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Himmlisches Geflügel

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zu "Himmlischen Geflügel" :)
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Zumindest so viel Spaß wie ich beim Schreiben habe :p Komplett anzeigen

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Der Engel der vom Himmel fiel

„Du hast schon wieder die Schule geschwänzt!“

„Tut mir leid.“

„Dein Lehrer hat angerufen und mir gesagt, du hättest Chlamydien! Ich glaub ich spinne! Schwänzt du, um dich mit Nutten zu vergnügen? Und woher hast du überhaupt das Geld dafür?“

„Mir fiel keine bessere Ausrede ein, Mum.“
 

„Und das soll ich dir glauben? Das ist wie damals, als du mit deinem Pippimann im Staubsauger stecken geblieben bist, und mir ernsthaft erzählen wolltest, Marc hätte gesagt, dass es dann eine Überraschung gäbe. Absolut unglaubhaft!“

„Ja, Mum.“

„Und räum endlich dein Zimmer auf. Hier sieht es aus wie im Schweinestall!“

„Ja, Mum.“
 

Ich zucke zusammen, als meine Mutter die Tür hinter sich zu knallt und bleibe mit hochroter Birne mitten in meinem Zimmer stehen.

Das im Übrigen gar nicht so schlimm aussieht wie sie behauptet.
 

Auf dem Boden türmen sich lediglich Videospiele, Zeitschriften, Mangas und Klamotten. Und auf meinem Schreibtisch befinden sich außer dem Computer lediglich an die 30 Pfandflaschen.

Na gut, ganz ordentlich ist mein Zimmer nun auch nicht. Aber ich bin eben auch nur ein Teenager, der sein Zeug eben da fallen lässt, wo er gerade steht.
 

Mein Name ist Daniel Craig, ich bin 17 Jahre alt und gehe zur Highschool hier bei uns im Ort.

Meine Noten sind durchschnittlich, mein Aussehen irgendwo darunter, und mein Freundeskreis beschränkt sich auf meine Sandkastenfreundin Loreen.
 

Eigentlich bin ich ein ganz normaler Teenager, abgesehen von meinem sadistischen Bruder Marc, dem dauernd in den Flur pinkelnden Labradormischling und dem nackten Erzengel in meinem Kleiderschrank.
 

Ja, schon richtig gehört. Ich habe einen nackten Erzengel in meinem Kleiderschrank.

Aber mal ehrlich, wo hätte ich ihn sonst auf die Schnelle verstecken sollen, bevor meine Mutter ihn zu Gesicht bekommen, und mir vermutlich einen Vortrag über Homosexualität, Geschlechtskrankheiten und dem Fegefeuer gehalten hätte?
 

„Du hast deinen Schwanz in den Staubsauger gesteckt? Ernsthaft?“

Das Lachen aus dem Kleiderschrank sorgt nicht unbedingt dafür, dass ich mich wohler fühle, oder meine Gesichtsfarbe wieder normal wird.
 

„Das ist nicht lustig! Ich hab Marc eben geglaubt, dass es dann eine Überraschung gibt.“, gebe ich trotzig von mir, und lasse mich auf mein Bett fallen.

„Oh, die Überraschung war bestimmt super.“, frotzelt es wieder aus meinem Kleiderschrank und ich schnaube.

„Hat dir niemand beigebracht, einfach mal jemanden eins auf die Schnauze zu schlagen?“, kommt es hinterher und ich murre.

Nein das hat mir niemand beigebracht, wie man offensichtlich bemerkt.
 

„Ich dachte es heißt 'Liebe deinen Nächsten'?“

„Nirgendwo steht geschrieben: 'Steck deinen Schwanz in den nächsten Staubsauger'.“, lacht Gabriel wieder, und kommt aus dem Schrank heraus, zu allem Überfluss genauso, wie ich ihn in den Schrank gesteckt habe: Nackt!
 

„Herrgott, zieh dir was an!“, maule ich und drehe ihm den Rücken zu, um die Wand anzustarren anstatt von ihn.

Ohne einen Kommentar von sich zu geben, im Gegensatz zu sonst, höre ich Gabriel auch schon in meinem Schrank herum wühlen und teilweise angewiderte Laute von sich geben.

Nach fast vier Tagen habe ich inzwischen begriffen, dass er meine Klamotten absolut scheußlich findet, weswegen er sich die Laute ruhig sparen könnte, es aber natürlich nicht tut.
 

„Wenn du meine Klamotten so hässlich findest, warum zauberst du dir dann nicht welche die dir gefallen?“, maule ich nach einer Weile los, und bekomme als Antwort ein Schnauben, das mich dazu veranlasst mich doch zu ihm umzudrehen.

„Sehe ich aus wie Merlin?“, kommt es trocken zurück, aber ich gehe gar nicht darauf ein.
 

Mal abgesehen davon, dass Gabriel wirklich nicht aussieht wie Merlin, bin ich gerade eher fasziniert davon, dass er es immer schafft, in meinen Klamotten cool auszusehen.

Ich vermute das liegt an den göttlichen Genen, falls es denn so etwas überhaupt gibt. Vermutlich können Engel gar nicht scheiße oder langweilig aussehen, was die Frage aufwirft, ob Gott dann wohl in meinen Klamotten auch scheiße aussehen kann, denn immerhin hat er die Menschen ja nach seinem Ebenbild geformt.
 

„Ich brauche dringend eigene Klamotten. Auf Dauer kratzen diese Lumpen an meinem Selbstwertgefühl.“

Ich bin mir ziemlich sicher, dass so ein paar Kratzer an seinem Ego nicht schaden könnten, zumal das sowieso unendlich groß zu sein scheint

Wer auch immer behauptet hat, Engel wären gütige Wesen, hatte definitiv noch nie das Vergnügen einem zu begegnen.
 

„Wie lange zur Hölle willst du hier bleiben? Verzieh dich in dein Wolkenkaff zurück.“, murre ich und setze mich auf, was mir lediglich einen herablassenden Blick von Gabriel einbringt.

„‘ne Weile.“, kommt die Antwort, die für mich alles andere als befriedigend ist.

Wie lange so 'ne Weile' ist, will ich gar nicht wissen, da das Zeitgefühl von Engeln bestimmt anders ist als meins.
 

Außerdem ist es mir schleierhaft, wie ich ihn 'ne Weile' vor meiner Mutter und Marc verstecken soll. Nur weil wir in einem Haus wohnen, sind die Versteckmöglichkeiten nicht gerade unendlich, und ich werde ihn nicht auf ewig in meinem Kleiderschrank verstecken können.

Das ich irgendeinen himmlischen Kerl in meinem Zimmer habe, wird spätestens dann auffliegen, wenn Mum mir die frisch gewaschene Wäsche in den Schrank legt, und vermutlich kann ich mir dann ganz aus der Nähe angucken wo Gabriel eigentlich herkommt.

Einfach, weil ich dann tot sein werde.
 

Im Übrigen frage ich mich auch, warum er ausgerechnet hier bleiben will. Die Stadt ist zwar nicht so berauschend groß wie Los Angeles, aber es gibt gut und gerne andere Bleibemöglichkeiten. Zum Beispiel das abgewrackte Motel am Rand der Stadt.

Vielleicht hat das auch was mit seiner Landung auf der Erde zu tun. So genau weiß ich das alles nicht, da er ja nichts über sich erzählt. Das Einzige das ich über ihn weiß ist, dass er ein Erzengel ist und eine Mission zu erfüllen hat, die irgendwas mit dem himmlischen Gleichgewicht zu tun hat.

Was auch immer ich mir darunter nun vorstellen soll.
 

Meine Familie, allen voran meine Mutter, ist sehr christlich. Marc kann man in dieser Hinsicht ausklammern. Der tut zwar so als wäre er es, aber eigentlich ist er das beste Beispiel für die menschliche Gestalt des Teufels.

Ich selbst habe der heiligen Schrift, auch genannt Bibel, nie wirklich etwas abgewinnen können, was die Schuld meines Großvaters ist. Zumindest behauptet das meine Mutter.

Der einzige Grund warum ich jeden Sonntag in die Kirche gehe ist der, dass ich meinen Kopf gerne weiter auf meinen Schultern tragen möchte.

Mein Glaube an Gott ist so gut wie nicht vorhanden, bis auf die typischen 'Lieber Gott, bitte mach...'-Gebete, die jeder Mal so vor sich hin sagt, wenn ihm der Arsch auf Grundeis geht.

Mit Gabriels Landung auf der Erde, bleibt mir nun aber nichts anderes mehr übrig, als irgendwie an den ganzen biblischen Schwachsinn zu glauben.
 

Ob man diese Landung spektakulär oder katastrophal nennen soll, da bin ich mir noch nicht so sicher. Aber ich vermute das so ziemlich Beides zutrifft.
 


 

Es war ein typischer Sommerabend in Glendale, mit einer Luftfeuchtigkeit, bei der man seine Wäsche locker hätte in der Luft waschen können.

Meine Eltern waren beim Spätgottesdienst, wie jeden Tag, und mein Bruder Marc feierte vermutlich seinen erneuten Triumph über mich in seinem Zimmer bei lauter Popmusik, während ich im Garten saß und meine Wunden leckte.

Aus irgendeinem mir unbekannten Grund schaffte Marc es immer, mich zum Gespött der ganzen Schule, oder zumindest unserer ganzen Straße zu machen.
 

Gott ist wirklich ungerecht, hatte ich mir gedacht und melancholisch in den Himmel gesehen, ehe mir vermutlich so ziemlich alles aus dem Gesicht gerutscht war, und ich wahrscheinlich genauso dumm aus der Wäsche guckte, wie wenn Marc es mal wieder geschafft hatte, mich vor versammelter Mannschaft lächerlich zu machen.

Man muss mir allerdings zu Gute halten, dass man ja auch nicht jeden Tag einen Meteoriten auf sich zufliegen sieht, also ist meine Reaktion entschuldigt.
 

Im Übrigen stimmt es überhaupt nicht, dass man im Angesicht des Todes sein gesamtes Leben an sich vorbei ziehen sieht.

Zumindest hatte ich in diesem Moment nur zwei Gedanken. Der Erste galt Marc, der sich wohl von Jubelschreien über meinen sinnlosen Tod nur schwer am Boden halten konnte, nur um sich dann mein Zeug unter den Nagel zu reißen, und es auf Ebay zu verhökern.

Der Zweite der Grabesrede des Pastors, der vermutlich nicht viel über mich sagen konnte, außer dass mein Leben ziemlich sinnlos und alles andere als Gott gewidmet war, nämlich hauptsächlich Videospielen und Mangas.
 

Während ich also diesen Meteoriten beobachtete, der auf mich zugeflogen kam, dachte ich gar nichts.

Bis dieses Ding ein paar Meter von mir entfernt in unserem Garten einschlug, ich ein paar Meter rückwärts in die Rosenbüsche meiner Mutter geschleudert wurde, ehe mich eine Staubwolke überrollte.
 

Erbärmlich hustend lag ich also in den Rosenbüschen, ließ mir meine Haut zerkratzen und versuchte wieder Luft in meine Lungen zu pressen, bevor ich mich auf die Einschlagstelle zu bewegt hatte.

Ich weiß aus etlichen Filmen mit Außerirdischen, dass man nicht zu der Einschlagstelle eines Meteoriten geht, da man sonst entweder entführt, vergewaltigt, getötet oder gefressen wird.

Aber da ich von Natur aus ein recht neugieriger Mensch bin, zumindest was Leben im All betrifft, bin ich natürlich trotzdem hin.

Und das was dann kam, würde ich nie im Leben glauben, wenn das Ergebnis sich nicht gerade Klamotten von mir leihen würde, nachdem es fast eine geschlagene Stunde, durch die Strafpredigt meiner Mutter, in meinem Kleiderschrank eingesperrt gewesen wäre.
 

„Verfluchte Scheiße!“, war das erste was ich hörte, während ich mich zu dem Loch vor bewegte, ehe ich über den Rand spähte, als sich die Staubwolke langsam legte.

Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich gebraucht habe um zu realisieren, dass das was ich da gesehen habe Wirklichkeit ist, und keiner von Marcs abartigen Streichen.
 

In der Mitte des Kraters stand eine Person, die sich mit einem angewiderten Gesichtsausdruck den Staub von der weißen Kleidung klopfte.

Mal abgesehen davon, dass das so ziemlich die schönste Person war, die ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte, war der Umstand dass diese Flügel hatte, wohl das seltsamste.
 

Ich weiß bis heute nicht wie er mich bemerkt hat, aber er drehte sich schwungvoll zu mir um und ich konnte förmlich spüren, wie sich sein Blick in mir fest bohrte, ehe er die Augenbraue in die Höhe hob und mich abfällig musterte.

„Ist das Glendale?“

„Bist du ein Alien?“, fragte ich zurück, und starrte ihn weiter an, während er schnaubte und sich vom Boden abstieß, nur um direkt vor mir zu landen.
 

Ich weiß auch noch, dass ich wie ein Mädchen „Die sind echt?“, gekreischt habe, während ich mit dem Finger in der Luft herum gefuchtelt und auf seine Flügel gedeutet habe.

„Nein Deko.“, kam der sarkastische Kommentar zurück, während er die Augen verdrehte, und seine Frage wiederholte, die ich mit einem Nicken bestätigt habe.
 

Als Erstes möchte ich anmerken, dass dieser Engel, Gabriel, beim besten Willen nichts von einem Engel hat, abgesehen von seinen Flügeln.

Weder benimmt er sich so, noch ist er besonders gütig, geschweige denn sanftmütig. Gottesfürchtig scheint er auch nicht zu sein, da er den Namen seines Herrn öfter in Flüchen benutzt, als sonst.

Und wer gedacht hat, Engel haben langes blondes Haar, einen Heiligenschein oder weiße, wallende Gewänder, liegt vollkommen falsch.
 

Gabriels Haare sind mittellang und aschgrau mit dunkelblauen Spitzen. Er sagt, dass wäre seine natürliche Haarfarbe, und ich frage mich gerade ob Gott eine besondere Art von Humor hat, um einen Engel eine solche Haarfarbe zu verpassen.

Der Charakter von Gabriel ist in erster Linie egozentrisch, aufbrausend, aggressiv, abwertend gegenüber Anderen und teilweise auch gleichgültig.

Und von einem weißen und wallenden Gewand war er bei seiner Ankunft Lichtjahre entfernt.
 

Als ich Gabriel zum ersten Mal traf, trug er eine kurze, weiße Hose, die den Namen 'Hotpants' definitiv verdient hat, dazu ein Tanktop, natürlich ebenfalls in weiß, einen weißen Schal und Stiefel bis zu den Knien in, wer hätte es gedacht, weiß.

Engel sehen nicht aus wie reine Wesen, zumindest nicht wenn ich sie an ihm fest machen muss.

Wenn alle Engel diesen Kleidungsstil verfolgen, sehen sie aus wie eine Horde besserer Stricher.
 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich meinen Schock, einem wahren und leibhaftigen Engel gegenüber zu stehen, oder in meinem Fall sitzen, verarbeitet hatte.

Um genau zu sein zwei Minuten, ehe ich die Stimme meiner Mutter brüllen hörte, was ich denn nun schon wieder angestellt hätte.
 

Aus Reflex griff ich mir Gabriels Handgelenk und zerrte ihn hinter den dicken Stamm der Trauerweide, während ich irgendetwas davon stammelte, dass meine Mutter ihn auf keinen Fall sehen dürfte.
 

Eigentlich hätte ich meiner Mutter natürlich erzählen können, dass für den Schaden in ihrem geliebten Garten ein Engel verantwortlich war, aber die Aussicht auf lebenslangen Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt hielt mich davon ab.

Natürlich glaubte sie mir nicht, dass es eine spontane Gasexplosion war, die unter der Erde stattgefunden hatte, und ich bekam Hausarrest.

Wie genau sie sich vorstellt, ich hätte einen solchen Krater in ihrem Garten entstehen lassen können, entzieht sich immer noch meiner Kenntnis.

Aber ich habe Hausarrest bis ich fünfundzwanzig bin, und das zu wissen, reicht mir schon.
 

Als ich um die Trauerweide herum spähte, war der Engel verschwunden, aber in Anbetracht des Kraters, hielt ich eine Einbildung für ziemlich gering.

Dafür traf mich der nächste Schlag, als ich in mein Zimmer ging, und dieses Federvieh auf meinem Bett hockte, und die Mangas studierte, die dort herum lagen, ehe es mich ansah und feststellte, dass es 'eine Weile' hier bleiben würde um 'das himmlische Gleichgewicht' zu gewährleisten.
 


 

Seit diesem Zusammentreffen mit Gabriel sind gerade einmal fünf Tage vergangen, aber was genau er für himmlisches Gleichgewicht tun muss, und was ich, mein Zimmer und meine Klamotten damit zu tun haben, weiß ich immer noch nicht.

Um ehrlich zu sein bin ich mir auch gar nicht sicher, ob ich das wirklich wissen will, denn ich bin immer noch mit der Tatsache überfordert, dass ich einen Erzengel in meinem Zimmer habe, der schlimmer fluchen kann als jeder Bauarbeiter den ich kenne, und der eine ausgeprägte Liebe zu Shooter-Games und Hentais entwickelt hat.

Ob Gott das okay findet, wage ich irgendwie zu bezweifeln, aber ich konnte mir auch nie vorstellen, dass Engel herum laufen wie Edel-Stricher.
 

„Irgendwie wundert es mich nicht im Geringsten, dass dein Schutzengel langsam chronisch depressiv wird, wenn er sich das jeden Tag geben muss.“, kommt es hinter mir, und ich drehe mich automatisch um, wo ich als erstes erfreut registriere, dass Gabriel nicht mehr nackt durch mein Zimmer rennt.
 

Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, nämlich dem Spiegel, dass meine Klamotten nicht gerade der Knüller sind. Sie sind weit, ausgewaschen und geben auch optisch nicht viel her, aber ich liebe sie. Und trotzdem schafft es dieser Typ darin auszusehen wie ein Model, was ich zugegebenermaßen etwas unfair finde.

Natürlich, die Engel wurden von Gott erschaffen, aber musste er sie so verdammt perfekt machen? Aber um ehrlich zu sein, sollte ich schon froh sein, dass Gabriel dazu fähig ist seine Flügel verschwinden zu lassen, denn auf diesen vierzehn Quadratmetern, ist nicht sonderlich viel Platz für weitläufiges Federwerk.
 

„Mein Schutzengel?“

„Mich würde es nicht wundern, wenn er demnächst kündigt, weil er das nicht mehr ertragen kann. Du läufst rum wie der letzte Penner.“, stellt Gabriel so liebenswürdig wie eh und je fest, was mein Ego im Übrigen nicht wirklich aufbaut.

Ich weiß natürlich selbst, dass ich nicht gerade blendend aussehe, genauso wenig wie meine Kleidung, aber das muss man mir nicht auch noch so unverblümt ins Gesicht sagen.
 

„Derjenige, der dich als Schutzengel hat, tut mir auch leid. Der ist ja von Gott und der Welt verlassen.“, murre ich zurück, und bekomme einen belustigten Blick von meinem ungewollten Mitbewohner, der mit den Schultern zuckt, ehe er die paar Meter zu mir überwindet, und sich auf mein Bett fallen lässt.
 

„Erzengel beschützen niemanden.“, stellt er dann fest, während er sich den vierten Band von One Piece schnappt und sich an die Wand lehnt.

„Was tut ihr dann?“
 

Ich weiß, dass ich ihn eigentlich so schnell wie möglich los werden wollte, aber neugierig bin ich halt trotzdem. Wenn Erzengel niemanden beschützen, was zur Hölle tun sie denn dann? Nett aussehen vielleicht, wenn ich mir Gabriel so ansehe.

„Dies und das.“, ist die unbefriedigende Antwort, und ich beschließe ihn einfach zu ignorieren und mich stattdessen vor meine PlayStation zu setzen und ein bisschen zu spielen.
 

„Daniel! Komm sofort her!“

Ich zucke automatisch zusammen, als ich die Stimme meiner Mutter nach oben donnern höre und lege den Controller zur Seite.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Gabriel grinst, und wünsche ihn zur Hölle, wo er, meines Erachtens nach, hingehört.

Dieser Typ ist kein Engel in Gottes Dienst, sondern eine Ausgeburt der Hölle, so wie er sich verhält.
 

Seufzend schließe ich die Zimmertüre hinter mir und schlurfe die Treppen nach unten, an deren Absatz schon meine Mutter steht.

Mit den verschränkten Armen, dem übel gelaunten Gesichtsausdruck und den Fuß der auf den Boden klopft, macht sie keinen besonders fröhlichen Eindruck, weshalb ich ein paar Stufen vor ihr stehen bleibe.
 

„Kannst du mir sagen was das soll?“

Da ich keine Ahnung habe wovon sie eigentlich redet, gucke ich sie weiterhin fragend an und sage gar nichts. Allerdings scheint sie das nur noch mehr zu reizen, da sie noch wütender aussieht als sowieso schon.

„Willst du mir deine Neigung vielleicht beichten, oder soll ich damit zu Pastor Markus gehen?“
 

Ich habe beim besten Willen nicht die geringste Ahnung, von welcher 'Neigung' sie eigentlich redet, weshalb ich ein intelligentes „Hä?“, von mir gebe und sie einfach nur ansehe, was ihr Fass wohl zum Überlaufen bringt.
 

„Ein Transvestit in unserer Familie! Du entweihst unsere Familie und unser Ansehen mit deinem perversen Kram! Eine Schande bist du!“, brüllt sie mir entgegen, und aus der Küche kann ich Marcs gehässiges Kichern hören.

Es ist nicht so, als würde sie nicht öfter so mit mir reden, nur weil ich noch nie das Bedürfnis hatte gläubig zu werden, aber das sie mich inzwischen als einen perversen Transvestiten bezeichnet, ist dann selbst für mich zu viel.
 

„Wovon redest du überhaupt?“, brülle ich zurück, verstumme jedoch sofort, als ihr Blick nur noch wütender wird.

„Ich habe DAS hier in deiner Dreckwäsche gefunden! Widerlich!“

Damit geht sie zu dem Wäschekorb der auf der Kommode steht und zieht ein Teil heraus, das sie in die Höhe hält um es mir zu zeigen, oder mich damit anzuklagen.
 

Mir weicht jegliche Farbe aus dem Gesicht, weil ich das Teil sofort wieder erkenne. Wie könnte ich das auch nicht?

Es handelt sich hierbei um Gabriels weiße Hotpants und ich frage mich automatisch, wie die in meine Dreckwäsche kommt, ehe sich mein Blick verfinstert.

Natürlich habe ich sie nicht dort hinein geworfen, sondern hundert prozentig er selbst, denn das würde auch sein Grinsen erklären, als meine Mutter mich gerufen hatte.

Dieser miese, kleine Teufelsbraten! Das war doch pure Absicht!
 

„Das gehört mir nicht.“, widerspreche ich, auch wenn ich weiß, dass es absolut sinnlos ist, und sie mir sowieso nicht glauben wird.

„Du wagst es auch noch zu lügen? Das 8. Gebot sagt 'Du sollst nicht lügen'! Ich fasse es nicht, dass du die Gebote missachtest!“, brüllt sie mich wieder an, und ich stoße die Luft aus.

Was soll ich ihr auch sagen wem das Teil gehört? Marcs Hintern ist dafür zu fett und das meine Mutter so etwas jemals getragen hat geschweige denn tragen wird, ist mehr als unwahrscheinlich.

Ich weiß das ich nicht lüge, aber ihr die Wahrheit sagen kann ich auch nicht.
 

„Ja, es gehört mir. Ich tanze damit manchmal vor dem Spiegel zu Britney Spears, während ich mein Becken rhythmisch bewege. Es tut mir leid, Mum. Es kommt nicht wieder vor.“, leiere ich eher herunter, als dass ich es tatsächlich glaubhaft erzähle.

Im Prinzip ist es aber egal in welchem Ton ich es von mir gebe, denn sie will einfach nur hören, dass sie Recht hat.
 

Während meine Mutter sich lautstark darüber beklagt, warum ihr zweiter Sohn nur so missraten sein musste, mache ich auf dem Absatz kehrt und schlurfe die Treppe wieder nach oben, wo ich vor meiner Zimmertüre stehen bleibe.

Nach ein paar Sekunden reiße ich die Türe auf und knalle sie hinter mir wieder zu, wo ich Gabriel der grinsend auf dem Bett liegt einen scharfen Blick zuwerfe.
 

„Das hast du doch mit Absicht gemacht!“, werfe ich ihm vor.

Anstatt es abzustreiten, zuckte er lediglich mit den Schultern und sein Grinsen wird noch breiter.

„Und wenn schon? Ich langweile mich hier zu Tode, und das war doch ganz unterhaltsam.“
 

„Wenn dir so langweilig ist, dann kümmere dich um deine verdammte Mission, und verschwinde endlich!“, fahre ich ihn an, und bin mit ein paar Schritten bei meinem Bett, wo ich ihm den Manga aus der Hand reiße und mich über ihm aufbaue.

„Hau! Endlich! Ab!“
 

Ich weiche einen Schritt zurück, als Gabriels Blick sich verdunkelt und er sich aufsetzt.

Anstatt etwas zu sagen, packt er mich unglaublich schnell am Handgelenk und wirft mich aufs Bett, nur um sich dann auf meine Hüften zu setzen, und immer noch genauso finster auf mich runter zu sehen.
 

Dafür das Gabriel eine recht zierliche Erscheinung ist, hat er erstaunlich viel Kraft, weshalb ich einfach liegen bleibe und ihn mit großen Augen ansehe.

„Sei lieb, sonst steck ich deinen Eltern, das du mehr Pornos unter deinem Bett hast, als ein Beate Uhse Laden.“, sagt er dann endlich etwas, und geht zu meinem Glück von mir runter.
 

Allerdings nur, um sich einfach eine Zigarette an zu zünden.

Mal abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe woher er die auf einmal hat, wird meine Mutter mich umbringen, wenn sie riecht, dass in diesem Zimmer geraucht wird.

„Wieso kannst du dich nicht bei jemand anderem einquartieren?“, murre ich, während ich an die Decke starre, und mich frage, was ich eigentlich verbrochen habe um in so einen Mist zu geraten.
 

„Du hast keine Freunde, niemanden mit dem du reden kannst, bist absolut unglaubhaft, nicht gläubig und dein Leben ist erbärmlich. Du bist perfekt.“
 

Ich bin mir nicht sicher ob das ein Kompliment sein soll oder nicht. Wenn doch hat Gabriel eine seltsame Art Leuten ein Kompliment zu machen. Auf der anderen Seite bezweifle ich, dass er jemals mit Menschen zu tun hatte, und wenn doch, ist das bestimmt schon ein paar hundert Jahre her.

„Du verstehst es wirklich einen aufzubauen.“, kommentiere ich deswegen lediglich und werfe eines meiner Kissen nach ihm, dass er, wie sollte es auch anders sein, geschickt mit einer Hand auffängt.
 

„Wir haben nur ein einziges Problem.“, eröffnet er dann und ich hebe interessiert eine Augenbraue, ehe ich mich aufsetze und ihn abwartend ansehe.

Was das Problem sein soll das wir haben, darauf bin ich wirklich mal gespannt.

„Ab morgen hast du wieder Schule.“
 

Ich verziehe automatisch das Gesicht und gebe ungewollt einen Würgelaut von mir. Ich will auch nicht daran erinnert werden, dass ich ab morgen wieder in die Hölle muss.

Die richtige Hölle stelle ich mir im Gegensatz zu meiner Schule als richtig hübschen und netten Ort vor.

„Und?“, hake ich deswegen nach, weil ich das Problem nicht so wirklich verstehe.
 

„Ich kann mich nicht weiter als zwei Meilen von dir entfernen.“, murrt er zurück und wirft das Kissen zurück, bevor er es sich auf meinem Schreibtischstuhl bequem macht.

„Hä? Wieso?“

„Um sich in der Welt der Menschen aufzuhalten, brauchen wir eine Verankerung.“

„Aha.“

„Einen Menschen.“

„Mhm.“

„An den wir bis zur Beendigung der Mission gebunden sind.“

„Ah...ja. Und?“
 

Gabriel sieht mich an. Ich starre zurück. Sein Gesicht nimmt einen resignierten und leicht schuldbewussten Ausdruck an.

Und bei mir fällt der Groschen.
 

„DU BIST MIT MIR VERBUNDEN?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2015-09-20T05:57:05+00:00 20.09.2015 07:57
Ein rauchender Erzengel. Auch das noch. Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass du einen Namen eines sehr bekannten Schauspielers genommen hast? Ganz sicher. :-)
Den Namen an sich mag ich. Daniel Graig. Aber ich mag den Schauspieler nicht. :-(
Der arme Daniel. Aber er ist nicht der Einzige, der mit einem Staubsauger hantiert. ^^
Damals so vor über 50 Jahren... Nein, das erzähle ich besser nicht. Aber ich denke mal, du weißt was ich damit meine.
Das wird noch Chaos geben. ^^

Antwort von: abgemeldet
20.09.2015 15:06
Es gibt nen Schauspieler der so heißt? Ernsthaft? O_____O
Holly Shit?
Dann brauch ich ne Namensänderung *murmel*
Antwort von: abgemeldet
20.09.2015 22:32
Was, das wusstest du nicht?! Ich fasse es nicht. Der Schauspieler Daniel Graig ist in Hollywood ganz bekannt. Er hat beim "goldenen Kompass" und zwei James Bond Filmen gespielt.
Antwort von: abgemeldet
21.09.2015 01:43
Ne xD Meine Kenntnis über Filme beschränkt sich auf vorbei rennen am Fernseher, während Mama guckt. The End. XDDD
Na gut...und die paar die ich mir mal angeschaut hab. Aber von dem Heinzi hab ich noch nie was gehört xDDD
Antwort von: abgemeldet
21.09.2015 04:45
Ist ja auch nicht so wichtig. Behalte ruhig den Namen. Ist schön genug. ^^
Antwort von: abgemeldet
21.09.2015 05:02
Ach ja. Bevor ich es vergesse.

Das liebe Kinder, das war der Erklärbär. Nur etwas seltsam. Wer hätte gedacht, das es auch weibliche Erklärbären gibt. Die können sich also doch fortpflanzen. Mist. Naja. Die Hauptsache ist doch, ihr habt etwas gelernt, das so nutzlos an Wissen ist, wie es nur geht. ^^
Von:  Scorbion1984
2015-08-25T09:04:44+00:00 25.08.2015 11:04
Ihm fallen doch bestimmt einige Tricks ein ,um Gabriel loszuwerden ! Der hält bestimmt dagegen ! Wird wohl noch zu einigen Auseinandersetzungen kommen!!!!
Von:  Narjana
2015-08-24T18:08:01+00:00 24.08.2015 20:08
Halleluja - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Da weiß man nicht ob man schreien, lachen oder mit dem Kopf gegen die Wand schlagen soll. Daniel tut mir leid. Sehr... Aber er hat auch wirklich Opfer auf der Stirn stehen...
Von: haki-pata
2015-08-20T06:40:57+00:00 20.08.2015 08:40
Den Spaß beim Lesen hatte ich.
Davon will ich nichts verpassen!
Armer Daniel. Trotz Mitleid mag ich nicht nicht aufhören zu grinsen.
Kann man Engel umbringen...? Irgendwie vermute ich, im Laufe der FF wird Daniel diese Frage ebenfalls stellen.


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