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Seduce Me!

Drei sind (k)einer zu viel
von

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Die Diagnose

Als Takashi und Katsuya am Hauptbahnhof in Fukuoka antrafen, wurden sie bereits von Herrn Sugiyama erwartet, der sie abholen wollte. Er war ein sehr schlanker und charismatischer Mann von 41 Jahren mit einer ruhigen und sanften Erscheinung und blassen, aber sehr schönen Händen. Er begrüßte die beiden und bot an, sie in seinem Auto zu fahren, was die Zwillinge dankend annahmen. Als sie gemeinsam zum Apartmentgebäude fuhren, wo die Amanos ihre Wohnung hatten, mussten sie schnell feststellen, dass niemand da war oder zumindest niemand öffnete. Durch das laute Klopfen aufmerksam gemacht, öffnete sich die Nachbarwohnung und eine Frau um die Mitte fünfzig kam heraus. Sie wischte sich ihre Hände an der Schürze ab und musterte die drei mit einem skeptischen Blick.

„Da können Sie klingeln und klopfen, so viel Sie wollen. Da ist niemand da.“

„Wissen Sie vielleicht Genaueres?“ fragte Herr Sugiyama und sogleich wanderte der Blick der Dame zur Wohnungstür der Amanos. „Heute Mittag war mal wieder nur Lärm zu hören. Wirklich eine unmögliche Familie. Und heute war es sogar noch schlimmer als sonst. Es hörte sich fast so an, als würden die sich gegenseitig umbringen wollen und da war wohl ein ziemlicher Streit im Gang. Wenn man direkt nebenan wohnt, dann muss man sich das ja leider immer wieder mit anhören und ich habe schon oft genug die Polizei wegen der Lärmbelästigung gerufen. Ich war gerade beim Stricken, als ich wieder Geschrei hörte, aber es kam dieses Mal nicht von ihm. Es klang, als würde dieser Kerl jemanden umbringen und da habe ich sofort die Polizei gerufen.“

Entsetzen zeichnete sich auf den Gesichtern der Zwillinge ab, als sie das hörten. Konnte es sein, dass Hinatas Streit mit seinem Vater eskaliert war und er wieder verprügelt worden war? Herr Sugiyama seinerseits blieb ruhig und gefasst und fragte weiter nach.

„Haben Sie mitbekommen, wohin die Familie verschwunden ist?“

„Natürlich. Als die Polizei und der Rettungswagen eintrafen, haben sie diesen Choleriker direkt in Handschellen abgeführt und die Frau ist ihm gefolgt. Und kurz darauf kamen die Sanitäter mit einem jungen Mann raus. So wie er aussah, musste er ganz schön was eingesteckt haben. Da mir die Polizei aber keine genauen Auskünfte geben wollten, denke ich, dass sie diesen Verrückten erst mal festhalten werden und den Jungen haben sie dann wohl erst mal ins Krankenhaus gebracht.“

Die drei bedankten sich für die Auskunft und machten sich daraufhin auf den schnellsten Weg ins Krankenhaus. Und während der Fahrt musste Herr Sugiyama die beiden Zwillinge erst mal beruhigen, die inzwischen krank vor Sorge waren. Er versuchte ihnen zu erklären, dass es nicht unbedingt etwas Schlimmes bedeuten musste, da ein Opfer von Übergriffen vorsorglich immer erst ins Krankenhaus gebracht wird, damit ein Arzt alle Verletzungen für die polizeilichen Ermittlungen dokumentieren könne. Doch auch er hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Geschichte. Blieb nur zu hoffen, dass es nicht so schlimm war, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte.

Nachdem sie endlich das Krankenhaus erreicht hatten, fragten sie sich den Weg durch bis zu Hinatas Zimmer, welches auf der Intensivstation lag. Es war kein schöner Anblick, der sie erwartete. Hinata lag in einem Bett, sein rechter Unterarm war eingegipst und sein Gesicht war zerschunden von Schlägen und fast komplett bandagiert worden. Zusätzlich hatte man ihn an eine Beatmungsmaschine und an einem EKG angeschlossen.

„Hinata!“

Die Zwillinge eilten zu ihm und konnten nicht fassen, was sie da sahen. Was um Gottes Willen hatte sein Vater ihm bloß angetan? Was war nur in den fünf Stunden passiert, in denen sie nicht da waren?

Herr Sugiyama, der schon an der Wohnungstür der Amanos bemerkt hatte, dass die beiden Brüder Hinata sehr nahe standen, hielt sich diskret zurück und beschloss, erst mal Informationen einzuholen und verließ kurz das Zimmer, um nach einem Arzt zu suchen. Er brauchte glücklicherweise nicht lange zu suchen, bis er einen gewissen Dr. Hakase traf, der für die Intensivstation zuständig war. Dieser versprach, gleich zu kommen und nachdem der High School Lehrer wieder in Hinatas Zimmer zurückgekehrt war, kehrte kurz darauf auch der Chefarzt ein, der ein Klemmbrett mit den medizinischen Daten bei sich trug.

„Sind Sie Angehörige des Patienten?“

„Nicht direkt“, gestand Takashi. „Wir beide sind mit ihm zusammen und Sugiyama-san ist sein ehemaliger Lehrer.“

„Nun“, murmelte Dr. Hakase. „Eigentlich dürften nur die Angehörigen…“

„Er hat sonst niemanden“, rief Katsuya, der dabei war, komplett die Nerven zu verlieren. „Und Hinata wurde von seinem eigenen Vater so zugerichtet. Bitte sagen Sie uns, wie schlimm es mit ihm steht.“

„Katsuya, beruhige dich“, ermahnte Takashi ihn und versuchte ihn festzuhalten. „Das bringt uns auch nicht weiter.“

„Nein, ich werde mich nicht beruhigen“, erwiderte der jüngere Zwilling und riss sich los. „Wir hätten niemals zulassen dürfen, dass Hinata nach Fukuoka fährt. Nur weil wir nichts gemerkt haben, ist das erst passiert, verdammt!“

Herr Sugiyama beschloss, seinerseits mit dem Arzt zu reden, solange die beiden Brüder so emotional aufgewühlt waren. Zwar ging das alles nicht spurlos an ihm vorbei, aber er konnte dennoch eine gewisse Objektivität bewahren, um bei der Sache zu bleiben. Er erklärte dem Arzt die Situation und nachdem dieser noch mal sein Protokoll durchging und tatsächlich bestätigen konnte, dass der Tatverdacht der häuslichen Gewalt vorlag, schilderte er den dreien Hinatas Zustand.

„Er hat eine Fraktur des rechten Unterarmes sowie zwei gebrochene Rippen, außerdem wurde ihm eine Zahnprothese zersplittert. Außerdem wurde ihm mehrfach gegen den Kopf getreten, was zu einem Blutgerinnsel im Gehirn führte.“

Nun war auch Herr Sugiyama sprachlos. Herr Amano hatte seinem Sohn mehrfach gegen den Kopf getreten? Das hatte doch nichts mehr mit bloßer Misshandlung zu tun, da steckte doch Tötungsabsicht dahinter.

„Und wie geht es ihm nun?“

„Sein Zustand ist stabil, allerdings mussten wir ihn in ein künstliches Koma versetzen. Die Verletzungen, die ihm zugefügt wurden, sind nicht unerheblich und er kann von Glück reden, dass er keine gravierenden Schäden davontragen wird.“

„Dann wird er also wieder gesund?“

Doch der Chefarzt zögerte noch mit seiner Antwort und versuchte erst, alles gut gegeneinander abzuwiegen und abzuschätzen, um keine falschen Hoffnungen zu machen.

„Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nichts Genaueres sagen. Laut dem Bericht der Chirurgie gab es keine Komplikationen bei der Operation und solange er sich noch im künstlichen Koma befindet, lässt sich noch keine präzise Diagnose erstellen.“

„Und wie lange wird er im künstlichen Koma bleiben?“

„Bis sich sein Zustand stabilisiert hat. Aufgrund der Hirnschwellung ist es notwendig, ihn noch im künstlichen Koma zu lassen. Wenn der Heilungsprozess gut verläuft, wird er in acht bis zehn Tagen wieder aufwachen. Bis dahin sollte die Gehirnschwellung zurückgegangen sein, sodass wir mit der Aufwachphase beginnen können. Das künstliche Koma dient in erster Linie dazu, die Körperfunktionen zu regulieren und vor allem auch das Gehirn nach der Operation nicht zu überlasten. Seien Sie versichert, dass Hinata Amano bei uns in guten Händen ist.“

Herr Sugiyama nickte und gab dem Arzt seine Telefonnummer mit der Bitte, ihn zu benachrichtigen, wenn sich etwas ergeben sollte.
 

Wenig später kamen zwei Polizisten zu ihnen, die vom Krankenhauspersonal benachrichtigt worden waren. Wie sich herausstellte, ermittelten sie in dem Fall und hatten deshalb auch ein paar Fragen zu klären. Dabei wurden sie auch befragt, wie sie zu Hinata standen und was sie über die Geschehnisse wussten. Da die Zwillinge diejenigen waren, die am meisten wussten, wurden sie als erste befragt. Inspektor Watanabe, ein mittelgroßer Mann um die 35 Jahre mit Dreitagebart und ernster Miene, pickte sich Takashi heraus, da er im Gegensatz zu Katsuya, der nervlich ziemlich am Ende wirkte, einen etwas gefassteren Eindruck machte.

„Also, Sie sind der Mitbewohner von Hinata Amano, ist das richtig?“

„Ja, das stimmt“, bestätigte Takashi. „Er lebt wegen seinem Kunststudium schon seit zwei Jahren in Tokyo, aber er ist vor ein paar Tagen bei mir und meinem Bruder Katsuya eingezogen. Wir sind mit ihm zusammen.“

Der Inspektor runzelte etwas ungläubig die Stirn, als er das hörte und hakte deshalb noch mal nach. „Also Sie sind mit ihm zusammen?“

„Nein, wir beide. Hinata, Katsuya und ich führen eine Dreierbeziehung.“

Der Polizist ließ seinen Blick abwechselnd zu Katsuya und dann zu Takashi schweifen, sagte aber sonst nichts dazu und auf die Frage, wie lange diese Beziehung schon dauerte, antwortete Takashi, dass es knapp sechs Wochen wären. Schließlich wollte der Inspektor wissen, warum Hinata extra nach Tokyo gezogen wäre und ob bekannt gewesen sei, dass sein Vater ihn geschlagen hätte. Und daraufhin erzählte Takashi alles, was Hinata ihnen anvertraut hatte. Welches Martyrium er in seiner Kindheit erleiden musste, er erzählte von den Brandnarben und wie Herr Sugiyama ihm geholfen hatte, heimlich Fukuoka zu verlassen. Daraufhin wurde der High School Lehrer befragt, der seinerseits gestehen musste, nicht allzu viel über die Misshandlungen gewusst zu haben, da Hinata während der High School extrem verschlossen war und mit niemandem geredet hatte.

„Und wieso haben Sie diese Farce vor seinen Eltern gespielt, wenn Sie doch nichts gewusst haben?“

„Er hat mir nie etwas Explizites gesagt, aber man hat gemerkt, dass er große Probleme hat. Er hatte vor allem und jedem Angst, konnte niemandem in die Augen sehen und er hat sich oft bewegt, als hätte er Schmerzen“, erklärte Herr Sugiyama mit Nachdruck. „Und als ich ihn ansprach und ihn fragte, ob ihn jemand schlägt, sagte er nur, er könne es nicht sagen. Als ich nachfragte, ob es sein Vater sei, bekam er Angst und lief weg. Nachdem ich ihm tagelang gut zugeredet hatte, sagte er zu mir: „Sensei, ich will nicht mehr. Wenn es nicht bald endlich aufhört, bringe ich mich lieber um.“ Er brach in Tränen aus und mir war klar, dass ich ihm helfen musste. Hinata wirkte nicht wie jemand auf mich, der übertreibt. Ich hätte ihm wirklich zugetraut, dass er sich umbringen wird und da dachte ich mir, dass es sehr schlimm sein muss, was er durchmachen muss. Deswegen hatte ich die Idee gehabt, dass er sich zum Schein in Kurume bewirbt. Mein Sohn studiert da nämlich selber. Hinata zog dort zum Schein ein, in Wahrheit zog er aber woanders hin und ich hinterließ ihm meine Nummer für den absoluten Notfall, falls seine Eltern ihn finden. Er selbst hat mir nicht gesagt, wohin er zieht. Ich dachte, es wäre das Beste, wenn ich es nicht weiß. Hätte die Familie Amano nämlich die Polizei eingeschaltet, um ihren Sohn zu suchen, hätte ich nicht lügen müssen.“

„Schlau eingefädelt“, bemerkten beide Polizisten und nun fragte Inspektor Kaburagi nach, der sich bislang zurückgehalten hatte.

„Und wieso ist er extra wieder zurückgekehrt, wenn er doch eigentlich in Tokyo seine Ruhe hatte?“

„Er wollte neu anfangen“, erklärte Takashi. „Als wir ihn kennen lernten, bekam er kaum ein Wort hervor, er war überängstlich und er war sehr einsam. Katsuya und ich wollten ihm helfen, dass er wieder lachen konnte und etwas mehr Selbstbewusstsein entwickelte. Aber das mit seinem Vater hat ihn immer noch verfolgt und er litt unter der Angst, dass seine Eltern ihn finden könnten. Er wollte nicht mehr in Angst vor seinen Eltern leben und wollte deshalb seinen Vater zur Rede stellen, damit er mit diesem Thema endgültig abschließen konnte.“

„Hatte er mit Ihnen darüber gesprochen?“

„Ja, das war letzten Samstag. Er hat Andeutungen gemacht, dass er so etwas tun wollte, aber ich habe versucht, ihm das auszureden. Und er hatte auf mich gewirkt, dass er eingesehen hätte, dass es zu gefährlich war. Aber dem war nicht so gewesen. Er hat uns erzählt, dass er Sugiyama-san besuchen wollte, weil dieser mit Krebsleiden im Krankenhaus liegt. Das war allerdings eine Lüge und als wir von Sugiyama-san erfahren haben, dass Hinata zu seinem Vater fahren wollte, sind wir direkt nachgefahren. Da man von Tokyo allerdings sechs Stunden mit dem Zug braucht, sind wir erst vorhin angekommen und haben von der Nachbarin der Amanos erfahren, dass Hinata ins Krankenhaus gebracht wurde.“

Die beiden Polizisten notierten sich die Aussagen stichpunktartig und fragten noch mal zu Einzelheiten nach, dann schließlich konnte Katsuya nicht mehr an sich halten und begann nun seinerseits die beiden mit Fragen zu löchern. Verständlich, denn auch Takashi und Herr Sugiyama wollten wissen, was los war.

„Nun, so wie sich der Sachverhalt darstellt, gab es einen heftigen Streit zwischen Vater und Sohn. Nach Aussagen der Mutter hatte Hinata seinen Vater damit konfrontiert, dass er nicht an der Kurume Universität studiere und sich weigere, den Wünschen der Eltern nachzukommen, Anwalt zu werden. Und als er seinem Vater gesagt hatte, dass er Shonen-Ai Mangas veröffentliche und in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung sei, ist der Streit eskaliert. Der Vater hat ihn daraufhin mehrmals geschlagen und als Hinata am Boden lag, hat er auf seinen Arm getreten, bevor ihm dann mehrfach gegen den Kopf getreten habe. Die Nachbarin hatte die Polizei alarmiert, weil sie lautes Geschrei gehört hat und als wir zusammen mit den Sanitätern eingetroffen waren, hatte der Vater versucht gehabt, seinen bewusstlosen Sohn in einen Müllsack zu stecken.“

„Wie bitte?“ rief Katsuya fassungslos. „Wieso das denn?“

„Er ging davon aus, er hätte seinen Sohn totgeprügelt“, erklärte Inspektor Watanabe. „Und um die Tat zu verschleiern, hatte er vorgehabt, die vermeintliche Leiche mit dem restlichen Müll zu entsorgen.“

Fassungslos über diese Geschichte schüttelte Herr Sugiyama den Kopf und konnte nicht glauben, was für Zustände in dieser Familie herrschten und dass der Vater die Leiche seines eigenen Sohnes wie einfachen Hausmüll entsorgen wollte. Wie viel kriminelle Energie war wohl nötig, um so etwas zu tun?

„Und wie geht es jetzt weiter? Kommt Hinatas Vater ins Gefängnis?“

„Seine Eltern sitzen zurzeit in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft will wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ermitteln. Der Vater hat auch bereits gestanden, seinen Sohn notfalls umzubringen, wenn er ihn nicht zur Vernunft bringen würde. Und gegen die Mutter wird Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und der Beihilfe zur Verschleierung einer Straftat erstellt.“

„Und wird man Hinatas Vater wegsperren?“

„Tja, das wird bei der Gerichtsverhandlung entschieden. Wenn Sie drei noch mal Ihre Aussage bei uns auf dem Revier geben, kann es auch möglich sein, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage von versuchtem Totschlag auf versuchtem Mord ändern wird.“
 

Nachdem alles soweit geklärt war und Takashi, Katsuya und Herr Sugiyama noch mal auf dem Polizeirevier ihre Aussagen wiederholten, war es langsam spät geworden. Da um diese Uhrzeit an eine Rückfahrt nicht zu denken war, bot der High School Lehrer den Brüdern an, die Nacht bei ihm zu verbringen. In seinem Haus gab es zum Glück ein Gästezimmer. Die beiden Brüder nahmen das Angebot dankend an und so saßen sie am Abend im Haus der Familie Sugiyama auf dem Sofa und bekamen von Frau Sugiyama, einer sehr hübschen Frau mit dunkelbraunem Haar, Tee serviert. Sie schien auch sonst nichts gegen den Besuch zu haben und zeigte auch Verständnis für die Entscheidung ihres Mannes. Während sie in die Küche verschwand um das Abendessen vorzubereiten, blieb Herr Sugiyama bei den beiden Brüdern. Nun war auch bei Takashi die Erschöpfung zu sehen und auch er wirkte sehr niedergeschlagen. Er konnte es ihnen nicht verdenken, immerhin war das auch eine furchtbare Geschichte und wenn die beiden wirklich so einer engen Beziehung zu Hinata standen, konnte er gut verstehen, wenn sie auch in Hinatas Nähe bleiben wollten.

„Eines verstehe ich nicht“, begann Katsuya nach einer Weile des Schweigens. „Was ist denn jetzt der große Unterschied zwischen versuchten Mord oder Totschlag?“

Herr Sugiyama gab sich etwas Zucker in den Tee und überlegte, wie er es am besten erklären konnte.

„Nun, ein Totschlag geschieht meist im Affekt, zum Beispiel wenn eine Provokation oder emotionale Gründe dahinterstecken. Ein Mord geschieht aus Boshaftigkeit, Habgier, niederen Beweggründen oder wenn ein erkennbares Maß an Grausamkeit vorliegt. Das kann sich sehr deutlich auf das Strafmaß auswirken. Da Hinata seinen Vater mit diesen ganzen Geschichten konfrontiert hat, spräche dies zumindest für versuchten Totschlag, weil sein Vater emotional aufgewühlt war. Aber bezieht man die Tatsache ein, dass es schon in der Vergangenheit zu Übergriffen kam, können diese Tritte gegen den Kopf als Tötungsversuch gewertet werden. Wenn Hinatas Vater wegen versuchten Mordes angeklagt und verurteilt wird, kann es eventuell darauf hinauslaufen, dass er lebenslänglich ins Gefängnis kommt. Aber das entscheidet allein die Staatsanwaltschaft.“

„Ich hoffe, die sperren diesen Bastard für den Rest seines Lebens weg! Dem gehört im Knast der Arsch aufgerissen! Wenn dieser Wichser nicht schon in Untersuchungshaft wäre, würde ich ihm die Zähne einzeln rausschlagen!“

Mit diesen Worten schlug Katsuya mit der Faust auf den Tisch. Er war wütend und aufgebracht und das konnte ihm keiner verdenken. Auch Takashi hatte Mühe, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Er war wütend, fassungslos und geschockt und er konnte einfach nicht begreifen, wie jemand so gewalttätig und grausam sein konnte, dass man seinem eigenen Kind mehrmals gegen den Kopf tritt, um es zu töten. Das entzog sich seinem Verständnis und er wollte es auch nicht verstehen. Jemand, der so etwas tat, war einfach nur verrückt. Und auch wenn er es nicht laut ausgesprochen hätte, war er mit Katsuya ein und derselben Meinung. Ein solcher Mensch hatte nichts Besseres verdient. Doch er dachte bei weitem vernünftiger nach als Katsuya und überlegte, was er denn tun konnte. Fakt war, dass etwas geschehen musste, damit Hinatas Vater das höchstmögliche Strafmaß bekam.

„Ich ruf gleich mal unseren Vater an. Als Anwalt bekommt er genauere Einsicht in die Polizeiermittlungen und vielleicht kann er etwas für Hinata tun.“

Damit holte Takashi sein Handy hervor und verließ das Wohnzimmer, um in Ruhe telefonieren zu können. Mit einem besorgten Blick betrachtete Herr Sugiyama den jüngeren Zwillingsbruder, der deutlich danach aussah, als wolle er gleich alles kurz und klein schlagen.

„Ich kann verstehen, dass du aufgebracht bist. Aber jemandem Gewalt anzutun ist nicht die Lösung.“

„Ach verschonen Sie mich mit ihrer Gandhipredigt. Der Typ hätte es verdient, verdammt noch mal.“

„Das bestreitet ja keiner, aber sich zu solchen Dingen hinreißen zu lassen wird niemandem helfen, genauso wenig wie es Amano helfen wird. Wir müssen stark sein, weil wir die einzigen sind, die er hat. Und du hast den Arzt ja gehört. Er hat wahnsinniges Glück gehabt. Er hätte in ein richtiges Koma fallen oder einen Hirntod erleiden können. Zwar wird er noch eine Weile im Krankenhaus bleiben, aber es wird ihm bald wieder besser gehen. Na komm, es bringt nichts, sich irgendwelche Vorwürfe zu machen oder sich aufzuregen. Ihr beide hattet sicher einen anstrengenden Tag. Ich gehe schon mal das Gästezimmer vorbereiten.“

Damit ging nun auch Herr Sugiyama, doch Katsuya blieb noch sitzen und fühlte sich elend. Denn viel schlimmer noch als die Wut gegen Hinatas Vater waren die Schuldgefühle, die ihn plagten. Er hatte Hinata noch heute Morgen gesehen gehabt. Wenn er ihn aufgehalten hätte, dann wäre es niemals so weit gekommen. Dann läge Hinata jetzt nicht auf der Intensivstation im künstlichen Koma. Es war seine Schuld, weil er es versäumt hatte, ihn aufzuhalten und zu beschützen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  mor
2016-01-07T17:45:31+00:00 07.01.2016 18:45
Mich würde mal die sichtweise von Hinata's Mutter Intresieren, könnte man ein extra Kappie aus Ihrer sicht machen?
Antwort von:  Sky-
07.01.2016 18:50
Ich denke, da lässt sich was machen ;-)
Von:  Scorbion1984
2016-01-07T14:42:26+00:00 07.01.2016 15:42
Hoffentlich sperren sie den Vater für immer weg !!! Aber die Mutter hat ebenso Strafe verdient!
Von:  Onlyknow3
2016-01-07T07:55:08+00:00 07.01.2016 08:55
Das hoffe ich auch, und dann ohne Folgen durch die tritte gegen den Kopf. Nich das der Kleine auch noch an Amnesie leidet und niemanden mehr erkennt. Außerde wird sich jetzt wohl der Vater von Katsuya und Takashi um die Sache kümmern, da dieser Hinata ja hilfe angeboten hatte im Notfall. Schreib schnell weiter möchte wissen wie es weiter geht, und ob Hinata wirklich durch kommt ohne das Kopliktionen gibt. Mach weiter so, freue mich schon auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Sky-
07.01.2016 11:55
Das nächste Kapitel ist fast fertig, nur da mein Urlaub jetzt vorbei ist, wird es wieder ein bisschen länger mit den Kapiteln dauern. Aber nur eine kleine Info: das nächste Kapitel wird auch das letzte dieser Fanfiction sein. Danach wird Hinatas weitere Geschichte in einer Fortsetzung weitererzählt, wo auch eine neue Person in Hinatas Leben treten wird. Und ich war der Ansicht, dass es übersichtlicher wäre, beide Geschichten "räumlich" getrennt zu halten und direkt nach dem Ende dieses Teils direkt im Anschluss eine Fortsetzung zu schreiben.
Von:  -CherrySperm-
2016-01-07T07:32:24+00:00 07.01.2016 08:32
Oh man armer spatz :(

Hoffentlich gehts amano bald wieder gut .___.;
Von:  TakikoGokudera
2016-01-06T19:59:45+00:00 06.01.2016 20:59
Oh mann, die armen, ich hoffe der kleine wacht bald wieder auf...
Von: Hinata_Shouyou
2016-01-06T19:50:14+00:00 06.01.2016 20:50
oh gott ist das traurig geschrieben
rotz und wasser heul
sniff armer Katsuya v_v
schreib schnell weiter


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