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Atroposfalter

Motten gehören in die Dunkelheit [Until Dawn]
von

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Totenkopfschwärmer

„Ich bin vor ein paar Tagen auf einem Flohmarkt gewesen.“

Dr. Hill hatte ihm dem Rücken zugedreht und beobachtete, wie der Schnee an seinem Fenster vorbei auf die weiße Erde fiel, doch anders wie Dr. Alan Hill konnte Josh diesen Anblick nicht wirklich genießen. Er fand sich in letzter Zeit sehr oft, viel zu oft für seinen Geschmack in diesem Sprechzimmer wieder und jedes Mal hatte sich das Erscheinen, manchmal minimal, manchmal auch mehr als deutlich, dass kam auf seine Stimmung an, verändert.

Es wirkte mit jedem mal modriger.

Verwahrloster.

Dunkler.

Passend zu diesem verkommen Wrack im seinem Schädel, dass Dr. Hill als Verstand bezeichnete.

Es gab nur zwei Dinge, die immer gleich blieben und es waren zwei Dinge, die Josh abgrundtief an diesem Ort hasste. Zum einem Dr. Hills selbstgefälliges Grinsen und zum anderen dieser beißende Geruch von Irish Moos, aber an diesem Unglück war Josh selbst Schuld.

Dr. Hill trug anfangs ein anderes Aftershave, als er es wechselte fiel Josh das gleich auf und wurde dabei geschwätziger, wie er eigentlich war. Er gestand seinem Psychiater, dass sein Onkel, der Bruder seines Vaters auch immer Irish Moos auftrug und dass er viele schöne Erinnerungen mit ihm verband, da er all die Dinge mit ihm tat, für die sein eigener Vater keine Zeit gehabt hatte. Diese Offenheit bereute er, denn seitdem trug Dr. Hill nur noch dieses Aftershave und davon nicht gerade wenig (mit dem, was er vorher aufgetragen hatte war er zwar genauso wenig sparsam, aber das war wenigstens nicht so penetrant gewesen).

Josh hatte ihn tatsächlich nach ein paar Sitzungen darauf angesprochen, was das sollte und der Doktor hatte es ihm sehr ausführlich erklärt. Grob zusammengefasst wusste Josh nur noch, dass es damit zutun hatte, dass der Teil des Gehirns, der Gerüche aufnahm und verarbeitete direkt mit dem Limbischen System (Emotionen) und dem Hippocampus (Langzeitgedächtnis) verbunden war. Wohl ein Versuch von Dr. Hill so Sympathie in Josh auszulösen. Das Einzige jedoch was er damit wirklich in Josh heraufbeschwor waren Mordgelüste.

(Eine Kugel durch seinen Schädel und diesen vorher mit einer Kettensäge abtrennen dass er den Schmerz noch mit ins Gehenna nehmen kann und ihn vorher über einem Becken aus Salzsäule baumeln lassen nur um dann abzudrücken, wenn er denkt gerettet zu sein)

Dass schien der Doktor jedoch rechtzeitig gemerkt zu haben, er hatte die Menge deutlich reduziert. Aber verdammte Scheiße, auch wenn es wirklich wenig war, Josh roch es ganz deutlich und jedes Mal -

„Ich habe dir auch etwas mitgebracht“, erzählte der Doktor euphorisch, ging mit galanten Schritten zu seinem Schreibtisch und öffnete eine der unteren Schubladen. „Du erzähltest einmal, dein Großvater hat in seiner Jugend Schaukästen gebaut und darin Insekten aufbewahrt. Ich denke daher, dass dir das hier gefallen könnte.“

Wusste er dass, weil er sich das tatsächlich gemerkt hatte oder weil er es zufällig mal aufgeschrieben und dann nach langer Zeit wieder entdeckt hatte?

Josh tippte auf Zweiteres.

Aus seiner Schublade holte Dr. Hill zwei Bilderrahmen raus und legte sie auf seinen Schreibtisch. In beiden Rahmen befand sich je ein Schmetterling. Zuerst dachte er, es wären Gemälde oder Fotodrucke, aber bei näherer Betrachtung sah Josh, dass sie echt waren. Echt und tot. Zu seiner Linken lag, in einem schlichten Rahmen aus dunklem Holz ein himmelblauer Schmetterling, ein Morphofalter, er hatte solche Schmetterlinge mal in einem Insektenhaus im Zoo gesehen (ob er mit seinem Vater oder Onkel dort war wusste er nicht mehr genau, aber seine Schwestern waren auch dabei und Hannah war ganz vernarrt in sie gewesen). Die Bestätigung dafür hatte er noch im selben Moment auf einem Schild unterhalb des Schmetterlings entziffern können:

MORPHO PELEIDES, BLAUER MORPHOFALTER, M., MEXIKO.

Das Licht von Dr. Hills Schreibtischlampe fiel genau auf das Tier und Josh konnte schwach die Muster und Ringe erkennen, die sich eigentlich auf der Unterseite der Flügel befanden. Der Rechte stellte sich als Totenkopfschwärmer heraus (ACHERONITA ATROPOS, TOTENKOPFSCHWAERMER, M., UKRAINE) oder Kartoffelfalter, wie sein Großvater ihn fälschlicherweise bezeichnet hatte, da dieser Falter seine Eier auf Kartoffelpflanzen ablegte und sein Großvater als kleines Kind Probleme gehabt hatte seinen richtigen Namen auszusprechen.

Joshs Großeltern mütterlicherseits lebten auf einer großen Farm und Joshs Großvater war begeistert von Insekten, seit er als Kind THE EMPEROR OF THE ANTS gelesen hatte (dass er seinen Enkelkindern ebenfalls oft vorgelesen hatte und obwohl Hannah, als auch Beth eine große Abneigungen bezüglichen allem hatten, dass mehr wie vier Beine besaß, hatten sie diese Geschichte geliebt). Während sich Josh zurückerinnerte, wie er mit seinem Großvater eines Sommers den Dachboden absuchte um die alten Schaukästen, gefüllt mit Schmetterlingen, Libellen, Käfern und Spinnen zu entstauben, fragte er sich gleichzeitig, ob seine Großeltern auch so eine unheimliche Vogelscheuche auf ihren Feldern stehen hatten, wie die auf Sams Einladung von der letzten Halloween Party, die Dr. Hill aus irgendwelchen Gründen sorgfältig aufbewahrte.

Bevor sich Josh wieder Dr. Hill widmete studierte er beide Falter genau und Gott, zwei unterschiedlichere Falter hätte sich der Doktor nicht aussuchen können. Da hätte man auch ein Gänseblümchen mit einer Venusfliegenfalle vergleichen können.

Sein Blick ruhte lange auf dem Totenkopfschwärmer, dachte dabei an ein paar Filme zurück in denen er eine Rolle gespielt hatte und an THE EMPEROR OF THE ANTS, wo dieser Falter versucht hatte den Bienen den Honig wegzunehmen und Josh empfand plötzlich Mitleid mit dem armen Insekt, das neben dem schimmernden Morpho plump und erbärmlich, statt bedrohlich und böse wie in den Fabeln aussah.

„Ganz gleich, dass beide zur Spezies Lepidoptera gehören, reagieren die meisten Menschen verängstigt und angewidert auf Motten, obwohl diese ungeliebte Form den größten Teil aller Schmetterlinge ausmacht. Denkst du auch so?“

Da war er wieder. Nicht nur dieses schmierige Grinsen des Doktors, sondern auch… Das.

Dieser Ton.

Dieser Blick.

Als wollte er ihn herausfordern oder ihn locken wollen, nur um dann wie eine Spinne - just in dem Moment erschien vor Joshs inneren Auge ein Bild von einer der Spinnen in den Schaukästen seines Großvaters, sogar das einer ziemlich großen und fetten Sorte - über ihn herzufallen.

„Sag, welcher von beiden hier widert dich am meisten an?“

Dr. Hill sah auf seinen Notizblock und schrieb, während Josh zwischen den beiden Faltern hin und her sah. Die Antwort auf die Frage fiel ihm dabei nicht einmal so schwer, wie es sonst immer war. Fast schon geisterhaft schwebte seine Hand zum Rahmen mit dem Himmelsfalter, doch statt einfach auf das Glas zu tippen, ballte Josh seine Hand zu einer Faust und schlug auf das Glas, dass kaum Widerstand gab.

Dr. Hill schreckte auf und sah mit hochgezogenen Augenbrauen auf die Reste des Morphos, der den Schlag genauso wenig standgehalten hatte wie das Glas und dann auf Joshs linke Hand, an der nun Glassplitter, Blut und blaue Farbpigmente klebten, die im richtigen Winkel betrachtet in Regenbogenfarben schimmerten, wie die frischen Schneeflocken draußen im Licht.

„Ach Josh, du musst immer gleich so übertreiben? Ich hoffe, die Sauerei und der Schmerz haben sich für dich gelohnt. Gewalt führt zu Aggression. Aggression führt zu Hass und Hass zu unvorstellbarem Leid. Das gilt für andere, als auch für dich, Josh. Ganz besonders für dich“, sagte Dr. Hill und Josh war sich nicht ganz sicher, ob es Spott oder wirklich Besorgnis war, die er in seiner Stimme hörte. Dr. Hill griff in seine Hosentasche und reichte Josh ein Stofftaschentuch, damit er es sich um seine Hand wickeln konnte. Josh nahm es nicht an.

„Also -“, Dr. Hill schnaufte und legte das Taschentuch auf die Seite, „- kannst du mir deine Wahl genauer erläutern? Warum diese deutliche Abneigung gegenüber diesem hübschen Geschöpf?”

„Weil er sich für etwas Besseres hält“, antwortete Josh, ruhig, aber er war innerlich aufgewühlt. Sein Hals war trocken und jedes Wort kratzte in der Kehle, er konnte seine Stimme kaum selbst hören. Alles Geld der Welt für ein beschissenes Sixpack, es müsste nicht mal gekühlt sein…

„Diese Tagfalter, wie mein Großvater sie genannt hatte fliegen durch die Wälder, ohne etwas zu fürchten. Es ist wie sie sagten, Dr. Hill. Die Menschen lieben Schmetterlinge, aber sie hassen Motten. Niemand würde diesem Morpho etwas tun, doch ihn hier ...“

Josh neigte den Kopf nach rechts und deutete damit auf den Totenkopfschwärmer und fing leise, fast unheimlich an zu kichern.

„Ihn hätte man versucht mit einer Zeitung oder was ähnlichem zu erschlagen. Dabei sucht er auch nur einen Ort, wo er im Licht sein kann. Wie alle anderen auch. Er ist ein Schmetterling und doch wertlos, weil die Menschen nur seinen überheblichen und grässlich bunten Artgenossen hinterher schauen.“

„Du willst also sagen, dass diese arme Motte nur eine missverstandene Kreatur ist, eingeschüchtert allein von der Anwesenheit des Morphos…“

Dr. Hill lachte und lehnte sich zurück, dann sah er Josh direkt in die Augen, mit dem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht, dass er immer auflegte wenn er glaubte, zu Josh vorgedrungen zu sein. Aber er konnte ihn nicht verstehen, niemals, egal für wie toll sich Dr. Alan Hill hielt oder zumindest die Version die Josh sich in seinem Wrack von Verstand zusammengepuzzelt hatte.

Niemand konnte ihn verstehen. Nur Hannah und Beth hatten das gekonnt. Sie und vielleicht…

Dr. Hill beugte sich über den Tisch und klatschte seine Hand nicht gerade sachte auf seinen Schreibtisch. Durch die entstandene Druckwelle hoben sich für einen kurzen Augenblick die Flügel des Totenkopfschwärmers und es sah aus, als hätte er verzweifelt versucht davonzufliegen.

„Missverstanden, so wie deine Schwester, die von ihren Freunden wie eine schäbige Motte behandelt und vorgeführt wurde? Sind deine Freunde diese überheblichen, selbstgefälligen Schmetterlinge? Ist das dein Spiel? Ein Spiel wie dem eines Kindes, das einem kleinen und doch überheblichen Insekt die Flügel herausreißt, nur um zu sehen was dann passiert? Oder…“

Dr. Hill beugte sich über seinen Tisch und kam so nahm, dass Josh seinen Atem spüren konnte und er roch genauso modrig und nach Irish Moos, wie dieses gottverdammte Zimmer.

„Bist du diese Motte? Eine missverstandene, zu Unrecht geächtete Spezies, umgeben von überheblichen Schmetterlingen, Joshua?“…
 

Josh
 

Altes Hotel unter der Washington-Lodge
 

01:52 Uhr
 

Joshs erster Gedanke als er von Dr. Hills Büro wieder zurück in die Realität fand war, wie geil das alles war. Der zweite Gedanke war die zunehmende und abrupte Erkenntnis, dass er die betäubte Sam fast fallen gelassen hätte, während seiner geistigen Umnachtung und dass sein Kopf scheißweh tat. Sam war neben Jess die Sportlichste von allen Mädels, aber damit, dass sie so einen Wumms drauf hatte, hatte er nicht gerechnet. Blut war ihm vom Kopf über den Nacken gelaufen, aber mittlerweile war es geronnen.

Er hätte den beschissenen Baseballschläger mit nach oben nehmen sollen, dann wär diese Verfolgungsjagd vielleicht eher zu Ende gewesen. Aber auch bei Sam hatte dieses Katz-und-Maus-Spiel ihre Spuren auf ihrem Körper hinterlassen.

Sie sah schlimm aus, verdreckt, Füße und Knie wund, aber nichts davon schien ernst und dafür, dass sie nur ein Handtuch trug war ihr Körper nicht mal sonderlich kalt. Josh gab zu, ihr die Kleidung wegzunehmen war eine eher spontane Entscheidung gewesen, genauso dass es durchaus lustig war sie nur im Handtuch rumlaufen zu sehen. Sam selbst war schließlich nie der Typ gewesen, der viel Haut gezeigt hatte. Das war eher Jessicas Ding und es war so befriedigend sie so verloren zu sehen. Entblößt und verängstigt und so sollte sie sich fühlen, so wie Hannah sich fühlen musste, als sie von allen zur Show gestellt wurde.

„Sag, Sam, was hältst du von meinem kleinen Streich? Hast du Spaß? Ich jedenfalls habe eine Menge Spaß!"

Und, Hey, nackte Haut brachte Klicks im Internet und auf allen erdenklichen Videoportalen, , so dachte sich Josh, jede Menge und mehr Klicks bedeutete mehr Popularität und mehr davon bedeutete mehr Gerechtigkeit. Für Hannah. Für Beth.

Joshs Schritte hallten durch die Gänge des alten Hotels unterhalb des Anwesens seiner Eltern, vorbei an alten Requisiten, die sein Vater von seinen Dreharbeiten hier gelagert hatte, da sich die Menge, die er über die Jahre angesammelt hatte zu sehr gehäuft hatte um sie alle im Anwesen auszustellen, sogar noch ganz alte Stücke aus THE DEVIL und BITTER FEAST. Josh, Hannah und Beth wussten davon, doch ihre Mutter hatte verboten, dass sie dort unten spielten

(Dort ist alles kaputt und baufällig ihr brecht euch dort unten sonst nur das Genick!)

aber nachdem seine Schwestern… fort waren, hatten sich seine Eltern nicht mehr hier hoch nach Blackwood Mountain getraut und Josh hatte alles für sich alleine. Sich selbst und die Zeit, für Pläne, für Vorbereitungen. Der Start für das alles war die Maske des Irren aus BLOODY MONASTERY, die er während eines psychischen Anfalls (diese haben sich seid Hannahs und Beths Verschwinden gehäuft. Deutlich gehäuft.) in Einzelteile zerlegt hatte, um sie dann zu einem etwas späteren Zeitpunkt mit Teilen einer Puppe der Kreaturen aus HYPOTERMIA zu fixen. Etwas Fingerspitzengefühl, das richtige Werkzeug, Violá!

Anfangs hatte Josh noch gefürchtet seine Freunde könnten die einzelnen Stücke seiner Verkleidung erkennen und somit merken, dass er der Psycho war, was eine wirklich unkreative Namensgebung war, wenn auch auf eine bizarre Weise gut getroffen und simpel bedeutet nicht immer automatisch schlecht. Seine Freunde kannte ja die Filme seines Vaters, aber keiner von ihnen hatte wohl ein Auge für Details so wie Josh und Erinnerungen verblassten mit der Zeit.

Sam stand mehr auf Actionfilme, genauso wie Matt, wobei er deutliche Probleme hatte Emily in ein Kino zu schleppen. Und Mike hatte außer Jessicas Titten eh keine anderen Interessen mehr.

(Wo ist Mike überhaupt? Braucht der beim Ficken immer so lange?)

Chris hat sich oft mit Josh im Kinoraum seiner Eltern breitgemacht, mit Pizzen und reichlich Bier, aber seit er versuchte mit Ashley die nächste Base zu erreichen, hatte er auch er seinen Konsum reduziert, da Ash ein totaler Angsthase war.

Wie schön sie dafür heulen konnte. Und Chris, der sie seinem Bro vorgezogen hatte war in ihren Augen nun der strahlende und gleichzeitig tragische Held. Chris’ Entscheidung hatte Josh schon irgendwo tief getroffen, aber vielleicht kriegt Chris Ash damit endlich in die Kiste. Dann würde ihm vielleicht der Titel ETERNAL GEEK VIRGIN und Kommentare wie FRIENDZONED 4EVA im Netz erspart bleiben.

Indirekt hatte Josh ihm also geholfen. Das war zwar nicht sein Plan, aber er und Chris sind immer noch Bros und einem Bro half man. Er war also selbst auch ein tragischer Held.

Vielleicht eher ein Antiheld, aber ein Held. Zumindest dieses eine Mal.

(Stück Scheiße!)

Und Josh kränkte es nicht. Nicht mehr. Er war es gewohnt.

(du verdammtes Stück Scheiße!)

Wieder wäre ihm Sam fast aus den Armen gefallen, aber Josh fand das Gleichgewicht noch rechtzeitig. Langsam wurde sie ihm doch zu schwer und er bekam kaum Luft unter dieser beschissenen Maske, um so besser fühlte es sich an, als er endlich wieder in seiner selbst zusammengestellten Basis war, mit den Monitoren, den Kameras und der Hauptgas- und Stromleitung, von der er aus alles im Haus steuerte. An die kalten Luftzüge und den Schimmel in den Ecken und der Tatsache, dass hier unten so ziemlich alles kaputt war, hatte Josh sich gewöhnt und wurde ihm mit der Zeit sogar so sympathisch, da das Ambiente hier die Gruselstimmung nur weiter anheizte und ihn richtig in Fahrt brachte.

Mit einem Arm räumte er mit einem kräftigen Schwung einer der Tische frei, auf dem sich zuvor seine Werkzeuge und Eimer mit Resten von Schweineblut befanden und legte Sam behutsam darauf ab. Ihr Kopf kippte zur Seite und ihr linker Arm baumelte von der Tischkante runter und bewegt sich für einen Moment noch langsam hin und her, wie das Pendel einer Standuhr. Dann bewegte sie sich gar nicht mehr, selbst ihr Brustkorb hob sich nur minimal und für einen kurzen Moment hatte Josh wirklich befürchtet, es mit dem Narkosegas übertrieben zu haben.

Er atmete schwer und klang dabei Darth Vader gar nicht mal so unähnlich, widmete sich aber erst den Monitoren, eher er die Maske etwas anhob um besser Luft zu bekommen.

Mike und Jessica sah er immer noch nicht. Die werden doch nicht immer noch in der Hütte sein?

Emily und Matt sah er auch auf keinem einzigen der Monitor. Ob Emily ihren Schoßhund dazu gebracht hatte Mike und Jess nachzugehen um zu spannen?

Nur Chris und Ashley hatte er mit seinen Kameras beobachten können, sie waren beiden immer noch draußen vor der Lodge, geschockt und entsetzt. Die Tonaufnahme war nicht die Beste (in den späteren Videos hingegen würde man es dafür sehr gut hören können), aber aus den Fetzen die er mithören konnte schloss er, dass sie es immer noch über den Vorfall und Joshs „Tod” im Schuppen hatten. Hysterisch lief Ashley auf und ab, das Gesicht in den Händen vergraben. Josh konnte relativ gut hören wie sie immer wieder „Josh, Oh Gott, Josh”, schluchzte. Das sie von oben bis unten mit Blut verschmiert war störte Ash hingegen weniger (hätte es Em oder Jess erwischt, die hätten sich vermutlich mehr darüber aufgeregt, dass sie das Blut nie wieder aus ihren teuren Klamotten bekämen).

Chris stand neben ihr und sein Kopf folgte Ashleys Bewegungen, er versuchte wohl sie zu beruhigen. Akustisch verstand Josh nicht viel, nur dass Chris scheinbar versuchte eine interessante Umschreibung für Blut und Gedärme hinzulegen, um Ash nicht anzuekeln, was aber nur dazu führte, dass ihm die Erinnerungen dieser scheinbaren Schlachtung wieder hochkamen und er augenblicklich in den nächsten Busch kotze. Ash erschrak, aber von Chris’ Erbrochenen scheinbar genauso wenig angewidert wie von dem Blut auf ihren Klamotten ging sie zu ihm - was sie dabei zu Chris sagte hörte Josh wieder kaum - und legte ihren Arm und ihren Kopf auf dessen Schultern.

(So taff war sie dann also doch hast ‘nen guten Fang gemacht Bro wenn du wenigstens die Eier hättest sie zu vögeln geschweige denn sie zu küssen)

Ein kleines Lächeln umspielte Joshs Mund.

„Josh?”

„S-Sam?!”

Scheiße!

Josh hatte die Fassung verloren und sich zu spät daran erinnert, dass er die Maske nicht richtig aufgesetzt hatte. Der Stimmenverzerrer, eingearbeitet im abstehenden Oberkiefer der Maske, hatte seiner Stimme zwar wieder den hallenden und bebenden Ton gegeben, aber nicht genug verändert um seine richtige Stimme unkenntlich zu machen.

Für Sam hat es jedoch noch gereicht.

Als er seinen Namen gehörte, hatte er sich mit einem Satz umgedreht und schon damit gerechnet, dass Sam vor ihm stand und ihm wieder irgendwas an den Kopf schlagen würde. Aber sie lag noch immer auf den Tisch, doch nicht mehr ruhig, sondern bewegte ihren Kopf hin und her und versuchte ihren von Tisch baumelnden Arm hochzuheben, was sie jedoch nicht wirklich hinbekam.

Wenn Josh es nicht besser wüsste hätte man glauben können, Sam durchlebte in diesem Moment den gewaltigsten Kater ihres Lebens.

Wobei, so abwegig war es gar nicht.

„Josh…?”

Wie ist sie so schnell nur zu sich gekommen? Selbst als sie schon bewusstlos war, hat er ihr die Atemmaske noch lange genug ins Gesicht gedrückt. Die Dosis hätte einen Elefanten in den Tiefschlaf versetzen können. Aber er wusste ja Sam war kein Elefant, Sam war Sam und Sam war zäh.

„Josh… bist du das?”

Josh - mittlerweile trug er die Maske wieder richtig - hatte sich die Flasche mit den Narkosegas geschnappt und beugte sich über Sam, in der rechten Hand die Atemmaske und die Linke am Ventil. Sam war zwar wach, aber noch vollkommen benebelt. Sie hatte Mühen ihre Augen offen zu halten und selbst wenn sie es gekonnt hätte, war sie so betäubt, dass sie so gut wie nichts von ihrer Umgebung wahrgenommen hätte. Nicht mal, dass die Stimme des Psycho auf einmal der ihres besten Freundes verdammt ähnlich klang.

Josh hatte Glück gehabt.

„Ja, Sam. Ich bin es.”

Warum Josh sich entschieden hatte ihr zu antworten wusste er selber nicht. Es hatte sich angefühlt, als hätte eine höhere Macht es so gewollt. Und wie bei einem Kind, dass einem Schmetterling die Flügel abriss, wollte Josh wissen, wie sie reagierte. Sie lächelte und ihr Lippenstift schimmerte im matten Licht der Neonlampen und Josh kam die Frage hoch, ob an dem Tag, als Hannah sie das erste Mal mit nach Hause brachte, sie ebenfalls diesen knalligen Lippenstift trug, um ihre aufgeplatzte Lippen zu verbergen.

Er hatte es von Jessica erfahren, nur zufällig, Dank etwas Hilfe von ein paar Drinks, dass Sams Vorliebe für viel und kräftiges Make Up ein Resultat der Vorliebe ihres Alten war, seine Tochter im Suff ins Gesicht zu schlagen, bis ihre Haut grün und blau und ihre Lippen dick und geschwollen waren. Und Jess mochte ein Prinzesschen sein - Einzelkind und Daddys Liebling eben - und nicht gerade die Hellste, aber sie wusste wie man Schönheitsfehler kaschierte, ohne dass es auffiel und für ihre zusammengeschlagene Freundin hatte sie sich ganz besonders ins Zeug gelegt.

Sams Albtraum endete jedoch bereits vor zwei Jahren, als sie zu ihrer Mutter zog, die sich schon drei Jahre vorher von ihrem Vater getrennt hatte.

(Hatte sie oder nicht?)

So wie er an dem Tag seine Nervosität mit Medikamenten verbergen wollte, da er Minuten zuvor noch mit seinem Vater gestritten hatte

(du verdammtes Stück Scheiße!)

und Josh es bloß nicht vagen sollte irgendwas zu tun, dass Hannahs neue Freundin vergraulen könnte.

„Gott sei Dank. Ich… dachte, dieses Schwein… hätte dich ermordet.”

„Nun, du siehst, mir geht es gut, Sammy. Mir geht es hervorragend.”

Er grinste erst, fing dann an zu lachen und Sam lachte kurz mit, obwohl sie vermutlich nicht wirklich verstand warum sie lachten. Aber Josh war von Natur aus misstrauisch, wer weiß wie viel sie doch von ihrer Umwelt mitbekam. Vielleicht versuchte sie nur ihn zu täuschen.

„Josh, ich…”, begann Sam, doch Josh legte seine Hand über ihre Augen.

„Pscht. Der Psycho hat dir Übel mitgespielt. Du solltest dich ausruhen, du bist verletzt. Ich bin ja hier. Dir wird nichts geschehen”, sagte er ruhig, nahm seine Hand wieder weg und griff nach dem Ventil um es aufzudrehen. Ja, ihr würde nichts geschehen, zumindest nichts was ihr ernsthaften körperlichen Schäden zufügen könnte.

„Wieso… bist du nicht gekommen, Josh?”

Sams Hand - sie hatte tatsächlich irgendwie hinbekommen ihren schlaffen Arm hochzuheben - klammerte sich an Joshs, in der er die Atemmaske hielt, die er im darauffolgenden Moment fallen ließ. Ihre Augen waren nun etwas weiter geöffnet als vorher, aber sie war noch genauso zugedröhnt und obwohl sie zu Josh aufsah, war ihr Blick leer und es wirkte, als würde Sam durch ihn durch sehen.

(Vielleicht durch die Maske hindurch?)

„Als das passiert ist… mit Hannah. Und Beth. Ich habe gewartet, dass du wieder zu uns findest. Aber... Du bist weggeblieben.”

Ja, er war weg. Für eine verdammt lange Zeit. Er war bei vielen Sitzungen und Tests und bei Dr. Hill und wäre fast an einer Überdosis Irish Moos krepiert. An so vielen anderen auch, aber alles andere war gescheitert und wie Dr. Hill schon erklärt hatte, war nichts besser mit dem Langzeitgedächtnis verknüpft als Gerüche und die Emotionen, die sie auslösten.

„Warum also…? Josh… Ich… dachte, ich verstehe dich…”

Verstehen…?

Für eine Zeit hatte Josh das auch gedacht. Sie hatten ihre Gemeinsamkeiten, sei es ihre Definition von Spaß, die Liebe zur Natur oder ihre familiären Vorgeschichten. Angesprochen hatte Josh Sam darauf nie - nachdem Jess kapiert hatte, dass sie alles verraten hatte, hatte Josh versprochen Sein Name wär Hase und das würde er auch weiterhin halten - aber wenn er mit ihr redete, ihr sein Herz ausschüttete, dass er Hannah und Beth vermisste und dass sein Vater ihm die Schuld gab, für alles was geschah, wie all die Jahre schon seid er noch bekannter wurde und dem Druck kaum selbst standhielt, dass aus ihm kein annähernd erfolgreicher Regisseur wird und sie daraufhin seine Hand hielt und sagte „Ich verstehe dich”, hatte er es glaubt.

Weil Sam wusste wie sich die Schläge eines Vaters anfühlten. Nur dass Joshs Vater dafür keinen Alkohol gebraucht hatte.

Und Sam war Sam und Sam war zäh. Aber er war Josh und Josh war

(verdammtes Stück Scheiße!)

wertlos.

Und Josh hatte Hannah und Beth. Hannah und Beth die ihn immer vor den Wutausbrüchen ihres Vaters beschützt hatten und trotz, dass sein Vater ihn schon von klein auf immer beschimpft hatte

(Stück Scheiße!)

und der Grund war für all die Vorfälle seit der Junior High und seine aufgestaute Aggressionen,

(Aggression führt zu Hass und Hass zu unvorstellbarem Leid)

hatten Hannah und Beth ihren älteren Bruder abgöttisch geliebt und alles was er tat bestaunt und bewundert.

Hannah hatte ihn manchmal ganze Nächte in den Armen gehalten und für ihn geweint, da ihm selbst die Kraft und der Mut gefehlt hatte wirklich zu zeigen, wie sehr er innerlich verletzt war und Beth hatte penibel darauf geachtet - Beth hatte den Kontrollzwang ihrer Mom geerbt - dass Josh seine Tabletten nahm und Auffälligkeiten in der Schule gedeckt, um ihrem Vater so keinen Spielraum für weitere Wutausbrüche zu geben, wenn er denn mal zu Hause war.

Mit ihrem Verschwinden war auch jede Sicherheit, alles was ihn stabil hielt mit verschwunden. Erst sein Großvater und seine Insektensammlung, der seinen dritten Schlaganfall nicht überstanden hatte, danach sein Onkel, zudem Joshs Mutter jeden Kontakt verboten hatte, als herauskam, dass er heimlich die Kleider seiner Frau trug und nun seine kleinen Schwestern - die wichtigsten Stützpfeiler seines Lebens.

Konnte Sam ihn überhaupt verstehen? Versuchen würde sie es, ohne Frage, die Frage war nur konnte sie es auch wirklich?

Sam war ein Schmetterling, keine Motte. Sie lebte in einer anderen Welt. Nicht in seiner, nicht in der Welt von schäbigen Motten. Motten wie er. Schmetterlinge waren überheblich und sie war ein überheblicher, beschissener Schmetterling, die nichts für ihre verzweifelte Motten-Freundin getan hatte und sie könnte niemals, verdammt, niemals Josh verstehen.

(Aber warum schmerzte es, sie anzusehen?)

Darauf wusste er tatsächlich keine Antwort. Denn er wollte wegschauen, konnte aber nicht. Josh wollte Sam direkt in die Augen sehen, nicht mit dem schwarzen Kunststoffaugen der Maske dazwischen, die seine Sicht fast genauso trübte wie die Nebenwirkungen seiner Medikamente. Denn Josh wusste - dieser Gedanke hatte ihn schon am Anfang seiner Pläne verfolgt, doch hatte er ihn die ganze Zeit versucht in seinem Kopf zu vergraben und nun, in einem kurzen Moment seltener, vollkommener Vigilanz - wenn diese Nacht um war, würde ihn Sam nie wieder so ansehen. Direkt in die Augen. Als Freunde.

Als…

Sie und Chris und Ashley und… sie alle würden ihn nie wieder ansehen, sie würden neben ihrer Schuld und ihrer Scham nur Hass für ihn empfinden und wenn sie ihn ansehen würden, würde er ihren Hass in ihren Blick spüren, fühlen, schmecken und riechen können.

(Ob sie dann auch nach Irish Moos riechen würden?)

Doch das war ihm gleich, denn nichts anderes hatte er, eine Motte unter Schmetterlingen, verdient. Und doch…

Vorsichtig nahm er die Maske ab, ohne den Blickkontakt zu Sam dabei zu unterbrechen und ließ sie ungeachtet zu Boden fallen. Weiter über Sam gebeugt kam er ihr etwas näher und ihre Augen hatte die anfängliche Leere der Benommenheit verloren.

„Ich habe stets gehofft, dass ihr mich von selbst findet… Dass ihr zu mir kommt, ohne dass ich so ein Theater veranstalten muss. Das du mich findest, Sam…”

Sam streckte langsam, fast vorsichtig, da sie alles immer noch eher verschwommen wahrnahm, beide Arme nach oben, verschränkte sie in seinem Nacken und Josh war überrascht, dass sie doch noch so viel Kraft hatte ihn herunterzuziehen, näher an ihr Gesicht, um ihn küssen zu können. Direkt auf die Lippen. Sachte, aber fordernd.

Und Josh ließ es zu, ließ sich zu ihr auf den Tisch ziehen, auf ihren Körper und vergaß seine Pläne, die Vorbereitungen und die Monitoren, auf denen man sehen konnte wie Ash und Chris zurück in Lodge gingen, wie Emily und Matt orientierungslos durch die Wälder huschten und dabei von Etwas im Schatten verfolgt wurden.

Er dachte nur an Sam und wie er ihr das Handtuch vom Körper reißen konnte und wie zart und schlank ihre Beine waren, die er um seine Hüften spürte. Josh spürte Schmerz, als Sam ihre Hände in seine Haare krallte, genau an der Stelle wo ihn der Baseballschläger getroffen hatte. Er stöhnte zwar, aber der Schmerz den er spürte machte ihn nur geiler. Und Sam, Sam und das Gefühl ihrer Zunge, die seine Lippen berührte, wie sich ihr nackter Körper in seinen Händen anfühlte, wie Sam sich immer mehr an ihn presste und Josh hart, verdammt hart wurde, bis sich sein steifes Glied gegen den Stoff des Overalls drückte und begann sich die viel zu großen Kleider auszuziehen.

„Sam… Sam, ich…”

Sie unterbrach ihn jedoch durch einen weiteren Kuss und die Klarheit und die Stärke in ihren grünen Augen kehrte zurück

(Grün nicht blau nicht BLAU wie dieser beschissene Schmetterling dieses überhebliche Etwas dass nun in Einzelteilen auf Dr. Hills Schreibtisch lag!)

und trotz der Gefahr, dass sein kleiner Streich hier nun enden könnte, ging er auf dieses Risiko ein, mit dem überragenden Gefühl in seinem Körper, dass er schon gespürt hatte, als er dieses arrogante Insekt zerschlagen hatte, fuhr seine Hand zwischen Sam’s Beine…

(Sie ist Hannahs beste Freundin.)

Josh hielt inne. Dieser Gedanke der ihn so übermannt hatte, war bezüglich dieser Situation und im Zusammenhang zu dem Geschehen vollkommen absurd - zumindest war dass das erste Wort, dass Josh dazu in den Sinn kam. Und Hannah wäre wohl die Letzte gewesen, die etwas dagegen gehabt hätte, dass Josh etwas mit Sam anfing. Er meinte sogar sich zu erinnern, dass sie ihn mal dazu angestachelt hätte, Sam um ein Date zu fragen.

Aber diese Absurdität und die anschließende Ernüchterung war die Notbremse die Josh gebraucht hatte und seinem Körper die Zeit gab das Blut, dass sich in seinem Penis gesammelt hatte wieder in seinen Kopf zu pumpen.

Er ließ von Sam ab, taumelte regelrecht vom Tisch und von ihr weg. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet, sein Herz hämmerte noch einige Sekunden wie wild in seiner Brust, als würde es jeden Moment herausspringen, wie in den Horrorfilmen seines Vaters. Seine Hände zitterten noch einen Moment, ob es wegen der Erregung war oder der Kälte, die plötzlich durch seinen Körper fuhr konnte er nicht wirklich bestimmen, aber als das Beben in ihnen nachließ griff Josh nach seinem Hemd, dass er unter dem Overall getragen hatte und zu seiner Maske auf den Boden geworfen hatte und zog es sich wieder über.

Das war der erstbeste Gedanke gewesen? Die Erkenntnis, dass es die beste Freundin seiner kleinen Schwester war? Da gab es noch so viel mehr, so viel mehr, beste Freundin AM ARSCH, sie war doch mit Schuld, wegen ihr sind Hannah und Beth fort, sie ist genauso ein beschissener, dreckiger Schmetterling wie die ganzen anderen Arschlöcher!

Aber besser der Gedanke an Hannah hatten ihn gebremst, als an seinen Vater. An ihn wollte Josh nicht denken. Nicht in diesem Moment.

(Ich habe dich davor gewarnt, ich habe dir doch gesagt du sollst das Mädchen in Ruhe lassen, was soll jemand wie sie mit jemanden wie dir, du verdammtest Stück Scheiße musst du alle um dich herum immer nur unglücklich machen so wie deine Schwestern du Psychopath!)

Er mag ein Psychopath sein, ja, ein krankes Stück Scheiße, aber kein Perverser, der über betäubte Mädchen herfiel. So tief war er noch nicht gefallen.

Das wollte er Sam nicht antun.

„Josh… Wo…?”

Aber Sam konnte ihre Frage nicht beenden, Josh hatte sich wieder die Atemmaske gekrallt, das Ventil voll aufgedreht und es dauert keine Minute bis sie einschlief, doch um ganz sicher zu gehen drückte er ihr länger wie nötig die Maske ins Gesicht und Josh konnte auf seinen Händen Blut sehen und darin waren Glassplitter und kleine, himmelblaue Schuppen von Schmetterlingsflügeln.

Vorsichtig berührte Josh Sam an den Schultern und als er sich zu einhundert Prozent sicher war, dass sie so schnell nicht mehr aufwachen würde hob er seine Maske auf, setzte sie aber nicht gleich wieder auf, sondern fuhr mit den Fingern über seine Lippen, als er etwas Fremdes auf ihnen schmeckte. Joshs Fingerkuppen waren rot, aber es war kein Blut. Sams knallroter Lippenstift...

(Wieso hat sie nie gesagt, dass ihr Vater sie misshandelt hat?)

Josh wusste es, aber doch war es Dr. Hills Stimme, die ihn antwortete:

(Aus dem gleichen Gründen warum Christopher Ashley immer noch nicht seine Gefühle gesteht warum Emily gegenüber Matthew behauptet nichts mehr für Micheal zu empfinden und warum du dich nach dem Tod deiner Schwestern heimlich hast einweisen lassen weil ihr alle kleine verdammte Feiglinge seid Falter egal ob Schmetterling oder Motte jagen nicht sie fliehen nur, denn sie sind feige und du bist der größte Feigling von allen, Joshua!)

Ja… ja, das stimmte.

Auf den Überwachungskameras, die innerhalb des Anwesens installiert waren, waren Chris und Ash zu sehen, mit Taschenlampen ausgerüstet, vermutlich auf der Suche nach Sam. Ash betrachtete gerade ein Foto von Hannah, als Josh einen Knopf für die Gasleitung betätigte und die Kerzen rund um das Foto seiner kleinen Schwester zum brennen brachte. Er konnte Ashs Angstschrei nicht hören, aber sich ihn sehr gut vorstellen. Sie und Chris gingen Richtung Keller. Das war schlecht, er hatte sich noch einiges ausgedacht und hatte gehofft er könnte die beiden noch etwas beschäftigen, bis der Rest wieder da war. Ansonsten musste er das Grande Finale für die beiden wohl etwas vorziehen.

(Alles die Schuld von diesem Wichser Mike wenn er so lange brauchte um seine Freundin zu knallen soll er sich wenigstens vorher ein paar Pillen einwerfen und was Em und Matt gerade taten, darüber dürfte man am Besten auch nicht nachdenken)

Vielleicht schaffte er es aus Chris im Angesicht des Todes ein Liebesgeständnis rauszuholen. Das wäre der perfekte Höhepunkt, nachdem der Rest Josh mit ihrer Nichtanwesenheit enttäuscht hatten.

Und Sam…

Für sie musste er sich was anderes einfallen lassen. Solange musste sie woanders hin. Irgendwo wo sie weit weg von ihm war, wo er nicht noch mal in Versuchung kommen würde…

Wieder mit der Maske auf seinem Gesicht, seinem Atem und den Schritten seines schweren Ganges im Ohr trug Josh die betäubte Sam erneut durch den Untergrund. Diesmal jedoch nur zwei, drei Räume weiter. Er fand einen geeigneten alten Lagerraum und dazu ein Seil in einem der vermoderten Kisten. Er platzierte Sam vorsichtig auf einem Stuhl in der Ecke und fesselte mit dem Seil erst ihre Handgelenke, anschließend ihre Fußknöchel. Schön fest, damit sie weiter vor sich hinschlummern konnte, ohne den Halt zu verlieren.

„Warte hier auf mich, Sammy. Ich bin bald wieder zurück.”

Hatte er auf eine Antwort gehofft? Vielleicht, dass ihm sein Verstand eine vorgaukelte oder dass Dr. Hill etwas dazu sagen würde, aber nichts davon trat ein, nur das Hämmern in seiner Brust, als sein Blick wieder auf ihre Lippen fiel

(die ihr Vater blutig geschlagen hatte nicht zu fassen dieser Idiot Dad war schlauer gewesen er hatte immer dort hingeschlagen wo es auch keiner sehen konnte)

und in ihm das erneute, ganz kurze Verlangen in ihm hochkam doch noch einmal…

Nein. Er hatte noch was vor. Er musste Chris und Ash eine gelungene Show abliefern. Eine Show die die ganze Welt zu sehen bekommen würde. Eine Show die Hannah und Beth gerecht werden konnte.

Die zufallende Tür hinter ihm hörte Josh nicht mehr, auch nicht das Echo seines eigenen Atems oder seiner Schritte, nur das Widerhallen seiner eigenen Gedanken, an Hannah und Beth und

( Sam )

er hörte wieder Dr. Hills Stimme, erst war sie fern, kam jedoch näher und näher und er fragte Josh wie es ihm ergangen war seit seiner letzten Sitzung und was er wieder angestellt hatte, zusammen mit dem Geruch von Irish Moos.

Josh war in seiner Welt. Einer dunklen, isolierten Welt für Motten, den Schmetterlinge waren Tagfalter und Motten waren Nachtfalter und dort gehörten sie hin.

Ins Dunkle. Allein. Wo nie ein Schmetterling hin kommen würde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Trivia:

- "the Emperor of the Ant" gibt es wirklich, dass ist ein italienisches Kinderbuch (Originaltitel: "Ciondolino", auf deutsch "Max Butziwackel der Ameisenkaiser"... ja, das heißt auf deutsch wirklich so!) von Luigi Bertelli aus dem Jahr 1893.
- die erwähnten Filme von Josh's Vater kann man alle in der Lodge finden, entweder als Poster und auf einer Auszeichnung.
- in der Companion App heißt es über Jessica, dass sie früher Ballerina war, nun Cheerleader und sie später Model werden möchte, daher sind ihre angedichteten Schmink-Skills nicht unbedingt abwegig.
- dass Josh wie sein Vater Regisseur werden will steht da übrigens auch, ebenso dass Ashley keine Horrorfilm mag.
- aus den Akten die am im Spiel findet geht hervor, dass Josh schon 6 Jahre vor den Ereignissen der Haupthandlung, als bereits mit 14 Jahren psychische Probleme hatte.
- Dr. Hill hat bei seiner Sitzung etwas von Star Wars zitiert und die Autorin hat es nicht gemerkt. Ich bin ein Nerd. Tschuldigung. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Raishyra
2015-09-24T13:17:52+00:00 24.09.2015 15:17
Oh mein Gott, ich liebe es. Zum einen hat dein Bild es mir sowieso mit diesen Pärchen angetan und dazu dieses geile FF! Ich liebe es, ich brauche mehr xD Ohh verdammt, ich warte wie ein Flitzebogen nun schon auf das nächste!
Antwort von:  Rakushina
24.09.2015 15:27
Okay xD
Ich hatte schon befürchtet es wär doch zu düster gewesen. Ich steh einfach auf kein Fluff oder Romantikkam. Aber hauptsächlich, weil ich mir ja sehr, seeehr viel rausgenommen habe, grad was die familiäre Geschichte von Josh und Sam anging.
Also tumblr war not amused lD
Antwort von:  Raishyra
24.09.2015 18:05
Es hätte anders absolut nicht gepasst. Es ist nun mal Horror und die ganzen Familiensachen passen auch echt super :3 Also ich könnte mir das mit den Familien auch so gut vorstellen. tumblr ist denn doof :( Lade am besten alles hier hoch, dann kann ich dich weiter hin schön die Story stalken :D
Von:  KizuYukiha
2015-09-10T22:57:22+00:00 11.09.2015 00:57
Endlich kam ich dazu sie auch zu lesen xD Auch wenn sie inzwischen hochgeladen ist. Nja! Finds sehr gelungen, hätte auch Prima ins Game gepasst :D Über solche Szenen hätte ich mich glaub doch irgendwie gefreut XD Auch dieser Schmetterling-Motten-Vergleich, den du ja sowieso so magst passt da genau rein. Armer armer Josh. Ich wette in deinem kranken perversen Kopf hast du die beiden Vögeln lassen, es dann aber offiziell bei einem "Rückzug" von Josh belassen :P


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