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Star Trek - Timeline - 04-01

Rückkehr ins Licht
von

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Gefangene des Dominion

Als Namoro Kunanga mit seinen Begleitern und ihren Jem´Hadar-Wachen auf den weiten, annähernd sechseckigen Platz gebeamt wurden, der das Zentrum des Strafgefangenenlagers bildete, gewann er den Eindruck gegen eine unsichtbare Mauer geprallt zu sein. Eben noch hatte seine Umgebungstemperatur angenehme zweiundzwanzig Grad Celsius betragen und nun betrug sie etwa das Doppelte. Ihren Wachen schien dieser plötzliche Temperaturunterschied nicht das Geringste auszumachen, doch am unterdrückten Seufzen seiner Begleiter erkannte Kunanga, dass es seinen Crew-Kameraden kaum besser erging, als ihm selbst.

Im Zentrum des Platzes erhob sich ein gleichfalls sechseckiges Gebäude, an dem Kunangas geschultes Auge schnell ein gutes Dutzend Polaronphaser-Emitter erkannte. Auch ansonsten machte dieser graue Stahlbau, mit seinen schmalen Schlitzfenstern, einen grimmigen, abweisenden Eindruck. Der Afrikaner schätzte den Grunddurchmesser des Gebäudes auf etwa sechzig bis siebzig Meter, bei einer Höhe, die etwa die Hälfte dessen betrug, während die Wachen sie auf das Gebäude zu trieben. Ein kurzer Blick zum Himmel belehrte Kunanga darüber, dass dieses System mindestens drei Sonnen besaß, denn so viele konnte er am wolkenlosen Himmel erkennen. Kunanga musste widerwillig zugeben, dass es ein psychologisch hervorragender Zug war, sie nicht im Gebäude selbst sondern davor abgesetzt zu haben. Einerseits gab Krelton´kentak ihnen damit die Gelegenheit, sich von den mörderischen klimatischen Bedingungen gleich vorab ein Bild zu machen um sie dadurch zu demoralisieren. Andererseits wirkte die Wehrhaftigkeit des Gebäudes einschüchternd, wie Kunanga bei einem schnellen Blick in die Mienen seiner Begleiter feststellen konnte.

Die Jem´Hadar bedeuteten ihnen, die vier Stufen zum Portal, offensichtlich der Haupteingang des Gebäudes, hinauf zu gehen. Vor ihnen teilte sich das Panzerschott des Eingangs und gab den Blick frei in eine nüchtern gehaltene Empfangshalle, in der bereits Krelton´kentak mit zehn weiteren Bewaffneten auf sie wartete.

Gemessenen Schrittes, mit einem kalten Lächeln auf den Lippen, kam der Kommandant des Jem´Hadar-Kreuzers DRANTOC´ZERKAN, der sie hierher gebracht hatte, auf die Gruppe der Gefangenen zu und baute sich vor ihnen auf. Der Blick seiner dunklen, leidenschaftslosen Augen wanderte zu jedem Einzelnen, bevor er mit tragender Stimme erklärte: „Sie befinden sich auf dem zweiten Planet des Kiranem-Systems. Lassen Sie sich von mir vorab versichern, dass dieses Strafgefangenenlager keine besondere Bewachung oder gar Zäune benötigt. Die Flora dieses Planeten tötet alles und jeden, der sich in den dichten Dschungel hinein wagt. Der einzig sichere Platz ist das Lager und seine Dilithiummine, in der sie fortan für das Dominion arbeiten werden.“

Der Jem´Hadar trat einen Schritt zurück und befahl: „Sie werden nun in einer Reihe antreten, primär nach Ihrem Rang, sekundär nach Ihrer Funktion an Bord des zerstörten Raumschiffs, von Links nach Rechts. Ausführen!“

Zögerlich kamen die vierzehn ehemaligen Besatzungsmitglieder der ODYSSEY der Aufforderung nach, wobei Namoro Kunanga den Beginn und Julie Rieder den Abschluss der Reihe bildeten.

Krelton´kentak, obwohl selbst nicht gerade kleinwüchsig, musste zu Kunanga aufsehen, was ihn sichtlich störte. Er maß Kunanga mit finsteren Blicken, bevor er sich der Andorianerin Nia´Lyara Tareh zu wandte, die direkt neben Kunanga Position bezogen hatte. Ein spöttisches Grinsen überflog das Gesicht des Jem´Hadar, als er die Frau ansprach: „Man behauptet, Ihre Spezies würde über einen ausgeprägten Sinn für Mut verfügen. Doch ich kann den Geruch Ihrer Angst deutlich wahrnehmen, Andorianerin.“

Zorn und der Wille zum Widerstand funkelten in den Augen der blauhäutigen Frau und den sachten Schlag Kunangas mit der Hand gegen ihren Unterarm ignorierend erwiderte sie ironisch: „Und ich kann ihr Duftwasser riechen, Jem´Hadar. Ist das Flieder?“

Das ironische Grinsen auf Krelton´kentaks Gesicht verlor sich. Im nächsten Moment schlug er der Andorianerin ansatzlos in die Magengrube und sie knickte in den Knien ein. Blitzschnell hielten zwei Wächter hinter dem Jem´Hadar-Kommandanten Kunanga, mit auf ihn gerichteten Waffen, davon ab der Andorianerin zu helfen. Krelton´kentak griff schnell in die Haare der Andorianerin und zog sie daran langsam wieder herauf. Dabei flüsterte er fast, als er meinte: „Sie werde ich zuerst verhören, Andorianerin, und dabei werden wir feststellen, wie es wirklich um den Mut ihrer Spezies bestellt ist.“

Mit einer herrischen Geste ließ er die Gefangene los und schritt weiter die Reihe der Angetretenen entlang, in deren Gesichtern sich Wut und Besorgnis widerspiegelte. Besonders Aiden Harrell schoss mörderische Blicke auf den Schlachtkreuzer-Kommandanten ab und musterte ihn finster, als er an ihm vorbei schritt.

Nachdem sich Krelton´kentak schließlich wieder, mit mehreren Schritten Abstand, vor den Gefangenen aufgebaut hatte sagte er laut: „Widerstand wird nicht toleriert! Ungehorsam wird nicht toleriert! Aufsässigkeit wird nicht toleriert! Sie werden den Anweisungen des Lagerpersonals unbedingt Folge leisten, ohne Diskussion. Sie werden, während der Verhöre und während ihrer Arbeitszeit, nur dann reden, wenn wir das Wort an Sie richten. Wenn Sie gegen diese Regeln verstoßen dann werden Sie bestraft, und wenn Sie uns Informationen vorenthalten, nach denen wir Sie in den folgenden Verhören fragen werden, dann werden Sie gleichfalls bestraft!“

Krelton´kentak zeigte auf Kunanga, Nia´Lyara Tareh und Worronow. „Mit Ihnen Dreien werden wir die Verhöre beginnen, der Rest von Ihnen wird nun in einer der Lagerbaracken untergebracht.

Während die Hälfte der Bewaffneten elf Sternenflottenangehörige aus der Halle führten, kam der Kreuzer-Kommandant langsam wieder näher zu den übrigen drei Gefangenen. Mit überlegenem Blick erklärte er ruhig: „Wir werden sie unabhängig von einander verhören, und ich rate Ihnen gut sich Ärger zu ersparen indem Sie uns die volle Wahrheit sagen und auf sinnlosen Widerstand verzichten.“

Ohne auf eine Antwort zu warten ließ er Kunanga und Worronow von mehreren Wachen abführen. Er selbst blieb dicht vor der Andorianerin stehen. „Sie werden fraglos Widerstand leisten, denke ich, und ich freue mich bereits jetzt darauf, ihn zu brechen.“

Ein wütendes Funkeln der tief-violetten, ausdrucksstarken Augen und ein leichtes Anspannen ihres athletischen Körpers, waren die einzigen Reaktionen der Andorianerin auf diese Worte, bevor sie von zwei der Wachen gepackt und mit gezerrt wurde.

Mit einem der Turbolifts im Hintergrund der Halle, fuhr Nia´Lyara Tareh, zusammen mit Krelton´kentak und den zwei Wachen, in ein Untergeschoss hinab, das spürte die Andorianerin sehr deutlich. Nicht nur ihre dreidimensionale Wahrnehmung war, dank der mit ihren Antennen verbundenen Gehirnpartien, besser als die der meisten Humanoiden, sondern sie besaß auch die Fähigkeit ihre relative Lage in einer geschlossenen Umgebung deutlich wahrzunehmen. Von der Länge der Fahrt schloss sie, dass es mindestens drei Untergeschosse, unter dem eigentlichen Gebäude, geben musste.

Sie verließen den Lift und traten auf einen niedrigen, graublauen Gang hinaus. Nach wenigen Metern öffnete Krelton´kentak ein Schott zu ihrer Rechten und sie traten in einen Raum ein, der außer einigen Fesseln, die sich am Boden befanden und gleichfalls von der Decke des Raumes hingen, nichts weiter enthielt. Die Wachen zwangen ihre Handgelenke und Knöchel auseinander und legten Sie in die Fesseln, deren Ketten sich daraufhin automatisch strafften, und nach einer halben Minute stand die Andorianerin, unfähig sich zu bewegen, in der Mitte des kahlen Raumes.

Die blauhäutige Frau beobachtete Krelton´kentak dabei, wie er langsam um sie herum schritt, bis er schließlich wieder vor ihr stand, und ein ungutes Gefühl ergriff schleichend von ihr Besitz. Dieser Jem´Hadar hatte ihr vorhin in der Halle bereits demonstriert, was er von höflichen Umgangsformen und Gentleman-Manieren hielt, oder besser nicht hielt. Interessiert verfolgte sie dabei den Fluss einer weißen Flüssigkeit, die durch einen semi-transparenten Schlauch zwischen linker Brust und linker Halsvene pulsierte. Sie stellte, trotz ihrer misslichen Lage, Überlegungen an, wofür diese Flüssigkeit diente. Nur wenig war bisher über diese grau geschuppten Krieger des Dominion bekannt, außer, dass sie mit ungewöhnlicher Härte und Brutalität den Willen der geheimnisumwitterten Herrscher des Dominion durchsetzten.

Die Andorianerin wurde in ihren Ansichten unterbrochen, als sich der Schlachtkreuzer-Kommandant vor ihr aufbaute und mit diabolisch wirkendem Grinsen sagte: „In Ordnung, kommen wir zum Grund Ihres Hierseins, Andorianerin. Sagen Sie mir, was Ihre Intentionen im Herrschaftsgebiet des Dominion gewesen sind, bevor wir Ihr Raumschiff vernichtet haben?“

„Es handelte sich um eine Rettungsmission. Ihre Leute hatten einen Commander der Sternenflotte entführt.“

Der Andorianerin war, als würde etwas in ihrem Gesicht explodieren, als Kommandant Krelton´kentak ihr einen heftigen Fausthieb gegen die Schläfe verpasste und für einen kurzen Augenblick verlor sie die Orientierung, als sich die Welt um sie herum zu drehen schien.

„Falsch!“, herrschte der Jem´Hadar die andorianische Gefangene an. „Ihr Commander ist widerrechtlich in unseren Herrschaftsbereich eingedrungen, und nachdem wir Ihrer Sternenflotte eine Warnung zukommen ließen, dies zukünftig nicht mehr zu tun, taten Sie es erneut, indem die Sternenflotte Ihr Schiff schickte. Deshalb frage ich Sie nochmal: Was sind die Intentionen der Föderation in unserem Herrschaftsbereich?“

Nia´Lyara Tareh, die wieder einigermaßen bei Sinnen war, blickte den Mann, von dem sie nicht sicher war, ob dieser Begriff überhaupt zutraf, in den Fesseln hängend an. Blaues Blut ran an ihrem linken Auge vorbei die Wange hinunter, da ein scharfkantiger Zacken seiner Handschuppen ihre Haut verletzt hatte, und tropfte auf das golden abgesetzte Schulterteil ihrer Uniform. Zischend erwiderte sie: „Die rote Kreatur der Unterwelt soll Sie stückweise holen. Die ODYSSEY zog sich bereits wieder zum Wurmloch zurück, als Ihre Schiffe sie vernichteten. Wir haben keine Intentionen in Bezug auf den Gamma-Quadrant. Wir sind Forscher und...“

Ein Fausthieb in den Magen presste Nia´Lyara die Luft aus dem Körper und sie stöhnte vor Schmerz auf. Ein wilder Schrei folgte, als Krelton´kentak ihren Kopf an den Haaren hoch riss und nach hinten zwang. Die Klinge eines gezackten Dolches blitzte kurz auf und im nächsten Moment schnitt der Graue damit über die Wange der Frau. Mit einem satanischen Gesichtsausdruck weidete er sich an den Schreien der Andorianerin, bevor er von ihr abließ und der Wimmernden fast flüsternd sagte: „Alles was Sie einmal waren das zählt hier auf diesem Planeten nichts mehr. Sie sind nun keine Forscherin mehr; kein Offizier. Sie sind weniger wert, als Dreck. Sie sind... Nichts. Das werden Sie schon sehr bald erkennen. Das war Ihre Lektion für heute, aber wir werden uns in den nächsten Tagen und Wochen wiedersehen, das ist ein Versprechen, Andorianerin.“

Der Jem´Hadar steckte seinen Dolch wieder ein und gab den beiden Wachen, die alle Vorgänge unbeteiligt verfolgt hatten, einen Wink, die Gefangene aus ihren Fesseln zu befreien. „Bringt sie in die Baracke, zu ihren Kameraden. Ich bin sicher, die werden bereitwilliger reden, wenn sie sehen, was sie hier erwartet, falls sie es nicht tun.“

 

* * *

 

In den nächsten Tagen und Wochen wurden die vierzehn ehemaligen Crewmitglieder der vernichteten ODYSSEY immer wieder zum Verhör in das Hauptgebäude des Lagers gebracht und von Krelton´kentak und seinen Untergebenen systematisch gefoltert, wobei der Schlachtkreuzer-Kommandant es persönlich übernahm, sich um Nia´Lyara Tareh zu kümmern. Sie hatte ihn durch ihr Verhalten herausgefordert, und so war es ihm ein besonderes Anliegen, gerade ihren Widerstand zu brechen.

An Julie Rieder hatte er rasch das Interesse verloren, nachdem sie, gleich beim ersten Verhör, bereits nach kurzer Zeit wimmernd und zitternd in den Fesseln hing. Mit einer verächtlichen Bemerkung über ihre Erbärmlichkeit hatte er sie wegbringen lassen und sie fortan nicht wieder persönlich verhört. Krelton´kentak hasste es Weichlinge zu verhören, da verlor jegliche Folter ihren Reiz.

Die Andorianerin war da aus einem anderen Holz geschnitzt und Krelton´kentak genoss die Verhöre dieser Frau beinahe. Fast zu sehr, denn am Ende der Verhöre, als der Kommandant der DRANTOC´ZERKAN sicher war, dass die Gefangenen ihm alles gesagt hatten was sie wussten, war die blauhäutige Frau mehr tot als lebendig.

Krelton´kentak machte sich deswegen keine Gedanken. Er war für den Kampf geschaffen worden, ein Gewissen war da nur hinderlich, also hatten die Gründer in seinem genetischen Code keins implementiert, was für die Weisheit dieser göttlichen Wesen sprach. Er war beinahe froh, wenn ein Jem´Hadar zu einem solchen Gefühl überhaupt in der Lage war, diesen Planeten verlassen zu können um den Gründern davon zu berichten was er aus den Gefangenen herausgepresst hatte. Von nun an standen sie unter der Aufsicht des Lagerkommandanten und waren somit nicht länger sein Problem. Während der Zeit der Verhöre hatten die Neuankömmlinge genug Zeit gehabt, sich an die hiesigen Bedingungen zu gewöhnen und sie würden bereits mit dem morgigen Tag zur Zwangsarbeit herangezogen werden, damit sie einen nützlichen Zweck für das Dominion erfüllen konnten.

Krelton´kentak schloss dieses Thema ab und konzentrierte sich bereits auf kommende Aufgaben, noch bevor er, zusammen mit einigen Leuten seiner Crew, zu seinem Schlachtkreuzer, im Orbit des Planeten, transportiert wurde. Vermutlich würde man nie wieder etwas von diesen vierzehn Gefangenen hören oder sehen, in der Föderation. Für ihre Leute waren sie vermutlich längst tot, und bald würden sie es tatsächlich sein, denn der Planet unter seinem Schiff galt nicht als bester Freund humanoiden Lebens.

Krelton´kentak gab Befehl Kurs zu setzen zu jenem Ort, an dem er einem untergebenen Vorta der Gründer Bericht erstatten sollte. Nur wenigen Jem´Hadar war es je vergönnt gewesen persönlich einen ihrer Götter zu sehen, oder gar zu sprechen.

Wenige Augenblicke später beschleunigte das gewaltige Kriegsschiff signifikant und verschwand mit einer grellen Lichterscheinung im Subraum.

 

* * *

 

In den ersten Tagen, nach den Verhören, wünschten sich manche Besatzungsmitglieder diese Zeit der Folterungen zurück denn die Arbeit in den stickigen Tunneln der Dilithiummine, oder der Dienst am Rand des Dschungels, der darin bestand, in sengender Sonnenglut die stetig vordringenden, lebensgefährlichen Pflanzen des Dschungels, mit Hilfe von Sprühgeräten die einen, für diese Pflanzen zerstörerischen Schaum verteilten, zurückzudrängen.

Wie Krelton´kentak, am Tag ihres Eintreffens verkündet hatte hinderte kein Zaun und keine Mauer die Gefangenen daran sich in den Dschungel zu begeben, und das war auch nicht notwendig denn dieser Dschungel war ebenso tödlich wie die Polarongewehre ihrer schwer bewaffneten Jem´Hadar-Wachen. Wenn nicht sogar tödlicher.

Die ersten drei Tage waren die Hölle gewesen, und als Aiden Harrell nach dem Abendessen, am Ende des vierten Tages, besorgt nach Nia´Lyara sah, da fragte er sich wie lange er und seine Kameraden diese Hölle würden überleben können. Eine Flut von Emotionen schüttelte ihn, seit ihrer Ankunft auf diesem Höllenplaneten. Widerstand wechselte sich mit der Bereitschaft zur Aufgabe ab. Hoffnung mit Depression. In manchen Momenten glaubte der Brite, dass ihm der Kopf platzen würde, und ein Teil, tief in ihm, wünschte sich das manchmal sogar. Es kostete ihn ein hohes Maß an seelischer Kraft und Überwindung, in solchen Momenten die Hände zu Fäusten zu ballen und dagegen anzukämpfen. So, wie in diesem Moment, da er kaum noch Hoffnung für Nia´Lyara hatte.

Die Andorianerin war momentan noch von der Zwangsarbeit befreit, denn sie schwebte zwischen Leben und Tod und Aiden befürchtete jeden Tag, sie am Abend nicht mehr lebend vorzufinden. Wie an den drei Vorabenden auch fütterte er die geschwächte Andorianerin, die sich zuerst kraftlos gegen diese Bemutterung hatte wehren wollen, letztlich aber nicht gegen seine Beharrlichkeit, in den letzten Tagen, angekommen war. Er sorgte auch dafür, dass sie genügend trank, wobei er einen Teil seiner kargen Wasserration der Frau gab, deren Schulter er etwas angehoben hatte. Aiden Harrell wusste, dass dem Metabolismus der andorianischen Frau, die Hitze des Planeten am meisten zusetzte, was zu ihrer momentan schlechten Verfassung erschwerend hinzu kam.

Sein Beispiel hatte sofort Schule gemacht, und so verzichtete jeder Kamerad der Andorianerin auf einen Teil seines Wassers. Keiner wollte, dass Nia´Lyara starb. Ohne dass Harrell es bemerkte achtete Namoro Kunanga darauf, dass Harrell selbst, ob seiner Zuneigung für die Andorianerin, nicht zu wenig Wasser für sich selbst übrig behielt, denn es wäre wenig sinnvoll gewesen ein Crewmitglied zu retten, auf Kosten eines anderen.

Kunanga kam seiner Verpflichtung als ranghöchster Überlebender der ODYSSEY nach und kümmerte sich in persönlichen Gesprächen um jeden seiner Kameraden, wobei der Vulkanier Tarik und der tellaritische Chief seinen Zuspruch am wenigsten benötigten. Sein Freund Worronow war ebenfalls zäh und unterstützte ihn in seinen Bemühungen um die seelische Verfassung ihrer Kameraden. Am Vortag hatte sich die Betazoidin, Carani Feroi, angeboten, ihm bei diesen Gesprächen unterstützend zur Seite zu stehen, da sie notfalls erfassen konnte wie es wirklich um die Kameraden stand und wo anzusetzen war. Kunanga hatte ihre Hilfe dankbar angenommen und er war sich sicher, dass die Betazoidin die Foltern einigermaßen gut überstanden hatte.

Fatmira Al-Basrin und Daren Nerth hingegen waren momentan beinahe apathisch, so dass sich Kunanga Sorgen um sie zu machen begann. Er hoffte inständig, dass sich beide wieder fangen würden in der nächsten Zeit. Kunanga hatte zu Beginn der Verhöre befürchtet, dass sich Julie Rieder und Heung Min Lun zu ihren Sorgenkindern entwickeln würden, doch beide hatten die Foltern besser überstanden als es der Afrikaner befürchtet hatte. Zu seiner Erleichterung waren beide seelisch stabiler, als angenommen und Kunanga fragte sich, ob hier ihre Jugend möglicherweise ein Vorteil war den er nicht mit eingerechnet hatte.

Auch Chorell schien auf einem stabilen Weg zu sein, auch wenn sie abends stets wortreich erklärte, wie sehr die Hitze ihr zusetzen würde. Kunanga nahm sich vor, mit der Bolianerin zu reden und ihr dabei klarzumachen, dass sie damit die Kameraden eher demoralisierte, als aufbaute.

Den letzten Bissen des widerlichen Abendessens herunter würgend schritt Namoro Kunanga schließlich zu Aiden Harrell und sagte raunend: „Der abendliche Gewitterguss wird gleich einsetzen. Brauchen Sie Hilfe um Nia´Lyara hinaus zu bringen?“

Aiden Harrell blickte über die Schulter nach oben, wobei er sich schnell eine Träne von der Wange wischte. Beschämt wich er dem Blick des Afrikaners aus und antwortete leise: „Nein, das schaffe ich, Lieutenant.“

Kunanga legte dem Briten seine Hand auf die Schulter, und so leise, dass nur Harrell ihn hören konnte erwiderte er: „Schämen Sie sich nicht für Ihre Gefühle, Aiden. Das ist etwas das uns von diesen biologischen Kampfmaschinen namens Jem´Hadar unterscheidet, und es ist gut und richtig so.“

Harrell blickte dankbar in Kunangas aufmunternd lächelnde Miene. „Danke, Sir.“

Das allabendlich aufziehende Gewitter war eine klimatische Eigenart dieses Planeten. Mit ihm kam ein, für gewöhnlich nur Minuten andauernder, Regenguss, der den erhitzen Körpern etwas Linderung verschaffte.

Als Aiden Harrell die Andorianerin auf seine Arme hob spürte er jeden Muskel in seinem Körper. Schon am ersten Tag ihres Hierseins hatte der Brite den Eindruck gewonnen, dass auf diesem Planeten eine höhere Gravitation herrschen musste, als auf der Erde. Er hatte mit Worronow und Kunanga darüber gesprochen, die ähnliche Vermutungen hegten.

Mit einem Gefühl inniger Zuneigung blickte Aiden Harrell in das ehemals so makellose Gesicht der Andorianerin, das nun von den Narben der Folter verunziert wurde. Letzteres änderte nicht das Geringste an seinen Gefühlen für die Andorianerin und er hoffte inständig, dass sie bald wieder zu Kräften kam. Er für seinen Teil würde dafür Alles tun. Der Gedanke sie möglicherweise zu verlieren, noch bevor er sie für sich gewinnen konnte, bereitete ihm Magenschmerzen und gewaltsam zwang er sich nicht so zu denken.

Um nicht zu überhitzen trug Nia´Lyara, seit man sie vor drei Tagen in die Baracke geschafft hatte, nicht mehr als einen dünnen Slip. Für falsche Scham war dieser Ort definitiv nicht geeignet. Wichtig war nur, dass die Haut der Andorianerin möglichst ungehindert den nötigen Wärmeaustausch vornehmen konnte.

Aiden Harrell wäre diese Situation, in einer anderen Umgebung und unter anderen Voraussetzungen, vermutlich peinlich gewesen; hier achtete niemand auf die Blöße der Andorianerin – hier ging es ums bloße Überleben.

„Du wirst nicht sterben, Nia´Lyara“, flüsterte der Schwarzhaarige, der seinen eigenen Oberkörper entblößt hatte um ihn besser abkühlen zu können, leise aber nichtsdestotrotz entschlossen, während er mit der Andorianerin auf seinen Armen zum Ausgang der Baracke schritt. „Ich werde es nicht zulassen, hörst du?“

So, als habe die Andorianerin ihn genau verstanden, gab sie ein unterdrücktes Seufzen von sich und schmiegte sich enger an den Mann der sie ins Freie trug.

 

* * *

 

Die nächste Woche verging in der Ungewissheit, ob die Andorianerin es schaffen würde zu überleben. In der folgenden Woche jedoch kam die andorianische Frau immer öfter wieder zu Bewusstsein und fand die Kraft, jeden Abend ein paar Worte mit Aiden Harrell zu wechseln, der kaum von ihrer Seite wich.

Der Brite freute sich darüber wie ein Kind zu Weihnachten und auch durch den Rest der Crew ging ein spürbarer Ruck. Gemeinsam hatten sie alles dafür getan, dass Nia´Lyara Tareh überlebte und dieses Erlebnis hatte sie nun enger zusammengeschweißt.

Namoro Kunanga überlegte grimmig, dass dies sicherlich nicht in Krelton´kentaks Sinn gewesen war. Ein Manko, der Tatsache geschuldet, dass die Jem´Hadar ebenso wenig von der humanoiden Mentalität wusste, wie sie über die Mentalität der Jem´Hadar. Zusammen mit Carani Feroi, Worronow, Tarik und Krixx Grel gelang es ihm in dieser Zeit ebenfalls die übrigen Crewmitglieder wieder seelisch zu stabilisieren.

Aiden Harrell kümmerte sich auch in der Folgezeit rührend um Nia´Lyara und trug sie Abend für Abend ins Freie, bis sich die Frau schließlich heftig dagegen zu sträuben begann und darauf bestand, auf ihren eigenen Füßen hinaus zu gehen. Da sie immer noch sehr schwach war musste sie sich dabei aber notgedrungen bei Harrell unterhaken und sich von ihm dabei stützen lassen.

Es schien so selbstverständlich, dass Aiden Harrell der Andorianerin half, dass niemand versuchte ihn dabei abzulösen. Auch wenn Julie Rieder diese Entwicklung nicht sonderlich begeistert verfolgte.

Benito Perez, der zu Anfang noch Probleme gehabt hatte zu sich selbst zu finden, bemühte sich in der Folgezeit, zusammen mit seinem Freund Heung Min Lun, das Mädchen wieder auf andere Gedanken zu bringen. Er hatte bereits auf der ODYSSEY gelegentlich vermutet, dass Julie etwas für Harrell übrig hatte - hier war es Gewissheit geworden. Nun, Julie war noch jung und sie würde bestimmt noch den richtigen Partner für sich finden, fand Perez. Der Mexikaner horchte seinen Gedanken nach und war beinahe selbst darüber verwundert. Bisher hatte er ihre Zukunft in düstersten Farben gesehen, doch nun sah er eine Zukunft für seine Kameradin, und somit für auch für sich und alle Anderen. Er nahm sich in diesem Moment vor, den Gedanken festzuhalten und an seiner Einstellung zu arbeiten.

Dieser Vorsatz war einfacher gefasst, als umgesetzt, denn die nächsten Wochen und Monate wurden kaum einfacher. Zusammen mit anderen Strafgefangenen die von Planeten kamen deren Namen sie noch nie gehört hatten, schufteten die vierzehn ehemaligen Besatzungsmitglieder der ODYSSEY, von morgens bis abends, in der Dilithiummine oder am Rand des Dschungels um die Pflanzen vom Lager fernzuhalten. Ein Trott kehrte in ihr Leben ein und allmählich zweifelten einige von ihnen wieder daran, dass es noch Hoffnung für sie gab jemals wieder ihre Heimatwelten zu sehen.

In dieser Zeit sorgten gerade Kunanga, Worronow, Tarik und Grel dafür, dass der Mut ihrer Kameraden nicht sank und immer wieder sprachen sie ihnen Hoffnung zu, wenn sie nahe daran waren zu verzweifeln.

So brachten sie Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat hinter sich, sich immer verzweifelter an eine Hoffnung klammernd, die es vielleicht nicht gab.

Doch niemand von ihnen wollte der oder die Erste sein, der aufgab um in Hoffnungslosigkeit und Apathie zu verfallen. Niemand von ihnen wollte der sein, der seinen Kameraden endgültig die Hoffnung raubte, und somit den Lebenswillen nahm. So hielten vierzehn Überlebende verzweifelt aus, fest dazu entschlossen nicht das schwächste Glied der Kette zu sein, die sie zum Zerreißen brachte.

Doch wie lange noch konnte das gutgehen?

 

* * *

 

Namoro Kunanga stand am Rand der Baracken-Siedlung, wischte sich den Schweiß, der ihm in dicken Tropfen von der Stirn perlte, ab und starrte, tief durchatmend, auf den dunkelgrünen Rand des Dschungels. Wieder einmal wurde dem Afrikaner auf beklemmende Art und Weise bewusst, dass es auf dieser tropischen Dschungelwelt, die so friedlich anheimelnd wirkte wie Omas Wohnküche und so gefährlich war wie Opas Pfeifentabak, keine Fauna gab. Oder besser: Es gab keine mehr. Sie war, im Laufe der Jahrmillionen, von der Flora des Planeten gänzlich ausgerottet worden. Seitdem bekämpften sich die Pflanzen, welche zum Teil über eine Instinktintelligenz verfügten, gegenseitig; und auch alles was ihnen dabei zu nahe kam.

Niemand war jedoch so verrückt, sich freiwillig zu nah an den Dschungel zu trauen, geschweige denn, ihn zu betreten. Vor einigen Monaten hatte es ein neu angekommener, klingonischer Gefangener versucht. Seine grausigen Schreie hatte man im Lager fast eine halbe Stunde lang hören können, bevor sie endlich abrupt geendet hatten.

Kunanga kniff die Augen zusammen und blickte zu den fernen Bergen hinüber, die im ultrablauen Abenddunst zu verschwimmen schienen. Die kleinste der drei Sonnen dieses Systems, welches die Jem´Hadar als Kiranem-System bezeichneten, war vor wenigen Minuten untergegangen, doch noch immer war es fast vierzig Grad heiß. Dem weißen Zwergstern würden bald die beiden Hauptsterne folgen. Dann würde die Temperatur auf diesem Planeten, dem zweiten, von insgesamt vier, bis um Mitternacht, auf einigermaßen erträgliche fünfundzwanzig Grad absinken. Kühler war es in den mehr als zwölf Monaten, die Kunanga und alle anderen Überlebenden der ODYSSEY bereits auf Kiranem II zugebracht hatten, noch nie geworden, denn der Planet umlief seine drei Sonnen auf einer fast kreisrunden Umlaufbahn. Zwar waren die Tage auf diesem Planeten spürbar länger, als die auf der Erde, und es gab weder Uhren noch Kalender in diesem Internierungslager, die sich nach der Zeitmessung der Föderation richtete, doch dennoch gab es zur Messung der Dauer ihres Hierseins eine recht einfache, aber nichts desto trotz einigermaßen zutreffende Möglichkeit. Eine der natürlichen Körperfunktionen menschlicher Frauen.

Der Afrikaner spürte jeden Muskel in seinem Körper, doch längst nicht mehr so intensiv wie zu Beginn ihrer Gefangenschaft. So wie alle anderen Insassen dieses Lagers war auch er gezwungen Zwangsarbeit in den Dilithiumminen zu leisten, oder, so wie heute, dem permanent vorrückenden Dschungel mit einem Sprühschaum zu Leibe zu rücken, der zwar nur für Pflanzen gefährlich war, dafür aber einen Übelkeit erregenden Gestank verströmte. Dabei war diese Art der Arbeit alles andere, als ungefährlich und schon mehr als ein Insasse war dabei im letzten Jahr von den Pflanzen des Dschungels getötet worden. Jetzt, bei Sonnenuntergang, wartete Kunanga, wie üblich, auf das allabendlichen aufkommenden Gewitter und den damit verbundenen Regen, der zumeist ziemlich kräftig auszufallen pflegte und eine fast unglaubliche Wohltat für Seele und Körper darstellte. Über ihm brauten sich bereits seit einiger Zeit hoch auftürmende Wolkengruppen zusammen, die eine immer dunklere Färbung annahmen. Mit nacktem Oberkörper stand er, hoch aufgerichtet, da und starrte sinnend in die Ferne.

Der Dunkelhäutige wurde aufmerksam als er hinter sich leise Geräusche vernahm. Es versetzte ihn immer wieder in leises Erstaunen wie sehr nicht nur er sondern auch seine Leidensgenossen sich an die Geräusche des Planeten gewöhnt hatten. Zu Beginn ihres Hierseins hätte er diese kaum wahrnehmbaren Töne, verursacht durch die Schritte eines humanoiden Lebewesens, kaum herausgehört. Nun wusste sein Ohr zu unterscheiden, zwischen diesen ungefährlichen Klängen und den Gefahr verheißenden Geräuschen, die von den Pflanzen des Dschungels verursacht wurden.

Der Afrikaner blickte sich um und er erkannte Nia´Lyara Tareh, die sich ihm zusammen mit Aiden Harrell näherte. Harrel und die Andorianerin waren sich sehr nahe gekommen. Sie Alle waren sich nahe gekommen, näher als es unter Kameraden an Bord von Sternenflottenraumschiffen gemeinhin üblich war.

„Hallo Nia, hallo Aiden“, sprach Kunanga die beiden an. Bereits vor einigen Monaten waren die Überlebenden der ODYSSEY dazu übergegangen, sich nur noch mit ihren Vornamen anzusprechen, wobei sich unter ihnen eingebürgert hatte, die Andorianerin nur bei ihrer Vorsilbe zu rufen. „Wo bleibt der Rest von uns?“

„Die werden auch gleich hier sein. Ein paar schlingen nur noch die Reste des üblichen, abendlichen Fraßes hinunter“, gab Aiden Harrell zurück und ergriff dabei die Hand der Andorianerin, die unter dieser Hitze körperlich am meisten litt, da ihr Körper sehr schnell Wärme speichern, aber sie nur langsam abgeben konnte. Bereits nach einem kurzen Augenblick ließ Harrell ihre Hand wieder los, da selbst diese kurze Berührung eine unangenehme Wärme für sie beide verursachte.

Die Andorianerin nickte nur, und Kunanga betastete unbewusst die rituellen Stammesnarben auf seiner Brust als er wieder in das Gesicht der Andorianerin sah. Er hoffte inständig, dass sie alle irgendwann wieder in Freiheit sein wurden und durch einen medizinischen Eingriff das ehemals so makellose Gesicht der andorianischen Frau wieder seine ursprüngliche Schönheit zurück erhielt. Doch danach sah es im Moment gar nicht aus. Niemand in der Föderation ahnte überhaupt, dass er und dreizehn weitere Besatzungsmitglieder der vernichteten ODYSSEY noch lebten, und in einem kurzen Anfall seelische Schwäche fragte sich der Afrikaner woher er, wider jeglicher Wahrscheinlichkeit, den Glauben an eine solche Rettung nahm. Der Moment verging und seine imposante Statur straffte sich wieder. Vielleicht würde irgendwann der Tag kommen, an dem er die Hoffnung verlieren würde, aber dieser Tag war nicht heute.

Während sich Aiden Harrell nun ebenfalls seines, bereits an einigen Stellen zerrissenen, Uniformpullis entledigte, blickte Namoro Kunanga über dessen Schulter zu den elf, ähnlich zerlumpt aussehenden, Gestalten, die er nun zwischen zwei der niedrigen Baracken auftauchen sah.

An anderen Stellen, locker rund um das Lager herum, standen andere Lebewesen, die hier interniert waren – überwiegend Gefangene aus dem Dominion. Auch sie warteten auf den kühlenden Regen. Keine der Spezies war Kunanga und seinen Kameraden zuvor bekannt gewesen und schnell hatte sich herauskristallisiert, dass diese Wesen mit den gefangenen Föderationsmitgliedern nichts zu tun haben wollten. So waren die vierzehn Überlebenden der ODYSSEY während ihrer nun mehr als einjährigen Gefangenschaft auf diesem Planeten weitgehend unter sich geblieben.

Sie redeten nur sehr wenig mit einander, und als die ersten Windböen des sich ankündigenden Gewitters aufkamen und ein dumpfes Grummeln über das Land rollte, da zogen sich auch alle Übrigen ihre Uniformpullis aus. Auch die Frauen. Zuerst hatten sich einige von ihnen geniert, und dabei von ihren männlichen Kameraden abgesondert. Mittlerweile waren diese Hemmungen verschwunden und sie bewegten sich ganz unbefangen mit nackten Oberkörpern in der Gesellschaft ihrer männlichen Kameraden. Natürlich hatte es am Anfang einige verstohlene Blicke gegeben, doch auch das hatte nach einer Weile aufgehört. Jeder war erschöpft und wollte einfach nur das herrlich erscheinende Nass des Regens auf seiner nackten Haut spüren und sich etwas abkühlen, solange es irgend ging.

Ein schwaches Lächeln huschte über Namoro Kunangas Gesicht als er aus den Augenwinkeln sah wie Julie Rieder ihre übliche Pose, die Hände über den Kopf haltend und die Brust weit durchgedrückt, einnahm, als die ersten schweren Regentropfen zu Boden schlugen. Der Babyspeck war schon seit einiger Zeit nicht mehr an ihr zu bemerken, auch wenn sie immer noch einen gut gerundeten Eindruck machte. Die Zeit der Gefangenschaft hatte ihn, nach und nach, verschwinden lassen.

Auch Nia´Lyara Tareh breitete ihre Arme aus, als der Regen voll einsetzte, und sie alle, innerhalb weniger Augenblicke, völlig durchnässte. Mit ihren noch länger gewordenen, zerzausten, und nun klatschnassen, Haaren sah sie beinahe aus wie eine jener Galionsfiguren, welche viele der altertümlichen, irdischen Segelschiffe, unterhalb des Bugspriets, geziert hatten. Wie jeden Abend genossen sie den kurzen, abendlichen Guss auch heute annähernd schweigend, wobei hier und da ein gelegentliches, genießerisches Seufzen zu hören war.

Mit den letzten schwachen Tropfen, und dem gleichzeitig schnell wieder versiegenden Abendwind des abflauenden Gewitters, öffnete Kunanga seine Augen.

Wie zwei zornig funkelnde, diabolische Augen schimmerten die beiden verbliebenen, nun dicht über dem Horizont stehenden, Sonnen durch die bereits wieder aufreißenden Wolkenschichten. Dabei eins von gelblicher, eins von orange-roter Färbung.

Der Afrikaner wandte sich ab als Alexeij neben ihm auftauchte. Auch dies war fast zu einer Art Ritual geworden.

Sich das Wasser aus den Haaren streichend blickte der Kirgise zu seinem Freund auf und erkundigte sich launig bei ihm: „Du hast dich heute wieder einmal als Förster betätigt, wie ich hörte? Diese verdammten Pflanzen geben es nicht auf, den ihnen genommenen Platz zurück zu erobern, was?“

Kunanga grinste schief. „Das kannst du laut sagen. Einen der anderen Gefangenen hat es dabei heute wieder einmal erwischt. Ich frage mich, wovon sich diese biestigen Pflanzen ernähren, wenn sie keine Humanoiden bekommen können.“

„Ich sage nur: Kannibalen“, knurrte der Kirgise, während er seinen Pulli wieder überzog, so wie auch seine Kameraden. Lediglich Aiden Harrell wrang seinen klatschnassen Pulli, wie an jedem Abend, noch über Nia´Lyaras nackten Schultern und ihrem Gesicht aus, um ihr noch etwas zusätzliche Linderung von der vorangegangenen Tageshitze zu verschaffen.

Die beiden Männer beobachteten wie die Andorianerin, in einer dankbaren Geste, kurz ihre Hand auf Aidens Brust legte und ihn dabei anlächelte, bevor auch sie wieder ihre Blöße bedeckte. Dann begaben sie sich zu ihren Kameraden und folgten ihnen zu den primitiven Unterkünften. Dabei meinte Kunanga gedehnt: „Ich habe gehört, dass morgen du den heute getöteten Gefangenen ersetzen sollst. Mach dich also für morgen auf einen heißen, sonnigen Tag gefasst.“

„Klasse“, zischte der Kirgise säuerlich. „Morgen ist also wieder einmal Schaumparty für uns beide angesagt.“

„Sieh es positiv. Du kommst an die frische Luft, oder macht es dir etwa Spaß in den staubigen, erstickenden Minen nach Dilithium zu schürfen?“

„Das ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera“, beschwerte sich der Kirgise missgestimmt. „Wenn nur diese verdammte Luftfeuchtigkeit nicht wäre. In die verdammte Luft auf diesem Planeten kann man sich hineinwerfen, ohne auf dem Boden anzukommen.“

Sie betraten als Letzte die gemeinschaftliche Unterkunft, deren Einrichtung lediglich aus zwei am Boden befestigten Metalltischen, samt dazugehöriger Bänke, in der Raummitte, und den schmalen Zwei-Etagen-Betten, an den Wänden entlang, bestand.

Wie jeden Abend setzten sie sich noch an den Tischen zusammen und sprachen über die Ereignisse des Tages, bevor sie sich, nach und nach, zum Schlafen zurückzogen.

Aiden Harrell und Nia´Lyara Tareh waren, wie so oft, dabei die Letzten. Sie saßen noch eine Weile auf dem unteren Lager des Etagenbetts, welches sie sich teilten, und unterhielten sich, flüsternd um ihre Kameraden nicht zu stören.

Namoro Kunanga, der in seinem Bett unter Alexeij Worronow, der bereits leise Schnarchlaute von sich gab, wach lag, blickte zu ihnen, nachdem ihre leisen Stimmen verklungen waren aber die sonst gleich darauf folgenden Geräusche, die entstanden, wenn Nia´Lyara in die obere Koje kletterte, ausblieben. Er erkannte in der Dunkelheit, dass eine Hand der Andorianerin die Wange des Briten berührte, während sie ihm einen sachten Kuss auf die Lippen hauchte. Erst dann sagte sie Aiden Harrell leise Gute Nacht und kletterte in das Bett über ihm.

Der Afrikaner verzog seine Lippen unmerklich zu einem Lächeln und starrte dabei wieder auf die Unterseite der Koje über ihm. Er hatte längst bemerkt, welches innige, unsichtbare Band der Zuneigung zwischen diesen Beiden entstanden war, doch bisher hatte Nia´Lyara ihre Gefühle für Aiden Harrell noch nie so deutlich zum Ausdruck gebracht. Deutlich zumindest für die Verhältnisse der Andorianerin. Auch hatte Kunanga bemerkt, dass Julie Rieder eine Zeitlang etwas bedrückt wegen dieser Entwicklung gewesen war. Doch irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, wie es schien. Möglicherweise hatte Benito Perez seinen Anteil daran, der sich, zusammen mit Heung Min Lun, auffällig um das Mädchen gekümmert hatte, in den letzten Monaten.

Namoro Kunanga hoffte inständig, dass die Gefühle von Aiden und Nia´Lyara für einander eine Zukunft haben würden. Dabei schweiften seine Gedanken zu einer Romulanerin ab, an die er, in der letzten Zeit, nur selten gedacht hatte. Er fragte sich, wie es Ti´Maran gehen mochte, und wo sie sich momentan aufhielt. Es versetzte ihm einen leisen Stich, als er versuchte sich ihr Gesicht vorzustellen und realisierte, dass ihr Bild in seiner Erinnerung bereits so weit verblasst war, dass er es nicht mehr richtig zu fassen bekam. Vermutlich würde ihn sein Freund Alexeij für vollkommen verrückt erklären, doch er hoffte, auch nach über einem Jahr auf diesem Gefängnisplaneten, immer noch, sie irgendwann wiederzusehen. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt, aber noch lebte sie – tief in seinem Innern. Kunanga ballte seine Hände zu Fäusten. Noch war er nicht bereit aufzugeben.

Wie so oft, in den letzten Monaten, seit ihrem Hiersein, sah Kunanga die Gesichter seiner Mitgefangenen vor seinem geistigen Auge, und er erinnerte sich an all die schmerzlichen Vorkommnisse während ihrer Gefangenschaft. Wie meistens in solchen Momenten veränderten sich diese Gesichter in seiner Erinnerung. Er sah das hübsche, makellose Gesicht der Andorianerin, das immer mehr von Narben durchzogen wurde – wegen der Misshandlungen durch die Jem´Hadar. Er sah die Gesichter der beiden unbekümmerten Crewmen: Benito Perez und Heung Min Lun, die sich in hagere ernste Mienen verwandelten. Er sah die Gesichter von Chorell, Julie Rieder und Fatmira Al-Basrin, die sich täglich gegen ihre innere Verzweiflung stemmten und deren Körper straffer geworden waren und dabei deutlich mehr Muskeln herausgebildet hatten, durch die tägliche Zwangsarbeit unter einer höheren Gravitation als auf der Erde.

Er, Namoro Kunanga, dem seine Eltern so viel Liebe gegeben hatten dass Hass für ihn bislang ein Fremdwort gewesen war, hasste nun. Er hasste das Dominion das sich nicht auf einen Dialog mit der Föderation eingelassen hatte, sondern kompromisslos tötete und vernichtete. Er hasste die Jem´Hadar für ihre Gefühlskälte - und er hasste ganz speziell Krelton´kentak für seine Misshandlungen, bei Nia´Lyaras Verhören, und seinem Vergnügen das er daran gehabt zu haben schien.

Manchmal fragte sich der Afrikaner, warum er bei dem sich täglich wiederholenden, einheitlichen Trott nicht längst den Verstand verloren hatte. Die ewige Schufterei in den düsteren Gängen der Dilithiumminen, nur gelegentlich vom Sprühdienst unterbrochen, konnten ein Lebewesen mürbe machen. Weitaus mehr als Folter und Verhöre.

Als zwei Felsen in der Brandung hatten sich immer wieder der Tellarit, Krixx Grel und der Vulkanier Tarik erwiesen. Besonders an dem Tellariten hatten sich viele Crewmitglieder trotz, oder gerade wegen, seiner grimmigen Art immer wieder aufgerichtet. Nicht zuletzt auch wegen dieser Beiden hatten er und die Anderen nicht aufgesteckt.

Über ein Jahr lang hatten sie nun durchgehalten und Namoro Kunanga glaubte fest daran, dass sie auch noch länger aushalten würden. So lange wie nötig.

Wie immer, wenn er spürte dass seine Überlegungen in zu bittere Bereiche abdrifteten, richtete er seine Gedanken auf Ti´Maran. Er stellte sich die stolze Romulanerin in ihrer hellen Gala-Uniform vor, in der sie ihm das erste Mal begegnet war – damals, während eines diplomatischen Empfangs im Unroth-System. Er stellte sich ihre beinahe schwarzen Augen vor, in denen sich ihr hoher Intellekt widerspiegelte, den beherrschten Klang ihrer klaren Stimme, die trotzdem jene, für Romulaner typische, Leidenschaft erahnen ließ, und den beinahe klassischen Schnitt ihres auffallend hübschen Gesichts – und immer deutlicher kehrte nun die Erinnerung an ihr Abbild zurück. Kunanga fragte sich wehmütig, ob und wann er dieses Gesicht jemals wiedersehen würde und seufzte lautlos. Schließlich verbannte er, todmüde, all diese Erinnerungen an Vergangenes, die ihn zu überwältigen drohten, und war einige Minuten später eingeschlafen.

 

* * *

 

Bereits vor der Mittagszeit spürte Alexeij Worronow wieder jeden einzelnen Muskel in seinem Körper, obwohl er sich mittlerweile an die tägliche Knochenarbeit gewöhnt hatte. Unter der Aufsicht mehrerer Jem´Hadar, denen die klimatischen Bedingungen scheinbar gar nichts ausmachten, blickte er, den Schaumsprüher fest in seinen Händen haltend und ihn, mal nach Links, mal nach rechts schwenkend, hinüber zu Julie Rieder und Tarik die beide heute ebenfalls zur Pflanzenbekämpfung eingesetzt wurden.

Der Vulkanier, an wesentlich höhere Temperaturen gewohnt, kam mit den widrigen klimatischen Bedingungen von ihnen allen am besten klar, während Julie Rieder ihre liebe Mühe damit hatte, so wie auch Worronow. Ihre Haut, wie auch die seine, hatte unter dem Kuss der drei Sonnen bereits einen deutlich dunkleren Teint angenommen, während ihr blondes Haar gewiss um zwei Nuancen heller geworden war seitdem man sie, zusammen mit ihren Schiffskameraden, hier interniert hatte.

Schnell konzentrierte sich der Kirgise wieder, denn bereits die kleinste Unachtsamkeit konnte dazu führen eine Bodententakel oder einen giftigen Dorn, der permanent vorrückenden Pflanzen, zu übersehen, was entweder einen sehr schnellen oder aber einen sehr langsamen Tod zur Folge haben konnte.

„Verdammtes Mistzeug!“, fluchte Worronow nach einer Weile unterdrückt, als keiner der Wachen in Hörweite war. Er spürte, wie sein Magen, bei dem immer stärker werdenden Gestank, zu rebellieren begann.

„Ich habe dir ja heute morgen gesagt, du sollst dir den Magen nicht zu sehr mit dem Frühstücksfraß vollschlagen“, zischte Kunanga leise zurück. „Du weißt doch, dass sich ein voller Magen nicht mit dem Sprühdienst verträgt. Aber wer wollte nicht hören?“

„Lieber kotze ich, als zu verhungern“, würgte Worronow grimmig. „Die Rationen sind ohnehin nicht gerade üppig und rückwärts schmeckt man kaum einen Unterschied. Außerdem liegt mir der verdammte Schlangenfraß auch so schon wie Beton im Magen.“

„Dafür verputzt du aber erstaunliche Mengen davon“, spöttelte Kunanga flüsternd.

Worronow schüttelte sich. „Wenn ich dieses grau-violette Breizeug noch lange sehen muss, dann bekomme ich noch einen Rappel.“

Kunanga blickte bezeichnend auf den Rand des Dschungels. „Einige schnelle Schritte dort hinein und du hast es hinter dir, mein Freund.“

Der Kirgise blickte seinen Freund überrascht an wobei er sein Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere verlagerte. „Meine Güte, wie schräg bist denn du heute morgen unterwegs? Denk dir lieber einen Plan aus, wie wir von diesem elenden Planeten verschwinden können.“

Kunanga seufzte vernehmlich. Schon oft hatten ähnliche Unterhaltungen bei dieser Forderung geendet. Und wie so oft schon erwiderte der Afrikaner schwach: „Tut mir leid, Alexeij aber du weißt selbst am Besten, dass es keine Möglichkeit gibt, hier einfach so abzuhauen. Das alles haben wir doch schon...“

Im nächsten Moment schwieg Kunanga, ohne den Satz, den Alexeij ohnehin auswendig kannte, da sich einer der Jem´Hadar ihnen wieder näherte und sie kritisch beobachtete, wie er aus den Augenwinkeln heraus feststellen konnten. Schweigend arbeiteten er und Worronow verbissen weiter. Immerhin schützten sie mit dem Sprühschaumeinsatz nicht zuletzt auch ihr eigenes Leben.

Kunanga warf gelegentlich einen Blick zum azurblauen Himmel hinauf und stellte fest, dass es nicht mehr lange sein konnte, bis zur Mittagspause. Doch bevor es soweit war kam es zu einem Ereignis mit dem er nicht gerechnet hatte.

In Begleitung zweier schwer bewaffneter Soldaten erschien ein Jem´Hadar hinter ihnen, den Kunanga und seine Kameraden, seit dem Ende der anfänglichen Verhöre in diesem Lager, nicht mehr gesehen hatten und den er nie wieder zu sehen gehofft hatte:

Der Erste, Krelton´kentak.

Kunanga erkannte ihn allein schon an seinem individuellen Knochenzacken-Kranz, der die Kontur seines Gesichts einrahmte. Noch bevor die Gefangenen Zeit fanden darüber nachzudenken, was der Kommandant des Jem´Hadar-Kreuzers DRANTOC´ZERKAN auf diesem Planeten wollte, deutete dieser auf die vier Überlebenden der ODYSSEY und gab der Wache ein bellendes Kommando, dass den angesprochenen Jem´Hadar seinerseits dazu veranlasste, die drei Menschen und den Vulkanier mit harschem Befehl heran zu zitieren.

Nachdem die vier Gefangenen von ihrer bisherigen Tätigkeit abgelassen hatten und vor Krelton´kentak getreten waren, musterte der Jem´Hadar die vier abgerissenen Gestalten mit kaltem Blick und eröffnete ihnen überraschenderweise: „Sie, und ihre zehn Kameraden von der vernichteten ODYSSEY, werden in einer Stunde ihrer Zeitrechnung an Bord eines Gefangenentransporters gebeamt. Halten Sie sich dafür in Ihrer Unterkunft bereit. Sie werden zu einem anderen Internierungslager gebracht wo sich einer der Gründer selbst mit Ihnen befassen wird. Sie finden in Ihrer Unterkunft genug Wasser und Hygieneartikel vor, damit Sie sich vor Ihrem Abflug frischmachen können. Ebenfalls finden Sie dort neue Kleidungsstücke, die im Aussehen ihren alten entsprechen.“

Nicht dazu bereit sonstige Erklärungen abzugeben machte Krelton´kentak auf dem Absatz kehrt und verschwand mit seiner Eskorte, während der Jem´Hadar-Wächter ihnen ein unmissverständliches Zeichen gab zur Ausrüstungskammer zu gehen um die Schaumsprüher dort abzugeben.

Kunanga blickte in die fragenden Mienen von Worronow und Julie Rieder, während sie sich zu viert in Bewegung setzten und er hob leicht seine breiten Schultern. Lediglich in Tariks Gesicht ließ sich nicht ablesen, wie es in ihm aussah, aber das war der Afrikaner auch nicht anders von dem Vulkanier gewohnt.

Als sie ihre Unterkunft betraten, erkannten sie, dass der Kreuzerkommandant nicht zu viel versprochen hatte. Drei Bassins mit Wasser waren mit einem Transporter in die Unterkunft transferiert worden, und in einem von ihnen planschten bereits vier nackte Frauen, die sich abseiften und gegenseitig die Haare wuschen. Etwas ruhiger ging es in den beiden anderen Bassins zu, in denen die Männer dabei waren sich den Schmutz des letzten Jahres vom Körper zu waschen.

Mit einem unterdrückten Jauchzen riss sich Julie Rieder förmlich die zerlumpte Kleidung vom Leib und stieg schnell zu den anderen Frauen ins Bassin um sich an dem, beinahe munteren, Treiben dort zu beteiligen, während ihre männlichen Begleiter etwas weniger stürmisch ihrem Beispiel folgten.

Als Kunanga endlich zu Worronow, Harrel, Grel und Tarik ins Bassin stieg, da scherzte der Brite launig: „Hoffentlich schwappt das Wasser nicht über den Rand wenn du einsteigst, Namoro.“

Der Afrikaner ging nicht auf die Bemerkung ein sondern warf Aiden nur einen strafenden Blick zu, bevor er sich einzuseifen begann. Genießerisch schloss er die Augen dabei und genoss es für einen Moment lang, sich endlich wieder in einen Menschen verwandeln zu können. Für einen Moment tauchte er im Wasser unter, bevor er prustend wieder auftauchte und zu Krixx Grel blickte, der als Einziger etwas grimmig in die Runde blickte, während er sich reinigte. Kunanga vermutete, dass dem Tellariten ein anständiges Schlammbad lieber gewesen wäre, doch man konnte nicht alles haben.

Während Kunanga das Wasser genoss stellte er insgeheim Überlegungen an was die Gründer mit ihrer Verlegung im Schilde führen mochten. Er fand keine plausible Erklärung und so schob er diese Gedanken vorerst zur Seite.

Nachdem Kunanga als Letzter aus dem Bassin gestiegen war, und sich jeder eins der bereitliegenden Badetücher um die Hüften gewickelt hatten, verteilte Kunanga, über den Rand des Bassins gebeugt, großzügig Enthaarungscreme auf sein Gesicht ließ sie einige Zeit einziehen und wusch sich dann die Bartstoppeln aus dem Gesicht. Als er ebenfalls etwas von der Creme auf seinem Kopf verteilte, da blickte ihn Alexeij Worronow fragend an.

„Ich habe die Wolle da oben satt“, erklärte der Afrikaner humorlos grinsend, bevor er die Haare vom Kopf wusch und sich mit einer Hand prüfend über die Glatze fuhr.

Harrell schmunzelte unterdrückt beim ungewohnten Anblick des Afrikaners. „Ist auch pflegeleichter, wie man weiß. Einfach von Zeit zu Zeit mit einem Lappen Politur drüber und fertig ist die Sache.“ Er warf einen kurzen, bewundernden Blick zu Nia´Lyara hinüber, die gerade dabei war sich am gesamten Körper abzutrocknen. Bevor er sie länger anstarrte, als es der Anstand gebot, konzentrierte er sich wieder auf sich selbst. Kaum dass Aiden Harrell sich, als einer der Letzten, fertig angekleidet hatte, erschien eine der Jem´Hadar-Wachen in der Unterkunft und überzeugte sich davon, dass die Gefangenen gesäubert und bereit zum Beamen waren.

Der Wächter aktivierte seinen Kommunikator und nahm Verbindung mit dem Gefangenentransporter auf. Einen Moment später begann die Luft, zwischen den vierzehn Gefangenen golden zu schillern und die Umgebung veränderte sich vor ihren Augen.

Sie materialisierten in einem niedrigen, breiten Gang, in dem sie von sechs schwerbewaffneten Jem´Hadar in Empfang genommen wurden. Zur rechten und linken Seite des tristen, grauen Ganges blickend, erkannte Kunanga eine Reihe von Gefängniszellen. Immer zu zweit wurden sie in eine der Zellen dirigiert, wobei es Worronow schaffte, mit dem Afrikaner zusammen in eine der Zellen befohlen zu werden. Ebenso hatten Aiden Harrell und Nia´Lyara Glück. Auch sie beide landeten gemeinsam in einer der Zellen.

Die Wachen achteten darauf, ihnen allen Zellen auf derselben Seite des grau-blauen Ganges zuzuweisen.

Nachdem alle Gefangenen untergebracht worden waren, wurden die Kraftfelder der Zellen, von einem Steuerpult am Ende des Ganges aus, aktiviert.

Als die Wachen den Gang verlassen hatten, begab sich Kunanga zum Rand des Zellenkraftfeldes und sagte so laut, dass ihn die anderen hören konnten: „Versucht, euch auszuruhen, am besten, ein paar Stunden zu schlafen. Wir wissen nicht ob wir am Ziel unserer Reise Gelegenheit dazu erhalten werden.“

Während die Kameraden ihre Bestätigung kundtaten, schritt Namoro Kunanga wieder in die Zelle hinein und blickte zu Alexeij, der auf einer der beiden niedrigen Pritschen hockte und fragend zu ihm auf sah. „Das gilt auch für dich, mein Freund.“

„Aye“, antwortete der Kirgise und streckte sich.

Kunanga lauschte dem Klang dieses kleinen Wortes nach, das er schon so lange nicht mehr gehört hatte. Es schien ihm in diesem Moment wie das Zeichen zu einer Wende ihres Schicksals. Vielleicht war es das auch, doch das würde die Zeit erweisen.

 

* * *

 

Ein paar Zellen weiter saßen Aiden Harrell und Nia´Lyara, Arm in Arm auf einer der Pritschen und blickten einander in die Augen. Leise raunend fragte die Andorianerin: „Was denkst du, Aiden? Warum verlegen die uns nach über einem Jahr plötzlich in ein anderes Internierungslager? Der Gründer hätte uns doch genauso gut in dem bisherigen aufsuchen können, oder nicht?“

Der Brite streichelte sanft die rechte Wange der andorianischen Frau. „Das mag stimmen. Vielleicht ist es ihm aber unangenehm zu reisen. Es bringt nichts, sich deswegen jetzt schon Gedanken zu machen, das führt zu nichts.“

„Du hast Recht“, erwiderte die Andorianerin zustimmend und nahm die Hand des Mannes von ihrer Wange. Sie betastete ihre Narben im Gesicht. Das Thema wechselnd meinte sie schließlich: „Ich sehe schlimm aus, nicht wahr, Aiden?“

Aiden Harrell schüttelte seinen Kopf und widersprach: „Nein, du bist wunderhübsch, Nia, und das nicht nur äußerlich. Wenn wir heil aus dieser Sache herauskommen, dann möchte ich, dass wir auch dann zusammen sein werden.“

Nia´Lyaras Antennen spreizten sich. Nach einer Weile sagte sie: „Ich bewundere deinen unerschütterlichen Glauben daran, dass wir irgendwann wieder frei sein werden. Ich selbst war bereits einige Male dicht dran, diese Hoffnung aufzugeben. Wir befinden uns mitten im Gamma-Quadrant, und in der Föderation hält man uns vermutlich für tot. Wie können wir, nach über einem Jahr Gefangenschaft, immer noch hoffen, dass es für uns eine Rettung geben kann?“

Aiden Harrell blickte in die wundervollen, violetten Augen der Andorianerin, und für einen kurzen Moment erahnte er die Verzweiflung in ihrem Innern, und den Kampf, den sie mit sich selbst ausfocht, um nicht den Mut zu verlieren. So, wie er selbst und jeder ihrer Kameraden auch – Tag für Tag. Ernsthaft antwortete er: „Vielleicht ist es ja verrückt, Nia, aber ich kann diese Hoffnung nicht aufgeben, sonst werde ich wahnsinnig, und ich denke, den Anderen geht es auch so.“

Er ergriff impulsiv ihre Hände und bat inständig: „Bitte gib die Hoffnung noch nicht auf, okay.“

Nia´Lyara nickte und lächelte schwach. Ihre Finger umspielten die seinen und leise, in der Erinnerung, lachend sagte sie dann: „Vor einem Jahr, Aiden, da habe ich Dich für einen Kri´Ta´Riam gehalten.“

Aiden Harrell blickte fragend in die violetten Augen der Andorianerin und sie erklärte schnell: „Für einen, der gerne mit Frauen flirtet, aber keine ernsten Absichten hat.“

„Ein Hallodri“, meinte der Mann feststellend. „Jetzt nicht mehr?“

Nia´Lyara beugte sich etwas vor und küsste den Briten sanft auf die Lippen. „Nein, jetzt kenne ich dich wesentlich besser und weiß, dass du nicht so bist. Ich schäme mich fast, dass ich Dich damals so falsch eingeschätzt habe.“

Harrell lächelte in Gedanken und gab zurück: „Als du mir, damals im Shuttle, Schlimmeres angedroht hast, als eine Beule am Kopf, da hat sich das aber noch ganz anders angehört, Nia.“

Die Antennen der Andorianerin bogen sich leicht nach hinten. „Ich hatte gehofft, du hättest das mittlerweile vergessen.“

„Wie könnte ich das?“, fragte der Brite verhalten grinsend. „Es war der Moment, in dem ich mich endgültig in dich verliebt habe.“

Aiden Harrells Gesicht in ihre Hände nehmend küsste Nia´Lyara ihn erneut sacht auf die Lippen. Danach blickte sie ihm tief in die Augen, und einen Moment später küsste sie ihn erneut, diesmal richtig.

Als sie sich, nach einem langen Moment wieder von einander lösten, flüsterte die Andorianerin dem Briten ganz leise ins Ohr: „Kuri´Fe na tarin, Aiden. Ich liebe Dich.“

Aiden Harrell zog die andorianische Frau beinahe vorsichtig in seine Arme und drückte sie, bevor er erwidernd in ihr Ohr flüsterte: „Kuri´Fe na tarin, Nia.“

Nach einer Weile löste sich Nia´Lyara widerstrebend aus dem Griff des Mannes und meinte: „Namoro hat Recht. Wir sollten eine Weile ruhen, denn wir wissen nicht, was uns am Ziel unseres Fluges erwartet.“

Aiden Harrell stimmte nur widerwillig zu. Bevor sich Nia´Lyara jedoch zu ihrer Pritsche begeben konnte küsste er sie noch einmal schnell und sagte, fast lautlos: „Irgendwann werden wir die Zeit haben das zu Ende zu bringen, mein blauer Engel.“

Harrell wusste das Spreizen ihrer Antennen zu deuten und, trotz ihrer momentanen Lage, zufrieden lächelnd, beobachtete er sie dabei, wie sie sich auf die Pritsche bettete und ihre Augen schloss. Dann machte auch er seine Augen zu und schlief wenige Augenblicke später, mit entspannt wirkender Miene, ein.



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