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Die dunkle Ritterin

von

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Familienbande

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Familienbande
 

Irgendwie hatte Dolette es sich ganz anders vorgestellt mit diesem Mann Zeit allein zu verbringen. Schließlich war er einmal ihr Vertrauter und Marialle hatte erzählt, dass keiner ihrer Gefährten sie so lange kannte wie Borigan. Es war ruhig hier an den Mauern um den Turm des heiligen Lichts. Die vielen Bäume um das kleine Lager der Todesritterin und des Kriegers verschluckten jegliches Geräusch, das von außerhalb an den Turm hätte dringen können. Die Sterne glitzerten heute Nacht nur matt auf die Erde herunter und der Mond stand so schief, dass sein Licht kaum durch das dichte Blätterdach fiel. Der Mensch saß noch immer schweigend auf seinem Felllager und stocherte mit einem Stock im Feuer. Die Todesritterin nervte dieses Schweigen zusehends, was sie gleichermaßen irritierte. Sie war selbst nicht die gesprächigste und ihr wollte auch einfach nichts einfallen, worauf sie den Krieger direkt ansprechen konnte. Gestern im Blauen Emerit war es auch kein Problem gewesen sich zu unterhalten.

"Was ist eigentlich los mit dir, Borigan?", stieß sie nun resignierend hervor, weil ihr einfach nichts Besseres einfallen wollte. Er reagierte nicht. Geistesabwesend trieb er unentwegt, den Ast in seiner Hand, in die heiße Glut vor sich. Die Todesritterin verlor langsam die Geduld, hörte er sie vielleicht gar nicht?

"Borigan!" Endlich zuckte er zusammen und ließ beinah sein hölzernes Stocherwerkzeug fallen.

"Lady Glutklinge?" Er sah sie überrascht an, so als ob er nie im Leben damit gerechnet hätte von seiner ehemaligen Kommandantin auch nur angeschaut zu werden.

"Nenn mich bitte Dolette, ich habe mit deiner Kommandantin kaum mehr etwas gemein. Wo bist du nur mit deinen Gedanken?", fragte sie erneut.

"Ich denke in euch steckt noch sehr viel von eurem alten Ich. Ihr tragt nur nicht mehr die schillernde Rüstung eines Paladins, Mylady.", versuchte er die Frage charmant zu umgehen. Er wandte seine graublauen Augen wieder zurück auf das Feuer und auf Dolette wirkten sie matt und müde. Sie stand auf und ging zu ihm rüber, um sich neben ihm auf seinem Fell nieder zu lassen.

"Was beschäftigt dich, mein Freund?" Ein weiteres mal würde sie ganz sicher nicht fragen, aber wenn schon ein letztes mal, dann mit Nachdruck, dachte sie sich als sie nah an ihn heran rückte und ihm die Möglichkeit nahm, sie wieder zu überhören.

"Ach...Ihr habt doch bemerkt, dass da zwischen Odessa und mir etwas ist.", begann er zögerlich.

"Aber ich kann meine liebe Frau, das Licht hab sie seelig und natürlich meinen kleinen Sohn einfach nicht vergessen, seit wir uns das erste Mal etwas näher kamen. Odessa ist ihr einfach unheimlich ähnlich und es kommt mir vor, als wäre mir das erst jetzt bewusst geworden. Und nun sehe ich dieses schöne Mädchen an und sehe umgehend meine Frau vor mir und somit meinen Verrat an ihr. Odessa wird das sicher auch nicht mehr lange mit machen." Der gestandene Krieger seufzte tief und ließ den Kopf wieder hängen.

"Verrat? Du hast das Gefühl, du betrügst deine Familie wenn du Glücklich bist?" Borigan nickte leicht. Natürlich wusste die dunkle Ritterin schon, was Borigan beschäftigte, aber es aus seinem Munde zu hören machte es für sie nicht verständlicher. Seine Familie war tot, warum fühlte er sich als würde er sie verraten.

"Meinst du nicht sie wären glücklich, ganz allein schon deshalb, weil du es nach all den Jahren endlich wieder bist? Meinst du deine Familie hat das für dich gewollt? Dass du ihren Tod den Rest deines Lebens betrauerst? Ich denke das Leben eines Toten zu ehren bedeutet etwas anderes. Für mich ehrst du deine Familie dadurch, dass wann immer du glücklich bist, an sie denkst. Das du sie nicht vor lauter Glück vergisst. Auf diese Weise teilst du dein Glück mit ihnen. Ich glaube besser kann man es gar nicht machen, Borigan." Sie legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter und war dabei verwundert über sich selbst. Dass sie soviel Empathie für einen Menschen, eigentlich überhaupt ein anderes Wesen aufbringen konnte war ihr neu, aber wann hatte sie sich je mit dieser Art Verlust und demjenigen der sie empfand, beschäftigt. Plötzlich meinte sie eine gewisse Verbundenheit zu dem Krieger zu spüren auf die sie zwar durchaus gewartet, aber nicht damit gerechnet hatte, sie tatsächlich zu empfinden.

"Und Odi ist eine kluge Frau. Sie hat Geduld und weiß, schätze ich zumindest, ganz gut was in dir vor geht." Borigan hatte mittlerweile wieder aufgesehen und etwas anderes tanzte nun in seinen graublauen Augen. Hoffnung, wenn nicht sogar Glück.

"Meint ihr, Mylady?", fasste er den Ausdruck nun auch in Worte. Die Todesritterin verzog das Gesicht, es wurde hart und kalt.

"Nenn mich Dolette, Borigan.", sagte sie kühl und bestimmt, doch fing dann an zu lächeln.

"Ganz sicher, mein Freund.", fügte sie noch hinzu und nun fing auch er leicht an zu lachen.

"Na gut, wenn du unbedingt drauf bestehst." Er zog eine Flasche Bourbon aus seiner Tasche und zog die beiden Becher zu sich, die nah beim Feuer standen.

"Dann lass uns das begießen. Manche Dinge ändern sich nämlich nie.", verkündete er nun mit einem breiten Grinsen und goss die braune, klare Flüssigkeit zwei Finger breit in die Becher. Er drückte der Elfe einen der Becher in die Hand und schlug kräftig mit seinem dagegen. Gemeinsam ließen sie das hochprozentige Getränk ihre Kehlen hinunter laufen und es brannte heiß in Dolettes verkümmerten Gedärmen. Der Krieger lachte laut wie ein Bär und klopfte ihr hart auf den Rücken. Dies kam dem Borigan den Marialle beschrieben hatte viel näher und die Todesritterin fand gleich, dass sein Lachen überaus ansteckend war.

So saßen die beiden noch bis spät in die Nacht zusammen und erzählten sich Geschichten von ihren Kämpfen und Sagen von Kriegern. Sie lachten viel und zum ersten Mal bedauerte die dunkle Elfe sich nicht an ihr Leben vor dem Tod erinnern zu können.
 

Marialle wollte keine große Abschiedszeremonie, darum verzichtete sie auf noch ein paar Stunden Schlaf, nachdem sie mit Hilfe von Maxime und Odessa den großen Haufen Papiere abgearbeitet hatte, der sich die ganzen Wochen ihrer Abwesenheit angehäuft hatte. So war der Morgen grade herein gebrochen, als sie noch ein paar Sachen gepackt und sich zusammen mit den beiden Frauen leise durch die leeren Gänge des Ausbildungsturms geschoben hatte. Wie erwartet waren die Flure leer bis auf die beiden Wachen die an der großen Flügeltür Wache hielten, die nach draußen führte. Bei den beiden Klerikern wartete Hestian, der es sich offenbar nicht nehmen lassen wollte seine Oberste zu verabschieden.

"Guten Morgen Myladys. Ihr reist also tatsächlich direkt wieder ab.", begrüßte er die drei Frauen. Sie nickten ihm freundlich zu.

"Ja, Hestian. Meine Familie ist sicher auch in Sorge. Ich will sie nicht länger als nötig warten lassen."

"Nun denn, Mylady. Der Turm ist in guten Händen.", versprach der Kleriker.

"Da bin ich mir sicher, mein Freund. Wir werden uns bald wieder sehen.", gab sie zurück. Er trat einen Schritt zur Seite um die drei durch die Türe zu lassen.

"Auf bald!", rief er ihnen noch hinterher, während sie durch das große Haupttor traten. Wenige Körperlängen weiter warteten schon Dolette und Borigan auf die drei Frauen. Den kühlen Blick der dunkelhaarigen Priesterin neben sich, mit dem sie die Todesritterin belegte, konnte Marialle förmlich spüren und zum erstem mal breitete sich Unbehagen in ihr aus, beim Gedanken daran Maxime mit auf Reisen zu nehmen.

"Na wen haben wir denn da?", begrüßte Borigan die dunkelhaarige. Er zog die Priesterin in eine herzliche Umarmung, die sie zögerlich erwiderte.

"Guten Morgen.", sagte sie steif und nickte über seine Schulter in die Richtung der Todesritterin.

"Hört mal.", verschafft sich nun Marialle Gehör, nachdem Borigan sich von Maxime gelöst hatte.

"Odi brachte mich auf die Idee, Malek, Efendral und Bertak auch mit nach Theramore zu nehmen. Was haltet ihr davon?" Marialle konnte sehen wie es in den Geistern ihrer Gefährten ratterte, nur Odessa lächelte glücklich. Romantisch wie sie war, schien ihr die Vorstellung ihrer versammelten Gefährten, mehr als nur zu gefallen. Borigans Miene war hell, ihm schien die Idee ebenfalls zu gefallen, nicht mehr der einzige Mann in dieser Frauenrunde zu sein. Der Ausdruck auf dem untoten Gesicht der Elfe war finster, aber offenbar schrieb sie sich selbst kein Mitentscheidungsrecht zu. Die Züge von Maxime waren undurchdringlich und machten es der Hohepriesterin unmöglich zu sagen, ob sie überhaupt eine Meinung dazu hatte.

"Also gut, Odi. Im nächsten Dorf schicken wir einen Boten nach Eisenschmiede, vielleicht sind die drei ja noch da." Odessa nickte. Marialle hatte es gar nicht richtig mitbekommen, aber jetzt wurde ihr klar, dass durch die Zurückhaltung der dunklen Ritterin, sie selbst in die Stellung der Kommandantin zwischen ihren Gefährten gerutscht war. Alle schienen das mit Wohlwollen einfach hinzunehmen, aber irgendwie machte dieser Umstand der Priesterin deutlich, dass es nie wieder so werden würde wie es einst war. Unwillkürlich musste sie an Gernodt, Orphan und ihren Bruder denken. Wie könnte es ohne die Opfer die ihre Abenteuer gefordert haben wieder auch nur annähernd so werden wie es mal war. Marialle schalt sich für ihre Naivität. Von einer Hohepriesterin konnte man sicherlich mehr erwarten, als sich an so kindliche Erwartungen und Hoffnungen zu klammern. Eine vertraute kühle Berührung an ihrer Hand riss sie aus ihren traurigen Gedanken. Die Hohepriesterin schaute auf in das blasse, untote Gesicht ihrer Liebsten, dass sie sorgenvoll anschaute, als könnte sie lesen was in ihr vorging. Sofort fing der freche goldene Schimmer in dem leuchtenden Blau der Todesritteraugen an zu flackern und die Sänfte, die in diesem Blick lag, vertrieb die finsteren Gedanken so schnell wie sie gekommen waren.

Als Antwort auf die unausgesprochene Frage nach ihrem Befinden, legte sie Dolette ihre Lippen auf und küsste sie, als hätten sie sich weit länger als nur einer Nacht nicht gesehen. Die dunkle Elfe ließ sich augenblicklich von den fordernden Lippen der Priesterin beruhigen und so schlangen sich eisige Arme um ihren warmen Körper. Zogen sie fest an sich und ließen erst wieder locker als die sarkastische Stimme von Maxime an ihre Ohren drang.

"Es gibt anscheinend Dinge die ändern sich nie, egal was passiert ist.", sagte sie schnippisch.

"Ach lass sie doch, sie mussten doch lang genug aufeinander verzichten.", warf Odessa ein. Wehmütig löste Marialle sich aus dem Kuss, drohte sich aber gleich wieder in dem goldenen Funken zu verlieren als sie Dolette erneut in die Augen sah.

"Warum nehmen wir die eigentlich mit?" Argwohn wenn nicht sogar Misstrauen schwangen in den geflüsterten Worten mit.

"Ich weiß gar nicht was du willst. Früher habt ihr euch äußerst gut verstanden.", gab Marialle flüsternd und kichernd zurück, bevor sich die beiden ganz voneinander lösten.

"Bitte entschuldigt. Habt ihr beide denn schon eure Sachen zusammen gepackt?", fragte die Hohepriesterin nun Borigan und Dolette.

"Natürlich nicht, wir wussten ja nicht mit Sicherheit, ob es so schnell geht.", antwortete Borigan für beide und so machten sie sich eilig daran ihr Habe zusammen zuräumen und auf den Weg zum Hof der Lichtsprungs zu kommen.
 

Das Gelände von Marialles Familie war nicht einmal eine halbe Tagesreise weit entfernt, doch für Dolette ging es viel zu schnell. Sie war so weit von dem entfernt was die Familie in Erinnerung hatte. Die Paladin die sie einst war ist schon lange verstorben und die Todesritterin hoffte inständig, dass Marialle das nicht vergessen hatte. Die Elfe warf einen Blick an ihre Seite. Unbeschwert marschierte die Hohepriesterin neben ihr her. Ihr konnte es anscheinend nicht schnell genug gehen.

"Mari! Geh doch nicht so schnell, wenn du uns abhängst verlaufen wir uns noch." Dolette versuchte einen unbeschwerten Ton in den Witz zu legen, doch daran wie sich der Blick ihrer Liebsten änderte konnte sie erkennen, dass ihr das nur mäßig gelang.

"Sie werden dich nicht verurteilen, Dole. Ich würde ja sagen du kennst sie ja, aber trotzdem. Sie werden dich in ihrer Mitte aufnehmen, genau wie sie es das erste Mal getan haben." Die Todesritterin verfluchte sich selbst dafür, dass sie nicht besser verbergen konnte was in ihr vorging, aber so wie es schien vermochte Marialle schon immer in ihr lesen zu können, wie in einem offenen Buch. Ein Schmunzeln glitt über ihre blutleeren Lippen.

"Du weißt aber auch immer was in mir vor geht, mh?"

"Natürlich, schließlich bin ich es doch.", gab sie sanft lächelnd zurück. Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten golden im strahlenden Sonnenlicht und einmal mehr wirkte die schlanke Gestalt der Hohepriesterin heilig auf die dunkle Elfe. Sie ergriff Dolettes kühle Hand und der warme Strom der sie daraufhin durchzog, spendete der Todesritterin Zuversicht. Einzig der finstere Blick der anderen Priesterin Maxime, der seit ihrem Aufbruch auf ihr zu ruhen schien, ließ die Zweifel in der dunklen Ritterin nicht gänzlich vergehen.

Die fünf Gefährten kamen gut voran. Sie passierten einige Dörfer, die Dolette geschickt umlief und Odessa schickte einen Boten nach Eisenschmiede, mit der Nachricht für Efendral, Bertak und Malek. Als die Sonne hoch am Himmel stand erreichten sie ein fein gearbeitetes Stahltor auf dem in zierlichen Lettern der Name Lichtsprung gearbeitet war. Genau wie Marialle es beschrieben hatte war der Weg zu dem großen Haupthaus kurz, aber dahinter erstreckte sich das große Gelände, das zum Hof gehörte. Ein vertrautes Gefühl beschlich die ehemalige Paladin, wenn auch sie sich sicher war noch nie einen Fuß auf diese Ländereien gesetzt zu haben. Von weitem konnte man schon die Männer auf den Feldern erblicken, die dort ihrem Tagewerk nachgingen. Aus dem Haupthaus drangen rufe einiger Frauen und vorallem der Kinder, die dem Hof Leben einhauchten. Die Gefährten gingen langsam auf dem gepflasterten Weg Richtung Haupthaus. Dolette ließ sich immer mehr zurückfallen. Das Unwohlsein, das sie schon auf dem ganzen Weg hier her verspürte, steigerte sich unaufhörlich und sie musste unwillkürlich an Berthold denken. Marialles verstorbenen Bruder. Sie kam nicht umhin sich selbst die Schuld an seinem Tod zu geben und noch dazu hatte sie eine mehr als unglückliche Marialle hinterlassen, als sie starb. Sie war nun zwar eine Todesritterin was in vielerlei Hinsicht eine Strafe war, aber es war mehr als ungerecht, dass sie weiter in dieser Welt wandeln durfte, wenn ein guter Mensch wie Berthold es war, endgültig Tod war. In ihre düsteren Gedanken versunken bemerkte die dunkle Elfe gar nicht wie schnell sie der großen Flügeltüre näher kamen, die ins Haupthaus führte, als sie auch schon aufsprang. Eine Junge Frau, grade erwachsen, trat aus der Tür. Ein Windstoß erfasste ihr einfaches Bauernkleid und ihr hellbraunes offenes Haar, das ihr locker auf die Schultern fiel und wirbelte es auf. Nachdem sie einige male in die Sonne blinzelte, wurden die Gefährten von ihrem bernsteinfarbenen Blick erfasst, in dem die Sonne golden tanzte. Dolette erstarrte augenblicklich in ihrer Bewegung. Marialle hatte erzählt wie stark die Ähnlichkeit zwischen ihr und Beatrice sein musste, aber das hier raubte der Todesritterin den Atem und beraubte sie der Fähigkeit sich weiter fort zubewegen. Der jungen Schönheit schien es ganz ähnlich zu gehen, denn wo eben noch ein seichtes, leicht genervtes Lächeln war, war jeglicher Ausdruck aus ihrem Gesicht verschwunden und starr fixierte sie die dunkle Ritterin, bis sie von Marialle aus ihrer Starre gerissen und von dieser in eine herzliche Umarmung gezogen wurde.

Dolette stand noch immer unbeweglich an Ort und Stelle und bedachte die beiden Frauen, die sich so ähnlich sahen mit ihrem forschenden Blick. Sie konnten doch unmöglich nur Tante und Nichte sein.

Es dauerte eine Weile bis der Wind sich drehte und die Worte die die beiden wechselten zu der Elfe trug.

"....gehört du wärst entführt worden, Tante Mari. Bist du wohl auf?", fragte eine warme süße Stimme voller Sorge.

"Eine lange Geschichte Bea. Mir geht es gut. Ich werde heute Abend alles erzählen, wenn alle da sind." Marialles ruhige, erhabene Stimme mischte sich dazu und in Dolettes Ohren bildeten die beiden einen perfekten Einklang. Der bernsteinfarbene Blick der jüngeren ruhte noch immer auf der Todesritterin und versuchte offenbar zu verstehen, was für ein Wesen sie da vor sich haben mochte und obwohl sie noch einige Körperlängen voneinander entfernt standen, kam es Dolette so vor als stünde sie direkt neben Marialle und war, den alles durchdringenden, Blicken ihrer Nichte auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Der Wind trug die leisen gesprochenen Worte von Beatrice wieder an die langen, empfindsamen Ohren der dunklen Elfe.

"Mari, ist das Dole? Wie ist das möglich?" Dolettes Miene verzog sich leicht, was die junge Frau zusammenzucken ließ. Marialle flüsterte nun fast und zog Beatrice noch ein wenig näher an sich.

"Sie wurde als Todesritterin wieder erweckt, Bea.", erklärte sie ruhig und fing die Erschütterung auf, die durch den Körper ihrer Nichte zog. Die dunkle Elfe sah beschämt zu Boden. Das war eine Reaktion mit der sie gerechnet hatte. Angst und Abscheu. Sie hätte wohl lieber doch nicht mit auf den Hof kommen sollen. Als sie sich wieder traute auf zusehen hatte Beatrice sich aus der Umarmung der Priesterin gelöst und trat langsam auf die Todesritterin zu. Sie schien die Distanz im Bruchteil eines Herzschlags zu überwinden und stand der dunklen Ritterin nun Aug in Aug. Das schöne Antlitz und der verwirrte Ausdruck schnürten Dolette die Kehle zu und es war ihr unmöglich etwas zu sagen. Die junge Frau stand unbeweglich vor ihr und schaute ihr tief in die blau leuchtenden Augen.

"Erinnerst du dich etwa an dein Leben?", fragte Beatrice flüsternd. Dolette ließ den Blick wieder nach unten schweifen. Sie hätte gerne eine Erklärung parat, die jeder sofort verstehen könnte, aber so schüttelte sie nur den Kopf.

"Nein, Marialle hat mir alles über unser gemeinsames Leben erzählt, weil... weil die Verbindung auch jetzt noch immer da ist.", erklärte die Todesritterin kleinlaut.

"Ja, ich sehe es daran wie du mich anschaust, Dole. Willkommen zu Hause." Dolette schaute verwundert auf in die bernsteinfarbenen, fast goldenen Augen aus denen der Zweifel verschwunden war und die nun von einem sanftem, beinah weisem Lächeln umspielt wurden, wie Dolette es sonst nur von der Hohepriesterin kannte. Die Todesritterin ergab sich dem Impuls die junge Frau einfach in die Arme zu schließen und sie fest an sich zu drücken. Beatrice erwiderte die Umarmung zunächst etwas steif, bis sie es schmunzelnd zuließ.

"Beim Licht, du bist eiskalt, Dole.", sprach Marialles Nichte leise an Dolettes langem Ohr, worauf hin sie die zierliche Frau sofort aus der Umarmung entließ und sich verlegen am Hinterkopf kratzte.

"Entschuldige bitte.", kam es wieder kleinlaut von der dunklen Ritterin. Marialle stellte sich nun neben ihre Geliebte und stieß ihr sanft mit dem Ellbogen in die Rippen.

"Es gibt wirklich Dinge, die ändern sich nie, was?" Ein wissendes Lächeln hatte sich auf die vollen Lippen gestohlen und sie hakte sich bei Dolette unter.

"Vielleicht solltest du einen Moment vor der Tür warten. Um ehrlich zu sein weiß ich nicht wie die Familie auf dich reagiert, Dole.", gab Beatrice zu bedenken, doch Marialle zog weiter am Arm der Untoten.

"Bea, du sprichst hier von unserer Familie. Auch wenn sie kurz geschockt sind, werden sie Dole genauso wie früher in ihrer Mitte aufnehmen. Oder hat sich hier etwas maßgeblich verändert seit meinem letzten Besuch?"

"Nein, selbstverständlich nicht Tante. Aber wir haben auch alle um Dole getrauert, genau wie du und ich habe etwas Angst davor, dass das in etwas anderes umschlägt.", erklärte Beatrice ruhig.

"Du solltest mehr vertrauen haben. Nun kommt schon lasst uns rein gehen. Wo wolltest du eigentlich grade hin, Bea?" Die Angesprochene schaute zu Boden und ein rosa Schimmer stahl sich auf ihre Wangen.

"Eh ja, ich wollte jemanden auf dem Markt besuchen, aber das ist jetzt nicht so wichtig.", kam die Antwort der jungen Frau etwas zu schnell. Beatrice wandte sich von den beiden ab und begrüßte Maxime, Odessa und Borigan eine Spur zu überschwänglich.

"Es wird schon alles gut gehen, mach dir keine Sorgen", sagte Marialle ruhig und so leise, dass nur Dolette es hören konnte. Sie ließ ihre Hand von der Armbeuge der Todesritterin runter zu ihrer Hand streichen und umschloss sie sanft mit ihrer. Augenblicklich erschien das silberne Leuchten in den bernsteinfarbenen Augen und Dolette beruhigte sich ein weiteres mal zusehends.
 

Beatrice schritt voran durch die große Flügeltüre und ging sogleich in die Küche. Wie immer war ein lautes Scheppern die Antwort auf Marialles Ankunft und schon kam ihre Mutter aus der Küche gestürmt. Magereth hatte sich kaum verändert. Sie war noch immer die gealterte Schönheit, aufrecht und auf ihre Art elegant. Die langen grauen Haare kunstvoll zu einem Dutt zusammen gebunden. Sie schloss ihre jüngste in die Arme und hielt sie einen Moment, bevor sie sich von ihr löste und auf Dolette zu schritt. Katrice kam in dem Moment ebenfalls aus der Küche.

"Marialle, beim..." Sie unterbrach sich, als sie ihre Schwiegermutter beobachtete und vorallem auf wen sie zutrat. Magereth warf der Hohepriesterin noch einen verwirrten Blick zu und kam vor der Todesritterin zum Stehen.

"Eine Todesritterin..." Erkannte das Oberhaupt der Familie Lichtsprung sofort.

"Ja, Magereth. Nichts in mir ist wie vorher, einzig die Gefühle für Marialle habe ich mitgenommen in mein untotes neues Leben." Diese Worte hatte Dolette sich bereits zurechtgelegt, das erkannte die Hohepriesterin an der steifen Art, wie die Todesritterin sie vortrug. Marialle fand, dass sie damit maßlos übertrieb, aber die Züge ihrer Mutter wurden weich, als sie die Wahrheit in den strahlend blauen Augen der dunklen Elfe fand. Sie legte Dolette eine Hand auf die fahle Haut ihrer Wange.

"Ich kann es sehen. Wie ist das möglich? Todesritter sind doch zu so etwas gar nicht fähig, oder etwa doch?", fragte die betagte Frau in die Runde und ein Schnauben aus der Richtung von Maxime erklang.

"Das erkläre ich später wenn alle da sind.", sprach Marialle über das Schnauben hinweg. Sie zog auch Katrice in eine Umarmung und ließ sich von ihr in die Küche ziehen. Dort stand Daria am Herd und schaute verwirrt in die Gesichter der fünf Neuankömmlinge.

Auch ihre Begrüßung fiel etwas steif und knapper aus, als Marialle es gewohnt war, aber alles in allem war sie damit zufrieden, dass man die Todesritterin nicht vom Hof jagte. Die jüngste ihrer Schwägerinnen war besonders reserviert geblieben und die Hohepriesterin konnte sich auch denken woran das lag. Daria und Jazper hatten sich sicherlich nicht vorgestellt ihre Tochter eines Tages in der Obhut einer Todesritterin zu wissen, falls ihnen tatsächlich etwas zustoßen sollte. Natürlich wusste Marialle es besser, aber man müsste ihrer Familie auch etwas Zeit geben diesen Umstand zu verdauen. Ihre Gefährten und die Priesterin hatten mittlerweile an dem riesigen Tisch in der Küche Platz genommen und gemeinsam mit den drei Frauen tranken sie einen Tee, der für Marialle mehr denn je nach zu Hause schmeckte. Das Kichern heranstürmender Kinder riss sie aus ihrer Nostalgie und schon schossen die beiden Zwillingsmädchen, Leah und Larah um die Ecke in die Küche, gefolgt von Giselle und Markos. Die Zwillinge waren richtig groß geworden und auch die beiden anderen kleinen hatten mittlerweile schon einige Winter gesehen. Ohne jegliche Scheu sprangen die beiden Zwillinge auf den Schoß der Todesritterin, die damit sichtlich überfordert schien.

"Tante Mari, du hast uns Dolette wieder gebracht!", rief Leah quer über den Tisch.

"Ich wusste ja, dass du eine tolle Priesterin bist, aber dass du das zu Stande bringst. Unglaublich!", kam es auch nachdenklich von der ruhigeren Larah.

"Ruhig Mädchen, das ist alles sehr kompliziert und Dolette hat ihr Gedächtnis verloren, also stürmt doch nicht so auf sie ein.", versuchte Magereth die Mädchen zu beruhigen.

"Guck mal die schwarze Rüstung ist ja toll.", ließ sich nun auch der kleine Markos vernehmen.

"Uah und das Schwert erst! Das ist ja viel größer als dein altes.", pflichtete Leah ihm bei. In dem Moment kam ein kleines Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, zu zwei Zöpfen geflochten in die Küche und zog ein Kuscheltier hinter sich her. Sie gähnte ausgiebig, als sie zum Stehen kam.

"Beim Licht, Ema. Komm her meine Kleine.", stieß Marialle nun aufgeregt hervor und erntete einen überraschten Blick von Dolette, die sich endlich von den Zwillingen losreißen konnte.

"Tante Mariiiii!", rief die kleine Tochter von Daria und Jazper, flitzte auf die Priesterin zu und sprang ihr in die Arme. Das war etwas was die Priesterin ihrer Liebsten noch nicht berichtet hatte, sie wollte dass sie dieses Glück selbst erfuhr wenn sie ihre kleine Patentochter zum ersten Mal in ihren Armen halten würde. Marialle wechselte einen Blick mit Daria und trat langsam mit der kleinen auf dem Arm zu Dolette. Sie setzte das kleine Mädchen auf den Schoß der Todesritterin und wartete einen kleinen Augenblick.

"Das ist deine kleine Patentochter Emarielle. Ema, das ist deine andere Patentante Dolette von der ich dir schon so viel erzählt habe." Die dunkle Elfe sah mit großen Augen auf das kleine Wesen in ihren Armen herab und Emarielle schaute erwartungsvoll mit ihren großen bernsteinfarbenen Augen zu ihr auf, bevor sie begann erfreut zu quietschen.

"Tante Dole?"



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