Von perfekten Patrick Swayze Imitationen und einem nervösen Magen...
„Hmm... Du riechst echt gut...“
Moment mal...
Hatte er das gerade laut ausgesprochen?
Stiles war sich nicht sicher und es war ihm im Moment auch ziemlich egal! Wahrscheinlich hatte Derek ihn sowieso nicht richtig verstanden, da er so genuschelt hatte.
Stiles hatte sich nämlich noch näher an Derek angeschmiegt und sein Gesicht in die Halsbeuge des Werwolfs gepresst, wobei ihm auch sofort der unverkennbare Geruch in die Nase gestiegen war.
Das war eindeutig 'Eau de Derek'...
Verdammt... Wenn es das zu kaufen gäbe...
Stiles hätte mindestens 5 Fläschchen davon im Schrank!
„Das Kompliment kann ich momentan leider nicht zurück geben...“, murmelte Derek, wobei er seine Arme trotz der harschen Worte, etwas fester um die schmale Taille des jüngeren Mannes schlang.
Alkoholgeruch gepaart mit aufdringlichem Verkäufer... keine gute Mischung!
Ach verdammt...
Wie hatte Stiles nur die übernatürlichen Sinne eines Werwolfs vergessen können.
Natürlich hatte Derek ihn gehört und jedes einzelne Wort verstanden...
Aber sogar das war Stiles gerade egal, solange er nur weiterhin diese Umarmung genießen konnte.
Natürlich musste Isaac diesen innigen Moment zunichte machen...
„Derek, was machst du hier? Ich dachte, Chris sollte uns...“
Mit einem wütenden Knurren wurde Isaac unterbrochen, weshalb er auch sofort beschwichtigend seine Hände hob.
Er wusste, wann es besser war die Klappe zu halten, anders als Stiles, der ein leises Kichern von sich gab.
„Hey Grummelwolf... Du lässt mein Innerstes erzittern...“
Dereks Oberkörper hatte bei dem tiefen Knurren regelrecht vibriert, was dafür gesorgt hatte, dass auch ein Zittern durch Stiles Körper gegangen war...
Natürlich konnte er das nicht unkommentiert lassen...
Leider schien Derek ihm jedoch keine Aufmerksamkeit schenken zu wollen.
Pah...
Er ignorierte Stiles komplett.
„Was ICH hier mache? Ernsthaft? Was verdammt nochmal macht IHR hier?“
Augenblicklich erstarb Stiles Gekicher, da Dereks Stimme ein wenig lauter geworden war und zugleich auch um einiges angsteinflößender...
„Ich dachte ihr solltet hier nur eure Anzüge abholen...“
„Derek, wir...“
Der dunkelhaarige Werwolf ließ Isaac erst gar nicht zu Wort kommen.
„Ihr habt stattdessen nichts besseres zu tun, als euch mit Champagner zu besaufen?“
Isaac zog schuldbewusst die Schultern nach oben und schaffte es tatsächlich trotz seiner Größe sich kleiner als Derek zu machen und dabei wie ein hilfloser Junge auszusehen.
„Und ich dachte du wärst vernünftiger geworden, aber das...“
„Derek! Hör auf...“
Stiles schwankte ein wenig als er seine Hände gegen den breiten Oberkörper des Werwolfs stemmte um ihm wieder in die Augen sehen können.
„Isaac kann gar nichts dafür... Und außerdem haben wir uns gar nicht bes... besoff... besauft?“
Okay...
Vielleicht war das Lallen am Ende des Satzes nicht gerade förderlich um seinen Standpunkt zu untermauern...
Derek schien das auch so zu sehen, da er Stiles mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrte, aber hey... Immerhin hatte er aufgehört in dem Laden herumzubrüllen.
Das war ja wohl ein eindeutiger Sieg.
Und wahrscheinlich hätte Stiles trotz seiner Wortfindungsstörungen, der Hitzewelle in seinem Körper, die ihn ablenkte und der langsam aufkommenden Übelkeit den wütenden Wolf zähmen können, wenn Guillaume sich nicht plötzlich eingemischt hätte...
„Hören Sie mal, Sie Wahnsinniger... Sie können hier doch nicht einfach so meine Kunden anbrüllen!“
Oh Gott...
Hatte der Kerl denn völlig den Verstand verloren?
Der blonde Verkäufer hatte wahrscheinlich in den letzten Minuten all seinen Mut zusammen gekratzt um sich dem großen, dunkelhaarigen Werwolf entgegen zu stellen.
Noch dazu streckte er doch tatsächlich seine Hand aus und griff nach Stiles Schulter um ihn aus den Fängen des besagten Wahnsinnigen zu befreien, was das Fass gänzlich zum Überlaufen brachte.
Eigentlich war es ja wirklich lobenswert, dass sich Guillaume für ihn einsetzen wollte – Zivilcourage in aller Ehre und so – aber nicht, wenn Derek der besagte Wahnsinnige war, der gerade einen auf Alphawolf machte, obwohl er doch gar kein Alpha mehr war...
„Nimm deine verdammten Finger von ihm!“
Stiles stolperte hilflos über seine eigenen Füße, als Derek ihn plötzlich zu Seite riss, so dass Guillaumes Griff nach Stiles Schulter ins Leere ging.
Woah...
Plötzlich drehte sich alles... Erst sah er nur verschwommen einen Haufen Brautkleider, den roten Teppichboden und einen erstarrten Isaac, ehe er schließlich in das verschreckte Gesicht von Guillaume blicken konnte.
Stiles klebte mittlerweile mehr schlecht als recht an Dereks Seite. Ein Arm des Werwolfs war fest um seine Hüfte geschlungen, wodurch er an den Werwolf gepresst wurde und sich keinen Millimeter mehr rühren konnte.
Okay...
Irgendwie erinnerte ihn diese Situation gerade an eine ziemlich schmalzige Filmszene...
Vor seinen Augen tauchte unweigerlich das Bild von Patrick Swayze auf, gekleidet in eine schwarze Lederjacke und eine enge, dunkle Hose – Derek würde dieses Outfit sowas von rocken – wie er vor allen Versammelten klarstellte, wer hier seine Angebetete ist.
'Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?'
Fehlte wirklich nur noch, dass Derek diesen Satz zum Besten gab und die Patrick Swayze Imitation war perfekt!
Leider blieb das erwünschte Filmzitat aus...
Derek wusste wahrscheinlich noch nicht einmal was 'Dirty Dancing', geschweige denn wer Patrick Swayze war... und man konnte es dem Werwolf noch nicht einmal übel nehmen.
Stiles hatte es auch nur einzig und alleine seiner Mutter zu verdanken, dass er bei dem besagten Tanzfilm jedes Wort mitsprechen konnte.
„Ich soll deine Kunden nicht anbrüllen? Ich glaube eher, dass du deine Kunden nicht einfach so unsittlich anfassen solltest!“
„W... Was? Das ist ja eine Frechheit... Eine Unterstellung! Ich würde niemals ohne Einverständnis...“
Dereks Knurren wurde noch eine Spur lauter, weshalb der Blonde kurz ins Stocken geriet, sich dann jedoch trotzdem zum Weiterreden entschied.
„... der Kleine war ja wohl alles andere als abgeneigt...“
Stiles gab ein ungläubiges Schnauben von sich.
Hallo?
Da hatte aber jemand eine ganz gestörte Wahrnehmung von seiner Umwelt...
Plötzlich ging ein Ruck durch Dereks Körper, der dafür sorgte, dass Stiles erschrocken nach Luft schnappte.
Guillaume schien über den plötzlichen Angriff genauso überrascht zu sein, wie Stiles... Die blauen Augen des Verkäufers waren so groß wie Suppenteller, was entweder daran lag, dass ihn das laute Knurren von Derek einschüchterte, oder aber an dem festen Griff, mit dem der Werwolf ihn auf einmal am Kragen gepackt hatte und ihm somit die Luft abschnürte.
Scheiße... baumelte Guillaume gerade ernsthaft gute zehn Zentimeter über dem Boden?
„Derek! Derek, lass ihn los!“
Isaac schien endlich aus seiner Schreckstarre erwacht zu sein und eilte Guillaume zu Hilfe, der gerade ein paar röchelnde Geräusche von sich gab.
Zum Glück war der Blonde so sehr damit beschäftigt nach Luft zu ringen, dass er nicht bemerkte, wie ihn zwei wütende, eisblaue Augen anstarrten, während Derek regelrecht seine Reißzähne fletschte.
Nachdem Isaac sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als selbst mit leuchtenden bernsteinfarbenen Augen den wild gewordenen Werwolf anzuknurren, schien sich Derek endlich wieder soweit unter Kontrolle zu haben, dass er Guillaume aus seiner Umklammerung entließ.
Mit einem leisen 'Uff' ging der Verkäufer zu Boden und rutschte sofort ein Stück weit nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen den großen Spiegel stieß.
Das berauschende Gefühl, das der Champagner bei Stiles hinterlassen hatte, war plötzlich wie weggefegt. Das unkontrollierte Verhalten von Derek hatte besser gewirkt, als eine kalte Dusche und sorgte so dafür, dass Stiles auf einmal um einiges nüchterner wurde, als ihm gerade lieb war.
Isaac hatte sich mittlerweile schützend vor den am Boden sitzenden Guillaume gestellt, da er nicht sicher war, ob Derek sich tatsächlich wieder unter Kontrolle hatte und kein Risiko eingehen wollte.
Durch diesen Blickwinkel konnte er ihm Hintergrund zwei andere Mitarbeiter des Brautmodengeschäfts sehen, die ängstlich hinter dem Tresen hervorlugten und nicht zu wissen schienen, ob sie ihrem Kollegen zu Hilfe kommen, die Polizei rufen oder doch lieber das Weite suchen sollten.
„Das... das ist unerhört...“
Guillaume hustete leise.
Seine Stimme war ein wenig heiser und er klangt dadurch nicht mehr ganz so affektiert, wie noch vor ein paar Minuten.
„Sie sind verrückt! Vollkommen durchgedreht...“
Isaac drehte sich bei dem wütenden Gezeter zu Guillaume um und bot ihm schließlich seine Hand an, um dem blonden Mann wieder auf die Beine zu helfen.
Mit einem wütenden Schnauben griff der Verkäufer nach Isaacs Hand und richtete sich mühsam wieder auf, wobei er sich zusätzlich an dem Spiegel abstützte und einige unschöne Abdrücke hinterließ.
„Verlassen Sie sofort meinen Laden, bevor ich die Polizei rufe...“, fauchte er Derek schlussendlich an, der jedoch keine Anstalten machte sich in Bewegung zu setzen.
Erst als Isaac ihm einen auffordernden Blick zuwarf, schien sich der Dunkelhaarige zu einem Rückzug überreden zu lassen.
Das Letzte was ihnen jetzt noch fehlte, war ein unerwünschtes Zusammentreffen mit der Polizei!
~*~
Derek und Stiles warteten nun schon seit einer gefühlten halben Stunde ungeduldig vor dem Brautmodengeschäft auf Isaac, der verzweifelt mit Guillaume verhandelte.
Es war ein Glück, dass sie für ihre Anzüge schon eine ordentliche Anzahlung geleistet hatten, weshalb die Chancen gut standen, dass sie auch nach dem kleinen Zwischenfall – oder eher Dereks Wutattacke – die Anzüge heute mitnehmen konnten.
Abgesehen davon hatte Stiles keine Zeit gehabt sich umzuziehen, weshalb er hier auch immer noch in voller Trauzeugenmontur stand und seine Alltagskleidung auf dem Rücksitz des silbernen SUV lag.
„Mir ist schlecht...“, murmelte der Brünette schließlich und lehnte sich schwerfällig gegen die Beifahrertüre, wobei Derek ihn immer noch an der Schulter festhielt, um dafür zu sorgen, dass Stiles auch weiterhin stehen blieb.
„Das wäre auch kein Wunder... Du riechst wie eine ganze Champagnerfabrik!“
„Hmm...“
Eigentlich hätte er wissen müssen, dass Mitgefühl das Letzte war, was er von Derek erwarten konnte. Trotzdem zog er einen Schmollmund und starrte mit großen, mitleiderregenden Augen in das Gesicht des Werwolfs.
Leider erwartete ihn da nur der Anblick von ausdrucksstarken Augenbrauen...
Man sollte es nicht glauben, aber wenn es jemand schaffte, dass seine Augenbrauen vorwurfsvoll aussehen konnten, dann war das Derek Hale.
„Ich wollte ja gar nicht so viel trinken, aber Guillaume hat mich echt einfach so abge-“
Stiles klappte seinen Mund verschreckt zu, als er bemerkte, was er da gerade sagen wollte.
Okay...
Der eingebaute Filter, der bei jedem normalen Menschen dafür sorgen sollte, auch ja nichts Falsches zu sagen, schien bei Stiles durch den Alkohol noch viel schlechter zu funktionieren, als sonst...
Er hatte gar nicht erwähnen wollen, dass der Verkäufer ihn abgefüllt hatte... oder eher, dass er sich freiwillig von dem Verkäufer hatte abfüllen lassen!
Aber alles war besser, als diese Annäherungsversuche nüchtern zu ertragen.
„Dieser Kerl hat dich abgefüllt?“
Dereks Halsschlagader schien plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln, da sie wild zu pochen anfing, so dass selbst Stiles das Gefühl hatte den schnellen Herzschlag des Werwolfs hören zu können.
„Was? Nein... ich... also ja schon, aber...“
„Ich bring ihn um!“
Stiles schwankte ein paar Schritte hinter dem größeren Mann her und schaffte es gerade noch rechtzeitig den weichen Stoff von Dereks Oberteil zu fassen zu bekommen.
„Warte, du kannst nicht...“
Natürlich musste sich sein nervöser Magen genau den Zeitpunkt aussuchen, um sich noch weiter zusammen zu ziehen.
Eine Übelkeitswelle schwappte durch seinen Körper, ausgehend von der Bauchgegend bis zur Kehle hinauf und sorgte dafür, dass sich ein bitterer Geschmack in seinem Mund breit machte.
Waah...
Vielleicht hätte er wirklich nicht so viel Champagner auf nüchternen Magen trinken sollen...
Leider kam diese Einsicht ein wenig zu spät.
Schnell schlug sich Stiles eine Hand vor den Mund und atmete ein paar Mal tief ein und aus.
Derek schien zum Glück sein Unwohlsein zu bemerken, da er sofort kehrt machte und wieder nach den Schultern des Jüngeren griff.
Gemeinsam stolperten sie die wenigen Schritte zu einem der großen Bäume, die die Straße säumten und Derek sorgte rechtzeitig dafür, dass sich Stiles nach vorne beugte.
Ein Vorteil hatte der nüchterne Magen...
Außer ein paar würgenden Geräuschen kam nichts über Stiles Lippen, wofür er momentan auch wirklich dankbar war.
Und Lydia würde ihm auch dankbar sein!
Nicht auszudenken, was seine erdbeerblonde Freundin mit ihm machen würde, wenn er ihr gestehen musste, dass er seinen Trauzeugenanzug von oben bis unten voll gekotzt hatte.
Nein...
NEIN!
Daran wollte er gar nicht denken.
Als er ein leises Wimmern von sich gab und sich sein Magen wieder einigermaßen beruhigt hatte, stützte sich Stiles mit der Hand an dem Baum ab und richtete sich wieder ein wenig auf.
Erst jetzt bemerkte er die zarten Berührungen an seinem Rücken.
Derek streichelte in sanften Kreisen über Stiles Schultermuskeln und sorgte so dafür, dass sich die Anspannung ein wenig löste.
Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass der Werwolf bei den ersten Würgegeräuschen das Weite suchen würde, aber...
Scheinbar hatte er sich da gewaltig getäuscht...
„Alter...wenn du nach dem Gesabber, das du an der Fensterscheibe hinterlassen hast, jetzt auch noch Chris Auto vollkotzt, dann kann ich nicht mehr für deine Sicherheit garantieren...“
Isaac war so plötzlich neben ihnen aufgetaucht, dass sogar Derek ein wenig zusammenzuckte.
Nachdem sich der große Werwolf davon überzeugt hatte, dass Stiles in den nächsten Minuten nicht an einer Alkoholvergiftung sterben würde, wandte er sich mit einem fragenden Blick Isaac zu.
Der Lockenkopf hob schließlich mit einem breiten, triumphierenden Grinsen einen Kleidersack in die Höhe, in dem sich allem Anschein nach sein Anzug befand.
„Guillaume hat sich trotz einem Hausverbot doch noch überreden lassen, den Anzug rauszurücken... Wobei die extra zweihundert Euro, die ich jetzt in dem Laden lassen musste ja wohl eindeutig auf eure Rechnung gehen...“
Derek zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
Was waren schon zweihundert Euro, wenn man dafür so einem perversen Lackaffen Angst einflößen konnte...
