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Selbstmord ist keine Lösung......oder?

von

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Konsequenzen *zensiert*

Das Erste, was Grell auffiel, als er zusammen mit Ronald Williams Büro betrat, war dessen strenge Miene. Diese setzte der Aufsichtsbeamte immer nur dann auf, wenn es im nächsten Moment ein richtiges Donnerwetter geben würde. Aber Grell hatte es auch nicht anders erwartet.
 

„Schließen Sie die Tür“, sagte der Schwarzhaarige ruhig, aber mit Nachdruck und Ronald kam seinem Befehl umgehend nach, wirkte jetzt jedoch ebenfalls wesentlich weniger selbstsicher, als noch beim Betreten des Büros. „Setzen“, kam sogleich die nächste „Aufforderung“ seitens Williams und erneut widersprach keiner der beiden Todesgötter. Gehorsam setzten sie sich auf die beiden Stühle, die direkt vor dem Schreibtisch platziert waren und im gleichen Moment erhob sich ihr Chef, sodass er sie einerseits überragte und andererseits auf sie hinab schauen konnte. Sicherlich war das auch Sinn und Zweck der Sache gewesen.
 

Grell schluckte mit einem flauen Gefühl im Magen und zählte innerlich bereits runter: „3…2…1…“ „Sie sind eine Schande für den Dispatch“, wurden sie im nächsten Moment auch schon angebrüllt. Ronald neben ihm zuckte zusammen, Grell jedoch zuckte nicht mal mit der Wimper, was ihn selbst ein wenig wunderte. Vermutlich war er mittlerweile bereits so mitgenommen, dass er gar nicht mehr richtig spüren konnte, wenn es noch schlimmer wurde. Es war beinahe ein wenig wie früher. Damals, als er noch ein Mensch gewesen war, hatte er immer eine Mauer um sein Innerstes gezogen, um die niederschmetternden Worte seines Vaters möglichst an sich abprallen zu lassen. Auch jetzt spürte er, wie sich etwas in ihm gegen die negativen Gefühle absperrte, die Williams Verhalten mit sich brachte.
 

„Ich glaube, ich habe meinen Standpunkt bereits vor einer Stunde mehr als deutlich gemacht, daher werde ich das nicht noch einmal wiederholen. Aber Sie beide werden nicht einfach so ungeschoren davonkommen, ist das klar?“ Sie nickten beide und Grell war froh, dass William keine verbale Zustimmung von ihnen erzwang. Er war sich nicht sicher, ob er momentan auch nur einen Ton herausbekommen würde.
 

„Nun gut“, atmete William langsam und kontrolliert aus, „und jetzt zu ihrer Bestrafung.“ Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und verschränkte die auf den Tisch gelegten Hände ineinander. „Sie beide werden das nächste halbe Jahr unbezahlte Überstunden machen und zwar so viele, wie ich für notwendig erachte. Sobald unsere Rückstände, die durch den Personalmangel hervorgerufen wurden, aufgearbeitet sind, werde ich Sie bezüglich eines erfundenen Regelverstoßes im Rahmen eines Disziplinarverfahrens degradieren. Heißt, Sie werden die darauffolgenden drei Monate die Jobs machen, die niemand erledigen will und Ihre Death Scythes werden für diesen Zeitraum einbehalten.“ Wäre das hier eine normale Situation, hätte Grell mit Sicherheit aufgestöhnt. Das hieß, er musste wieder mit diesen grässlichen kleinen Scheren arbeiten…
 

„Zudem werden Sie beide eine Woche lang unter Hausarrest gestellt. Ob Sie diese Strafe vor oder nach den drei Monaten antreten möchten, ist Ihnen selbst überlassen.“ „Hausarrest?“, fragte Ronald ganz entsetzt und schaute ungläubig in Williams Richtung. „Soll das heißen, wir dürfen unsere Wohnung eine ganze Woche lang nicht verlassen? Wie bei einer Gefängnisstrafe?“ „Ganz genau“, lautete Williams kühle Antwort. „Und seien Sie froh, Knox, dass ich so gnädig bin und Ihnen diese Strafe innerhalb Ihrer eigenen vier Wände auferlege. Denn so wahr mir Gott helfe, ich hatte auch über einen Kerkeraufenthalt nachgedacht.“ Ronalds Mund schloss sich lautlos wieder und es schien auch nicht so, als hätte er vor noch etwas zu sagen.
 

„Ich vermute, es gibt keine Einwände?“, fragte William rein rhetorisch nach und erntete von seinen Untergebenen sogleich ein synchrones Kopfschütteln. „Sehr schön, dann wäre das geklärt. Knox, Sie fangen mit Ihrer nächsten Schicht genau jetzt an. Ich muss Ihnen ja wohl nicht erklären, dass ich den Bericht gleich im Anschluss darauf erwarte.“ Ronald nickte und erhob sich zusammen mit Grell, doch dieser erstarrte bei den nächsten Worten des Beamten zur Salzsäule. „Sutcliff, Sie bleiben hier!“
 

Carinas ehemaliger Klassenkamerad warf ihm einen mitleidigen Blick zu und formte mit seinem Mund stumm die Worte „Viel Glück“, ehe er mit eiligen Schritten den Raum verließ und die Tür mit einem Klicken ins Schloss fiel, das sich in Grells Ohren wesentlich lauter anhörte, als es eigentlich war. „Setzen Sie sich wieder.“
 

Doch das tat Grell nicht. Wie festgewachsen blieb der Rothaarige stehen und obwohl sich ihm innerlich der Magen rumdrehte, fand er endlich seine Stimme wieder. Sie klang leise und zerbrechlich, aber dennoch bestimmt. „Wenn du mich nur länger hierbehalten willst, um mich weiter zu demütigen, dann lass es“, flüsterte er. Eine von Williams Augenbrauen wanderte nach oben. „Wie war das gerade?“, fragte er, ein gefährlicher Unterton in der Stimme. Der Rothaarige jedoch ließ sich dieses Mal nicht einschüchtern. Im Gegenteil, Williams abweisendes Verhalten bestärkte ihn gerade darin nicht klein beizugeben. „Ich fühle mich auch schon ohne deine ständigen Sticheleien schlecht genug, das kannst du mir glauben. Glaubst du nicht, dass ich es dir die ganze Zeit sagen wollte? Wahrscheinlich nicht, aber so ist es.“ Seine Stimme wurde lauter. „Aber das Problem mit dir ist, dass du immer so heftig reagierst, wenn jemand gegen die Regeln verstößt. Ich wusste doch, dass du uns alle verraten würdest, sobald ich dir was sage.“
 

„Verraten?“, wurde nun auch William lauter. „Du hast mich verraten, Grell, nicht umgekehrt.“ „Nein, das habe ich nicht. Ich habe den Dispatch verraten“, verteidigte sich der Rothaarige und dachte dabei an das, was Carina zu ihm gesagt hatte. „Das ist das Gleiche“, widersprach ihm der Beamte, doch Grell hatte jetzt endgültig genug. „Nein, das ist es nicht! Nicht einmal annähernd. Und ich kapiere einfach nicht, warum du dich für den Dispatch so aufopferst. Es in Ordnung seine Arbeit zu schätzen und zu würdigen und es ist auch in Ordnung seinen Job gut zu machen. Aber hat der Dispatch irgendwann einmal etwas für uns getan? Nein, hat er nicht. Wir mögen Selbstmörder sein, die für ihre Taten sühnen müssen, aber wir haben trotzdem noch Gefühle und müssen uns verdammt nochmal nicht alles gefallen lassen.“ Er zeigte mit seinem Finger auf William. „Nimm dich zum Beispiel. Du arbeitest dich krumm für den Dispatch, Tag für Tag. Wurde es dir jemals gedankt? Nein, natürlich nicht. Aber sobald auch nur einmal der kleinste Fehler passiert, dann wirst du dafür in Grund und Boden gestampft, obwohl du nicht einmal etwas dafür kannst. Ich nenne dir da nur mal die Sache mit der Campania. Das ging allein auf Undys Konto und trotzdem musstest du deinen Kopf dafür hinhalten. Findest du das etwa gerecht?“
 

William wirkte zum ersten Mal, seit Grell ihn kannte, sprachlos. Und das nutzte der Reaper auch sogleich für sich aus, denn er war noch lange nicht fertig. „Der Dispatch und du sind für mich noch lange nicht das Gleiche, William. Denn Ersterer geht mir gewaltig auf die Nerven und Letzteren li-… mag ich“, korrigierte sich Grell schnell und wurde leicht rot im Gesicht. Schnell sprach er weiter, um diesen unangenehmen Moment zu überbrücken. „Ich arbeite nicht für dich, weil ich es dem Dispatch schuldig bin. Sondern, weil ich für dich arbeiten will. Kapierst du das denn nicht? Herrgott, ich konnte dich anfangs nicht einmal leiden, falls du dich erinnerst.“
 

Daran erinnerte sich William allerdings. „Du meinst, als du dich damals für wesentlich besser gehalten hast?“, fragte er kühl nach und Grell stöhnte. „Klar, dass dir nur das im Gedächtnis geblieben ist. Weißt du, woran ich mich erinnere? An einen Shinigami, der alles getan hat, um die richtige Entscheidung bezüglich der Seele von Thomas Wallis zu treffen. Während ich ihn direkt als nutzlos abgestempelt hatte, hast du dir die Zeit und Mühe gemacht zu überprüfen, ob wir mit seinem Tod auch wirklich die richtige Entscheidung treffen. Am Ende hast du es sogar geschafft mich zu besiegen, weil… ist ja auch egal. Aber Fakt ist, dass ich ab dem Zeitpunkt wusste, dass ich bei dir bleiben möchte.“
 

„Und das sagst du mir, weil…?“ „Weil du mich damals auf deine ganz eigene Art und Weise respektiert hast. Du kannst es zugeben oder es auch lassen, aber wir waren ein wirklich gutes Team. Aber seit du befördert wurdest, hast du dich verändert. Ich meine… du wolltest noch vor einer Stunde lieber sterben, als einmal über die Regeln hinwegzusehen. Hast du denn noch nie einen Fehler gemacht?“
 

Grell merkte noch in dem Moment, in dem er den letzten Satz sagte, dass diese Worte etwas in William auslösten. Sein linkes Auge zuckte einmal heftig und seine Augenbrauen zogen sich tief über seinen gelbgrünen Seelenspiegeln zusammen. Sein Mund blieb geschlossen, aber Grell konnte anhand seines Kiefers sehen, dass er die Zähne fest aufeinander biss.
 

„Einem Fehler meinerseits verdanke ich es, dass ich überhaupt hier bin“, zischte der Schwarzhaarige und ballte unter seinem Schreibtisch die Hände zu Fäusten. Grells Augen weiteten sich merklich. Er starrte William beinahe fassungslos an. Hatte… hatte der Bürokrat gerade etwas aus seiner Vergangenheit preisgegeben? Aus seinem Leben vor dem Dispatch? „Was meinst du damit?“, fragte Grell, bevor er sich selbst daran hindern konnte. „Das geht dich absolut nichts an“, entgegnete William reserviert und erhob sich nun wieder von seinem Stuhl, legte beide Handflächen fest auf dem Schreibtisch ab. „Und jetzt raus. Mir reicht es für heute. Außerdem habe ich noch jede Menge Arbeit zu erledigen.“
 

Grell schluckte. „Und warum wolltest du mich noch länger hierbehalten als Ronald?“ „Um dich zurechtzustutzen“, dachte William. Aber aus irgendeinem Grund konnte er das jetzt nicht mehr. Nicht nach der Ansprache, die Grell gerade gehalten hatte und die er – auch aus irgendeinem Grund – nicht einzuordnen wusste. „Bringen Sie mir morgen um 11 Uhr Ihre Schülerin vorbei, Sutcliff. Ich habe noch ein paar Formalitäten mit ihr zu klären“, sagte er stattdessen und benutzte jetzt wieder die förmlichere Ansprache. Der Rothaarige nickte, seufzte jedoch innerlich. Einerseits war er erleichtert, dass er jetzt nicht noch mehr Ärger bekommen würde. Andererseits wünschte er sich, dass William auf seinen Vortrag anders reagiert hätte.
 

Während sich der Aufsichtsbeamte wieder setzte, ging Grell zur Tür und öffnete sie. Er trat hinaus und drehte sich herum, um sie wieder zu schließen. Zögerlich sah er dabei zu William und konnte sich ein paar letzte Schlussworte für dieses Gespräch nicht verkneifen. „Ich würde dich niemals verraten, Will. Ich hoffe, das weißt du.“ Der Schwarzhaarige sah mit größer werdenden Augen auf, doch da hatte Grell bereits die Tür geschlossen. Lediglich das Klackern seiner hohen Absätze war noch zu hören, als er sich mit schnellen Schritten von dem Büro entfernte.
 

Hingegen seiner Aussage, dass er noch viel Arbeit zu erledigen hatte, starrte William noch ganze 5 Minuten auf die geschlossene Tür. Und er dachte dabei nur über eine Sache nach: Eigentlich hasste er Spitznamen.
 

Warum also machte es ihm seit mehr als 200 Jahren gar nichts aus, dass Grell ihn Will nannte?
 

„Carina, wach auf.“ Die leise Stimme des Bestatters drang an ihre Ohren, als die 19-Jährige langsam aus ihrem Tiefschlaf erwachte. „Hmm“, murrte sie, immer noch nicht richtig wach, und kuschelte sich tiefer in die warme, weiche Decke um sich herum. Ein leises Lachen ertönte über ihr und gleich darauf spürte sie seinen Mund, der ihr einen sanften Kuss auf die Wange hauchte. „Ich würde dich ja auch noch länger schlafen lassen, aber Grell war gestern Abend noch kurz hier. Du sollst heute Vormittag zu William ins Büro kommen. Er möchte noch irgendwelche Einzelheiten mit dir klären.“ Carina stöhnte genervt auf. „Dieser elende Bürokrat“, murmelte und schlug langsam blinzelnd die Augen auf. „Wie spät ist es denn?“ „Gleich halb Zehn. Ich habe Lily gerade eben angezogen und ich denke, sie hat-“ „Hunger“, vollendete die Blondine seinen Satz und gähnte. „Schon gut, ich steh auf. Außerdem kann ich dann noch frühstücken, bevor ich los muss.“
 

Sie schlug die Decke zurück und beugte sich zum Bestatter vor, um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu drücken. „Hmm, vielleicht hätte ich dich noch etwas früher wecken sollen“, brummte er und vertiefte den Kuss. „Später“, raunte sie ihm entgegen, lächelte spitzbübisch und kletterte aus dem Bett, um zu ihrer Tochter zu gehen und sich anschließend selbst im Bad frisch zu machen.
 

„Hat Grell sonst noch irgendetwas gesagt?“, fragte sie Cedric 30 Minuten später, als sie am Esstisch saß und frühstückte. Der Silberhaarige hingegen saß nebenan am Empfangstresen und schien seine Bücher zu vervollständigen. „Nicht viel. Er hat noch ein paar Aufträge zu erledigen und will dich dann um viertel vor Elf im Park treffen. Er wirkte recht kurz angebunden.“ „Das kann ich mir vorstellen. Das Gespräch mit William wird sicherlich alles andere als schön für ihn gewesen sein.“ Sie biss von ihrem Sandwich ab und nahm sich fest vor, Grell gleich danach zu fragen und ihm den nötigen Beistand zu leisten. Immerhin war das alles irgendwie ihre Schuld, denn für sie hatte Grell immerhin die Regeln überhaupt erst gebrochen, um die es hier ging.
 

„Er hat noch gelebt, oder? Da kann es nicht so schlimm gewesen sein“, entgegnete Cedric trocken, was Carina mit den Augen rollen ließ. „Du hast das Einfühlungsvermögen eines Steins, weißt du das eigentlich?“, gab sie ein wenig genervt von sich und stopfte sich anschließend den letzten Rest Brot in den Mund. „Ich?“, hörte sie ihn mit einem ungläubigen Unterton sagen, als wäre diese Mitteilung eine völlige Neuigkeit für ihn. „Ja, du“, antwortete sie neckend und lehnte nun mit der rechten Schulter und verschränkten Armen im Türrahmen, sodass der Silberhaarige sie ansehen konnte. „Das ist nicht sehr nett“, grinste er und klappte das Buch zu, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tresen gelegen hatte. „Aber die volle Wahrheit“, flötete sie und ging auf ihn zu, um sich im Anschluss auf seinen linken Oberschenkel zu setzen. Sogleich schlang er seine langen Arme um ihre Hüften und zog sie ein Stück näher an sich heran. Carina fiel auf, dass er sie selbst in dieser Position noch um ein paar Zentimeter überragte.
 

„Weißt du“, begann sie langsam und funkelte ihn mit einem Ausdruck im Gesicht an, der ihn an ein verspieltes Kätzchen erinnerte, „wir haben noch fast 30 Minuten Zeit, bis ich los muss. Vielleicht könnten wir die Zeit bis dahin ja sinnvoll nutzen, was meinst du?“ Die Anspielung in ihrer Aussage ließ sein Blut augenblicklich gen Süden schießen. „… Und was schwebt dir da so vor?“, fragte er mit rauer Stimme, während seine Hände von ihrer Hüfte abließen und hinab wanderten, bis er ihren Po umfassen konnte. „Hmm“, meinte sie lasziv und strich einmal kurz mit ihren Fingernägeln über seinen Hals, „mir würden da schon so ein paar Sachen einfallen.“
 

Er zog sie nun gänzlich auf seinen Schoß, sodass sie seine bereits beachtliche Beule an ihrer Mitte spüren konnte. „Woher der plötzliche Sinneswandel?“, murmelte der Bestatter und drückte sie mit den Händen näher an seine pochende Erektion heran. „Du hast es dir verdient“, wisperte sie ihm sanft ins Ohr und meinte das auch tatsächlich so. Nur war ihre Interpretation dieses Satzes eine gänzlich andere als die seine…
 

Carina spürte, wie seine Finger von ihrem Po weiter nach vorne wanderten, um sich anschließend an dem Knopf ihrer Hose zu schaffen zu machen, aber so weit ließ sie es erst gar nicht kommen. Cedric blinzelte irritiert, als beide seiner Hände von ihren Fingern umschlossen wurden und ihn am Weitermachen hinderten. „Du hast es dir verdient“, wiederholte sie ihre Worte von vorhin und rutschte nun langsam von seinen Beinen herunter, um vor ihm auf dem Boden auf die Knie zu gehen, „also lass mich nur machen.“ Seine Kehle wurde staubtrocken, als er sich augenblicklich einige Szenarien vorstellte, die Carinas Position zur Folge haben könnten. Wie sie da so vor ihm kniete… Er schluckte hart.
 

Die 19-Jährige schluckte ebenfalls leicht. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ein wenig nervös und unsicher war, immerhin hatte sie das Folgende noch nie gemacht. Angst hatte sie jedoch keine. Cedric hatte ihr in der Vergangenheit immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass sie beim Sex mit ihm keine Angst vor auch nur irgendetwas haben musste.
 

[...]
 

Tief in Gedanken und seiner Lust versunken, bemerkte der Silberhaarige erst nach einigen Sekunden, dass der warme Druck um sein Glied bedeutend nachgelassen hatte. Er schlug die Augen wieder auf und konnte gerade noch sehen, wie Carina einen Schritt nach hinten trat, nun außerhalb seiner Reichweite. „Was zum-“, entfuhr es ihm verwirrt, während er – immer noch vollkommen vernebelt - zu ihr hochstarrte. Carinas schwach gerötete Lippen hatten sich zu einem süffisanten Lächeln verzogen und sie sah recht selbstzufrieden aus. Cedric bekam mit einem Mal das Gefühl, dass er irgendetwas verpasst hatte.
 

„Weißt du“, begann sie plötzlich mit etwas heiserer Stimme zu sprechen – was ihm bei seiner Erregung nicht gerade behilflich war – und schaute ihn mit einem Blick an, den er nur in die Kategorie „Pure Überlegenheit“ einordnen konnte, „ich glaube, ich mache mich schon mal auf den Weg. Ein bisschen frische Luft, bevor ich mich mit Grell treffe, wird mir sicherlich guttun.“
 

„W… Wie bitte?“, krächzte er fassungslos und setzte sich weiter auf dem Stuhl auf. Seine Erektion pochte mittlerweile so schmerzhaft, dass ihm jede weitere Sekunde ohne Erlösung wie eine Strafe vorkam. Ihr Lächeln wurde breiter. „Ich hatte dich gewarnt, Cedric. Ich hatte dir gesagt, dass deine Taten Konsequenzen haben würden.“ Zur gleichen Zeit, in der sie sprach, ging sie mit bedächtigen Schritten zum Kleiderständer und zog sich ihren Mantel vom Haken.
 

Es dauerte einige Sekunden bis der Undertaker begriff, worauf sie anspielte und dass sie ihre Worte tatsächlich ernst meinte.
 

„D… Das kann nicht dein Ernst sein!“ „Oh doch. Mein voller“, gab sie amüsiert zurück und schloss den letzten Knopf des wärmenden Kleidungsstücks. „Wie war das noch? Ich könnte nichts gegen dich ausrichten? Es gibt keine Situation, in der du dich vor irgendwelchen sogenannten “Konsequenzen“ von mir fürchten müsstest? Tja…“, sagte sie voller Schadenfreude und ging zur Tür, um diese direkt halb zu öffnen, „scheint so, als hättest du mich diesbezüglich schwer unterschätzt.“
 

Dadurch, dass Cedric hinter dem Tresen saß, konnte sie von ihrer neuen Position aus seinen entblößten Unterleib nicht mehr sehen, aber sie war sich recht sicher, dass er nach wie vor seinen Mann stand. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

„Carina“, begann er mit einem nun beinahe drohenden Unterton, doch Angesprochene ließ ihn gar nicht erst aussprechen. „Ich schlage vor, du nimmst entweder ein kaltes Bad oder legst selbst Hand an, ganz wie es dir lieber ist“, sagte sie trocken, warf ihm einen herausfordernden Blick zu und ging dann rückwärts ins Freie, hielt seinen Blick die ganze Zeit lang, bis sie die Tür vor sich schloss. Ein Kichern, das schon seit ein paar Minuten in ihrer Kehle steckte, bahnte sich endlich einen Weg über ihre Lippen.
 

Also, wenn das keine süße Rache gewesen war, dann wusste sie aber auch nicht.
 

„Warum zum Teufel siehst du so gut gelaunt aus?“, fragte Grell sie 10 Minuten später, als er etwas früher am vereinbarten Treffpunkt auftauchte als vereinbart und seine Schülerin ansah, die mit einem beinahe schon unverschämt breiten Grinsen auf einer der Parkbänke saß. „Ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich wissen willst“, gab sie fröhlich zurück und erhob sich mit einer schwungvollen Bewegung. Grell seufzte genervt. „Klar will ich wissen, warum du so ekelhaft fröhlich bist. Während mein Leben gerade den Bach herunter geht.“ Der Rothaarige fluchte, als Carinas Lächeln daraufhin sofort erstarb. „Nein, entschuldige, das… so meinte ich das nicht“, stöhnte er und hatte das Bedürfnis sich selbst zu schlagen.
 

„Nein, du hast ja Recht“, sagte sie und man konnte das schlechte Gewissen deutlich in ihrer Stimme hören. „Ich sollte mich ein wenig zurückhalten, weil ich doch ganz genau weiß, dass das Gespräch mit William nicht schön gewesen sein kann.“ „War es nicht, aber deswegen musst du nicht auch miese Laune haben“, erwiderte er. „Nach allem, was du in den letzten Wochen durchgemacht hast, freue ich mich über jedes Lächeln, das ich auf deinem Gesicht sehe. Wirklich.“ „Danke, Grell“, antwortete sie und lächelte nun doch wieder. „Also“, sagte sie und schaute ihn neugierig an. „Wie schlimm war es?“
 

Er atmete tief aus. „Es hätte vermutlich schlimmer sein können“, gab er zögerlich, aber trotzdem alles andere als glücklich zu. „Ronald und ich müssen das nächste halbe Jahr unbezahlte Überstunden leisten, ganz nach Williams Ermessen. Sobald die Rückstände aufgearbeitet sind, haben wir ein Disziplinarverfahren am Hals. Heißt, die darauffolgenden drei Monate werden noch viel schlimmer, weil wir die Jobs machen müssen, auf die ohnehin keiner Lust hat. Und das dann auch noch ohne unsere Death Scythes!“ Carina schaute ihn mitleidig an. „Also wieder zurück zu den kleinen Scheren, was?“, fragte sie, woraufhin der Rothaarige deprimiert nickte. „Ja, aber weil dem guten William das immer noch nicht gereicht hat, bekommen wir auch noch beide eine Woche Hausarrest.“ Er stöhnte. „Er hat es nicht gesagt, aber wahrscheinlich dient das dazu, dass wir genug Zeit haben, um über unsere Taten nachzudenken. Wie kleine Kinder, die etwas falsch gemacht haben.“
 

„Ach herrje“, murmelte sie ungläubig und schüttelte den Kopf. „Versteh mich nicht falsch, ich will mich nicht beschweren“, warf Grell ein und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es hätte noch viel schlimmer kommen können und wenn die Sache damit erledigt ist, dann soll es so sein. Weißt du aber, was mich viel mehr aufregt? Das Gespräch, dass ich danach mit William geführt habe, nachdem er Ronald bereits herausgebeten hatte.“ „Er hat mit dir gesprochen? Allein?“, fragte Carina verblüfft nach und als ihr bester Freund nickte, konnte sie sich eine angehobene Augenbraue nicht verkneifen. „Was wollte er denn?“
 

„Ich habe ihm sofort gesagt, wenn er mich nur länger hierbehalten will, um mich weiter zu demütigen, dann könne er es sich sparen.“ „Das hast du zu ihm gesagt?“, meinte die junge Frau belustigt und fand die bloße Vorstellung mehr als nur amüsant. „Ja, hab ich“, erwiderte Grell trotzig, „denn irgendwann habe ich auch mal die Schnauze voll.“ „Ich bin stolz auf dich“, sagte sie ganz begeistert, was ihr einen irritierten Blick des Reapers einbrachte. „Wieso das denn?“ „Weil du endlich auch einmal vor William den Mund aufmachst.“
 

Grell wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte. Er entschloss sich daher, einfach über den weiteren Verlauf des Gespräches zu berichten.
 

„Er hat mir vorgeworfen, dass ich ihn verraten hätte. In dem Moment ist mir wieder eingefallen, was du gesagt hast und das habe ich ihm auch genauso gesagt. Dass ich den Dispatch verraten habe und nicht ihn. Dummerweise ist das für ihn scheinbar genau das Gleiche.“ Er warf die Hände in die Luft. „Woraufhin ich ihm ziemlich deutlich zu verstehen gegeben habe, dass das für mich absolut nicht das Gleiche ist.“ „Und dann?“, fragte sie neugierig nach, während sie nebenbei bereits begann ihr Äußeres zu verändern, um nachher nicht von irgendeinem Shinigami erkannt zu werden. „Ach, keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin. Wir haben kurz über vergangene Tage gesprochen und wie sehr er sich seitdem verändert hat. Und dann bin ich einfach komplett ins Fettnäpfchen getreten.“ „Wie das?“ „Ich hab ihn gefragt, ob er in seinem Leben denn noch nie einen Fehler gemacht hat. Und das war anscheinend die wohl ungünstigste Frage überhaupt, denn seine Antwort darauf war, dass er nur wegen eines Fehlers überhaupt hier ist.“
 

Carina runzelte die Stirn. „Sind wir das strenggenommen nicht alle? Wegen eines Fehlers Todesgötter geworden, meine ich.“ „Ja, schon“, murmelte Grell und verschränkte die Arme vor der Brust, „aber da muss noch mehr dahinter stecken. Er hat das so seltsam betont und … seinen Gesichtsausdruck hättest du mal sehen sollen.“ „Wundert mich ehrlich gesagt, dass er überhaupt etwas in die Richtung gesagt hat. So verschlossen, wie er normalerweise immer ist.“ „Ja, ganz genau das war auch mein Gedanke“, stimmte der Rothaarige ihr sofort zu und schaute unterdessen auf seine Uhr. „Wir müssen los, Carina.“ Die nun schwarzhaarige Frau mittleren Alters mit einem kleinen Muttermal über der Oberlippe nickte und schloss gleich darauf ihre gelbgrünen Augen.
 

Was sie zu Anfang ihrer Ausbildung noch viel Konzentration gekostet hatte, funktionierte mittlerweile so natürlich wie das Ein- und Ausatmen. Innerhalb weniger Sekunden manifestierte sich ihr Körper wieder und als sie die Augen wieder aufschlug, wurde sie mit dem Anblick konfrontiert, den sie für sich selbst eigentlich vor vielen Monaten abgehakt hatte.
 

Der Dispatch hatte sich im Gegensatz zu ihr kein Stück verändert und dennoch war es für die 19-Jährige im ersten Augenblick doch sehr ungewohnt wieder hier zu sein. „Wollen wir?“, meinte Grell neben ihr und sogleich begann sie sich neben ihm in Bewegung zu setzen. Die junge Frau konnte sich ein schwaches Grinsen nicht verkneifen. „Hast du gerade auch ein Déjà-Vu?“ Der Reaper grinste breit zurück. „Allerdings. Damals, als du das allererste Mal hier warst, hab ich mit dir genau denselben Weg beschritten.“ „Genau“, erinnerte sich Carina zurück und lachte leise. „Damals hab ich dich gefragt, ob wir hier im Himmel sind. Gott, ich hätte wirklich nicht weiter daneben liegen können.“ „Deswegen fand ich es ja damals auch so witzig“, antwortete ihr Mentor. „Stimmt und mir war das alles furchtbar peinlich“, lachte sie nun lauter und auch Grells Stimmung hellte sich merklich auf. Woraufhin ihm wieder etwas einfiel. „Weswegen warst du denn jetzt eigentlich vorhin so gut gelaunt? Du hast mir keine Antwort gegeben, als ich gefragt habe.“
 

Carina schmunzelte. „Weil ich immer noch nicht weiß, ob du das wirklich wissen willst.“ „Würde ich sonst fragen?“ „Na schön, wie du meinst“, gab sie zurück und schaute weiterhin auf den Weg vor sich. „Erinnerst du dich noch an die Bestrafung, die Cedric mir zuteilwerden ließ?“ Grell nickte. „Sowas vergisst man nicht so schnell“, antwortete er, wirkte dabei sogar ein wenig verlegen. „Absolut richtig. Ich habe das nämlich auch nicht vergessen. Und ich hatte ihn gewarnt, dass das noch Konsequenzen für ihn haben würde.“ Ihr Schmunzeln wuchs erneut zu einem Grinsen. „Und diese Konsequenzen hat er vorhin zu spüren bekommen. Daher meine gute Laune.“
 

Grell hob fragend eine Augenbraue. „Was hast du getan? Muss ich mir Sorgen machen?“ „Nein, nein, mit ihm ist alles in Ordnung. Nur sein männlicher Stolz dürfte etwas in Mitleidenschaft gezogen worden sein“, antwortete sie schadenfroh. „Okay, das heißt es hat etwas mit Sex zu tun, nicht wahr?“, wackelte der Schnitter offensichtlich mit den Augenbrauen und konnte sich nun ebenfalls ein Grinsen nicht mehr verkneifen. „Anscheinend seid ihr euch doch ähnlicher, als du denkst.“ Er stupste sie mit der Schulter an. „Na komm schon, sag’s mir. Ich bin doch so neugierig.“ „Dessen bin ich mir bewusst“, gab Carina zurück und hielt bei ihren nächsten Worten den Blick starr auf die Straße vor sich gerichtet. „Sagen wir mal so: Meine Knie schmerzen ein wenig und morgen werde ich sicherlich Muskelkater im Kiefer haben.“
 

Hingegen ihrer Erwartung brauchte Grell keine 5 Sekunden, um Besagtes zu verarbeiten. Sie hörte ihn laut nach Luft schnappen und als sie ihn daraufhin ansah, waren seine Wangen schwach gerötet. „Du hast ihm… meine Güte, Carina!“ „Was denn?“, fragte Angesprochene ganz unschuldig. „ Hast du mir das etwa nicht zugetraut?“ „Ehrlich gesagt nein, aber vielleicht sollte mich in Bezug auf euer Sexualleben einfach nichts mehr wundern.“ „Tja, was soll ich sagen? Ich bin meiner Zeit eben voraus“, lachte sie. „Aber warte mal. Wieso soll das denn bitteschön eine Bestrafung gewesen sein?“ Die Blondine grinste. „Ich hab’s nicht beendet.“ „Wie bitte?“ „Ich bin mittendrin aufgestanden und gegangen.“ „Du Teufelin“, prustete Grell und hielt sich damenhaft eine Hand vor den Mund, um sein lautes Lachen etwas zu dämpfen. „Jetzt hab ich Mitleid mit dem armen Kerl.“
 

„Ich nicht, er hatte es verdient“, entgegnete sie ehrlich und schaute auf, als der weiße Gebäudekomplex in Sichtweite kam, den sie früher tagtäglich aufgesucht hatte. „Du bist dir aber schon im Klaren darüber, dass das sicherlich noch ein Nachspiel haben wird, oder?“, fragte Grell und hielt ihr die Tür zum Hauptgebäude des Dispatchs auf.
 

„Ich lass mich überraschen.“ Die 19-Jährige trat ein und automatisch fiel ihr Blick auf den Empfangsbereich, an dem eine ihr unbekannte Frau saß. Das Herz wurde ich schwer in der Brust. Für einen ganz kurzen Moment sah sie Alice an diesem Platz sitzen, fröhlich winkend und ihr ein Lächeln zuwerfend. Dann verblasste das Bild und machte der traurigen Realität wieder Platz.
 

Grell, der Carinas traurigen Blick richtig deutete, legte ihr sanft eine Hand auf den oberen Rücken und schob sie weiter nach vorne. „Komm“, sagte er leise und erinnerte sie somit daran, dass sie sich nicht allzu auffällig verhalten dürfte. „Entschuldige“, murmelte sie ebenso leise, doch der Rothaarige schüttelte nur den Kopf. „Nicht dafür“, sagte er.
 

Der Weg zu Williams Büro zog sich in die Länge und als sie endlich vor besagter Tür standen, wechselten beide Schnitter einen Blick miteinander. „Bereit?“, fragte Grell und Carina nickte. „Bereit“, sagte sie, woraufhin ihr neuer Partner zweimal fest gegen das massive Holz klopfte. „Herein“, ertönte es wie bereits am vorherigen Tag und die beiden Todesgötter traten synchron ein.
 

William wirkte auf den ersten Blick wie immer, doch als Grell ihm genau in die Augen sah bemerkte er die tiefen Schatten darunter, die nur halb von der Brille verdeckt wurden. „Ich habe dir Carina mitgebracht, wie du es wolltest“, meinte Grell so leise wie möglich, falls genau in diesen paar Sekunden ein Shinigami den Flur entlang kommen sollte. „Gut“, erwiderte der Schwarzhaarige und klang zu Grells großer Erleichterung nicht mehr wütend oder kühl, sondern einfach nur wieder so furchtbar neutral wie immer. „Sie können dann jetzt gehen, Sutcliff. Dieses Gespräch wird unter 4 Augen stattfinden.“ Der Rothaarige nickte, hatte sich das schon fast gedacht. „Ich mache dann mit meiner Schicht weiter“, informierte er sowohl Carina, als auch William. Erstere nickte ihm einmal aufmunternd zu und schloss, sobald er das Büro verlassen hatte, die Tür hinter ihm zu.
 

William hob eine Augenbraue, doch Carina ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. „Ich denke mal nicht, dass Sie mit mir zusammen entdeckt werden wollen, oder etwa doch?“, fragte sie, während sie die Tarnung fallen ließ und wieder ihr wahres Erscheinungsbild annahm. „Nichts würde mir mehr missfallen“, entgegnete er ihr trocken und sah der jungen Frau dabei zu, wie sie sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte und die Beine übereinanderschlug. „Oh, da würden mir sicherlich noch ein paar Dinge einfallen, die sie noch weniger mögen würden, aber lassen wir das einfach mal so stehen.“ Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Also, aus welchem Grund bin ich hier?“
 

„Ehrlich gesagt gibt es keinen.“
 

Carina blinzelte. „Bitte?“, fragte sie vorsichtshalber nach, weil sie im ersten Moment glaubte sich verhört zu haben. „Entschuldigung, aber ich habe Sie gerade sagen hören, dass ich vollkommen grundlos hier bin.“ „Korrekt“, erwiderte William und obwohl er mit seinem altbekannten Brillenrücken versuchte sie abzulenken, konnte die Schnitterin dennoch sehen, dass er ein wenig verlegen war. Sie hob beide Augenbrauen. „Ich schätze, ich darf auf eine Erklärung hoffen?“
 

„Sutcliff wollte wissen, warum ich ihn länger als Knox dabehalten habe und da ist mir auf die Schnelle kein anderer Grund eingefallen. Ich entschuldige mich für Ihre Umstände.“ Jetzt war Carina noch verwirrter als zuvor. „Schon in Ordnung, aber warum haben Sie ihm nicht einfach die Wahrheit gesagt?“ „Weil ich ihn tatsächlich länger dabehalten wollte, um ihn – wie er es ausgedrückt hat – weiter zu demütigen. Und dann hat er all diese Sachen gesagt und da konnte ich ihm nicht sagen, dass er Recht gehabt hatte.“ Genervt schob er sich die Brille erneut zurecht. „Dabei bin ich hier sicherlich der Letzte, der sich in irgendeiner Art und Weise für sein Verhalten rechtfertigen müsste.“
 

Die junge Mutter musste schwer an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Auf Williams selbstgerechtes Gehabe konnte sie nun gut und gerne verzichten. „Schön, wenn das alles war“, meinte sie und begann sie vom Stuhl zu erheben, „dann werde ich jetzt wieder gehen und-“ „Ich verstehe ihn einfach nicht“, fiel der Aufsichtsbeamte ihr mitten im Satz ins Wort und starrte sie nun beinahe energisch an. Carina blinzelte erneut. „Wie bitte?“, fragte sie verdutzt und setzte sich wieder hin. „Grell! Ich verstehe ihn einfach nicht“, wiederholte William und wirkte plötzlich frustriert. „Sein Verhalten, seine Worte mir gegenüber… ich habe keine Ahnung, was ich von all dem halten soll. Sie sind diejenige, die ihm am nächsten steht. Vielleicht können Sie es mir erklären.“
 

„Um Gottes Willen, das kann einfach nicht Ihr Ernst sein“, entfuhr es der Schnitterin, während sie ihn ein wenig aus der Fassung gebracht anstarrte. „Das können Sie mich gerade nicht ernsthaft gefragt haben.“ Der Schwarzhaarige räusperte sich einmal. „Nun… doch“, gab er schließlich als Antwort und Carina konnte nicht anders, sie klatschte sich eine Hand gegen die Stirn. „Ich kann nicht fassen, dass ich diejenige bin, die Ihnen das sagen muss“, murmelte sie und erhob sich jetzt ganz vom Stuhl, sodass der Aufsichtsbeamte zu ihr hoch schauen musste.
 

„Er liebt Sie, William“, sagte sie ernst und beobachtete fasziniert, wie der Mann vor ihr beinahe genauso reagierte, wie Cedric es damals bei ihr getan hatte. Seine Augen wurden hinter den Brillengläsern nahezu gigantisch groß und sein Mund klappte leicht auf, obwohl er das Atmen scheinbar eingestellt hatte. „Ich kann’s nicht nachvollziehen, denn ganz offensichtlich sind Sie ein Idiot“, meinte sie trocken und ignorierte die Augen ihres Gegenübers, die sie nun böse anfunkelten. „Aber ich weiß am besten, dass man sich seine Gefühle nun einmal nicht aussuchen kann“, fuhr sie seufzend fort und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wollen Sie einen Rat von mir? Reden Sie mit ihm! Aber ich schwöre Ihnen eins: Wenn Sie ihn in irgendeiner Form verletzen, dann werde ich Ihnen wehtun! Und das ist keine leere Drohung.“
 

Mit diesen Worten drehte sie sich um und blieb erst wieder stehen, als sie die Bürotür erreicht hatte. Ihr Aussehen veränderte sich erneut und während sie den Schlüssel im Schloss wieder herumdrehte, wandte sie ihren Kopf noch ein letztes Mal in die Richtung Ihres alten bzw. neuen Vorgesetzten zurück. „Einen schönen Tag noch“, lauteten ihre Abschiedsworte und schloss im nächsten Moment bereits die Tür hinter sich.
 

William starrte, wie bereits den Tag zuvor, noch mehrere Minuten die Tür an und wiederholte in seinem Kopf noch einmal die Worte, die er im Zusammenhang mit Carina schon häufiger gedacht hatte.
 

Sie war genauso unverschämt wie ihr Mentor…



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