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Sommerhitze

von

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Hitze! Unermüdliche Hitze drücke ihn nieder und das, obwohl er in seiner Kajüte lag. Gut abgeschirmt von der Sonne, deren Strahlen Nimmerland so erhitzten. Seine Beinkleider hatte er achtlos auf den Sekretär geworfen, ebenso seinen Hut, das Wams und seinen Säbel. Er trug nichts außer seiner Unterbekleidung und seinem Hemd, welches lose aufgeknöpft um seine Schultern hing und ihn gleichzeitig vor dem Schmutz der Dielen schütze, lag er doch tatsächlich auf dem harten Boden, gleichwohl ein bequemes Bett im Raum stand. Doch ihm war zu heiß. Die mit feinem Stroh gefüllte Matratze, das edle Betttuch und auch die Decke aus Daunen waren unerträglich bei dieser Hitze. Aber niemand würde ihn so sehen. James Hook war eitel. Sehr eitel und in einem derart desolaten Zustand durfte ihn nicht einmal Mr. Smee sehen, der Bootsmann und Kammerdiener in einem war. Seine Piraten, ein verlotterter Haufen finsterer Gestalten, schon gar nicht. Nein, James Hook zog es vor, die Hitze alleine und halbnackt in seiner Kajüte zu verbringen und sich zu fragen, wann der grässliche Sommer vorüber ging.
 

Tatsächlich war es so, dass Hook wusste, dass das Wetter auf Nimmerland an die Stimmung und Laune von Peter Pan gebunden war. Nur steigerte dieses Wissen seine eigene Laune keineswegs. Je besser Pans Laune war, umso schöner war das Wetter. Scheinbar hatte dieser freche Lausebengel seit Tagen schon ausgesprochen gute Laune. Wenn er doch nur nicht so erschöpft von der Hitze wäre! Hätte er mehr Energie an Tagen wie diesen, dann könnte er mit dem Beiboot über den Ozean ans Land rudern, nun vielmehr rudern lassen, und Pan jagen, so wie er es gerne tat. Der Kampf zwischen ihm und dem ewigen Jungen währte nun schon so lange, dass keiner mehr wusste, wie lange genau, aber auf jeden Fall lange genug, um zu wissen, dass die Jagd Pan herausforderte und das Wetter etwas gedämmter wurde.
 

Lachen war zu hören und Hook spitze seine Ohren. Das Planschen von Wasser erfolgte und noch mehr Gelächter. Offenbar sprangen seine Männer, ungeachtet der Gefahr, von der Leitplanke ins Wasser, um sich abzukühlen. Der Gedanke, es ihnen gleichzutun, kam ihm, doch er verwarf ihn augenblicklich wieder, als Kapitän ziemte sich dieses Verhalten keinesfalls. Allmählich schwoll die Aggression, welche die Hitze bei ihm stets verursachte, an. Er spürte, dass sein Geduldsfaden bald reißen würde. Natürlich hieß das, dass er seinen Männern das Schwimmen im Meer verbot. Schließlich konnten sie dadurch die Meerjungfrauen anlocken und jeder Seemann wusste, wie gefährlich diese Biester waren. Mit ihren hübschen Gesichtern bezauberten sie die Männer, bevor sie sie in die Tiefe und somit in den Tod zogen. Doch es waren keineswegs die Meerjungfrauen, vor denen Hook sich fürchtete. Es war das Krokodil. Dieses böse Krokodil, das ihn seit jenem Tag verfolgte, als Pan ihm die Hand abgehakt und dem Krokodil zum Fraß vorgeworfen hatte. Seitdem war es offenbar auf seinen Geschmack gekommen.
 

Ein neuerliches Lachen ließ Hook aufhören. Es klang, als käme es aus der Ferne und war wesentlich heller als das kratzige Lachen der Piraten. So fröhlich, wie es war, konnten es nur die verlorenen Jungen sein. Seine rechte Augenbraue zuckte nach oben, da der Nerv darunter gereizt pochte. Da hörte er es! Das Lachen von Pan! Die Augen verärgert zusammengekniffen, stand Hook auf. Seine Knochen knackten, da er zu lange in seiner Position verharrt hatte und – nun, auch nicht mehr der Jüngste war. Das Fernrohr ausgezogen, blickte er durch das Bullauge und sah zum Strand. Tatsächlich Pan war dort mit den verlorenen Jungen. Sie tobten und spielten im Wasser, und waren gänzlich ausgelassen, so dass Hook schlecht wurde.
 

„Smee!“, rief er und schon war Poltern und Scheppern zu hören, ehe sein Bootsmann in die Kajüte stolperte. Gerade so gelang es diesem, seine rote Mütze auf dem Kopf zu behalten.

„Kapitän?“

„Nimm 4 Mann, mach das Beiboot klar, ich will an Land!“

„Aye!“, entgegnete Smee, der über den leicht bekleideten Zustand seines Kapitäns verwirrt war. Doch ohne etwas zu sagen verschwand er wieder, auch wenn er sein Erstaunen kaum unterdrücken konnte. Hook hingegen war von neuem Tatendrang beseelt und so zog er sich rasch, aber nicht desto weniger gründlich an, es würde ein fundamentalistischer Tag werden, der Tag, an dem er Peter Pan das Lachen austrieb! Kaum fertig mit dem Anlegen seiner Kleidung, was angesichts seines verschwitzen Leibes etlicher Anstrengung bedurfte, stieg er aufs Deck. Die heiße Luft schlug ihm mit aller Härte entgegen.

„Verdammte Hitze!“, fluchte er und steuerte das Beiboot an.
 

Smee und die ausgewählten Männer standen dort, während der restliche Piratenhaufen am Achterdeck stand und sich nicht getraute, weiterhin ins Meer zu springen, solange ihr übellauniger Kapitän in Sichtweite war. Hook schwieg. Ihm war nicht nach reden. Er überlegte schon, wie er Pan das Lachen vertreiben wollte. Er dachte an eine Falle, daran, die verlorenen Jungs im Kampf zu besiegen. Pan mit seinem Säbel zu erschlagen oder den Burschen einfach zu erdrosseln, wenn er ihn in die Finger bekam. Diese Erleichterung, wenn Pan tot und der Sommer endlich vorüber wäre. Angenehme Temperaturen, davon tagträumte er gerade, ohne zu bemerken, dass ein wahnsinnig wirkendes Grinsen seine Lippen zierte. Nie hatten sich seine Männer so vor ihm gefürchtet wie jetzt. Schnell halfen sie dem Kapitän ins Boot, während ein paar andere hinzu eilten, um das Beiboot ins Wasser zu lassen.
 

Die Fahrt an Land verlief in vollkommener Ruhe. Lediglich das Gestöhne der Männer von der Anstrengung des Ruderns war zu hören, sowie die Rudergeräusche selbst. Sie setzten an Land auf und Hook stieg aus, nicht ohne seine Kleidung zu richten. Dem sehnsüchtigen Blick der Piraten auf das weite Meer war anzusehen, dass sie viel lieber ihre Körper im kühlen Nass geaalt hätten. Aber Hook kannte kein Pardon. Er war auf Pan fokussiert – mal wieder.
 

Durch den Palmendschungel schlichen sie sich so gut es ging an die Jungen heran, doch der Sandstrand, zu dem sie gehen mussten, bot kaum Verstecke. Hook missfiel dies deutlich, aber dann erkannte er, dass ein Mann sich hinter einem Felsen ganz nah bei den herumtollenden Jungen verstecken konnte. Er sah zu Smee, der für den Felsen zu dick war, dann zu Ein-Augen-Hans, der für den Felsen zu lang war. Der Dumme-Berd hieß nicht umsonst der Dumme-Berd und fiel ebenfalls aus der Reihe. Übrig blieben noch der Stumme-Martin und der Blasse-Otto, der alles andere als blass war, sondern so braun wie ein Stück Schokolade. Warum hatte er vorher nicht daran gedacht, welche Männer für diese Mission geeignet waren? Nun, es half nichts, dachte sich Hook und beschloss ganz spontan, selbst zu gehen. Er befahl seinen Männern, in Deckung zu bleiben und einzuschreiten, sollte er Hilfe benötigen, dann huschte er unbemerkt von den verlorenen Jungen und Pan über den Strand zum Felsen.
 

Nun stand er dort und wusste nicht, was er machen sollte. Er war alleine, die verlorenen Jungen mit Pan zu sechst. Hook linste über den Felsbrocken. Seine Augen weiteten sich. Der Mond war aufgegangen. Am helllichten Tag. Aber halt – es war nicht ein Mond, es waren sechs! Die Jungen badeten nackt! Sofort duckte er sich, während er aufgeregt blinzelte. Niemals könnte er gegen nackte Burschen kämpfen. Dies würde sein Sinn für Stil nie dulden. Verloderte Kleidung war schon schlimm genug, aber Nacktheit? Nein, so ging das nicht. Ein anderer Plan musste her und da sah er auf den Berg Kinderkleidung und ihm kam eine Idee.
 

Grinsend schlich er sich zu den Hosen und Hemden und sammelte sie ein, während Pan im Wasser ganz besondere Kunststücke zeigte. Keiner beachtete Hook, außer seinen eigenen Männern, die verborgen unter einer Gruppe Palmenstauden ganz gespannt beobachteten, was ihr Kapitän da tat. Mit den Kleidern der verlorenen Jungen im Arm, versteckte er sich wieder hinter dem Felsen und schnaufte erst ein paar Mal durch. Ein merkwürdiges, aufregendes Gefühl pochte in seinem Herzen. Wäre er nicht Kapitän James Hook, er hätte fast geglaubt, er freute sich über den Streich, welchen er den Burschen spielte. So schüttelte er seinen Kopf, sah kurz nach den Jungen und eilte ebenso ungesehen zu seinen Männern zurück, wie er gekommen war.
 

„Kapitän“, fragte Smee, „was machen Sie jetzt mit den Klamotten?“

„Ich nehme sie mit!“, antwortete Hook und auch wenn er sich sehr bemühte, seine Belustigung zu verbergen, er konnte es nicht. Seine Mundwinkel zuckten nach oben und seiner Kehle entrang sich ein amüsiertes Glucksen, als er weitersprach. „Pan wird sich noch wundern! Wenn er aus dem Wasser kommt und seine Hose weg ist, dann wird er nackt nach Hause müssen und sein dämliches Grinsen verlieren.“

„Welch geniale Idee!“, riefen die Piraten gleichzeitig aus, nur um sich sofort die Hände vor den Mund zu schlagen, waren sie doch recht laut gewesen. Zu ihrem Glück waren die verlorenen Jungen beim Spielen noch lauter und der Freudenruf der Piraten blieb ungehört.
 

Schnell machten sie sich auf den Rückweg zum Ruderboot und mit jedem Schritt, den sie gingen und Hook auf die kleinen Hosen und Hemden, die er trug, schaute, wurde seine Laune besser. Die Hitze war auch auf einmal gar nicht mehr so schlimm und er bekam tatsächlich Lust, ebenfalls schwimmen zu gehen. Hier im Meer würde ihn nicht einmal das Krokodil finden. Nicht heute, denn der Tag war zu wundervoll.

„Männer“, verkündete er und warf die Stofffetzen der verlorenen Jungs ins Ruderboot, „lasst uns eine Runde schwimmen gehen.“

„Wirklich?“, fragte der Blasse-Otto, der dem Frieden nicht traute, war ihr Kapitän doch für sein wechselhaftes Verhalten bekannt.

Sofort verengten sich Hooks Augen. „Wenn ihr nicht wollt…“

„Doch, doch, Kapitän“, versicherten die Männer und begannen damit, sich auszuziehen. Selbst Hook entkleidete sich mit Hilfe von Smee, das Wams ordentlich zusammengelegt, damit es keine Falten bekam und Hooks Eitelkeit beim erneuten Ankleiden litt.
 

Hook tauchte ins kühle Wasser. Augenblicklich fühlte er sich erfrischt. Wann war er das letzte Mal im Meer geschwommen? Unter Wasser schwamm er ein paar Züge, ungeachtet der Tatsache, dass seine schwarze Lockenpracht in sich zusammenfiel. Er schien es kaum zu bemerken, aber die Abkühlung und die Erheiterung seines Streiches taten ihm so gut, dass sein Herz leichter wog. Mit Mr. Smee schwamm er um die Wette, während der Dumme-Berd vom Blassen-Otto getunkt wurde und der Stumme-Martin vom Meeresgrund Muscheln sammelte. Das Wettschwimmen gewann Hook nur knapp, auch wenn er dies niemals zugegeben hätte, doch Smee war, obwohl korpulent, ein hervorragender Schimmer. In ihrem Spaß vergaßen die Piraten die Zeit und erst als die Sonne sich dem Rand des Meeres näherte, bemerkten sie, dass viel Zeit vergangen war.
 

„Lasst uns zurück zum Schiff!“, befahl Hook, dem es nun irgendwie unangenehm war, sich so mit seinen Piraten amüsiert zu haben. Sie wollten zum Beiboot, um ihre Kleidung zu holen, doch mit großen Augen mussten sie feststellen, dass das Boot fort war.

„Was zum Teufel?“, fluchte der Kapitän. Es dauerte, bis sie das Boot in der Ferne entdeckten. Schon vor längerem musste es sich gelöst haben, denn es war kaum mehr größer als eine Nussschale am Horizont. „Pan!“, knurrte Hook, der sofort seinen ewigen Gegner in Verdacht hatte. Doch Smee hielt das Seil hoch, mit dem das Beiboot an einem größeren Stein befestigt gewesen war. Der Knoten hatte sich gelöst.

„Wer hat das Boot befestigt?“, fragte Hook, der die Antwort wohlweislich schon ahnte. Hinter seinen Kameraden versteckte sich der Dumme-Berd und wurde ganz kleinlaut, als er „Ich“ sagte. Schon fürchtete er, von Hooks Haken erschlagen zu werden, doch der Kapitän hatte ganz anderes im Sinn. Sie mussten ja schließlich zurück auf die Jolly Roger kommen. Da sie nichts dabei hatten, um die Piraten auf dem Schiff auszumachen und er nicht darauf vertrauen konnte, dass diese ihren Kapitän suchen gingen, beschlossen sie, zum Schiff zurückzuschwimmen. Zum Glück lag die Jolly Roger in der Nähe und die Strecke war trotz der leichten Strömung durchaus machbar. Also schwammen sie zurück.
 

So kam es, dass nicht nur Peter Pan an diesem Abend nackt nach Hause gehen musste. Doch während für Peter und die verlorenen Jungen dies nur eine neue Geschichte war, ein neues Abenteuer von dem unsichtbaren Geist, der ihre Kleidung geklaut hatte, litt Hooks Eitelkeit ganz mächtig, als er an Bord seines Schiffes gezogen wurde und nackt vor seinen Männern stand. Mit erhobenem Kopf schritt er in seine Kajüte, wo er sich einschloss und die nächsten Tage verbrachte, denn zu seiner großen Verwunderung blieb das Wetter noch lange heiß. Aber woher hätte er auch wissen können, dass Nacktheit für Lausebengel normal war?
 

ENDE


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, dass war mein kleiner Beitrag zur Sommer Challenge 2015 von FanFiktion.de. Ich hoffe, er hat euch gefallen. Über Feedback würde ich mich jedenfalls sehr freuen. Liebe Grüße eure Sara Komplett anzeigen

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