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Underworld II

Der Satansbraten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Oof, jetzt kommt ganz viel Royal-Talk. Ich hab aber schwierige Verben ausgelassen, genug ist genug haha. Komplett anzeigen

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Die Leiden einer Königin

~ Helenas Sicht ~
 

Mutter sagte immer "Wenn du verheiratet bist, musst du dich vor nichts mehr fürchten". Ich wusste nie was sie meint. Und jetzt, nachdem ich verheiratet bin, verstehe ich es immer noch nicht.
 

Seit ich hier bin, habe ich mich einsam gefühlt. Die Diener sind die einzigen, die Unterhaltungen mit mir führen, allerdings nur kurze, zweckmäßige und oberflächliche Unterhaltungen. Und der König? Ich kann froh sein, wenn er mir überhaupt antwortet!

Ich verstehe nicht, inwiefern er zu mir passt. Hera hätte nie zwei Seelen verheiratet, die schlecht füreinander wären, und Mutter, sie.. Sie war sich sicher, dass es mir hier gut gehen wird. Ich vermisse sie.
 

Ich gehe in meinem Zimmer auf und ab. Es ist schön. Luxuriös und geräumig. Die Kleider, die ich geschenkt bekommen habe, sind aus feinster Drachenherzfaser und reißen nie. Der Stoff ist häufig im Schloss anzutreffen. Die Muster auf den Kleidern sind edel und repräsentieren, wofür dieses Herrschaftsgebiet steht. Ähnlich wie die Rahmen der Galerie sind sie ein Statussymbol, das sich sehen lässt. Mutter wäre stolz mich in soetwas zu sehen, wie das Kleid, das ich anzog, um des Königs Mutter, der Göttin Persephone persönlich, zu imponieren. Sie hatte sich auf der Hochzeit stolz und blumig gezeigt, so heiter und voller Leben. Das habe ich lange nicht mehr gesehen, etwas derartiges gibt es nicht hier in der Hölle.
 

Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich die Schublade meines Spiegelschrankes beäuge. Bis zum Dinner dauert es bestimmt noch, also könnte es nicht schaden wieder einen Blick hineinzuwerfen.

Sogleich zücke ich den Schlüssel und schließe meine Geheimschublade auf. Darin befindet sich nichts anderes als Erinnerungsstücke meiner Familie und Heimat. Bilder aus meinem geliebten Sparta. Mein Titel "Helena von Troja" ist irreführend. Eigentlich bin ich in Pephnos geboren, eine Stadt im alten Lakonien, ein paar Kilometer entfernt von Sparta. Aber ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Sparta verbracht, bis ich zum Olymp aufgestiegen bin. Die Trojaner waren Türken, keine Griechen, und obwohl manche von ihnen mich entführen wollten, bin ich nie dort gewesen.

In der Schublade liegen Andenken meiner Brüder, die sich als ehrwürdige Krieger bewährt haben und mich vor meinen Entführern retteten. Ich bin nicht das einzige Kind gewesen, das aus der Verbindung von Zeus und meiner Mutter hervorgegangen ist. Zwar durfte ich nicht viel tun außer mich weiterzubilden und mich um meine sterbliche Halbschwester zu kümmern, aber ich habe meine Brüder sehr gern gehabt und mich immer gefreut, wenn die Armee zurückkam und sie wieder heimbrachte. Manchmal bin ich sie besuchen gegangen, jedoch nur unter strenger Aufsicht meines Ziehvaters, der nicht wollte, dass sich die rüpelhaften Soldaten etwas Ungezogenes erlauben. Dabei waren sie allesamt ganz reizend und zuvorkommend.

Wie gern würde ich wieder ihren Geschichten lauschen.
 

»Helena«, erklingt Luzifers Stimme. Reflexartig schiebe ich die Schublade zu und drehe mich zu ihm um. Auch er hat sich Mühe gegeben präsentabel auszusehen. Er trägt einen prunkvollen Anzug, seine Krone, die ich noch nie außerhalb von Gemälden gesehen habe, und teure Juwele.

Ich richte meine Tiara und ziehe das Kleid zurecht. Die Zeit ist gekommen.

»Meint Ihr ich bin bereit dafür?«, frage ich ihn nervös.

»Es ist machbar. Ich werde es überleben und Ihr ebenfalls. Jetzt kommt, sie wartet schon«, antwortet er, greift mein Handgelenk und zieht mich mit. Ein überraschter Schauer fährt mir über den Rücken. Das ist der erste Körperkontakt seit der Hochzeit, und ich konnte mich noch nichteinmal darauf einstellen.

Ich bin gespannt, wie der Abend verlaufen wird.
 


 

Der Speisesaal ist groß und prunkvoll, so wie die meisten Empfangsbereiche des Schlosses. Der Esstisch ist ebenfalls lang und für viele Gäste gedacht.

Persephone setzt sich auf den bequemen Stuhl am Ende des Tisches, um alle im Blick zu behalten. Dieser Sitz ist reserviert für den höchstrangigen Hausherren. Normalerweise pflegt Luzifer-sama dort zu verweilen, jedoch muss er sich heute an einen anderen Platz begeben, da die Königsmutter als Elternteil und als Herrscherin der gesamten Unterwelt heute ganz klar die Befehlsgewalt besitzt.

Luzifer-sama begibt sich auf den Stuhl zu ihrer Linken. Als ich gerade überlegen will, wo der beste Platz für mich wäre, da setzt sich Lena zu Persephones Rechten. Oh je.

Das ist ein Test. Ich muss mich zu meinem Ehemann setzen. Also dann, tief durchatmen, und los geht's.

Einer der Servants hilft mir netterweise mit dem großen schweren Stuhl und zieht ihn zurück, damit ich mich bereitstelle, und schiebt ihn dann wieder vor, damit ich mich setzen kann. Wie zuvorkommend.

»Ich denke ich nehme zum Einstieg das Erdbeer Eclair vom letzten Mal, das hat mir gut gefallen, mit einem starken Kaffee«, schlägt Persephone vor.

Luzifer-sama gräbt eine Hand in sein rechtes Horn und beißt beschämt die Zähne zusammen.

»Den Konditor.. hab ich gefressen..«, murmelt er schuldbewusst.

»Tsk, Luzifer, also wirklich«, zischt die Königsmutter.

»Er hat sich was erlaubt, er-«.

»Ich will es gar nicht wissen«, sagt sie und reibt sich die Schläfen, »Schön, dann nehme ich einen Cognac. Lena, Ellbogen vom Tisch«.

»Sorry«, erwidert diese und hätte wohl stattdessen ihre Füße hochgelegt, wenn die Anweisung von Luzifer-sama gekommen wäre. Dieses Verhalten kenne ich aus meiner Familie. Meine Brüder haben sich auch ständig unmöglich verhalten. In der spartanischen Armee werden einem keine Manieren beigebracht. Da muss ich mir ein Kichern verkneifen.

»Heute habe ich Lust auf herbe Geschmäcker, nicht immer dieser Süßkram, den du dir hinterziehst«, sagt Lena zu Luzifer-sama und erntet einen gehässigen Blick dafür.

»Ich esse eben gar nicht nur Süßes, ich mag Salziges genauso gern«.

»Alles klar, Flittchen~«.

»Oy! >:0«.

»Kinder, am Tisch wird nicht gestritten«.

»Sie hat angefangen!«, sagt er und gestikuliert in die Richtung seiner Schwester.

»Und ein König sollte sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen«, entgegnet Persephone gelassen und schaut dann mich an. Abwartend, als ob ich etwas sagen sollte. »Habe ich nicht recht?«.

»Natürlich, gnädige Mutter des Frühlings«.

Sie lächelt auf meine Schmeichelei hin.

»Und nach was gelüstet es Euch heute, Helena-Schätzchen?«.

Ich überlege kurz. Ich könnte etwas auswählen, das jedem gerecht wäre, oder mich einfach enthalten. Allerdings gibt es da schon eine Sache, die ich gern wieder essen würde, weil es mit schönen Erinnerungen verbunden ist, die im Moment das einzige sind, was mir bei meinem Aufenthalt in der Hölle Trost spendet.

»Ehrlich gesagt«, beginne ich und schaue mit nostalgischem Blick auf den edlen Holztisch aus dunklem Mahagoni, »sehne ich mich nach Schwarzbrühe«.

Lena schaut entsetzt. »Diese essighaltige Blutsuppe, die Spartiaten vorgesetzt bekommen?«. Die anderen schauen überrascht. Selbst Luzifer-sama sieht mich mit einem interessierten Blick an. Das hat er noch nie getan.

»Ihr.. Ihr mögt auch blutiges Essen?«, fragt er leise und sein Schweif peitscht zuneigend in meine Richtung.

Du meine Güte, da werde ich ja rot vor dieser ganzen Aufmerksamkeit.

»Ein traditionelles Mahl wie dieses habe ich ja lange nicht mehr in Betracht gezogen«, staunt Persephone, »Eine gute Wahl«.

»Was?!«.

»Was ist denn, Lena? Bist du nicht ein Teufel wie deine Geschwister auch?«.

»Ja, schon«, sagt sie und verschränkt die Arme, »Aber das ist ein militärisches Gericht. Es ist zum Überleben gedacht, nicht zum genießen!«.

»Untersteh dich, Lena. Es ist nicht dein Platz die Speisenwahl der Königin niederzureden. Zeig Respekt. Immerhin ist es doch dem starken und tapferen Volk der Spartaner zu verdanken, dass Europa nicht von den Persern eingenommen wurde, nicht wahr?«.

Ich lächele und erröte erneut. Dass sich die Göttin Persephone für mich und meinen menschlichen Hintergrund einsetzt! Mich, ein bloßes Halbblut-Kind des Zeus! Wenn Mutter mich jetzt sehen könnte!

»Na gut. Wenigstens ist es sehr herb«, murmelt Lena. »Aber mit Wein dazu!«.

»Solltest du nicht auf deine Figur achten?«, fragt Luzifer-sama.

»Provozier mich nicht«, droht Lena und deutet mit ihren Augenbrauen auf ihre Mutter. Wie es aussieht eine Andeutung, dass sie seine Geheimnisse jederzeit petzen kann, und er sich deswegen hüten sollte so mit ihr umzugehen.

»Gegen Wein ist nichts einzuwenden, fürs erste«.

»Na gut«, sagt Luzifer-sama und winkt ab, wie es aussieht als Einverständnis.

»Dann ist es entschieden«, verkündet Persephone und lässt durch einen Servant der Küchenchefin ausrichten, was heute Abend auf den Tisch kommt. Der Servant verneigt sich und verlässt diskret den Saal.

»Wie geht es Vater?«.

»Lenk nicht vom Thema ab, Luzifer, ich weiß du willst nur Zeit schinden. Sagt schon ihr zwei, wie läuft es zwischen euch?«.

»Bestens«, lügt Luzifer-sama. Ob das gut geht...?

»Kommt ihr auch gut miteinander aus? Luzifers Besitzkomplex scheint Euch wohl nicht zu stören, Helena«.

»Es läuft alles gut«, sage ich und wünschte das Essen wäre bereits hier, damit ich mich darauf konzentrieren und mich von meiner Nervosität ablenken kann.

»Ist das so? Ihr zwei wirkt so distanziert von einander«.

Der Wein ist serviert. Ohne viel Zeit zu verlieren nehmen sowohl Luzifer-sama als auch ich einen großen Schluck. Oh je, er ist wohl genauso nervös wie ich.

»Hm, naja«, sagt sie scharfzüngig, »Ich hoffe doch, dass ihr wenigstens miteinander schlaft«.

Ich verschlucke mich am Wein und er stellt seinen sofort ab. Er schirmt mit der linken Hand sein Gesicht für mich ab und dreht sich beschämt zu Persephone.

»Mutter..!«.

»Was ist? Du weißt, dass dein Vater und ich Enkel wünschen«. Enkel? Jetzt schon? »Also? Ich habe dich etwas gefragt, junger Mann«.

Luzifer-sama denkt nach, scheint sich dann aber in Erinnerungen zu verlieren. Gedankenversunken zieht sich sein Mundwinkel langsam nach oben, vermutlich unfreiwillig.

»Na?«, hakt Persephone nach.

Er erwacht aus seinen Tagträumen.

»Oh, äh, ja könnte man so sagen«, lügt er und nimmt noch einen Schluck Wein.

Er hat ganz bestimmt nicht an mich gedacht, sondern an jemand anderen. Jemanden, mit dem er wohl schon so einiges angestellt hat.

»Dann seid ihr euch also schon sooo vertraut als Ehepaar?«.

»Jap«.

»Beweise es«.

»Äh, wie meinen?«, fragt Luzifer-sama und schwenkt seinen Kelch mit lockerem Handgelenk.

»Küss deine Königin. Dagegen hast du doch bestimmt nichts einzuwenden, oder?«.

Er soll was? J-jetzt? Das kann ich nicht!

Er stellt seinen Kelch ab und lächelt siegessicher.

»Ha! Nichts leichter als das!«.

Eh-?

Luzifer-sama wendet sich mir zu und streicht mir sachte über die Wange. Die Berührung setzt einen Schock in mir aus und ich kneife die Augen zusammen. Das geht mir alles so schnell, erst will er mich nicht einmal ansehen und jetzt soll er mich einfach so ungefragt küssen?

Ich schätze, das ist das Los einer verheirateten Prinzessin. So muss es wohl sein. Ich wünschte nur, Mutter hätte es mir gesagt. Ich sehe einfach nicht hin und warte, bis es vorbei ist.

».. Ich kann das nicht«, sagt Luzifer-sama und lässt von mir ab.

Überrascht öffne ich die Augen. Es ist nichts geschehen. Nur Luzifer-sama schaut mit finsterem Blick in seinen Wein. Du meine Güte, habe ich ihn verärgert?

Persephones Gesicht ziert ein weises Lächeln. Oh je, den Test habe ich wohl vergeigt...

»Na endlich«, ruft Lena aus, als meine geliebte Schwarzbrühe serviert wird.

Sie sieht genauso aus wie ich sie in Erinnerung habe. Zugegeben, sie schmeckt sehr gewöhnlich und karg. Aber wenn ich sie sehe, dann sehe ich meine Brüder. Und ihre Freunde. Ich höre die alten Kriegsgeschichten und Heldentaten meines Volkes auf der Erde, wo ich aufgewachsen bin. Es ist wie eine Zeitreise in meine Kindheit.

»Da freut sich aber jemand«, merkt Persephone an.

»Jaja, ich hab eben Hunger«, sagt Lena.

»Nicht du. Sieh nur«.

Sie meint wohl mich. Es ist mir nicht aufgefallen, dass sich einige Tränen aus meinen Augen geschlichen haben und an meinem breiten Lächeln herunterkullern.

»Ist alles in Ordnung, mein Kind?«, fragt Persephone liebevoll.

»Wie? Oh, ja, alles bestens. Entschuldigt«, sage ich und wische mir diskret über die Wangen.

»Kopf hoch, Luzifer. Ich wusste von Anfang an, dass ihr zwei noch nicht so weit seid. Du kannst mir nichts vormachen. Wahrscheinlich schlaft ihr nicht einmal beieinander«. Persephone schaut nun mich an. »Bestimmt kennt Luzifer nicht einmal deine Augenfarbe, Helena«.

»Stimmt gar nicht! Sie hat ähhh...«.

Ist das sein Ernst?

Er späht herüber, aber die Genugtuung gönne ich ihm nicht und schließe die Augen.

»... Mist«.

Ich kichere.

»Und bestimmt hast du nicht ein Mal das Wort "wir" benutzt. Ich kenne dich doch«.

»Und wenn schon. Bist du nur hergekommen, um mich kleinzureden?«.

»Keineswegs«, antwortet sie schlicht und wendet sich wieder dem Dinner zu, allerdings nicht lange. »Du isst ja gar nicht«.

»Mir ist der Appetit vergangen«.

»Na na, das ist nicht gesund. Du musst essen, wie willst du sonst groß und stark werden?«.

»Mutter, ich bin kein Kind mehr«.

»Ach, bist du nicht?«, scherzt Lena. Er ignoriert diese Aussage.

»Willst du, dass ich den Sonnenwagen mache?«.

»Nun übertreib doch nicht, ich esse ja schon«, gibt er sich geschlagen und probiert die Suppe.

Neugierig erwarte ich seine Reaktion. Sie scheint ihm zu schmecken. Sehr sogar. Das macht mich irgendwie stolz.
 


 

Der restliche Abend verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Die Königsmutter Persephone bleibt über Nacht. Luzifer-sama gibt sich glücklicherweise nicht die Mühe mit mir ein Bett zu teilen, da wir bereits als ungeeignetes und fehlerhaftes Paar aufgeflogen sind.

Ich versuche nicht darüber nachzudenken, was ich hätte ändern können. Es hätte kein anderes Ergebnis geben können. Wie lange also soll es noch mit uns weitergehen?

Jemand klopft an meine Zimmertür. Mir graut vor der Vorstellung, wer es sein kann.

»Herein«, sage ich schnell.

Die Tür öffnet sich und hinein späht Caren. Ich atme auf.

»Verzeiht die Störung. Ich wollte nachfragen, ob ihr noch etwas braucht«.

»Das ist nett, danke. Mir fehlt nichts«.

»Gut, also.. Ähem, hier ist jemand, der Euch sprechen möchte, Majestät«.

»Oh«, da kommt die Angst wieder hoch, »Wer ist es?«.

»Ach, jetzt lass doch die Formalitäten«, erklingt eine weitere Stimme. Lena gibt sich zu erkennen und drückt Caren beiseite, »Zisch ab, ich regel das ab hier«.

»Bei allem nötigen Respekt, verehrte Königsschwester, aber die Befehlsgewalt hier hat-«.

»Mach 'n Abflug, oder willst du wirklich einer Angehörigen des altehrwürdigen Teufelsgeschlechts schlechte Laune bereiten?«.

»Natürlich nicht! Verstehe schon. Gute Nacht«.

»Gute Nacht, Caren«, wünsche ich ihr noch, bevor sie verschwindet.

Lena kommt im Nachtgewand ins Zimmer geschlurft und gesellt sich zu mir.

»Was für ein Abend, was?«, fragt sie und gähnt, ihre Fangzähne frisch geputzt.

»Es war durchaus nicht leicht heute ^^°«.

Sie mustert mich mit einem mitleidigen Ausdruck.

»Wie fühlt Ihr Euch?«, fragt sie und lässt ihren Schweif vom gepolsterten Hocker gleiten. Wie ich mich fühle? Ich fühle mich eingesperrt. Ich fühle mich als würde ich alles falsch machen, das ich versuche hinzukriegen. Ich fühle mich belogen von meiner Mutter, die die Ehe als Lösung aller Probleme beschrieb, aber am meisten vermisse ich die Gesellschaft von den Menschen, denen ich wirklich etwas bedeute.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

»Ihr seid nicht hier, um mit mir Smalltalk zu führen, so kurz vor der Schlafenszeit. Was ist es wirklich?«.

»Meine Mutter kann hinterlistig sein, und ja ihre Methoden sind nicht immer von der feinen Sorte, aber sie ist hier, weil sie etwas in Euch sieht. Euch beiden«.

Ich schnaube leise und meide ihren Blick.

»Was kann das schon sein?«.

»Sie hat mir gesagt, dass ihr auf einem guten Weg seid, euch zu einem guten Ehepaar zu entwickeln«.

»Pardon?«.

»Ja, echt. Ich kann's auch nicht glauben«, sagt sie und grinst, »Das Dinner war kein Reinfall und ich bin hier um Euch zu sagen, dass Ihr Euch irrt, wenn Ihr denkt, dass es das wäre«.

»Das ist lieb von Euch, aber ich verstehe nicht wie«.

»Mutter hat es mir erzählt«, sagt sie und rekelt sich auf dem teuren Mobiliar, »Sie wusste, dass Ihr Euch gegen den Kuss wehren würdet, Helena. Und sie wusste auch, dass Luzifer keine Scheu oder Skrupel hat jemanden einfach so zum Beweis zu küssen. Hätte er Euch geküsst, hätte er gar nichts bewiesen. Höchstens, dass er ein Schwachkopf ist«.

»Nanu.. «, murmele ich und denke an den Ausdruck zurück, den er hatte, als er sich von mir abwandte.

»Aber er hat nicht zugelassen, dass Ihr Euch quält, oder dass irgendetwas gegen Euren Willen geschieht. Das zeugt von Reife, hat Mutter gesagt«.

»So hatte ich das bisher nicht betrachtet.. :< «.

Lenas Augen schweifen prüfend nach hinten zur Tür und dann wieder zu mir.

»Das war nicht immer so«, flüstert sie, »Ich kenne meinen blöden Bruder gut. Etwas hat sich verändert. Wie es aussieht, hat er doch tatsächlich etwas dazugelernt. Ich denke, dafür könnt ihr Euch bei Hans bedanken«.

Hans? Kann ein einfacher Mensch wirklich so viel Einfluss auf jemanden haben, dass er sich für ihn ändert? Sogar der Teufel persönlich?

Nun, wenn Hans es schafft, vielleicht schaffe ich es ja auch, mit viel Geduld und Zeit.

Ich lächele.

»Wer hätte das gedacht?«.

»Ich nicht, aber naja. Es gibt immer ein erstes Mal«, sagt sie und steht auf. Sie streckt sich und gähnt. »Es ist spät. Ich gehe dann mal. Wir sehen uns morgen«.

»Gute Nacht, Lena«, wünsche ich ihr, als sie sich zur Tür begibt.

»Jaja, wie auch immer. Gute Nacht, oder so«, antwortet sie und verschwindet.

Welch eine interessante Familie.
 


 


 

»Kommunikation ist alles, denkt daran«, teilt Persephone uns als letzten kleinen Rat mit. Der nächste Tag ist eingetroffen und Persephone macht sich mit Lena zusammen aufbruchbereit.

Einerseits ist es schade, dass die Königsmutter nicht länger zu Besuch bleibt, andererseits ist Luzifer-sama froh seine Befehlsgewalt und unangefochtene Autorität wiederzuerlangen nach Tagen der Demütigung durch seine Schwester.

Ich kann es ihm nicht verübeln und denke auch nicht minder von ihm. Ich weiß wie es ist, in der Familie nicht ernstgenommen oder gar unfair behandelt zu werden.

»Nun denn, Luzifer.. «, sagt Persephone und stellt sich ihm gegenüber.

»Hm?«.

»Putzt du dir auch schön die Zähne?«.

»Mutter... Ich bin kein Kleinkind!«, meckert er und lässt die Schultern hängen. Persephone stemmt die Hände in die Hüften.

»Soll ich ungeduldig werden?«.

Luzifer-sama fährt sich genervt durchs Haar.

»Uuuugh, na schön«.

Er ringt sich ein breites Grinsen ab. Mit starkem Griff nimmt sie seinen Kiefer in die Hand und schaut prüfend in den Schlund des Teufels.

Ein sarkastisches "Au" entfleucht ihm und Lena kichert über diese Demütigung.

Persephone lässt ihn los und hält ihm liebevoll die Wange, während sie ihm ein Küsschen auf die andere gibt.

»König hin oder her. Du bist immer noch mein Sohn. Und ich werde nie aufhören dich zu bemuttern«.

»Ja ja, schon gut. Bist du fertig?«.

Persephone schnaubt zufrieden und gesellt sich zu Lena, mit der sie sich auf den Weg zum großen Tor in der Eingangshalle macht.

»Wir sehen uns nächsten Monat«.

»Kann's kaum erwarten..«, murmelt er ironisch. Ich winke den beiden zum Abschied, wie es sich gehört.

Das schwere Eisentor schlägt zu und es ist still. Ich bin mit meinem Mann allein.

Ich seufze.

»So!«, sagt Luzifer-sama feierlich, »Ich hab' noch was vor«.

Er geht.

»Luzifer-sama, ich-«, fange ich an aber er hört nicht auf mich. Er geht aus dem Raum und lässt mich ganz allein. »Ich.. Ich wollte mit Euch reden...«.
 


 


 

Man hätte meinen können, der Inspektionsbesuch der Göttin Persephone persönlich hätte ihn dazu angeregt, ihren Rat zu befolgen und sich zu bessern. Aber das geschah nicht.

So oft ich auch versuche ihm taktvoll über den Weg zu laufen und mit ihm zu reden, er umgeht mich oder blockt ab, wenn ich ihn anspreche.

Er ist immer so beschäftigt, studiert alte Schriften und Bücher über okkulte Magie. Ich höre hinter verschlossenen Toren, wie er sich stundenlang in der königlichen Bibliothek den Kopf zerbricht und nach Antworten sucht. Er ist ganz vernarrt in erdliche Angelegenheiten. Und in Hans.

Bin ich ihm völlig gleich?
 

Heute Abend habe ich mich entschieden. Ich fasse ich mir ein Herz und betrete die Bibliothek. Wenn Persephone recht hat und Kommunikation wirklich unabdingbar ist, dann wird das hier die Veränderung sein, die ich brauche. Die wir beide brauchen.

Mutigen Schrittes wage ich mich näher an Luzifer heran, der sich auf einem Sessel eingerollt und seine Nase in einem Buch namens "Menschliche Biologie" vergraben hat. Meine Schritte klingen auf dem dicken Teppich gar nicht mehr so stark und einschüchternd.

Ich warte gar nicht erst darauf, dass er mir die Höflichkeit erweisen könnte und sein Buch ablegt.

»Luzifer, wir müssen reden«.

»Keine Zeit, hab zutun«.

Sofort nehme ich ihm das Buch weg und rücke ihm auf die Pelle.

»NEIN, WIR REDEN!«.

Das hinterlässt ihn sprachlos. Gut, er hört mir endlich zu.

»Denkst du tatsächlich, das hier wäre ein Leben?! Ich verschwende mein Dasein zur Zeit mit einem Mann, den ich kaum kenne! Du weichst mir aus, ignorierst und vergisst mich komplett! Du kennst weder meine Augenfarbe, noch weißt du sonst etwas über mich!«.

Er zieht die Brauen zusammen und meidet meinen Blick. Ich lasse das Buch fallen und fahre fort:

»Und genauso wenig weiß ich über dich«.

Jetzt schaut er mich wieder an.

»Wie soll denn einer von uns glücklich werden? So kann es doch nicht ewig bleiben! Ich bin einsam, Luzifer! Ich lebe in Einsamkeit mit einem mir-unbekannten Ehemann, den ich nicht liebe - oder jedenfalls nicht lieben lernen kann, wenn alles so bleibt wie es ist!«.

Schweigend beißt er die Zähne zusammen und mustert mich angespannt.

»Sag doch irgendwas!«.

Er schnellt hoch und küsst mich.
 

Ich bin so perplex, dass ich mich gar nicht rühren kann. Das ist der erste Kuss seit... überhaupt.

Er lässt von mir ab. Sachte streicht er mir eine Strähne aus dem Gesicht und mustert mich.

»Das muss sehr schwer für dich sein. Erst diese Zwangsehe und dann auch mein Verhalten. Die Wahrheit ist, ich wollte nicht, dass sich mein Leben einfach so ändert und habe meinen Frust an dir ausgelassen. Das hast du nicht verdient. Es tut mir leid«.

Wenn ich ihm so nah bin wirkt er so.. anders. Und diese Worte von ihm zu hören, das ist seltsamerweise beruhigend. Es fühlt sich tröstend und einladend an.

»Woher der Sinneswandel?«, frage ich und werde rot.

»Das mag jetzt komisch klingen, aber du warst es. Ich bin dir aus dem Weg gegangen und habe dich ignoriert, weil ich wusste, wenn ich dich zu lange ansehe, dann..«.

In mir steigt Furcht hoch. Wenn ihn etwas zu lange nervt, kann er aggressiv werden, er könnte-

»... Dann gefällst du mir immer mehr«.

»Oh.. .///. «. Denkt er das wirklich?

»Ich gebe es zu. Ich hegte einen Groll gegen die Heirat, gegen Hera und meine Eltern.. und den habe ich auf dich projeziert, obwohl ich dich von Anfang an angenehm und sogar ganz reizend fand. Aber das wollte ich nicht zugeben und habe deshalb versucht mir einzureden, dass ich dich nicht mag und das alles wieder so wird wie früher«.

»Aber das wird es nicht«, sage ich und halte ihn an den Schultern. »Für keinen von uns«.

Sein Schweigen sagt mehr als Worte. In seinen Augen spiegelt sich Verlust wider. Verlust von Vertrautem und Furcht vor Neuem. Aber auch Neugier auf die Zukunft, die wir gemeinsam erschaffen können.

»Deine Augen sind aus Gold«.

Ich lächele verlegen.

»Dann kennst du ja jetzt ihre Farbe«.

Er umfasst meine Hand mit seinen.

»Dann werde ich dir von nun an ein besserer Ehemann sein«, flüstert er und küsst sie, »Ich verspreche es«.
 

Mutter sagte einmal "Wenn du verheiratet bist, musst du dich vor nichts mehr fürchten". Jetzt verstehe ich, was sie meint. Denn so in Luzifers Armen zu liegen gibt mir ein Gefühl des Vertrauens, das ich lange nicht mehr gespürt habe.

Es fühlt sich gut an.



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