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Anders als geplant

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Geschrieben für eine Challenge mit den Tags "Sonnencreme", "Alaska" und "Ich hab doch gesagt, du sollst mich ans Steuer lassen!" Komplett anzeigen

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Als Tony Stark seine Augen aufschlug, war es um ihn herum dunkel. Noch etwas benommen richtete sich der Erfinder auf und fuhr sich durch die vom Schlaf zerzausten Haare. Warum lag er auf dem Rücksitz eines Wagens und das mitten in der Nacht?

Während Tonys Gehirn langsam wieder die Arbeit aufnahm, streckte er sich erst einmal ausgiebig. So bequem die Ledersitze auch aussehen mochten, als Schlafstätte waren sie wirklich nicht geeignet. Irgendjemand sollte so etwas bei der Konstruktion bedenken.

Durch die getönten Fensterscheiben drang das Licht der zahlreichen Sterne kaum herein, obwohl sie an diesem Ort so viel stärker zu leuchten schienen, als in New York. Der dunkle Innenraum des Wagens war in unbewegte Stille getaucht, was merkwürdig war, denn soweit sich der Milliardär erinnerte, war er nicht alleine hier.

In Gedanken noch bei den Rückenschmerzen, verursacht durch die unmögliche Polstergarnitur, öffnete Tony die Autotür um Natasha zu suchen, welche ihm gerade definitiv nicht im SUV Gesellschaft geleistet hatte. Doch bereits im nächsten Moment sackte sein Fuß ohne größere Widerstände in den Untergrund ein, sodass er unvorbereitet, sowie im höchsten Maße unelegant mit dem Gesicht voran im Schnee landete.

„Was zum?“, murmelte der Erfinder, mit einem Schlag hellwach. Hastig kämpfte er sich aus dem Schnee, er war logischerweise verdammt kalt, und versuchte durch das rasches abklopfen seiner Kleidung das Ergebnis seiner Gedankenlosigkeit abzubekommen.

Nur wenige Sekunden später durfte Tony feststellen, dass das leichter gesagt als getan war, denn während seines Sturzes war nicht wenig in seine dünne Sommerjacke hineingeraten, wo es bereits zu schmelzen begonnen hatte. Zusammengefasst: Tony Stark war begeistert.
 

Leicht genervt schlüpfte der Milliardär aus der feuchten Jacke und warf sie auf den Platz, der bis gerade eben noch sein Bett gewesen war. „Hey Natasha, wo steckst du?“ Dieses mal darauf vorbereitet, watete Tony durch den beinahe knietiefen Schnee. Oh, die Agentin konnte sich ganz schön auf was gefasst machen!

Vielleicht hätte er doch die Jacke anlassen sollen, ob nun nass oder nicht, es war verflucht kalt. Sein Atem warf bei jedem Atemzug kleine Wölkchen. Wo um Gottes willen war er hier? Weit und breit war außer Bäumen nichts zusehen. Tony korrigierte sich, dort, entspannt an einem Baum lehnend und telefonierend, stand Natasha Romanov. Als er näher trat beendete sie ihren Anruf und verstaute das Handy in ihrer Schneehose. Warum war sie für dieses Wetter korrekt gekleidet?

„Das ist nicht Miami!“ Die Agentin bedachte ihn mit einem spöttischen Lächeln.

„Sag bloß.“ Nach einigen Momenten, in denen der sonst um kein Wort verlegene Mann vor ihr nichts entgegnete, denn verdammt nur im T-Shirt war es bei Minusgraden wirklich nicht auszuhalten, erbarmte sie sich seiner. „Im Kofferraum liegen warme Klamotten. Du solltest sie vielleicht anziehen, sonst bist du erfroren ehe wir bei den anderen ankommen. Dabei sind wir fast da.“

„Moment, Moment, fast da? Gib doch einfach zu, dass du dich auf dem Weg nach Miami verfahren hast. Ich hab doch gesagt, du sollst mich ans Steuer lassen. Wie können wir bitte fast da sein? Soweit ich weiß liegt in Florida Mitte Mai keinen Schnee?“ Das Unverständnis stand Tony trotz schlotternder Gliedmaßen ins Gesicht geschrieben. Natasha seufzte tief, als wäre es die leidvollste Aufgabe der Welt, mit Tony zusammen an den Urlaubsort der Avengers zu fahren. Wobei, vielleicht war es das sogar.

Romanov grinste bei dem Gedanken, dass sie froh war Iron Mans Alter Ego für die Reise vorsorglich ausgeknockt zu haben. Mit dieser Erinnerung ertrug sie Starks Jammereien, bis sie wieder am Auto angekommen waren und ihr Begleiter sich hastig die wärmende Kleidung überstreifte. „Also, jetzt mal Klartext, wo sind wir hier?“ Sich die Hände reibend, ließ sich Tony wieder in den Autositz fallen, dieses mal jedoch vorne, da wo es Sitzheizung gab.

„Kurz vor Wainwright, Alaska.“ Der Mann nickte.

„Alaska. Verstehe. Halt, stopp! Hast du Alaska gesagt?“ Wieder erntete der frühere Playboy einen herablassenden Blick.

„Können wir dann jetzt weiter, oder möchtest du fortfahren, ständig meine Worte zu wiederholen?“
 

Widerwillig legte Tony den Sicherheitsgurt an, sodass die Agentin das Gaspedal durchdrücken konnte. Irgendetwas sagte ihm, dass sie so schnell wie möglich ihr Ziel erreichen wollte. Er hatte viele Fragen, viel zu viele. „Hast du mich ausgeknockt?“, empörte er sich nach einer Sekunde des Schweigens.

„Ich nenne das Selbstverteidigung. Ich mag zwar beim Strohhalm ziehen verloren haben, das heißt aber nicht, dass ich mir dein Gerede die ganze Fahrt über anhören muss.“

Einen Moment lang überlegte der Milliardär zu schmollen, entschied sich dann aber anders, zu sehr verlangte sein Kopf Antworten. „Okay, wir sind in Alaska. Würde es dir was ausmachen mir zu verraten warum?“ Denn eigentlich hatten die Avengers beschlossen Urlaub in der Sonne zu machen. Wobei, eigentlich war Tony mit der Idee raus geplatzt und hatte keine vollkommene Ablehnung erfahren. Steve hoffte auf ein Zusammenwachsen mit den neuen Avengers, die meisten Anderen nur auf einen kostenlosen, entspannten Urlaub ohne unangenehme Überraschungen. Deshalb verstand er, der diesen Urlaub finanziert hatte, nicht, warum ihn statt Strand und Cocktails, Schnee und Kälte erwarteten.

„Planänderung.“ In Momenten wie diesen verfluchte Stark die ehemalige SHIELD Agentin, aber natürlich nur innerlich.

„Was heißt hier Planänderung? Und mit wem hast du gerade telefoniert?“ Ein wohliges Seufzen stahl sich über seine Lippen, als er seine steifen Finger über die Heizung im Armaturenbrett legte.

„Clint. Er hat gefragt wo wir bleiben. Die Anderen sind schon alle da, leider hat man hier draußen so gut wie keinen Empfang.“ Das akzeptierte Tony vorerst als Antwort.

„Sag mal, ist diese Planänderung der Grund dafür, weshalb wir statt bequem mit meinem Jet, mit dem Auto hier her fahren mussten? Hat dieses Waingedöns etwa keinen Flughafen?“

Kritisch ließ er seinen Blick aus dem Fenster schweifen. Der Weg auf dem sie fuhren, war der überhaupt für Autos ausgelegt? Eigentlich sah das ganz und gar nicht Vertrauen erweckend aus. Obwohl, wenn er jemandem zutraute, trotz widriger Umstände in hohem Schnee ans Ziel zu kommen, dann war es Natasha Romanov. Nicht das er eine Wahl hätte, selbst wenn es anders wäre.

„Wainwright verfügt über einen öffentlichen Flughafen, da der Ort zu manchen Zeiten vom Landweg isoliert ist.“ Unbeeindruckt drückte die Agentin weiter auf das Gaspedal, völlig ungeachtet der Tatsache, dass sie gerade zugegeben hatte, dass dieser Weg für Autos nicht zu empfehlen war. Tony musste an sich halten, seine frisch aufgetauten Hände nicht in den Haltegriff an der Tür zu klammern.

„Warum nehmen wir nochmal keinen Jet?“, presste er zwischen den Zähnen hervor, als der Wagen schlitternd eine scharfe Rechtskurve nahm.

„Sonst sieht er uns kommen.“
 

Bevor der Erfinder genauer nachfragen konnte, wurde er vom Anblick unzähliger Strommasten abgelenkt, welche sich dunkel in den Nachthimmel erhoben. Wie spät war es eigentlich gerade?

Wainwright war augenscheinlich kein großer Ort, erst jetzt konnte er die kleine Ansiedlung von Häuschen ausmachen. Ob die Bauten vor ihnen im Tageslicht wirklich so bunt waren, wie man es manchmal in den Fernsehfilmen oder Prospekten sah? Im Augenblick zeigten sie sich lediglich in verschiedenen Grauschattierungen, die ebenso ihren Reiz besaßen, wie Tony zugeben musste.

„Ist das die ganze Stadt?“ Mal ehrlich, hier reichte doch die Einwohnerzahl bei weitem nicht an die Tausendermarke heran. „Wo wartet denn die Band auf uns?“, fuhr er unbeirrt fort. Irgendwie musste er sich ja an seiner Kameradin für die Betäubungsaktion rächen.

Natasha schenkte seinen Fragen keine Aufmerksamkeit mehr, sie kannte so etwas bereits von ihm. Ebenso wie sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, es sogar verschlimmerte, ihn zur Ruhe zwingen zu wollen. Der Milliardär amüsierte sich köstlich darüber, dass die Agentin ihm liebend gerne den Mund verbieten würde.

„Nächstes mal nehme ich die doppelte Dosis!“, drohte Natasha als sie an Steve vorbeirauschte, welcher aus dem Haus getreten war, um sie zu begrüßen. Er wollte einen strafenden Blick zu Tony schicken, doch der schien gerade in Gedanken zu sein und bemerkte ihn gar nicht. Untypisch für ihn, fand der Captain.

„Alles klar?“ Der Supersoldat stütze sich mit einem Arm auf die Autotür, welche dadurch leicht knirschte. Sein Gegenüber schreckte auf und legte ein charmantestes Lächeln auf, nicht das es bei Captain America ziehen würde.

„Ich frage mich nur die ganze Zeit was hier los ist, und natürlich wer nicht wissen darf, dass wir hier sind.“

Steve war irritiert, das hatte er nicht erwartet. „Hat Agent Romanov es dir nicht erzählt? Ich dachte du wüsstest es.“ Etwas genervt baute sich Tony vor seinem Kameraden auf.

„Das Einzige was ich weiß ist, dass ich die letzte Stunde in einem Auto verbracht habe, dass über nicht befestigte Straßen gebrettert ist, als wären wir auf dem Nürburgring und das im Tiefschnee. Überhaupt, ich dachte, ich wäre in Florida, musste dann aber nach meinem Dornröschenschlaf feststellen, dass mein geplanter Urlaub kurzerhand nach Alaska verlegt wurde. Mir wurde gar nichts erzählt!“

Beschwichtigend hob der Captain die Arme. Merkwürdig, Tony war wirklich schlecht drauf, dabei schien er vorhin noch so gute Laune gehabt zu haben. Aber was wunderte es ihn, der Erfinder war ihm oft ein Rätsel.

„Wir haben diese Route gewählt, als wir erfuhren, dass Doktor Banner sich hier aufhält.“, berichtete Steve. Er konnte buchstäblich sehen, wie sich die Miene seines Gegenübers aufhellte.

„Bruce ist hier?“ Schon legte sich die Stirn des Mannes wieder in Falten. „Sagte Fury nicht, er schwimmt irgendwo auf den Fidschis rum? Was macht er hier in der Kälte?“
 

Etwas abwesend drehte Tony die leere Kaffeetasse in seinen Händen. Bruce war hier, kaum zu glauben. Sie hatten seit er in Gestalt des Hulk mit dem Quinjet weggeflogen war, nichts mehr von ihm gehört. Natürlich abgesehen davon, dass er irgendwo in der Nähe der Fidschis gelandet sein sollte, wenn man Fury Glauben schenken konnte.

Entweder Tony hatte den Director maßlos überschätzt, oder vielleicht hatte der Physiker einmal mehr seinen Standort gewechselt. Einsame Orte, oder solche wo man helfen konnte, zogen ihn beinahe magisch an. Dieser Ort war sicherlich keine Ausnahme.

„Hey Tony.“ James Rhodes ließ sich neben ihm auf das Sofa fallen. Irgendwie konnte der Milliardär nicht ganz glauben, dass sein Freund tatsächlich ein neues Mitglied bei den Avengers war. Wenn er an die Avengers dachte, nichts gegen die Neuen, sah er das Bild ihrer Fünfergruppe vor sich, wie sie in New York die Chitauriarmee und wahnsinnige Götter aufhielten oder Shawarma aßen.

„Weißt du, was das schlimmste ist?“ Grinsend wanderte Tonys Arm auf die Rückenlehne seiner Sitzgelegenheit. „Das Einzige, was ich dabei habe, ist Sonnencreme.“ Rhodey schüttelte lediglich den Kopf, so etwas war typisch Tony. Wenn er nicht wollte, war an ein vernünftiges Gespräch nicht zu denken. Dennoch ging James darauf ein, er tat es immer, vielleicht war es einfach seine Aufgabe.

„Dann musst du dir halt später etwas kaufen, hattest du ja anscheinend ohnehin vor.“

Es war recht still in der Holzhütte, die, wie man es bei dem äußeren Erscheinungsbild vermuten konnte, eher spartanisch eingerichtet war. Es war etwas ganz anderes als das gemietete Luxus-Ferienhaus an Miamis Küste. Tony wollte diesen Fakt nicht in Vergessenheit geraten lassen. Äußerlich ließ er immer wieder wissen, wie sehr er den Privatstrand der Schneewüste vorgezogen hätte, innerlich jedoch freute er sich jedoch sehr darauf Bruce wiederzusehen.

Bruce Banner war, wenn man von Rhodey absah, der einzige engere Kontakt innerhalb der Avengers. Wobei, genau genommen aber auch außerhalb der Avengers. Es gab vermutlich nur wenige Leute, die mit einem Exzentriker wie Tony zurecht kamen. Die Superheldengruppe war da ein gutes Beispiel. Klar, sie waren in ihren Kämpfen zusammengewachsen, es gab nicht mehr alle naselang Streit, doch sie waren einfach zu verschieden.

Captain America, der wirklich immer eine andere Meinung zu vertreten schien als Tony. Ein Moralapostel und Langweiler, der sich besonders zu Anfang sehr aufgespielt hatte und blind Befehlen folgte. Thor, der, wenn seinem durchgedrehten Bruder mal absah, eigentlich ganz in Ordnung war, sich aber meistens in einer anderen Welt aufhielt. Die Agents Barton und Romanov, beide schwer zu durchschauen und meist furchtbar nervig. Zugegeben, mit Clint konnte man dann und wann Spaß haben, aber der Russin traute er noch immer nicht vollständig über den Weg.

Wer bleib dann noch übrig? Na klar, die kleine Maximoff. Er kannte sie nicht gut, sie zog sich vor ihm zurück und sprach nur selten mit ihm. Dafür klebte aber Vision an ihr und schien auf sie aufzupassen, aus welchem Grund auch immer. Sie war eine kleine Hexe, doch sie litt noch immer unter dem Tod ihres Zwillingsbruders, weshalb er kaum noch Groll gegen sie hegte. Wanda war ein Freak und somit schon fast nur deshalb eine von ihnen.

Nun, vielleicht konnte er die neuen Avengers doch irgendwie akzeptieren. Sam Wilson, den Cap angeschleppt hatte, war eben diesem ähnlich und übernahm eine ähnliche Position, wie Rhodey es für Tony tat. Wie konnte er da was gegen ihn sagen?

Was hingegen noch immer ungewohnt für Tony war, war die Tatsache nicht mehr bei allem auf JARVIS bauen zu können. Klar, FRIDAY erledigte ihren Job, dafür hatte er sie ja entwickelt, doch der Sarkasmus seiner früheren künstlichen Intelligenz fehlte ihm dann doch des öfteren. Jedes mal wenn Vision etwas mit JARVIS Stimme sagte, wurde er sich der Tatsache bewusst, dass die KI in diesem Sinne nicht mehr existierte. Vision war wie ein Kind, unglaublich intelligent, dennoch furchtbar naiv.
 

„Nun, manchmal wird es Zeit für Veränderungen.“ Er war Tony Stark, er würde sich daran gewöhnen, schließlich hatte er schon ganz andere Dinge hingenommen und hinbekommen. Wenn Rhodey über die plötzliche Ansage seines Freundes verwirrt war, so zeigte er es nicht weiter.

„Ja, da stimme ich dir zu. Wie wäre es also, wenn du dich zur Abwechslung mal erheben und zu den Anderen gehen würdest? Wir warten schon eine Weile auf dich.“

Übertrieben seufzend schlurfte der Erfinder durch die Tür in das Esszimmer, in welchem der Rest tatsächlich beisammen hockte. Irrte er sich oder schienen sie etwas genervt? „Also Leute, was machen wir nun? Strandtag?“ Grinsend zog er sich einen Stuhl heran und tat das was er am besten konnte.

„Sehr witzig, Tony.“ Augenscheinlich war Natasha immer noch nicht gut auf ihn zu sprechen, versteh einer die Frauen. „Dr. Banner engagiert sich ehrenamtlich an der Wainwright Health Clinic, wir sollten sie morgen aufsuchen und versuchen mit ihm Kontakt aufzunehmen.“

Der Soldat blickte ernst in die Runde, tatsächlich wirkte Steve Rogers meistens ernst, zumindest wenn Stark ihn zu Gesicht bekam. Tony nervte das etwas, aber daran ließ sich vorerst nichts ändern, außerdem machte es manchmal ja auch wirklich Spaß, ihn zu ärgern.

„Und wie stellst du dir das vor? Unauffällig anschleichen und Steinchen ans Fenster werfen? Mal abgesehen davon, dass wir doch sehr auffällig sind. Nicht, dass er uns davon läuft ehe wir 'Hi' gesagt haben.“, gab der Milliardär zu bedenken.

Ein Augenrollen. „Es werden natürlich nicht alle gehen.“

Einige Diskussionen später hatten sich die Anwesenden geeinigt, Clint und Tony in die Klinik zu schicken. Viele Alternativen gab es aber auch nicht. Die Neulinge, besonders Wanda, waren aus offensichtlichen Gründen keine gute Idee. Entweder sie kannten den recht scheuen Mann nicht gut genug, oder hatten Potenzial ihn aufzuregen. Natasha riet davon ab, sie selbst hinzuschicken und Steve besaß nun wirklich nicht das nötige Feingefühl für jemanden wie Bruce.
 

„Hey Clint, weißt du warum Romanov so grandiose Laune hat? Immerhin bin ich doch die Person, die auf Drogen gesetzt und in die Pampa verschleppt wurde.“ Barton verdrehte lediglich die Augen. So stapften die beiden Männer weiter schweigend durch die weiße Landschaft, glücklich über wärmende Handschuhe und Schals, welche in weiser Voraussicht von den anderen Avengers eingepackt worden waren.

„Was denkst du, wie wird Banner auf uns reagieren?“ Unter der tief ins Gesicht gezogenen Mütze konnte Tony nur noch die Augen des Falken blitzen sehen. Für einen Moment wanderte der Blick des Erfinders in die Ferne, überlegend und überraschend ernst.

„Nun, hoffentlich wird er nicht grün vor Neid auf unseren Gratisurlaub am Palmenstrand.“ Clint seufzte nur. Es war typisch für seinen Kollegen. einen Spruch zu reißen, doch dieses mal war es irgendwie anders, so fand er. Weder sonderlich gut durchdacht, noch wirklich witzig, so als wäre der Satz lediglich gesagt worden, um den Schein zu wahren.

Die Avengers ahnten, dass da etwas mehr zwischen den beiden Wissenschaftlern war als bloße Kollegialität. Stark war wohl der einzige, welcher ohne Vorbehalte an Banner heran getreten war, ohne Furcht, und ihn einfach willkommen geheißen hatte. Sogar seine Späße hatte er mit dem Doktor getrieben, ohne wirklich Angst zu haben, dass seine Elektroschocks ihn triggern könnten. Selbst Romanov hatte bis zum Ende eine gewisse Distanz bewahrt.

Rhodes mutmaßte, dass der Erfinder einfach solche Adrenalin-Kicks brauchte, Steve sagte, es sei nur des Spaßes wegen, doch niemand sah den wirklichen Grund hinter all dem. Vielleicht tat es nicht einmal Tony selbst.
 

„Sollen wir reingehen?“ Unschlüssig standen Clint und Tony vor dem Eingang der Klinik. Das Gebäude wirkte von außen nicht minder alt als die Wohnhäuser, doch schon im Eingangbereich konnte man sehen, dass dieses Dorf wohl doch etwas Geld besaß, oder zumindest jemand dafür gespendet haben musste. Bruce hatte Tony während ihrer gemeinsamen Arbeit von Kalkutta erzählt, den Umständen, unter denen er dort als Arzt gearbeitet hatte. Das hier war eine wahrlich bessere Umgebung, wenn auch noch immer weit vom Standard seiner Heimat entfernt.

„Ja, sonst friere ich hier noch fest. Das hatte ich heute wirklich schon oft genug.“

Der Erfinder schlenderte betont gelassen zur Rezeption, die noch immer mit Handschuhen verhüllten Finger tief in den Jackentaschen vergraben. Clint schüttelte den Kopf, während er seine Mütze abnahm und seine Haare richtete. Immerhin herrschten im inneren des Gebäudes angenehme Temperaturen.

„Hey, wir sind Freunde von Doktor Banner und sind auf Überraschungsbesuch!“ Das charakteristische Grinsen umspielte die Mundwinkel des Mannes, der sich beinahe schon dreist auf den Empfangstisch lehnte. Die hagere Frau dahinter wurde etwas rot und grinste verlegen, während ihre Augen zwischen Tonys Gesicht und ihren Händen hin und herflogen.

„I- ich werde ihn sofort ausrufen!“, versicherte sie und griff bereits nach dem Telefon, als sich ein Handschuh um ihr blasses Handgelenk legte. „Nicht nötig, es reicht wenn Sie uns sagen, wo wir ihn finden.“ Barton war einmal mehr erstaunt wie schnell Tony seinen Willen bei Frauen bekam, selbst, wenn er es mal nicht darauf anlegte. Noch mehr überraschte es ihn jedoch, dass Banner anscheinend keinen falschen Namen angenommen hatte nach der Sache mit Ultron, doch es erleichterte ihnen die Suche. Vermutlich wäre es selbst mit Starks Charme schwierig geworden, Auskunft über jemanden zu erhalten, dessen Namen man nicht kannte.
 

„Hey Stark, willst du das nicht endlich ausziehen?“ Genervt trotteten die beiden Avengers durch die wenig beleuchteten Krankenhausflure. Wirklich eilig schien es keiner der beiden zu haben, obgleich sie sich auf Bruce freuten, oder in Clints Fall auf Bruces Gesichtsausdruck.

„Oho, Clint. Das hätte ich ja nicht von dir gedacht.“ Ein übertrieben vielsagender Blick traf den Bogenschützen. Lachend zog Barton an dem Schal, welcher unter der Skijacke hervorlugte. „Da kannst du mal sehen.“ Grummelnd kämpfte Tony gegen den durchaus kräftigen, Mann an.

„Lass das.“

Letzten endes musste sich Stark geschlagen geben und klopfte, nur noch in Hose und Pullover, an die weiß gestrichene Holztür. „Hey, ist dir so kalt?“ Interessiert beäugte der andere Avenger die Hand des Erfinders. Sie bebte sanft, wenn man genau hinsah, zitterte sogar der ganze Körper des Milliardärs leicht.

„Du hast mir doch schließlich die Klamotten geklaut.“ Anklagend verwies Tony auf den Klamottenhaufen, den sich Clint zu seinem eigenen unter den Arm geklemmt hatte.

Einer Erwiderung entging Stark, da in diesem Moment die Tür aufgeschoben wurde.

„Guten Tag, kommen Sie doch- Tony?“ Hastig hatte der Angesprochene seine Hand zurückgezogen und hielt sie nun vor der Brust verschränkt. Mit einem Mal fühlte Barton sich in die Zeit der Schlacht von New York zurückversetzt. Tony Stark war wieder ganz der Alte, Bruce ihnen gegenüber misstrauisch und Clint, nun, dieses mal war war er nicht in den Genuss einer Gehirnwäsche gekommen.

Zumindest noch nicht.
 

„Na, hast du uns vermisst?“ Als der Doktor nicht antwortete, zwängten seine Gäste sich einfach ohne Aufforderung in den Raum. „Der Rest streunt auch hier herum. Nettes Plätzchen hast du dir ausgesucht, nur etwas kalt.“

Bruce drehte sich langsam um, nachdem er die Tür behutsam verschloss. Tony erkannte, wie er einen tiefen Atemzug nahm, entweder um einen klaren Gedanken fassen zu können, oder zu verarbeiten, wer gerade plötzlich vor ihm aufgetaucht war. Er sah noch genauso aus wie die Avengers ihn zuletzt gesehen hatten, die lockigen haare waren sorgfältig geschnitten und auch sein Gesicht war frisch rasiert. Es schien alles wie immer, dennoch konnte der Erfinder die Spuren der Sorge in seinen Gesichtszügen lesen.

Bemüht um ein entspanntes Auftreten fläzte er sich in den Stuhl, welchen wohl Bruce bis zu ihrem Erscheinen belegt haben musste. Warm schmiegte sich der Stoff an Tonys Rücken, sodass er einen Moment die Augen schloss.

„Ihr solltet nicht hier sein. Ich komme nicht zurück, es war ein Fehler überhaupt mitzugehen.“ Defensiv lehnte Banner an der Wand, seine Besucher nicht aus den Augen lassend. Clint wirkte nun ernster und drückte das Kleiderbündel fester an seine Brust. Für einen Moment trafen die Falkenaugen die des Doktors, ehe sie zu Tony herüber sahen.

Dieser war blass und hielt seinen Hände verschränkt, doch die Augen klammerten sich an sein Gegenüber. „Dann hättest du aber auch“, ein Moment des Zögerns, „uns nicht kennen gelernt.“ Alle drei ahnten, dass der Milliardär eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen.

„Das wäre schade gewesen, doch es hätte Schaden verhindert. Es ist besser für alle Beteiligten. Hier kann ich mich nützlich machen und Menschen helfen.“ Die Stimme klang schwach, und erschöpft. In ihr klang das Bedauern mit, welches sich auf den Gesichtern der anderen beiden Avengers widerspiegelte.

Angespannte Stille senkte sich über den Raum.
 

„Wenn du einen Grund hättest und die Sicherheit, dass niemand in Gefahr gerät, würdest du dann wieder zurückkommen?“ Stark war aufgestanden und trat zu seinem Freund herüber. Clint beobachtete jede Bewegung genau, beschloss jedoch sich erst einmal zurück zu halten, abwartend, was sein Kollege vor hatte.

„Es gibt keine Sicherheit, Tony. Nicht für mich.“ Der Erfinder blickte eindringlich in die traurigen Augen, umrahmt von Sorgenfalten, die eigentlich nicht da sein sollten.

„Wenn du einen Grund und Sicherheit hättest, würdest du dann mit mir kommen?“ Beharrlich wiederholte der Mann sein Frage, wechselte, vermutlich unbewusst, vom kollektiven 'uns' in das 'mir'.

Seufzend löste Bruce den Blickkontakt und heftete seine Augen lieber auf den mit Dokumenten beladenden Schreibtisch.

„Ja, wenn diese Dinge-“ Bevor der Satz auch nur beendet werden konnte, hatte sich ein Paar Arme fest um den so zerbrechlich scheinenden Körper gelegt.

„Tony?“ Mehr konnte er nicht herausbringen. Überfordert und zaghaft erwiderte er die überraschende Umarmung, genoss für einen Moment die Geborgenheit, die sie vermittelte.

„Ich bin dein Grund und ich bin deine Sicherheit. Also komm mit mir!“ Für einen Moment hielt der Raum den Atem an.

„T-“

„Widersprich mir nicht. Ich werde dich nicht hier lassen, denn auch ich brauche dich. Und wenn du diese Sicherheit brauchst, werde ich sie dir verschaffen. Immerhin“, Stark löste sich etwas um dem Anderen ins Gesicht sehen zu können, „bin ich Tony Stark.“
 

Als Clint und Tony einige Minuten später den Rückweg zu den Avengers antraten, waren die beiden bester Laune. Ein wissender Blick des Agenten fiel auf den Milliardär.

„Tony, du zitterst ja gar nicht mehr.“

„Ach halt die Klappe, Clint.“ Dieser grinste nur.



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