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Blumenfarbspiel

von

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Schilfgrün


 

Schilfgrün

Schilf – Entscheide dich bitte endlich
 


 

Die Wochen vergingen und der Sommer stand auf dem Zenit seiner Amtszeit. Der August strahlte in all seiner grünen Pracht und vermittelte auch dem letzten Zweifler, dass der Sommer nun wahrhaftig anwesend war. Doch Hermine konnte dieser Schönheit nichts abgewinnen. Seit drei Monaten lief sie mit einem in Moos gepackten Kopf durchs Leben und war weniger in der Realität anwesend, als es den Anschein hatte.

Sie seufzte leise, als sie zwischen den Bäumen entlang lief. Kurz zuvor hatte sie ihren halbjährlichen Kontrollbesuch bei den Zentauren im Verbotenen Wald durchgeführt und nun hatte sie sich entschieden, noch einen kleinen Spaziergang durch das dichte Grün zu unternehmen. Schließlich wartete niemand auf sie. Bei diesem Gedanken zog sich ihr Herz zusammen – wie so oft die letzten Monate. Immer und immer wieder dachte sie an den Abend im Grimmauldplatz und wie sie sich in den Schlaf geweint hatte. Seitdem ließ sie es sich nicht nehmen jeden Tag nach der Arbeit im Park vorbeizugehen und sich eine frische Kornblume zu pflücken, die sie mit gewissenhafter Sorgfalt auf ihrem Nachttisch platzierte. Die Blume wurde zu einem Inbegriff für ihre Einsamkeit.

Hermine schloss die Augen und ließ sich von der weitreichenden Stille des tiefen Waldes verschlingen. Sie genoss die Ruhe. Hier musste sie kein freundliches Lächeln auf den Lippen tragen, sie musste nicht fröhlich sein und – was noch viel wichtiger war – hier war sie ihm am nächsten.

Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie sich fragte, wie oft seine schweren Roben diese Bäume gestreift hatten, wenn er an ihnen vorbei gerauscht war.

Sie atmete tief durch und sog den unverkennbaren Duft des Waldes ein. Nasses Laub, Erde, frische Kräuter, herrlich duftende Blumen – all das vermischte sich zu einem tröstenden Geruch, der ihr, mit Algen bedecktes, Herz wenigstens für den Moment zusammenzuhalten schien. Langsam öffnete sie die Augen und ging weiter. Ihre Finger berührten die Rinde der unaufhörlich alternden Bäume bei jedem Schritt, den sie ging. Aus Respekt vor der Stille, schienen sogar ihre Gedanken sich zu beruhigen, sodass sie beinahe unbeschwert und ohne ständig denken zu müssen, die Ruhe genießen konnte. Feuchtes Moos schmatzte melodisch unter ihren Füßen und hin und wieder raschelte ein Busch, wenn ihre zarten Fingerspitzen ihn streiften.

Angezogen von dem Geruch von Wasser, trugen ihre Beine sie immer tiefer in den Wald. Es wurde immer stiller, insofern das möglich war, und das Grün um sie herum wurde immer dunkler. Die Bäume standen in diesem Teil des Waldes so nah beieinander, dass kaum noch Sonnenlicht den Weg bis auf den mit Blättern bedeckten Boden fand. Doch von Zeit zu Zeit lichtete sich die dichte Wipfeldecke und gab den leuchtenden Blick auf heranwachsende immergrüne Pflanzen frei.

Als sie zwischen zwei Tannen hervortrat, sah sie, was sie angezogen hatte. Ein kleiner Teich, umrandet von Schilf, thronte auf einer Lichtung und verbreitete eine harmonische Atmosphäre. Ein zarter Windhauch blies durch ihre Haare und umspielte ihren Körper mit seinen sanften Fingern. Und das erste Mal seit Wochen fühlte Hermine sich geborgen. Ein erleichtertes Seufzen entfloh ihr und bedeutete, dass sie seit Ewigkeiten mal wieder frei atmen konnte.

Ihr Blick schweifte über das atemberaubende Naturschauspiel vor ihr. Ein kleiner Frosch hüpfte fröhlich aus dem Wasser, ließ ein Quaken verlauten und hüpfte mit seinen winzigen Beinchen weiter, auf der Suche nach etwas zu Essen. In Hermine ordneten sich ihre Emotionen und Gedanken und sie erwischte sich sogar dabei, wie ihre Mundwinkel sich zu einem Lächeln verzogen und das ganz ohne, dass sie jemandem etwas vormachen musste. Ihre Sinne sogen jede Empfindung in sich auf, suhlten sich in dem Geruch des Grases und der Seerosen und flogen einer Jadewolke entgegen. Doch etwas in diesem idyllischen Gemisch aus Grün und Blau störte. Es passte nicht hinein, es hemmte Hermines Ausgeglichenheit. Ihr Blick suchte ihre Umgebung nach der Störung ab und als er sie endlich fand, stoppte ihr Herz. Sie sah sich einer schwarzen Gestalt gegenüber.
 

~*~
 

Severus wusste nicht, was ihn erwarten würde, als er dem merkwürdigen und nicht in die Umgebung passenden Geruch nach Limetten und Schilf, den der Wind zu ihm getragen hatte, folgte. Doch als er auf die Lichtung trat und sich umsah, wären ihm beinahe seine wertvollen und frisch gesammelten Zaubertrankzutaten aus dem Korb gefallen. Er hielt abrupt inne und hörte auf zu atmen, denn ihr Duft stach ihm mit einer spitzen Smaragdklinge ins Herz. Hilfesuchend – ganz so, als wäre er ein rettender Anker – umklammerte er den Griff seines Weidenkorbes. Die Pfefferminze und der wilde Basilikum darin zitterten bedächtig.

Seine Augen sogen jeden Zentimeter ihrer Erscheinung in sich auf. Viel zu lange hatte er sich seit ihrem letzten Aufeinandertreffen dagegen wehrt, jede Erinnerung an sie in Apfelwhiskey ertrunken, nur um am nächsten Tag festzustellen, dass es rein gar nichts gebracht hatte.

Ihre wilden, braunen Locken wogen im Wind hin und her, ganz so, als würden sie ihn mit ihren langen Fingern zu sich rufen. Ihr Lächeln, das bis vor wenigen Sekunden noch ihr hübsches Gesicht geziert hatte, war verschwunden und hatte einer entsetzen Miene Platz gemacht. Severus hatte sie für wenige Sekunden beobachten können, ehe sie ihn bemerkte. Sein Kopf hatte ihn angeschrien, dass er gehen sollte, solange sie nicht wusste, dass er da war, doch seine Beine schlugen Wurzeln. Zu unwirklich war ihr Anblick vor diesem Teich, ihre Silhouette in, vom Wasser reflektierendes, Sonnenlicht gehüllt.

Gefühlte Minuten standen sie sich einfach reglos gegenüber – mehrere Meter trennten sie – und schwiegen sich an. Und mit jeder Sekunde, die verstrich, hasste sich Severus zusehends mehr, weshalb er den Kloß in seinem Hals herunterschluckte.

„Miss Granger.“ Seine Stimme hielt der Begrüßung nicht annähernd so Stand, wie er es gerne gehabt hätte.

„Professor.“ Ihre Worte waren mindestens genauso zart, wie der Wind, der sie zu ihm trug. Severus wollte gehen. Sich von ihr abwenden, seinen Weg gehen und ihr nie wieder gegenübertreten, doch eine unsichtbare Efeuranke schien sich um seinen Körper zu schlingen, ihn an Ort und Stelle festzunageln. Der Wald in ihrem Rücken verschwamm für ihn zu einer Wand aus Emerald, das Einzige, das er bewusst wahrnahm, war sie. Seine Nemesis. Seine Hermine.
 

~*~
 

Hermines Atmung hatte sich beschleunigt, als sie ihn gesehen hatte. Sie wusste nicht, wie lange er dort bereits stand und tief in ihrem Innern feierten Glück und Schmerz, dass sie ihn endlich wiedergesehen hatte. Für einen kurzen Moment dachte sie, ihre Idylle würde zerstört, doch je länger sie ihn ansah, desto sicherer war sie sich, dass sie nun endlich vollständig war. Fast wie ein Blumenstrauß, dem lediglich der Farn fehlte, um komplett zu sein. Sie wusste, dass sie es bereuen würde; dass sie sich erneut in den Schlaf weinen und am nächsten Tag mit ihrem Kiwishampoo die salzigen Spuren von den Wangen waschen würde, doch sie genoss jede Sekunde in seiner Anwesenheit so sehr, dass es ihr egal war. Wenn sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich lückenlos. Er war ihr Kleber, der versuchte die Schnipsel eines Birkenblatts zusammenzukleben. Sobald er fort war, fiel sie wieder in sich zusammen und hatte alle Mühe ihre Form zu wahren.

Das Schilf, das den Teich säumte, wog sich im Wind und schien Hermine zuzuwinken. Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie Severus betrachtete. Er passte eigentlich gar nicht und doch so gut, in das Bild. In ihr Bild. Sie dachte an die verschiedensten Kräuter, nach denen er roch und augenblicklich rasten alle Bilder ihrer letzten Begegnungen an ihrem inneren Auge vorbei. Sie hörte Harrys Worte, die flüstern, dass Severus sie ebenso ansah, wie sie ihn. Sie hörte seine Worte. „Es geht nicht.“ Und plötzlich kam ihr die Erkenntnis. Er wollte, nicht minder als sie selbst, doch er dachte, er könnte nicht. Diesen Gedanken, die letzte und einzige Hoffnung, hielt sie fest, als ihre Füßen sich langsam zu bewegen begannen. Sie trugen sie immer weiter, Schritt für Schritt auf ihn zu. Ihr Herz raste und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Blick lag ruhig auf seinem Gesicht, sie konnte jede Gefühlsregung, war sie auch noch so kurz, erkennen. Der reservierte Ausdruck wich einem verwirrten, ehe er sich in einen abschätzenden veränderte. Kurz bevor Hermine bei ihm ankam, schlich sich blanke Panik auf sein Gesicht. Seine Augen weiteten sich und sie erkannte deutlich, dass er schwer atmete. Auch Hermines Atmung hatte sich beschleunigt. Jeder Luftzug, der über ihre kribbelnden Lippen strömte, schien ihr Herz neu anzutreiben. Sie nahm nichts mehr um sich herum war, alles war in einem grün-gelben Dampf verschwommen, als sie ihre Stimme wiederfand.

„Bitte entscheide dich“, flüsterte sie ergeben, als sein Duft seinen Weg in ihre Nase fand. Sie ließ sich davon beflügeln, in andere Sphären treiben. „Bald.“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauch im weiten Grün und schwebte vor sich hin, ehe sie sich von ihm abwandte und ihren Weg ging.



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