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Seduce Me!

Drei sind (k)einer zu viel
von

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Ein ganz besonderes Geschenk

Nachdem er am Abend recht schlapp gewesen war, hatte Katsuya Hinata auf sein Zimmer gebracht und war noch bei ihm geblieben. Als der schüchterne Student am nächsten Morgen aufwachte, plagte ihn ein wenig das schlechte Gewissen, weil er nicht so viel Durchhaltevermögen gehabt hatte. Doch als Katsuya neben ihm aufwachte, schien er bei guter Laune zu sein, lächelte glücklich und kuschelte sich an Hinata heran.

„So könnte ich eigentlich jeden Morgen aufwachen…“

Daraufhin schlang er seine Arme um Hinata und hielt ihn fest wie ein Kuscheltier. Obwohl er nichts sagte und auch versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, so schlug Hinata das Herz bis zum Hals und seine Wangen begannen zu glühen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, aber es fühlte sich wirklich angenehm an. Es ließ ihn ganz einfach deutlich spüren, dass er nicht alleine war und dass da jemand war, der ihn auch einfach mal im Arm hielt.

„Schläfst du gerne… ähm… also…“

Hinata wusste nicht, wie er die Frage am besten formulieren sollte und noch weniger, wie er sie am besten aussprechen konnte, ohne dass er gleich wieder rot vor Scham wurde. Doch da kam Katsuya ihm auch schon mit der Antwort zuvor.

„Schon seit ich klein war, hab ich nicht gerne allein geschlafen. Takashi und ich haben oft zusammen im Bett gepennt, als wir klein waren. Was soll ich sagen? Ich habe sehr, sehr, sehr viel Liebe zu geben.“

Damit gab Katsuya ihm einen Kuss und streichelte ihm liebevoll durchs Haar, bevor er aus dem Bett kroch. Auch Hinata stand nun auf, merkte dann aber doch, dass da wieder ein unangenehmer Schmerz in seinem Allerwertesten zu spüren war. Nicht so schlimm wie nach seinem ersten Mal mit Takashi, aber trotzdem hatte er es in sich. In der Küche hatte Takashi bereits das Frühstück vorbereitet und schien sich auch guter Laune zu erfreuen. Sie setzten sich an den Tisch und aßen zusammen, dabei erkundigte sich der ältere Zwilling auch sogleich, wie sie ihren Tag verbracht hatten.

„Ach es war ganz gut“, antwortete Katsuya sogleich. „Wir haben uns die örtlichen Tempel angesehen und dann haben wir beide auch die Grotte eingeweiht und zwar so richtig.“

Als Katsuya das in einem Ton erzählte, der keiner weiteren Erläuterungen bedurft hätte, verbarg Hinata beschämt sein Gesicht, als er daran zurückdachte, was er gestern getan hatte. Oh Gott, dachte er sich. Ich hab es wirklich draußen getan… im Wasser in einer Grotte! Schnell versuchte er diese Tatsache zu verdrängen und nicht mehr daran zu denken, aber es hatte sich in diesem Moment in sein Gedächtnis eingebrannt und ließ ihn nicht mehr los. Er schämte sich wirklich in Grund und Boden für diese Geschichte und er war froh, dass Takashi nicht weiter nachfragte und souverän reagierte, indem er sagte „Na da hattet ihr ja gestern einen wirklich erlebnisreichen Tag. Bevor ich es vergesse: sollen wir heute absprechen, wie wir es in Zukunft regeln wollen? Es wäre ja im Interesse aller Beteiligten, wenn wir feste Tage ausmachen, wer mit Hinata Zeit verbringt.“

Damit war auch Hinata einverstanden. Dann musste er wenigstens nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben, wenn er nur mit einem Zwilling Zeit verbrachte und der andere quasi vernachlässigt wurde.

„Find ich gut“, rief Katsuya. „Allerdings müssen wir auch meine Arbeitszeiten berücksichtigen. Donnerstag und Freitag bin ich bis spät arbeiten und zusätzlich jeden zweiten Samstag. Das wird schwer werden…“

Takashi holte einen Zettel und einen Stift heraus und schrieb die Wochentage auf. Ziel war es, dass jeder Zwilling die gleiche Anzahl an Tagen in der Woche bekam und sie dann auch noch Tage ausmachen wollten, in denen sie zusammen mit Hinata etwas unternahmen. Ein schwieriges Unterfangen. Hinata dachte nach, wie das Problem am besten gelöst werden konnte und brachte einen ersten Vorschlag ein.

„Warum machen wir es am Samstag nicht so, dass sich abgewechselt wird? Dann ist Takashi immer dann an der Reihe, wenn Katsuya arbeiten muss.“

Der Vorschlag fand sofort Zustimmung und wurde auf Papier gebracht. Vorsorglich trug sich Takashi in die Spalten ein, wo Katsuya arbeiten musste und nach kurzer Besprechung wurde es so geregelt: Sonntags und Montags verbrachten die Zwillinge gemeinsam mit Hinata Zeit, Dienstag und Mittwoch sowie jeder zweite Samstag waren für Katsuya reserviert und Takashi bekam den Donnerstag, Freitag und zusätzlich die Samstage, die Katsuya arbeiten war. Des Weiteren wurde festgelegt, dass die Feiertage zu dritt verbracht wurden, es sei denn, ein Zwilling war verhindert. So war eine perfekte Regelung festgelegt, in der niemand zu kurz kam und alles gerecht verteilt war. Und da heute Sonntag war, bedeutete dies, dass der heutige Tag mit beiden Zwillingen stattfinden würde.

„Wollen wir heute mal die Shoppingmeile unsicher machen?“ schlug Katsuya vor. Für die Idee war auch Hinata, nur hatte er das Problem, dass er sich gestern Blasen an den Füßen gelaufen hatte. Aus diesem Grund ging Takashi erst mal zur Apotheke in der Nähe und kam wenig später mit Blasenpflastern zurück. Und nachdem Hinatas Füße behandelt worden waren, machten sie sich auf den Weg und fuhren in Richtung Zentrum. Im Gegensatz zu gestern strahlte die Sonne eher weniger und es war bewölkt. Sicherheitshalber hatten sie Regenschirme mitgenommen für den Fall, dass es noch regnen sollte und tatsächlich hörten sie in der Ferne sogar ein leises Donnern. Ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass es nicht lange trocken bleiben würde. Dennoch war die Einkaufsmeile von Kamakura gut besucht und es gab hier insbesondere viele Touristen. Kaum angekommen hatten die Zwillinge auch sogleich schon die Idee, Hinata zu einem neuen Image zu verhelfen. Der schüchterne Kunststudent ahnte noch nichts von seinem „Glück“ und merkte erst etwas, als sich die beiden bei ihm eingehakt hatten und mit ihm zu einem Modegeschäft gingen. Dazu musste man sagen, dass es sich um eines handelte, in welchem es hauptsächlich Markenklamotten gab, die man sich für gewöhnlich nicht leisten konnte.

„Was… was habt ihr vor? Wieso gehen wir da rein?“

„Wir dachten, du bräuchtest mal einen Image-Wechsel“, erklärten die Zwillinge unisono, als sie ihn zum Eingang des Geschäftes führten.

„Du musst mal ein wenig mehr aus dir herauskommen“, fügte Takashi noch hinzu. „Du trägst immer diese Pullunder und das unterstreicht nur den Eindruck, dass du ein unscheinbares graues Mäuschen für andere bist. Es wird Zeit, dass du dir einen neuen Look zulegst. Mit neuen Klamotten kommt auch ein neues Selbstwertgefühl und steigert vor allem das Selbstbewusstsein.

„Ganz richtig“, bestätigte Katsuya. „Du musst dich nur trauen.“

„Ja aber…“, stammelte Hinata und blieb abrupt stehen. „Das ist viel zu teuer, das kann ich mir unmöglich leisten!“

„Mach dir darüber mal keine Sorgen“, kam es von den Zwillingen, die schon längst den Entschluss gefasst hatten, die Sache durchzuziehen und sich diese Idee auch nicht wieder ausreden zu lassen. „Betrachte es als Geschenk von uns.“

„Ein Geschenk?“ rief Hinata und fühlte sich ein wenig überrumpelt. „Aber das… das kann ich doch nicht annehmen.“

„Doch kannst du“, erwiderten die Zwillinge einstimmig. „Weil wir dich nämlich glücklich machen wollen.“

Damit gingen Hinata die Widerworte aus und so wurde er mehr oder weniger ins Geschäft gezogen und sogleich begannen die Zwillinge nun damit, nach Klamotten für ihn zu suchen. Da ihre Mutter ohnehin Modedesignerin war, hatten sie bereits konkrete Vorstellungen, allerdings gingen ihre Meinungen ein wenig auseinander. So wollte Katsuya besonders stylische und sportliche Outfits, während Takashi mehr auf modische Kleidung setzte, die aber auch alltagstauglich war und mehr Hinatas ruhigen Typ entsprach. Ein Kleidungsstück nach dem anderen wurde herausgesucht und der Kunststudent, der nicht wusste wie ihm geschah und die Situation nicht einordnen konnte, probierte nacheinander die Sachen an, die die beiden für ihn aussuchten. Unter anderem farbige Hemden, T-Shirts mit Aufdruck und dazu passende Jeanshosen und dazu passende Accessoires wie zum Beispiel Lederarmbänder. Als Hinata schließlich in vor dem Spiegel stand und ein türkisfarbenes Hemd mit Streifenmuster trug, sah er ziemlich verunsichert aus und wirkte, als würde er gleich eingehen wie ein kleines Häufchen Elend.

„Ich hab es dir ja gesagt“, meinte Katsuya daraufhin. „Grün steht ihm deutlich besser.“

Doch das war es nicht, was Hinata beschäftigte. Er senkte den Blick und wusste nicht, wie er das alles werten sollte und das verunsicherte ihn völlig. Irgendwie kam er sich ziemlich hässlich vor, was aber nicht an den Sachen lag, die er gerade trug. Die Tatsache, dass die Zwillinge ihn neu einkleiden wollten, kam bei ihm an, als wären sie mit seiner äußeren Erscheinung unzufrieden und als wäre er unansehnlich für sie.

Takashi legte eine Hand auf seine Schulter und fragte nach.

„Hinata, was ist los? Erzähl schon.“

Doch der 20-jährige haderte noch mit seiner Frage. Er hatte insgeheim Angst, diese Frage zu stellen, weil er sich vor allem davor fürchtete, die Antwort zu bekommen, die er gar nicht hören wollte.

„Bin ich… bin ich irgendwie abstoßend für euch?“

„Hä?“ fragte Katsuya, der rein gar nichts verstand.

„Seid ihr in irgendeiner Weise vielleicht unzufrieden mit mir oder schämt ihr euch wegen mir?“

Die Zwillinge tauschten kurze Blicke aus und begannen zu verstehen, was in ihm vor sich ging. Und hier streichelte Takashi aufmunternd seinen Kopf und erklärte „Darum geht es doch gar nicht, Hinata. Das hier soll keine Bestrafung sein, sondern unser Geschenk an dich, weil uns sehr am Herzen liegt, dass du glücklich bist. Wie du aussiehst, spielt doch in erster Linie keine Rolle. Es geht einfach darum, dass du dich selbst neu entdeckst und dich auch mal selber lieben lernst. Und es ist nun mal so, dass ein neuer Look auch ein neues Selbstbewusstsein schafft. In dir steckt so viel Potential, du musst es nur halt für dich selbst erkennen und dabei wollen wir dir helfen. Und zwar, indem wir ganz einfach deine innere Schönheit nach außen holen.“

Diese aufrichtigen Worte, die von so viel Warmherzigkeit und Liebe zeugten, bewegten Hinata zutiefst und er brach fast in Tränen aus. Daraufhin nahmen die beiden ihn in den Arm, um ihn zu beruhigen.

„Tut mir leid“, brachte Hinata mit zitternder Stimme hervor. „Anstatt mich einfach zu freuen und dankbar zu sein, dass ihr so etwas für mich tut, unterstelle ich euch so etwas.“

„Es ist okay“, beruhigten ihn die beiden. „Du warst halt verunsichert. Du musst kein schlechtes Gewissen haben. Versuch einfach mal dieses Geschenk als Chance anzunehmen, ein neues Leben zu führen.“

Hinata nickte und wischte sich die Tränen weg, hatte aber dennoch sichtlich Mühe, nicht gleich noch endgültig loszuweinen. Das alles war so neu für ihn und es tat ihm so leid, dass er den Zwillingen unterstellt hatte, sie würden das nur tun, weil er äußerlich überhaupt nicht zu ihnen passte und hässlich war. Doch in Wahrheit taten sie das nur für ihn. Was war er doch für ein schlechter Mensch.

Schließlich probierte er noch ein paar Klamotten an und so kam es, dass er drei Jeanshosen, vier Hemden, acht T-Shirts, zwei Westen, eine Jacke und ein paar Accessoires bekam und damit komplett neu eingekleidet war. Da die Mutter der Zwillinge Hauptdesignerin dieser Marke war, bekamen die Itamu-Brüder noch mal Rabatt auf die Sachen und sogleich ging es für Hinata weiter zum Schuhgeschäft, denn seine alten Sneaker waren im Grunde schon komplett durchgelaufen und mussten dringend erneuert werden und da ließen sich die Zwillinge auch nicht umstimmen. Sie waren fest entschlossen, ihm ein neues Styling zu verpassen und damit vor allem sein mehr als kümmerliches Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu steigern. Da Hinata mehr oder weniger das Glück hatte, genau die richtige Größe zu haben, wurde er auch schnell fündig und fand ein paar schöne Modelle. Sowohl für den Alltag, als auch für besondere Anlässe. Und kaum, dass sie dort fertig waren, knöpften sich die Zwillinge seine Frisur vor und nahmen ihm gleich mit zum nächsten Friseur. Sein alter Zottellook sei, wie Katsuya erklärte, unpassend für die neuen Sachen und eine neue Frisur würde das Styling komplett abrunden. Und so fand sich Hinata schließlich auf einem Friseurstuhl wieder und sah, wie nach und nach seine Haare etwas gekürzt und im Anschluss frisiert wurden. Ein klein wenig kam er sich wie in einem dieser europäischen Märchen vor, in dem aus dem kleinen einfachen Mädchen eine Prinzessin gemacht wurde, als wäre er die Verkörperung von Cinderella. Oder eben halt auch diese Frau aus dem amerikanischen Film „Pretty Woman“.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, vor allem weil er nicht mal sehen durfte, wie das Ergebnis des Friseurs aussah, denn die Zwillinge bestanden darauf, dass er sich erst dann im Spiegel sehen durfte, wenn das Styling komplett abgeschlossen war.
 

So kam es, dass sie bis zum späten Nachmittag unterwegs waren und etwas gerädert zurück ins Strandhaus gingen. Sogleich wurde Hinata zum Umziehen in sein Zimmer geschickt, während Takashi schon mal mit der Vorbereitung fürs Essen begann. Wenig später kam Hinata zurück. Er wirkte sehr unsicher und war sehr zurückhaltend.

„Ähm… Wie… wie sehe ich aus?“

Die beiden Brüder tauschten kurze Blicke aus und lächelten zufrieden.

„Warum siehst du es dir nicht selbst an?“

Damit führten sie Hinata zu einem Spiegel im Flur, damit er es selbst sehen konnte. Hinata war auf das Schlimmste gefasst und hatte fürchterlichen Bammel vor dem Ergebnis. Doch als er in den Spiegel sah, fehlten ihm erst mal die Worte. Er sah vollkommen verändert aus und hatte kaum noch etwas mit dem alten Hinata gemeinsam, den er gewohnt war. Statt den leicht zerknitterten und viel zu großen Hemden und den langweiligen Pullundern trug er ein T-Shirt in einem strahlenden Frühlingswiesengrün. Darunter trug er noch ein längeres Shirt in einer dazu passenden Türkisfarbe, eine dunkelblaue Weste und eine modische Jeans. Sein Haar, das sonst immer etwas zerzaust und langweilig war und den Anschein eines schüchternen und langweiligen Strebers unterstrichen hatte, war nun ordentlich frisiert, sodass er auch etwas älter wirkte. Auf manche hatte er sogar manchmal wie ein High School Schüler gewirkt, weil er etwas jung aussah. Aber nun sah er tatsächlich seinem Alter entsprechend aus und durch die leuchtenden Farben seiner Klamotten wirkte er auch selbst viel lebendiger als vorher. Er starrte sein Spiegelbild ungläubig an und dachte erst, das da sei nicht er, sondern eine Art Zwilling von ihm. Dieses andere Ich im Spiegelbild starrte genauso fassungslos zurück, als würde es Hinatas altes Selbst sehen, wie es vor der Verwandlung ausgesehen hatte und nicht fassen konnte, dass es tatsächlich er selbst war. Hinata war so überwältigt, dass er keine Worte fand. Er wusste nicht einmal, ob er vor Glück lachen, oder sich seinem Drang danach zu weinen einfach hingeben sollte. Seine Unterlippe zitterte ein wenig, was meist ein Anzeichen dafür war, dass er gleich wieder in Tränen ausbrechen würde. Noch nie hatte er sonderlich auf seine äußere Erscheinung geachtet. In der Schule hatten sie ja ohnehin immer Uniformen getragen und in seiner Freizeit hatte er immer diese abgetragenen alten Sachen getragen, weil sein Vater immer zu ihm meinte „Wenn du was Besseres willst, dann tu gefälligst auch was dafür, du verdammter Schmarotzer!“

Er hatte sich immer mit dem zufrieden gegeben, was er hatte und nie Ansprüche gestellt. Anders hätte er auch gar nicht wirklich überleben können, besonders nicht bei seinen Eltern. Aber sich jetzt im Spiegel zu sehen, wie er zum allerersten Mal in seinem Leben nicht wie ein kleines, zusammengekauertes und unscheinbares Häufchen Elend wirkte, sondern wie ein richtiger Mensch… das war eine unfassbare Erfahrung, die er seinen Lebtag nicht vergessen würde. Zum ersten Mal sah er sich selbst auch wirklich als einen Menschen wie alle anderen. Und diese Erkenntnis sorgte sogar dafür, dass er vollkommen aufrecht stand, mit erhobenem Blick wie alle anderen, wo er doch sonst immer geduckt stand und stets den Blick gesenkt hielt. Wie ein kleiner verängstigter Hund, der sich bei der kleinsten Androhung von Ärger sofort unterordnete, nur um bloß nicht verletzt zu werden. Er sah sich selbst aufrecht vor dem Spiegel stehen mit einem Aussehen, das verriet, dass er jemand war und nicht bloß ein unbedeutendes kleines Licht, wie ein Versager oder wie ein wertloses Nichts, das Glück hatte, überhaupt geboren worden zu sein. Er war etwas wert, aber nun erkannte er es auch selbst zum ersten Mal.

Sein ganzes Gesicht begann zu strahlen, als er sich selbst im Spiegel sah. Seine Augen glänzten von Tränen und zum ersten Mal sah er sich selbst auch glücklich strahlen. Und dieser Anblick war endgültig zu viel für ihn. Er drehte sich zu Katsuya und Takashi um und umarmte sie beide. Und als er sie umarmte, brachen die Dämme bei ihm und er konnte nicht aufhören zu weinen. Doch es war nicht dieses verängstigte Weinen, weil er so verunsichert war oder weil er wie schon so oft von den Schatten seiner eigenen Vergangenheit heimgesucht wurde. Nein, er weinte, weil er sich von ganzem Herzen glücklich fühlte und weil er zum allerersten Mal erkannt hatte, was er aus sich machen konnte.

„Danke“, schluchzte er und bebte dabei am ganzen Körper. „I-ich… ich glaube, ich kann nicht oft genug danke sagen für all das, was ihr für mich tut. Ihr seid so gut zu mir und ich… ich gebe euch so wenig zurück…“

„Was redest du denn da?“ wandte Takashi ein. „Du gibst uns doch schon etwas zurück. Zu sehen, dass wir dich glücklich machen können, ist doch das schönste Geschenk, das du uns machen kannst. Und da ist es auch nicht schlimm, wenn du weinst. Weine dich ruhig bei uns aus so viel wie du willst. Du hast es sicher so viele Jahre zurückhalten müssen, da ist es auch mal ganz heilsam, es jetzt zu tun.“

„Und wie du siehst, steckt so einiges in dir“, fügte Katsuya hinzu. „Aus dir kann wirklich noch etwas werden, wenn du an dich glaubst und dir auch selber sagst, dass du etwas Besonderes bist und ein Recht darauf hast, genauso glücklich zu sein wie alle anderen. Und wenn dir niemand sonst diese Bestätigung gibt, dann tun wir das für dich.“

„Und Fakt ist…“, fuhr nun Takashi weiter und wischte eine Träne von Hinatas Wange. „Du bist ein wunderbarer Mensch und etwas Besonderes für uns. Und das wollten wir dir auch mal zeigen, indem wir auch mal etwas mehr aus dir herausholen.“

Hinata schaffte es nicht, darauf eine Antwort zu geben. Er fand einfach keine Kraft, gegen seine Emotionen anzukämpfen, die ihn vollkommen überwältigt hatten und ihm die Fähigkeit zu sprechen raubten. Er war von einer unbeschreiblichen Woge des Glücks und der unendlichen Dankbarkeit erfüllt und diese sehr berührenden Worte der beiden Zwillinge hatten diese ganzen aufgestauten Gefühle in ihm gelöst und all das zu Tage gebracht, was er all die Jahre still in sich verborgen gehalten und hinter der Fassade der Angst und Unsicherheit verborgen gehalten hatte. Seine Selbstzweifel, der Hass gegen sich selbst und seiner Fehler, seine tiefe Traurigkeit und sein sehnlicher Wunsch nach Zuwendung, Anerkennung, Zuspruch und Liebe. Etwas, das er noch nie in seinem Leben so wirklich erfahren hatte. All die Jahre hatte er es stillschweigend akzeptiert und sich eingeredet, dass es ihm recht geschah, weil er ein unfähiger Nichtsnutz war, der zu rein gar nichts taugte und der dankbar sein sollte, dass man ihm zumindest ein Stipendium gegeben hatte. Immer wieder dachte er sich, dass er einfach nicht dazu geboren war, glücklich zu werden und dass es ihm nicht zustand, weil er so viele Fehler hatte, die man ihm ständig vorhielt und zum Vorwurf machte. Jahrelang war ihm das Gefühl vermittelt worden, dass er einen Grund liefern müsse, dass er überhaupt existieren durfte und er ansonsten nur eine Belastung wäre. Für seine Eltern, für seine Kommilitonen an der Uni und für so ziemlich alle Menschen auf der Welt. Sein Vater hatte ihm das mehr als oft genug eingetrichtert, dass er wertlos war, solange er nicht endlich mal etwas alleine schaffte. Er hatte es als egoistisch betrachtet, nach dem Glück zu streben oder von anderen Bestätigung zu verlangen. Es war ihm nicht richtig vorgekommen, weil er sich eben als geborener Verlierer sah. Und nun war diese Illusion zerbrochen. Er bedeutete jemandem etwas und zwar so sehr, dass ihm solch ein Geschenk gemacht worden war. Die Zwillinge hatten ihm die Kraft geschenkt, sich selbst lieben zu können.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte wirklich viel Spaß daran, die Szene zu schreiben, wo Hinata sich selbst im Spiegel sieht und sieht, wie die Zwillinge ihn eigentlich sehen und dass er für sie ein sehr wertvoller Mensch ist. Ehrlich gesagt hatte ich beim Schreiben dieser Szene selbst Tränen in den Augen gehabt, weil diese Szene ach ein Stück weit eine persönliche Erfahrung von mir ist. Wer kennt denn nicht das Gefühl, man wäre unnütz oder nichts wert, weil man sich so unbedeutend fühlt und wie heilsam es ist, wenn man dann von jemandem gezeigt bekommt, man ist ein liebenswerter Mensch, der etwas Besonderes ist? Für Hinata war es wirklich eine sehr wertvolle Erfahrung, ganz außer Frage.

Ich lade bei der Gelegenheit auch ein Fanart von Hinata hoch, wie er in seinem neuen Look aussieht. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Momo26
2015-09-30T21:03:49+00:00 30.09.2015 23:03
Echt Klasse geschrieben :D
Ich freu mich für Hinata, endlich mal was schönes für ihn!

Lg Momo
Von:  Onlyknow3
2015-09-29T06:52:28+00:00 29.09.2015 08:52
Also diese Kapitel erinnert mich an mich selbst, kenn diese Erfahrung die Hinata hier erlbt. Mir laufen die Tränen, bei der Szene, und doch konnte ich nicht aufhören weiter zu lesen es hat mich einfach weiter gezogen. Ja es ist eine Super Geschichte, sie hat noch viel mehr Potential, da kann man noch so viel raus holen. Deine Umsetzung ist Perfekt behaupte ich jetzt und freue mich auf das nächste Kapitel. Mach weiter so, bin gespannt was als nächstes kommt.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Sky-
29.09.2015 09:15
Nun, ich werde natürlich versuchen, so viel wie möglich aus dieser Geschichte herauszuholen, eben weil so viel Potential darin steckt. Und du bist nicht die Einzige, die Tränen in den Augen hatte. Ich musste aufpassen, dass ich nicht selbst noch beim Schreiben zu heulen beginne ;-)
Von: abgemeldet
2015-09-28T21:55:39+00:00 28.09.2015 23:55
Super Geschichte du hast echt Talent ich warte mit Spannung aufs nächste Kapitel
Von:  Yuutas
2015-09-28T19:57:45+00:00 28.09.2015 21:57
Omg dieses kapitel ist soo berührend und soo schön!!
Hinata hat mir voll Leid getan aber da er jetzt Takashi und Katsuya hat kann er endlich einfach nur glücklich sein
mir kamen jetzt echt ohne spaß schon fast die tränen.

Grooooßes Kompliment !!


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