nun mal seine Grenzen austesten und dafür ist das Training ja da“, widersprach Itachi, sein Blick wurde mit einem Mal wieder ernst. „Nicht mehr lange und ihr werdet mit ernsthaften Gegnern konfrontiert, die ebenfalls nicht lange fackeln und bei denen vielleicht sogar viel zu viel Kraft zu wenig sein kann. Mir ist es lieber, er geht im Training bis an seine Grenzen, um sie zu überwinden, als dass er im falschen Moment dagegen stößt. Das könnte euch allen womöglich das Leben kosten.“

 

Man merkte ihm sofort an, dass das ein Thema war, das ihn sehr stark beschäftigte. Ich fragte mich, wie viel Schlaf es ihn womöglich bereits gekostet haben mochte, über die zukünftigen Herausforderungen nachzudenken, mit denen sein kleiner Bruder bald konfrontiert werden würde. Die Doppelbelastung, die er als Bruder und Lehrer trug, war sicher schon nicht einfach zu bewältigen. Wieviel Kummer hatte ich Itachi möglicherweise schon bereitet, ohne auch nur das Geringste davon zu ahnen?

 

„Außerdem war ihm vielleicht gar nicht bewusst, wieviel Kraft er freisetzt“, verteidigte er seinen Bruder. „Wie gesagt, ich kenne seine Fähigkeiten, seine Ausdauer und auch seine Chakrareserven. Normalerweise wäre er längst an einem Punkt angelangt, wo er solche großflächigen Angriffe nicht mehr ausführen kann. Deswegen hat er mich auch so nah an sich herangelassen – das musste er tun, um sicherzustellen, dass er mich am Ende auch trifft. Wäre ich dort geblieben, wo ich am Anfang unseres Trainings stand, hätte ich mich außerhalb seines Angriffsradius befunden.“

 

Also war es tatsächlich Absicht gewesen, genau wie ich es vermutet hatte. Er hatte einen kleinen Schlag eingesteckt, um anschließen mit einem viel größeren Schlag den endgültigen Konter auszuführen. Aber Itachi hatte auch das mit in seine Überlegungen einbezogen. Schließlich hatte er sich ihm erst genähert, nachdem er sich sicher war, dass der Großteil seiner Reserven aufgebraucht war.

 

„Warum war sein Chakra dann nicht aufgebraucht?“, fragte ich.

 

Je länger ich Itachi zuhörte, desto mehr konnte ich ihn mir in seiner Position als Lehrer vorstellen. Nicht nur im Training – denn das hatte ich ja heute bereits beobachten können – sondern viel mehr auch im Unterricht. Dass an der Akademie auch Theorie gelehrt wurde, hatte er mir bereits erzählt.

 

„Der Chakrafluss zwischen einem Menschen und seinem Wächter ist nicht immer konstant. Die Übertragung an sich kostet keinerlei Anstrengung, anders als bei der Übertragung durch Ausleiter oder auch durch Verwandte, aber die Menge an Chakra, die übertragen wird, kann ganz unterschiedlich sein. Und das ist unter anderem abhängig von der Distanz zwischen einem Menschen und seinem Wächter. Jetzt muss man wissen, dass Sasuke schon von Grund auf über sehr viel Chakra verfügt. Als er aber gesehen hat, dass du dich auch noch in unmittelbarer Nähe befindest, wusste er, dass er sein Limit ohne Probleme weit übersteigen kann.“

 

Je ähnlicher sich Chakra war, desto leichter ließ es sich übertragen. Je näher man sich war, desto mehr ließ sich übertragen. Und scheinbar war ich eine regelrechte Chakra-Schleuder, wovon Sasuke in diesem Moment schamlos profitiert hatte.

 

„Also hat er mein Chakra genutzt, um dich anzugreifen?“, fasste ich meine Gedankengänge zusammen.

 

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich ihm gegenüber schuldig. Ich hatte Sasukes Angriff gesehen, hatte die Wucht gesehen, mit der die Ausleiter auf Itachi niedergeprasselt waren. Es war ihm nicht einmal mehr möglich gewesen, seine Vibration weiter aufrechtzuerhalten. Er war an Ort und Stelle zusammengebrochen und hatte ohne Sakuras Hilfe nicht mehr aufstehen können. Und das alles war mit meinem Chakra geschehen. Es fühlte sich fast so an, als hätte ich Sasuke bei seinem Angriff aktiv geholfen. Er hatte mich für seinen Angriff ausgenutzt und ich hatte nichts dagegen tun können.

 

„So kann man es sagen“, bestätigte Itachi. „Durch meinen Angriff habe ich ihm meine genaue Position verraten und ihm Gelegenheit gegeben, genügend Chakra aufzunehmen. Er ist dir ja praktisch direkt vor die Füße gefallen.“

 

Wieder tauchte das Bild vor meinem geistigen Auge auf. Sasuke wie er am Boden der Halle zusammengesunken war und sich nach vorne mit beiden Händen abstützte. Er war mir so verletzlich vorgekommen und ich hatte in diesem Moment mit ihm gelitten, hatte Angst um ihn gehabt. Alles nur Show. In Wirklichkeit hatte er die Situation jede einzelne Sekunde lang im Griff gehabt. Sein triumphierendes Lächeln hatte ihn verraten. Und sein Triumph war ich gewesen.

 

„Er ist… brillant“, gab Sakura widerwillig zu. „Brillant, aber trotzdem ein eiskalter Arsch. So schonungslos seinen eigenen Bruder anzugreifen…“

 

Ungläubig schüttelte sie den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schien noch immer nicht gewillt, ihm den Angriff auf Itachi zu verzeihen, selbst wenn der wie ein Topanwalt für ihn in die Bresche sprang.

 

„Du solltest nicht vergessen, dass ich auch noch sein Lehrer bin, Sakura. Als Lehrer war ich schon immer streng zu ihm und ich habe schon immer von ihm erwartet, dass er in jedem Training alles gibt. Wenn ich dem nichts mehr entgegenzusetzen habe, zeigt das nur, dass ich als Lehrer Erfolg hatte.“

 

Ich musste zugeben, dass ich seine Argumentation sogar teilweise nachvollziehen konnte, auch wenn es mir schwer fiel. Die Bilder des Trainings hatten sich tief in meine Netzhaut gebrannt und ließen sich kaum aus ihrem brutalen Kontext reißen.

 

„Ich fühle mich trotzdem irgendwie… ausgenutzt“, sagte ich leise.

 

Itachi lächelte.

 

„Das musst du nicht. Immerhin tut er das alles nur, um dich zu schützen.“

 

Mein persönlicher Eindruck war ein anderer. Auf mich wirkte Sasuke wahnsinnig ehrgeizig und ich hatte das Gefühl, dass er in diesem Moment uns allen seine Stärke hatte beweisen wollen. Er hätte jeden anderen Trainingspartner wählen können, aber er trainierte mit Itachi. Mit Sicherheit war auch ihm nicht entgangen, dass der jedes Mal vor Stolz fast platzte, wenn er über die Fähigkeiten seines kleinen Bruders sprach. Ich wagte einen letzten klitzekleinen Kritikversuch.

 

„Du bist aber keine Gefahr für mich.“

 

Itachi schmunzelte. Der Gedanke daran, dass er eine Gefahr für mich darstellen könnte, amüsierte ihn sichtlich und hier konnte ich ihn nur allzu gut verstehen. In der kurzen Zeit war er mir bereits unheimlich ans Herz gewachsen, er war so etwas wie meine Bezugsperson in der Welt der Wächter. Er war so erfrischend normal und strahlte dadurch etwas Vertrautes aus. Der Gedanke daran, dass ausgerechnet er mir gefährlich werden könnte, war absurd.

 

„Das nicht, aber ich bin sein Trainingspartner und dafür verantwortlich, dass er sich weiterentwickelt. Jeder Lehrer hat da seine eigenen Methoden“, wieder einmal schmetterte er jegliche Vorwürfe gegen Sasuke ab. Schwungvoll hüpfte er von der Liege. „Und jetzt hört auf, euch darüber so einen großen Kopf zu machen, mir geht es schon viel besser.“

 

-11-

 

Itachis Fähigkeit hatte durchaus ihre Vorteile, wie ich nur einen Tag später bereits feststellen durfte. Mittlerweile ging es ihm schon deutlich besser und er hatte mir vorgeschlagen, ihn bei seinem Auftrag zu begleiten, für den er in ein nahegelegenes Wächterdorf fahren musste. Die Tatsache, dass es ganze Dörfer nur für Wächter gab, fand ich bereits unglaublich spannend. Gekoppelt mit der Möglichkeit, die tristen Wände meines Zimmers für einen Nachmittag hinter mir zu lassen, gab es für mich gar keine Wahl mehr. Meine Entscheidung, ihn zu begleiten, stand sofort fest.

 

Gleichzeitig hatte seine Fähigkeit jedoch auch ihre Nachteile. Itachis Vibrationen hatten zwar dafür gesorgt, dass ich für alle anderen unsichtbar blieb, gleichzeitig jedoch war mir von ihnen so schlecht geworden, dass ich mich am liebsten noch während der Fahrt aus dem Fenster gelehnt hätte, um mich zu übergeben. Meine Beine fühlten sich schwach und wackelig an und ich musste mich beim Aussteigen mit einer Hand am Autodach abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Tief saugte ich die frische Luft ein. Dieser Moment entschädigte mich schlagartig für die Strapazen der Fahrt und auch wenn mir noch immer schlecht war, genoss ich es, mitten auf einer Straße zu stehen. Die letzten Tage in der Akademie hatten mir mehr und mehr die Luft abgeschnürt.

 

Das Dorf war nicht besonders groß und bestand hauptsächlich aus kleinen Fachwerkhäusern. Die Straßen waren verhältnismäßig eng und die Gehsteige schmal. Wir gingen über den großen gepflasterten Platz in der Mitte, vorbei an einigen Geschäften und bogen schließlich in eine kleine Gasse ab, die uns zu dem Laden führte, in dem Itachi für den Schulleiter ein Paket abholen sollte. Über der Tür hing ein großes Schild, auf dem in großen, verschnörkelten Lettern Chakrabedarf für Fortgeschrittene – Inhaber Orochimaru stand.

 

Im Schaufenster waren einige Puppen aufgestellt, doch sie trugen keine Kleidung, sondern erinnerten mich stark an die, mit denen Sasuke gestern trainiert hatte. Das Schaufenster wurde mehr schlecht als recht von ein paar schummrigen, schmutzigen Strahlern ausgeleuchtet und obwohl die Sonne heute vom blauen Himmel leuchtete, drang ihr Licht nicht wirklich bis in die kleine Gasse vor.

 

„Sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte ich vorsichtshalber nochmal nach.

 

Aus irgendeinem Grund kam mir dieser Laden suspekt vor.

 

„Absolut sicher.“

 

Das Läuten einer Glocke ertönte, als Itachi ohne zu Zögern die Tür aufschob. Der Laden war nicht besonders groß und auch nicht besonders hell. Aus einem Hinterzimmer hinter der Ladentheke aus dunklem Holz, kam ein großgewachsener Mann mit langen schwarzen Haaren. Vermutlich handelte es sich um den Besitzer. Orochimaru. Sein Gesicht war blass und schmal und er trug einen seltsamen Mantel. Doch nicht nur das war seltsam. Seine gesamte Ausstrahlung war irgendwie unheimlich. Eine Zeit lang sprangen seine hellgrünen Augen zwischen uns hin und her, dann fixierten sie schließlich Itachi.

 

„Itachi“, sagte er mit schnarrender Stimme und setzte ein künstliches Lächeln auf. „Ich dachte, du würdest erst morgen vorbeikommen.“

 

In einer fließenden Bewegung öffnete er eine Schublade unter der Verkaufstheke und zog einen zusammengefalteten Zettel heraus. Er sah abgegriffen aus, als hätte man ihn bereits mehrmals zusammen und wieder auseinandergefaltet. Mit seinen langen, dünnen Fingern strich er das Papier glatt und schien eine Art Liste durchzugehen, die er sich auf dem Zettel notiert hatte.

 

„Es ist alles da, was du bestellt hast“, stellte er dann fest. „Allerdings habe ich dir die Kräuter noch nicht zusammengepackt. Es wird eine Weile dauern, bis ich alles zusammengesucht habe.“

 

Itachi winkte ab.

 

„Wir sehen uns einfach um, solange du zu tun hast. Bloß keine Eile.“

 

Orochimaru warf mir einen abschätzenden Blick zu.

 

„Macht mir bloß nichts kaputt!“, mahnte er dann.

 

Ohne sich noch einmal umzudrehen, schlüpfte er durch die Tür in das kleine Hinterzimmer, aus dem ein schummriges grünes Licht drang. Wenn ich es mir genau überlegte, wollte ich gar nicht wissen, was der Kerl dort hinten trieb.

 

„Tut mir Leid“, Itachi lächelte entschuldigend. „Er wirkt manchmal ein wenig gruselig, aber er ist großartig, wenn es darum geht seltene Gegenstände oder Kräuter aufzutreiben. Sarutobi vertraut ihm zu einhundert Prozent. Sieh dich hier ruhig ein wenig um.“

 

Unschlüssig betrat ich den kleinen Gang, der zwischen zwei Regalen in den hinteren Bereich des Ladens führte. Überhaupt schien es hier sehr viele Schränke zu geben, die das Licht, das von der Decke kam, abschirmten und richtiggehend verschluckten. Einige von ihnen waren über und über mit Büchern gefüllt, die teilweise sehr alt aussahen, teilweise aber auch wie frisch gedruckt.

 

Neugierig wanderte ich an den Regalen entlang und studierte die unterschiedlichen Titel. Die meisten ließen darauf schließen, dass sich das Buch mit dem Thema Chakra befasste. Es gab aber auch einige, die einen deutlichen Bezug zur Akademie oder anderen Ausbildungsstätten zu haben schienen. Am liebsten hätte ich eines von ihnen herausgezogen und darin geblättert, doch ich hatte das dumpfe Gefühl, dass Orochimaru das absolut nicht gutheißen würde.

 

Stattdessen ging ich also um die Regale herum und stand vor einer großen Glasvitrine mit mehreren Fächern. Im Gegensatz zum Rest des Raumes, war sie perfekt ausgeleuchtet und die Scheiben waren erst vor kurzem geputzt worden. Sofort war mein Interesse geweckt. Ich trat einen Schritt näher an die Vitrine und spähte hinein. Im obersten Fach lag eine goldene Brosche, auf der ein Rabe abgebildet war, der seinen Kopf neugierig zur Seite legte. Die Brosche wirkte sehr alt und wertvoll, was wohl erklärte, weshalb sie sich in dieser Vitrine befand.

 

Im Fach darunter lagen, in mehreren kleinen Schächtelchen aufgereiht, ein verbogener Nagel, ein einzelner Knopf, eine Nagelfeile, ein seltsam geformtes Stück Metall und noch viele weitere Gegenstände, die auf den ersten Blick keinerlei Wert zu besitzen schienen. Einzig und allein ein paar Perlenohrringe stachen aus diesem Krimskrams heraus. Ich fragte mich, warum sie gemeinsam in der Vitrine aufbewahrt und ausgestellt wurden.

 

Im untersten Fach standen verschieden große und unterschiedlich dicke, schwarze Kerzen. Bei einigen war der Docht bereits schwarz, was darauf schließen ließ, dass sie schon mal angezündet worden waren. Zudem sah es so aus, als hätte irgendjemand etwas in das dunkle Wachs geritzt. Ich beugte mich ein wenig näher vor, um besser erkennen zu können, um was es sich dabei handelte, als plötzlich ein stechender Schmerz meine Stirn durchzuckte. Ich schrak sofort zurück. Der Schmerz war nur für den Bruchteil einer Sekunde da gewesen, doch nun spürte ich deutlich ein dumpfes Dröhnen in meinem Kopf, dass sich immer weiter auszubreiten schien. Was war das?

 

„Ah, du interessierst dich für die Chakraspeicher?“

 

Die Stimme war wie aus dem Nichts gekommen und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Orochimaru bereits zurückgekehrt war und direkt neben mir stand, die Hände in den Taschen seines seltsamen Mantels. Fast schon sehnsüchtig betrachtete er ebenfalls den Inhalt der Glasvitrine.

 

„Nichts für ungut Junge, aber das ist nichts, was du dir leisten könntest“, säuselte er und ich hörte, wie in seiner Stimme ein gewisser Stolz mitschwang. 

 

„Ich habe sie mir nur angesehen“, entgegnete ich sofort abwehrend.

 

Er schnaubte belustigt und deutete dann auf einen kleinen Tisch neben der Ladentheke.

 

„Das hier dürfte wohl eher deine Preisklasse sein.“

 

Dann schlurfte er behäbig in Richtung Kasse, wo Itachi bereits auf ihn wartete. In der Hand hielt er ein großes verschnürtes Paket. Ich folgte Orochimaru und ging dann tatsächlich zu dem kleinen Tischchen, auf das er gedeutet hatte. Schon auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass die Sachen, die darauf lagen, nicht mal annähernd den Wert der Objekte aus der Vitrine hatten. Es waren wild durcheinander geworfene Gegenstände, die scheinbar keinerlei Gemeinsamkeiten zu haben schienen, weder in ihrer Funktion noch in ihrem Aussehen. Orochimaru hatte sie vorhin als Chakraspeicher bezeichnet.

 

„Was sind Chakraspeicher?“, raunte ich Itachi zu.

 

Ich wollte auf keinen Fall, dass der Ladenbesitzer meine Frage mitbekam. Der Typ war mir nicht ganz geheuer und vielleicht war es besser, wenn er nicht wusste, dass ich mich mit all dem Zeug hier kein bisschen auskannte.

 

„Ein Chakraspeicher kann im Prinzip alles sein“, erklärte Itachi. „Jedes Objekt, das so bearbeitet wurde, dass es von einer beliebigen Person Chakra speichern und bei Bedarf auch wieder abgeben kann.“

 

„Also können diese Dinger alle Chakra speichern?“

 

Ich betrachtete die Auslage auf dem Tisch und meine Augen blieben an einem bestimmten Gegenstand hängen. Es war eine kleine silberne Taschenuhr, die meine Aufmerksamkeit wie magisch anzog. Ich konnte nicht sagen, woran es lag, doch sie hatte irgendetwas Besonderes. Das Gehäuse war geöffnet worden, sodass der Blick auf das Ziffernblatt mit den verschnörkelten Zahlen in römischen Buchstaben und den verschlungenen Zeigern freigegeben war. Die Uhr war an einer groben silbernen Kette befestigt, deren Ende irgendwo in dem Haufen aus Chakraspeichern verschwunden war.

 

„Sie können alle Chakra speichern, aber die hier taugen nichts“, Itachi lachte. „Das bisschen Chakra, was da drin steckt, reicht nicht mal für eine Stunde. Die richtig guten Speicher sind da drüben in der Vitrine.“

 

Dass ich mir die nicht leisten konnte, hatte mir Orochimaru bereits unmissverständlich klar gemacht. Allerdings ging es mir ja auch gar nicht darum, besonders viel Chakra zu speichern.

 

„Was kosten die hier?“, erkundigte ich mich und deutete auf den Tisch.

 

Orochimaru betrachtete mich eine Zeit lang lauernd und runzelte die Stirn, als müsste er zunächst überlegen.

 

„Unterschiedlich“, entgegnete er dann mit öliger Stimme. „Kommt darauf an, was du willst.“

 

Ich griff nach der silbernen Taschenuhr und zog sie aus dem Stapel. Das Metall fühlte sich kühl auf der Haut an und die Kette hatte sich an einem rosafarbenen Porzellanbecher verhakt.

 

„Fünfzig.“

 

„Fünfzig?“, wiederholte Itachi ungläubig. „Das ist viel zu viel für so ein unnützes Teil!“

 

„Wenn er sie haben will, muss er zahlen“, beharrte Orochimaru und leckte sich einmal provozierend über die Lippen.

 

Mir war klar, dass die Taschenuhr wohl niemals so viel wert sein konnte, doch ich hatte mich bereits entschieden. Im ersten Moment, als ich sie gesehen hatte, hatte ich bereits gewusst, dass ich sie haben wollte. Itachi runzelte verärgert die Stirn.

 

„Ist schon okay“, besänftigte ich ihn schnell. „Das ist es mir wert.“

 

Orochimaru grinste zufrieden. Wenn ich ehrlich war, wollte ich jetzt so schnell wie möglich hier weg, denn der Kerl war mir noch immer sehr suspekt und mehr als unsympathisch. Zudem hatte ich das Gefühl, dass meine Kopfschmerzen mit jeder Minute, die wir hier an der Theke standen, stärker wurden.

 

„Dann brauch ich nur noch deine Sondergenehmigung für das Zeug hier“, Orochimaru tippte gegen das verschnürte Paket. „Du weißt ja, ich darf dir das nicht einfach so mitgeben.“

 

Itachi reichte ihm wortlos ein offiziell aussehendes Blatt Papier. Ich konnte nicht erkennen, was darauf stand, doch am unteren Ende prangte ein großer Stempel, der mich irgendwie an das Wappen der Akademie erinnerte. Es schien ihm gründlich die Stimmung verhagelt zu haben. Wortlos schnappte er sich das Paket und ich folgte ihm hinaus in die kleine düstere Gasse und zurück zu seinem Auto.

 

Der Rückweg verlief weitestgehend schweigend, doch diesmal war es ganz in meinem Sinne, da ich mich so besser darauf konzentrieren konnte, mich nicht zu übergeben. Als schließlich die vertrauten Umrisse der Akademie vor uns auftauchten, wurde ich ein bisschen wehmütig. Ab jetzt hieß es dann wohl wieder, sich im Zimmer zu verstecken. Dennoch hatte ich den kurzen Ausflug in die Freiheit sehr genossen. Itachi begleitete mich noch bis zum Gästeflügel, dann hob er seine Fähigkeit auf und verabschiedete sich von mir. Ein letztes Mal atmete ich tief durch. Hier endete also meine kleine Exkursion. Ohne das Licht anzumachen, tapste ich halb blind in das Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

 

„Na, hattest du einen schönen Tag?“

 

Erschrocken fuhr ich herum. Durch das Fenster fiel fahles Mondlicht, sodass ich an meinem Schreibtisch eine Gestalt erkennen konnte.

 

„Sasuke, was machst du hier?“, fragte ich überrascht.

 

Mein Herz pochte wie wild vor Schreck, da ich im ersten Moment mit dem Schlimmsten gerechnet hatte. Die Kopfschmerzen, die mich die ganze Zeit über im Laden geplagt hatten, waren zwar besser geworden, doch man konnte nie wissen.

 

„Die Frage ist wohl eher, was du außerhalb der Akademie machst?“, stellte Sasuke die Gegenfrage.

 

Seine Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Das Mondlicht ließ ihn irgendwie unheimlich wirken, wie er da auf dem Schreibtisch thronte. Den Rücken an die Wand neben dem Fenster gelehnt, ein Bein angewinkelt und das andere ausgestreckt. Die Arme hatte er fest vor der Brust verschränkt und sein Blick schien noch kälter zu sein als sonst. Ich schluckte und suchte fieberhaft nach einer Antwort, die ihn besänftigen würde.

 

 

-12-
 

„Ich war mit Itachi unterwegs. Wir haben… ein Paket abgeholt.“
 

Wie automatisch fuhr meine rechte Hand in meine Hosentasche und umschloss die kleine silberne Taschenuhr. Sie fühlte sich kalt an.
 

 „Ich hoffe für dich, dass es das wert war“, Sasuke ließ sich geschmeidig über die Kante des Schreibtischs gleiten. „Das war nämlich dein letzter Ausflug.“
 

Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch. Dennoch spürte ich, wie sich in mir ein immer stärker werdender Widerstand regte. Seit ich hier angekommen war, hatte ich kaum etwas anderes als mein Zimmer und ein paar andere Teile des Gästeflügels zu Gesicht bekommen. Mir wurde der Kontakt zu jeglichen anderen Personen, egal ob Wächter oder Mensch, untersagt und ich musste den Korridor wechseln, wenn ich Gefahr lief, doch jemandem zu begegnen. Ich hatte allmählich wirklich das Gefühl gehabt, die Decke würde mir jeden Moment auf den Kopf fallen. Ich hatte Tag für Tag das Gefühl zu ersticken.
 

Itachis Angebot die Akademie – und wenn auch nur für ein paar Stunden – zu verlassen, war mein Silberstreif am Horizont gewesen. Ich hatte es genossen. Ich hatte es genossen, draußen zu sein, mit dem Auto durch die Gegend zu fahren, andere Menschen zu treffen. Seit langem war dieser Tag einer der schönsten für mich gewesen und ich war Itachi dafür so unendlich dankbar. Dankbar dafür, dass er mich wenigstens für einen Tag aus diesem Strudel herausgezogen hatte. Dafür, dass er es mir ermöglicht hatte, endlich mal wieder an etwas anderes zu denken als die Schatten und Chakrakontrolle. Und nun kam Sasuke und wollte mir das alles wieder kaputt machen. Ich spürte wie die Wut immer mehr in mir hochkochte.
 

„Was? Das geht dich doch nichts an“, fauchte ich. „Wieso mischst du dich da ein?“
 

Stille. Dann hörte ich wie Sasuke langsam tief einatmete. Bei ihm nie ein gutes Zeichen.
 

„Wieso ich mich da einmische?!“, wiederholte er in einem tief sarkastischen Tonfall. „Ich hoffe für dich, dass du die Frage nicht ernst meinst. Du bist mit meinem Bruder abgehauen und ihr habt es beide nicht für nötig gehalten, mir Bescheid zu sagen. Mein ganzes verdammtes Leben lang wurde ich dafür ausgebildet, dich schützen zu können. Ich habe jeden verdammten Tag hart trainiert. Ich habe jeden an dieser verdammten Akademie herausgefordert, um sicher sein zu können, dass es niemand mit mir aufnehmen kann. Und was machst du? Du gehst aus Langeweile Shoppen?!“
 

Die letzten Worte spuckte er mir fast schon vor die Füße. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er schon jemals so viel auf einmal mit mir gesprochen hatte. Normalerweise war er eher wortkarg und abweisend. Noch viel verblüffender fand ich es jedoch, dass er zum ersten Mal wirklich etwas über sich selbst erzählt hatte. Das Thema schien schon länger in ihm gebrodelt zu haben und möglicherweise war mein Ausflug mit Itachi ja nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
 

„Ich war doch nicht alleine, Itachi war ja auch noch da“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Wir haben nur ein Paket abgeholt. Da bestand überhaupt keine Gefahr. Glaubst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst? Ihr könnt mich doch hier nicht wochenlang einsperren!“
 

Irgendwie konnte ich ihn ja verstehen, aber er schien absolut kein Verständnis für meine Lage entwickeln zu wollen. Er war in dieser Welt aufgewachsen, ich hingegen war von heute auf morgen hineingestoßen worden. Dementsprechend war es doch nur verständlich, dass ich zwischendrin auch einmal kurz Luft schnappen musste. Einen Moment lang durchatmen und wenigstens halbwegs normale Dinge tun. Er verstand es nicht.
 

„Keine Gefahr?“, zischte er.
 

Langsam machte er einen Schritt nach dem anderen auf mich zu. Seine Augen hatten sich zu bedrohlichen Schlitzen verengt und im Mondlicht funkelten sie gefährlich. Das Braun seiner Iris wirkte tiefschwarz. Ich wich zurück.
 

„Ich glaube, du vergisst da etwas, Naruto“, fuhr er fort und kam noch einen Schritt näher.
 

Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Hatte ich ihn tatsächlich so sehr aufgebracht? Heute Morgen im Training hatte ich gesehen, wozu er fähig war. Ohne zu zögern hatte er seinen eigenen Bruder mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, angegriffen. Dabei hatte er auch nicht davor zurückgeschreckt sich selbst zu verletzen. Ein Angriff auf mich, würde ihn zwar auch treffen, jedoch vermutlich bei weitem nicht so stark wie mich.
 

Als ich noch weiter zurückgehen wollte, stieß ich mit dem Fuß gegen die Papiertüte, in der Itachi mir ein paar Klamotten vorbeigebracht hatte und es raschelte laut. Ich merkte, wie angespannt ich plötzlich war. War Sasuke tatsächlich zu so etwas fähig? In meinem Rücken spürte ich das Holz der Tür. Noch weiter zurückweichen konnte ich nicht. Der Türknauf bohrte sich unsanft in meine Seite, doch ich wagte es nicht mich auch nur einen Millimeter zu rühren. Sasuke stand nun direkt vor mir.
 

Nicht einmal mehr ein Blatt Papier hätte zwischen uns gepasst und ich hatte das Gefühl, dass er mein Herz schlagen hören konnte. In meinen Ohren rauschte das Blut, doch ich versuchte mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Meine Gesichtszüge fühlten sich an wie versteinert, was ohnehin keine einzige Regung zugelassen hätte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, damit sie nicht zitterten. In der rechten Hand hielt ich noch immer die Taschenuhr, mittlerweile war meine Hand genauso kalt wie das Gehäuse.
 

Unbewusst hatte ich den Atem angehalten. Sasuke war mir mit seinem Gesicht so nahe gekommen, dass ich seinen Atem auf der Haut spüren konnte. Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut und ich fragte mich, ob er meine Reaktion bemerkte. Es war als hätte er mich mit seiner Fähigkeit eingefroren und doch wusste ich, dass er das nicht getan hatte. Einzig und allein sein Körper hinderte mich daran, mich zu bewegen.
 

Er beugte sich nach vorne zu meinem Ohr.
 

„Alles was du spürst, spüre ich auch“, raunte er.
 

Wieder lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken und ich traute mich noch immer nicht zu atmen. Worauf wollte er hinaus?

Sasuke hob seine rechte Hand und berührte damit meine Schulter. Wie immer, wenn er mich berührte, schoss ein unangenehmer Stromstoß durch meinen Körper und ich zuckte kurz zusammen. Er zog seine Hand jedoch nicht zurück. Trotzdem glaubte ich, dass auch er den Stromstoß gespürt haben musste, denn für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich eine Bewegung in seinem Gesicht wahrgenommen.
 

Normalerweise vermieden wir Berührungen jeder Art, doch nun war er mir näher als je zuvor. Die Luft zwischen uns schien wie aufgeladen zu knistern und um meine Schulter herum begann meine Haut zu prickeln. Allmählich ging mir der Sauerstoff aus und ich atmete vorsichtig ein, immer darauf bedacht, ihn dabei nicht zu berühren. Ich spürte wie einige seiner Haare meine Wange streiften.
 

„Ich spüre alles von dir“, raunte er bedrohlich. „Ich spüre, wie dein Herz schlägt. Ich spüre, wie deine Atmung stockt. Ich spüre das Chakra, das zwischen uns knistert. Und ich spüre, wie du alles dafür tust, Abstand zwischen uns zu bringen. Glaubst du wirklich, ich hätte die Kopfschmerzen nicht bemerkt?“
 

Das war es also, worauf er hinauswollte. Ich musste zugeben, dass ich die ganze Zeit über versucht hatte, die Kopfschmerzen zu verdrängen – was mir auch weitestgehend gelungen war. Allerdings schien Sasuke mehr davon mitbekommen zu haben, als mir bisher bewusst gewesen war und für ihn ließen die Kopfschmerzen wohl nur eine Interpretation zu: Gefahr. Das letzte Mal hatte er uns alle mit seinem Misstrauen und seiner geistesgegenwärtigen Reaktion gerettet, doch diesmal hatte ich Itachi an meiner Seite gehabt. Bei ihm fühlte ich mich sicher.
 

Eine Weile herrschte Stille und das einzige, was ich hörte, waren unsere Atemgeräusche und mein Herzschlag. Das unangenehme Prickeln an meiner Schulter wurde langsam erträglicher, während sich die Spannung zwischen uns jedoch immer weiter auflud. Sasuke schien noch immer auf eine Antwort von mir zu warten, die ich ihm jedoch nicht geben würde. Es war nicht das, was er hören wollte. Verleugnen konnte ich die Kopfschmerzen sowieso nicht.
 

„Wenn du damit nur dich in Gefahr bringen würdest, könntest du von mir aus tun und lassen was du willst“, durchbrach er schließlich die Stille. Er drehte seinen Kopf, sodass er mir nun direkt in die Augen sah. „Aber so ist es nun mal nicht! Und dein egoistisches Verhalten kotzt mich so was von an.“
 

Seine Stimme wurde lauter. Seine Brust hob und senkte sich nun schneller als zuvor und ich versuchte mich nur noch mehr gegen die Tür zu drücken, um ihm irgendwie zu entkommen. Der Türknauf bohrte sich schmerzhaft in meine Rippen. Sasuke verstärkte seinen Griff an meiner Schulter und ich spürte erneut einen kleinen Stromstoß.
 

„Denkst du es macht mir Spaß, permanent auf dich aufzupassen wie auf ein kleines Kind?“, zischte er.
 

In ihm schien es zu brodeln und nun hatte auch ich das Gefühl, seinen Herzschlag hören zu können. Es war ein dröhnendes Wummern, das sich wie ein Erdbeben in meinem Körper fortsetzte. Auch ich spürte wieder zunehmend Wut in mir aufsteigen, die allmählich die Furcht zurückdrängte. Wenn er vorhatte mir wehzutun, dann würde er das sowieso machen und ich konnte ihn nicht daran hindern.
 

„Ich kann auch nichts dafür, dass sie nach mir suchen, und ich kann auch nichts dafür, dass es ausgerechnet dich als meinen Wächter getroffen hat. Trotzdem werde ich meine eigenen Entscheidungen treffen“, antwortete ich trotzig.
 

Ich löste mich aus meiner Starre und versuchte seine Hand abzuschütteln. Er ließ tatsächlich meine Schulter los, nur um kurz danach mit der flachen Hand gegen die Tür neben meinem Kopf zu schlagen. Ich zuckte erschrocken zusammen und er sah mich verletzt an. Einen Moment lang hatte ich wirklich gedacht, er würde mich schlagen.
 

„Du bleibst hier“, befahl er drohend und seine Fingernägel gruben sich in das Holz der Tür.
 

Sein Körper bebte vor Zorn, doch er war ein kleines Stück zurückgewichen, was mir mehr Platz zum Atmen verschaffte. Dennoch fühlte ich mich noch immer wie eingesperrt, mit dem Rücken an der Wand. Ich hasste es, eingesperrt zu sein.
 

„Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich bin kein kleines Kind mehr und du bist nicht meine Mutter!“, obwohl ich mich ganz und gar nicht danach fühlte, klang meine Stimme fest und entschlossen.
 

Das schien auch Sasuke bemerkt zu haben, denn er ließ seinen Arm sinken und trat noch einen Schritt zurück. Er musterte mich von oben bis unten.
 

„Ich bin mir sicher, deine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie sehen könnte wie du dich aufführst.“
 

Seine Worte trafen mich wie ein Schwert, das zeitgleich alle lebenswichtigen Organe durchbohrte. Mein Herz machte einen Aussetzer, meine Lungen zogen sich zusammen, sodass ich nicht mehr atmen konnte. Es waren die wohl schmerzhaftesten Worte, die er zu mir hätte sagen können und sie fühlten sich schlimmer an, als wenn er mich geschlagen hätte.
 

Zwei Herzschläge später hatte ich mich aus meiner Schockstarre gelöst und tat das erste was mir in den Sinn kam. Ich stieß ihn von mir mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Dabei fiel die kleine Taschenuhr zu Boden. Wieder spürte ich leichte Stromstöße auf meiner Haut. Sasuke taumelte nicht einmal. Er konnte meinem Angriff mühelos standhalten und ich war mir sicher, dass er ihn auch ganz einfach hätte abwehren können, wenn er nur gewollt hätte. Meine aussichtslosen Anstrengungen schienen ihn jedoch zu belustigen.
 

„Du bist wirklich das letzte Arschloch“, fauchte ich.
 

Mein Körper bebte vor Wut und ich ballte die Hände zu Fäusten. Wir waren einfach zu grundverschieden, um irgendwie miteinander auskommen zu können. Die Natur oder wer auch immer für die Zuteilung von Wächtern an ihre Menschen zuständig war, hatte uns einen bösen Streich gespielt.
 

„Wer von uns beiden ist hier wirklich das Arschloch, Naruto?“ Provokativ zog er eine Augenbraue nach oben.
 

In diesem Moment brannte bei mir eine Sicherung durch und ich überbrückte die kurze Distanz zwischen uns mit einem einzigen Schritt. Wahrscheinlich hatte er es vorausgesehen, wahrscheinlich hatte er es sogar genauso geplant, denn er wehrte sich nicht, als ich ihn grob am Kragen seines Hemds packte und zu mir herzog. An der Stelle, wo meine Hand seinen nackten Hals berührte, knisterte es, doch diesmal ließ ich mich davon nicht beirren.
 

„Weißt du was, du kannst dich auch einfach verpissen“, zischte ich. „Sakura und ich sind ohne dich sowieso viel besser dran und ich hab es satt, dass du dich ständig in meine Angelegenheiten einmischst.“
 

Das stimmte so nicht ganz. In Wahrheit wusste ich natürlich nur allzu gut, dass wir auf Sasuke angewiesen waren. Allerdings wollte ich es in diesem Moment nicht wahrhaben. Ich wollte mir einfach nicht vorstellen, dass ich bis an mein Lebensende mit diesem Arschloch verbunden sein würde.
 

„Das hat man ja gesehen“, knurrte er. „Ihr seid beide einfach nur absolut erbärmlich.“
 

In mir erwachte der unbändige Wunsch ihm wehzutun. Jedes seiner Worte verfolgte einzig und allein den Zweck, mich zu verletzen. Er wollte mich bestrafen. Dafür bestrafen, dass ich etwas ohne seine Erlaubnis getan hatte, doch ich konnte seine Berechtigung dafür einfach nicht erkennen. Voller Wut drückte ich ihn gegen die nächstbeste Wand und presste meinen Unterarm so fest ich konnte gegen seine Kehle. Wieder ließ er es zu, obwohl er meinen Angriff mit Leichtigkeit hätte abwehren können.
 

Funken tanzten über meine Haut. Sie hinterließen eine seltsam taube Spur und gleichzeitig brannten sie wie Feuer. Ich hatte den Drang meinen Arm zurückzuziehen, doch das Bedürfnis ihm wehzutun, verdrängte alle anderen Gedanken und so erhöhte ich den Druck nur noch. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass er vor Schmerz leise zischte.
 

„Bist du fertig?“
 

„Noch lange nicht“, knurrte ich.
 

Gerade wollte ich ausholen und ihm für das was er gesagt hatte eine reinhauen, da spürte ich wieder den unsichtbaren Widerstand. Scheinbar reichte es ihm jetzt und er hatte erneut seine Fähigkeit gegen mich eingesetzt. Es fühlte sich so an, als würde ein fremdartiges Gefühl Zentimeter für Zentimeter durch meine Adern kriechen und auf diese Weise die Kontrolle über meinen Körper erlangen. So gut ich konnte, versuchte ich mich dagegen zu wehren und seinen Bann zu brechen. Bei dem Angriff im Park hatte ich gesehen, dass es theoretisch möglich war, aber zu diesem Zeitpunkt war Sasuke ja auch geschwächt gewesen.
 

Die Muskeln in meinem Arm bewegten sich wie von selbst und ich spürte wie er sich ohne mein Zutun langsam senkte. Meine Gegenwehr brachte in diesem Moment rein gar nichts und es war bittere Ironie, dass er sein Chakra auch noch von mir bezog. Ohne mich aus den Augen zu lassen, umrundete er mich einmal zur Hälfte blieb dann dicht vor mir stehen. Ich konnte jede einzelne Regung in seinem Gesicht sehen und spürte sogar seine Körperwärme. Es war ein seltsames Gefühl, sich nicht bewegen zu können, denn so konnte ich ihm auch nicht ausweichen. Eine Situation wie diese, in der wir uns so offen gestritten hatten, hatte es bisher noch nicht gegeben und ich konnte seine Reaktion absolut nicht einschätzen.
 

„Gute Nacht, Naruto“, sagte er plötzlich.
 

Ohne sich noch einmal umzudrehen, öffnete er die Tür und trat hinaus auf den Gang. Er war einfach so gegangen und mit einem Mal wurde es totenstill im Zimmer. Ein Prickeln lief über meinen Arm und breitete sich danach in meinem ganzen Körper aus. Stück für Stück spürte ich, wie ich allmählich die Kontrolle über meine Bewegungen zurückerlangte und sobald ich wieder ein Gefühl in meinen Beinen hatte, stürmte ich zur Tür.
 

Ich drückte den Griff nach unten. Nichts geschah. Ich versuchte es noch einmal und rüttelte an der Tür. Wieder bewegte sie sich keinen Millimeter. Hatte Sasuke mich etwa eingeschlossen, ohne dass ich es bemerkt hatte? Nun schaltete ich doch das Licht ein und suchte fieberhaft nach dem Zimmerschlüssel. Ich fand ihn im Seitenfach meiner Umhängetasche und drehte ihn sofort ihm Schloss. Wieder rüttelte ich an der Tür. Wieder tat sich nichts. Sie war nicht abgeschlossen.
 

Mir fiel nur eine Erklärung dafür ein: Sasuke blockierte die Tür mit seiner Fähigkeit. Als er gesagt hatte, dass ich hier bleiben würde, hatte er das todernst gemeint. Sofort begann ich wie wild gegen die Holztür zu hämmern.
 

„Sasuke, komm sofort zurück und mach die verdammte Tür auf!“, brüllte ich.
 

Auch wenn ich keine großen Hoffnungen hatte, hämmerte ich immer weiter gegen das Holz und brüllte mir die Seele aus dem Leib.
 

„Sasuke!“
 

Es nützte nichts. Frustriert ließ ich mich zu Boden sinken. Er hatte wie immer seinen Willen durchgesetzt und ich konnte wahrscheinlich von Glück sagen, dass er nicht mich, sondern die Tür festgefroren hatte.
 

Ich schlug mit meinem Hinterkopf weiter gegen das Holz, bis ich einen stechenden Schmerz fühlte und hoffte, dass auch er ihn spüren konnte. Mein Blick fiel auf die kleine Taschenuhr. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie ihm zu schenken. In dem Moment, in dem ich sie gesehen hatte, wusste ich, dass sie irgendwie zu ihm passte. Ich griff danach. Das Gehäuse fühlte sich kalt und hart an. Ja, das passte zu ihm. Wütend ballte ich meine Hand zur Faust und schleuderte die Taschenuhr gegen die Wand. Sie prallte ab, fiel zu Boden und schlitterte dann unter die Kommode, wo sie schließlich liegen blieb.

-13-

 

Die Tage nach dem Vorfall hatten Sasuke und ich kein Wort mehr miteinander gewechselt und waren uns, so gut es eben ging, aus dem Weg gegangen. Er setzte keinen Fuß mehr in den Gästeflügel und wenn wir uns zufällig in der Trainingshalle trafen, würdigte er mich keines Blickes. Umgekehrt hielt ich meine Augen jedes Mal starr auf Sakura gerichtet, wenn ich sie zum Training begleitete, und versuchte Sasuke möglichst keine Beachtung zu schenken. Das war nicht immer leicht, da seine Trainingsmethoden oftmals sehr spektakulär und unter anderem auch laut waren. Ich hatte das Gefühl, dass er seit unserem Streit nochmal einen Zahn zugelegt hatte.

 

Insgesamt hatten wir es aber wenigstens geschafft, nicht nochmal aneinander zu geraten. Zumindest bis heute. Denn heute war mein zwanzigster Geburtstag und Sarutobi hatte uns beide für den Mittag in sein Büro bestellt. Ich seufzte. Obwohl ich noch müde war, würde ich jetzt wohl nicht mehr schlafen können. Widerstrebend setzte ich mich auf und streckte mich erst mal ausgiebig. Die Knochen in meinen Schultern gaben ein unangenehmes Knacken von sich und ich gähnte noch einmal demonstrativ. Mittlerweile war es zehn. Vielleicht sollte ich mich allmählich mal zum Frühstück blicken lassen.

Ich machte mich schnell fertig und betrat die Küche des Gästeflügels. Schon hatte sich eine laut quietschende Sakura direkt in meine Arme geworfen und versperrte mir die Sicht.

 

„Happy Birthday, Naruto!“, rief sie mit vor Freude entzückter Stimme.

 

Überrumpelt trat ich einen Schritt zurück und wäre dabei fast mit ihr zusammen umgefallen. Itachi warf Sakura einen gespielt mahnenden Blick zu. Sie verzog ihr Gesicht zu einer Schnute und trat dann tatsächlich ein paar Schritte zurück.

 

„Tee?“, fragte sie freundlich.

 

Das tat sie jeden Morgen und wie jeden Morgen nickte ich.

 

„Wir haben auch Kaffee“, ertönte eine weitere Stimme.

 

Ein Lächeln umspielte Sasukes Mund, doch es wirkte diesmal eher amüsiert als spöttisch. Er saß auf der Bank an dem großen Frühstückstisch in der hinteren Ecke des Raumes, die Arme lässig vor der Brust verschränkt und den Rücken an die Wand gelehnt. Es überraschte mich ihn hier zu sehen, und noch mehr überraschte mich die Tatsache, dass er mich angesprochen hatte.

 

„Danke, ich bleibe bei Tee“, murmelte ich noch immer verschlafen.

 

Natürlich hatte ich seine kleine Anspielung verstanden und eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass er so lässig mit dem Thema umgehen würde. Seit unserem Streit hatte ich jeden Tag mehrere Tassen Kaffee in mich hineingeschüttet, einzig und allein mit dem Ziel ihm eins auszuwischen. Natürlich hatte er sich niemals etwas anmerken lassen, nicht einmal dann, wenn ich mit der Kaffeetasse beim gemeinsamen Training mit Sakura erschienen war. Im Endeffekt hatte seine Ist-mir-egal-Einstellung mich wahrscheinlich wütender gemacht als ich ihn. Trotzdem war ich mir sicher, dass es ihn störte. Er hasste alles, was ihn in seiner Leistungsfähigkeit einschränkte.

 

Sakura begann sofort heißes Wasser aufzubrühen und geschäftig herum zu wuseln.

 

„Alles Gute zum Geburtstag!“, gratulierte mir nun auch Itachi. „Jetzt bist du fast einer von uns.“

 

Er lächelte. Ich konnte nicht sagen warum, doch aus irgendeinem Grund breitete sich ein warmes Gefühl in meinem Bauch aus. Bisher hatte ich meinen zwanzigsten Geburtstag immer als etwas Negatives aufgefasst. Als einen Zeitpunkt, ab dem nichts mehr so sein würde wie zuvor. Doch die Vorstellung, nun einer von ihnen zu sein, wie er es ausgedrückt hatte, gefiel mir irgendwie. Ich würde endlich irgendwo dazugehören.

 

Wir setzten uns gemeinsam an den Frühstückstisch, wobei ich stets darauf bedacht war, nicht aus Versehen Sasukes Blick zu kreuzen. Mir war noch immer nicht ganz klar, was er hier wollte. Seine Miene ließ wie immer nichts erahnen, doch ich hätte schwören können, dass er heute ein bisschen weniger Angriffslust ausstrahlte als die letzten Tage. Möglicherweise hatte er sich vorgenommen, sich heute an meinem Geburtstag ausnahmsweise mal nicht mit mir anzulegen. Sakura tänzelte um uns alle herum und schenkte uns Tee ein. Dann setzte sie sich neben Sasuke, legte ihre Hände im Schoss zusammen und beugte sich erwartungsvoll nach vorn.

 

„Na wie fühlt es sich an?“

 

Irritiert legte ich den Kopf schief. „Geburtstag zu haben?“

 

„Ja. Äh… nein“, verbesserte sie sich. „Also ich meine“ – sie beugte sich noch ein Stück weiter nach vorne – „wie sich dein Chakra anfühlt.“

 

Verblüfft sah ich sie an. Ehrlich gesagt hatte ich bisher an mir noch keine Veränderung feststellen können. Alles fühlte sich an wie immer.

 

„Wie fühlt sich Chakra denn an?“, fragte ich deshalb.

 

Aus irgendeinem Grund spürte ich Sasukes bohrende Blicke auf mir. Scheinbar hatte das Thema sein Interesse geweckt.

 

„Ähm…“, Sakura überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. „Du hast Recht, das war eine blöde Frage.“

 

„Wir haben noch eine Kleinigkeit für dich“, lenkte Itachi das Gespräch auf ein anderes Thema.

 

Itachi legte ein kleines dunkelblaues Päckchen direkt vor mir auf den Tisch. Es war rechteckig und hatte eine ebenmäßige Form. Die Enden waren sauber verklebt.

 

„Mach es auf.“

 

Vorsichtig löste ich zuerst die Dekorationen vom Geschenkpapier und schob dann das silberne Band zur Seite. Das Päckchen fühlte sich hart an und schwer, als ich es hochhob. Ich spürte, wie die Blicke der anderen jeden meiner Handgriffe genauestens verfolgten. Nachdem ich den Tesafilm an beiden Enden gelöst hatte, klappte ich das Papier zur Seite und konnte nun endlich einen Blick auf mein Geschenk werfen. Es war ein Buch.

 

Der Titel des Buches war in großen, erhabenen Lettern auf den Buchdeckel gedruckt. Mit zwei Fingern fuhr ich über den Einband. An einigen Stellen und insbesondere an den Kanten war er schon ein wenig abgewetzt und auch die dunkelrote Farbe war schon ein bisschen ausgeblichen. Dennoch konnte man den Titel ohne Probleme lesen. Chakra – Kontrolle und Einsatz.

 

Ich schlug es auf und begann darin zu blättern. Beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses erkannte ich, dass es sich wohl um ein Lehrbuch handeln musste. Verblüfft stellte ich außerdem fest, dass bereits jemand mit Bleistift Notizen an den Rand der Seiten geschrieben hatte. Itachi schien meinen Blick bemerkt zu haben und deutete auf die fein geschwungenen Buchstaben.

 

„Das Buch hat früher mal deiner Mutter gehört“, erklärte er. „Es war ihr erstes Lehrbuch hier an der Akademie und sie hat es wohl so gut wie nie aus der Hand gelegt.“

 

Erstaunt sah ich ihn an. Der Gedanke daran, dass das Buch einmal meiner Mutter gehört hatte, ließ es für mich nur umso kostbarer erscheinen. Bedächtig fuhr ich über die feinen Bleistiftlinien und das Papier raschelte leise unter meinen Fingern. Jetzt, da Itachi es gesagt hatte, fiel mir auch auf, dass das Buch bereits deutliche Gebrauchsspuren aufwies. Offensichtlich hatte jemand ziemlich intensiv und ziemlich häufig darin gelesen, sich Dinge oder auch ganze Seiten markiert und dabei nicht gezögert, auch mal die ein oder andere Ecke umzuknicken. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

 

„Vielen Dank“, flüsterte ich tonlos.

 

„Dann steht unserem Training ja jetzt nichts mehr im Weg“, stellte Itachi zufrieden fest.

 

 „Mit was wollt ihr denn anfangen?“, fragte Sakura sofort neugierig nach und lehnte sich dabei quer über den Tisch.

 

Sasuke, der bis zu diesem Zeitpunkt eher desinteressiert in seinem Tee gerührt hatte, horchte plötzlich wieder auf.

 

„Naja, wir haben ein kleines bisschen Zeitdruck“, gab Itachi verlegen zu. „Trotzdem werden wir uns danach richten, wie weit Naruto seine Chakrakontrolle schon beherrscht.“

 

Ich schluckte. Zeitdruck? Das klang ganz und gar nicht gut.

 

„Chakrakontrolle?“, Sasukes Blick verfinsterte sich leicht. „Seit er vorhin die Küche betreten hat, sprüht er nur so vor Chakra. Ich habe nicht das Gefühl, dass er auch nur den Hauch einer Ahnung hat, wie das funktionieren soll.“

 

Sakura verpasste ihm unter dem Tisch einen festen Tritt. Verblüfft sah ich ihn an.

 

„Ich tue was?“

 

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen nicht mehr mit ihm zu reden, doch nun war mir die Frage einfach so rausgerutscht. Sasuke schnaubte.

 

„Du leuchtest wie ein verdammtes Glühwürmchen auf Ecstasy.“

 

Verwirrt sah ich an mir herunter. Ich konnte absolut keine Veränderung feststellen. Oder hatte er das im übertragenen Sinne gemeint? Immerhin konnte ich nicht wirklich leuchten wie ein Glühwürmchen.

 

„Du spürst überhaupt nichts, oder?“, fragte Itachi vorsichtig.

 

Ich hatte das Gefühl, als einziger etwas Elementares nicht mitbekommen zu haben, und die Art wie Sakura und er mich nun ansahen, machte es nicht gerade besser. Fast schon mitleidig. Währenddessen wirkte Sasuke eher fasziniert.

 

„Was spüre ich nicht?“, fragte ich ein wenig gereizt. „Ich verstehe überhaupt nicht, worüber wir hier gerade reden.“

 

„Dein Chakra“, antwortete Sasuke knapp. „Es hat sich verändert seit…“

 

„Lass dich nicht verunsichern“, schnitt Itachi ihm das Wort ab. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass du nicht sofort ein Gespür für dein Chakra entwickeln kannst. Dafür ist ja das Training da.“

 

Sakura nickte bekräftigend. Irgendetwas sagte mir jedoch, dass sie nicht ganz ehrlich zu mir waren. Sasuke schnaubte nur verächtlich und steckte dann seine Hände in die Hosentaschen. Aus irgendeinem Grund hatte ich gerade das Gefühl, dass er der einzige war, der nicht versuchte mir etwas vorzumachen. Mir kam Sakuras Frage von vorhin wieder in den Sinn: Na, wie fühlt es sich an? Scheinbar hatten sie alle erwartet, dass ich eine Veränderung bemerkt hatte.

 

„Wie gesagt, lass dich nicht verunsichern“, wiederholte Itachi, als würde es glaubwürdiger werden, wenn er es nur oft genug sagte. „Ich müsste dann jetzt auch mal was vorbereiten für unser Training nachher. Komm einfach in die Halle, nachdem ihr bei Sarutobi wart.“

 

Er verabschiedete sich und auch Sakura murmelte irgendeine knappe Entschuldigung, warum sie nochmal in die Trainingshalle musste. Sobald sie die Küche verlassen hatte, wurde die unangenehme Stimmung im Raum übermächtig. Sasuke war aufgestanden und kochte sich gerade neues Wasser für einen Tee auf. Ich beschloss die Gelegenheit zu nutzen und mich so schnell ich konnte auf mein Zimmer zu verdrücken. Ich griff nach dem Buch und ging mit ein paar schnellen Schritten zur Tür.

 

„Warte!“

 

Ich spürte einen kleinen Stromstoß. Sasuke war blitzschnell hinter der Theke hervorgekommen und hatte mich am Handgelenk gepackt. Sofort zuckte ich zurück und er ließ mich auch direkt wieder los.

 

„Ich muss mit dir reden“, sagte er dann.

 

Verblüfft ließ ich meine Hand wieder von der Türklinke sinken. Die ganze Zeit über hatten wir kaum ein Wort gewechselt und er hatte den direkten Kontakt mit mir ebenso gemieden wie ich. Was also wollte er mit mir besprechen? Ging es um das Gespräch mit Sarutobi heute Nachmittag? Eine gefühlte Ewigkeit standen wir einfach nur so im Türrahmen und schwiegen uns gegenseitig an. Dann holte Sasuke tief Luft.

 

„Es tut mir Leid. Das, was ich gesagt habe.“

 

Es schien ihn einige Überwindung gekostet zu haben, die Worte über seine Lippen zu bekommen, denn er presste sie nun fest aufeinander und wich hartnäckig meinem Blick aus. Von seiner Selbstsicherheit, die er normalerweise immer ausstrahlte, war nur noch ein kläglicher Rest übrig und ich konnte regelrecht spüren, wie unangenehm ihm die Situation war.

 

Gefühlsübertragung ausnahmsweise mal in die andere Richtung. Trotzdem musste ich zugeben, dass ich regelrecht baff war, denn ich hatte wirklich mit allem gerechnet, aber definitiv nicht mit einer Entschuldigung.

 

„Ich…“, ich wusste einfach nicht, was ich darauf erwidern sollte.

 

Nur zu gut konnte ich mich noch an seine Worte erinnern, die mich tiefer verletzt hatten, als ich es mir selbst eingestehen wollte.  An die Demütigung, im eigenen Zimmer eingesperrt zu werden und so lange zu bitten und zu betteln, bis er endlich Erbarmen hatte und die festgeklemmte Tür wieder öffnete. Ich wusste nicht, ob ich schon bereit war ihm das zu verzeihen. Umgekehrt musste ich jedoch zugeben, dass mir sein Wutausbruch nun nicht mehr ganz so unberechtigt erschien, wie zu diesem Zeitpunkt. Gewissermaßen hatte er Recht damit, denn ich hatte mich auf eine bestimmte Art und Weise tatsächlich egoistisch verhalten. Allerdings rechtfertigte das nicht, was er getan hatte. Wir hatten uns beide nicht gerade vernünftig verhalten.

 

„Ich denke, wir sollten das vielleicht einfach vergessen“, schlug ich vor.

 

Obwohl ich von meinen eigenen Worten selbst nicht absolut überzeugt war, fühlte es sich in dem Moment, als ich sie aussprach, richtig an. Wir hatten uns gegenseitig hochgeschaukelt. Unser Verhältnis war schon die ganze Zeit über mehr als nur angespannt gewesen und letztendlich musste sich das ja mal irgendwann entladen. Sasuke nickte nur zustimmend und man sah ihm die Erleichterung deutlich an. Er reduzierte den Druck, den seine Lippen aufeinander ausgeübt hatten und auch seine Kieferknochen entspannten sich wieder. Damit wäre dann ja alles geklärt.

 

„Dann geh ich jetzt mal duschen“, verkündete ich und griff wieder nach der Türklinke.

 

Diesmal machte er keine Anstalten, mich aufzuhalten.

 

„Ich komm dich nachher abholen“, sagte er stattdessen und ging zurück zur Theke.

 

Da ich nicht wusste, wann genau Sarutobi uns erwartete, beeilte ich mich mit Duschen und als es schließlich klopfte war ich auch schon lange fertig. Bevor ich die Tür öffnete, ließ ich meinen Blick noch einmal durch das Zimmer schweifen und er fiel auf einen kleinen Gegenstand am Boden. Nach einem kurzen Zögern beugte ich mich nach vorne und schob meinen Arm unter die Kommode, bis sich meine Hand um die silberne Taschenuhr schloss. Fast musste ich niesen, denn gleichzeitig kamen leider auch einige Staubflusen unter der Kommode hervor. Ich pustete einmal kräftig und sie stoben in alle Richtungen davon.

 

Vorsichtig klappte ich die Uhr auf und stellte erleichtert fest, dass sie noch funktionierte. Die Rückseite des Gehäuses hatte einen kleinen Kratzer abbekommen, das Glas war aber zum Glück unversehrt. Ein wenig tat es mir Leid, dass ich so ruppig mit ihr umgegangen war, doch irgendein Ventil hatte ich für meine Wut gebraucht. Mit dem Zeigefinger fuhr ich die kleine Kerbe im Metall nach. Sie würde für immer eine Erinnerung an diesen Abend darstellen. Ohne genau zu wissen warum, ließ ich sie in meine Hosentasche gleiten und ging dann zu Sasuke nach draußen auf den Gang.

 

Als wir uns dem Büro des Schulleiters immer mehr näherten, verlangsamte ich meine Schritte ein wenig. Aus irgendeinem Grund hatte ich kein gutes Gefühl bei diesem Gespräch.

 

„Was ist los?“, wollte Sasuke wissen.

 

Natürlich hatte er mein Zögern bemerkt.

 

„Ich weiß nicht“, antwortete ich ausweichend.

 

Noch immer hatte er nicht angehalten und verdrehte nun genervt die Augen.

 

„Angsthase“, spottete er und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Er wird dich schon nicht fressen.“

 

Trotzig schob ich die Unterlippe nach vorne. „Ich hab keine Angst.“

 

Genau genommen hatte ich auch keine Angst, aber irgendetwas hielt mich trotzdem zurück und es fühlte sich an, wie eine eisige Hand, die sich fest um meinen Körper geschlungen hatte. Als würde mich irgendetwas davon abhalten wollen, dieses Büro zu betreten.

 

„Na, dann können wir ja weitergehen“, stellte Sasuke fest.

 

Ungeduldig griff er nach meinem Arm und wollte mich weiterziehen. Obwohl ich damit gerechnet hatte, zuckte ich bei dem kleinen Stromschlag wieder zusammen.

 

„Warte“, rief ich und diesmal blieb er tatsächlich stehen.

 

„Was?“, sein Tonfall klang mittlerweile mehr genervt als belustigt.

 

„Ich wollte dir auch noch was sagen, bevor wir reingehen“, verkündete ich.

 

Aus irgendeinem Grund spürte ich wie mein Herz bei diesen Worten schneller schlug. Seine Entschuldigung heute Morgen hatte mich ziemlich überrumpelt und ich hatte zuerst nicht gewusst, wie ich damit umgehen sollte. Sasuke war normalerweise kein Mann großer Worte und ganz bestimmt auch niemand, der sich häufig Fehler eingestand. Trotzdem hatte er sich überwunden und sich bei mir entschuldigt. Außerdem hatte ich den Eindruck gehabt, dass er es ernst meinte.

 

„Ich wollte mich auch noch bei dir entschuldigen“, sagte ich leise.

 

„Wir haben doch schon beschlossen, dass wir die Sache einfach vergessen“, erinnerte er mich und schob lässig die Hände in die Hosentaschen. „Sonst noch was?“

 

Ich beförderte die kleine silberne Taschenuhr ans Tageslicht und hielt sie ihm direkt unter die Nase.

 

„Alles Gute zum Geburtstag“, sagte ich lächelnd.

 

Überrascht weiteten sich seine Augen. Im ersten Moment wusste er wohl nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte. Fast wirkte es so, als hätte er seinen eigenen Geburtstag in dem ganzen Trubel heute Vormittag vergessen. Vor allen Dingen hatte er aber nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet ich daran denken würde.

 

„Danke“, erwiderte er knapp.

 

Die Situation wurde mit jeder Sekunde peinlicher und ich war froh, dass ich die Uhr zwischen ihm und mir postiert hatte. Normalerweise reichte man dem anderen die Hand oder umarmte sich, aber beides schien mir irgendwie unangebracht. Insbesondere, weil ich uns beiden damit nur einen weiteren Stromschlag verpasst hätte. Da Sasuke nicht reagierte, ließ ich die Taschenuhr an der Kette in seine Handfläche gleiten.

 

„Sie ist nichts Besonderes, ich fand sie einfach nur schön“, erklärte ich schulterzuckend.

 

Er betrachtete das kühle Metall in seiner Hand und drehte die Uhr aufmerksam hin und her. Als er den kleinen Kratzer auf der Rückseite bemerkte, schmunzelte er nur und zog wieder eine Augenbraue nach oben. Bevor er etwas sagen konnte, schnitt ich ihm das Wort ab.

 

„Frag lieber nicht.“

 

Ein kurzer Laut verließ seine Lippen, der sich fast wie ein kleines Lachen angehört hatte und ich spürte, wie mir augenblicklich warm ums Herz wurde. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich Sasuke noch nie wirklich lachen sehen – normalerweise zeigte er immer nur sein spöttisches oder triumphierendes Lächeln. Zum ersten Mal konnte ich etwas von Itachi in ihm wiederentdecken. Er ließ die Uhr ebenfalls in seine Hosentasche gleiten und ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn ich hatte den Eindruck, dass sie ihm ebenfalls gefallen hatte.

 

„Eigentlich hast du mir ja schon ein Geburtstagsgeschenk gemacht“, warf er ein.

 

Irritiert blinzelte ich.

 

„Was?“

 

Bis heute Morgen hatten wir kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt. Wann sollte ich ihm da ein Geschenk gemacht haben?

 

„Ab heute, wirst du definitiv keinen Kaffee mehr trinken“, grinste er diabolisch. „Das ist für mich Geschenk genug.“

 

-14-

 

Der Schreibtisch des Schulleiters sah mindestens genauso unordentlich aus, wie beim letzten Mal. Bücher stapelten sich über Bücher, übersäht mit kleinen Notizzettelchen und zwischendrin die ein oder andere leere Teetasse. Sarutobi bat uns Platz zu nehmen und ließ sich dann seinerseits auf dem großen Chefsessel hinter dem hölzernen Schreibtisch nieder. Seine Miene wirkte ernst und es schien, als wolle er keine Zeit verlieren. Diesmal bot er uns auch keinen Tee an, was mich jedoch nicht im Geringsten störte. Der Tee letztes Mal hatte scheußlich geschmeckt.

 

„Also zunächst einmal, alles Gute zum Geburtstag ihr beiden“, begann er im geschäftigen Ton.

 

„Danke“, antworteten Sasuke und ich zeitgleich.

 

Sarutobi stützte seine Ellbogen vor sich auf der Tischplatte ab und verschränkte die Finger ineinander. Mit einem durchdringenden Blick sah er uns abwechselnd an.

 

„Nun“, fuhr er dann fort. „Wie ihr wisst, ist dieser Geburtstag leider nicht nur ein Tag der Freude. Naruto, ab heute bist du ein vollwertiger Jinchuriki, das bedeutet, dass dein Chakra ab sofort aktiv eingesetzt werden kann – das ist natürlich einerseits ein großer Vorteil, andererseits macht dich das auch angreifbar.“

 

Ich spürte, wie sich mein Körper ein wenig versteifte. Das Thema Chakra würde mich wohl nicht mehr loslassen.

 

„Die Akademie hier ist ein Ort, an dem sich grundsätzlich eine Menge Chakra befindet. Es wird also nicht allzu schnell auffallen, dass du dich hier aufhältst“, er zog beide Brauen nach oben. „Allerdings ist es gleichzeitig auch ein sehr naheliegendes Versteck. Die Schatten können dein Chakra nicht lokalisieren, dennoch werden sie vermuten, dass du dich an einem Ort mit hoher Chakrakonzentration befindest, was bedeutet, dass du hier nicht mehr lang bleiben kannst. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum du die Akademie verlassen musst. Einen wichtigeren. Genau genommen ist das der Grund, weshalb die Schatten überhaupt hinter dir her sind und genau genommen ist das auch der Grund, warum wir dich überhaupt hierher geholt haben, obwohl es sich wahrlich nicht um das beste Versteck handelt.“

 

Zum zweiten Mal an diesem Tage hatte ich das Gefühl, dass mir etwas Essenzielles vorenthalten worden war. Aus dem Augenwinkel warf ich einen prüfenden Blick auf Sasuke, der sich jedoch entspannt zurück gelehnt hatte, als würde all das ihn nicht im Geringsten etwas angehen. Fast schon machte es den Eindruck, als wüsste er längst, was Sarutobi mir nun eröffnen wollte. Wahrscheinlich wusste er es tatsächlich.

 

„Sagt euch der Name Mito Uzumaki etwas?“

 

Einen Moment lang überlegte ich angestrengt, schüttelte dann jedoch den Kopf. Ich war mir sicher, den Namen noch nie in meinem Leben gehört zu haben. Noch bevor Sarutobi eine Gelegenheit hatte, sich uns zu erklären, mischte sich nun auch Sasuke in das Gespräch ein.

 

„Sie war deine Vorfahrin“, erklärte er knapp. „Ebenfalls ein Jinchuriki.“

 

„Ganz richtig“, bestätigte Sarutobi. „Sie müsste deine Ur-ur-Großmutter gewesen sein, wenn mich nicht alles täuscht. Auf jeden Fall stammst du in direkter Blutlinie von ihr ab und nicht nur das – du bist sogar der Letzte ihrer Nachfahren.“

 

Er sagte das, als wäre es ein Grund sich zu freuen, doch ich konnte beim besten Willen nichts Positives daran erkennen, der Letzte in einer Familie zu sein.

 

„Aber sie ist schon lange tot“, stellte ich nüchtern fest. „Also, was hat es mit ihr auf sich?“

 

Sarutobi trank einen großen Schluck Tee. Vermutlich war es eine Art Tick von ihm, immer wenn er ein unangenehmes Gespräch zu führen hatte. Hinter der Tasse konnte er sich im Notfall verstecken.

 

„Du musst wissen, dass die Jinchuriki schon immer gewissen Gefahren ausgesetzt waren“, begann er schließlich zu erzählen. „Es gab Neider. Solche die etwas gegen das System hatten oder einfach nur solche, die die Macht der Jinchuriki besitzen wollten. Man nannte sie damals noch nicht Schatten, doch das bedeutet nicht, dass sie nicht mindestens genauso gefährlich waren. Die Familien der Jinchuriki führten schon immer ein gefährliches Leben und so kam es, dass sie sich Gedanken darüber machten, was passieren würde, wenn es tatsächlich jemandem gelänge, alle Mitglieder der Familie zu töten, die bereits in der Lage waren, ihr Chakra zu nutzen und somit die Funktion als Jinchuriki zu erfüllen.“

 

„Die Situation kommt mir irgendwie bekannt vor“, knurrte ich leise.

 

Sarutobi schien es nicht gehört zu haben, doch Sasuke warf mir einen mahnenden Blick zu. Es fühlte sich komisch an, ausgerechnet von ihm so zurechtgewiesen zu werden. Normalerweise war schließlich er derjenige, der sich die überflüssigen Kommentare nicht verkneifen konnte.

 

„Die Familie – unter ihnen auch Mito Uzumaki – suchte also nach einer Möglichkeit, wie sie ihre Macht unabhängig von ihren eigenen menschlichen Leben erhalten könnten. Für den Fall, dass irgendwann einmal keiner von ihnen mehr übrig sein sollte, der in der Lage war, die Aufgaben eines Jinchuriki zu erfüllen. Und schließlich ist es Mito Uzumaki gelungen ein Amulett zu erschaffen, das die Fähigkeiten eines Jinchuriki besitzt und das in einem Falle wie deinem als Überbrückung eingesetzt werden kann.“

 

„Also ist das Amulett so eine Art Chakraspeicher?“, schlussfolgerte ich.

 

Sarutobi wog seinen Kopf leicht hin und her und verzog dabei den Mund.

 

„Es ist mehr eine Art Chakramagnet“, erwiderte er schließlich. „Ein sehr mächtiger Magnet, der in der Lage ist, Chakra nicht nur aufzunehmen, sondern auch über weite Distanzen hinweg anzuziehen.“

 

Unwillkürlich fragte ich mich, ob ich selbst dann auch so eine Art Chakramagneten darstellte. War es das was Sasuke mit dem Leuchten gemeint hatte? Bisher hatte ich noch nie etwas davon gehört, dass Magneten leuchten konnten.

 

„Wenn die Jinchuriki in Gefahr waren, weil andere es auf ihre Macht abgesehen haben, warum haben sie dann dieses Amulett erschaffen?“, Sasukes Stimme klang kühl und es schwang ein unüberhörbar kritischer Tonfall darin mit. „Es ist doch viel leichter, ein Amulett zu stehlen, als einen Menschen zu töten.“

 

Wenn er es sagte, klang es wie eine simple Feststellung. Dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mir eine leichte Gänsehaut den Rücken hinunterkroch. Diese alten Familiengeschichten – meine Familiengeschichten – waren mir irgendwie nicht geheuer.

 

„Eine berechtigte Frage“, räumte Sarutobi ein. „Aber in vielerlei Hinsicht war es eine geschickte Sicherheitsvorkehrung. Mito Uzumaki war eine kluge Frau. Sie hat das Amulett an die eigene Blutlinie gebunden, um zu verhindern, dass es missbraucht werden konnte. Das Amulett konnte also nur von Mitgliedern der Uzumaki Familie genutzt werden – mit einer Ausnahme: Sollte kein Familienmitglied in der Lage sein, aktiv die Funktion eines Jinchuriki auszuführen, kann das Amulett übergangsweise auch durch jemand anderen genutzt werden. Sobald allerdings ein Mitglied der Familie das zwanzigste Lebensjahr erreicht, verliert das Amulett nach und nach seine Kraft und kann schließlich nur noch von einem Uzumaki wieder aufgeladen werden. Sollte der letzte Uzumaki jedoch sterben, ist die Kraft des Amuletts verloren.“

 

„Und der Letzte bin ich“, stellte ich ernüchtert fest.

 

Zumindest erklärte diese Geschichte zum Teil, warum sie alle so einen großen Terz um mich machten. Vermutlich war es nun meine Aufgabe, dieses seltsame Familien-Amulett wieder aufzuladen, bevor seine Kraft versiegte. Ich seufzte.

 

„Und wo ist das Teil?“, fragte ich dann.

 

Sarutobi zuckte unwillkürlich zusammen und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Sasuke ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. Ihm war wohl nicht entgangen, dass diese ganzen Gespräche über meine Vorfahren allmählich meine Nerven strapazierten.

 

„Es ist weg“, antwortete der Schulleiter. „Seit dem Tod deiner Mutter ist es verschwunden.“

 

Nun verstand ich gar nichts mehr. Seine Miene wirkte mit einem Mal undurchdringlich und nicht zum ersten Mal stellte ich fest, wie schwer es war sein Verhalten zu deuten. Versteckt hinter seinem großen Schreibtisch, zwischen den vielen Bücherregalen und Teetassen wirkte er meist, als wäre er trotz allem meilenweit von einem entfernt. Seine Stimmung konnte von einer Sekunde auf die andere umschlagen und man wusste nie was einen als nächstes erwartete. Im einen Moment wirkte er fast schon kindlich und voller Begeisterung, im anderen strahlte er eine fast schon beängstigende Autorität aus und zwischendrin drifteten seine Gedanken regelmäßig in eine andere Welt ab. Überhaupt dachte er meistens sehr lange nach, bevor er etwas sagte. Er war undurchschaubar. Möglicherweise sogar noch undurchschaubarer als Sasuke.

 

„Es ist davon auszugehen, dass die Schatten das Amulett damals beim Angriff auf deine Mutter entwendet haben“, erklärte Sarutobi. „Wie du bereits bei unserem letzten Gespräch festgestellt hast, sind regelmäßige Angriffe auf Wächter und ihr Chakra nicht gerade unauffällig, was bedeutet, dass die Schatten eine andere Möglichkeit brauchen um an Chakra zu kommen.“

 

Das war dann wohl das Amulett. Allerdings funktionierte dieser Weg nur solange, bis ein Mitglied der Uzumaki-Familie die Volljährigkeit erreichte – und das war heute geschehen. Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Rädchen hinter meiner Stirn immer weiter drehten und schließlich klickend einrasteten. Das also war der Grund, warum sie wie besessen hinter mir her waren.

 

„Sie brauchen mich, um das Amulett weiter nutzen zu können“, schlussfolgerte ich.

 

Auch ohne seine Bestätigung wusste ich bereits, dass ich Recht hatte. Die Wächter hatten jahrelang darauf gewartet, dass ich endlich volljährig werden würde, um so die Macht der Schatten zu schwächen. Nur befürchtete ich, dass diese sich das nicht so einfach gefallen lassen würden.

 

„Also soll ich mich für den Rest meines Lebens vor ihnen verstecken?“, fragte ich panisch.

 

Das war definitiv nicht die Art, wie ich mir mein Leben vorgestellt hatte.

 

„Nein“, sagte Sarutobi entschieden. „Das würde nichts bringen. Früher oder später würden sie dich sowieso finden.“

 

Das hatte er wohl Recht. Allerdings wusste ich nicht, worauf er stattdessen hinauswollte. Angestrengt runzelte ich die Stirn und ging nochmal alle Informationen durch, die ich bisher über das Amulett erhalten hatte. Die letzten Jahre über, seit dem Anschlag auf meine Mutter, war es den Schatten gelungen, es für ihre Zwecke zu nutzen. Statt durch einen Jinchuriki hindurchzufließen, war das Chakra direkt vom Menschen auf das Amulett übergegangen, wobei die Schatten einen wohl nicht unerheblichen Teil zurückbehalten hatten. Ein bisschen stellte ich es mir wie eine Produktionskette vor, in die von außerhalb jemand eingriff, um Ressourcen abzuzapfen.

 

Diese Art des Diebstahls konnte jedoch nur funktionieren solange einige Bedingungen erfüllt waren. Zum ersten durfte kein volljähriger Erbe der Uzumaki-Blutlinie am Leben sein. Diese Bedingung war mit dem Tod meiner Mutter erfüllt worden. Zum zweiten musste jedoch unbedingt ein minderjähriges Mitglied der Uzumaki-Familie existieren, da das Amulett sonst nach und nach seine Macht verlieren würde. Das bedeutete automatisch, dass die Einsatzzeit des Amuletts durch Außenstehende immer zeitlich begrenzt sein würde. Wenn ich nun versuchte, mich in die Sicht der Schatten hineinzuversetzen, wäre der nächste logische Schritt für mich, eine Möglichkeit zu suchen, wie man diese zeitliche Begrenzung aufheben konnte, um das Amulett weiterhin zu nutzen. Und der Schlüssel dazu lag vermutlich im letzten noch lebenden Uzumaki-Erben – und damit in mir.

 

„Wir müssen ihnen zuvor kommen“, verkündete Sarutobi ernst. „Das ist unsere einzige Möglichkeit, um die Katastrophe abzuwenden. Wenn wir verstehen könnten, wie das Amulett funktioniert oder noch besser – wenn es uns gelingen würde, es aufzuspüren – könnten wir dafür sorgen, dass es in fremden Händen keine Gefahr mehr darstellt. Dann würden die Schatten auch das Interesse an dir verlieren und du müsstest dich nicht mehr verstecken.“

 

Sasuke schnaubte skeptisch.

 

„Und wie sollen wir das anstellen?“

 

Die gleiche Frage stellte ich mir auch. Wenn es möglich war, das Amulett aufzuspüren und gegebenenfalls unschädlich zu machen, konnte ich mir nicht erklären, warum es noch immer in den Händen der Schatten war. Wir befanden uns in einer Akademie, in der Elite-Wächter ausgebildet wurden. Sarutobi hätte längst ein Team von ihnen losschicken können, um nach dem Amulett zu suchen, doch stattdessen hatte er ausgerechnet auf mich gewartet.

 

„Bedauerlicherweise gibt es nur eine Person, die in der Lage ist, das Amulett aufzuspüren“, räumte Sarutobi zerknirscht ein. „Die Familienchroniken der Uzumakis besagen, dass ein Erbe mit Eintritt in die Volljährigkeit die Fähigkeit erlangt, den Aufenthaltsort zu erspüren. Das ist eine weitere der Schutzfunktionen, mit denen Mito das Amulett belegt hat.“

 

„Naruto soll dazu in der Lage sein, das Amulett aufzuspüren?“, Sasuke klang diesmal noch skeptischer als vorhin schon, falls das überhaupt noch möglich war.

 

Obwohl ich eigentlich genau wusste, dass er Recht hatte, fühlte ich mich durch seine Tonlage verletzt. Es war offensichtlich, dass er mir diese Aufgabe nicht einmal ansatzweise zutraute und wenn ich ehrlich war, ging es mir da nicht anders. Bisher hatte ich noch überhaupt nichts von irgendwelchen besonderen Fähigkeiten bemerkt und darüberhinaus war ich ja noch nicht mal dazu in der Lage, mein eigenes Chakra zu spüren. Wie sollte ich  da ein winziges Amulett finden, dass theoretisch überall auf der Welt sein könnte?

 

„Sasuke hat Recht, ich kann das wirklich nicht“, stimmte ich ihm widerwillig zu.

 

Sarutobi verengte die Augen und sah mich durchdringend an.

 

„Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, sagte er mahnend.

 

Die Autorität, die er dabei ausstrahlte, jagte einem kalte Schauer über den Rücken. Trotz allem lag noch immer eine gewisse Sanftheit auf seinem von Falten durchzogenen Gesicht. Ich konnte gut verstehen, warum man ausgerechnet ihn als Schulleiter für diese Akademie ausgewählt hatte.

 

„Mir ist durchaus bewusst, dass du gegen die Schatten nicht den Hauch einer Chance haben würdest“, räumte er mit einer geradezu brutalen Ehrlichkeit ein. „Aber das ist ja auch der Grund, warum wir dir mit Sasuke und Sakura zwei unserer fähigsten Wächter an die Seite stellen. Durch ihr junges Alter werden sie nicht auffallen. Sie sind sozusagen noch unbeschriebene Blätter und wir haben darauf geachtet, ihre Identitäten vor den Schatten geheim zu halten.“

 

Sofort musste ich an die Situation im Park zurückdenken. Die Schatten hatten uns dort aus dem Hinterhalt angegriffen und die Art, wie sie ihren Angriff geplant hatten, ließ darauf schließen, dass die bereits Informationen über ihre Fähigkeiten besessen hatten. Wusste Sarutobi davon?

 

„Wir haben aber noch zwei weitere Asse im Ärmel“, fuhr der Schulleiter fort. „Zum einen geraten die Schatten allmählich in Zugzwang, wenn sie verhindern wollen, dass die Macht des Amuletts gänzlich erlischt. Sie werden Risiken eingehen müssen und Fehler machen. Der Zeitrahmen, in dem sie dich finden müssen, ist eng begrenzt und das können wir uns zu Nutze machen. Der zweite Vorteil ist diese Buch.“

 

Der Schulleiter erhob sich, wobei mir sofort auffiel, dass er sich für sein Alter noch sehr flüssig bewegte. Mit einer eleganten Handbewegung schob er ein paar Bücher in einem seiner unzähligen, bis unter die Decke reichenden Bücherregale beiseite und sein Arm verschwand fast gänzlich dahinter. Was hatte er nun wieder vor? Ungeduldig rutschte ich auf meinem Platz hin und her, bis ich plötzlich einen leichten Stromstoß bemerkte. Sasuke hatte mir unter dem Tisch bestimmend eine Hand auf den Oberschenkel gelegt und bedeutete mir damit, ruhig zu sein. Mein nervöses Verhalten schien ihm auf die Nerven zu gehen.

 

„Da haben wir es ja“, stellte Sarutobi zufrieden seufzend fest.

 

In seiner rechten Hand hielt er ein kleines, schmales Buch mit einem dunkelbraunen Einband, das jedoch keinen Titel zu haben schien. Er legte es vor uns auf die Schreibtischplatte und nun beugte sich auch Sasuke neugierig vor und musterte es interessiert. Es war auch für ihn etwas Neues. Das Buch sah ein wenig schmutzig aus oder zumindest so, als wäre es bereits durch viele Hände gereicht worden. Trotzdem strahlte es irgendwie eine gewisse Macht und Faszination auf mich aus, die ich nicht zu deuten wusste.

 

„Was ist das für ein Buch?“, fragte ich neugierig.

 

Am liebsten wollte ich meine Finger danach ausstrecken und mit ihnen über den Einband fahren, doch ich traute mich nicht. Die Faszination die von ihm ausging hatte einen dunklen und gefährlichen Beigeschmack.

 

„Dieses Buch ist bisher unser einziger Anhaltspunkt“, erklärte Sarutobi mit einer tiefen schweren Stimme. „Es wird der Startpunkt für eure Reise sein und gleichzeitig auch unsere einzige Hoffnung. Bitte Naruto, sieh hinein.“

 

Er machte eine auffordernde Handbewegung, doch ich zögerte. Ich spürte, wie schwitzig und kalt seine Handflächen waren. Auch er war aus irgendeinem Grund nervös. Unbewusst befeuchtete ich mit der Zungenspitze meine Lippen. Als ich das Buch schließlich wahllos auf irgendeiner Seite aufklappte, hielt ich unwillkürlich die Luft an.

 

Nichts geschah. Natürlich nicht. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, immerhin handelte es sich hier nur um ein Buch. Allem Anschein nach um ein Notizbuch. Die einzelnen Seiten waren bereits leicht vergilbt und die feinen Linien, die die Zeilen bildeten, auf denen man schreiben konnte, waren schon so gut wie nicht mehr erkennbar. Zaghaft begann ich damit, darin zu blättern. So gut wie jede Seite war von oben bis unten vollgeschrieben, mal in fein säuberlicher Schreibschrift, mal in krakeligen Buchstaben, die so aussahen als wären sie in Eile hineingekritzelt worden. Dennoch handelte es sich um die gleiche Handschrift. Und ich kannte diese Handschrift.

 

„Das Buch hat früher einmal meiner Mutter gehört“, stellte ich fest.

 

Sasuke schien diese Erkenntnis kein bisschen zu überraschen. Bestimmt hatte er auch das bereits gewusst.

 

„Ja, ja genau“, Sarutobi nickte eifrig. „Kannst du es lesen?“

 

Sein Tonfall klang erwartungsvoll. Aufgeregt. Doch ich musste ihn enttäuschen.

 

„Kein Wort“, gab ich zu.

 

Die Seiten waren in einer mir vollkommen fremden Sprache beschrieben worden. Ehrlich gesagt, kam es mir nicht einmal vor wie eine richtige Sprache, sondern vielmehr wie eine sinnlose Aneinanderreihung von Silben und Buchstaben. Ich schob das Buch zu Sasuke rüber, damit er es sich auch ansehen konnte.

 

„Dieses Buch stammt aus der geheimen Bibliothek der Uzumaki-Familie. Dort werden alle Aufzeichnungen über die Familie, deren Geschichte und natürlich über das Amulett aufbewahrt. Auch deine Mutter hat alles dokumentiert und in diesem Notizbuch aufgeschrieben. Es enthält vermutlich wichtige Informationen, die uns dabei helfen könnten, das Amulett zu finden und unschädlich zu machen. Möglicherweise sogar Informationen, die uns Hinweise auf die Täter beim Anschlag auf deine Mutter geben können.“

 

Konzentriert betrachtete Sasuke die Seiten des Buches und blätterte dann bedächtig weiter. Es schien fast so, als würde er alles, was er sah, in sich aufsaugen. So fokussiert kannte ich ihn bisher nur während seines Trainings. Sein Kiefer war leicht angespannt, sodass seine Wangen ein wenig einfielen und die Wangenknochen nur noch mehr aus dem blassen Gesicht hervorstachen. Ein wenig erinnerte er mich an eine Statue.

 

„Diese Sprache…“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Was ist das für eine Sprache?“

 

Sarutobi schien ihn dennoch gehört zu haben, denn er antwortete.

 

„Genau das ist ein weiteres Problem. Ehrlich gesagt, hatte ich darauf gehofft, dass Naruto in der Lage sein würde, sie zu verstehen. Es handelt sich dabei um eine Sprache der Jinchuriki und zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich mich zu Lebzeiten von Narutos Mutter, nie näher damit auseinandergesetzt habe.“

 

„Das heißt, wir müssen eine Möglichkeit finden, wie wir dieses Buch übersetzt bekommen“, stellte Sasuke nüchtern fest.

 

In seiner Stimme schwang ein leiser Vorwurf mit, der sich wohl an mich richtete. Seine Vorstellung von einem Jinchuriki passte offenbar ganz und gar nicht mit der Realität zusammen, die ich ihm bot. Ich konnte weder mein eigenes Chakra spüren, noch das Amulett, noch verstand ich auch nur ein Wort von dieser fremden Jinchuriki-Sprache. In seinen Augen musste ich der totale Reinfall sein. Frustriert stieß ich die Luft aus.

 

„Und wie machen wir das?“

 

Es tat gut, das Wort wir zu verwenden, denn so hatte ich zumindest nicht das Gefühl, dass alles von mir abhing. Sarutobi richtete sich gerade in seinem Stuhl auf, wodurch er nur noch mehr an Autorität gewann.

 

„Das hier wird ein Krieg an mehreren Fronten“, prophezeite er. „Es wird nicht leicht, aber wir können es schaffen. Zum einen müssen wir es schaffen, das Buch zu entziffern, um mehr Informationen über das Amulett zu erhalten. Zum anderen müssen wir es so schnell wie möglich finden. Und zuletzt – und das ist das allerwichtigste – darf es den Schatten unter keinen Umständen gelingen, Naruto in die Finger zu bekommen.“

 

„Kinderspiel“, knurrte Sasuke und seine Stimmte triefte nur so vor Sarkasmus.

-15-

 

„Konzentrier dich auf deine Atmung. Versuch genau zu spüren, wie sich das Blut durch deinen Körper bewegt.“

 

Ich hatte die Augen geschlossen und die Beine etwa hüftbreit aufgestellt, um einen sicheren Stand zu gewährleisten. Es war kühl in der Halle und an meinen Armen hatte sich bereits eine leichte Gänsehaut gebildet.

 

„Und spürst du schon was?“

 

Frustriert schüttelte ich den Kopf und öffnete die Augen, als ein leises Schnauben an meine Ohren drang. Sasuke stand ein paar Meter weit weg und beobachtete uns beim Training. Eigentlich hatte er selbst trainieren wollen, doch scheinbar fand er gerade spannender, was bei Itachi und mir passierte. Seine Anwesenheit machte mich jedoch nur noch nervöser. Seit nunmehr fast zwei Stunden waren wir bereits hier und versuchten so etwas wie einen Kontakt zu meinem Chakra herzustellen. Itachi war ein wirklich geduldiger Lehrer, doch allmählich hatte ich das Gefühl, dass mir selbst bald die Geduld ausgehen würde. Wir versuchten es immer und immer wieder. Im Sitzen. Im Stehen. Im Liegen. Und dennoch waren bisher all unsere Bemühungen ohne Erfolg gewesen, denn es passierte nichts.

 

„Bist du dir sicher, dass ich überhaupt ein Jinchuriki bin?“, fragte ich skeptisch.

 

Itachi schmunzelte.

 

„Sonst würde ich mir die Mühe ja nicht machen“, versicherte er mir. „Das wird schon noch, glaub mir!“

 

Manchmal fragte ich mich wirklich, woher er seine Zuversicht nahm. Alleine hätte ich sicher schon längst aufgegeben. Und wenn ich rüber zu Sasuke sah, dann sah ich in seinen Augen dieselbe Skepsis, die jede Faser meines Körpers durchdrang. Nur Itachi schien felsenfest davon überzeugt zu sein, dass ich die Kontrolle über mein Chakra noch erlangen würde.

 

„Lass uns eine kurze Pause machen!“, schlug er vor und ich nickte.

 

Eine Pause kam mir gerade Recht. Seit unserem Gespräch mit Sarutobi stand ich unter ständigem Strom und hatte das Gefühl einfach nicht zur Ruhe kommen zu können. Nicht gerade förderlich, wenn man versuchte, den Kontakt zu seinem eigenen Chakra herzustellen. Trotzdem war dies nur der erste notwendige Schritt von einer Reihe von Aufgaben, die in den nächsten Wochen und Monaten wohl auf mich zukommen würden. Nach dem kurzen Ausflug in meine Familiengeschichte, hatten wir das weitere Vorgehen besprochen. Am wichtigsten war es zunächst, dass ich die Kontrolle über mein eigenes Chakra erlangte, um es gezielt unterdrücken zu können. Andernfalls würden mich die Schatten sofort aufspüren, sobald ich die Akademie verließ.

 

Außerdem hatte Sarutobi Itachi angewiesen, mir einige Techniken zur Selbstverteidigung beizubringen, denn man konnte ja nie wissen. Allein bei dem Gedanken daran, mich selbst verteidigen zu müssen, wurde mir schon ganz schlecht. Ich konnte mir definitiv schöneres vorstellen, als gegen gutausgebildete Schatten mit speziellen Fähigkeiten zu kämpfen. Was sollte ich denen schon entgegenzusetzen haben?

 

„Ich werde das nie hinkriegen“, jammerte ich und ließ meinen Kopf auf die angewinkelten Knie sinken.

 

Itachi, der neben mir auf dem Boden Platz genommen hatte, stupste mich mit seinem Knie an.

 

„Sag das nicht. Du wirst sehen, ich mach aus dir ruckzuck einen Elite-Kämpfer“, versprach er grinsend. „Außerdem hast du ja noch Sasuke. Mit seinem Todesblick traut sich keiner näher als zehn Meter an euch ran.“

 

Er verzog das Gesicht zu einer misstmutigen Grimasse und versuchte so mehr oder weniger treffend Sasukes Blick zu imitieren. Unwillkürlich musste ich lachen und fühlte mich tatsächlich ein bisschen weniger erdrückt von den Erwartungen, die auf mir lasteten. Sein unerschütterlicher Glaube in mich, verhinderte, dass ich allmählich verzweifelte. Überhaupt schien er immer von allem, was er tat, zu einhundert Prozent überzeugt zu sein.

 

„Itachi, kann ich dich mal was fragen?“

 

„Klar, schieß los“, forderte er mich auf.

 

Ich wusste nicht recht, wie ich das Thema anschneiden sollte. Doch wenn mir einer in dieser Hinsicht weiterhelfen konnte, dann war er es.

 

„Das Verhältnis zwischen Wächtern und Menschen“, begann ich zögerlich. „Ich hab in letzter Zeit viel darüber nachgedacht.“

 

Meine nächsten Worte musste ich besonders sorgfältig wählen. Schließlich wollte ich nicht, dass er etwas Falsches von mir dachte. In meiner Position als Jinchuriki gehörte ich genau genommen keiner der beiden Parteien an und vielleicht war es genau das, was es mir nicht ermöglichte, Verständnis aufzubringen. Ein Verständnis, dass für ihn selbstverständlich war.

 

„Eigentlich ist es doch ein reines Abhängigkeitsverhältnis.“

 

Die ganze Zeit über hatte er mir aufmerksam zugehört und nun da es raus war, hielt ich unwillkürlich die Luft an und versuchte seine Gedanken an seinem Gesicht abzulesen. Meine Formulierung war noch vergleichsweise neutral ausgefallen, doch ich war mir sicher, dass er meine Zweifel trotzdem spürte. Sarutobi hatte vom Frieden gesprochen. Von Verantwortung und Gleichgewicht. Allerdings konnte ich in der Beziehung zwischen Menschen und Wächtern keinerlei Gleichgewicht erkennen – vielmehr trugen die Wächter die Verantwortung ganz allein und die Menschen wussten nicht einmal davon.

 

„Auf den ersten Blick mag es vielleicht wie ein reines Abhängigkeitsverhältnis erscheinen“, räumte Itachi ein. „Für mich ist es aber viel mehr. Ich bin mir sicher, jeder hat da so seine eigene Einstellung und auch seine eignen Gründe, aber ich persönlich bin sehr dankbar dafür, dass es ist, wie es ist.“

 

Er lächelte ganz leicht. Seine Worte klangen warm und überhaupt nicht wütend. Meine Zweifel hatten ihn glücklicherweise nicht verärgert, wie ich es zunächst befürchtet hatte.

 

„Was meinst du mit dankbar?“, hakte ich nun ein wenig mutiger nach.

 

„Meiner Meinung nach sollte Nächstenliebe das Fundament einer jeden Gesellschaft sein“, erklärte er. „Ohne Nächstenliebe funktioniert gar nichts. Wenn man sich nicht gegenseitig hilft, kann man auch gleich völlig isoliert leben. Und das ist es auch, worauf die Beziehung zwischen Wächtern und Menschen basiert. Keine Abhängigkeit, sondern soziale Verantwortung – und die ist meiner Meinung nach etwas Positives. Trotzdem wird niemand zu irgendetwas gezwungen. Jeder Wächter kann zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, inwieweit er sich um den Menschen kümmern will, mit dem er verbunden ist. Im Normalfall können beide Parteien ihr Leben so gut wie ohne Einschränkungen leben. Im Notfall springen die Akademien ein.“

 

„Aber was ist mit der Übertragung von Zuständen?“, warf ich ein. „Sasuke wird ja zum Beispiel schon schlecht, wenn ich einfach nur einen Kaffee trinke.“

 

Das war meiner Meinung nach ein berechtigter Einwand. Immerhin hatte ihn das scheinbar so sehr gestört, dass er sich bei mir beschwert und mir den Kaffee am Ende sogar ganz verboten hatte. Sasuke, der sein Training mittlerweile wieder aufgenommen hatte, horchte beim Klang seines Namens auf und sah zu uns herüber. Sein Blick war stechend, ganz so als hätte ich ihn mit meiner letzten Aussage bis aufs Blut beleidigt.

 

„Das liegt daran, dass er dein Chakra sehr exzessiv nutzt und seine Fähigkeiten trainiert“, klärte Itachi mich auf. „Dadurch wird die Übertragung sehr viel intensiver und er wird bereits von kleinen Veränderungen beeinflusst. Ein Geben und Nehmen sozusagen.“

 

Ich musste zugeben, dass mich das, was er bisher gesagt hatte irgendwie beeindruckte. Als Sarutobi über das Thema gesprochen hatte, waren mir seine Argumente oftmals eher wie leere Worthülsen vorgekommen. Frieden. Gemeinschaft. Verantwortung. Itachi war dazu in der Lage, diese leeren Hülsen mit Inhalten zu füllen. Mit Inhalten, die definitiv Sinn machten, auch wenn ich mir noch nicht sicher war, ob ich ihnen unbeschränkt zustimmen konnte.

 

„Und was heißt in Notfällen greifen die Akademien ein?“

 

Itachi spürte, dass meine Zweifel noch nicht vollständig beseitigt waren.

 

„Sakura zum Beispiel. Ich denke, sie hat dir davon erzählt?“

 

Ich nickte.

 

„Wenn ein Wächter unbeabsichtigt von seinem Menschen getrennt wird, zum Beispiel weil der Mensch ums Leben kommt, wird der Wächter von den Akademien mit Chakra versorgt. Das funktioniert dann normalerweise über Chakraspeicher, wie auch Sakura einen trägt. Sie ist nicht in der Lage, selbstständig Chakra zu produzieren – aber das muss sie auch nicht. Auch die Wächter sind eine Gemeinschaft, die füreinander einstehen“, er zwinkerte. „Nächstenliebe eben.“

 

Aus dieser Perspektive hatte ich das System noch gar nicht betrachtet. Gewissermaßen begingen die Schatten also insbesondere einen Verrat an den anderen Wächtern. Würde sich jeder Wächter von der Bindung an seinen Menschen lossagen, um im Ernstfall nicht von negativen Konsequenzen betroffen zu sein, gäbe es auch niemanden mehr, von dem man Chakra stehlen könnte. Das ganze System würde stagnieren, das Chakra versiegen, die Wächter ihre Kraft verlieren.

 

Wohingegen für jeden einzelnen, unabhängig von seiner persönlichen Bindung, eben dadurch Hoffnung bestand, dass alle Wächter gemeinsam an einem Strang zogen. Die Verantwortung wurde verteilt und in ein Gleichgewicht gebracht. Allmählich bekamen die Begriffe, die Sarutobi gebraucht hatte, einen Sinn. Wenn auch vielleicht einen ganz anderen, als er in diesem Moment beabsichtigt hatte. Sarutobi hatte wirklich nicht sehr überzeugend gewirkt und wenn ich so genau darüber nachdachte, selbst auch nicht besonders überzeugt.

 

Ich stützte mich mit den Handflächen nach hinten ab und betrachtete nachdenklich die Decke der Trainingshalle. Wir schwiegen eine Weile und ich ließ das Gesagte nochmal auf mich wirken. Diese Worte aus Itachis Mund zu hören, fühlte sich irgendwie richtig an und ich zweifelte keine Sekunde daran, dass er alles genauso gemeint hatte, wie er es gesagt hatte. Allerdings konnte nicht jeder so eine soziale Ader und ein Verantwortungsbewusstsein haben wie er und nicht für jeden konnte die Motivation in der Nächstenliebe liegen. Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu Sasuke und ich musste mich zusammenreißen, um nicht aus Versehen wieder zu ihm rüber zu sehen. Was wohl seine Motivation war?

 

Schwungvoll erhob sich Itachi vom Boden der Trainingshalle und hielt mir seine Hand hin.

 

„Lass uns weitermachen“, schlug er vor.

 

Ich griff danach und ließ mich von ihm nach oben ziehen. Am liebsten hätte ich mich noch eine Weile mit ihm unterhalten, doch ich wusste, dass wir aus einem anderen Grund hier waren. Sofort verdüsterte sich mein Gesicht. Es gab da ja noch immer die Sache mit der Chakrakontrolle. Noch immer war mir völlig schleierhaft, wie ich das hinkriegen sollte und ich hatte nicht das Gefühl, dass die kurze Pause irgendetwas verändert hatte.

 

„Ich hab mir gedacht, ich zeig dir ein paar Meditationsübungen, die du dann auch alleine machen kannst und danach probieren wir ein paar Grundtechniken zur Selbstverteidigung.“

 

Ich war einverstanden und wir begannen direkt mit den ersten Übungen. Zugegebenermaßen war ich mehr als nur erleichtert, dass er vorerst davon abgelassen hatte, noch heute einen Zugang zu meinem Chakra herzustellen. Stattdessen versprach er mir, dass er sich nochmal Gedanken machen würde. Meine Aufgabe war es bis dahin nur, die Meditationsübungen regelmäßig auszuführen. Außerdem versicherte er mir immer wieder, dass es nichts Außergewöhnliches war, wenn die Chakrakontrolle nicht auf Anhieb klappte. Manche seiner Schüler hatten dafür wohl mehrere Wochen gebraucht.

 

Nach den Meditationsübungen kamen die zur Selbstverteidigung. Es war mittlerweile schon später Nachmittag und ich registrierte, dass meine Konzentration langsam nachließ. Paradoxerweise konnte Meditation zur Entspannung ziemlich anstrengend sein. Auf der anderen Seite tat es aber auch gut, sich endlich wieder ausgiebig bewegen zu können. Itachi gab mir immer wieder neue Anweisungen, die ich dann versuchte so gut wie möglich umzusetzen. Als Lehrer war er voll in seinem Element und auch ich stellte mit wachsender Befriedigung fest, dass mir diese Art von Übung schon deutlich eher lag. Ich begriff schnell, was er von mir wollte und es gelang mir auch meistens nach wenigen Versuchen die Schritte sauber auszuführen. Itachi nickte zufrieden.

 

„Okay, ich greif jetzt nach deinen Handgelenken“, verkündete er und setzte seine Worte auch gleich in die Tat um. „Du drehst deine Hände seitlich weg so wie bei der Übung vorhin  und trittst dann zu.“

 

Ich nickte als Zeichen dafür, dass ich verstanden hatte. Er hatte meine Handgelenke nicht besonders fest gepackt, jedoch so, dass ich kaum Bewegungsfreiheit hatte. Meine Hände fühlten sich kalt an. Teils weil es in der Trainingshalle ein wenig frisch war und teils, weil ich noch immer nervös war und Angst hatte etwas falsch zu machen. Seine Hände dagegen waren schön warm. Ich drückte mit den Handgelenken leicht dagegen, um zu prüfen, wie viel Freiraum er mir lassen würde und nahm dann die Ellenbogen nach oben, um kurz darauf die Hände mit einem Ruck zur Seite zu drehen. Itachi konnte nicht anders als mich loszulassen und wie er es mir befohlen hatte, deutete ich einen Tritt an.

 

„Sehr gut“, lobte er zufrieden und wich einen Schritt zurück.

 

„Das mit dem Tritt müsst ihr aber noch üben!“, mischte sich plötzlich auch Sasuke ein.

 

Wie so oft hatte ich gar nicht bemerkt, wie er näher gekommen war. Er konnte sich so lautlos bewegen, dass es fast schon unheimlich war. Itachi verdrehte die Augen.

 

„Das war der erste Versuch. Außerdem will ich mich ja nicht direkt verprügeln lassen.“

 

Sasuke zuckte mit den Schultern. Die Antwort schien ihn nicht wirklich zufrieden zu stellen und ich spürte, wie meine gute Laune augenblicklich wieder verflog. Bis eben war ich tatsächlich stolz auf meine Leistung gewesen, doch seine hohen Ansprüche machten sofort wieder alles zunichte.

 

„Du kannst das ja gerne mit Naruto üben, wenn dir mein Training nicht effektiv genug ist“, bot Itachi nüchtern an.

 

Sofort hob ich abwehrend die Hände.

 

„Ich glaube, das reicht erst mal so!“

 

Sasuke gab ein unterdrücktes Geräusch von sich, das wie eine Mischung aus Knurren und Lachen klang und auch Itachi schmunzelte. Schon allein der Gedanke daran, mit Sasuke zu trainieren, löste bei mir augenblicklich spontane Fluchtinstinkte aus. Und zwar im Zickzack, damit er meinen Fluchtweg nicht voraussehen konnte.

 

„Irgendwann müsst ihr beide zusammenarbeiten“, erinnerte Itachi uns fast schon ein wenig schadenfroh.

 

Eigentlich war es seltsam, dass sowohl Sasuke als auch ich so ein gutes Verhältnis zu ihm hatten. Itachi war unsere einzige Gemeinsamkeit. Obwohl wir beide von Grund auf verschieden waren und uns nur ganz langsam und Schritt für Schritt aneinander gewöhnen konnten, hatten wir ihn beide ins Herz geschlossen. Bisher hatte ich noch nie so etwas wie eine Familie gehabt, aber er verkörperte für mich den perfekten großen Bruder.

 

Ein lautes Räuspern riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte hinauf zur Empore von wo aus das Geräusch gekommen war. Dort oben stand Sarutobi und sah auf uns herab. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er da schon stand und hoffte, dass er nicht allzu viel mitbekommen hatte. Vermutlich wollte er sich höchstpersönlich vom Fortschritt meines bisherigen Trainings überzeugen. Sofort beschlich mich wieder das Gefühl, nicht genug erreicht zu haben.

 

„Itachi, auf ein Wort?“, bat er und winkte ihn zu sich.

 

Er hatte nicht besonders laut gesprochen, dennoch duldete seine Stimme weder Widerspruch noch Aufschub. Itachi hob entschuldigend die Hände.

 

„Vielleicht könntet ihr kurz weitermachen?“, fragte er vorsichtig.

 

Sofort versteifte sich mein gesamter Körper. Training mit Sasuke. Ich wollte widersprechen, doch ich biss mir fest auf die Lippe und verkniff mir jeglichen Kommentar. Es wäre kindisch, mich jetzt zu sträuben. Insbesondere da Itachi Recht hatte: Irgendwann musste wir zusammenarbeiten. Allerdings war ich bisher davon ausgegangen, noch eine Weile Schonfrist genießen zu dürfen. Die war nun offensichtlich vorbei.

 

„Sei nicht zu hart mit ihm!“, mahnte Itachi und sah seinen Bruder streng an. „Ich sehe euch von da oben.“

 

Ich schluckte. Sasukes Art mit jemandem zu trainieren kannte ich ja bereits zur Genüge.

-16-

 

„Links – oben – rechts – rechts – unten – oben – links.“

 

Der Ausleiter traf mich fast an der Hand, als ich zu spät schaltete und Sasukes Angriff nicht mehr rechtzeitig abwehren konnte. Im letzten Moment zog ich die Hand weg und ließ dabei den Ausleiter fallen, den ich eigentlich zu meiner Verteidigung einsetzen sollte. Mit einem lauten Scheppern fiel er zu Boden und auch wenn ich nicht besonders viel Hoffnung hatte, betete ich, dass Itachi und Sarutobi nichts mitbekommen hatten.

 

„Du musst dringend deine Rechts-Links-Schwäche in den Griff kriegen“, kommentierte Sasuke trocken, ohne weiter auf seinen Treffer einzugehen.

 

Natürlich war mir bewusst, dass er bei weitem nicht sein gesamtes Potential ausschöpfte. Glücklicherweise hatte er wohl beschlossen, mich nicht schon an meinem ersten Trainingstag gnadenlos zu überfordern, doch auch die sanfte Variante seines Trainings verlangte mir bereits einiges ab. Seine Angriffe waren genau wie seine Reaktionen unglaublich schnell, sodass es mir schwer fiel, mit seinem Tempo mitzuhalten. Bevor er zustieß, verriet er mir zwar jedes Mal die Richtung, aus der sein Angriff kommen würde, doch ich war oftmals einfach zu langsam, um ihn noch rechtzeitig zu blocken.

 

Sasuke trainierte am liebsten mit Ausleitern. Er hatte mir erklärt, dass Schatten sie meistens im Kampf benutzen, noch bevor sie in einen direkten Angriff übergingen. Immerhin konnte ein Wächter ohne Chakra auch im Nahkampf nicht mehr viel ausrichten. Mit diesen Worten hatte er mir einen der gefährlichen Metallstäbe in die Hand gedrückt und mich aufgefordert, ihn anzugreifen. Das Ergebnis war – wie  nicht anders zu erwarten – erbärmlich ausgefallen. Dennoch hatte er darauf bestanden, dass wir weitermachten, statt die Übungen von Itachi zu wiederholen.

 

Ich bückte mich und hob den Ausleiter vom Boden auf. Schon beim ersten Kontakt war mir aufgefallen, dass es sich anders anfühlte als damals im Park. In dem Moment, in dem ich das kühle Metall berührte, spürte ich ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Es fühlt sich an wie Strom. So hatte Sasuke damals das Gefühl erklärt.

 

„Links!“

 

Der Angriff kam schnell und präzise. Vor allen Dingen aber unerwartet. Er holte mit der rechten Hand leicht Schwung und versuchte mich mit dem Ausleiter von links unten zu attackieren. Noch bevor mein Gehirn in der Lage war, die Information zu verarbeiten, hatte mein Körper bereits reagiert. Ich wehrte den Angriff mit meinem eigenen Ausleiter ab, indem ich eine schwungvolle Bewegung in die Gegenrichtung machte und seinen Arm dadurch abdrängen konnte. Verblüfft über meine eigene Schnelligkeit, sprang ich schnell einen Schritt zurück, um weiteren Attacken aus dem Weg zu gehen.

 

„Flucht gibt es nicht“, mahnte Sasuke streng, doch ich glaubte einen Hauch von Anerkennung in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

 

Offenbar war ich nicht der Einzige, der mir eine solche Reaktion nicht zugetraut hätte. Um meinen Fluchtversuch zu unterbinden, trat Sasuke ebenfalls einen Schritt nach vorne und begab sich erneut in seine Angriffsposition. Die rechte Hand hatte er fest um den Ausleiter geschlossen, die linke hielt er locker vor der Brust, um sich im Notfall verteidigen zu können. Allerdings wusste ich bereits, dass er ohne Probleme dazu in der Lage war, spontan die Hand zu wechseln. Bisher hatte ich so etwas wie eine schwache Seite bei ihm nicht entdecken können.

 

Ich beobachtete ihn genau und versuchte vorherzusagen, was er als nächstes tun würde. Sein Gesicht und seine Augen waren wie so oft ausdruckslos und verrieten nichts darüber, was in ihm vorging. Sein schwarzes Haar war leicht zerzaust von seinem eigenen Training zuvor und verlieh ihm ein verwegenes Aussehen. Seine schmalen Finger ruhten regungslos auf dem Stab. Sein Atem ging absolut entspannt und gleichmäßig, fast so als würde er schlafen. Womöglich könnte er dieses Training mit mir wirklich im Schlaf absolvieren.

 

„Oben!“

 

Ich zuckte zusammen, als sein Ausleiter von oben auf mich niedersauste und ich ihn wieder einmal erst im letzten Moment blocken konnte. Wenn das so weiterging, würde er mich früher oder später treffen. Nur mit den größten Schwierigkeiten unterdrückte ich den Instinkt, einfach weiter zurückzuweichen und begab mich stattdessen in eine Abwehrposition. Da ich nicht in der Lage war, die Hand so schnell wie Sasuke zu wechseln, hielt ich den Ausleiter vorwiegend in der rechten Hand. Das führte wiederum dazu, dass er besonders gerne von links unten angriff. Ich drehte meinen Körper leicht zur Seite, um ihm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Zeitgleich konnte ich ihn so ein wenig besser auf Distanz halten.

 

„Links!“

 

Wie ich vermutet hatte, versuchte er sich erneut meine schwache Seite zu nutzen zu machen. Diesmal war ich jedoch vorbereitet und konnte ohne Mühe kontern.

 

„Unten!“

 

Er vergeudete keine Sekunde, bevor er seinen nächsten Versuch startete. Allmählich hatte ich das Gefühl, dass mir die Puste ausging. Auf seiner blassen Haut war noch kein einziger Tropfen Schweiß zu sehen, während ich mich schon komplett durchgeschwitzt fühlte.

 

„Rechts!“

 

Vermutlich hatte ich es einzig und allein der speziellen Trainingskleidung zu verdanken, dass mir der Schweiß noch nicht in Sturzbächen den Rücken hinunterrann. Ich fühlte mich komplett ausgelaugt und jeder einzelne Muskel in meinem Körper fühlte sich an, als würde er brennen.

 

„Rechts!“

 

Diesmal war ich zu langsam und er traf mich am Bein. Es tat weitaus weniger weh, als ich gedacht hatte. Mir wurde erst jetzt wirklich bewusst, wie wenig Kraft Sasuke in seine Schläge legte. Das, was wir hier machten, war wirklich Kinderprogramm.

 

„Können wir kurz eine Pause machen?“, bat ich schnaufend.

 

Die Tatsache, dass er sich noch nicht mal richtig Mühe geben musste, war noch tausendmal entwürdigender als sein abschätziger Blick, der mich wieder und wieder traf.

 

„War’s das schon?“, mit einer eleganten Bewegung ließ Sasuke den Ausleiter durch die Luft wirbeln.

 

Sein Blick wanderte nach oben zur Empore. Wahrscheinlich fragte er sich auch, wann Itachi wohl zurückkehren würde, damit diese Farce hier endlich ein Ende hatte. Mit Sicherheit wollte er endlich mit seinem eigenen Training weitermachen. Wie er es ihm versprochen hatte, sprang er nicht zu hart mit mir um. Trotzdem konnte ich deutlich spüren, dass es Sasuke schwer fiel, sich zurückzuhalten. Er hatte nicht ansatzweise die Geduld, die sein Bruder aufbringen konnte. Schwäche machte ihn aggressiv, er ertrug sie schlichtweg nicht und in diesem Moment war ich wohl der Inbegriff von Schwäche.

 

„Geht wieder“, brachte ich zähneknirschend hervor.

 

Die letzten Wochen und Monate hatte ich kaum Sport gemacht. Mein Körper war praktisch noch im Schreibtisch-Modus und dementsprechend den Anforderungen des Trainings kein Stück weit gewachsen. Jeder Muskel protestierte und schmerzte, sodass ich mich am liebsten einfach auf den Boden gelegt hätte. Sasuke gegenüber wollte ich mir diese Blöße jedoch auf keinen Fall geben.

 

„Okay, dann drehen wir jetzt den Spieß um“, beschloss er. „Greif mich an. Versuch möglichst spontan zu bleiben, damit ich deine Bewegungen nicht vorhersehen kann.“

 

Aus seinem Mund klang das alles so einfach, doch das war es nicht. Während unseres Trainings hatte ich ihn ganz genau beobachtet und mir den einen oder anderen Trick von ihm abgeschaut. Nur, wenn es mir gelingen würde, ihn zu überraschen, konnte ich vielleicht einen Treffer landen. Obwohl ich nicht besonders viel Hoffnung hegte, nickte ich.

 

„Dann los“, forderte er mich auf.

 

Seine Position hatte sich verändert. In seinem Körper war nun ein wenig mehr Spannung und er hatte beide Arme leicht angehoben, in der rechten Hand noch immer den Ausleiter. Eine Schulter hatte er nach vorne gedreht und die Muskeln in seinem Oberarm waren angespannt. Ich sah mir seine Haltung ganz genau an, damit ich sie in Zukunft imitieren konnte, wenn ich mich verteidigen musste. Bevor wir mit dem Training losgelegt hatten, hatte er mir ein paar Schritte und Positionen erklärt, allerdings war alles so schnell gegangen, dass ich kaum Zeit gehabt hatte, mir alles genau einzuprägen.

 

Seine Augen fixierten mich ebenfalls und beobachteten jeden meiner Schritte. Ich versuchte, mich ihm langsam zu nähern, was jedoch darin resultierte, dass ich in einem Halbkreis um ihn herum schritt. In seinem sonst so ausdruckslosen Gesicht, konnte ich eine gewisse Ungeduld erkennen.

 

„Soll ich mir in der Zwischenzeit was zum Lesen holen?“, stichelte er.

 

Ich schnaubte wütend und machte dann einen eher halbherzigen Versuch, ihn an der Schulter zu treffen. Sasuke musste meinen Schlag noch nicht mal abwehren, sondern wich einfach nur geschickt aus. Immer und immer wieder probierte ich es über beide Seiten, versuchte näher an ihn heranzukommen, umkreiste ihn oder versuchte ihn mit der Richtung meines Angriffs zu überraschen. Doch es half alles nichts. Er hatte keinerlei Mühe damit, mich auszubremsen und landete sogar den einen oder anderen Gegentreffer. Ich war einfach zu langsam und zu schwach. Ich traute mich nicht, richtig zuzuschlagen. Noch dazu fehlte mir die Motivation, da ich allmählich nicht mehr an einen Treffer glaubte und stattdessen wartete ich einfach nur noch auf Itachis Rückkehr. So lange konnte die Besprechung unmöglich noch dauern.

 

„Greif mich mit deiner ganzen Kraft an“, forderte Sasuke ungeduldig.

 

Er hatte bemerkt, dass ich mich zurückhielt. Meine Kraftreserven ließen nicht mehr viele Versuche zu. Wenn ich zu viel Energie in einen Angriff steckte, mit dem ich ihn sowieso nicht treffen würde, wäre ich spätestens in ein paar Minuten völlig am Ende. Außerdem fühlte ich mich noch immer nicht wohl mit so einer gefährlichen Waffe in der Hand. Es widerstrebte mir, überhaupt irgendjemanden damit ernsthaft anzugreifen – selbst wenn es Sasuke war.

 

„Was ist, wenn ich dich aus Versehen treffe?“, fragte ich zweifelnd.

 

Als Antwort zog er lediglich amüsiert eine Augenbraue in die Höhe. In mir drin begann es augenblicklich zu brodeln. Also glaubte er selbst auch nicht daran, dass das überhaupt passieren könnte. Warum ließ er mich dann immer und immer wieder angreifen, obwohl wir genauso gut die Selbstverteidigungsübungen von Itachi wiederholen könnten? Ich schnaubte und wischte mir mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn. An fehlender Motivation konnte ich nun nicht mehr scheitern, dafür hatte sein überhebliches Verhalten mal wieder gesorgt. Ich wollte nichts lieber, als ihm das dumme Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.

 

Fest schlossen sich meine Finger um den Ausleiter. Links. Ich würde ihn mit der linken Hand angreifen, denn damit würde er zunächst nicht rechnen. Mein linker Arm war deutlich schwächer, aber wenn ich den Schwung aus der Schulter mitnehmen konnte, würde ich genug Kraft aufbringen. Um meinen Stand zu festigen, stellte ich meine Beine etwa einen halben Meter weit auseinander und achtete darauf, dass ich noch in der Lage war, im Notfall schnell zur Seite zu springen. Gleichzeitig angreifen und verteidigen würde ich aller Voraussicht nach nicht schaffen. Ich zwang mich selbst, ruhig zu atmen, um mich nicht im Voraus schon zu verraten.

 

Einen konkreten Plan hatte ich nicht, aber vielleicht war das auch besser so. Ich holte mit meinem rechten Arm aus und wie ich bereits vermutet hatte, parierte Sasuke den Angriff mit seinem Ausleiter. Es klirrte, als das Metall aufeinander traf. Gleichzeitig hatte ich jedoch mit der linken Hand ausgeholt und meine gesamte restliche Energie mobilisiert. Sasuke war nur auf den Ausleiter fixiert, da er mir einen komplexeren Angriff vermutlich schlicht und ergreifend nicht zutraute. Es waren nur ein paar Sekunden, doch es reichte für mich vollkommen aus. Ich formte meine Hand zu einer Faust und stieß ihn mit voller Wucht vor die Brust.

 

Er keuchte überrascht und taumelte dann ein Stück zurück. Sofort nutzte ich meinen Vorteil und ließ den Ausleiter schwungvoll durch die Luft sausen. Ich war mir absolut sicher, dass ich ihn diesmal treffen würde. Doch Sasuke hatte den kurzen Moment der Überraschung schnell überwunden und durchschaut, was ich vorhatte. Noch bevor ich selbst überhaupt schaltete, ließ er seinen eigenen Ausleiter fallen und griff nach meinen Handgelenken, um mich zu stoppen. Ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Arm und nur den Bruchteil einer Sekunde später, stoben wir auseinander wie eine Staubwolke, die vom Wind aufgewirbelt wurde. Sasuke weitete überrascht die Augen. In dem Moment, in dem er mich berührt hatte, war ein immenser Stromschlag durch uns beide hindurchgeflossen.

 

Ich stöhnte leise vor Schmerz und rieb mir die Handgelenke. Vor Schreck hatte auch ich wieder mal meinen Ausleiter fallen lassen. Es erfüllte mich jedoch mit einer gewissen Befriedigung, dass auch er etwas von dem Stromschlag abbekommen hatte. Im Endeffekt hatte ich ihn doch noch erwischt – zumindest irgendwie. Das laute Scheppern hatte nun auch Itachi zurück auf den Plan gerufen, denn er beugte sich, soweit es ihm das Schutzschild ermöglichte, über die Empore, um nachzusehen was passiert war. 

 

„Alles klar da unten?“, rief er besorgt.

 

Seine Sorge galt vermutlich in erster Linie mir. Umso überraschter schien er zu sein, dass ich unversehrt, nur wenige Meter neben Sasuke stand, der geschockt auf seine Handflächen starrte.

 

„Was habt ihr gemacht?“, wollte Itachi wissen. „Moment, ich komme zu euch runter… bevor ihr euch noch gegenseitig umbringt.“

 

Den letzten Teil des Satzes hatte er nur noch vor sich hingemurmelt und er war wohl nicht für unsere Ohren bestimmt gewesen. Kopfschüttelnd trat er von der Empore zurück und verschwand somit aus unserem Blickfeld. Ich wandte mich an Sasuke.

 

„Was war das?“

 

Er zuckte nur wortlos mit den Schultern. Offenbar konnte er sich das eben Geschehene auch nicht erklären. Noch immer pochten meine Handgelenke unangenehm und die Haut war an einigen Stellen leicht gerötet. An die kleinen Stromschläge, die ich jedes Mal abbekam, wenn wir uns berührten, hatte ich mich mittlerweile mehr oder weniger gewöhnt. Sie waren unangenehm, weswegen wir direkte Berührungen so gut es eben ging vermieden. Diese kleinen Stromschläge waren jedoch nichts im Vergleich zu dem, was gerade eben passiert war. Sogar Sasuke, der sich Schmerz normalerweise nicht anmerken ließ, hatte für einen Moment das Gesicht verzogen.

 

Itachi trat aus der Tür zum Treppenhaus in die Halle und kam mit energischen Schritten auf uns zu. Das Gespräch mit Sarutobi war wohl beendet oder zumindest hatten sie es pausiert. Man sah ihm deutlich an, wie besorgt er war. Auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet und er konnte sich wohl nicht recht entscheiden, ob er streng oder erleichtert gucken sollte. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen verschiedenen Emotionen hin- und her und selbst als er vor uns stand, war er noch zu keinem Ergebnis gekommen.

 

„Man kann euch nicht mal ein paar Minuten alleine lassen“, schimpfte er schließlich.

 

Obwohl keinesfalls die Rede von nur ein paar Minuten sein konnte, fühlte ich mich irgendwie schuldig und senkte reumütig den Kopf. Sasuke packte seinen Bruder fest am Arm, als wolle er sich vergewissern, dass er nicht derjenige war, der Stromschläge verteilte.

 

„Die Interferenz-Reaktion war diesmal viel extremer“, stellte er knurrend fest. „Da stimmt irgendwas nicht.“

 

In seiner Stimme schwang eine gewisse Unsicherheit mit, die er vergeblich versuchte zu verbergen.

 

Inter-was?“, fragte ich irritiert.

 

Das hier etwas nicht stimmte, darauf wäre ich auch von alleine gekommen. Dennoch schien Sasuke mehr zu wissen, als er mir gegenüber zugegeben hatte.

 

„Interferenz-Reaktion“, wiederholte Itachi ruhig. „So nennen wir das, wenn sich Chakra-Wellen gegenseitig in ihrem Fluss stören.“

 

„Kommt sowas öfter vor?“, wollte ich wissen.

 

Die beiden tauschten wissende Blicke aus. Es wirkte so, als würden sie sich nicht zum ersten Mal über dieses Thema unterhalten.

 

„Es kommt vor wenn das Chakra von zwei Personen besonders asynchron ist“, erklärte Itachi schließlich. „Insbesondere dann, wenn die Personen gegensätzliche Intentionen verfolgen.“

 

Ich schnaubte.

 

„Dann wundert mich gar nichts mehr.“

 

Hätte es das Wort gegensätzlich nicht schon gegeben, hätte man es für Sasuke und mich erfinden müssen. Es gab wohl kein Wort, das uns treffender beschreiben konnte und es gab dementsprechend wohl niemanden, der asynchroner war als wir beide.

 

„Kann man irgendetwas dagegen machen?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

 

„Im Normalfall schon“, räumte Itachi ein. „Aber das ist immer davon abhängig, wie ausgeprägt die Interferenz-Reaktion ist. Ist sie so extrem wie bei euch, handelt es sich meistens um inkompatible Persönlichkeiten. In so einem Fall wird dann normalerweise auf eine Zusammenarbeit verzichtet.“

 

Sasukes Gesicht verfinsterte sich augenblicklich. Es kam für uns nicht in Frage auf eine Zusammenarbeit zu verzichten, auch wenn sich diese bisher schon als schwierig genug herausgestellt hatte. Trotzdem hatten wir es immer irgendwie geschafft, unsere Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Das hier war eine neue Schwierigkeit. Möglicherweise eine, die wir nicht in den Griff kriegen konnten.

 

„Und was bedeutet das jetzt für uns?“, fragte er knurrend.

 

Es war nicht zu übersehen, dass ihm diese Nachricht ganz und gar nicht gefiel. Seine Augen waren zu winzig kleinen Schlitzen verengt und sein Kiefer war deutlich angespannter als normal. Ich hatte das Gefühl, dass heute wirklich alles schief ging, was nur schief gehen konnte. Angefangen damit, dass ich mein eigenes Chakra nicht mal spüren konnte, bis hin zu der Tatsache, dass es wohl nicht mit Sasuke kompatibel war. Hoffentlich war der Tag bald vorüber.

 

„Da ihr beide auf Zusammenarbeit angewiesen seid“, Itachi sah abwechselnd zwischen uns hin und her, „werden wir wohl eine Lösung für das Problem finden müssen. Wenn wir herausfinden, warum euer Chakra so asynchron ist, können wir vielleicht etwas dagegen tun. Gebt mir einen Tag Zeit und ich versuche ein bisschen mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Eventuell hab ich auch schon eine Idee…“

 

Ich musste zugeben, dass das gar nicht mal so schlecht klang, und wenn einer eine Lösung für das Problem finden konnte, dann war es mit Sicherheit Itachi. Vorsichtig spähte ich zu Sasuke hinüber. Seine Anspannung schien sich ein wenig gelockert zu haben, auch wenn er noch immer irgendwie unzufrieden aussah. Immerhin hatten wir einen Ansatz.

 

„Heißt das, das Training ist für heute beendet?“, fragte ich hoffnungsvoll.

 

Itachi schmunzelte belustigt. „Ja, das ist es wohl.“

 

 

 

-17-

 

Sasuke stand dicht hinter mir. Obwohl er mich nicht berührte, konnte ich eine gewisse statische Spannung spüren, die wie sanfter Regen über meine Haut leckte und uns gleichzeitig wie eine unsichtbare Mauer auf Abstand hielt. Ich hörte jeden seiner Atemzüge und nahm jedes Mal ein leichtes Kribbeln am Rücken wahr, wenn sich sein Brustkorb langsam hob und senkte. Keiner von uns wollte den ersten Schritt machen und dadurch erneut einen Stromschlag auslösen. Die Erfahrung gestern hatte uns beide vorsichtig werden lassen.

 

„Es hängt alles davon ab, dass ihr es schafft euer Chakra zu synchronisieren“, schärfte uns Itachi noch einmal ein.

 

Noch immer gelang es mir nicht, eine Verbindung zu meinem eigenen Chakra herzustellen, was bedeutete, dass ich nicht in der Lage war, es zu unterdrücken. Solange mir das jedoch nicht gelang, konnten wir die Akademie nicht verlassen, da uns die Schatten ansonsten sofort aufspüren würden. Gleichzeitig konnten wir uns aber auch nicht ewig hier verstecken und mussten uns so bald wie möglich auf die Suche nach dem Amulett machen. Es war ein Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen zu geben schien und als wäre das nicht schon genug, spielte auch noch die Zeit gegen uns.

 

Wie versprochen hatte Itachi sich jedoch Gedanken zu unserem Problem gemacht und war dabei tatsächlich auf eine mögliche Lösung gestoßen. Da Sasukes und mein Chakra von der Struktur her zu einhundert Prozent identisch waren, sollte es ihm möglich sein auch auf mein Chakra Einfluss zu nehmen, indem er einen Teil seiner Energie in mich zurücklenkte. Itachi hatte es mit der Starthilfe bei einem Auto verglichen. So würde ich ein Gefühl für den Chakrafluss in meinem Körper bekommen und könnte die Kontrolle Schritt für Schritt selbst übernehmen.

 

Die Voraussetzung für einen direkten Chakraaustausch unter Wächtern beziehungsweise unter Jinchuriki und Wächtern war jedoch, dass beide es zulassen mussten und ich hatte keine Ahnung wie das funktionieren sollte. Jedes Mal, wenn Sasuke näher als zwei Zentimeter an mich herankam, bekamen wir beide einen Stromschlag, der so heftig war, dass wir in unterschiedliche Ecken des Raumes flogen. Die Interferenz-Reaktion. Es war zum Verrücktwerden und bedauerlicherweise gab auch nicht so etwas wie eine Patentlösung. Der Fall war absolut neuartig.

 

„Du musst endlich aufhören mich zu blocken, Naruto“, zischte Sasuke frustriert.

 

Auch an ihm waren die unzähligen fehlgeschlagenen Versuche nicht spurlos vorbeigegangen und man merkte immer deutlicher, dass er langsam ungeduldig wurde. Allerdings hatte ich genauso wenig Lust, mir ständig neue Stromschläge einzufangen, ohne dass wir auch nur einen Schritt vorankamen.

 

„Ich mache überhaupt nichts“, protestierte ich empört und zog wütend die Augenbrauen zusammen.

 

Es war komisch mit dem Rücken zu ihm zu stehen, während wir uns stritten und ich konnte nur mühsam den Drang unterdrücken, mich zu ihm umzudrehen. Jede noch so kleine Bewegung konnte eine Bewegung zu viel sein.

 

„Ich denke, ihr seid beide das Problem“, warf Itachi ein. „Eure Intentionen sind zu gegensätzlich. Sasuke, du siehst Naruto einfach nur als Energiequelle und versuchst möglichst viel Chakra von ihm aufzunehmen. Und Naruto, du siehst Sasuke als potentielle Bedrohung und blockierst deswegen unbewusst. Ihr müsst an eurer Denkweise arbeiten.“

 

Sasuke schnaubte.

 

„Und wie soll das gehen?“

 

Die Erklärung klang durchaus plausibel, allerdings hatte auch ich keine Ahnung, wie wir von jetzt auf gleich unsere Einstellung ändern sollten. Auch nach fast drei Wochen fühlte ich mich in Sasukes Gegenwart noch immer mehr als unwohl, was nicht zuletzt daran lag, dass er nicht davor zurückschreckte seine immensen Fähigkeiten auch gegen mich einzusetzen.

 

„Fangt endlich an euch zu vertrauen und zusammenzuarbeiten“, forderte Itachi.

 

Wahrscheinlich hätte er uns genauso gut befehlen können über Wasser zu laufen, es hätte den gleichen Effekt gehabt. Wie zum Teufel sollten wir das anstellen? Ich spürte, wie sich Sasukes Körper hinter mir anspannte.

 

„Okay, noch ein Versuch.“

 

Wie die Male zuvor auch hob er langsam seine Hände und ich spürte wie das Knistern stärker wurde, je näher er mir kam. Gleichzeitig ertönte ein schrilles Geräusch in meinen Ohren, das mich an das Zwitschern von tausend Vögeln erinnerte. Ich war mir nicht sicher, ob ich es mir nur einbildete oder ob es tatsächlich da war. In Erwartung des Schmerzes kniff ich bereits meine Augen zusammen und versuchte meinen Atem möglichst ruhig zu halten. Wie sollte ich Sasuke nicht als Bedrohung sehen?

 

„Versuch den Chakrafluss komplett umzukehren“, wies Itachi seinen Bruder an.

 

Er beobachtete das Geschehen mit Argusaugen und hatte wohl ebenfalls bemerkt, dass die Spannung zwischen uns nicht geringer geworden war. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass sie sogar noch stärker war als zuvor. Nach jedem Stromschlag war meine Angst weiter gewachsen und würde Itachi uns nicht jedes Mal erbarmungslos wieder in unsere Ausgangsposition zwingen, hätte ich wahrscheinlich schon längst aufgegeben. Das konnte nur kontraproduktiv sein.

 

Das Geräusch in meinen Ohren wurde lauter und das elektrische Knistern in meinem Rücken stach wie tausend kleine Nadeln auf meiner Haut. Mit all meiner Willenskraft unterdrückte ich den Drang zurückzuweichen und versuchte mich stattdessen auf Sasuke zu konzentrieren. Es musste doch irgendwie zu schaffen sein, eine Verbindung zwischen uns beiden aufzubauen. Immerhin war er mein Wächter und sollte dadurch so etwas wie einen natürlichen Draht zu mir haben. Er selbst hatte gesagt, dass er alles von mir spürte. Vielleicht war ich es, der uns beide blockierte?

 

Tief atmete ich aus und zwang mich meine Augen wieder zu öffnen. Mein Blick fiel auf die gegenüberliegende Wand und die Empore, von der aus Sarutobi uns schon die ganze Zeit beim Training zusah. Obwohl er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sah ich deutlich, dass auch ihm langsam die Geduld ausging. Wenn ich ihn nicht enttäuschen wollte, musste ich mich jetzt endlich zusammenreißen. Fest biss ich mir auf die Lippe und versuchte den Schmerz, der dadurch entstand, ganz bewusst wahrzunehmen. Ich war ein Jinchuriki und kein verdammtes Weichei.

 

Das Geräusch wurde mit einem Mal leiser und das Knistern wurde zu einem leichten Prickeln. Sasuke hielt in seiner Bewegung inne. Seine Hände waren nur noch wenige Millimeter von meinen Oberarmen entfernt und bis jetzt war der Schmerz noch vollkommen erträglich. Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ich sah hinüber zu Itachi, der ebenfalls recht zufrieden aussah.

 

„Ich versuche jetzt, das Chakra zu übertragen“, kündigte Sasuke an.

 

Diesmal hatte ich ein gutes Gefühl. Mit seinen Händen überbrückte er die letzte kleine Distanz, die uns noch trennte und ich wollte gerade erleichtert ausatmen, als ich plötzlich unter heftigen Schmerzen zusammenzuckte. Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, sank ich auf die Knie, während Sasuke benommen zurücktaumelte. Es hatte wieder einen Stromschlag gegeben. Zwar nicht so heftig, wie die zuvor, aber man konnte definitiv behaupten, dass der Versuch erneut gescheitert war. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Wir waren so kurz davor gewesen.

 

„Naruto“, Sarutobis Stimme hallte von der Empore zu uns herüber. „Würdest du bitte einmal zu mir kommen? Ich muss mit dir sprechen.“

 

Frustriert rappelte ich mich auf. Nun war also auch seine Geduld aufgebraucht und er würde mir mit Sicherheit eine Standpauke halten. Dass ich es einfach nicht auf die Reihe bekam, mein Chakra unter Kontrolle zu bringen, war mehr als nur armselig, und als ehemaliger Lehrer meiner Mutter, hatte er wahrscheinlich mehr von mir erwartet. Bei jedem Schritt, den ich die breite Steintreppe hinaufging, taten mir die Muskeln weh. Vermutlich waren das die Nachwirkungen der Krämpfe, die durch den Strom ausgelöst worden waren, und ich würde noch eine ganze Zeit lang damit zu kämpfen haben.  Sasuke und Itachi sahen mir stumm hinterher.

 

Sarutobi wartete geduldig, bis ich oben angekommen war und musterte mich dann streng.

 

„Naruto, weißt du, was die Fähigkeiten deiner Mutter waren?“, erkundigte er sich.

 

 Mir war nicht ganz klar, worauf er hinaus wollte, doch ich schüttelte den Kopf.

 

„Sie hat Blitze erzeugt“, erklärte er. „Sogar ziemlich gewaltige Blitze. Indem sie immer wieder zwei gegensätzliche Arten von Chakra aufeinander prallen lassen hat. Auf diese Weise entsteht Reibungsenergie und das Chakra lädt sich auf. Allerdings ist das auch sehr gefährlich, wenn man nicht in der Lage dazu ist, diese Blitze zu kontrollieren. Verstehst du worauf ich hinaus will?“

 

Ich war mir nicht ganz sicher.

 

„Darauf, dass Sasuke und ich zu gegensätzlich sind und es deswegen zu gefährlich wäre uns weiter zusammenarbeiten zu lassen?“

 

Sarutobi stellte sich dicht ans Geländer der Empore und bedeutete mir ihm zu folgen. Von hier aus konnten wir Itachi und Sasuke sehen, die nebeneinander auf dem Boden saßen und sich mit gedämpften Stimmen unterhielten. Beide wirkten ziemlich erschöpft und gleichzeitig auch ein wenig ratlos, was sofort Schuldgefühle bei mir auslöste.

 

„Es bleibt euch nichts anderes übrig, als zusammenzuarbeiten“, stellte Sarutobi fest. „Aber ihr müsst dringend aufhören, euer Chakra so aufeinanderprallen zu lassen. Die Struktur ist dieselbe, aber die Ladung ist unterschiedlich. Sie ist abhängig von den Emotionen des Anwenders.“

 

Überrascht sah ich ihn an.

 

„Von den Emotionen?“

 

Sarutobi nickte. Dann legte er eine Hand auf die schimmernde Barriere, die vom Geländer bis zur Decke nach oben gespannt wurde. Sie färbte sich plötzlich blau und war dadurch deutlich besser sichtbar als zuvor.

 

„Es gibt vier Basisemotionen“, erklärte er. „Die einfachste ist Freude. Dabei bewegt sich das Chakra in präzisen und geraden Bahnen und ist leicht kontrollierbar. Umgekehrt bewegt es sich eher wellenförmig und träge, wenn eine Person traurig ist. Man hat keine Kontrolle mehr darüber und die Prozesse laufen eher automatisiert ab, fast so als würde es unaufhaltsam aus dem Körper sickern.“

 

Er strich einmal mit der Hand über die Barriere und ich sah, wie sie plötzlich begann zu verschwimmen. An manchen Stellen war sie deutlich dicker und an anderen fast durchschimmernd.  Wieder musste ich an die Zeichnungen aus dem Buch denken. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass das etwas mit der emotionalen Ladung zu tun hatte.

 

„Kommen wir zu den wesentlich wichtigeren Emotionen“, fuhr er fort. „Zum einen wäre da die Angst.“

 

Wieder strich er über die Barriere und mit einem Mal ging ein Ruck durch die Oberfläche. Das Material, das zuvor noch schwammig und unregelmäßig gewirkt hatte, verdichtete sich und wurde zu einer glatten, festen Wand. Hinter dieser Oberfläche sah man jedoch einzelne Punkte unruhig hin- und hertanzen, die immer wieder mit der Barriere kollidierten.

 

„Bei Angst blockiert das Chakra und schafft eine undurchdringbare Schale. Es ist kaum noch möglich es auszuleiten, aber gleichzeitig hat der Anwender selbst auch keine Kontrolle mehr darüber und es wird somit relativ nutzlos.“

 

Einige dieser Punkte kamen mir recht bekannt vor. Vielleicht hatte Sasuke das gemeint, als er gesagt hatte, ich würde ihn blocken, obwohl ich überhaupt nichts gemacht hatte. Meine Emotionen hatten mein Chakra deutlich mehr beeinflusst, als ich zunächst angenommen hatte. Diesmal legte Sarutobi seine gesamte Handfläche auf die Barriere und drückte sie fest dagegen. An dem Punkt, an dem er die Wand berührte, breiteten sich mit zunehmender Geschwindigkeit mehrere Kreise aus, wie bei einem Stein, den man über einen See hüpfen ließ. Die Barriere zitterte leicht und begann zu pulsieren.

 

„Wut“, sagte er knapp. „Die letzte Emotion. Sie sorgt für die stärkste Chakraladung und ist dadurch besonders gut geeignet für den Angriff. Allerdings ist es auch hier sehr schwierig, das Chakra unter Kontrolle zu halten und erfordert viel Training. Sasuke ist jemand, der seine Wut häufig unterdrückt, aber das bedeutet nicht, dass sein Chakra nicht damit aufgeladen ist. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, harmonieren Wut und Angst nicht besonders gut miteinander und wenn die Ladungen aufeinander prallen, entsteht eine gefährliche Spannung.“

 

Ich runzelte die Stirn.

 

„Das heißt, wir müssen unsere Gefühle in den Griff bekommen?“

 

Sarutobi schloss seine Hand zur Faust und es sah so aus, als würde er dabei die komplette Barriere einsaugen. Ich fragte mich, ob er möglicherweise ähnliche Fähigkeiten hatte wie Sakura. Bisher hatte er sich zu diesem Thema noch nie geäußert.

 

„Eure Gefühle aneinander anzupassen, wäre eine Möglichkeit“, stimmte der Schulleiter zu. „Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Normalerweise handelt es sich dabei nicht um freiwillige Zustände und es ist sehr schwierig, beispielsweise seine Angst einfach abzustellen. Chakra ist außerdem sehr sensibel für Emotionen und schon der kleinste Ausschlag hat gewisse Auswirkungen. Die zweite Möglichkeit wäre, dass ihr euer Chakra trotz unterschiedlicher Ladungen miteinander verschmelzen lasst. Es darf kein dein und mein mehr geben, sondern ihr braucht eine gemeinsame Schnittmenge. Das ist das, was Itachi bereits versucht hat euch zu erklären.“

 

Itachi hatte von Vertrauen gesprochen. Etwas das zwischen mir und Sasuke definitiv nicht vorhanden war. Mit ihm zu verschmelzen klang ebenfalls nicht nach etwas, was in naher Zukunft eintreten könnte, und ich wusste wirklich nicht, wie wir dieses Problem lösen sollten. In der Theorie war das alles ja schön und gut. In der Praxis jedoch, würde es Zeit kosten. Zeit die wir momentan einfach nicht hatten.

 

„Es ist schwierig Sasuke zu vertrauen“, murmelte ich entmutigt.

 

Sarutobi zog ein wenig verärgert die Augenbrauen zusammen und senkte leicht den Kopf. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass er ein ganzes Stück kleiner war als ich. Trotzdem hatte ich in diesem Moment einen Heidenrespekt vor ihm. Irgendwas in seiner Haltung hatte sich verändert und ließ bei mir sämtliche Alarmglocken klingeln.

 

„Das liegt daran, dass du im Moment noch eine Wahl hast“, erklärte er.

 

Mit den Armen hinter dem Rücken verschränkt trat er ans Geländer. Noch bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, was er mit seiner Aussage gemeint hatte, rief er bereits Sasukes Namen und der sah natürlich prompt auf. Unsere Blicke trafen sich und ich runzelte irritiert die Stirn, als sich seine Augen erschrocken weiteten. Wieder einmal schaltete ich zu spät.

 

„Verzeih mir, Naruto“, murmelte Sarutobi.

 

Mit einer Kraft, die ich dem alten Mann gar nicht zugetraut hätte, packte er mich an den Beinen und schob mich mit einem Ruck über das Geländer. Er hatte die Barriere aufgelöst und nun war da nichts mehr, was mich halten konnte. In einem ersten Reflex versuchte ich mich an ihm festzuhalten, doch meine Hände griffen ins Leere und ich ruderte hilflos mit den Armen. Wie in Zeitlupe spürte ich, wie mein Körper sich über das Geländer rollte und allmählich jeden Halt verlor.

 

Ein überraschter Laut verließ meine Lippen. Was sollte das? Bis nach unten waren es locker fünf bis sechs Meter und ich war mir sicher, dass ich den Sturz nicht ohne weitere Blessuren überstehen würde. Wenn ich blöd fiel, konnte ich mir sogar das Genick brechen. Die Luft rauschte mit einem hohen Pfeifton an meinen Ohren vorbei und ich näherte mich dem Hallenboden mit rasant zunehmender Geschwindigkeit.

 

Verzweifelt kniff ich die Augen zusammen und machte mich bereits auf das Schlimmste gefasst, als ich plötzlich ein Ziehen in meinem Körper spürte. Binnen weniger Sekunden weitete es sich zu einem Reißen aus, als würden unsichtbare Fäden meine Gliedmaßen in der Luft halten und ich stöhnte leise vor Schmerz. Was war das für ein Gefühl? Als würde mein Körper gleichzeitig in zwei Richtungen gezogen werden. Panisch schlug mein Herz immer schneller gegen meine Rippen und pumpte das Blut durch meine Adern.

 

„Naruto“, brüllte Sasuke. „Hilf mir, verdammte Scheiße nochmal!“

 

Es war unverkennbar, dass er wütend war.

-18-

 

Auf Sasukes Stirn standen Schweißperlen. Es war ihm deutlich anzusehen, wie viel Kraft es ihn kostete, mich nicht fallen zu lassen und weiterhin gegen die Schwerkraft anzukämpfen, und trotzdem ließ er nicht locker. Mir wurde bewusst, dass er tatsächlich der Einzige war, der zwischen mir und dem harten Hallenboden stand. Er war derjenige, der mich hielt. Und auch, wenn ich nicht wusste, wie lange er das noch durchhalten würde, war ich unendlich erleichtert darüber, dass er da war.

 

Eigentlich hatte ich das nur im übertragenen Sinne gemeint, aber plötzlich spürte ich, wie mein Körper wirklich leichter wurde. Die Geschwindigkeit, mit der ich fiel, reduzierte sich. Die Kraft, die mich Richtung Boden zog, wurde immer schwächer und es fühlte sich ein bisschen so an, wie mit angezogener Handbremse Auto zu fahren. Es ruckelte, während Sasuke hartnäckig versuchte gegen die Schwerkraft anzukämpfen, und ich konnte nichts weiter tun, als ihm zu vertrauen, dass er mich irgendwie auffangen würde.

 

Das letzte Stückchen fiel ich schließlich wieder mit normaler Geschwindigkeit und Sasuke, der sich direkt unter mich gestellt hatte, um den Fall abzubremsen, wurde von meinem Gewicht umgerissen. Mein Oberkörper und mein Kopf wurden halbwegs von ihm aufgefangen, aber meine Beine schlugen unsanft auf dem Boden auf. Es tat weh, doch ich biss entschlossen die Zähne zusammen. Itachi kam sofort auf uns zugeeilt.

 

„Alles okay bei euch?“

 

Im ersten Moment war ich ein wenig desorientiert und musste mich erstmal wieder sammeln. Das alles war so schnell gegangen, dass ich gar keine Zeit gehabt hatte, die Ereignisse zu verarbeiten. Sarutobi hatte mich über das Geländer geworfen. Warum hatte er das getan? Suchend huschte mein Blick nach oben zur Empore, doch der alte Mann war bereits verschwunden.

 

„Naruto, geh sofort runter von mir“, schimpfte Sasuke.

 

Seine Stimme klang ungewöhnlich hoch und fast schon panisch, so als hätte er vor irgendetwas Angst. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir diesmal keinen Stromschlag erhalten hatten. Dabei lag ich noch immer halb auf ihm drauf und hatte seinen kompletten Oberkörper unter mir begraben. Schnell rollte ich mich von ihm runter und rappelte mich dann unter angestrengtem Ächzen auf. Auf Sasukes Wangen lang ein leichter Rotschimmer, der bei seiner blassen Haut besonders stark auffiel.

 

„Ich denke mal, ihr seid jetzt synchronisiert“, stellte Itachi fest.

 

Auch wenn das Ergebnis wie gewünscht ausgefallen war, war er wohl alles andere als einverstanden mit Sarutobis Methode. Zwischen seinen Augen hatte sich eine tiefe Falte gebildet und sein Mund war zu einem dünnen Strich geformt. Gleichzeitig gelang es ihm nicht ganz, seine Sorge vor uns zu verstecken.

 

„Er wollte dadurch unser Chakra synchronisieren?“, zischte ich ungläubig.

 

Das Resultat sprach für ihn, aber ich konnte wirklich nicht glauben, dass der alte Mann gerade einfach so mein Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

 

„Das hoffe ich jedenfalls“, knurrte Itachi. „Wenn er dich aus Spaß da runtergeschubst hat, werde ich nochmal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen.“

 

Sasuke hatte sich ebenfalls aufgerappelt und zuckte nur mit den Schultern.

 

„So lange es funktioniert hat.“

 

Fragend sah Itachi mich an. Bisher wussten wir nur, dass zumindest die Interferenzreaktion ausgeblieben war und vor lauter Schreck hatte ich auch nicht darauf geachtet, ob sich weitere Veränderungen ergeben hatten.

 

„Wie fühlst du dich?“

 

Einen Moment lang überlegte ich. Der Schmerz vom Aufprall war verschwunden, selbst den Muskelkater in meinen Beinen konnte ich nicht mehr spüren. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich von einer unbändigen Energie durchströmt wurde, die es mir ermöglichte Bäume auszureißen. Ich fühlte mich fitter als jemals zuvor in meinem Leben. Ein überraschtes Lächeln legte sich auf meine Züge.

 

„Ich fühle mich… gut“, fasste ich dann kurz zusammen. „Sehr gut sogar.“

 

War das etwa mein Chakra? Itachi runzelte nachdenklich die Stirn.

 

„Dann sollten wir die Übung von vorhin nochmal wiederholen.“

 

Das Pulsieren in meinem Körper wurde mit jeder Minute stärker, die Kraft die mich durchströmte intensiver. Ich musste aufpassen, dass ich nicht von ihr mitgerissen wurde und konnte mich kaum auf das konzentrieren, was er sagte. Er gab uns verschiedene Anweisungen, doch ich war viel zu sehr abgelenkt von meinem neu entdeckten Chakra. Das Gefühl war unbeschreiblich. Überwältigend.

 

„Naruto, stell dich bitte vor Sasuke.“

 

Es dauerte ein bisschen, bis ich reagierte. So ganz traute ich der ganzen Sache noch nicht. Auch wenn ich gerade beinahe mit meinem gesamten Körper auf ihm gelandet war, bedeutete das noch nicht, dass die Stromschläge ab jetzt der Vergangenheit angehörten. Nochmal konnte ich auf diesen unangenehmen Schmerz getrost verzichten.

 

„Sasuke, versuch eine Verbindung zu Narutos Chakra herzustellen. Wenn du es kontrollieren kannst, sieh nach ob dir irgendetwas auffällt, was uns zu dem Amulett führen könnte.“

 

Sasuke nickte. Dennoch merkte ich, dass es ihm aus irgendeinem Grund widerstrebte. Er war komplett verkrampft und er sah überall hin, bloß nicht zu mir. Hatte ich ihn vorhin irgendwie verletzt und er wollte nur nicht zugeben, dass er Schmerzen hatte? Zaghaft trat er einen Schritt näher an mich heran und legte mir die Hände auf die Hüften.

 

Zwei, drei Sekunden lang geschah nichts. Unbewusst hatte ich mit einem erneuten Stromschlag gerechnet und mich schon mal auf den Schmerz eingestellt. Stattdessen jedoch fühlte ich ein angenehm warmes Prickeln, das sich in kleinen Kreisen immer weiter ausbreitete. Fühlte es sich so an, wenn das Chakra von zwei Personen synchron war? Die Wärme wurde immer intensiver. In meinem Bauch begann es zu flattern, wie wenn man mit dem Flugzeug in einem Luftloch landete. Erschrocken keuchte ich auf.

 

„Alles okay?“, erkundigte sich Itachi sofort.

 

Ehrlich gesagt wusste ich die Antwort auf seine Frage nicht. Es war nicht so, dass die Wärme sich schlecht anfühlte – ganz im Gegenteil, sie war äußerst angenehm und ich wollte mehr davon. Viel mehr davon. Das Problem war nur, dass sie von Sasuke auszugehen schien. Ich spürte, wie er sich noch stärker anspannte und beim Gedanken an seinen muskulösen Oberkörper, der sich nur wenige Zentimeter hinter mir befand, rieselten mehrere Schauer über meinen Rücken. Warum reagierte ich plötzlich so auf ihn?

 

„Alles… okay“, stammelte ich.

 

Meine eigenen Gedanken erschreckten mich. Das war doch nicht normal. Wie konnte es sein, dass ich mich plötzlich so sehr zu ihm hingezogen fühlte? Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beruhigen, doch schon nach wenigen Sekunden erkannte ich, dass es ein Fehler war. Sofort stieg mir sein Geruch in die Nase und sorgte dafür, dass mir leicht schwummrig wurde. In meinem Bauch begann es zu rumoren und das seltsame Gefühl zog bis nach vorne in meinen Lendenbereich. Diese Reaktionen waren alles andere, aber nicht natürlich.

 

„Ich stelle jetzt die Verbindung her“, Sasuke klang ebenfalls abgelenkt und nicht so, als wäre er gerade voll bei der Sache.

 

An den Stellen, wo mich seine Hände berührten, spürte ich ein elektrisierendes Kribbeln. Was zum Teufel war das? Irgendetwas durchbrach die Oberfläche meiner Haut und drängte sich Stück für Stück in meine Blutbahnen, von wo aus es sich überallhin verbreitete. Obwohl ich noch nie in meinem Leben so etwas gefühlt hatte, war es auf Anhieb irgendwie vertraut. Während die Kraft zuvor unkontrolliert durch mich hindurch und teilweise sogar nach draußen geströmt war, bewegte sie sich nun in festen Bahnen und beschränkte sich dabei vollkommen auf meinen Körper.

 

„Es hat geklappt“, verkündete Sasuke. „Aber ich kann absolut nichts finden, was auf das Amulett hindeutet.“

 

So also fühlte es sich an, wenn man das Chakra unter Kontrolle hielt. Im Vergleich zu dem Chaos von vorhin, würde ich es geradezu als entspannend bezeichnen und ich hoffte, dass der Zustand noch eine Weile andauern würde. Auch wenn mir Sasukes Nähe eindeutig nicht gut tat.

 

„Das hab ich mir fast gedacht. Was auch immer das für ein Mechanismus sein soll, mit dem die Jinchuriki das Amulett aufspüren können, es muss einen speziellen Trigger geben“, murmelte Itachi unzufrieden. „Das heißt dann wohl Plan B.“

Überrascht sah ich ihn an.

 

„Es gibt einen Plan B?“

 

Sasuke schnaubte und ich bekam eine Gänsehaut, als ich spürte wie sein Atem über meinen Nacken strich.

 

„Natürlich gibt es den.“

 

Noch immer ruhten sein Hände auf meiner Hüfte und ohne, dass ich etwas dagegen machen konnte, fragte ich mich, wie es wohl wäre, wenn sie ein Stück weiter nach hinten rutschen würden. Oder aber nach vorne.

 

„Äh… und wie sieht dieser Plan B aus?“, fragte ich schnell.

 

Ich musste mich irgendwie ablenken. Am besten ich dachte einfach wieder daran, wie Sarutobi mich von der Empore geschubst hatte. Allerdings war Sasuke derjenige gewesen, der mich aufgefangen hatte. Mist. Seltsamerweise konnte ich mich an jedes kleine Detail erinnern und jetzt, wo ich versuchte nicht daran zu denken, drängten sie sich mir erst recht auf. Wie flach und hart sein Bauch gewesen war. Wie er mich mit seinen muskulösen Armen aufgefangen hatte. Der Geruch seines Schweißes. Das sanfte Rot auf seinen Wangen.

 

„Es gibt eine spezielle Bibliothek in Iwagakure“, erklärte Itachi. „Dort werden alle Dokumente und Werke verwahrt, die die Geschichte des Uzumaki-Klans betreffen. Nur ein Uzumaki kann darauf zugreifen, weswegen wir bisher noch keine Möglichkeit hatten uns die Unterlagen anzusehen. Vielleicht enthalten sie aber einen Hinweis auf das Amulett oder die Sprache, in der deine Mutter ihre Notizen verfasst hat, und könnten uns so weiterhelfen.“

 

Sasuke erhöhte den Druck seiner Hände und ich konnte nur mühsam ein erneutes Keuchen unterdrücken. Mehrere kleine Hitzewellen breiteten sich in meinem Körper aus und versetzten auch mein Chakra in Wallung. Allmählich fragte ich mich, ob Sasuke etwas von meinem seltsamen Zustand mitbekam. Immerhin hatte er ja behauptet, alles von mir zu spüren. Augenblicklich wurde mir noch wärmer. Ich fühlte… Lust?

 

„Also reisen wir nach Iwagakure?“, fragte er.

 

Seine Stimme klang unheimlich rau, so als wäre er gerade erst aufgestanden, und entweder mein Gehirn spielte mir gerade einen Streich – womit ich ehrlich gesagt fest rechnete – oder seine Atmung ging deutlich schneller als vorhin noch. Genau wie meine eigene.

 

„Ihr solltet aufbrechen, sobald Naruto dazu in der Lage ist, sein Chakra zu unterdrücken“, bestätigte Itachi.

 

Bisher war ihm unser seltsames Verhalten offenbar noch nicht aufgefallen oder er schob es darauf, dass wir uns schon immer seltsam in der Gegenwart des anderen benommen hatten. Sasuke brummte nur zustimmend.

 

Die Vorstellung auf Reisen zu gehen, war auf der einen Seite beängstigend, weil ich dann die sicheren Mauern der Akademie verlassen musste, auf der anderen Seite war es aber auch unglaublich aufregend. Bisher war ich in meinem Leben schon relativ viel herumgekommen, aber bis nach Iwagakure hatte ich es noch nie geschafft. Man sagte, dass das Klima dort deutlich wärmer war als hier in Konoha, auch wenn die Landschaft alles in allem eher felsig war. Aufgrund der vielen altertümlichen Stätten handelte es sich um ein beliebtes Touristenziel.

 

„Am besten ihr fangt erstmal langsam an, indem Sasuke dir Stück für Stück die Kontrolle über dein Chakra wieder überlässt, sodass du selbst versuchen kannst, es in deinem Körper zu halten“, schlug Itachi vor.

 

Unsicher drehte ich mich zu Sasuke um. Sein Gesicht war angespannt, seine Wangen immer noch leicht gerötet. Irgendwas war seit meinem Sturz von der Empore anders. Nicht nur, dass ich plötzlich ein Gefühl für mein Chakra entwickelt hatte und keine Stromschläge mehr bekam, wenn wir uns berührten. Es schien vielmehr so, als würde ich jetzt mit der gleichen Intensität von ihm angezogen werden, mit der wir uns zuvor gegenseitig abgestoßen hatten. Ich war mir sicher, dass das alles nur mit der dummen Synchronisation zusammenhing und hoffte inständig, dass sich dieser Zustand bald wieder verflüchtigen würde.

 

Ein leichtes Ziehen riss mich aus meinen Gedanken und ich spürte, wie sich das Chakra in meinem Körper in Bewegung setzte. Mein innerer Schwerpunkt geriet völlig aus dem Gleichgewicht und wieder begannen die Kräfte in alle Richtungen zu strömen, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. Hilflos spannte ich sämtliche Muskeln an und versuchte mich auf die einzelnen Stellen zu konzentrieren, um das Chakra wieder einzusammeln.

 

„Konzentrier dich“, mahnte Sasuke streng.

 

Er hatte gut reden. Seit er ein Kind war, machte er praktisch nichts anderes als seine Fähigkeiten zu trainieren und das auch noch mit seinem persönlichen Privatlehrer. Natürlich fiel es ihm leicht, die Kontrolle über das Chakra zu behalten, selbst wenn es meines war. Ich hingegen machte das hier gerade zum ersten Mal und hatte zusätzlich noch mit gewissen Problemen zu kämpfen, die ihm unmöglich entgangen sein konnten.

 

„Das ist nicht so einfach“, fauchte ich wütend.

 

Wie nicht anders zu erwarten, reagierte das Chakra sofort auf meine Emotion und stob in alle Richtungen davon, sodass Sasuke es mühsam wieder zurückholen musste. Er wirkte gereizt. Ungeduldig. Noch mehr als sonst. Seine Nähe und diese Hitze in meinem Körper machten mich wahnsinnig. Wie solle man sich unter diesen Umständen konzentrieren?

 

„Versuch deine Blutbahnen zu nutzen, um das Chakra zu leiten“, wies Itachi mich an.

 

An sich war sein Tipp bestimmt sehr nützlich, aber jetzt gerade kochte das Blut in meinen Adern und war auf dem Weg in Regionen, wo es absolut nichts zu suchen hatte. Ich musste mich unbedingt irgendwie ablenken und gleichzeitig erwarteten die beiden von mir, dass ich fokussiert blieb. Verzweifelt sah ich nach oben zur Decke. Bald schon würde ich mein kleines Problem nicht mehr verstecken können und dann brauchte ich eine plausible Erklärung, die ich bedauerlicherweise nicht hatte.

 

„Naruto“, Sasukes Stimme war ein wütendes Knurren.

 

Wahrscheinlich wollte er mich damit einschüchtern, doch stattdessen machte es mich einfach nur scharf. So konnte das nicht weitergehen.

 

„Stopp“, rief ich entschieden. „Es geht einfach nicht.“

 

Noch bevor ich meinen Satz zu Ende gesprochen hatte, trat ich einen Schritt von Sasuke weg und trennte dadurch die Verbindung, die er zwischen uns aufgebaut hatte. Sofort wirbelte die Energie wieder unkontrolliert in alle Richtungen und umhüllte mich wie ein leuchtendes Schild. Es war mir egal. Ich fühlte mich einfach nur befreit und hatte das Gefühl endlich wieder atmen zu können.

 

Itachi sah mich verwirrt an. „Was ist los?“

 

Ich fühle mich plötzlich zu Sasuke hingezogen und ertrage seine körperliche Nähe nicht.

 

„Das war einfach zu viel heute“, behauptete ich nicht besonders überzeugend. „Ihr wollt, dass ich mich konzentriere, aber ich bin gerade fast am Hallenboden zermatscht worden und da ist es eher schwierig wieder runterzukommen. Können wir das nicht auf morgen verschieben? Bitte?“

 

Wenn er jetzt ablehnen würde, wäre ich im Arsch. Ich konnte mich unmöglich nochmal von Sasuke berühren lassen, bevor ich meine seltsamen Triebe nicht in den Griff bekommen hatte. Vielleicht sollte ich einfach eine Ohnmacht vortäuschen? Ob Sasuke spüren würde, dass ich noch bei Bewusstsein war? Vielleicht sollte ich auch einfach versuchen all mein Chakra auf einmal auszuleiten, sodass ich tatsächlich bewusstlos wurde.

 

„Es tut mir Leid, Naruto. Wir wollten dich nicht überfordern“, sagte Itachi jedoch zu meiner Erleichterung. „Ich selbst habe morgen Vormittag Unterricht, aber du kannst zusammen mit Sasuke die Halle nutzen. Kriegt ihr das alleine hin?“

 

Ich nickte überzeugt. 

 

„Auf jeden Fall.“

 

Alles war besser, als jetzt weiterzumachen. Abgesehen davon, dass es sowieso nicht funktionieren würde.  

 

„Ich komme nach, sobald der Unterricht vorbei ist“, versprach Itachi.

 

Befreit atmete ich auf.

 

„Können wir dann jetzt gehen?“

 

Er nickte und als wäre das der Startschuss für einen Kurzstreckensprint gewesen, verließ Sasuke auch schon zielstrebig die Halle. So schnell ich konnte, folgte ich ihm. Ich musste unbedingt mit ihm sprechen. Alleine. Das, was da zwischen uns war, musste er genauso spüren wie ich und es war definitiv nicht normal. Er ging ziemlich zügig, sodass es mir schwerfiel ihn einzuholen, und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar behaupten, dass er vor mir floh.

 

„Sasuke, warte doch mal“, fluchte ich außer Atem.

 

Am liebsten hätte ich nach seinem Arm gegriffen und ihn daran zurückgezogen, doch ich ahnte bereits, dass das wahrscheinlich keine gute Idee war. Insgesamt sollten wir Körperkontakt wohl erstmal noch mehr vermeiden als vorher schon. Glücklicherweise blieb er dann doch freiwillig stehen und sah mich mit zur Seite geneigtem Kopf genervt an.

 

„Was?“

 

Jetzt wo ich ihm direkt gegenüberstand, suchte ich sein Gesicht nochmal nach irgendwelchen Anzeichen ab, dass er dasselbe gespürt hatte wie ich. Sein Ausdruck war so kühl wie immer, aber seine Augen wirkten ein wenig glasig und er leckte sich nervös über die Lippen, was dazu führte, dass mein Herz sofort wieder schneller schlug.

 

„Was zum Teufel ist das?“, hauchte ich entsetzt.

 

In seinen Augen flackerte es kurz. Dann wandte er den Blick ab und presste fest die Lippen zusammen.

 

„Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.“

 

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 19 light

-19-

 

Ich hatte wirklich noch Hoffnung gehabt. Hoffnung, dass das alles nur ein vorübergehender Zustand war. Dass diese seltsame Anziehung verschwinden würde. Oder noch besser, dass ich in Wirklichkeit alles nur geträumt hatte, weil ich von einem besonders starken Stromschlag getroffen worden war. Bedauerlicherweise traf jedoch nichts davon zu. Mein Körper reagierte auf Sasuke immer noch heftiger als mein Magen, wenn irgendwo das Wort Ramen fiel. Schon in dem Moment, in dem ich die Halle betrat, schlug mein Herz schneller und das hatte nichts damit zu tun, dass er die Trainingspuppen in der Mitte des Raumes in einem großen Kreis aufgestellt hatte. Langsam näherte ich mich in ihm und spürte, wie mit jedem Schritt meine Körpertemperatur weiter anstieg.

 

„Wofür brauchen wir die?“, fragte ich skeptisch.

 

Sasuke, der grade eine Puppe zurechtgerückt hatte, sah kurz auf. Im Gegensatz zu gestern wirkte er wieder vollkommen selbstbewusst und gefasst.

 

„Anscheinend lernst du schneller in Extremsituationen“, stellte er fest. „Deswegen hab ich mir überlegt, dass wir unser Training kombinieren könnten.“

 

Mir fiel fast die Kinnlade herunter. Nur zu gut hatte ich noch die Bilder von seiner Art von Training im Kopf und das als eine Extremsituation zu bezeichnen, wäre noch untertrieben.

 

„Du willst, dass ich mich da reinstelle?“

 

Meine Stimme klang ein wenig höher als sonst und überschlug sich fast. Ohne an seiner als Kompetenz als Lehrer zweifeln zu wollen, konnte ich ihm jetzt schon garantieren, dass das nicht klappen würde. Niemals. Ich würde ordentlich auf die Fresse bekommen und er würde wütend werden, weil ich es einfach partout nicht auf die Reihe bekam. Am Ende würden wir uns dann doch gegenseitig die Köpfe einschlagen.

 

„Falsch“, widersprach Sasuke. „Wir stellen uns da rein.“

 

Ich war mir nicht sicher, ob es das wirklich besser machte. Dennoch begab ich mich zögerlich in die Mitte des Kreises, nachdem er mir auffordernd zugenickt hatte. Wie auch schon gestern trat er dicht hinter mich und wie gestern spürte ich das aufgeregte Flattern in meinem Bauch. Ich fragte mich, ob er davon wirklich nichts mitbekam, so wie er es behauptete. Mein Chakra jedenfalls bewegte sich äußerst unruhig und zumindest das konnte er nicht ignorieren.

 

„Und was jetzt?“, fragte ich unschlüssig.

 

Er würde ja wohl kaum einfach die Ausleiter auf mich loslassen. Das hoffte ich zumindest. Sasuke konnte manchmal ziemlich unberechenbar sein. Sanft legte er seine Hände auf meiner Hüfte ab und ich zog angespannt die Luft ein, als sich erneut eine glühende Hitze an der Stelle ausbreitete, an der er mich berührte. Er war irgendwie zurückhaltender als gestern und trotzdem fühlte sich die Nähe nochmal um einiges intensiver an.

 

„Gleiche Übung wie gestern, nur unter erschwerten Bedingungen“, erklärte er.

 

Allmählich begann sich das Chakra in meinen Blutbahnen zu ordnen. Ich hätte gerne geglaubt, dass das mein Verdienst war, doch stattdessen lag es nur daran, dass Sasuke wieder die Kontrolle übernommen hatte. Es hatte etwas Entlastendes, endlich mal nicht dieses Chaos an Energie in sich zu spüren, das mich über Nacht fast wahnsinnig gemacht hatte. Aber wenn er wirklich das vorhatte, was ich glaubte, würde diese Entspannung nicht besonders lange anhalten.

 

„Sasuke, bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte ich nervös.

 

In mir war gerade einfach alles durcheinander. Von alleine würde ich mit Sicherheit nichts auf die Reihe bekommen.

 

„Hast du Angst?“, neckte er mich.

 

Als ich plötzlich spürte wie sein Atem über die empfindliche Haut an meinem Nacken strich, hielt ich erschrocken die Luft an. Er war so nah. Viel näher als nötig. Schauer rieselten über meinen Rücken und ich schloss verzweifelt die Augen.

 

„Ich hab keine Angst“, behauptete ich, doch allein meine Tonlage strafte mich Lügen.

 

Sasuke lachte. Es war nur ein ganz kurzes und leises Lachen, doch es verursachte augenblicklich eine Gänsehaut bei mir. Aus der hinteren Tasche seiner Hose zog er die kleine Fernbedienung, die ich bereits aus seinem Training mit Itachi kannte.

 

„Dann kann es ja losgehen.“

 

Noch bevor ich die Gelegenheit hatte zu protestieren oder ihn zu fragen, wie er sich das Ganze überhaupt vorstellte, flog bereits der erste Ableiter auf uns zu. Instinktiv riss ich die Arme nach oben und versuchte so, mich vor dem Geschoss zu schützen. Der erwartete Aufprall blieb natürlich aus. Stattdessen hörte ich ein leises Klirren, als die Stange etwa einen Meter weit weg auf dem Boden landete.

 

„Je mehr Stangen ich abwehren muss, desto mehr werde ich von meinem eigenen Chakra benötigen“, erklärte Sasuke. „Du musst also selbst versuchen, deins unter Kontrolle zu halten.“

 

In seiner Stimme schwang ein bisschen Belustigung mit. Anscheinend machte ihm das hier Spaß, während ich zunehmend in Panik geriet. Mehr Stangen? Bedeutete das, dass er vorhatte die Angriffe immer weiter zu erhöhen? Fast hätte ich vor Schreck aufgeschrien, als der nächste Ableiter nur Millimeter an meinem Kopf vorbeizischte. Sasuke hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, ihn irgendwie abzuwehren. Konnte er überhaupt etwas sehen, wenn er direkt hinter mir stand? Laut Itachi war er zwar dazu in der Lage Bewegungen zu spüren, aber ich traute dem Ganzen nicht. Das hier war viel zu gefährlich.

 

„Sorry, ich bin raus“, verkündete ich kurzerhand. „Das ist doch komplett irre.“

 

Entschlossen wollte ich mich von ihm losreißen und den Kreis verlassen, doch so leicht wollte er es mir nicht machen.

 

„Also hast du doch Angst“, stellte Sasuke mit Genugtuung fest.

 

Ich hielt in meiner Bewegung inne. Allein der Gedanke daran, dass mehrere Metallstangen aus allen Richtungen auf mich zufliegen würden und ich praktisch wehrlos mitten im Zentrum stehen und darauf vertrauen musste, dass er mich schützen würde, schnürte mir die Kehle zu. Ja, ich hatte Angst. Um genau zu sein eine Scheißangst. Aber das zuzugeben und ihn dadurch gewinnen zu lassen, kam überhaupt nicht in Frage.

 

„Okay, wenn du unbedingt willst, dann ziehen wir es durch“, verkündete ich trotzig.

 

Er gab einen zufriedenen Laut von sich und stellte sich noch dichter hinter mich. Seine Präsenz umhüllte mich komplett, erdrückte mich beinahe, doch ich zwang mich möglichst ruhig zu atmen, während meine Blicke hastig von einer Puppe zur anderen huschten. Ich wollte wenigstens sehen, aus welcher Richtung der nächste Angriff kam. Auf diese Weise fühlte ich mich vielleicht nicht ganz so hilflos.

 

Als die nächsten Ableiter auf uns zukamen, konnte ich trotzdem nicht verhindern, dass ich erschrocken zusammenzuckte und instinktiv versuchte zurückzuweichen. Es waren drei. Sie flogen direkt auf meinen Oberkörper zu und hatten dabei eine Geschwindigkeit drauf, die locker dazu geeignet gewesen wäre, mich auf einen Schlag zu durchbohren. Mein Fluchtversuch wurde jedoch sofort verhindert, als ich mit dem Rücken gegen Sasukes Brust prallte und er verstärkte seinen Griff um meine Hüften nur noch, wie um mich in Position zu halten.

 

Es fühlte sich ungewohnt an, von ihm berührt zu werden und beinahe wünschte ich mir die Stromschläge wieder zurück. An einer Stelle war mein T-Shirt ein wenig nach oben gerutscht und sein Daumen lag genau auf dem freigelegten Stück Haut. Mein Puls raste. Vor Angst. Und seinetwegen. Doch ich war immer noch wild entschlossen, es unter keinen Umständen zuzugeben.

 

„Wir können immer noch abbrechen, wenn dir das zu viel ist, Naruto“, bot Sasuke an. „Itachi möchte nicht, dass du dich überfordert fühlst und dieses Training ist nun mal nichts für Angsthasen.“

 

Das Angebot war verlockend. In diesem Moment wollte ich nichts lieber, als diesen verdammten Kreis zu verlassen und endlich etwas Abstand zwischen mich und Sasuke zu bringen, aber gleichzeitig ließ mein Ego es nicht zu. Ich wusste, dass er mir nichts zutraute. Ich wusste, dass er glaubte, dass ich früher oder später sowieso einknicken würde. In seinen Augen war ich schwach. Jemand, der beschützt werden musste. Jemand, der sein ganzes Leben lang vor etwas davon gelaufen war. Doch ich wollte ihm beweisen, dass es nicht so war. Ich wollte ihm beweisen, dass auch ich stark sein konnte.

 

„Das Training ist perfekt für mich“, widersprach ich ihm entschieden.

 

Sämtliche Muskeln in meinem Körper waren angespannt in Erwartung der nächsten Ausleiter. Es war ein natürlicher Fluchtinstinkt. Nichts was man so einfach unterdrücken konnte. Und doch musste ich es irgendwie schaffen, möglichst ruhig hier stehen zu bleiben, wenn ich meine Worte glaubwürdig rüberbringen wollte.

 

„Das werden wir ja sehen“, raunte Sasuke.

 

Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich seine Lippen spürte, die über meinen Hals direkt hinter meinem Ohr streiften. Dadurch, dass ich sowieso schon angespannt war, nahm ich es umso intensiver war. Warmer Atem traf auf meine Gänsehaut und führte zu einer Überreizung, die erregender nicht hätte sein können. Mein Herzschlag stolperte ein paarmal, nur um sich danach noch mehr zu beschleunigen und ich versuchte angestrengt, mich zusammenzureißen. Das hier war immer noch Sasuke und ich sollte mich nicht zu ihm hingezogen fühlen.

 

„Was machst du da?“, fragte ich misstrauisch.

 

Es gelang mir nicht, meinen Atem unter Kontrolle zu halten. Er ging hektisch und unregelmäßig, während ich stocksteif dastand und es nicht wagte, mich auch nur einen Millimeter zu rühren. Ich sollte mich wegdrehen, sollte ihn vor mir wegstoßen, sollte so schnell wie möglich Abstand zwischen uns bringen. Doch ich tat nichts. Blieb einfach nur stehen und ließ die Nähe zu. Sasuke schmunzelte und obwohl ich es nicht sehen konnte, konnte ich spüren wie sich seine Lippen an meiner Haut leicht verzogen.

 

„Ich probiere etwas aus“, murmelte er und klang dabei recht zufrieden.

 

Seine komplette Hand schob sich unter mein T-Shirt, fuhr weiter nach vorne und über meinen Bauch. Unwillkürlich entwich mir ein leises Stöhnen und es hörte sich so unglaublich fremd an, so hungrig und leidenschaftlich, dass ich mich vor mir selbst erschrak. Lust durchströmte mich und drohte auf einen Schlag alles andere zu verdrängen. Es war fast wie ein Autopilot, der sich selbstständig eingeschaltet hatte und das Steuer nun fest in seinem Griff hatte, wobei er nur leider eine gänzlich andere Richtung einschlug, als den ursprünglichen Kurs. Nur mit all meiner Willenskraft, gelang es mir seine Hand festzuhalten und gegen die Erregung anzukämpfen.

 

 „Nicht“, protestierte ich schwach.

 

Doch anstatt aufzuhören, zog Sasuke mich sanft näher an sich heran und drückte sich von hinten gegen mich. Ich würde gerne sagen, dass es mich störte, dass ich wollte, dass er sich von mir fernhielt. Doch so war es nicht. Ich wollte genau das. Wollte ihm nahe sein und auch jetzt, als nicht mal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte, war es noch nicht genug. Tausende Schauer liefen über meinen Rücken und meine Arme bis in meine Fingerspitzen. Es fühlte sich an wie eine Explosion tief in meinem Inneren und mein gesamtes Chakra begann leicht zu vibrieren.

 

„Lass es zu.“

 

Er wusste es. Sasuke wusste es. Mehr noch. Ich konnte ganz deutlich spüren, dass er ebenfalls erregt war. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Und warum sehnte sich alles in mir danach, diesem Drang nachzugeben?

 

Erschrocken zog ich den Kopf ein, als plötzlich wieder mehrere Ableiter auf uns zuflogen. Sasuke machte sich nicht einmal die Mühe den Kopf anzuheben und ließ sie einfach auf halber Strecke zu Boden fallen. Gleichzeitig spürte ich jedoch, wie mein eigenes Chakra wieder aus dem Gleichgewicht geriet und unruhig umherwaberte. Offenbar hatte er schon damit begonnen, mir Schritt für Schritt wieder die Kontrolle zu überlassen. Allerdings war ich nicht mal ansatzweise dazu im Stande, gerade irgendwas unter Kontrolle zu halten. Am allerwenigstens mich selbst.

 

Sasuke strich immer wieder über den dünnen Haarflaum der von meinem Bauchnabel abwärts führte und schließlich unter dem Bund meiner Hose verschwand. Seine Berührungen fühlten sich so intensiv an, dass ich das Gefühl hatte zu verbrennen. Ich öffnete leicht meine Lippen, um durch den Mund zu atmen, da ich sonst nicht mehr genug Sauerstoff bekommen hätte und fragte mich, wann ich seine Hand überhaupt wieder losgelassen hatte und warum. Alles um mich herum drehte sich. Mir war schwindelig und gleichzeitig fühlte es sich so an, als wären all meine Sinne geschärft.

 

„Soll ich aufhören?“, raunte Sasuke in mein Ohr.

 

Ich wollte nicken, wollte ihm sagen, dass er gefälligst seine Finger bei sich behalten sollte und fragen, was ihm überhaupt einfiel. Ich wollte ihn zurechtweisen, wollte diese unangemessene Nähe sofort beenden, doch ich war unfähig irgendetwas zu erwidern. Mein Körper hatte komplett die Kontrolle übernommen und ich tat genau das Gegenteil von all dem. Ich schüttelte energisch mit dem Kopf und lehnte mich noch mehr in seine Berührungen. Es fühlte sich an wie ein Rausch, der mich vollkommen eingenommen hatte und dem ich absolut nichts entgegenzusetzen hatte.

 

*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Meine Beine gaben nun vollständig nach und Sasuke, der es bemerkte, schlang wortlos seinen Arm um meine Hüfte, um mich zu stützen. Er hätte genauso gut seine Fähigkeit einsetzen können, doch er hatte es nicht getan und das machte es irgendwie zu einer intimen Geste. Auch sein Körper zitterte und als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich einen kleinen, dunklen Fleck auf seiner Hose. Er war gekommen und das einzig und allein durch meine Empfindungen.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächste Woche:

„Du studierst Soziale Arbeit“, stellte er fest.

„Ähm ja. Und?“, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Was wollte der Typ von mir?

Ich war mittlerweile stehen geblieben und hielt vorsichtshalber etwas Abstand zu den beiden. Mir war nicht ganz bewusst woran es lag, doch irgendwie kam er mir unheimlich vor und ich traute mich nicht, an ihm vorbeizugehen. Gleichzeitig hatte ich aber ein seltsames Gefühl der Vertrautheit, sodass ich nicht genau wusste, wie ich ihm nun gegenübertreten sollte. Er verunsicherte mich. Und das rosahaarige Mädchen neben ihm hatte bisher noch keinen einzigen Ton gesagt.

„Hast du im Abi so versagt, dass du nichts Ordentliches studieren kannst?"
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

schön, dass ihr wieder hierhergefunden habt. :) Jetzt hatte also auch Sasuke seinen ersten Auftritt und ich bin sehr gespannt, was ihr zu ihm und seinen Fähigkeiten sagt. Momentan erinnert es vielleicht noch ein wenig an Shikamarus Kagemane, aber auch das ändert sich noch. ;) Lasst mir doch wieder eure Meinung da, ich würde mich sehr freuen und ansonsten lesen wir uns ja vielleicht nachher bei On Air. <3

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Nächste Woche:

Demonstrativ griff ich nach der Tasse Kaffee, schmiss zwei Würfel Zucker hinein, damit das Zeug überhaupt trinkbar war und wollte mir gerade einen großen Schluck daraus genehmigen, als ich plötzlich wie gegen einen unsichtbaren Widerstand traf. Mitten in der Bewegung hielt ich inne. Meine Hand bewegte sich nicht mehr. Ich starrte Sasuke an.

„Lass das!“, fauchte ich.

Er trat einen Schritt auf mich zu, sodass er nun ganz dicht vor mir stand. Seine Statur war imposant. Obwohl er gerade mal einen Zentimeter größer war als ich, und obwohl er nicht sehr breit gebaut war, strahlte er eine unglaubliche Stärke aus. Seelenruhig griff er nach der Tasse und nahm sie mir aus der Hand. Ich konnte es nicht verhindern.

„Hör endlich auf dieses Zeug zu trinken“, befahl er.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,
ich wünsche euch allen frohe Weihnachten! Lasst euch reich beschenken, schlagt euch die Bäuche voll und genießt die Feiertage. <3
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Nächste Woche:

Es war nur eine kleine Veränderung, die mir jedoch sofort aufgefallen war und ich spürte, wie sich zunehmend Unruhe in mir breit machte. Immer wieder warf sie prüfend einen Blick über die Schulter und gerade als ich mich auch umdrehen und nachsehen wollte, wer oder was da hinter uns war, packte sie ungeduldig meinen Arm und drängte mich schneller zu gehen. Sie war in höchster Alarmbereitschaft. Irgendetwas musste tatsächlich ihre Aufmerksamkeit erregt haben und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es sich um nichts Gutes handeln konnte.

„Ich glaub wir sind nicht mehr allein“, zischte sie im Laufen.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

so langsam kommt mal ein bisschen Schwung in die Geschichte. Erster Auftritt der Schatten und ausgerechnet jetzt ist nur Sakura am Start. Was haltet ihr von ihren Fähigkeiten? Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir eure Meinung dalasst. Ansonsten hoffe ich, ihr hattet alle ein tolles Jahr 2015 und habt ein noch viel tolleres 2016! Lasst es krachen. <3

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-

Heute ausnahmsweise mal keine Vorschau. ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

ich hoffe, ihr habt die restlichen freien Tage gut überstanden und seid wieder gut in die Schule/Uni/Arbeit/was auch immer gestartet. Vielleicht gehört ihr ja sogar zu den Glücklichen, die momentan noch frei haben. ;)
Hier also das neue Kapitel, mit Sasuke, der die Situation einigermaßen im Griff hat. Aber auch Naruto schlägt sich gar nicht mal so schlecht, oder? Ich würde mich sehr über euer Feedback freuen und falls bei dem ganzen Fantasy-Kram irgendwas unklar ist, zögert nicht zu fragen. :)

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Nächste Woche:
„Kümmer‘ dich um deinen eigenen Kram. Du hast ganz schön was abgekriegt von diesen Typen.“

Er klang fast ein bisschen schadenfroh.

„Tut mir Leid, dass ich damit beschäftigt war Naruto zu schützen – was ja wohl durchaus in deinem Interesse sein dürfte“, allmählich schien auch Sakura die Geduld zu verlieren. „Im Gegensatz zu dir kann ich wenigstens zugeben, dass ich Schmerzen habe.“

„Es hätte denen niemals gelingen dürfen, euch zu trennen“, stellte Sasuke nüchtern fest. „Das ist der größte Schwachpunkt deiner Fähigkeit – sie ist einfach nicht dazu geeignet jemand anderen und dich selbst zu schützen. Du bist der größte Schwachpunkt. Wenn sie es schaffen, dich anzugreifen, nützt deine ganze Barriere nichts mehr.“
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächste Woche:

„Naruto, es freut mich, dass ihr es ohne weitere Probleme hierher geschafft habt“, verkündete Sarutobi. „Dennoch muss ich mich für die vielen Unannehmlichkeiten entschuldigen, die die Schatten euch bereitet haben. Sasuke hat mir bereits einiges erzählt. Es lag nicht in meiner Absicht, dich in irgendeiner Art und Weise in Gefahr zu bringen.“

Es war mir unangenehm, dass ich so im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und ich wollte nicht, dass er meinetwegen ein schlechtes Gewissen hatte. Immerhin hatte ich selbst mit eigenen Augen gesehen, dass Sasuke und Sakura ihr Bestes gegeben hatten, um mich vor den Schatten zu schützen und der Schulleiter konnte nichts dafür, dass sie uns vorzeitig gefunden hatten. Unsicher sah ich zu den beiden herüber, bevor mein Blick schließlich unwillkürlich zur fünften Person im Raum wanderte.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

ja, jetzt sind sie endlich in der sagenumwobenen Akademie angekommen. Neuer Ort, neue Personen und endlich erzählt jemand Naruto mal, was eigentlich abgeht. Ich bin sehr, sehr gespannt auf eure Meinung zu den Entwicklungen und freue mich auf euer Feedback. :) Insbesondere würde mich interessieren, was ihr von Itachi und Sarutobi haltet.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Nächste Woche:

Gemeinschaft. Frieden. Das alles klang wahnsinnig positiv und schien alles in allem auch irgendwie Sinn zu machen, doch tief in mir drin spürte ich noch immer einen leisen Widerstand. Die Verantwortung für den Frieden an eine Abhängigkeit zu koppeln, war in meinen Augen verantwortungslos, wenn nicht sogar gefährlich. Insbesondere fiel es mir schwer mir vorzustellen, dass jeder Wächter nichts als den Frieden im Sinn hatte und mit seiner Rolle als Beschützer der Menschen einverstanden war.

„Ich könnte mir vorstellen, dass einige Wächter mit ihrer Aufgabe nicht gerade zufrieden sind“, warf ich vorsichtig ein.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend ihr Lieben,

ich hoffe, die vielen Erklärungen haben euch nicht verschreckt, aber jetzt ist schon mal ein bedeutender Teil von Narutos Vergangenheit geklärt. ;) Falls irgendwas immer noch unklar ist oder missverständlich formuliert, zögert nicht zu fragen.
An dieser Stelle muss ich noch eine Ankündigung machen: Da ich im Februar einige Klausuren schreibe, werde ich leider keine neuen Kapitel hochladen können. Ich lege also eine kleine Pause ein und bin dann ab dem 3. März wieder frisch für euch da. Ich hoffe, das nimmt mir niemand krumm. ;)
Ich freue mich auf euer Feedback zum Kapitel und wir lesen uns dann hoffentlich im März wieder.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Nächste Woche:

„Los!“, rief Itachi.

Er drückte mehrere Knöpfe auf dem komischen Gerät, das er in der Hand hielt und trat dann sofort noch einen Schritt zurück. Nur den Bruchteil einer Sekunde später, nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung war und in dem Moment war es auch schon wieder vorbei. Eine der Puppen schräg hinter Sasuke, hatte mit irgendetwas auf ihn geschossen, doch er hatte die Bewegung sofort gestoppt und umgekehrt. In der Brust der Puppe steckte eine Metallstange. Erschrocken drehte ich mich zu Sakura um.

„Ist das…?“

„Ein Ausleiter, ja“, bestätigte sie. „Sasuke trainiert immer so.“
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, endlich mal wieder etwas hochladen zu können. :) Die letzte Klausur ist geschrieben, die Hausarbeit ist auch fertig und jetzt steht dem neuen Kapitel nichts mehr im Wege. Das ist wie Durchatmen. :D Über Rückmeldungen würde ich mich wie immer sehr, sehr freuen und ansonsten hoffe ich, dass sich die lange Wartezeit wenigstens ein bisschen gelohnt hat. Bis bald und

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Nächste Woche:

Wenn er über das Training sprach, klang es fast wie ein lustiges Spiel unter Brüdern, eine kleine bedeutungslose Rivalität. Die Tatsache, dass Sasuke ihn ohne zu zögern verletzt hatte, schien er entweder völlig verdrängt zu haben, oder aber es war ihm egal.

„Was genau ist da eigentlich passiert?“, wollte ich wissen. „Wieso hat er dich angegriffen?“

Ich musterte Itachi. Sein Lachen, mit dem er die Situation herunterzuspielen versuchte. Die Art wie er sich immer wieder über die Schrammen an seiner Hand strich. Der Stolz in seiner Stimme, wenn er von Sasuke sprach.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend ihr Lieben,

die Woche ging so schnell vorbei und ich bin es gar nicht mehr gewohnt, so oft was hochzuladen, dass ich es beinahe vergessen hab. :D Aber hier ist das Kapitel und ich hoffe, dass es euch gefallen hat. Falls euch momentan Sasuke ein bisschen fehlt, könnt ihr gerne mal bei meinem anderen Projekt „Versuchsleitereffekt“ vorbeischauen. Da ist das Tempo ein bisschen straffer. ;) Ansonsten würde ich mich wie immer sehr über Feedback freuen und wünsche euch noch einen entspannten Feierabend.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling- Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

ich hoffe, ihr konntet heute auch ein bisschen das schöne Wetter genießen. :) Ich bin schon gespannt, was ihr von unserem lieben Orochimaru haltet. Und wie wird wohl Sasuke reagieren? ;) Über ein kurzes Feedback würde ich mich sehr freuen und ansonsten wünsche ich euch noch einen schönen Abend.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Nächste Woche:

Unbewusst hatte ich den Atem angehalten. Sasuke war mir mit seinem Gesicht so nahe gekommen, dass ich seinen Atem auf der Haut spüren konnte. Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut und ich fragte mich, ob er meine Reaktion bemerkte. Es war als hätte er mich mit seiner Fähigkeit eingefroren und doch wusste ich, dass er das nicht getan hatte. Einzig und allein sein Körper hinderte mich daran, mich zu bewegen.

Er beugte sich nach vorne zu meinem Ohr.

„Alles was du spürst, spüre ich auch“, raunte er.

Wieder lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken und ich traute mich noch immer nicht zu atmen. Worauf wollte er hinaus?
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

das hier ist jetzt eines meiner Lieblingskapitel und deswegen bin ich ein kleines bisschen nervös. ;) Noch dazu ist es gewissermaßen ein Wendepunkt in der Geschichte, weil sich die Spannung zwischen den beiden endlich mal entladen hat. Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat und würde mich freuen, wieder von euch zu hören.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Nächste Woche:

„Happy Birthday, Naruto!“, rief sie mit vor Freude entzückter Stimme.

Überrumpelt trat ich einen Schritt zurück und wäre dabei fast mit ihr zusammen umgefallen. Itachi warf Sakura einen gespielt mahnenden Blick zu. Sie verzog ihr Gesicht zu einer Schnute und trat dann tatsächlich ein paar Schritte zurück.

„Tee?“, fragte sie freundlich.

Das tat sie jeden Morgen und wie jeden Morgen nickte ich.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

diese Woche ist irgendwie meine Pechwoche, aber ich hoffe, dass zumindest das Kapitel einigermaßen gelungen ist. ;D Es würde mich sehr interessieren, was ihr von Sasukes Verhalten denkt und ob das eurer Meinung nach noch als IC verbucht werden kann. Ich dachte mir, er ist eben doch der Vernünftigere von den Beiden. ;) Über Feedback würde ich mich wie immer sehr freuen und ansonsten wünsche ich euch noch einen schönen und entspannten Abend.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Vorschau:

„Die Akademie hier ist ein Ort, an dem sich grundsätzlich eine Menge Chakra befindet. Es wird also nicht allzu schnell auffallen, dass du dich hier aufhältst“, er zog beide Brauen nach oben. „Allerdings ist es gleichzeitig auch ein sehr naheliegendes Versteck. Die Schatten können dein Chakra nicht lokalisieren, dennoch werden sie vermuten, dass du dich an einem Ort mit hoher Chakrakonzentration befindest, was bedeutet, dass du hier nicht mehr lang bleiben kannst. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum du die Akademie verlassen musst. Einen wichtigeren. Genau genommen ist das der Grund, weshalb die Schatten überhaupt hinter dir her sind und genau genommen ist das auch der Grund, warum wir dich überhaupt hierher geholt haben, obwohl es sich wahrlich nicht um das beste Versteck handelt.“ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend ihr Lieben,

in diesem Kapitel gab es nochmal ein bisschen Plot-Input und ich bin schon sehr gespannt, was ihr von den neuen Informationen haltet. Ich hoffe, dass ich alles verständlich rüberbringen konnte und es so erklärt habe, wie es in meinem Kopf zusammengehört. ;) Falls noch irgendwelche Unklarheiten bestehen, zögert nicht, mich darauf aufmerksam zu machen. Ansonsten freue ich mich natürlich auch wie immer über jede Art von Feedback.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Vorschau:

„Bist du dir sicher, dass ich überhaupt ein Jinchuriki bin?“, fragte ich skeptisch.

Itachi schmunzelte.

„Sonst würde ich mir die Mühe ja nicht machen“, versicherte er mir. „Das wird schon noch, glaub mir!“

Manchmal fragte ich mich wirklich, woher er seine Zuversicht nahm. Alleine hätte ich sicher schon längst aufgegeben. Und wenn ich rüber zu Sasuke sah, dann sah ich in seinen Augen dieselbe Skepsis, die jede Faser meines Körpers durchdrang. Nur Itachi schien felsenfest davon überzeugt zu sein, dass ich die Kontrolle über mein Chakra noch erlangen würde.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend ihr Lieben,

also so Kampfbeschreibungen liegen mir ja eigentlich gar nicht, aber für dieses Kapitel (und die folgenden) hab ich wirklich alles gegeben und hab mich voll in die Recherche gestürzt. :D Was in dem Fall heißt, dass ich mit einem Bundeswehrsoldaten trainiert habe und das hat mich einige blaue Flecken gekostet, aber dafür sind das jetzt alles zertifizierte Moves, die tatsächlich so angewendet werden. ;D Ich hoffe wirklich sehr, dass es euch gefallen hat und würde mich wahnsinnig über ein paar Reviews freuen. Vielleicht auch ein paar Ideen zur Vorschau.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-




Vorschau:

„Links!“

Der Angriff kam schnell und präzise. Vor allen Dingen aber unerwartet. Er holte mit der rechten Hand leicht Schwung und versuchte mich mit dem Ausleiter von links unten zu attackieren. Noch bevor mein Gehirn in der Lage war, die Information zu verarbeiten, hatte mein Körper bereits reagiert. Ich wehrte den Angriff mit meinem eigenen Ausleiter ab, indem ich eine schwungvolle Bewegung in die Gegenrichtung machte und seinen Arm dadurch abdrängen konnte. Verblüfft über meine eigene Schnelligkeit, sprang ich schnell einen Schritt zurück, um weiteren Attacken aus dem Weg zu gehen.

„Flucht gibt es nicht“, mahnte Sasuke streng, doch ich glaubte einen Hauch von Anerkennung in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Abend ihr Lieben,

ich hoffe, ihr genießt so wie ich das schöne Wetter und habt für heute auch schon Feierabend. Im heutigen Kapitel gab es mal wieder ein bisschen mehr Action und auch Interaktion zwischen Sasuke und Naruto. Das wird ab jetzt dann auch zwangsläufig weiter zunehmen und ich bin schon sehr gespannt, was ihr dazu sagt. ;) Lasst mir doch gerne einen Kommentar da, das würde mich sehr freuen und ansonsten wünsche ich euch noch einen angenehmen und entspannten Abend.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-

PS: Nächste Woche muss ich eventuell mal aussetzen, weil das mit der Uni doch etwas stressiger ist als gedacht. ;)


Vorschau:

„Du musst endlich aufhören mich zu blocken, Naruto“, zischte Sasuke frustriert.

Auch an ihm waren die unzähligen fehlgeschlagenen Versuche nicht spurlos vorbeigegangen und man merkte immer deutlicher, dass er langsam ungeduldig wurde. Allerdings hatte ich genauso wenig Lust, mir ständig neue Stromschläge einzufangen, ohne dass wir auch nur einen Schritt vorankamen.

„Ich mache überhaupt nichts“, protestierte ich empört und zog wütend die Augenbrauen zusammen.

Es war komisch mit dem Rücken zu ihm zu stehen, während wir uns stritten und ich konnte nur mühsam den Drang unterdrücken, mich zu ihm umzudrehen. Jede noch so kleine Bewegung konnte eine Bewegung zu viel sein.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Vorschau:

Sasuke erhöhte den Druck seiner Hände und ich konnte nur mühsam ein erneutes Keuchen unterdrücken. Mehrere kleine Hitzewellen breiteten sich in meinem Körper aus und versetzten auch mein Chakra in Wallung. Allmählich fragte ich mich, ob Sasuke etwas von meinem seltsamen Zustand mitbekam. Immerhin hatte er ja behauptet, alles von mir zu spüren. Augenblicklich wurde mir noch wärmer. Ich fühlte… Lust? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber wie ihr seht, hab ich die Story nicht vergessen. Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, aber diese Woche konnte ich endlich mal wieder ein bisschen Zeit freiräumen. ;) Ich hoffe sehr, dass euch das neue Kapitel gefällt und bin schon sehr gespannt auf euer Feedback. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr mir ja schon mal eure Vermutungen schreiben, was da genau los ist, zwischen den beiden. Ich würde mich sehr freuen. :)

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-



Vorschau:

Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich seine Lippen spürte, die über meinen Hals direkt hinter meinem Ohr streiften. Dadurch, dass ich sowieso schon angespannt war, nahm ich es umso intensiver war. Warmer Atem traf auf meine Gänsehaut und führte zu einer Überreizung, die erregender nicht hätte sein können. Mein Herzschlag stolperte ein paarmal, nur um sich danach noch mehr zu beschleunigen und ich versuchte angestrengt, mich zusammenzureißen. Das hier war immer noch Sasuke und ich sollte mich nicht zu ihm hingezogen fühlen.

„Was machst du da?“, fragte ich misstrauisch.
Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen guten Tag ihr Lieben,

ich entschuldige mich schon mal dafür, dass es so lange gedauert hat. Aber ihr kennt das sicher, manchmal kommt man einfach nicht zu den Dingen, die man gerne tut, weil man zu sehr beschäftigt ist mit Dingen, die getan werden müssen. ;)
Jedenfalls bin ich sehr gespannt, was ihr zu dem Kapitel sagen werdet. Insbesondere, weil der eine oder andere ja schon etwas länger darauf hin fiebert. ;) Ich würde mich also sehr freuen, von euch zu hören und wünsche euch ansonsten schon mal ein schönes Rest-Wochenende.

Herzliche Grüße
-Zerschmetterling- Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (53)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Becc
2019-01-24T21:25:31+00:00 24.01.2019 22:25
Hey. Ich hab die ff heute gefunden und sofort komplett durchgelesen. ♪(´ε` )
Ich mag den Stil und die Idee wirklich sehr!
Ich hoffe du schreibst hier irgendwann weiter <3
Lg Becc
Von:  cutestrawberry
2018-09-26T12:31:28+00:00 26.09.2018 14:31
Ich finde deine Geschichte bisher absolut lesenswert und sehr gut geschrieben. Du hast einen wirklich tollen Schreibstil mit dem du es schaffst, alles nachvollziehbar und logisch darzustellen. Ich bin wirklich gespannt, wie es weiter geht und hoffe daher, dass du die Muße findest, um an der Geschichte weiter zuschreiben. Es würde mich sehr freuen :-)
LG cutestrawberry
Von:  Naru_Hina
2016-11-08T01:50:05+00:00 08.11.2016 02:50
Super kappi, super ff :-D bitte schreib weiter möchte echt wissen wie es weiter geht
Von:  Suiu
2016-11-06T19:10:10+00:00 06.11.2016 20:10
Hi
Super Kapi
Mach bitte ganz schnell weiter
Lg Suiu
Von:  Cocona
2016-11-02T13:48:51+00:00 02.11.2016 14:48
Wieder ein super Kapitel. Mach weiter so ^-^

Von:  naruhinaxXx
2016-09-22T17:30:39+00:00 22.09.2016 19:30
hey find deine story voll toll
würde mich freuen, wenn mal wieder ein neues Kapitel kommt
;)
Von: abgemeldet
2016-07-25T07:52:40+00:00 25.07.2016 09:52
Jesus, ich... oh ha... gott ist das aufregend!
Ich war so gespannt auf das nächste Kapitel...
Und nun bin ich noch mehr gespannt wie es weiter geht!
Super mitreißend geschrieben, weiter so!

Liebe Grüße
Von:  Scorbion1984
2016-07-24T14:15:18+00:00 24.07.2016 16:15
Tolles Kapitel ,nennt man das Training was die Zwei so getan haben ! ?
Von:  Suiu
2016-07-20T08:38:03+00:00 20.07.2016 10:38
Super Kapitel
Bitte mach schnell weiter ist einfach zu spannend😉
Antwort von:  -Zerschmetterling-
20.07.2016 13:24
Vielen Dank :)
Es wird nicht mehr lange dauern.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-
Von:  cutestrawberry
2016-06-16T15:59:15+00:00 16.06.2016 17:59
Tolle Geschichte, tolles Kapitel. Ich bin gespannt, wie es weitergeht :-)
Antwort von:  -Zerschmetterling-
20.07.2016 13:24
Dankeschön :)
Freut mich, dass es dir gefällt.
Herzliche Grüße
-Zerschmetterling-


Zurück