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Befreiung

von

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Kapitel 5

Das erste was ich wieder spüren konnte, war mein dröhnender Kopf. Ich hatte den Kater des Jahrtausends. Es pochte unaufhörlich und noch wollte ich meine Augen nicht öffnen, ich wollte einfach weiter schlafen. Doch die Sonne schien damit nicht einverstanden und schien mir durch das Fenster genau in mein Gesicht. Was war gestern noch passiert? Ich erinnerte mich dass ich mich mit Haylee und Lara fertig gemacht hatte um mit Liam und seinen Freunden feiern zu gehen. Liam! Liam hatte mich gestern Grundlos angeschrien und nach Hause geschickt, was war bloß los mit ihm gewesen… Und da war noch etwas, nein, nicht etwas, jemand. Dieser Typ mit seinen atemberaubenden Augen, und sie waren wirklich atemberaubend. Sie hatten mir nicht nur meinen Atem geraubt, sondern auch meinen Verstand völlig durcheinander gebracht. Ich erinnerte mich zurück an die Situation als sich unsere Blicke das erste Mal trafen. Alles um mich herum schien zu verschwinden und da waren nur noch wir, als hörte die Welt auf zu existieren und es gab nur noch uns, nur noch unsere Blicke aufeinander, die so viele Fragen hatte und keine Antwort. Ich seufzte schwer und versuchte nicht mehr an diesen Mann zu denken, schwer drehte ich mich auf dem Bett herum und spürte dass es nicht so breit war wie sonst. Schnell riss ich meine Augen auf und richtete meinen Oberkörper hoch. Wo zur Hölle war ich?! Ich versuchte mich daran zu erinnern wie ich nach Hause gekommen war, doch da war keine Erinnerung… Mir wurde schlecht, schwer zu sagen ob es die Überreste des Alkohols in meinem Blut waren oder die Ungewissheit wo ich war. Mein Körper war noch immer etwas lahm, doch ich versuchte mich in der fremden Umgebung etwas umzusehen. Es war ein Schlafzimmer, ganz klar. Fast alles hier bestand aus Holz, der Boden schien schon etwas älter zu sein und auch sonst wirkte alles ziemlich Rustikal. Das Bett stand an einer Wand, vor einem Fenster dessen Gläser durch einen hellen Vorhang verdeckt waren. Neben der großen Holztür stand ein massiver Schrank, natürlich auch aus Holz, hier hatte jemand einen schweren Holz-Fetisch. Ansonsten stand hier nicht viel, ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl, ich muss wohl nicht betonen aus welchem Material diese waren, und ein großer Spiegel direkt an der Wand neben dem Monströsem, uraltem Schrank. Daneben schien es noch eine weitere Tür zu geben, die leicht geöffnet war. Ich versuchte aufzustehen und sofort machte sich mein Kopf wieder bemerkbar, er wollte sichtlich nicht, dass ich mich noch weiter bewegte. Verdammt, soviel hatte ich nun wirklich nicht getrunken. Schwerlich und langsam machte ich mich auf den Weg den kleinen Nebenraum zu erkunden. Mein Blick blieb jedoch im Spiegel hängen und der Anblick war nun wirklich keine Freude. Faszinierender Weise hatte der größte Teil meines Make ups tatsächlich überlebt, nur meine Haare standen in einem riesen Wirr Warr in alle Richtungen. Aber ein Problem nach dem anderem. Der kleine Nebenraum stellte sich als ein Bad heraus, sogar mit einer Dusche. Und wieder stellte sich die Frage wo zur Hölle ich war, wie lange hatte ich geschlafen? Mein Kopf hatte sich nun daran gewöhnt dass ich mich bewegte und hörte auf so unendlich schmerzhaft zu pochen. Er verlangte nach Sauerstoff. Ich ging zurück und riss die Vorhänge bei Seite. Verdammt…

Vor mir lag nicht Köln, vor mir lag nicht mal eine Stadt… Meine Augen starrten hinaus in die Natur, weite Felder taten sich vor mir auf und ich konnte im Hintergrund einen tiefen Wald erkennen. Im Normalfall wäre diese Landschaft Wunderschön gewesen. Wirklich. Der Farn wiegte sich im Wind und ich konnte den Lavendel schon fast riechen. Mein Herz hämmerte jetzt gegen meine Brust und voller Panik flog mein Blick nun durch das Zimmer auf der Suche nach meiner Tasche. Da! Gott sei Dank sie war hier. Ich verlor keine Zeit und riss alles was nicht wichtig war heraus, das was ich gehofft hatte zu finden, war natürlich nicht vorhanden. Mein Handy.

Mir schnürte es die Brust zusammen und ich bekam keine Luft mehr, die Panik in mir wuchs und wuchs. Was sollte ich jetzt tun? Wurde ich hier gefangen gehalten? Wer hatte das getan und vor allem warum? Ich brauchte jetzt wirklich den Sauerstoff und ich versuchte das Fenster zu öffnen. Natürlich. Ich rollte schon fast mit den Augen. Es ließ sich nicht komplett öffnen. Was das nicht ein weiteres Indiz dafür das ich hier festgehalten wurde? Plötzlich schoss mir eine Erinnerung zurück in meine Gedanken:

„Alles in Ordnung?“ Die Situation nach dem Streit mit Liam. Ich saß auf dieser Treppe und mir war es Kotzübel gewesen. Er war es, er war der letzte an den ich mich erinnern konnte. Ich versuchte mich genauer daran zu erinnern was geschehen war, doch da war nichts. Eine riesengroße leere aus schwarzem Nebel. Ich wusste noch, dass ich nach Hause gehen wollte und dann wurde alles um mich herum dunkel. Und jetzt war ich hier. Wo auch immer das hier sein sollte. Mir stiegen Tränen in die Augen, ich hatte Angst. Jetzt erst wirkte das Schlamassel in dem ich Steckte wirklich auf mich. Mein Herz und mein Atem ließen sich nicht beruhigen. Ich war gefangen.

Ich wollte doch einfach einen schönen Abend mit meinen Freunden verbringen, wie konnte das alles so aus dem Ruder laufen und ein so verdrehtes Ende nehmen? Ich dachte an Haylee, an ihr Lächeln, sie war meine beste Freundin geworden und jetzt saß ich hier fest, machte sie sich Sorgen? Hatten sie alle schon bemerkt dass ich weg war? Ich dachte an alle anderen Lara, Liam, Benji, an alle meine Freunde von der Arbeit und selbst der Streit mit Liam war vergessen. Die Tränen rannen über meine Wangen und in meinem Kopf stellten sich Bilder der schlimmsten Horrorszenarien zusammen. Ich hatte genügend Horror-Filme gesehen um zu wissen wie das hier Enden würde. Ich sah mich schon in Ketten in einem Keller sitzen darauf wartend von meinem Entführer gehäutet zu werden. Ich verlor mich immer mehr in diesen grausamen Gedanken und hörte fast gar nicht dass draußen eine Tür zu schlug.

„Was in Gottesnamen hast du dir dabei bloß gedacht?!“ schrie eine laute, wütende Männerstimme. Das Grollen in seiner Stimme war kaum zu überhören, er stampfte auf dem Boden und er war wahrscheinlich auch der, der die Tür so unsanft geschlossen hatte.

„Versuch dich zu beruhigen, Liebster.“ Eine sanfte, weibliche Stimme versuchte ihn zur Ruhe zu bringen.

„Beruhigen? Beruhigen sagst du? Wie zur Hölle soll ich mich beruhigen, wenn dieser Idiot eine bewusstlose Frau hier her bringt?“ Es war wieder dieses grollen das jetzt noch bedrohlicher wirkte. Höchst wahrscheinlich war Ich damit gemeint. Ich wurde wohl wirklich entführt aber es schien ihm nicht zu gefallen. Ich sammelte all meinen Mut zusammen und schritt leise über den Boden, in der Angst er könnte jeden Moment unter meinen Füßen anfangen zu knarzen und sie darauf hinweisen das ich nun nicht mehr ganz so bewusstlos war. Vorsichtig öffnete ich die Tür und blickte auf einen kleinen Flur vor mir, gegenüber befanden sich noch zwei weitere Türen, denen ich jetzt keine weitere Beachtung schenkte. Genauso leise schlich ich den Flur entlang und mein Herz hämmerte noch immer gegen meine Brust. Der Flur endete und eine große Holztreppe breitete sich nun vor mir aus, so gut es ging versteckte ich mich hinter der Wand des Flures und versuchte einen Blick auf die Situation zu erhaschen die sich dort unten abspielte.

Die schweren Schritte kamen näher und blieben vor der Treppe stehen – genau wie mein Atem. Seine Hand verkrampfte sich in das Geländer, doch er schien keine Anstalten zu machen, nach oben zu kommen – weiter Atmen Amy, befahl ich mir selbst. Ich spähte nun etwas weiter nach vorne und erhaschte einen Blick auf einen riesigen Mann, der mehr Bär als Mann zu sein schien. Seine langen lockigen Haare hatte er zu einem Zopf im Nacken gebunden und sein Bart bedeckte fast die Hälfte seines Gesichts, die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ich kann einfach nicht fassen, dass du wirklich so dumm warst! Ich habe dir vertraut als du gegangen bist. Wer hätte denken können das du so einen Unsinn fabrizierst.“ Eine kleine Frau mit Orangenem Haar legte beschwichtigend eine Hand auf seine Brust. Sie wirkte so unglaublich zierlich neben ihm, fasst wie eine Elfe.

„Deegan, bitte. Lass es ihn doch wenigstens versuchen zu erklären. Sieh ihn dir doch an, er ist doch genauso überrascht.“ Der große Bärenartige Mann, schenkte ihr einen Mitfühlenden Blick. Ich sah wie seinen Brustkorb sich hob und senkte, er atmete schwer um sich selbst zu beruhigen.

„Na gut, du hast vielleicht recht.“ Er legte eine Hand auf die der kleinen Frau und drückte sie.

„Danke.“ Lächelte sie ihm zu und sah zu der Ecke aus der sie beide gerade gekommen waren.

„Leg los.“ Noch immer gereizt aber nicht mehr so wild, sah nun auch er dorthin.

„Ich weiß es nicht.“ Bei der Stimme, blieb mir fast die Luft im Halse stecken und ich musste mir selbst kurz den Mund zuhalten um nicht laut einzuatmen. Ich hatte diese Stimme bisher nur einmal kurz gehört und wusste doch genau wer er war, bevor er aus seinem Versteck heraus treten konnte. Sofort fing mein gerade wieder beruhigtes Herz an wie wild zu schlagen. Da stand er nun, mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Seine Hände, die gerade noch in den Taschen seiner schwarzen Jeans gesteckt hatten, fuhren sich nun sichtlich frustriert durch sein dunkles Haar. Mein Mund stand noch immer offen und ich konnte nichts anderes tun als ihn anzustarren. Er sah sogar noch besser aus als in diesem dämmrigen Licht des Nachtclubs. Seine smaragdgrünen Augen zeigten den Kampf den er in sich führte. Er suchte nach einer Antwort. Ich hatte noch immer Angst, doch jetzt empfand ich Mitleid für ihn, auch wenn es so dumm erschien. In dieser so unwirklichen Situation empfand ich Mitleid. Obwohl er es war, der mich eiskalt entführt hatte. Warum hatte er mich bloß hier her verschleppt?

„Ich weiß es nicht, ist keine Antwort die ich zählen lasse.“ Mr. Bär sprach ruhig doch ich konnte den Sarkasmus in seiner Stimme hören. Mein Blick heftete noch immer an meinem Unbekanntem Entführer der meine Welt jetzt nicht nur in einer Weise auf den Kopf gestellt hatte. Hatte es nicht gereicht, dass er mich mit seinem Bann völlig aus dieser Welt geworfen hatte? Sein Blick verfinsterte sich und ohne es wirklich zu merken, schrak ich etwas zurück.

„Das ist die einzige Antwort die ich habe! Ich hab aus einem Impuls gehandelt, es war alles so surreal. Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst, das konntest du noch nie. Wenn etwas für dich nicht erklärbar war, war es nicht existent!“ Er trat einen Schritt auf diesen großen Mann zu und wenn ich schon gedacht hatte das mein – der Unbekannte groß gewesen wäre, wirkte er jetzt fast schon normal. Er schien etwas zu wanken und schaute irritiert nach oben, ich konnte mich noch schnell genug zurück hinter der Wand verstecken und hielt mir den Mund zu.

„Es war nicht so, wie du es mir immer beschrieben hattest und doch war es so. Ich weiß es doch auch nicht! Es war einfach eine verdammt komplizierte Situation. Hätte ich sie einfach dort liegen lassen sollen? Was ist, wenn sie es doch ist?“ Keiner Sprach ein Wort und ich hielt mich weiterhin bedeckt hinter der Sicherheit dieser Mauer. Ich hörte erneut Schritte aber sie entfernten sich von mir.

„Wo willst du jetzt hin?“ fragte die tiefe Stimme, etwas Sorge schwang darin mit.

„Raus. Ich muss nachdenken.“ Und damit knallte die Tür erneut in seine Schlösser. Hier war es wohl nicht üblich, die Türen leise zu schließen.

„Was denkt er sich eigentlich dabei? Weiß er überhaupt was er da tut?“ Die Sorge stieg und obwohl es schien dass er sauer war, überwog die Sorge darin. Erneut hörte ich die beruhigende, sanfte Frauenstimme.

„Lass ihn jetzt gehen. Er wird zurückkommen, da bin ich mir ziemlich sicher.“ Was war hier gerade passiert? Das ganze warf nur noch mehr Fragen auf aber aus irgendeinem Grund legte sich meine Angst. Ich wusste nun das mir hier niemand etwas tun würde. Trotzdem fühlte ich mich extrem unbehaglich, ich hatte ein privates Gespräch belauscht und obwohl ich noch immer eine Gefangene war, machte mir das mehr Sorgen als die Horrorszenarien die ich mir ausgedacht hatte. Ich bezweifelte zwar das sie mich in Ketten in ihren Keller sperren würden aber sie waren trotz allem nicht erfreut das ich hier war und wer weiß, vielleicht würden sie mich einfach aussetzen. Ich hatte noch nie in der Natur gezeltet, wie sollte ich dann alleine wieder zurück nach Hause finden? Ich wusste doch nicht einmal wo ich mich überhaupt befand. Die ganze Situation brachte meine Kopfschmerzen zurück. Ich beugte mich noch einmal vor um zu sehen was sie jetzt taten und starrte dabei direkt in das Gesicht der jungen Frau. Sie lächelte mich liebevoll an und ich erkannte, dass es ein echtes Lächeln war. Ihre Augen leuchteten dabei und ich konnte die Grübchen in ihren Wangen erkennen. Sie sah so freundlich und liebenswürdig aus, doch die Überraschung stand noch immer auf meinem Gesicht geschrieben.

"Oh, du bist endlich wach. Wie schön.“ Sofort schnellte auch der Kopf des großen Mannes zu mir herum und er sah mich mit dunklen Augen an, die eine Mischung aus Überraschung und Wut zeigten. Eine Wut die nicht auf mich gerichtet war. Sein Blick besänftigte sich sofort als die kleine Frau seine Hand nahm und er sie mit einem Blick voller Liebe ansah. Auch sieh sah zu ihm auf und lächelte voller Zuneigung. Mir war es ein wenig peinlich die beiden in diesem Moment zu beobachten und drehte mich von ihnen weg. Was war das nur für eine Merkwürdige Situation in die ich da geraten war?

„Komm ruhig herunter.“ Sprach die freundliche Stimme und ich konnte mich noch immer nicht bewegen. Nicht nur das meine Beine mittlerweile etwas eingeschlafen waren, ich wusste noch immer nicht was sie mit mir anstellen würden.

„Hab keine Angst, wir werden dir nichts tun.“ Dieser Satz kam diesmal von dem Riesen.

„Wir und niemand sonst. Du bist sicher bei uns.“ Sie hatte meine Frage beantwortet, bevor ich sie in meinem Kopf überhaupt stellen konnte. Ich rappelte mich auf und sofort wurde mir wieder schwindelig, der Kopfschmerz war noch immer nicht verschwunden. Er beruhigte sich lediglich wenn ich mich nicht bewegte, doch sobald ich aufgestanden war kam er zurück geschossen. Ich hielt meinen Kopf fest um nicht die Treppe herunter zu stürzen. Sie wirkten nun wirklich beide ziemlich freundlich und ich schaffte es sogar etwas meiner Sorge abzustellen, zwar noch immer in Hab-Acht-Stellung um jeden Moment abhauen zu können. Was wie ich ja schon überlegt hatte, genauso meinen Tod bedeuten könnte.

„Komm ich mach dir einen Kaffee.“ Ich nickte dankbar und ging ihr hinterher.

„Eine Aspirin wäre vielleicht auch keine schlechte Idee.“ Jetzt lachte der große Mann sogar und sein lachen klang sehr warm und tief. Es steckte an und jetzt konnte ich mir ein kleines Grinsen auch nicht verkneifen. Die kleine Frau stellte eine große Tasse warmen Kaffees vor mich und reichte mir noch Milch und Zucker. Zuerst trank ich jedoch das Glas Wasser, in das sich die Aspirin bereits aufgelöst hatte, in einem Zug leer. Sie sahen mich mit großen Augen an, als könnten sie von mir irgendwelche Antworten bekommen auf die Fragen die noch ungeklärt waren.

„D…Danke.“ sagte ich leise. Nun sprang das alte Lächeln zurück in das Gesicht der jungen Frau.

„Kein Problem, wirklich.“ Ich nickte und nahm nun auch einen großen Schluck des Kaffees. Ich traute mich nicht wirklich hoch zu sehen, so blieb mein Blick auf den Kaffee gerichtet. Meine Hände zitterten noch immer und die angespannte Stimmung machte das Ganze nicht besser.

„Du musst doch bestimmt Hunger haben. Ich mach dir schnell ein Sandwich.“ Sie eilte zu dem Kühlschrank bevor ich auch nur wiedersprechen konnte. Ich war mir nicht sicher ob mein Magen schon wieder etwas Festes aufnehmen würde, beschloss es dann aber doch zu versuchen. Ich hob meinen Blick um in das forschende Gesicht des Mannes zu sehen, der neben mir Platz genommen hatte. Er war wirklich groß. Ich mit meinem einem Meter siebzig, reichte ihm gerade so bis zur Mitte seines Oberarms. Sein Gesicht sah jünger aus als erwartet, er wirkte jedoch sehr reif und erwachsen.

„Hier, bitte sehr.“ Sie reichte mir das Sandwich und ich biss hinein, ich hatte nicht gemerkt wie ausgehungert ich war bis etwas in meinem Magen landete. Ich verschlang das mit Putenbrust belegte Toastbrot innerhalb weniger Sekunden. Es war köstlich – also für ein Sandwich. Ich hörte ein weiches lachen und lief Blitzschnell rot an.

„Du hattest ja wirklich Hunger.“ Ich lächelte entschuldigend und spülte alles mit einem großem Schluck Kaffee herunter. Die Aspirin schien auch schon zu wirken und das pochen wurde Schwächer und Gott sei Dank verspürte ich keine Übelkeit. Ich dankte meinem Körper dafür.

„Wie heißt du denn?“ fragte die liebenswürdige Stimme. Ich beschloss nun gänzlich die Angst aus meinem Kopf zu vertreiben und ließ mich auf diese merkwürdige Situation ein. Es würde sich bestimmt bald alles klären und sie würden mich wieder zurück nach Hause bringen.

„Amy.“ Sagte ich kurz und nicht mehr ganz so leise. Was würde denn schon schlimmes passieren können wenn sie meinen Vornamen kannten.

„Freut mich dich kennenzulernen Amy. Ich bin Alienor aber du kannst mich ruhig Ali nennen und das ist mein Mann Deegan.“ Sie zeigte auf den hochgewachsenen Mann und lächelte ihn verträumt an. Er nickte mir zu und widmete sich dann wieder seiner Frau, die er mindestens genauso verträumt ansah. Wieder fühlte ich mich fehl am Platz und versuchte die beiden nicht anzusehen. Sie waren ein wirklich ungewöhnliches Pärchen. So komplett unterschiedlich, sie war so klein und zierlich und ihre langen orangenen Haare hingen ihr in ihr blasses Gesicht, das voll von Sommersprossen war die ihre Grünen Augen umrahmten. Er hingegen war, wie schon gesagt, ein Riese und sein Teint war eher dunkler, so als hätte er viel Zeit in der Sonne verbracht. Sein Gesicht wirkte jetzt nicht mehr ganz so bedrohlich und doch hatten seine dunklen Augen etwas Düsteres. Seine Züge, auch wenn es schwer war sie unter dem dichten Bart zu erkennen, ähnelten etwas denen von meinem „Entführers“. Beide lösten sich wieder voneinander und Deegan verabschiedete sich von uns. Wir saßen nun alleine in der großen Küche, die wie erwartet, auch vollkommen aus Holz bestand. An sich hatte das alles etwas von einer großen Holzhütte, die man sich für Urlaube mieten konnte. Doch alles hier wirkte so warm und herzlich, es fühlte sich an wie ein richtiges Zuhause. Es wurde sehr viel Liebe hinein gesteckt, das konnte man an den ganzen kleinen Details erkennen. Die Notizen die am Kühlschrank hangen und auch die kleinen Deckchen die auf dem großem Esstisch lagen. Wir saßen an einer Art Bar die auch als Kücheninsel genutzt werden konnte. Wahrscheinlich würde es sogar richtig Spaß machen hier zu kochen. Auch wenn ich es mir schwer eingestehen konnte, fühlte ich mich hier wohl. Eine leichte Unbehaglichkeit war noch vorhanden aber eher durch die vielen offenen Fragen die mir durch meinen Kopf schwirrten. Alienor riss mich aus meinen Gedanken.

„Dann erzähl doch mal. Wie hast du Lysander kennengelernt?“ Ich sah sie verblüfft an. Wie hatte ich wen kennengelernt? Ich hatte niemanden kennengelernt. Ich wurde hierher gebracht als ich bewusstlos wurde, das wusste sie doch aber auch. Ich überlegte wen sie meinen könnte und fragte dann doch sicherheitshalber noch einmal nach.

„Lysander?“ sie lächelte noch immer, wahrscheinlich tat sie das immer und man würde sie nie ohne ein Lächeln auf ihren Lippen sehen. Doch in ihrem Blick schwang auch Mitleid mit ein.

„Ja, Lysander. Er hat dich hier her gebracht.“ Sie hatte auch Probleme damit die Situation zu beschreiben und ich schätze sie wollte Worte wie: Entführt, Verschleppt und Gegen deinen Willen vermeiden. Auch ihr schien es schwer zu fallen und auch sie hatte genauso viele Fragen wie ich.

„Oh.“ Sagte ich kurz. „Ich wusste seinen Namen nicht.“ Etwas schüchtern sah ich wieder auf meine Tasse, die sich nun schon gut geleert hatte. Ich spielte mit meinen Fingern an dem Henkel der Tasse herum um irgendetwas zu tun zu haben. Ich konnte nicht einfach so Still in diesem Unbehaglichem Moment sitzen bleiben.

„Dann schien es ja wirklich keine normale Situation bei euch gewesen zu sein.“ Nein, als normal konnte man das ganz und gar nicht beschreiben. Was war es denn gewesen? Ein magischer Moment? Ein atemberaubender Blickkontakt? Vielleicht hatte ich auch wirklich nur zu viel getrunken und mir das Ganze nur eingebildet, aber wenn ich daran zurück denke als sich unsere Blicke trafen, prickelt meine Haut noch immer. Es war zu intensiv als das ich es mir hätte einbilden können. Aber was war es dann? Was war es, das er sogar so weit gegangen war mich hier her zu bringen? Diese Augen… Dieses Verlangen was in mir aufgestiegen war, es ist einfach so unbegreiflich. In diesem Moment zählten nur wir, nur unser Blick. Keine Worte oder Berührungen – auch wenn ich sie mir sehnlichst gewünscht hatte. Ich starrte immer tiefer in meinen Kaffee, als könnte ich in ihm die Antworten auf die Fragen finden, die mich quälen seit dem ich hier aufgewacht war.

„Ich… es war etwas was ich noch nie erlebt hatte…“ Ich fand meine Stimme wieder doch sprach mehr zu mir selbst als zu Alienor, die mir jedoch gewissenhaft zuhörte. „Ich weiß es nicht.“ Ich musste schmunzeln, weil es auch seine Antwort gewesen war, die er Deegan gegeben hatte. Er hatte gesagt es sei ein Impuls gewesen und das er mich doch nicht hätte liegen lassen können. Im Nachhinein war ich ihm dankbar dafür aber warum hatte er mich nicht einfach in ein Krankenhaus gebracht? Da war jedoch eine neue Frage in mir, die Ali mir bestimmt genauso gut beantworten konnte.

„Wo sind wir hier?“ platze es aus mir heraus. Ali sah etwas überrascht aus, sie hatte wohl nicht damit gerechnet dass ich das Thema so schnell wechseln würde, aber ich wollte nicht über etwas reden für das wir beide keine Antwort hatten. Alienor zögerte etwas und ich konnte in ihrem Blick eine leichte Angst erkennen, eine Angst die sie nicht für sich empfand, sondern für mich und meine Reaktion.

„Nun ja…“ begann sie und war kurz davor meine Hand zu nehmen, zog sie jedoch wieder zurück.

„Wir sind in Norwegen.“ Mein Mund blieb offen stehen und mein Kopf setzte einen Moment aus.

„N…Norwegen?“ fragte ich nach und hoffte mich verhört zu haben. „Das Land Norwegen? Neben Schweden?“ Vielleicht gab es ja auch eine Stadt in Deutschland die so hieß, ich meine hier haben viele Städte merkwürdige Namen. Doch an ihrer Reaktion hätte ich schon ahnen können, dass wir nicht über eine Stadt mit diesem Namen sprachen. Sie nickte zur Bestätigung und alles was mir einfiel war hysterisch zu lachen. Ich befand mich in diesem Moment in Norwegen. Ich wurde nach Norwegen verschleppt. Ich hatte ja schon geahnt das an dieser Landschaft da draußen irgendetwas seltsam war aber dass es Norwegen war, kam mir nicht in den Sinn. Alienors Blick versuchte mich zu besänftigen doch ich… Ich war in Norwegen.

Nach ein paar Minuten hysterischen Lachens erregte jedoch etwas anderes meine volle Aufmerksamkeit, so dass ich abrupt damit aufhörte. Hinter der Tür zur Küche versteckte sich ein kleines Mädchen und sah mich mit ihren Großen Kullerunden Augen an, die mich so sehr an Lysanders erinnerten. Es fiel mir immer noch schwer einen Namen für die Person zu haben die mich so um den Verstand gebracht hatte. Sie sah mich ungläubig an und versteckte sich noch immer hinter dem Türrahmen. Sie konnte nicht älter als drei oder vier Jahre alt sein, ihre langen dunklen Locken fielen in ihr rundes Gesicht und sie hielt meinem Blick, mit den gleichen grünen Augen stand. Keiner von uns wollte wegsehen. Als wäre es eine Art Wettbewerb. Da unterbrach und Alienor.

„Zoey, was machst du denn hier?“ Ali schritt auf sie zu und nun bekam sie die ganze Aufmerksamkeit.

„Du solltest doch in deinem Zimmer bleiben. Deegan wird böse werden wenn er dich hier sieht.“ Doch der kleinen schien das ziemlich egal zu sein, sie fixierte mich jetzt wieder und nahm Alienors Hand. Wie aus Reflex sprang ich von meinem Stuhl und ging auf die kleine zu, ich streckte ihr ebenfalls eine Hand entgegen und stellte mich ihr vor:

„Hallo junge Frau, ich bin Amy und…“ doch weiter ließ mich die Kleine nicht sprechen.

„Rettest du meinen Bruder?“ Ihre Stimme klang wie die eines kleinen Kindes, nur wirkte sie so intelligent und erwachsen, als wüsste sie genau was sie sagte.

„Zoey!“ ermahnte sie Ali, doch wieder wurde sie ignoriert.

„Versprech mir, dass du Lysch rettest.“ Trotz ihrer Intelligenten Worte schien es ihr wohl schwer, den Namen ihres Bruders auszusprechen. Ich erschrak über ihre Worte und war nun wieder vollkommen verwirrt. Ihn retten? Wovor? Und vor allem Wie?

„Wovor soll ich ihn denn retten?“ meine Frage richtete sich an Ali. Alienor versuchte meinem Blick jedoch wieder auszuweichen und sah betrübt zu Zoey hinab.

„Geh bitte wieder in dein Zimmer, ja Liebes?“ Die kleine Nickte und machte sich wieder davon, zum Abschied wunk sie mir noch. Mit jeder Minute in diesem Haus tauchten neue Fragen auf.

„Das ist eine sehr lange Geschichte…“ Ich war nun doch etwas wütend und versuchte sie auch nicht herunter zu spielen, ich brauchte antworten und das jetzt.

„Oh, die Kurzfassung wird es bestimmt auch tun.“ Ich sah Alienor durchdringend an.

„Okay.“ Nickte sie und führte uns zurück zu unseren Plätzen an der kleinen Bar in der Küche.
 

Ein Blick aus dem großem Fenster in der Küche verriet mir das draußen bereits die Sonne unterging. Der Himmel strahlte in hellen Rottönen zu denen sich ein paar Pinke streifen gesellten. Doch ich versuchte meine Aufmerksamkeit jetzt auf Alienor zu richten und auf das Gespräch was uns jetzt bevor stand. Ein Gespräch das mir vielleicht endlich ein paar Antworten auf meine Fragen geben könnte. Ich konnte sehen wie Alienor unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und überlegte wie sie das Thema am besten beginnen könnte.

„Was hat es damit auf sich das ich Lysander retten soll?“ begann ich das Gespräch um sie endlich zum Reden zu bringen. Meine Frage schien ihr Unbehagen jedoch nur noch zu verstärken.

„Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten…“ begann sie.

„Versuch es.“ Hackte ich nach. Meine Stimme klang härter als beabsichtigt und ich zuckte vor meiner eigenen schärfe zusammen. Ich wollte mich bereits dafür entschuldigen doch Alienor sprach bereits weiter, auch sie hatte sich jetzt eine Tasse Tee gemacht und blickte tief in sie hinein als würde es ihr dadurch leichter fallen mit mir zu reden. Auch ich hatte das am Anfang unseres Kennenlernens getan.

„Ich muss wohl erstmal am Anfang beginnen…“ wieder machte sie eine kurze Pause, sah mir jedoch danach fest in die Augen und begann ihre Geschichte zu erzählen.

„Lysander glaubt – oder ich schätze das er es glaubt – das du seine Seelenverwandte bist. Ich weiß, ich weiß das mag jetzt etwas merkwürdig klingen.“ Und ob das Merkwürdig klang, wie konnte er glauben dass ich seine Seelenverwandte war, wenn er kaum ein Wort mit mir gesprochen hatte. Ich beschloss jedoch Alienor nicht zu unterbrechen und ließ sie weiter reden. „Aber er und Deegan, genau wie seine zwei anderen Geschwister Zoey und Sero stammen aus einem altem Volk die daran glauben das es nur einen Menschen auf dieser Welt für sie gibt. Dieser Mensch ist nicht einfach irgendjemand, sie erkennen diese Person mit ihrem Herzen und die jeweilige Person erkennt es auch sofort. Dafür reicht ein einfacher Blick.“ Bei den Worten ´ein einfacher Blick´ musste ich schwer schlucken, ich dachte an die Momente in denen sich unsere Blicke getroffen hatten und wie alles um uns herum einfach verschwand, nur noch wir existierten. Ich konnte meinen Gedanken nicht weiter verfolgen da Alienor bereits weiter sprach. „Lysander denkt, dass du diese Person bist Amy. Doch irgendetwas ist anders bei euch. Irgendetwas was wir alle nicht kennen. Normalerweise müsste die Welt für euch beide nur noch aus Liebe bestehen aber so ist es nicht, nicht wahr?“ Ich überlegte, ja der Moment hatte etwas Besonderes aber liebte ich Lysander? Nein. Da war ich mir ganz sicher, das war keine Liebe. Das erste was ich für ihn empfunden hatte als ich aus meiner Bewusstlosigkeit aufgewacht war, war Angst und Panik aber keine bedingungslose Liebe. Alienor lächelte mich an als würde sie mir sagen dass es okay wäre wenn ich Nein sagte. Das ganze klang so merkwürdig und verrückt.

„Nein, ich liebe ihn nicht.“ Gab ich jetzt auch laut zu, Alienor lächelte immer noch.

„Und genau das ist das Problem, Lysander schwört darauf dass du die richtige bist auch wenn du ihn nicht liebst.“ Mein Herz bekam einen Stich und ich… Ich fühlte mich schuldig. Doch tat sich in mir bereits jetzt eine größere Frage auf, eine Frage von vielen natürlich.

„Woher weiß er dass ich ihn nicht liebe? Ich meine ich war seither nur bewusstlos.“ Sie lächelte noch immer und gab mir dadurch ein sicheres Gefühl. Ich hatte das Gefühl als schien es ihr zu gefallen das ich Gegenfrage stellte. Wahrscheinlich hatte sie Angst dass ich das alles von Anfang an als Schwachsinn abtun würde, aber ich konnte es nicht leugnen. Wir hatten einen magischen Moment.

„Nun ja nachdem er dich hier her gebracht hatte, hast du dich an mich geklammert…“ sie machte eine kurze Pause und lächelte mir beschwichtigend zu, sie sah wohl meine Überraschung.

„Und… Du hast geschrien wenn er dir näher kam.“ Mein eh schon Überraschtes Gesicht verlor jetzt alles an Haltung und mir blieb der Mund offenen stehen.

„Ich habe was gemacht?“ Ich hatte geschrien? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Aber wie sie schon sagte, ich war auch bewusstlos.

„Du hast dich an mich geklammert und geschrien, er solle weggehen.“ Oh. Ich hatte sogar gesprochen. Das Schuldgefühl in mir stieg und verengte meine Brust. Wieso hatte ich denn geschrien? Wie sehr ich ihn damit verletzt haben muss. Mein Blick schien wohl von Überrascht zu traurig übergegangen zu sein, denn Alienor legte mir eine Hand auf meinen Arm und drückte ihn leicht. Irgendwie war ich froh dass sie hier war, sie hatte eine beruhigende Art und auch wenn sie erst Ende zwanzig war, strahlte sie etwas Mütterliches aus.

„Ich… Es tut mir leid.“ Ihre Hand strich noch weiter über meinen Arm.

„Du musst dich doch nicht für deine Gefühle entschuldigen, Liebes. Wirklich. Keiner ist dir Böse. Wir wünschten uns nur, das Lysander mehr Zeit hätte.“ Und damit verschwand das Lächeln nun völlig aus ihrem Gesicht und war erfüllt von Trauer und Schmerz. Mehr Zeit? Fragte eine innere Stimme in mir, doch ich konnte jetzt nicht einfach Nachfragen. Es schien mir nicht richtig in ihrer Wunde herum zu bohren. War es das wovon die kleine gesprochen hatte? Wovor ich ihn retten sollte? Ich war zwar Krankenschwester, war mir aber ziemlich sicher dass ich ihn nicht hätte heilen können. Alienor schien krampfhaft ein paar Tränen zurück zu halten und nun lag es an mir, sie zu trösten. Ich legte meine Hand auf die ihre und hielt sie fest. Wir saßen noch ein paar weitere Minuten so da, in der ich Alienor beobachtete. Die Trauer war noch nicht ganz aus ihrem Gesicht verschwunden doch sie rappelte sich gerade wieder auf. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen eines das nicht bis zu ihren Augen reichte.

„Warum hat Lysander denn keine Zeit mehr?“ fragte ich so vorsichtig wie es mir möglich war und erschrak völlig als eine laute Stimme hinter mir erklang.

„Weil er dann Stirbt.“ Es war Deegan, der nun auf uns zu kam und seine Alienor in den Arm nahm.

„Wir leben nur bis zu unserem 25zigsten Lebensjahr und wenn wir bis dahin nicht unsere Seelenverwandte gefunden haben, verlässt unsere Seele unseren Körper und wir sterben.“ Sagte er mit solch harten Worten, die zwar so unwirklich schienen, jedoch aus seinem Mund wie die Wahrheit klangen. Wie konnte das möglich sein? Kein Mensch hat ein genaues Datum an dem er einfach aufhört zu Leben. Mein Kopf drehte sich und ich wusste nicht wohin mit diesen Informationen. Alienor lehnte sich an Deegan, der ihr beruhigend über den Kopf strich. Ihrer Reaktion war anzusehen, das Deegan die Wahrheit sprach. Ich wollte lieber nicht wissen woher sie das wusste. Ich wollte nicht noch mehr Salz in eine Wunde streuen die eh schon ziemlich schmerzend schien.

Mein Mund stand noch immer offen und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich schloss meine Augen und holte tief Luft, was ich als nächstes Fragen musste schien mir keine einfache Frage zu sein, doch sie musste gestellt werden.

„Und wie kann ich ihm dabei helfen?“ Beide sahen nun überrascht zu mir auf. Ich musste wohl auch ein paar Dinge erklären.

„Ich liebe ihn zwar nicht aber da gab es diesen Moment… diesen Moment als sich unsere Blicke quer durch einen überfüllten Raum trafen.“ Ihre Augen hellten sich auf und ich erkannte Hoffnung darin.

„Was geschah in diesem Moment?“ Dieser Moment schien mir so Privat dass ich bei dem bloßen Gedanken daran errötete und mein Herz zu rasen begann.

„Alles um mich herum verschwand einfach und ich konnte nur noch ihn sehen. Ich mein ich hatte einiges an Alkohol intus, doch Menschenmassen verschwinden nicht einfach so. Ich sah nur noch ihn, naja viel mehr, nur noch seine Augen. Als gäbe es nichts anderes mehr das wichtig wäre. Nichts hatte mehr einen Sinn außer seinem Blick.“ Jetzt war es Alienor die meine Hand fast zerquetschte. Sie sah Deegan freudestrahlend an, doch er war noch immer etwas skeptisch.

„Deegan! Hörst du das?“ Alienor umarmte mich und ich wusste gar nicht wie mir geschieht.

„Ja, aber sie liebt ihn nicht. Ich weiß nicht…“ Oh wir alle wussten so wenig. Es machte die ganze Sache gleichzeitig einfacher und schwerer wenn keiner von uns etwas wusste.

„Wie kann ich ihm denn helfen?“ Nun war ich es wieder die das Wort ergriff und sah diesmal bewusst Deegan an. Er inspizierte meine Miene und seufzte dann hörbar.

„Es gibt ein Ritual, ich weiß jedoch nicht ob es klappen würde wenn du ihn nicht liebst. Und es ist ein Ritual das die Liebe besiegeln soll.“ Das würde sich wirklich etwas schwierig gestalten.
 

Draußen war es inzwischen dunkel geworden und mein Körper fühlte sich noch immer Schlapp an. Alienor ging freudestrahlend durch die Küche und räumte unser Geschirr in die Spülmaschine. Es waren erst einige Minuten vergangen seit dem wir das Thema beendet hatten und doch hatte sich die Stimmung stärker verändert als ich es geglaubt hatte. Deegan war in sein Arbeitszimmer verschwunden, wie mir Alienor erklärt hatte und recherchierte jetzt über diese Situation, ich bezweifelte zwar das er viel darüber herausfinden würde aber ließ ihn machen. Und ich, ich sah Alienor zu wie sie alles aufräumte und war froh darüber das sie jetzt nicht mehr ganz so traurig war. Es war so viel in so kurzer Zeit geschehen, so vieles von dem ich nie geglaubt hätte das es mir passieren könnte oder das es so etwas überhaupt gäbe. In diesem Moment bemerkte ich, das ich noch immer die Sachen von der Party trug und seither keine Zeit hatte mich zu duschen oder nur meine Zähne zu putzen. Ich fühlte mich so unfassbar dreckig und hätte alles für eine warme Dusche und eine Zahnbürste gegeben. Das ganze Drama hatte mich das wohl vergessen lassen aber jetzt fühlte ich mich einfach nur noch Unwohl in meiner Haut. Ich zupfte an meinen Sachen und fuhr mir durch mein Wiederspänztiges Haar, Alienor musste es wohl gesehen haben, denn sie sah mich mit einem wissenden Blick an und nahm mich bei der Hand.

„Komm mit, ich weiß genau was du jetzt brauchst.“ Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln und folgte ihr aus der Küche hinaus, jetzt konnte ich das erste Mal einen richtigen Blick in das große Wohnzimmer werfen, das genügend Platz für eine riesige Familie bot. Es war – natürlich – ebenfalls komplett aus Holz, in der Mitte der längsten Wand stand ein großer steinerner Kamin, der wohl das Haus erwärmte und alles noch gemütlicher machte. Die große Couch Gruppe war aus dunkelbraunem Leder und ein riesiges Fenster gab freien Blick auf die schöne Natur Norwegens… ich schluckte. Norwegen, der Gedanke bereitete mir noch immer etwas Kopfschmerzen. Auch das Wohnzimmer war voller Liebe gestaltet mit Bildern der Familie und einigen Pflanzen, auch ein großer Fernseher hang an der Wand zwischen großen Bücherregalen. Das seichte Licht des Kamins ließ es noch kuscheliger wirken und ich konnte mir Deegan und Alienor schon fast vorstellen wie sie eng aneinander gekuschelt auf dieser riesigen Couch lagen. Ich grinste und wurde schon weiter gezogen, die große Treppe hinauf in eine Tür die auf der anderen Seite des Flures lag. Quer gegenüber von der Tür die zu meinem, beziehungsweiße sollte das wohl mein Zimmer sein, führte. In dem Raum in dem Alienor und ich jetzt standen, erhob sich vor mir ein großes Ehebett, er war wohl das Zimmer von ihr und Deegan. Hier befand sich ebenfalls ein mächtiger Schrank in dem Alienor jetzt stöberte. Ich sah mich um und erkannte auch hier liebevolle Einzelheiten. Kleine Kissen auf dem Bett, ein paar Bilder an den Wänden und Kerzen die auf einer Kommode standen. Ich errötete Leicht bei dem Gedanken wann sie diese wohl benutzten und richtete meinen Blick lieber wieder auf Alienor. Sie reichte mir ein großes Handtuch und zwei Kleinere auf der eine Zahnbürste samt Zahnpasta lag. Es fühlte sich an wie ein Himmelsgeschenk und ich konnte es kaum erwarten, all das zu benutzen.

„Warte, ich bringe dir noch schnell mein Shampoo und Duschgel. Du wirst begeistert sein, das Wasser wird deine Haare traumhaft weich machen. Es ist nicht so Kalkhaltig wie in den meisten Großstädten.“ Ich nickte ihr dankbar zu und lief ihr wieder hinterher. Jetzt kam mir die nächste Erkenntnis. Ich hatte nur das zum Anziehen, was ich jetzt gerade trug.

„Ali, ich weiß das unsere Figur ziemlich unterschiedlich ist aber hättest du vielleicht doch etwas für mich zum Anziehen? Ich möchte das hier nicht mehr tragen.“ Sie trug das lächeln das ich bis jetzt die meiste Zeit gesehen hatte und sagte mir ich solle mir keinen Sorgen machen, sie würde schon etwas finden. Ich solle einfach schon mal Duschen gehen. Und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Mit dem zusätzlichen Gepäck von Alienors Duschzeug machte ich mich jetzt auf den Weg in mein eigenes Zimmer. Es war merkwürdig es als mein Zimmer zu bezeichnen, da das letzte Mal als ich darin war – was erst heute Mittag war – versucht hatte, daraus auszubrechen. Ich wusste jetzt endgültig dass ich mir keine Sorgen mehr um meine Sicherheit machen musste, ich war hier in guten Händen. Sie sind doch genauso verwirrt wie ich und wissen auch noch nicht wie sie mit dieser ganzen merkwürdigen Situation umgehen sollen. Klar gab es für sie zwar andere Faktoren als bei mir aber das Endresultat ist doch das gleiche. Ich hatte beschlossen morgen mit Deegan zu sprechen, da ich übermorgen eigentlich schon wieder zur Arbeit müsste, ich wusste nicht ob sie mich gehen lassen würden aber so verrückt der Gedanke auch war, ich wollte hier nicht Unbedingt weg. Alienor hatte so viel Hoffnung in mich und scheint es sichtlich zu genießen mal eine andere Frau hier zu haben, vielleicht könnte ich mir ja ein paar Urlaubstage eintragen lassen.

Alienor hatte mir ebenfalls ein paar Abschminktücher gegeben und damit entfernte ich jetzt die restlichen Überbleibsel von Haylees Make up. Bei ihrem Namen durchzuckte mich ein erneuter Schmerz und ich wünschte dass ich mit ihr reden könnte. Doch würde sie mir überhaupt glauben wenn ich ihr all das erzählen würde was ich heute erfahren hatte? Ich war mir einfach nicht sicher, so sehr ich Haylee auch vertraute – und das tat ich – hatte ich doch angst sie würde mich für vollkommen verrückt halten.

Ich hatte Haylee an unserem Vorstellungsgespräch kennengelernt und wir hatten uns sofort gut verstanden. Schon damals war ich hin und weg von ihrer Schönheit, sie war eines der Mädchen an denen Man(n) nicht vorbei gehen konnte ohne sie anzusehen. Ihre Art ließ einen immer fröhlich werden und auch damals hatte sie mir die Nervosität genommen, einfach dadurch dass sie da war. Wir hatten uns geschworen, sollten wir beide genommen werden, wir immer für einander da sein werden. Und das war sie seither auch, die vielen Male an denen ich nicht an mich geglaubt hatte, war sie da und hat mich wieder aufgebaut, hat mir gezeigt was für ein toller Mensch ich bin und das ich nicht an mir zweifeln solle. Sie hat mich dabei unterstützt als ich so viel abgenommen hatte und ging auch jetzt regelmäßig mit mir zum Sport. Ich vermisste sie, schrecklich sogar, selbst wenn es erst ein paar Stunden her war, es war einfach die Tatsache dass sie so weit war. Ich seufzte und stieg unter die Dusche, das Wasser fühlte sich wunderbar auf meiner Haut an und ich blieb ein paar Minuten länger als nötig unter dem warmen Wasser stehen. Als ich mich endlich dazu entschloss doch aus der Dusche zu steigen, fühlte ich mich direkt viel freier und auch mein Kopf hatte endlich komplett aufgehört zu schmerzen. So schnell würde ich nicht mehr zu Alkohol greifen, das war sicher. Ich hatte gar nicht bemerkt dass Ali mir Sachen hingelegt hatte und zog die Jogginghose mit Freuden an, sie hing etwas locker, was aber nicht weiter schlimm war. Als Oberteil hatte sie mit wohl eines ihrer Tops gegeben was etwas eng war im Gegensatz zu der Hose aber auch kein großes Drama darstellte. Ich putze mir seit gefühlten Jahren wieder meine Zähne und beschloss mich direkt bei ihr zu bedanken. Auf leisen Sohlen, schlich ich die Treppe herunter konnte sie jedoch weder in der Küche noch im Wohnzimmer finden. Unter der Tür in der Deegan verschwunden war, brannte noch Licht und sollte sie sich dort drin befinden, wollte ich die beiden nicht stören. Sie hatten eine wahnsinnige Verbindung, die ich bisher erst einmal gesehen hatte. Es war die Beziehung meiner Großeltern, sie liebten sich genauso abgöttisch wie Deegan und Alienor es taten, das konnte ich an ihren Blicken sehen. Sie war wohl Deegans Seelenverwandte. Ich machte mich auf den Rückweg zurück zu meinem Zimmer und legte mich dort in mein Bett. Ich war noch nicht müde und der Kamin hatte so schön geheizt das ich nicht mal meine Decke brauchte. Ich ließ den Tag noch einmal Revue passieren bis ein Klicken an der Haustür meine Aufmerksamkeit erweckte. Es war kaum zu hören, aber da es so still im Haus war und meine Ohren durch den Nachtdienst geschult sind kleine, auffällige Geräusche zu hören, nahm ich es sofort war. Die Schritte kamen die Treppe hoch und blieben vor meiner Tür stehen. Ich spürte wer es war und tat etwas was ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte. Ich tat so als würde ich schlafen.

Früher hatte das wohl jedes Kind schon einmal getan, wenn man noch wach war und die Eltern glauben sollten man wäre schon eingeschlafen. Ich drehte mich also zur Seite und schloss meine Augen, versuchte meine Atmung zu beruhigen und atmete so wie ich es beim Schlafen getan hätte. Die Tür öffnete sich und mein Herz begann in meiner Brust unaufhörlich zu pochen. Er kam herein, ich brauchte nicht hinzusehen um zu wissen dass es Lysander war, auch wenn ich ihn nicht liebte wie es die Regeln der Seelenverwandtschaft vorgesehen hatten, hatten wir doch eine Art Band das uns zu verbinden schien. Ich hoffte, dass er nicht spürte dass ich noch wach war und nur so tat als würde ich schlafen. Er blieb vor meinem Bett stehen und seufzte schwer, ich konnte mir nur allzu leicht vorstellen was er jetzt wohl empfand. Er sah mich daliegen, noch immer schlafend aber umgezogen. Er musste also wissen dass ich wach gewesen war während er nicht hier war. Mir wurde das Herz schwer bei dem Gedanken dass ich ihn retten könnte wenn ich ihn doch nur lieben würde, ich wusste nicht wie lange ihm noch blieb bis zu seinem 25zigsten Geburtstag. Er sah mich an und ging dann ein paar Schritte weg. Ich hoffte, dass er das Zimmer jetzt verlassen würde. Ich traute mich noch nicht meine Augen wieder zu öffnen und konzentrierte mich weiter auf meine Atmung. Mein Herz schien mir aus meiner Brust springen zu wollen und ich wusste selbst nicht wieso mein Herz so schnell schlug. War es vielleicht einfach das schlechte Gewissen das ich empfand seit dem ich wusste warum ich hier war? Auch wenn ich es jetzt wusste, hieß das noch nicht dass ich es auch verstand. Es war einfach alles so viel und so unwirklich in so kurzer Zeit. Ich hatte so etwas noch nie in meinem Leben erlebt und doch hatte ich das Gefühl das es richtig war. Mein Amulett lag schwer auf meiner Brust und ich wünschte mir dass mein Opa jetzt bei mir wäre, er wäre der einzige gewesen der mich nicht für verrückt gehalten hätte und mir zuhören würde. Er hätte einen guten Rat auf Lager gehabt und würde sich mit mir zusammensetzen um eine Lösung zu finden. Wahrscheinlich würde er sich genauso wie Deegan in seine Bücher werfen und solange suchen bis er etwas gefunden hätte. Jetzt wurde mein Herz noch schwerer und sein Verlust lag schwer auf mir, ich vermisste ihn so schrecklich. Besonders in solchen Situationen, in denen ich nicht mehr weiter wusste, hatte er mir stundenlang zugehört und wir saßen zusammen im Mondlicht auf seiner Veranda das mir jedes Mal so viel Kraft zu geben schien.

Ich spürte wie Lysander wieder näher kam und eine Decke über mich legte, fast so wie es meine Mutter immer getan hatte. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, da es doch eine wirklich süße Geste von ihm war. Seine Hand streifte meine Wange und strich mir eine noch nasse Strähne aus meinem Gesicht. Diese kleine Berührung, löste eine Explosion in mir aus. Ich erschrak mich so dass ich meine Augen weit aufriss. Er sah mich überrascht an und in seinem Blick lag etwas das ich als Verlegenheit einschätzen würde. Ich weiß nicht ob er diese kleine Berührung als genauso intensiv erlebt hatte und wollte wegsehen, doch konnte es nicht. Sein Blick hielt mich wieder gefangen diesmal nicht so Welt verändernd als bei den letzten Malen. Naja, wir waren alleine, es konnten schon mal keine Menschen um mich herum verschwinden. Auch sein Blick lag auf meinen Augen.

„Entschuldige bitte.“ Seine Stimme klang fester, als das es meine in diesem Moment gewesen wäre. Ich war noch immer außer Stande irgendetwas zu sagen, viel zu sehr überrascht von diesem eklektischen Gefühl das er in mir ausgelöst hatte. Er wand sich zum Gehen und stand schon in der Tür, eine Hand fest in den Türrahmen verkrampft. Ich fand meine Stimme endlich wieder.

„W-Warte…bitte.“ Es war fast ein flüstern und ich war mir auch nicht sicher warum ich es gesagt hatte. Doch ich wusste dass er es gehört hatte. Ich konnte beobachten wie sich seine Rückenmuskulatur verkrampfte. Er trug ein weißes Shirt, durch das seine Tattoos leicht durchschimmerten und sich seine Muskeln widerspiegelten. Er sah so verdammt gut aus, das es mir noch schwerer viel zu sprechen. Die Wahrheit war, ich wollte wirklich nicht dass er geht. Zuerst, als er vor der Tür stand kam es mir noch zu früh vor mit ihm zu sprechen, aber nach seiner süßen Geste in der er mir eine Decke übergelegt hatte, war ich mir nun nicht mehr so sicher ob es noch zu früh sei.

Er sagte kein Wort und blieb weiterhin dort stehen, immer noch verkrampft und ich hatte fast Angst um meinen Türrahmen, den er so fest umklammert hielt, das es fast schien er würde ihn zerbrechen. Ich richtete mich auf und sah ihn an. Auch wenn er mit dem Rücken zu mir stand, konnte ich sehen wie verstrubbelt und wirr sein Haar aussah, ich wusste dass es an mir lag etwas zu sagen.

„G-Geh bitte nicht.“ Die Verspannung löste sich etwas, doch er drehte sich noch nicht wieder um. Was erwartete er denn? Er machte es mir wirklich nicht einfach und mir was das doch genauso unangenehm wie ihm. Ich seufzte.

„Könntest du dich vielleicht rumdrehen?“ Das tat er auch und mir stockte der Atem. Sein Gesicht sah so gequält aus, so voller Sorge und Selbstvorwürfen. Er sah mich nicht an, sondern blickte steif auf den Boden, er rechnete wohl damit das ich ihn anschreien würde, warum er mich hier her verschleppt hatte und was ihm einfallen konnte über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Und wenn ich ehrlich war, genau das hatte ich auch vorgehabt als ich aufgewacht war. Ich wollte ihn anschreien, ihn zur Rede stellen und ihm ein schlechtes Gewissen machen, doch jetzt… Jetzt nachdem ich so viel erfahren hatte, konnte ich es ein wenig verstehen. Ich wollte es jedoch von ihm hören, seine Version der Dinge hören die hier vorgingen.

„Ist schon okay…“ sagte ich stattdessen um ihn irgendwie dazu zu bewegen mit mir zu sprechen, sein Blick erhob sich blitzschnell und er sah mich ungläubig an. Nicht so wie seine kleine Schwester eher verwirrt und verständnislos. Als könnte er nicht verstehen wie ich das sagen könnte.

„W-Was?“ Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher ob er überhaupt wusste was ich gemeint hatte.

„Naja, es ist okay das ich hier bin.“ Ich war es jetzt die, die festere Stimme hatte, was mich selbst ziemlich irritierte. Da ich mich überhaupt nicht so fühlte. Nicht dass es nicht okay war, es war okay das ich hier war, aber sein Ausdruck auf seinem hübschem Gesicht ließ mir das Herz schwer werden.

„Wirklich?“ fragte er nun doch genauso ungläubig wie seine Schwester.

Ich nickte und er entspannte sich jetzt sichtlich. Wir schwiegen ein paar Minuten, da keiner wusste was er sagen sollte und ich wollte nicht schon wieder diejenige sein die das Gespräch beginnt.

„D-Darf ich vielleicht noch etwas bei dir bleiben?“ Es war mehr eine bitte als eine Frage. Ich lächelte etwas, vor allem darüber das die unbehagliche Stille verschwunden war und er sah mich mit offenem Mund an. Ich versuchte mich durch seinen Blick nicht verunsichern zu lassen und rutschte etwas auf meinem Bett zur Seite so dass er Platz hatte sich zu setzen. Ich klopfte auf den Platz neben mir, zuerst stockte er etwas unsicher ob es okay war sich zu mir aufs Bett zu setzen, entschloss sich aber dann doch dazu, immerhin hatte ich es ihm ja auch angeboten. Es lagen vielleicht 50cm zwischen uns, und seine Nähe löste in mir erneut ein Herzrasen aus. Mein Mondstein der direkt über meinem Herzen lag, bändigte dieses Gefühl ein wenig – so schien es mir zumindest.

Und wieder vergingen die Minuten ohne dass einer von uns beiden ein Wort herausbrachte, wir sahen uns nicht einmal an. Jeder war in seinen Gedanken gefangen. Grübelte er gerade genauso über die Fragen die ihm auf der Seele brannten, so wie ich es gerade tat? Es war merkwürdig so nah beieinander zu sein, unsere Blicke hatten doch immer ein ganzes Stück Entfernung gehabt. Sofort wurde ich wieder zurück in diese Situation geschleudert. Meine Freunde dachten ich hätte einen Geist gesehen, zum Glück konnte ich sie davon überzeugen das mir die Musik und Menschenmasse zu viel geworden waren, bevor sie mir fragen stellen konnten zu denen ich keine Antwort hatte – naja zu der ich bis dato noch keine Antwort hatte. Ich hatte ja nicht einmal gelogen, mir wurden die Musik und Menschenmasse auf einmal zu viel, aber nur weil sie Ruckartig zu mir zurück geflogen kamen, wo vorher nur er war. Die Welt hatte sich verlangsamt, wenn sie nicht sogar stehen geblieben war. Ich fühlte zwei Herzen in meiner Brust synchron schlagen und alles was ich sah waren seine Augen, alles was ich fühlte war sein Blick auf mir. Es war so intim und überwältigend, das ich fast meinen Verstand verloren hätte. In diesem Moment wollte ich das er niemals endete. Es wäre völlig okay gewesen mein Leben lang nur noch ihn anzusehen und jetzt saß er so nah bei mir und obwohl wir einen so intimen Moment zusammen gehabt hatten, sprach nun keiner ein Wort. Fast so wie ein ungewollter One Night Stand nach einem exzessiven, zu Alkoholreichen Abend, Vielleicht fühlte er ja genau das. Er meinte er hatte aus einem Impuls heraus gehandelt, vielleicht bereute er es gerade mich mit hier her gebracht zu haben und wünschte er könnte es Rückgängig machen. Dieser Gedanke erfüllte mein Herz mit einem unfassbar Schmerzhaften Gefühl. Automatisch griff ich mir an meine Brust als könnte ich den Schmerz dadurch auf meine Hand lenken oder komplett ungeschehen machen. Zu dem Schmerz gesellte sich eine Wut, die wie aus dem Nichts erschien und mich nun komplett einnahm. Wenn es so war, wieso hat er es seinem Bruder dann nicht gleich gesagt? Dann müsste ich nicht mehr hier sein und hätte nicht so ein schlechtes Gewissen.

„Alles in Ordnung?“ rissen mich seine Worte aus meinen Gedanken. Die gleichen Worte hatte er auch zu mir gesagt kurz bevor ich Ohnmächtig geworden war.

„Was glaubst du?“ blaffte ich ihn an. Der Schmerz und die Wut stritten in mir, wer die Überhand bekommen durfte und genauso fühlte sich mein Kopf jetzt auch an.

„Ich bin nur froh dass es dir gut geht, wie du für mich empfindest interessiert mich gerade nicht.“ Er nahm meine Hand und der Streit in meinem Kopf war wie vergessen. Jetzt fühlte sich alles warm an und seine Worte bereiteten in mir den Wunsch, ihm zu sagen wie Leid es mir täte das ich ihn nicht liebte.

„Ich hasse dich nicht, falls du das denkst.“ Mein Blick lag auf seiner Hand die meine einschloss. Er lächelte und ich fand nun endlich meinen Mut ihn das zu fragen, was ich wollte seit dem er in mein Zimmer getreten war.

„Ich möchte deine Version hören, wieso du mich hier her gebracht hast.“ Er stockte und ich fügte hinzu. „Deine Familie hat mir schon einiges erzählt aber ich würde gerne alles von dir Wissen, alles über dein Volk, die Seelenverwandtschaft und natürlich…“ ich machte eine Pause da mir die nächsten Worte nur schwer übe die Lippen kamen. „… Was du in mir siehst.“ Sein Gesicht zeigte das er einen inneren Kampf mit sich führte, genau wie Alienor zuvor. Er ließ meine Hand los und griff sich in sein Haar, so wie ich es heute schon einmal gesehen hatte. Sein Oberarm spannte sich dabei an und ich versuchte jetzt erstmal nicht auf seine Tattoos zu achten. „Bitte…“ fügte ich noch hinzu und jetzt lag sein Blick auf mir, als würde er sagen Bitte zwing mich nicht dazu. Doch ich hielt seinem Blick stand. Er zog an seinem Haar und legte seine Stirn in Falten.

„ Na schön.“ Sagte er jetzt „Lass mich nur kurz überlegen wo ich anfangen soll.“ Ich nickte und ließ ihm die Bedenkzeit, während er angestrengt nachdachte ließ ich mich doch dazu hinreißen ihn genauer zu betrachten – zumindest was seine Tattoos anging. Um seine Arme schlängelte sich ein Muster aus einer Art ranken, die vereinzelt Symbole bildeten, die mich an die Keltischen Symbole erinnerten. In Ihnen waren Rosen oder sogar Sterne versteckt, aber keine Sterne wie man es vielleicht denken mag, sondern sie sahen aus wie richtige Sterne von einem Nachthimmel. An seiner Schulter konnte ich leise einen Wolf erahnen, dieser wurde jedoch von seinem T-Shirt verdeckt. Genau wie seine Brust, ich erahnte etwas Dunkles konnte aber nicht genau sagen was es wohl sein mag. Es sah aus wie ein Vogel. Am liebsten hätte ich ihm sein Oberteil ausgezogen um es genauer betrachten zu können. Ich tadelte mich selbst. Das war nun aber wirklich der schlechteste Moment um an sowas zu denken.

„Also...“ begann er und ich musste an mich halten, nicht allzu erwischt auszusehen. „Ich schätze meine Familie hat dir schon einiges über die Seelenverwandtschaft erzählt.“ Ich nickte allerdings nicht so viel das ich es Verstand. Er fuhr fort. „Unser Volk – also das meiner Familie – ist schon sehr alt und es liegt eine lange Geschichte dahinter mit einer Theorie, fast wie die der Weltentstehung in der Bibel, aber dazu später. Was haben sie dir denn erzählt? Damit ich weiß was ich weglassen kann.“ Mein ganzer Mut war verflogen und sein Sicheres Auftreten, verunsicherte mich jetzt, was vollkommen Dumm war.

„Naja, das ein einziger Blick reicht um zu erkennen wer sein Seelenverwandter ist und die dann nur noch Liebe existiert.“ Ich sah beschämt auf meine Hände, weil der letzte Teil eben bei uns fehlte.

„Okay… ja.“ Auch ihm viel es schwer über diese Situation zu sprechen. „Das stimmt, aber es gibt noch etwas anderes. Diese eine Person strahlt für uns. Sie ist umrahmt von Licht und wir können nicht mehr aufhören sie anzusehen. Als Gäbe es für uns nur noch eine Sache die wirklich zählen würde. Und du…“ er hörte auf uns sah mich mit einem so liebevollem Blick an, das er dem von Deegan für Alienor gleich kommen konnte. Mein Herz raste und doch war es keine Liebe die ich empfand, es ärgerte mich und ich musste die wiederaufkeimende Wut herunter schlucken. „Du hast mehr als nur geleuchtet, du hast gestrahlt. Und Du warst nicht nur eingerahmt von diesem Licht, du warst das Licht.“ Mir blieb der Mund offen stehen. Ich hatte kaum Zeit darüber nachzudenken, da Lysander schon weiter sprach. „Ich war vollkommen verwirrt, Deegan hat mir mehrfach davon erzählt wie es bei ihm und Alienor war, das sie ihm wie ein Engel erschien, eingerahmt von einem warmen Licht. Aber du… Du hattest ein gleisend helles Licht um dich herum, es war kein warmes Licht wie das der Sonne, eher weiß wie das der Sterne, nein, wie das des Mondes.“ Er erzählte so beeindruckt davon dass ich mir unwillkürlich bei dem Wort Mond, an mein Mondsteinamulett griff. Es lag versteckt unter meinem Top und meistens trug ich es so, dass es für keinen Sichtbar war. „Deswegen war ich mir auch so sicher dass du es sein musstest. Es gab für mich keinen Zweifel.“ Sein warmer Blick wurde ganz plötzlich zu einer traurigen Miene und ich wusste sofort woran er dachte.

„Bis ich angefangen habe zu schreien, als du mir näher kommen wolltest…“ Ich sprach den Gedanken aus der uns beiden im Hals zu stecken schien. Ich wollte ihn weiter reden hören und wollte dass er nicht mehr so traurig drein schaute, die Leidenschaft mit der er erzählt hatte, steckte mich an und ich konnte nicht genug davon bekommen. Ich wollte seine Lippen weiter beobachten wie sie sich bewegten während er sprach, sie sahen so weich aus.

„Erzähl mir mehr von deinem Volk.“ Sein Blick war zwar nicht mehr traurig, doch er versteifte sich jetzt wieder und ich konnte den inneren Kampf in ihm beobachten.

„Wir sind ein sehr altes Volk und wir…“ er rang mit seinen Worten. „… Wir sind anders.“ Anders? Meine Neugier war geweckt und ich griff nach seiner Hand, erneut durchfuhr uns ein elektrischer Schlag und diesmal war ich mir sicher dass er ihn auch gespürt hatte, denn er sah mir direkt in meine Augen.

„Hab keine Angst, ich hab heute schon so viel gehört was anders war als alles was ich bisher kannte.“ Ich lächelte und er entspannte sich, doch fuhren diesmal beide seiner Hände in seine Haare und ich hatte Angst er könne sie sich jeden Moment heraus reißen. Seine Stirn lag wieder in Falten und ich fragte mich wirklich was das für ein schweres Thema sein konnte, das er sich so sehr den Kopf darüber zerbrach. Und trotz dass seine Stirn in Falten lag, sah sein Gesicht einfach atemberaubend schön aus, so liebevoll und sanft. Auch er hatte diesen Teint als wäre er oft in der Sonne gewesen, es hatte etwas Südländisches und er strahlte so viel Vertrauen aus. Seine Augen öffneten sich wieder und er starrte auf meinen Holzfußböden als könnte er darin irgendetwas erkennen.

„Wir sind ein sehr altes Volk, und mit sehr alt meine ich sehr Alt. Laut Erzählungen schon viele Jahrtausende, wir sind so alt wie die Geschichte selbst. Die Geschichte wie unser Volk entstand ist etwas kitschig, willst du sie wirklich hören?“ Ich hörte gespannt zu und nickte schnell. Ich setzte mich in einen Schneidersitz, direkt neben ihn um ihm besser beobachten zu können, während er erzählte. „Na gut, aber ich habe dich gewarnt.“ Scherzte er und lächelte. Mein Angestrengter Blick ließ ihn wohl direkt weiter erzählen. „Damals als es weder Tier noch Mensch gab, verliebte sich der Mond in die Schatten. Sie faszinierten ihn, wie sie vor ihm tanzten, während er sich bewegte. Er wollte sie verzweifelt berühren, doch je näher er ihnen kam desto weiter entfernten sie sich von ihm. Und wenn er kaum zu sehen war, versteckten sie sich vor ihm – so glaubte er. Er beobachtete das ganze viele Jahre und seine Sehnsucht wuchs immer weiter…“ Lysander machte eine Pause und sah mich sanft an, seine Hand strich über mein Gesicht und wischte mir eine Träne von meiner Wange. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich angefangen hatte zu weinen, doch mein Herz fühlte das Leid des Mondes so unendlich tief mit.

„Bitte erzähl weiter.“ Bat ich ihn und er erfüllte mir meinen Wunsch.

„… Wie bereits gesagt, seine Sehnsucht wuchs und wuchs, und war für ihn kaum mehr auszuhalten. Doch er konnte nicht weg, denn er hatte verstanden dass die Schatten ohne ihn nicht existieren konnten. Sie hatten sich nicht vor ihm versteckt, sie konnten ohne Licht nicht Leben. Also beschloss er eines Tages, einen Teil seiner Macht zu nutzen um die Schatten zu manifestieren. Es hatte viele Versuche gebraucht – durch diese Versuche, hatte er die Tierwelt erschaffen. Die Wölfe kamen an seine Vorstellung schon nah genug heran, sie liebten den Mond und heulten ihn jede Nacht an, doch sobald er näher kam, hatten sie Angst. Er schwor sich noch einen letzten Versuch zu starten und erschuf die Schattenwanderer. Die Schattenwanderer waren Menschen, genau genommen Männer, die all seine Vorherigen Versuche in sich trugen, um alles zu sein was sie sein wollten. Es war das Geschenk des Mondes. Sie trugen die liebe der Wölfe in sich, genau wie die Flügel der Vögel um näher an ihn heran zu kommen und der Mut all der Lebewesen zusammen reichte aus damit sich der Schattenwanderer auf den Weg machen konnte den Mond zu berühren. Doch egal wie hoch er flog, er konnte ihn nicht erreichen. Der Mond musste feststellen, dass es noch immer an ihm lag nicht berührt werden zu können. Und so erschuf er ein weiteres Lebewesen, eine Frau. Doch dieser gab er ein anderes Geschenk. Er gab ihr einen Teil von sich selbst. Sie leuchtete wie der Mond selbst und war wunderschön. Der Schattenwanderer, verliebte sich sofort in das Mondlicht der Frau und beide konnten sich nun endlich berühren. Der Mond hatte es nun endlich geschafft seinen geliebten Schatten zu berühren. Doch durch den großen Teil an Kraft und Licht den er ihr Geschenkt hatte, war es ihm nun nicht mehr möglich jede Nacht in voller Größe zu erstrahlen…“ ich unterbrach ihn, noch immer unter Tränen und mit einem Schmerz als wäre ich selbst der Mond gewesen.

„Die Mondphasen…“ hauchte ich heraus. Er lächelte mich tröstend an.

„Ganz genau, doch dieses Opfer war er bereit zu geben, dafür dass er seine Liebe nun endlich berühren konnte. Die Schatten können ohne ihr Licht nicht existieren, deswegen verschwinden sie irgendwann. Und das irgendwann begrenzt sich auf 25 Jahre.“ Er strich mir erneut über meine Wangen und ich versuchte das aufgenommene zu sammeln und zu ordnen. Doch sein Tod stach einfach aus dem ganzen heraus…

„Wie lange ist es noch bis zu deinem 25zigsten Geburtstag?“ Ich wollte es endlich wissen, wie viel Zeit hatte ich um ihm zu helfen? Mein Magen zog sich zusammen und mir fiel es schwer zu atmen.

„Sechs Tage, naja genau genommen jetzt noch fünf.“ Ich unterdrückte einen kleinen Schrei indem ich mir die Hand vor den Mund presste, wie ich es heute schon ein paar Mal getan hatte. Fünf Tage… das war nicht gerade viel um ein Leben zu retten. Mein Kopf rotierte und rotierte. Wie sollte ich das in der kurzen Zeit nur schaffen und vor allem wie konnte ich sein Leben überhaupt retten? Mir stiegen erneut Tränen in die Augen, Alienors trauriges Gesicht vor meinen Augen und der starke Deegan der versuchte sie zu stützen obwohl es hier um den Tod seines Bruders ging.

„Ich möchte nicht dass du dir wegen mir Sorgen machst. Hörst du?“ Ich hörte was er sagte, doch begriff ich es nicht, es lag an mir ob er leben oder sterben würde. Sein Leben lag in meinen Händen, nur in meinen Händen.

„Hey, sieh mich an.“ Er hob mein Kinn an, so dass ich ihm in die Augen sehen musste, auch wenn ich ihn nicht liebte, konnte ich darin erkennen dass er es bereits tat. Meine Tränen liefen mir heiß über meine Wangen und er wischte jede von ihnen Weg. Mein Herz schien sich zu verkrampfen und ich wollte es zwingen ihn zu lieben. Das würde so viel einfacher machen. Und da kam mir die Idee.

„Das Ritual!“ rief ich laut, er starrte mich überrascht an. Verwirrt darüber, dass ich davon wusste.

„Was gehört zu diesem Ritual…“ Ich musste eine schwere Pause machen um den riesen Klos in meinem Hals herunter zu schlucken. Flüsternd fügte ich hinzu. „…außer der Liebe.“ Er lächelte mich in einer Weise an in der man kleine Kinder anlächelte, wenn sie eine völlig irrationale Idee haben.

„Bitte… Wie läuft dieses Ritual ab?“ Ich wollte es wirklich wissen und legte mein ganzes Selbstbewusstsein in diesen Blick. Er seufzte und ich wusste dass ich gewonnen hatte, er würde es mir erzählen. Ich konnte mir ein kleines Siegeslächeln nicht verkneifen.

„Ich muss von dir trinken.“ Mein Lächeln verschwand genauso schnell wie es gekommen war und alles was blieb, war ein großes Fragezeichen. Von mir trinken, was sollte das denn bedeuten?

„…Dein Blut.“ Mein Mund klappte unweigerlich herunter und ich war außerstande irgendetwas zu sagen, naja irgendetwas Sinnvolles. Schattenwächter, okay. Vampir?! Völlig ausgeschlossen. Und doch handelte mein Mund vor meinem Hirn.

„Du bist ein Vampir?“ fragte ich entsetzt. Ich sah wie er sich das Lachen verkniff – zumindest das er es versuchte. Ihm standen Tränen in den Augen und lachte aus voller Seele. Auf der einen Seite kam ich mir ziemlich dumm vor und fühlte mich von ihm ausgelacht, doch auf der anderen Seite genoss ich es sein sorgenloses Lachen zu hören. Es klang so ernsthaft, so wirklich echt.

„Nein, kein Vampir. Sind dir Schattenwanderer nicht schon mystisch genug? Immerhin kann ich mich in andere Tiere verwan…“ Er brach mitten im Satz ab und auch mir wurde bewusst was er gerade sagen wollte. Verwandeln. Er konnte sich in andere Tiere verwandeln. Ich mein ich weiß nicht ob er es kann, aber er hatte es gerade gesagt. Interessanterweise war ich nicht mal wirklich überrascht, dieser Tag hatte schon zu viele Neuigkeiten für mich bereitgehalten. Ich… Ich war neugierig. Das würde mein Gefühl am ehesten beschreiben. Ich wollte es sehen. Seine Stimmung schwang um, auch ihm war bewusst dass es jetzt kein Zurück mehr gab.

„I- Ich kann es dir zeigen, wenn du möchtest.“ Ich nickte, er war bereits daran aufzustehen, als mein Hirn schon wieder vor meinem Mund handelte. Alles schien auf einmal so klar, eine einfache Lösung um sein Leben zu retten.

„Du musst einfach nur von meinem Blut trinken.“ Sagte ich fest und strahlte ihm entgegen. Stolz über meine eigene Erkenntnis . Seine Nervosität, wisch einer Wut, die für mich nicht zu verstehen war. Es geht hier nicht um Liebe, sondern um das Blut, Blut bedeutet leben, oder etwa nicht?

„NEIN!“ schrie er mir entgegen. „Wie kommst du auf so eine Blödsinnige Idee?“ jetzt klang er genau wie Deegan, als dieser mit ihm geschimpft hatte. Aber wieso verstand er denn nicht das die Lösung so einfach war, so zum Greifen nah. Er packte mich an meinen Schultern und warf mich zurück auf mein Bett, das unter seinem starken Druck ganz schön knarzte. Ich dachte schon fast dass es jeden Moment unter uns zusammenbrechen könnte. Sein Blick lag hart und weich zugleich auf mir, mein Herz schlug durch die plötzliche Nähe heftig in meiner Brust, ich spürte wie seine Arme vor Wut zitterten. Einen Moment dachte ich, dass seine Augen etwas Animalisches bekamen, doch das war genauso schnell verschwunden wie es gekommen war.

„Ich werde dein Blut nicht einfach so trinken! Es ist ein Ritual um die Liebe zweier Menschen zu besiegeln und kein Sinnloser Blutrausch.“ Ich wollte gerade protestieren, dass es nicht einen Blutrausch ging oder um etwas anderes „Sinnloses“ sondern darum sein Leben zu retten. Da brachte er mich erneut zum Schweigen indem er weiter sprach und seine Worte so voller Überzeugung waren. Voller Überzeugung, Wille und…Liebe.

„Du willst mich wirklich Retten? Dann werde Ich dafür sorgen, dass du dich in mich verliebst! Ehrlich und wahrhaftig in mich verliebst. Nicht in die Vorstellung mich zu Retten oder noch schlimmer mich Retten zu müssen, sondern in mich, in mein Herz und mein Sein. Erst dann und NUR dann werde ich von dir trinken. Nicht vorher!“ Er sprach die Worte so hart aus als hätte er damit einen Vertrag besiegelt. Mir blieb die Luft weg und wieder einmal war ich Sprachlos – das wurde wohl zur Normalität bei ihm. Er atmete schwer und drückte mich noch immer in meine Matratze. Seine wirren Haare standen in alle Richtungen und seine Ansprache, so wie sein Aussehen gerade, ließen mein Herz höher schlagen und diesmal auf eine Weise wie es es vorher noch nicht getan hatte. Ich musste unwillkürlich lächeln und strich ihm eine Haarsträhne die sich verirrt hatte zurück.

„Okay. Einverstanden.“ Er war wohl noch immer etwas außer Atem von seiner Ansprache und sah mich mit einem fragenden Blick an und ich bestätigte es mit einem Lächeln, das auch nun ihn endlich lächeln ließ. Und so lagen wir da, sahen uns in die Augen und lächelten uns an. Der Start seines Plans, dass ich mich in ihn verlieben sollte.



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