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Star Trek - Icicle - 06

Unternehmen TARANIS
von

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Intensive Gespräche

Persönliches Logbuch

Captain Tar´Kyren Dheran

Sternenzeit: 58841,3

 

Es ist nun fast zwei Wochen her, seit die U.S.S. ICICLE glücklich nach STRATEGICAL STARBASE 71 zurückkehren konnte. Zwei Wochen in denen zwischen mir und Pasqualina Mancharella kein Wort gewechselt worden ist. Dachte ich kurz nach unserem Disput auf Forlan-Prime noch, es wäre nur eine momentane Laune meiner XO und sie würde sich schnell wieder beruhigen, so musste ich mittlerweile erkennen, dass es sie doch tiefer verletzt hat, dass ich sie, vor unserem letzten Risikoeinsatz gegen einen talarianischen Werftkomplex, nicht ins Vertrauen gezogen habe. Dabei hat sie das Argument , dass ich damit auf Befehl von Admiral Torias Tarun handelte, nicht gelten lassen, was mich erstaunt, da sie doch sonst Sinn für Notwendigkeiten besitzt.

Pasqualina hat mir vorgeworfen, ich würde über Leichen gehen, und ich kann mich neuerdings des Gefühls nicht erwehren, sie könne damit Recht gehabt haben. Dieser Zweifel nagt an mir, auch wenn Christina Carey mir ein ums andere Mal sagt, es sei nicht so.

So, wie sich das Verhältnis zwischen mir und Pasqualina verschlechtert hat, verbessert sich momentan mein Verhältnis mit Christina zusehends. Vor vielen Jahren waren wir ein Paar und momentan scheint es so, als hätten wir eine sehr gute Chance wieder zusammen zu kommen. Doch noch bin ich mit Pasqualina liiert, und tief in mir sperrt sich etwas dagegen, sie einfach wieder zu verlassen.

Nie zuvor befanden sich meine Gefühle in einem größeren Zwiespalt. Einerseits liebe ich Christina, seit wir uns vor fast einundzwanzig Jahren zum ersten Mal begegneten. Andererseits sind meine Gefühle für Pasqualina gleichermaßen intensiv, seit wir im August dieses Jahres eine leidenschaftliche Nacht miteinander verbrachten. Ich tötete deswegen sogar einen talarianischen Admiral, obwohl ich ihn hätte gefangennehmen können. Er hatte Pasqualina während einiger Verhöre brutal misshandelt.

Christina, mit der ich über diese Angelegenheit gesprochen habe, sagte mir zwar, dass sie verstehen könne, warum ich so gehandelt habe, und dass sie möglicherweise nicht anders gehandelt hätte, an meiner Stelle, doch vollkommen überzeugen konnte sie mich dadurch nicht. Ich habe es immer als eine Schwäche angesehen, seinen Kameraden emotional zu nahe zu kommen, doch ich ließ es zwischen Pasqualina und mir zu.

Wie immer an dieser Stelle meiner Überlegungen sehe ich meinen besten Freund, Konteradmiral Valand Kuehn, vor meinem inneren Auge. Wir kennen uns nicht nur seit Akademiezeiten, sondern wir dienten auch mehr als fünf Jahre lang gemeinsam auf der U.S.S. EXODUS. Damals hatte ich es nur am Anfang als seltsam empfunden zusammen mit einem Menschen zu dienen, der mir so nahe steht wie ein Bruder. Später, nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, empfand ich es als normal. Von einer Schwäche habe ich dabei kaum etwas gespürt, selbst während des Dominion-Krieges nicht. Ganz im Gegenteil, es gab Momente, da war ich sehr froh, dass Valand stets in meiner Nähe war. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass Freundschaft und Liebe zwei verschiedene Emotionen sind. Obwohl ich kaum glaube, dass mich der Verlust von Valand weniger getroffen hätte, als mich der Verlust von Pasqualina treffen würde. Und dennoch war ich bereit gewesen, ihr Leben, und das von sechs weiteren Kameraden, zu riskieren.

Pasqualina scheint der Meinung zu sein, dass mich das zu einem herzlosen Soldaten macht, der den Erfolg der Mission über seine eigenen Gefühle stellt. Und ein Teil von mir hat Angst davor, sie könne Recht damit haben.

Wäre nicht Christina in den letzten Tagen intensiv für mich da gewesen, so wäre ich wohl ein Fall für unsere Counselor geworden. Ich habe zwar in der letzten Zeit mit dem Gedanken gespielt, sie zu konsultieren und über mein Gefühlschaos in Bezug auf Christina und Pasqualina zu reden, doch noch fühle ich mich nicht dazu bereit, mit einer fremden Person über so intime Gefühle zu sprechen. Ich warte lieber ab, bis Valand heute Abend, mit der OBERON, hier auf der Station eintrifft.

Admiral Tarun hat mich, und zwei weitere Offiziere der ICICLE, für drei Wochen Valand Kuehn überstellt. Nach langer Zeit werden wir also wieder einmal auf eine gemeinsame Mission gehen, von der ich bisher nicht mehr weiß, als dass sie uns in den Gamma-Quadrant führen wird. Vielleicht ergibt sich dabei die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch mit meinem Freund. Mit ihm würde ich sicherlich offener über mein momentanes Gefühlschaos reden, als mit Imania Maray.

Bis zu unserem Wiedersehen habe ich noch zwei Dinge zu erledigen, genauer gesagt: Ich möchte zwei Entschuldigungen hinter mich bringen. Vor meiner fingierten Flucht mit der ICICLE von dieser Station, vor mehreren Wochen, war ich gezwungen gewesen, handgreiflich gegen zwei MACO´s zu werden. Natürlich gehörte dies ebenfalls zu Taruns Plan, aber dennoch nagt der Gedanke daran in mir. Umso mehr, als dass einer der MACO´s eine junge Frau gewesen war. Allein der Gedanke daran, eine Frau geschlagen zu haben, erzeugt heute noch ein tiefes Unwohlsein in mir.

Bei dem efrosianischen Ersten Offizier der Station, Commander No´Leen Ra Taragenar und dem romulanischen Verbindungsoffizier und gleichzeitig Chef der Sicherheit, Enrom Tolaron, habe ich dies bereits gestern, direkt nach der Rückkehr aus meinem Urlaub auf Forlan-Prime, erledigt. Beide schienen noch immer etwas verstimmt zu sein, weil ich ihnen im Büro des Admirals mächtig zugesetzt habe. Da der Chef der MACO´s auf der Station, Commander Lo´Ruun Yr Torakan, und seine Untergebene, die ebenfalls dabei gewesen waren, gestern bis spät in die Nacht Kampfsimulationen abgehalten haben, habe ich entschieden, mich bei ihnen beiden erst heute Morgen zu entschuldigen. Ich hoffe nur, dass mir beide vergeben und einsehen, dass ich nur auf Befehl des Admirals so ausgerastet bin.

 
 

* * *

 

Mit einem kleinen Päckchen in der linken Hand stand der andorianische Captain der 5.Taktischen Flotte, Tar´Kyren Dheran, vor dem Schott zum Quartier von Petty-Officer Miriam Qvist. Er legte seine Rechte auf den Meldekontakt und wartete, bis sich das Schott vor ihm öffnete. Dann trat er ein und blieb zwei Schritte hinter dem Eingang stehen.

„Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, Petty-Officer Qvist“, begann Tar´Kyren Dheran, wobei sich seine Antennen leicht nach hinten bogen. Mit einem schnellen Rundblick verschaffte sich der erfahrene andorianische Offizier einen Überblick und stellte dabei fest, dass die athletische, mittelgroße Frau sehr auf Ordnung bedacht zu sein schien. Alles in ihrem Quartier wirkte peinlich genau ausgerichtet und aufgeräumt. Oftmals waren solche Menschen innerlich ebenso diszipliniert, wusste Dheran.

Doch auf die junge Frau, mit den tizianroten Haaren, die nun geradewegs auf ihn zu marschierte, traf dies anscheinend weniger zu, denn das Funkeln in ihren grünen Augen wirkte alles andere, als sanftmütig oder gar beherrscht. Einen Schritt vor ihm stehen bleibend fragte sie mit klirrender Stimme: „Was wollen ausgerechnet Sie hier... Sir?“

Tar´Kyren Dheran, der sich nur allzu gut an eine ganz ähnliche Szene erinnern konnte, kurz nachdem Pasqualina Mancharella sein Erster Offizier geworden war, spannte sich leicht an, mit allem rechnend. Immerhin hatte er dieser Frau in den Magen geboxt und sie ins Gesicht geschlagen, und das nicht gerade mit Samthandschuhen. Sie musste mittlerweile zwar wissen, dass dies auf allerhöchsten Befehl geschah, aber dennoch schien in diesem Moment alles wieder in ihr hoch zu kommen, und Dheran konnte sich ausmalen, was sie nun fühlen mochte. Erst jetzt, da sie unmittelbar vor einander standen wurde offensichtlich, dass die junge Frau bestenfalls Anfang Zwanzig sein mochte.

Der um einen halben Kopf höher gewachsene Andorianer gab sich Mühe seine raue Stimme etwas sanfter als gewöhnlich klingen zu lassen, als er antwortete: „Ich bin gekommen, um mich persönlich bei Ihnen zu entschuldigen, Petty-Officer Qvist. Admiral Tarun wird Sie mittlerweile sicherlich davon in Kenntnis gesetzt haben, dass ich auf seinen Befehl hin in seinem Büro ausgerastet bin. Bitte glauben Sie mir, wenn ich ihnen versichere, dass mir das alles wirklich aufrichtig leid tut, Miss Qvist.“

„Darum haben Sie auch mit solcher Begeisterung zugeschlagen, nicht wahr?“, fauchte die junge Frau giftig. Sie hatte ihre schlanken Hände zu Fäusten geballt, und für einen Augenblick erweckte sie den Eindruck, als wolle sie sich auf ihn stürzen. Doch dann wandte sich sich abrupt ab und schritt zum Fenster des Quartiers.

Für einen Moment stand Tar´Kyren Dheran etwas ratlos im Raum, bevor er einige Schritte auf sie zu machte und sagte: „Petty-Officer, hatten Sie jemals von mir gehört, bevor es zu der bedauerlichen Szene im Büro des Admirals kam?“

Ohne sich dabei umzudrehen antwortete die Frau: „Ja, Sir. Seit dem Dominion-Krieg sind Sie innerhalb der Föderation, und wohl auch darüber hinaus, vielen Leuten ein Begriff. Besonders natürlich Angehörigen der Flotte.“

Der Andorianer beobachtete, wie sich die junge Frau langsam zu ihm umwandte. Wut und Enttäuschung lagen gleichermaßen in ihrem Blick. „Sir, als ich in West-Point als MACO ausgebildet wurde, da wurden einige Ihrer Einsätze im Dominion-Krieg dort diskutiert. Zu dieser Zeit waren Sie so etwas wie ein Held für mich. Doch jetzt...“ Sie brach ab und Tränen glitzerten in ihren Augen.

Der Andorianer räusperte sich, bevor er ungewohnt leise sagte: „Ein irdischer Dichter namens Rilke sagte einmal: Ein Mensch ist nicht der, der er bei seiner letzten Begegnung mit dir war, sondern der, der er schon immer gewesen ist. Ich würde sagen, auch auf Andorianer und die meisten anderen Angehörigen diverser Spezies trifft dies zu, meinen Sie nicht?“

Die Rothaarige zögerte einen Moment, bevor sie schließlich widerstrebend zugab: „Es könnte sein, Captain.“

Für einen Augenblick herrschte unangenehmes Schweigen, bevor Dheran seine Hand ausstreckte, die das kleine Päckchen hielt. „Das habe ich Ihnen als kleine Wiedergutmachung mitgebracht, Petty-Officer.“

Miriam Qvist trat einen Schritt auf den Andorianer zu und nahm das eingepackte Päckchen zögerlich in die Hand. „Was ist das?“

„Machen Sie es auf, Miss Qvist.“

Mit einem letzten neugierigen Blick auf den Andorianer entfernte sie schließlich das Papier und öffnete das dunkelblaue Kästchen. Für einen Moment starrte sie sprachlos auf den golden funkelnden Stein, der im weiß-goldenen Anhänger einer ebenfalls weiß-goldenen Kette eingefasst war. Er schien von Innen heraus zu glühen. Dann richtete sich der verwunderte, fragende Blick der jungen Frau wieder auf den Andorianer.

Tar´Kyren Dheran erklärte mit feinem Lächeln: „Das ist eine Träne Rakaris. Diese Steine findet man nur tief unter der Oberfläche Andorias.

Es dauerte eine Weile, bis Miriam Qvist endlich wieder etwas sagen konnte. „Aber diese Steine sind doch bestimmt kostbar?“

Dherans Lächeln wurde etwas breiter. „Nun, sie sind bei Weitem nicht so kostbar, wie ihre blau strahlenden Gegenparts, die wir Kumaris Tränen nennen. Aber selbst unter Freunden würde dieser Stein sicherlich drei Blocks in Gold gepresstes Latinum einbringen.“

Die junge MACO glaubte zuerst, sich verhört zu haben. Dann entgegnete sie schnell: „Aber das kann ich nicht annehmen, Sir.“

Das Lächeln des Andorianers gefror auf seinen Lippen. Seine Antennen ruckten vor und richteten sich wie Dolche auf die Frau. „Wenn Sie diese Gabe ablehnen, dann ist das eine tödliche Beleidigung, und in diesem Falle müsste ich Sie zu einem Ushaan auf Leben und Tod fordern, um meine Ehre wiederherzustellen, Petty-Officer.“

Ungläubig blickte die MACO in die undurchdringlich blickenden bläulich-violetten Augen des Andorianers und sie war unsicher, ob er seine Worte ernst gemeint hatte, oder nicht. Langsam schloss sie das Kästchen und sagte dann: „Unter diesen Umständen nehme ich die Kette an, Sir.“

Dheran nickte zufrieden. „Nichts anderes wollte ich hören, Miss Qvist.“ Er reichte ihr seine Hand. „Ich hoffe aufrichtig, Sie werden mir verzeihen.“

Die junge Frau ergriff die angebotene Hand und drückte sie. Dabei erklärte sie: „Ich dachte bisher immer, dass Andorianer kalte Hände haben würden.“

Dheran lächelte entsagungsvoll. „Sie glauben gar nicht, wie oft ich das in der letzten Zeit zu hören bekomme, Miss Qvist. Sie entschuldigen mich nun bitte.“

„Sicher, Captain.“

Der Andorianer wandte sich ab und verließ das Quartier der MACO.

Drinnen blickte Miriam Qvist dem Andorianer sinnend hinterher, bevor sie zu einem der beiden Wandspiegel eilte, die Kette aus dem Kästchen nahm, und sie anlegte. Sich vor dem Spiegel hin und her drehend fuhr sie mit den Fingern über den Anhänger der Kette und dachte dabei: Wenn Sie hinterher immer mit einem solchen Präsent kommen, dann lasse ich mich ab jetzt jede Woche auf eine Schlägerei mit Ihnen ein, Captain Dheran.

 
 

* * *

 

Schwitzend, die langen, schwarzen Haare ausnahmsweise zu einem Zopf geflochten, lag Commander Pasqualina Mancharella unter einer der Wandkonsolen auf der Brücke der U.S.S. ICICLE, mit dem Oberkörper halb in der Wartungsöffnung verschwunden. Dabei hatte sie sich bereits ihrer Uniformjacke entledigt, die sie quer über die Taktische Konsole geworfen hatte. Zusammen mit Lieutenant-Commander Rick McMahan, dem Leitenden Ingenieur des Schiffes, installierte sie die am Morgen frisch eingetroffenen, neuen Gel-Packs und verband sie mit den ODN-Leitungen, zu den Schiffssystemen. Der Chief, der schnaufend neben ihr in der Öffnung lag, hatte sie um ihre Mithilfe gebeten. Wegen ihrer schlanken Hände, die besser an enge Stellen heran kamen, wie er gesagt hatte.

Überall sonst auf dem Raumschiff wurde gleichfalls fieberhaft daran gearbeitet, die letzten Reste der Gefechtsschäden zu beseitigen, die während des letzten Einsatzes, durch den Beschuss einer talarianischen Flotte von Kriegsschiffen, entstanden waren.

Erst vor zwei Tagen hatte die Spanierin wieder ihren Dienst aufgenommen, und noch in der ersten Stunde war sie bereits wieder mit Tar´Kyren Dheran aneinander geraten, weshalb sie schon jetzt wieder voll unter Strom stand.

Das Ganze hatte angefangen, als sie nach ihrer Rückkehr von ihrem letzten Einsatz, auf Forlan-Prime mit dem Andorianer darüber gesprochen hatte, wie weit er während dieses Einsatzes zu gehen bereit gewesen wäre. Seine Antwort hatte ihr nicht gefallen, und im Zuge der Unterredung hatte sie ihm vorgeworfen über Leichen zu gehen. Seitdem hatte sie einige Male über ihre und seine Worte nachgedacht, aber stets kam sie zu dem Ergebnis, dass der Andorianer ihr mehr hätte vertrauen können – Befehl des Admirals hin oder her.

Dann war da noch der Besuch von Commodore Christina Carey gewesen, die den Captain während des zweiwöchigen Urlaubs auf dem Planeten, um den STRATEGICAL STARBASE 71 auf einer geostationären Umlaufbahn kreiste, besucht hatte. Sie glaubte beobachtet zu haben, dass zwischen den beiden eine Vertrautheit herrschte, die sie bisher nicht zwischen ihnen hatte beobachten können. Oder hatte sie es nur nicht bemerkt? Die Spanierin erinnerte sich wieder an die Siegesfeier der Sektorenmeisterschaften im Degenfechten. Dort hatten Christina Carey und Tar´Kyren miteinander getanzt. Und auch zuvor hatten sich beide bereits zum Essen getroffen.

Pasqualina Mancharella spürte tief in ihrem Innern eine heiße Welle der Eifersucht aufsteigen. Hatten Tar´Kyren und Christina Carey vielleicht längst wieder zu einander gefunden, und der Andorianer hatte ihr nur noch nichts davon erzählt. Dieser Gedanke quälte sie und er machte sie gleichfalls wütend.

Als Tar´Kyren ihr dann gestern Abend erklärt hatte, sie würde für die nächsten drei Wochen das Kommando über die ICICLE führen, kurz, prägnant und ohne irgendeine weiterführende Erklärung, da hatte sie allergisch reagiert.

Dass Tar´Kyren Dheran ihr, in neutral dienstlichem Tonfall, erklärt hatte, er dürfe nicht darüber reden warum er ihr für diese drei Wochen das Kommando übergab, hatte es nur noch verschlimmert.

Dabei war sie selbst es gewesen, die dem Andorianer auf Forlan-Prime erklärt hatte, sie würde in der nächsten Zeit nur dienstlich mit ihm verkehren. Hatte sie damit vielleicht den entscheidenden Fehler gemacht und ihn in Christina Careys Arme getrieben? Wütend überlegte sie, was Tar´Kyren eigentlich von einer Frau wollte, die drei Jahre älter war, als er. Sie selbst war fast zehn Jahre jünger, als die Irin. Natürlich war ihr dabei klar, dass bei dem aktuellen Stand der irdischen Medizin noch Jahrzehnte vergehen würden, bevor man diesen Unterschied äußerlich auch nur ansatzweise bemerkte. Was die Spanierin zusätzlich wütend machte war die Tatsache, dass Commodore Christina Carey, solange sie den Captain vertrat, ihre unmittelbare Vorgesetzte war. So konnte sie nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen und ihr vorwerfen, sie würde ihr den Freund ausspannen. Dabei hätte es sie sehr erleichtert genau das zu tun.

Nachdem sie und McMahan das letzte Gel-Pack installiert und an die Systeme der ICICLE angeschlossen hatten, blickte Pasqualina den Kanadier, zwischen den Leitungen des EPS-Verteilers hindurch, an und meinte zufrieden grinsend: „Das hätten wir, Chief. Wenn Sie erlauben, dann würde ich Sie gerne in den Maschinenraum schicken - das Anschließen der restlichen ODN-Leitungen schaffe ich auch allein.“

Der baumlange Kanadier lächelte erleichtert. Nicht, weil er Pasqualina Mancharella nicht gemocht hätte, sondern weil es in dieser Öffnung qualvoll eng war für einen Mann seiner Konstitution. Außerdem brannte er darauf sein Hauptaugenmerk wieder dem Maschinenraum zuzuwenden, auch wenn er ihn beim tellaritischen Junior-Lieutenant, Tearash Corin, in fähigen Händen wusste. „Danke, Commander. Wissen Sie, ich bin froh, dass wir das Schiff schon bald wieder hinbekommen haben werden. Wenn Sie Captain Dheran das nächste Mal sehen, dann sagen Sie ihm bitte, er soll zukünftig besser auf mein Schiff achten.“

Die Spanierin nickte mit säuerlicher Miene. Der Chief hatte sie wieder an den Andorianer erinnert, an den sie gerade im Moment nicht denken wollte. Aber woher hätte McMahan das wissen sollen? Darum erwiderte sie lediglich: „Ich kann es ihm ausrichten, aber dann reißt er Ihnen den Kopf ab, weil Sie sein Schiff als Ihr Schiff bezeichnet haben.“

Seufzend arbeitete sich der Kanadier aus der Öffnung und von draußen hörte Pasqualina ihn sagen: „Vergessen Sie es einfach, Commander.“

Die Spanierin hörte, wie sich der baumlange Lieutenant-Commander von der Brücke entfernte und sie machte sich daran, die weiß leuchtenden ODN-Leitungen anzuschließen, die momentan noch vor ihrem Gesicht baumelten. Dabei seufzte sie schwach, als sie an sich herunter sah. Ihr zuvor makellos sauberer, roter Uniformpulli war über und über von dunklen Flecken übersät. Außerdem widerte sie der Schweißgeruch an, den er nun, nach stundenlanger Arbeit in dieser engen, unangenehm warmen Umgebung, verströmte. Sie freute sich bereits jetzt auf eine Dusche und eine frische Uniform. Zwar hatte sie keinerlei Probleme damit hart zu arbeiten oder sich die Hände schmutzig zu machen, aber schmutzig zu sein, oder unangenehm zu riechen, war kein Zustand, den sie sonderlich mochte.

Während die Dreiunddreißigjährige nach einer der Leitungen griff, begannen, ausgelöst durch die Worte des Kanadiers, sich ihre Gedanken unwillkürlich um Tar´Kyren Dheran zu drehen. Sie fragte sich ernsthaft, wohin ihre Beziehung führen mochte.

Alles hatte mit diesem Verhängnisvollen Kuss begonnen – weit außerhalb der Milchstraße, nachdem sie durch ein Transwarp-Portal der Cryllianer in die Kleingalaxis Fornax transferiert worden waren, um eine mögliche Invasion der Milchstraße abzuwenden. Dabei waren Dheran und sie zwischenzeitlich gefangen genommen worden. Und irgendwie war es dabei passiert. Sie und der Andorianer waren sich emotional näher gekommen, als es unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Sie hatte das seltene Privileg genossen einen kleinen Ausblick auf den wirklichen Tar´Kyren Dheran zu erhaschen, abseits des Mantels aus kühler Distanz, Ironie und groben Sprüchen, mit dem er sich gerne umgab. Für einen kurzen Augenblick hatte sie hinter die Fassade des kalten Kriegers blicken können, und dieser kurze Moment hatte ausgereicht, sich in diesen wirklichen Dheran zu verlieben.

Als die ICICLE im August des Jahres zur Erde geflogen war, weil Tar´Kyren Dheran und zwei weitere Captains der 5.Taktischen Flotte an der Sternenflottenakademie als Gastredner das Prinzip der Taktischen Flotten vorstellen sollten, hatte es sich ergeben, dass die drei Captains als Gäste im Haus ihres Vaters übernachtet hatten. Und dabei war es dann passiert. Sie hatte eine leidenschaftliche Nacht mit dem Andorianer verbracht. Seitdem waren sie zusammen. Doch das wusste niemand an Bord der ICICLE, da sie beschlossen hatte, diese Tatsache vorerst für sich zu behalten. Obwohl sie selbst, ebenfalls wie Dheran, der Meinung war, dass es besser sei Dienstliches und Privates zu trennen, gefiel ihr dieses Versteckspiel nicht sonderlich. Außerdem hatte sie mittlerweile erfahren müssen, dass es mitunter nicht eben leicht war, mit seinem direkten Vorgesetzten eine private Beziehung zu führen, da immer die Gefahr bestand, dass die dienstlichen Notwendigkeiten mit den privaten Bedürfnissen kollidierten.

Seufzend installierte die Spanierin die Leitung und wandte sich der nächsten zu.

Gerade bei ihrem letzten Einsatz hatte sie dies mehr als deutlich zu spüren bekommen. Admiral Tarun im Allgemeinen und Dheran im Besonderen hatten für diesen Einsatz ihre privaten Gefühle in das taktische Kalkül mit einbezogen. Sie hatten den Anschein erweckt, Tar´Kyren Dheran sei ein Verschwörer und darauf gehofft, dass ihre Gefühle für den Andorianer und ihre Loyalität zu ihm größer sein würden, als ihr Pflichtgefühl gegenüber der Sternenflotte. Und das machte sie wütend, gab es ihr doch das Gefühl, zumindest bis zu einem gewissen Grad, benutzt worden zu sein. Auch wenn sie sich eingestand, dass es in diesem Fall eine taktische Notwendigkeit gewesen war.

Düster dachte Pasqualina Mancharella darüber nach, ob es unter diesen Umständen überhaupt möglich sein würde, die Beziehung mit Tar´Kyren auf Dauer weiterzuführen. Und dann war da letztlich auch noch die Ex-Freundin des Andorianers, Commodore Christina Carey, die wiederum Dherans direkte Vorgesetzte war.

Einen spanischen Fluch zwischen den Zähnen zerquetschend schloss sie die letzte Leitung an, überprüfte die Funktion der Systeme und arbeitete sich dann, zufrieden mit ihrem Werk, aus der Öffnung heraus.

Während sie die Wartungsklappe wieder ordnungsgemäß anbrachte, zeugte ein Zischen hinter der Spanierin davon, dass eines der Turboliftschotts sich öffnete. Die Spanierin wandte sich um und erkannte Commodore Christina Carey, die mit energischen Schritten die Brücke der ICICLE betrat.

Wenn man an den Teufel denkt, dann steht er bereits hinter einem, dachte die XO der ICICLE frustriert. Laut sagte sie: „Willkommen auf der Brücke der ICICLE, Commodore.“

Die schwarzhaarige Irin lächelte verbindlich. „Danke, Commander. Ich bin hier, um mich nach dem momentanen Status des Schiffes zu erkundigen.“

Hoch aufgerichtet blickte die Spanierin Christina Carey in die Augen und meldete: „Die Außenhülle ist bereits wieder voll intakt. Die Reparaturarbeiten an der beschädigten Backbord-Warpgondel sind abgeschlossen und die Teams des Chiefs ziehen neue ODN-Leitungen. Danach werden wir endlich in der Lage sein auch ein neues EPS-Verteilersystem einzubauen. Das Schiff wird in voraussichtlich fünf Tagen in der Lage sein, die ersten Testflüge zu absolvieren, damit wir feststellen können, ob wirklich alles so einwandfrei funktioniert wie in den bisherigen Simulationen, Commodore.“

Christina Carey nickte zufrieden. „Danke, Commander. Die Crew der ICICLE leistet unter ihrem Kommando hervorragende Arbeit. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, sollen die Männer und Frauen zwei Tage Urlaub machen. Danach werden die Testflüge durchgeführt. Ich werde dabei an Bord sein, und mich persönlich von der Funktionalität des Schiffes überzeugen, da Captain Dheran zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar sein wird. Bis zum Ende der Tests werden die vierzig neuen SKORPION-Jäger bereitstehen, Sie können also Ihren CAG, Mister Kunanga, beruhigen.“

Auch das noch, dachte die Spanierin mürrisch, als die Irin erwähnte, sie wolle an Bord die Testflüge mitmachen. Laut sagte sie hingegen: „Sie sind uns stets willkommen auf der ICICLE, Commodore.“

Christina Carey lächelte verbindlich, bevor sich ihre Gesichtszüge anspannten. Ihr Blick bekam eine nachdenkliche Note und schließlich erkundigte sie sich: „Ich hörte, dass Ihr persönliches Verhältnis zum Captain dieses Raumschiffs momentan etwas angespannt ist. Sie sollen wissen, dass Sie jederzeit mit mir darüber reden können, Commander.“

Pasqualina Mancharella spürte ein Grummeln in der Magengegend, als die Irin auf dieses Thema zu sprechen kam. Eingedenk ihrer Überlegungen, die sie Minuten zuvor erst angestellt hatte, war es unschwer zu übersehen, von wem Commodore Carey davon erfahren haben mochte. Es schien ganz so, als würde Tar´Kyren Dheran nichts Besseres zu tun zu haben, als mit seiner Ex-Freundin über ihr Privatleben zu tratschen. Allein dieser Gedanke brachte ihr kastilisches Blut in Wallung. Dazu kam die Vorstellung, unter welchen Umständen dieses Gespräch möglicherweise geführt worden war, und Eifersucht gesellte sich zu ihrem Zorn auf Tar´Kyren Dherans offensichtliche Indiskretion. Mit mühsam zurückgehaltenem Ärger antwortete sie: „Das betrifft nur Privates, Commodore. Unser Arbeitsverhältnis ist ausgezeichnet.“

„So sollte es sein, Commander“, erwiderte die Irin, wobei ihre blauen Augen die XO der ICICLE aufmerksam musterten. Sie musste zugeben, dass die hochgewachsene Spanierin irgendetwas an sich hatte, das man nicht mit Worten definieren konnte. Etwas, das Männer allgemein gerne als das gewisse Etwas bezeichneten. Jetzt, da sie vor der Spanierin stand, verstand sie, warum Tar´Kyren so sehr Gefallen an ihr gefunden hatte. Bei ihren bisherigen kurzen Gesprächen miteinander hatte Christina Carey es nicht wirklich realisiert, aber in diesem Moment wurde ihr klar, dass diese hübsche und obendrein intelligente Frau, in Bezug auf Tar´Kyren, eine ernstzunehmende Rivalin war. Diese Erkenntnis kam seltsamerweise unerwartet, und die Irin gestand sich ein, dass sie sich des Andorianer stets irgendwie sicher gewesen war. Jetzt kam eine Ungewissheit hinzu, die ihr gar nicht gefiel, und der Gedanke, vielleicht zu lange gewartet zu haben und Tar´Kyren möglicherweise für immer an diese Frau zu verlieren bereitete ihr Magenschmerzen.

Christina Carey verscheuchte diese unerfreulichen Gedanken. Gegen ihre sonstigen Gewohnheiten sagte sie, ohne darüber nachzudenken: „Es ist meiner Meinung nach ohnehin besser, Dienstliches und Privates zu trennen, Commander. Alles Andere führt nur zu unerwünschten Komplikationen.“

Pasqualina Mancharella spürte, wie der Zorn auf die Irin anwuchs. Was bildete diese Frau sich ein, sich ungefragt in ihr Privatleben einzumischen? Bevor sie sich innerlich zur Ordnung mahnen konnte, antwortete sie spitz: „Das war wohl der Grund, warum Sie sich von Tar´Kyren getrennt haben, nicht wahr?“

Beide Frauen funkelten sich taxierend an, wobei Christina Carey die Spanierin mit einem beinahe mörderischen Blick bedachte und korrigierend sagte: „Von Captain Dheran, Commander.“ Die Irin warf ihr langes Haar zurück und fügte etwas weniger bissig hinzu: „Sie haben ganz Recht, Commander. Die Trennung war notwendig, weil eine Beziehung zu großen Einfluss auf unser beider Karrieren gehabt hätte.“

„Das mag vielleicht Ihre Ansicht sein, Commodore“, entgegnete Pasqualina Mancharella kühl. „Aber ich würde meine Karriere niemals über meinen Freund stellen. Und ich bin sicher, dass mein Freund und ich mit dem Problem klarkommen. Vielleicht besser, als andere Leute.“ Sie zögerte einen kurzen Moment lang, bevor sie ein übertrieben zackiges Sir hinzufügte.

Die Wangen der Irin röteten sich um eine Nuance. Kalt konterte sie: „Ich hoffe nur, dass auch Captain Dheran an mehr interessiert ist, als lediglich an eine leidenschaftliche Zeit mit Ihnen, denn nur dann lohnt sich Ihre Einstellung wirklich, Commander.“ Dann wurde die Stellvertreterin des Admirals übergangslos dienstlich und erklärte: „Ich erwarte Ihren ausführlichen täglichen Zwischenbericht um 12:00 Uhr. Dann aber bitte wieder in korrekter Uniform, wenn ich bitten darf. Das wäre vorläufig alles, Commander Mancharella.“

Die Spanierin bestätigte und beobachtete die Irin dabei, wie sie förmlich von der Brücke der ICICLE rauschte, und ein grimmiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Dabei dachte sie: Wenn du mir Tar´Kyren ausspannen willst, Herzchen, dann lauf dich schon einmal warm, denn das wird der härteste Kampf für dich werden, den du je erlebt hast.

 
 

* * *

 

Zufrieden mit seinem ersten Teilerfolg suchte Dheran sein vorübergehendes Quartier auf STRATEGICAL STARBASE 71 auf und nahm dort ein weiteres vorbereitetes Päckchen an sich. Dieses war unterarmlang und von knapp zehn Zentimetern Kantenbreite.

Mit diesem Päckchen in seiner Armbeuge machte sich Dheran wieder auf den Weg. Von Christina Carey hatte er den Tipp bekommen, dass der Efrosianer vor etwa zwanzig Minuten das Arboretum betreten hatte. Er verbrachte dort regelmäßig seine Mittagspausen, so dass sich der Andorianer gute Chancen ausrechnen konnte ihn dort anzutreffen.

Dheran war ganz froh darüber allein in der Liftkabine nach oben zu fahren. Allzu oft passierte dies nämlich nicht, und es ersparte ihm in diesem Fall Konversation zu machen, denn dazu war der Andorianer auf gar keinen Fall aufgelegt.

Als Tar´Kyren Dheran bereits dachte er habe Glück gehabt, hielt der Lift und Enrom Tolaron betrat die Liftkabine. Dheran machte das Beste aus der Situation und grüßte den romulanischen Chef der Stationssicherheit freundlich.

Enrom Tolaron beließ es bei einem distanzierten Kopfnicken. Während der Fahrt nach oben ließ er den Andorianer nicht aus den Augen, und den Captain beschlich das Gefühl, dass der Romulaner ihm auch nach der Klärung der kürzlich stattgefundenen Ereignisse noch immer nicht recht über den Weg traute.

Etwas befremdet horchte Tar´Kyren Dheran auf, als der Romulaner schließlich entschlossen sagte: „Lift, anhalten.“

Enrom Tolarons Miene wirkte undurchdringlich, als er zu dem Andorianer sagte: „Auf ein Wort, Captain. Hier können wir uns ungestört unterhalten.“

Der Andorianer konnte sich nicht vorstellen, dass Enrom Tolaron noch einmal die Ereignisse thematisieren wollte, wegen derer er sich am Vortag nochmals persönlich bei ihm entschuldigt hatte. Doch er konnte sich nicht recht vorstellen was, weshalb sich seine Antennen vor Neugier in alle Richtungen zu bewegen begannen.

Tolaron, dessen Ausbildung beim Tal´Shiar umfassend gewesen war, bemerkte diese kleinen Anzeichen und erklärte rasch: „Es handelt sich um den bevorstehenden Einsatz, für den der Admiral Sie der Sektorenflotte-Bajor überstellt, Captain. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass man Sie dem Sternenflottengeheimdienst überstellt, denn immerhin führt Ihr Freund Valand Kuehn das Kommando, habe ich Recht?“

Für einen kurzen Augenblick glaubte Tar´Kyren Dheran, sich verhört zu haben, bei den letzten Worten des Romulaners. Gleichzeitig drängten sich einige der Ereignisse des letzten Einsatzes unwillkürlich wieder auf. Er versuchte, sich Tolaron gegenüber nichts anmerken zu lassen. Doch dessen Gesicht drückte in diesem Moment so etwas wie Nachsicht und Verwunderung gleichzeitig aus.

Enrom Tolaron, der die Reaktion des Andorianers sehr genau beobachtet hatte, wurde in diesem Moment klar, dass er sich in einem Punkt irrte, den er bisher stets genau zu kennen geglaubt hatte, da er um die Freundschaft zwischen Kuehn und Dheran wusste. Doch nun wurde dem Romulaner klar, dass der Konteradmiral nicht einmal seinen besten Freund eingeweiht hatte, und leise stellte er fest: „Sie wissen es nicht, oder?“

Tar´Kyren Dheran, dessen Gedanken sich jagten, blickte sein Gegenüber unwillig an und einen Bluff riskierend, entgegnete er heiser: „Heraus mit der Sprache, Sub-Commander. Was weiß ich nicht? Wenn Sie darauf anspielen, dass mein Freund für den Sternenflottengeheimdienst arbeitet, dann liegen Sie falsch.“

Diesmal war die Reihe an Enrom Tolaron für einen kurzen Augenblick die Maske fallen zu lassen, und der Andorianer beherrschte sich mustergültig, bei seiner Reaktion.

Tolaron hüstelte schwach, bevor er zugab: „Ich hätte für einen Moment schwören können, dass Ihnen der Umstand nicht bekannt war. Nun, anscheinend ein Irrtum meinerseits, Captain Dheran.“ Auch diesmal beobachtete der Romulaner genau die Reaktion seines Gegenübers, doch diesmal hatte sich der Andorianer fest im Griff und nichts an ihm verriet, wie es in ihm aussah.

Tar´Kyren Dheran, der sich nun innerlich gewappnet hatte, fragte drängend: „Aber deswegen wollten Sie mich nicht sprechen, nicht wahr?“

Es sprach für Tolarons Instinkt, der ihm sagte, dass es ihm kein weiteres Mal gelingen würde, den Andorianer zu überraschen, dass er umgehend das Thema wechselte und bestätigte: „Sie haben Recht, Captain. Warum ich Sie sprechen möchte ist die Tatsache, dass Sie in den Gamma-Quadranten aufbrechen, um cardassianische Kriegsgefangene zu befreien. Da Sie dazu dasselbe Internierungslager infiltrieren müssen, welches bereits während des Krieges erfolglos von einem romulanischen Kommandotrupp angegriffen wurde, als dort noch Romulaner gefangen gehalten wurden, möchte ich Sie davor warnen, das Lager, egal wie, direkt anzufliegen. Es wird durch umliegende Geschützstellungen gesichert, die eine halbe Taktische Flotte abwehren könnten. Selbst ein Tiefflugangriff wäre Selbstmord.“

Dheran kniff seine Augen zusammen und seine Antennen zuckten noch vorne. „Sie sind ungewöhnlich gut informiert, Mister Tolaron. Ich nehme jedoch nicht an, dass Sie ihr Wissen von Admiral Tarun bezogen haben.“

Der Romulaner grinste beinahe spitzbübisch. „Ich habe meine eigenen Quellen, Captain. Als Sicherheitschef dieser Station ist das unerlässlich. Aber lassen Sie mich fortfahren. Es gibt zehn Kilometer von dem Lager entfernt eine hufeisenförmige Hügelkette. Wenn sie den Anflug gut planen und tief anfliegen, dann sollte es kein Problem sein, mit einem kleinen Raumschiff, oder einem Shuttle dort einzufliegen und einen Stoßtrupp abzusetzen. Dieser Ort hat den zusätzlichen Vorteil, dass er einerseits außerhalb der Transporterscrambler liegt, und andererseits ein schmaler Canyon, der sehr gute Deckung bietet, bis dicht an die großen Abwasserkanäle des Lager heranführt. Leider entdeckte die Crew des Landeschiffes unseres Kommandotrupps dies erst, als das Schiff vor den Raiders der Jem´Hadar fliehen musste. Bevor es zu einem zweiten Einsatz kommen konnte, war der Krieg beendet.“

„Manchmal hat man wirklich Pech“, kommentierte der Andorianer Tolarons Worte mit ironischem Gesichtsausdruck. „Wenn diese Informationen tatsächlich auf Wahrheit beruhen, dann muss ich Ihnen wohl dankbar sein, Sub-Commander.“

Tolarons Gesicht nahm beinahe einen beleidigten Zug an, als er sich gefährlich leise bei dem Andorianer erkundigte: „Sie glauben doch nicht etwa, ich würde Ihnen in dieser Angelegenheit falsche Informationen zuspielen, um mich auf diese Weise für den Vorfall im Büro des Admirals zu rächen?“

„Der Gedanke kam mir in der Tat“, gab Dheran offen zu, wobei sich seine Antennen leicht nach Innen krümmten.

Tolaron maß sein Gegenüber einen Moment lang, bevor sich seine Lippen zu einem fast jungenhaften Lächeln verzogen. „Captain, wenn ich mich für diesen Vorfall irgendwann rächen sollte, dann werde ich bestimmt dafür sorgen, dass ich dabei ihr Gesicht sehen kann.“

„Sie werden mir mit jedem Tag sympathischer“, entgegnete der Andorianer ironisch und deutete dabei eine Verbeugung an.

Tolaron quittierte es mit einem verbindlichen aussehenden Nicken, wobei seine Mundwinkel jedoch verdächtig zuckten. Dann gab er der Steuerautomatik des Lifts den Befehl die Fahrt fortzusetzen.

Tar´Kyren Dheran war erleichtert, als der Romulaner einige Decks höher die Liftkabine verließ, denn innerlich war er zutiefst aufgewühlt, nach ihrem Gespräch. Immer wieder gingen ihm Tolarons Worte in Bezug auf Valand und den Sternenflottengeheimdienst durch den Kopf. Sollte ihm sein Freund diesen wichtigen Punkt seines Lebens wirklich verschwiegen haben und für den Sternenflottengeheimdienst arbeiten? Wieder fielen ihm dabei die Worte jenes Sternenflottenagenten ein, der ihm und seiner Kommandocrew, vor wenigen Wochen bei ihrem Einsatz in talarianischem Raum, das Leben gerettet hatte. Dieser Betazoide hatte ihm die telepathische Nachricht zukommen lassen, dass Valand Kuehn ihn, und seine Kollegin, geschickt hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt waren ihm abwegige Gedanken zu Valand durch den Kopf gegangen, doch er hatte sie nicht weiterverfolgt, da auch Admiral Tarun der Meinung gewesen war, Kuehn habe lediglich die Befehle an den Agenten weitergeleitet. Jetzt waren diese Überlegungen wieder da, und Dheran fragte sich misstrauisch, ob genau das vielleicht die subtile Rache Tolarons war. Zumindest würde es genau zur romulanischen Art passen, durch gezielte Desinformation Misstrauen zwischen den Freunden zu schüren. Das war schon immer ein probates Mittel des Tal´Shiar gewesen.

Der Lift hielt endlich, und der Andorianer verließ die Liftkabine, wobei er seine finsteren Gedanken zunächst zur Seite schob. Er würde später mit seinem Freund reden, und er würde ihm dabei wohl einige unangenehme Fragen stellen.

Über einen breiten Weg schritt der Andorianer durch die anheimelnde Parklandschaft. Er wusste, dass es in regelmäßigen Abständen, entlang der Kuppelperipherie sieben weitere solcher Hauptwege gab – dort, wo die Turbolifts auf dieser Ebene endeten. Fasziniert blickte er sich um.

Über dem Andorianer spannte sich die transparente Kuppel aus Panzer-Duralum, die durch Duraniumstreben eine Wabenstruktur aufwies. In diesen Streben befanden sich die Tiefenstrahler, die jedes Lichtspektrum erzeugen konnten. Dheran wusste, dass es in den Arboretums einen irdischen Tag und Nacht Rhythmus gab, die von Arboretum zu Arboretum im Abstand von acht Stunden wechselten, so dass in einem von dreien stets Dunkelheit herrschte. Für die Entwicklung und Erhaltung der Pflanzen war dies unabdingbar. In diesen Streben waren außerdem Holoemitter integriert, um im Park eine entsprechende Fauna zu erzeugen, was von den meisten Besuchern als sehr angenehm empfunden wurde.

Tar´Kyren Dheran hatte erst ein einziges Mal ein Arboretum dieser Station aufgesucht, doch nach seiner Kenntnis gab es im Zentrum einen großen Teich, der von einem schmalen Wanderweg umlaufen wurde. Christina Carey hatte ihm verraten, dass Commander Yr Torakan für gewöhnlich dort zu finden war, wenn er eines der Arboretums aufsuchte. Unter hohen Bäumen schritt er zügig auf diesen Bereich zu. Sie lichteten sich etwas, als er den Teich erreichte und den ihn umlaufenden Wanderweg betrat.

Der Andorianer hatte Glück. Er entdeckte den Efrosianer auf einer etwas abseits gelegenen Parkbank; in Gedanken versunken auf den Teich hinaus blickend, auf dem sich holografische Wasservögel verschiedener Gattungen tummelten. Als Lo´Ruun Yr Torakan zufällig in seine Richtung blickte, spannten sich seine Gesichtszüge, und unbewusst erhob er sich von der Bank.

Das Päckchen in seiner Armbeuge fester packend erkannte Tar´Kyren Dheran den Gemütszustand des Efrosianers und er setzte ein freundliches Gesicht auf. Als er den Commander und gleichzeitig Kommandierenden Offizier aller MACO´s dieser Station, erreichte, sagte er ohne Umschweife: „Ich habe Sie gesucht, Commander. Was vor einigen Wochen im Büro des Admirals passiert ist, das ist mir wirklich sehr unangenehm, und ich bin gekommen, um mich dafür noch einmal persönlich bei Ihnen zu entschuldigen.“

„Sie handelten auf Befehl, Captain“, erwiderte der Commander kühl, doch seine intensiv blauen Augen drückten nur allzu deutlich aus, wie es wirklich um seine Gemütslage bestellt war. Mit beinahe feindseligem Blick musterte er den Andorianer.

Dherans Antennen bogen sich etwas nach Innen, als er sich vorsichtig erkundigte: „Aber da ist etwas, das Ihnen sauer aufstößt, nicht wahr Commander? Und ich habe den Eindruck, dass es nicht allein die Tat ist.“

„Sie haben nicht nur gleichzeitig mich und meine Untergebene eingeseift, sondern es nebenbei auch noch mit dem Ersten Offizier der Station und seinem Stellvertreter aufgenommen, gerade so, als wäre es nichts“, schnaubte Yr Torakan und blickte über die Schulter des Andorianers hinweg in die Ferne. Dann sah er den Captain wieder an. „Wissen Sie, normalerweise sollte man von einem MACO erwarten können, dass er eine wild gewordene Person zu bändigen weiß, besonders wenn er der Chef der MACO´s ist. Aber ich hatte eher das Gefühl, dass Sie ohne die Intervention des Admirals, mit uns allen Vieren fertig geworden wären. Dabei hätte ich allein mit Ihnen fertig werden sollen.“

Es dauerte einen Moment, bis der Andorianer begriff. Der Efrosianer schien seit der Begebenheit an seinen Fähigkeiten zu zweifeln und war im Begriff, seinetwegen Minderwertigkeitskomplexe zu entwickeln. Eindringlich blickte er den Commander an und erklärte: „Vielleicht wissen Sie es nicht, Mister Yr Torakan, aber als Andorianer habe ich ein wesentlich besseres räumliches Wahrnehmen, als jede andere bekannte, humanoide Lebensform. In freier Natur wirkt sich dies kaum aus. In geschlossenen Umgebungen hingegen, besonders wenn sie so überschaubar sind, wie etwa das Büro des Admirals, gibt mir das im Nahkampf einen signifikanten Vorteil an Übersicht und damit gleichfalls an Geschwindigkeit. Selbst ein ungeübterer Andorianer, als ich, hätte Ihnen dort drinnen die Jacke voll gehauen, Commander. Gegen einen trainierten Nahkämpfer wie mich hatten Sie, in dieser Umgebung, nicht den Hauch einer Chance, und das liegt nicht daran, dass Sie kein guter Kämpfer wären. Zudem habe ich Sie und Ihre Kollegin überrascht. Hätten Sie von meinen Intentionen gewusst, dann hätte ich einen wesentlich schwereren Stand gehabt.“

Yr Torakan musterte Dheran intensiv und sagte nach einigen Sekunden nachdenklich: „Einiges davon wusste ich tatsächlich nicht. Jetzt wird mir langsam klar, warum sich im Dominion-Krieg, die Jem´Hadar nicht lange auf Andoria halten konnten.“

Der Andorianer grinste offen. „Ja, weil mein Vater die Verteidiger anführte. Das bringt mich auf das Päckchen hier. Es ist für Sie - sozusagen als Friedensangebot.“

Der Efrosianer nahm das Päckchen entgegen und fragte: „Was befindet sich darin?“

„Schauen Sie nach.“

Lo´Ruun Yr Torakan folgte der Aufforderung. Als er schließlich die gedrehte Flasche mit der klaren Flüssigkeit zutage gefördert hatte und einen Blick auf das Etikett warf, lag ein Zug von Verwunderung auf seinem Gesicht. Er hielt die Flasche gegen das Licht, wobei die Flüssigkeit das unverkennbare, bläulich-violette Schillern aufwies, welches durch natürliche Aromastoffe, die sich nicht replizieren ließen, im Getränk erzeugt wurde. „Das ist echter, andorianischer Eisbrandy des Jahrgangs 2373. Aber ich dachte bisher, der gesamte Vorrat sei bei der Besetzung Andorias, durch die Jem´Hadar, vollständig vernichtet worden.“

Tar´Kyren Dheran nickte amüsiert. „Das denken die Meisten. Tatsächlich hat sich jedoch Folgendes zugetragen: Einige Stunden, bevor die Flotte des Dominion Andoria erreichte, richtete mein Vater das Hauptquartier der Andorianischen Kommandoeinheiten in genau dem Lagerhaus ein, in dem die gesamten Vorräte dieses Jahrgangs lagerten. Man hatte angenommen, das Lager sei längst geräumt worden und somit leer. Sie können sich also ansatzweise die Überraschung der andorianischen Verteidiger vorstellen, als sie vor einer Unzahl von Kisten standen, voll mit Andorianischem Eisbrandy. In einer Aktion ohnegleichen gelang es den Männern und Frauen der Andorianischen Kommandoeinheiten die Kisten in Sicherheit zu bringen. Es versteht sich dabei von selbst, dass davon kein Sterbenswort an die Öffentlichkeit gelangte.“

Der Efrosianer, der mit wachsendem Erstaunen zugehört hatte, lachte auf. „Das kann ich mir nur allzu lebhaft vorstellen, Captain. Ich vermute, dass in den Kellern diverser andorianischer Kommandooffiziere, immer noch die ein oder andere Flasche zu finden ist.“

„Sie vermuten wohl richtig“, schmunzelte Dheran. „Aber das habe ich natürlich nie gesagt, Commander.“

„Natürlich nicht, Captain.“

Der Andorianer wurde wieder eine Spur ernster. „Sie nehmen also meine Entschuldigung an, Commander?“

Lo´Ruun Yr Torakan, der die Flasche vorsichtig wieder einpackte, nickte knapp: „Natürlich, Captain. Wir stehen auf derselben Seite. Ich danke Ihnen darüber hinaus für die Aufklärung in Bezug auf andorianische Fähigkeiten.“

Sie reichten sich die Hände, und Tar´Kyren Dheran war hoch zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Morgens.

Komplizierte Beziehungen

Mit ausgreifenden Schritten marschierte Commander Pasqualina Mancharella, in sauberer und tadellos sitzender Uniform, durch den Gang, der zum Büro von Commodore Christina Carey führte, wobei die das Padd mit dem Bericht über den momentanen Reparaturstatus der ICICLE fest in ihrer rechten Hand hielt. Seit die Stellvertretende Kommandeurin der 5.Taktischen Flotte das Schiff verlassen hatte grummelte es in ihrem Magen. Natürlich konnte Sie nicht einfach in ihr Büro stürmen und ihr vorwerfen, dass sie dabei war, ihr den Freund auszuspannen. Obwohl die Spanierin eben dies momentan am liebsten getan hätte.

Nach dem letzten Einsatz hatte sie fest daran geglaubt, dass es vielleicht besser sei, die Beziehung mit Tar´Kyren Dheran zu beenden. Doch der morgendliche Disput, zwischen ihr und Commodore Carey, und die Gefühle, die sie dabei aufgewühlt hatten, bewiesen ihr mehr als deutlich, das ihr der Andorianer viel zu viel bedeutete, als dass sie ihn einfach so würde aufgeben können. Sie liebte ihn immer noch, das war ihr vollkommen klar geworden, und sie würde um ihn kämpfen.

Die Spanierin erwiderte den Gruß mehrerer Crewman von der U.S.S. SIRIUS, die sie vom Sehen kannte, und bog dann in den Gang ein, in dem Christina Careys Büro lag. Als sie nur noch etwa zehn Meter vom Eingangsschott entfernt war, öffnete es sich und ein Mann, mit den Insignien eines Lieutenant-Commanders verließ das Büro des Commodore. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie, wer der hünenhafte, dunkelblonde Mann war. Sie war ihm bei der Sektorenmeisterschaft im Degenfechten begegnet, die vor wenigen Wochen erst auf STRATEGICAL STARBASE 71 stattgefundenen hatten. Er hieß Christian Sinemus, und er war Gegner im Finale gewesen. Denkbar knapp hatte er sie besiegt. Außerdem hatte sie bereits einmal mit ihm zu Abend gegessen, aber dieses Treffen war rein kollegialer Natur gewesen. Allerdings hatte der Mann seinerzeit das Gold der Sicherheit getragen – jetzt wies sein Uniformpulli das Grün der MACO´s auf.

Der gutaussehende Mann blickte sie an und er erkannte sie umgehend, was an seiner Reaktion unschwer zu erkennen war. Sein Gesicht zeigte ein strahlendes Lächeln und mit einem sichtlich freudigem Blick schritt er auf sie zu.

„Hallo, guten Tag, Commander Mancharella, ich grüße Sie“, sagte Sinemus und deutete eine Verbeugung an. „Ich bin hoch erfreut, dass Sie mir als erste bekannte Person, nach meinem Antrittsbesuch beim Commodore, begegnen. Wie geht es Ihnen?“

Pasqualina, die um die Wortgewandtheit des gebürtigen Wieners wusste, lächelte amüsiert und antwortete: „Mir geht es gut, Lieutenant-Commander. Aber was ist mit ihrer Uniform passiert? Sind Sie denn nicht mehr der Sicherheitsoffizier der NOTRE DAME?“

Christian Sinemus schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte seinerzeit bereits meine Versetzung zu den MACO´s beantragt. In den letzten Wochen war ich zu einem Crash-Kurs in West-Point. Dort waren sie gnädig, mit einem altgedienten Recken, wie mir.“

Pasqualina Mancharella, die um die Härte der MACO-Ausbildung, und der entsprechenden Abschlussprüfungen, in West-Point wusste, machte ein erstauntes Gesicht. „In dieser kurzen Zeit haben sie alle Prüfungen für diese Einheit bestanden?“

„Mit Belobigung, Commander.“

Die Spanierin lachte vergnügt. „Bescheidenheit scheint nicht zu dem zu gehören, was man Sie in West-Point gelehrt hat. Aber sagen Sie, bekommen Sie ein Bordkommando?“

Der Österreicher verneinte. „Leider nicht. Als zukünftiger Stellvertreter von Commander Yr Torakan werde ich zunächst auf der Station dienen. Vermutlich werde ich von ihm zunächst einmal auf Herz und Nieren geprüft. Zumindest erwähnte Commodore Carey so etwas in der Art. Ich hoffe aber, dass ich irgendwann einem der Captains unterstellt werde, und eine der Einheiten auf einem Raumschiff führen darf.“

Pasqualina Mancharella nickte. „Sie schaffen das schon. Es ist ein durchaus netter Zufall, dass man Sie ausgerechnet hierher versetzte, Lieutenant-Commander.“

„Weniger ein Zufall, als die Tatsache, dass ich während der Sektorenmeisterschaft eine längere Unterhaltung mit Commander Yr Torakan geführt habe“, korrigierte der sympathische Mann lächelnd. „Er erwähnte nämlich, dass sein bisheriger Stellvertreter gegen Ende des Jahres aus dem aktiven Dienst ausscheiden wird. Daraufhin habe ich zuerst mit dem Commander, und danach mit Commodore Carey gesprochen, die einer Versetzung hierher zustimmte, wenn ich die Prüfungen bis dahin schaffe. Und da bin ich.“

„Na, bravo“, benutzte die Spanierin jene Redewendung, die Sinemus bei seinem letzten Besuch auf der Station des öfteren hatte verlauten lassen, und grinste dabei augenzwinkernd.

Sinemus blickte sie belustigt an und meinte dann: „Sie sagen es, Commander.“ Dann fragte er: „Sind Sie ebenfalls auf dem Weg zum Commodore?“

Die Spanierin bestätigte: „Ja, Commodore Carey erwartet mich in wenigen Minuten. Bei unserem letzten Auftrag bekam das Schiff einiges ab und sie erwartet täglich einen Bericht über die Fortschritte der Reparaturen. Sie entschuldigen mich also.“

Bevor die Spanierin sich abwenden konnte, fragte der Hüne sie schnell: „Was haben Sie heute Abend vor? Wenn Sie Zeit haben, dann würde ich gerne mit ihnen essen gehen. Es ist mein erster Tag auf der Station und ich kenne hier sonst kaum Jemanden.“

Pasqualina Mancharella überlegte schnell. Warum eigentlich nicht? Sinemus war ein netter Mann und darüber hinaus ein angenehmer Gesprächspartner. Zustimmend antwortete sie: „Gerne, Mister Sinemus. Ich werde mich gegen 19:00 Uhr bei Ihnen melden.“

Der Wiener strahlte über das gesamte Gesicht. „Ich freue mich schon darauf, Commander. Bis heute Abend also.“

„Bis dann.“ Die Spanierin lächelte dem Lieutenant-Commander noch einmal zu, bevor sie sich abwandte und wieder auf das Naheliegende konzentrierte.

 

* * *

 

Lustlos mit einem Löffel in ihrer Tomatensuppe herum rührend saß Christina Carey an ihrem ausladenden Schreibtisch und überflog einige Daten-Padds, die sich auf der Tischplatte stapelten. Hauptsächlich Einsatzberichte der Schiffskommandanten, aber auch eine Auflistung verschiedener Nachschublieferungen, und die Personalakte jenes Mannes, der eben ihr Büro verlassen hatte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie er mit ihr, nach dem Finalkampf der Sektorenmeisterschaften, gesprochen hatte. Und nun war er bereits ein Teil der 5.Taktischen Flotte. Dabei dachte sie daran, wie schnell die Zeit vergangen war, seit ihr Ex-Freund, Tar´Kyren Dheran, vor rund neun Monaten, seinen Antrittsbesuch beim Admiral absolviert hatte, und sie ihm überraschend im Turbolift begegnet war. Wenn sie sich daran zurück erinnerte, dann schien es ihr, als sei dies erst gestern gewesen, und sie hatte mitunter Q im Verdacht, dass er ihren persönlichen Zeitablauf manipulierte.

Anfangs hatte die Irin geglaubt damit fertig zu werden, dass der Mann, mit dem sie einmal zusammen war, nun in derselben Einheit diente, wie sie, und ihr Untergebener war. Doch sehr schnell hatte sie erkannt, dass sie noch immer tiefe Gefühle für den Andorianer hegte. Und während des letzten Einsatzes der ICICLE, tief in talarianischem Raum, ohne zu wissen, ob sie Tar´Kyren jemals wiedersehen würde, da waren ihre Gefühle für ihn, während seiner Abwesenheit, wieder voll entflammt.

Erinnerungen verblassen, aber die Liebe wächst mit der Entfernung.

Ihre Mutter hatte ihr dies einmal gesagt, kurz nachdem sie sich von Tar´Kyren Dheran getrennt hatte, und sie hatte, verdammt nochmal, Recht behalten.

Aber in diesen letzten neun Monaten war noch etwas anderes geschehen. Tar´Kyren hatte eine Beziehung mit Commander Pasqualina Mancharella begonnen, und es war gut möglich, dass sie den Andorianer damit für alle Zeiten verloren hatte. Dieser Gedanke ließ ihr, seit einiger Zeit schon, keine Ruhe mehr. Das war gleichzeitig auch der Grund gewesen, für ihr ungewohnt emotionales Verhalten, am heutigen Morgen. Jetzt, da sie etwas Abstand gewonnen hatte, ärgerte sie sich darüber, und sie nahm sich fest vor, der Spanierin das nächste Mal keine solche Blöße zu zeigen.

Christina Carey schreckte aus ihren Gedanken auf, als der Türmelder erklang. „Herein“, sagte sie, wobei ihre Stimmenkommando das Schott entriegelte. Gleich darauf öffnete es sich und Commander Pasqualina Mancharella betrat ihren Arbeitsraum. In korrekter Uniform und pünktlich, wie die Irin wohlwollend feststellte.

„Commander Pasqualina Mancharella meldet sich, wie befohlen“, sagte die Spanierin zackig, nachdem sie vor dem Schreibtisch stehengeblieben war.

Christina Carey nahm ihre Tätigkeit, in der Tomatensuppe zu rühren, wieder auf, die sie beim Eintreten der Spanierin unterbrochen hatte, und sagte distanziert: „Bevor sie mir den Bericht geben, Commander, hätte ich gerne eine knappe Zusammenfassung von Ihnen. Wie schätzen Sie die Fortschritte ein?“

„Wir liegen gut einen halben Tag vor dem Zeitplan, Commodore. Die Reparatur der ICICLE wird also termingerecht beendet werden.“

Christina Carey nickte in Gedanken. „Das werde ich ja anhand des Berichtes selbst beurteilen können, Commander.“

Da war es wieder, schoss es Pasqualina Mancharella durch den Sinn und ihre Wangen wurden von einer leichten Röte überflogen. Wieder so eine Spitze. Sich eisern beherrschend fragte sie: „Darf ich offen sprechen, Commodore?“

Etwas verwundert blickte die Irin zu der Frau, vor ihrem Schreibtisch, auf. „Bitte, Commander, nur zu.“

Die Spanierin atmete tief durch, bevor sie anklagend sagte: „Commodore, mir ist aufgefallen, dass Sie mir gegenüber nicht die dienstliche Objektivität wahren, die man von einem Flaggoffizier in Ihrer Position erwarten kann. Es mag ja sein, dass es Ihnen nicht passt, dass Captain Dheran und ich eine Beziehung führen. Aber bei allem gebotenen Respekt, Commodore: Es war Ihre Entscheidung Tar´Kyren zu verlassen, und es ist unsere Entscheidung zusammen zu sein. Das sind die momentanen Tatsachen, mit denen Sie sich abfinden müssen, auch wenn Sie unsere Vorgesetzte sind, und es sollte sich nicht auf den Dienst auswirken... Sir.“

Christina Carey hatte aufgehört in ihrer Suppe zu rühren während sie mit wachsendem Unmut zuhörte. Dabei konnte sie nicht einmal etwas dagegen sagen, weil sie tief in ihrem Innern wusste, dass die Spanierin sich zurecht ungerecht behandelt fühlte. Sie hatte sie von oben herab behandelt, und die Spanierin hatte ihr prompt etwas vor den Latz geknallt. Mit gepresster Stimme erwiderte sie schließlich: „Ich denke, dass mir Ihr Ton nicht gefällt, Commander Mancharella. Den Bericht, bitte.“

Die Spanierin streckte ihren Arm aus. Dabei stieß sie, wie zufällig, gegen die Kante des Schreibtisches, und gab einen leisen Ton der Überraschung von sich. Gleichzeitig verlor sie das Padd aus ihrer Hand, das sich einmal in der Luft überschlug und mitten in den Teller mit Tomatensuppe klatschte. Dabei landete ein Gutteil der Suppe auf der Uniform und im Gesicht von Christina Carey.

„Hoppla“, entfuhr es Pasqualina Mancharella, allerdings seltsam gelassen und unbeteiligt. „Entschuldigen Sie bitte meine Ungeschicklichkeit, Sir.“

Die Gesichtsfarbe der Irin näherte sich langsam dem Farbton der Tomatensuppe an, mit der sie über und über besprenkelt war, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Mit heiserer Stimme fauchte sie: „Verlassen Sie augenblicklich mein Büro, Commander, sonst wird es Ihnen leid tun.“

Pasqualina Mancharella nahm mit ausdrucksloser Miene Haltung an, bevor sie zackig kehrt machte, und eilig der Aufforderung ihrer Vorgesetzten nachkam. Erst an der nächsten Gangecke verzog sich ihre starre Miene zu einem schadenfrohen Grinsen. Sie hatte kaum zu hoffen gewagt, dass das Padd so perfekt in der Suppe landen würde. Dann wurden ihre Gesichtszüge wieder ernst und sie wies den Computer der Station an, ihr den Standort von Captain Dheran zu nennen.

Captain Dheran befindet sich in Holosuite-7, gab die sanft modulierte Computerstimme Auskunft.

Pasqualina überlegte einen Moment lang und schlug dann entschlossen den Weg dorthin ein. Sie musste dringend mit Tar´Kyren reden.

 

* * *

 

Tar´Kyren Dheran stand auf einem Hügel dieser simulierten Landschaft und blickte über die vor ihm sanft abfallende Landschaft, hinunter zu dem silbrig schimmernden Band des Yolja-Flusses, der in einer weiten Schleife durch das Tal mäanderte. Bevor sein Freund Valand die Station erreichte, wollte er zuvor noch einen Moment der Ruhe und des Friedens genießen, bevor es für ihn, wieder einmal, in einen gefährlichen Einsatz mit ungewissem Ausgang ging.

In der Nähe einer kleinen Baumgruppe stand ein mannshoher, schwarzer Obelisk am diesseitigen Ufer des Flusses. Dheran selbst hatte das Original, welches hier simuliert wurde, auf Bajor aufstellen lassen. Es war der Grabobelisk von Fylara Nareen. Sie hatte sein leben stärker beeinflusst, als viele andere Wesen, die er länger gekannt hatte, oder kannte. Sie hatte ihr eigenes Leben gegeben, um das seine zu retten.

Vor ihrem Tod, auf Avenal VII, hatte er der jungen Frau versprochen, sie an dieser Stelle der Kendra-Provinz, die hier nur simuliert wurde, zur letzten Ruhe zu betten.

Der Andorianer hatte sein Versprechen eingelöst. Zusammen mit einem bajoranischen Vedek hatte er den mehrstündigen Trauergesang für sie gehalten, und an jedem Todestag kam er nach Bajor und besuchte ihr Grab, um ein neues Trauerband am Obelisken zu befestigen und Zwiesprache mit ihr zu halten.

Langsam zum Fluss hinunter schreitend, dachte er an Christina Carey. Seit seiner Rückkehr aus dem talarianischen Raum verstand er sich mit ihr besser den je. Gleichzeitig kriselte es seitdem zwischen ihm und Pasqualina.

Als Dheran den Fluss erreichte, blickte er hinüber zur jenseitigen Hügelkette, als etwas die Ruhe dieses Momentes störte. Das Geräusch des sich öffnenden Schotts der Holosuite ließ ihn unwillig herumfahren.

Zur leisen Verwunderung des Andorianers war es Pasqualina Mancharella, die eintrat und zu ihm kam. Seit dem Urlaub auf Forlan-Prime hatte sie seine Nähe gemieden, und er hatte nicht erwartet, sie vor seinem Aufbruch von der Station noch einmal zu sehen. Als sie ihn erreichte, fragte er höflich-distanziert: „Was kann ich für Sie tun, Commander?“

„Ich bin gekommen um mit Ihnen zu reden, bevor sie zu Ihrem Einsatz aufbrechen, Captain“, erwiderte die Spanierin und blickte den Andorianer inständig an. „Ich wünschte nur, wir könnten dabei auf diese blöde Dienstmasche verzichten.“

„Das war nicht meine Idee“, entgegnete Dheran. Etwas versöhnlicher fügte er an: „Aber du hast Recht, Pasqualina. Den Punkt, an dem wir zu einem rein dienstlichen Umgangston hätten zurückkehren können, haben wir längst hinter uns gelassen.“

Dankbar dafür, dass er ihr mit seinen Worten die Hand zur Versöhnung reichte, stimmte sie zu: „Ja, das haben wir, Tar´Kyren. Und du musst eine Entscheidung treffen, das weißt du, nicht wahr?“

Tar´Kyren Dheran trat einen Schritt näher, und meinte zustimmend: „Ja, das weiß ich. Wir werden darüber reden, nachdem dieser Einsatz hinter mir liegt. Jetzt beschäftigen mich bereits ganz andere Dinge, das wirst du verstehen.“

Die Spanierin nickte ergeben. „Das ist mir bewusst. Aber dir muss gleichfalls klar sein, dass ich nicht bis Weihnachten warten werde.“

„Ich verspreche dir, dass ich vorher eine Entscheidung treffen werde, Pasqualina, denn mir ist klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.“ Er griff sanft nach ihren Händen und blickte in ihre dunklen Augen. Dabei spürte er ihre leidenschaftlichen Emotionen durch seinen Körper strömen.

Dicht an den Andorianer heran tretend gab Pasqualina ihm einen sanften Kuss auf die Wange, bevor sie leise sagte: „Und ich bin gleichfalls gekommen, um dir Glück zu wünschen. Bitte komm gesund zurück, hörst du?“

Tar´Kyren nickte und sagte rau: „Das werde ich. Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam zu Mittag essen, bevor Valand hier erscheint, um mich abzuholen?“

„Das ist deine erste gute Idee seit Wochen“, lobte die Spanierin und dachte bei sich: Falls ich in der nächsten Zeit noch ein paar Einladungen zum Essen bekomme, dann bin ich in einer Woche rund, wie eine Kugel.

Unverhoffte Begegnungen

Konteradmiral Valand Kuehn war überraschend distanziert gewesen, als er seinen Freund, und dessen beiden Offiziere, von STRATEGICAL STARBASE 71 abgeholt hatte, und Tar´Kyren Dheran, der Valand so schnell wie möglich hatte sprechen wollen, war gelinde überrascht gewesen, dass der Freund einige dringende Vorbereitungen vorgeschoben hatte, die nach seiner Aussage keinen Aufschub duldeten.

So hatte er sich, während des Fluges nach DEEP SPACE NINE, in seinem Gästequartier ausgeruht, und noch einmal die letzten Ereignisse Revue passieren lassen.

Weil Valand auch nach dem Andocken an der ehemals cardassianischen Station, nicht abkömmlich war, hatte Dheran sich dazu entschlossen, die Station zu besuchen, da er Hunger hatte. Der, im Quartier des Konteradmirals angesetzte, Empfang für die teilnehmenden Captains an dem Unternehmen, würde erst in etwas mehr als zwei Stunden stattfinden.

Nach Föderationsstandardzeit war es exakt 05:57 Uhr Standard, als der hochgewachsene Andorianer die Raumstation betrat.

Der Andorianer schmunzelte unmerklich, als er an seinen letzten Besuch auf dieser Station dachte, der erst drei Monate her war. Admiral Tarun hatte ihn, zusammen mit der Bajoranerin: Captain Linara Enari, und dem Halbvulkanier: Captain Sorek abkommandiert, um den Kadetten des Abschlussjahrgangs an der Sternenflottenakademie, das Konzept der Taktischen Flotten zu erläutern. Dieser Einsatz war zwar nicht gefährlich, aber in gewisser Hinsicht abenteuerlicher, als alle bisherigen gewesen. Denn bei seinem Auftrag auf der Erde war er Pasqualina Mancharella näher gekommen. Sehr viel näher, als er es kurz zuvor noch für möglich gehalten hatte. Nicht zuletzt deswegen lag dieses gewisse Schmunzeln auf seinem Gesicht, das jedoch nicht ganz frei von einer gewissen Melancholie war.

Als der andorianische Captain das Promenadendeck betrat wurde ihm zum wiederholten Mal bewusst, dass die Uhren auf DS9 anders gingen. Hier wurde noch immer nach bajoranischer Zeit gemessen, und der Tag auf der Station bestand nach wie vor aus 26 Stunden.

Mit dem Lift fuhr er auf die Galerie hinauf. Er hatte zwar Hunger, aber das QUARKS wollte er nicht schon wieder frequentieren. Wenn er innerhalb weniger Monate zweimal bei dem nervösen Ferengi auftauchte konnte man nicht sicher sein, was geschehen würde. Und nach einem Volksauflauf stand ihm momentan nicht der Sinn. Also hatte er beschlossen, diesmal das REPLIMAT aufzusuchen.

Langsam und völlig in Gedanken, schlenderte der Andorianer, entlang der ovalen Panoramafenster, auf den Eingang des REPLIMAT zu. Noch bevor er ihn erreichte vernahm er hinter sich eine amüsierte, weibliche Stimme, die ihm von seinem letzten Besuch noch gut in Erinnerung war.

„Guten Abend, Captain Dheran. Es freut mich, dass Sie uns schon wieder beehren.“

Tar´Kyren Dheran blieb stehen und wandte sich um.

Vor ihm stand die um einen Kopf kleinere, bajoranische Kommandantin der Station, Captain Kira Nerys, ein halb amüsiertes, halb spöttischen Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht. Dheran erinnerte sich noch sehr lebhaft an ihre etwas stürmische Aussprache, vor drei Monaten. Glücklicherweise war sie glimpflich ausgegangen.

„Guten Morgen, Captain Kira“, erwiderte der Andorianer ihren Gruß, mit sonorer Stimme. „Ich freue mich Sie wiederzusehen.“

„Deshalb schleichen Sie sich auch klammheimlich auf die Station, ohne sich anzukündigen“, hakte die Bajoranerin spitz nach.

„Ich habe Hunger“, erklärte Dheran und deutete zum Eingang des Restaurants hinüber.

„Das klingt aber nach großem Hunger, Captain Dheran“, versetzte die Bajoranerin trocken, um dann unvermittelt zu fragen: „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließen würde?“

Dherans Antennen spreizten sich leicht. „Nein, überhaupt nicht.“ Er setzte sich wieder in Bewegung.

Das REPLIMAT war nur mäßig besucht, so dass die beiden Sternenflottenoffiziere kein Problem damit hatten, einen Platz mit einer tollen Aussicht auf den Denorios-Gürtel zu bekommen. Die meisten Gäste würden erst in ein bis zwei Stunden hier erscheinen.

Während sich Kira eine Portion Hasparat kommen ließ, bestellte Tar´Kyren Dheran sich ein andorianisches Fledermausragout - von dem er gewaltige Mengen verschlang, obwohl er behauptete, es läge ihm wie Beton im Magen.

Nach dem Essen fragte die Bajoranerin Dheran bezüglich des Auftrages an der Akademie, an dem auch ihre Freundin Enari teilgenommen hatte, denn selbstverständlich hatte ihre Freundin ihr - vor dem Abflug an Bord der ICICLE - davon erzählt.

Als der Andorianer von dem denkwürdigen Golfspiel mit Admiral De Mornay, und dem Schuhskandal im Hotel erzählte, lachte Kira hell auf.

„Klingt so, als hätten Sorek, Enari und Sie eine Menge Spaß gehabt, während Sie auf der Erde waren. Vielleicht sollte ich da auch einmal hin, denn...“

Ihr Kommunikator unterbrach sie, und sie blickte entschuldigend zu dem Andorianer, während sie sich meldete. Am anderen Ende erklang eine ebenfalls weibliche Stimme und meldete, dass ein Ruf von der VALKYRIE eingegangen war, mit der Bitte um Unterstützung, bei einer Untersuchung in den Badlands.

Dheran hörte der Unterhaltung mit wachsender Aufmerksamkeit zu. Schon wieder die VALKYRIE. Erst vor wenigen Monaten hatte sein Schiff dieses Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE aus dem Schlamassel, im Farrolan-Asteroidengürtel, geholt.

Währenddessen beendete Kira das kurze Gespräch mit den Worten: „Lieutenant-Commander Ro - Sie werden mit der DEFIANT zu den angegebenen Koordinaten fliegen. Wenn es so nahe bei DS9 zu Unregelmäßigkeiten kommt, dann möchte ich wissen was da los ist. Ich erwarte einen umfassenden Bericht. Und seien Sie vorsichtig, Lieutenant-Commander.“

Die Frau am anderen Ende der Verbindung bestätigte, und Kira wandte sich wieder dem Andorianer zu. „Tut mir leid, Captain Dheran. Wo waren wir?“

Der Andorianer ging nicht weiter auf die Frage ein sondern fragte statt dessen: „Es gibt Schwierigkeiten in den Badlands? Vielleicht kann ich helfen? Der Empfang auf der OBERON findet erst in zwei Stunden statt. Außerdem könnte sich die OBERON zusätzlich dort umsehen und...“

Kira Nerys schüttelte den Kopf: „Danke, Captain Dheran, aber die DEFIANT wird genügen, um festzustellen, wenn dort etwas nicht stimmt. Ich werde...“

„Aber zwei Schiffe könnten schneller und sicherer operieren, als eins allein.“

Dheran schien nun ganz in seinem Element zu sein. Mit nach vorn gebogenen Antennen blickte er Kira erwartungsvoll an.

Kira Nerys verdrehte entsagungsvoll die Augen. „Captain, wir kommen mit der Lage klar - sie können ganz beruhigt sein.“

Der Andorianer wirkte enttäuscht und seine Antennen bogen sich nach Innen während er murrte: „Sie gönnen einem hart arbeitenden Andorianer aber auch nicht das kleinste Vergnügen.“

Kira lächelte offen. „Ich denke nur an das Wohl meiner Offiziere, Mister Dheran, denn Sie haben die unangenehme Eigenschaft, alles Unheil dieses Quadranten wie ein Magnet anzuziehen, behauptet man.“

Der Ausdruck von Dherans bläulich-violetten Augen wurde um eine Nuance finsterer. „Ja, verulken Sie mich ruhig, aber wenn es am Ende richtig turbulent wird, wird wieder nach Captain Dheran gerufen. Typisch...“

Kira, die erkannte, dass Dheran nicht ernsthaft damit gerechnet hatte, dass sie seiner Bitte zustimmen würde legte ihre Hand auf seinen Unterarm und schmunzelte: „Geben Sie anderen auch einmal die Chance sich zu amüsieren. Sie werden schon noch früh genug wieder im Zentrum des Geschehens stehen, schätze ich. Ich habe da nämlich so etwas gehört. Sie werden in den nächsten zwei Wochen auf dem Mond Goralin trainieren, heißt es. Dieser Mond besitzt etwa 85% der irdischen Gravitation und ist im Grunde nichts anderes als ein großer, dichter Felsbrocken mit karger Vegetation, einer dünnen, wenn auch atembaren Sauerstoffatmosphäre, und einigen kleineren Binnenmeeren. Klingt für mich ganz so, als würden Sie sich demnächst über zu wenig Abwechselung nicht beschweren müssen.“

Gegen seinen Willen musste Dheran grinsen. „Sie machen mir Mut, Captain. Aber wollen Sie nicht Tar´Kyren zu mir sagen? Immerhin haben wir uns nun einmal geprügelt, einmal angeschrien und waren einmal gemeinsam essen.“

„Wer könnte sich diesen Argumenten verschließen, Tar´Kyren. Dann sagen Sie aber auch bitte Nerys zu mir.“

Der Andorianer hob sein Glas, wobei sich seine Stimmung wieder sichtlich hob. „Na, dann prost, Nerys...“

 

* * *

 

Als Tar´Kyren Dheran, sichtlich besser gelaunt, als noch einige Stunden zuvor, gegen 07:45 Uhr das Quartier des Konteradmirals, auf der OBERON, betrat, wunderte er sich etwas über die zwei bewaffneten Crewmen der Sicherheit, die zu beiden Seiten des Schotts postiert waren. Sie hatten offensichtlich explizite Anweisungen von Valand Kuehn erhalten, denn sie ließen ihn anstandslos passieren, nachdem er den Meldekontakt betätigt hatte, und sich das Schott vor ihm öffnete.

Nachdem er eingetreten war kam Valand Kuehn ihm lächelnd entgegen und begrüßte ihn herzlich, so dass der Andorianer sein vorheriges, etwas merkwürdiges, Verhalten schnell vergaß. Die Stimmen, die aus dem Nebenraum zu ihnen drangen, sagten dem Andorianer, dass ein Großteil der erwarteten Offiziere bereits eingetroffen sein musste.

„Komm herein, Tar, bis auf zwei meiner Captains sind bereits alle anwesend. Du wirst einige bekannte Gesichter unter ihnen entdecken, mein Freund. Alle anderen können es kaum erwarten, dich endlich kennenzulernen.“

„Was hast du denen denn erzählt“, spöttelte Dheran augenzwinkernd.

„Die Wahrheit“, konterte der Freund trocken und zog ihn am Oberarm mit sich.

Im Nebenraum verstummten die geführten Gespräche, als der Konteradmiral mit seinem andorianischen Freund eintrat. Lachend erklärte Kuehn: „Meine Damen und Herren: Einige von Ihnen kennen meinen Freund, Tar´Kyren Dheran, bereits. Allen anderen sei gesagt, dass er der verdammt beste XO gewesen ist, den ich je hatte, und dass ich gelegentlich die Zeiten an Bord der EXODUS vermisse.“

Während sein Freund sprach, blickte sich Tar´Kyren Dheran schnell in dem Raum um. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Tisch mit Getränken, in dessen Nähe zwei Captains standen, die er bisher nicht kennengelernt hatte. Rechts davon, vor einem der drei großen Fenster, erkannte der Andorianer Valand Kuehns Schwester, Alana. Ihr langes, weißblondes Haar, und die Ähnlichkeit mit ihrem Bruder waren unverkennbar. Der hochgewachsene, asketisch wirkende, Vulkanier neben ihr konnte nur ihr Lebensgefährte, Sonak, sein, denn sie hatte sich vertraulich bei ihm untergehakt.

Zu Sonak´s anderer Seite stand Sylvie LeClerc.

Auf der anderen Seite von Valands Freundin erkannte Dheran T´Rian, bei deren Anblick sein Herz schneller zu schlagen begann. Sie war seine allererste Liebe gewesen, und das Mädchen, dass ihn zum ersten Mal geküsst hatte. Dennoch waren nicht sie zusammen gekommen, sondern sein australischer Freund, aus Akademiezeiten, John McTiernan, der sich dicht an ihrer Seite hielt, war ihr Lebenspartner geworden. Obwohl Dheran ihr schon lange nicht mehr nachtrauerte, war es ein seltsames Gefühl für ihn, sie nach so vielen Jahren hier wiederzusehen – mit John an ihrer Seite.

Der Andorianer nickte in die Runde und folgte Valand, als er ihn dazu aufforderte und auf die beiden Captains am Tisch zu steuerte.

„Das ist Captain Alucard Farg, der Kommandant der TRANSYLVANIA“, stellte der Konteradmiral den Mann mit den schulterlangen, rabenschwarzen Haaren und beinahe ebenso schwarzen Augen vor. „Er stammt aus sehr vornehmen Verhältnissen, und es wird behauptet, seine Blutlinie ließe sich bis in das irdische 14. Jahrhundert zurückverfolgen.“

Die beiden Männer reichten sich die Hände und der Schwarzhaarige sagte, mit angenehm klingender Stimme: „Ich freue mich Sie kennenzulernen, Captain Dheran. Wie ich hörte, kommandieren Sie ebenfalls ein Schiff der AKIRA-KLASSE.“

„Das ist richtig“, antwortete Dheran freundlich. Allerdings ist die ICICLE als Leichter Träger konfiguriert und mit einem zusätzlichen Waffenmodul, und Pulsphasern bestückt.“

„Ich hörte bereits davon. Sollte sich einmal die Gelegenheit dazu ergeben, dann würde ich mir Ihr Schiff gerne näher ansehen.“

Tar´Kyren Dheran machte eine zustimmende Geste, während Valand bereits den Mann neben Farg vorstellte: „Dies ist Captain Thomas Jackson, der Kommandant der MANNASES - ebenfalls ein Schiff der AKIRA-KLASSE.“

Jackson trug sein Haar ganz ähnlich, wie Alucard Farg, nur dass es dunkelblond war. Seine blau-grauen Augen funkelten unternehmungslustig, als er, in Anspielung darauf, dass auch er eine AKIRA kommandierte, sagte: „Willkommen im Club, Captain Dheran.“

Als nächste war Alana Kuehn an der Reihe und Valand meinte grinsend: „Meine Schwester kennst du ja.“

Tar´Kyren schenkte ihr ein freundliches Lächeln und erklärte: Wir sollten den Club der anonymen AKIRA-KLASSE-Kommandanten gründen, denn er wusste durch Valand bereits, dass auch sie ein Schiff dieses Typs, die ZARATHUSTRA, befehligte.

Alana blickte ihn fast schmollend an. Ihm mit dem Handrücken gegen die Brust schlagend fragte sie keck: „Was denn, Tar´Kyren - Kein: Hallo, Alana, gut siehst du aus? Kein: Glückwunsch zur Beförderung? Kein: Schön dich zu wiederzusehen?“

Der Andorianer blickte etwas konsterniert seinen Freund an. Erst als Alana sein wenig geistreiches Gesicht zum Lachen reizte, entspannte sich seine Haltung und gespielt verdrießlich meinte er zu der blonden Frau: „Was deinen Humor betrifft, kannst du Valand die Hand reichen. Natürlich freue ich mich, dich wiederzusehen, aber das weißt du natürlich. Was nun die Beförderung betrifft: Also ich will ehrlich sein. Als ich davon hörte, dass man dir das Kommando über ein Raumschiff anvertraut, da war ich versucht, mein Offizierspatent wieder zurückzugeben.“

„Mach, dass du weiterkommst“, knurrte Alana gespielt finster, wobei sie ihm allerdings belustigt zuzwinkerte.

Dheran grinste vergnügt und wandte sich dann Sonak zu, der die gegenseitige Fopperei der beiden scheinbar unbeteiligt verfolgt hatte.

„Das hier ist Captain Sonak“, erklärte Valand dabei. Er kommandiert die EUROPA, ein Raumschiff der NOVA-KLASSE. Sein Schiff ist sehr schnell, wendig und für seine Größe außerordentlich gut bewaffnet, da es sich um eine taktische Version dieser Klasse handelt. Außerdem ist er der Lebensgefährte meiner Schwester.“

Statt ihm die Hand zu reichen, entbot Sonak den vulkanischen Gruß und sagte mit ruhiger Stimme: „Ein langes Leben und Frieden, Captain Dheran.“

Der Andorianer brauchte einen Moment um seine Finger zu sortieren. Dann erwiderte er den Gruß und fügte, mit verschwörerischer Miene, schmunzelnd an: „Vergessen Sie eins nicht, Captain Sonak: Lebensgefährte kommt von Lebensgefahr.“

Der Miene Sonaks war nicht zu entnehmen, ob er die humoristische Note der letzte Bemerkung erfasst hatte, und etwas enttäuscht wandte sich Dheran nun Sylvie LeClerc zu. „Guten Morgen, Commodore LeClerc.“

„Guten Morgen, Captain Dheran.“

Beide nickten sich zu und in Valand Kuehns Augen blitzte es gefährlich auf, während er beide nacheinander ansah. Er verkniff sich jedoch einen Kommentar und schritt mit seinem Freund zu T´Rian und John McTiernan.

Der Andorianer zögerte einen Moment, als er vor T´Rian stand, weil er nicht wusste, wie er sie nach all den Jahren begrüßen sollte, und ob ein Kuss auf die Wange im Beisein Johns angemessen war.

T´Rian nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie ihn an den Schultern ergriff und vorsichtig umarmte. „Es ist schön dich nach so langer Zeit wiederzusehen, Tar´Kyren.“

„Ja, das ist es“, erwiderte Dheran mit etwas rauer Stimme und gab ihr dabei nun doch einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Als wir uns das letzte mal sahen, da warst du beinahe noch ein Mädchen. Und jetzt bist du eine Frau. Ich freue mich wirklich sehr, dass ich dich endlich wiedersehe.“

Sie ließen einander los, und im nächsten Moment umarmte ihn John McTiernan. „Mensch Tar´Kyren, ist das eine Freude für mich. Es gab Zeiten, nach unserem letzten Zusammentreffen auf dieser Station, während des Dominion-Krieges, da dachte ich bereits, dieser Moment würde nie kommen.“

Auch der Andorianer drückte den Freund an sich und klopfte John dabei auf die Schulter. Dessen Emotionen unterstrichen was er gesagt hatte. „Es stimmt, mit euch über FEDERATION-SKYNET in Verbindung zu stehen ist nicht dasselbe. Sag, was für ein Schiff kommandierst du?“

„Die NAKATOMI, ein Raumschiff der NORWAY-KLASSE. Wenn du magst, dann werde ich dir diesen Kasten in den nächsten Tagen gerne zeigen.“

„Eins dieser fliegenden Bügeleisen? Ich komme darauf zurück, John.“

Dheran ignorierte den etwas säuerlichen Blick des Freundes, ob der Bemerkung zu seinem Raumschiff, und wandte sich grinsend wieder T´Rian zu. „Und welches Raumschiff hat das Sternenflottenkommando dir anvertraut?“

T´Rian antwortete mit klarer Stimme: „Die ALEXANDER, eine taktische Version der INTREPID-KLASSE. Ideal für schnelle Unterstützung und Aufklärung.“

Tar´Kyren Dheran nickte anerkennend, blickte in die Runde und stellte dabei fest, dass Valand und Sylvie LeClerc sich, heftig miteinander diskutierend, nach Nebenan begeben hatten. Dann wandte er sich wieder zu John und erkundigte sich mit fragender Miene: „Weißt du zufällig wer jetzt noch fehlt?“

Der schlaksige Australier nickte: „Ja einer der fehlenden Captains ist Elisabeth Dane. Die wird sich freuen, wie eine Schneekönigin, wenn sie dich sieht.“

„Ich glaube eher, dass sie mir eine reinhauen wird, weil ich mich, in den letzten zehn Jahren, so selten bei ihr gemeldet habe“, orakelte der Andorianer düster.

„Das wird sich ja gleich herausstellen“, meinte John feststellend, wobei er dem Andorianer über die Schulter sah. „Da ist sie nämlich bereits.“

Tar´Kyren Dheran wandte sich, bei den Worten des Australiers um und er erkannte sofort die strohblonde Frau, mit den unverkennbar azurblauen Augen. Noch immer sprenkelten dunkle Sommersprossen die gebräunte Haut über ihrer Nase und unter den Augen, etwas, das Dheran bereits während ihrer gemeinsamen Akademiezeit sehr interessant gefunden hatte. Mit ihren langen, leicht gewellten Haaren, und ihrer sportlich, hochgewachsenen Figur, sah sie, heute mehr denn je, wie ein klassisches Model aus.

Langsam schritten sie auf einander zu. Erst als sie dicht vor einander standen, legte die blonde Kalifornierin ihre Selbstbeherrschung ab und fiel dem Andorianer stürmisch um den Hals. „Tar´Kyren, mein Großer Blauer, ich habe dich vermisst.“ Sie drückte ihn fest an sich, so als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen.

Auch Tar´Kyren war im Moment ergriffen, und sanft nahm er die Frau in seine Arme. Als ihre Emotionen, die durch seinen Geist jagten, zu intensiv wurden, blockierte er sie mental und atmete dabei erleichtert aus. Ganz deutlich hatte er gespürt, dass sich ihre Gefühle für ihn nicht verändert hatten.

Als Elisabeth Dane den Freund schließlich zögernd frei gab und ihn etwas von sich schob, um ihn sich genau anzusehen, da lachte sie offen. Gespielt ernst meinte sie dann: „Eigentlich sollte ich dir eine reinhauen, weil du dich so selten gemeldet hast, mein Lieber.“

Dheran warf John McTiernan einen kurzen, bezeichnenden Blick über die Schulter zu, und Elisabeth fragte neugierig: „Habe ich da gerade etwas verpasst?“

Der Andorianer erklärte ihr, worüber er und John sich kurz vor ihrem Eintreten unterhalten hatten, und die Kalifornierin lachte belustigt auf. Gleichzeitig legte sie dabei ihre Hand sanft auf seine Wange. Dabei erklärte sie leise, mit glücklichem Lächeln: „Die letzten zehn Jahre scheinen eine kleine Ewigkeit gewesen zu sein, Tar´Kyren. Die Bildübertragungen auf FEDERATION-SKYNET werden dem nicht gerecht, was ich nun vor mir sehe, muss ich sagen. Aus dir ist ein stattlicher Mann geworden.“

„Und aus dem schüchternen, blonden Mädchen, das wir alle als „The Fog“ kannten, ist eine wunderschöne Frau geworden“, gab Dheran lächelnd das Kompliment zurück.

Elisabeth Dane machte ein Gesicht, als habe sie in eine Zitrone gebissen. „Hey, du weißt, dass ich diesen Spitznamen aus Akademiezeiten nicht sonderlich mag.“ Dann grinste sie verschmitzt und meinte: „Lass dich lieber nochmal drücken. Nach fast zehn Jahren kann ich das ja wohl verlangen, nicht wahr?“

„He, Tar´Kyren, gib anderen Leuten auch eine Chance, Lizzy zu begrüßen“, beschwerte sich John McTiernan scherzhaft.

„Warte gefälligst bis du an der Reihe bist“, konterte Elisabeth Dane trocken. Dann löste sie sich seufzend endgültig von Tar´Kyren und begab sich mit ihm zu John und T´Rian.

 

* * *

 

Während Elisabeth Dane und Tar´Kyren Dheran sich begrüßten, redete Valand mit ernster Miene auf seine Freundin Sylvie ein. Schließlich erklärte er mit gefährlich leiser Stimme: „Verdammt, Sylvie, wir brauchen Tar – das weißt du ebenso gut, wie ich. Und zwar nicht nur für diesen einen Auftrag, sondern auch zukünftig. Dabei werden wir schon sehr bald, auf Gedeih und Verderb, auf einander angewiesen sein. Deshalb können wir uns diesen alten, und mehr als lächerlichen, Zwist von damals nicht länger leisten.“

„Aber warum soll ich denn nachgeben“, fauchte die Französin ebenso leise zurück.

„Weil Tar es garantiert nicht tun wird. Und immerhin warst du es, die angefangen hat, wenn ich mich recht erinnere, oder nicht?“

„Ich soll mich also bei Tar´Kyren entschuldigen?“

„Du wirst dich bei ihm entschuldigen“, verbesserte Valand Kuehn. „Das ist ein Befehl, dir bleibt also gar keine Wahl, Cherie.“

„Merde...!“

Valand Kuehns blickte leicht ungehalten. „Fluche soviel und solange du willst, nachdem du dich entschuldigt hast. Aber jetzt setze deinen hübschen Hintern in Bewegung, bevor ich dir mit Artikel 5 der Sternenflottenprotokolle Beine mache.“

„Darüber reden wir noch“, zischte Sylvie LeClerc wütend, bevor sie sich abrupt abwandte und in den Nebenraum hinüber stapfte.

Seufzend folgte Valand ihr nach nebenan.

Sylvie LeClerc fand den Andorianer, in der Gesellschaft von T´Rian, John McTiernan und Elisabeth Dane. Schnell begab sie sich an seine Seite und sprach ihn an: „Captain Dheran, ich würde Sie gerne, in einer dringenden Angelegenheit, unter vier Augen sprechen.“

Der Andorianer blickte die Französin mit leichter Überraschung im Blick an, bevor er antwortete: „Natürlich, Commodore.

Gemeinsam zogen sie sich in den Nachbarraum zurück, wo Commodore LeClerc stehen blieb, und sich sichtlich wand, bevor sie Dheran direkt in die Augen sah und erklärte: „Es kommt vielleicht etwas überraschend, aber ich möchte mich hier und heute für das, was ich auf Elisabeth´s achtzehnten Geburtstag sagte, entschuldigen. Dieser leidige Zwist zwischen uns muss ein Ende haben.“

Wie vom Donner gerührt stand der Andorianer da, und konnte kaum glauben, was Sylvie LeClerc ihm eben eröffnet hatte. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit. Als er endlich die Sprache wiederfand, fragte er misstrauisch: „Woher kommt dieser Sinneswandel, nach so vielen Jahren?“

In den Augen der Französin blitzte es auf, als sie erwiderte: „Ich möchte nicht, dass Valand noch länger zwischen uns beiden steht und sich hin und her gerissen fühlt. Ich liebe ihn nämlich, und ich tu das für ihn.“

Tar´Kyren Dheran blickte auf die Hand, die sie ihm darbot. Nachdenklich ergriff er sie und sagte: „Ich nehme die Entschuldigung an. Vielleicht sollten wir dann zukünftig auch auf das Sie verzichten?“

„Wenn man dir den kleinen Finger reicht...“, spöttelte die Französin, womit sie gleichzeitig stillschweigend ihre Zustimmung gab. „Und ab sofort werden wir nie wieder über diese leidige Sache reden, ist das klar, Tar´Kyren?“

Dheran grinste schief. „Vollkommen klar, Sylvie.“

„Mon Dieu, du erinnerst dich noch an meinen Namen.“

Für einen Moment sahen sich sich taxierend an. Dann begannen sie beide, etwas gezwungen zu grinsen, und begaben sich wieder nach Nebenan, zu den Anderen.

Als wenige Minuten später der letzte Captain eintraf, und von Valand Kuehn zu den bereits anwesenden Männern und Frauen begleitet wurde, blickte John McTiernan hinüber zu Tar´Kyren Dheran, der etwas abseits bei Elisabeth Dane stand, und raunte T´Rian zu: „Gleich wird hier die Luft brennen.“

 

* * *

 

Eine spürbare Spannung erfüllte den Raum, als Tar´Kyren zu Valand Kuehns Begleiterin blickte, und diese, fast in demselben Moment zu dem Andorianer hinüber sah. Die Frau neben dem Konteradmiral war Rigelianerin, und in Tar´Kyren Dheran brachen Erinnerungen an seine Jugendzeit mit Urgewalt an die Oberfläche, denn es handelte sich nicht um irgendeine Rigelianerin, sondern um Alev Scenaris – seine Ex-Freundin.

Mit Alev Scenaris hatte er das Erste Mal erlebt, und sie waren, über ein Jahr lang, an der Akademie, zusammen gewesen. Später hatten sie sich im Streit getrennt. Sie hatten sich zwar im Jahr 2362 ausgesprochen, wobei es recht stürmisch zugegangen war, aber dabei längst nicht alle Reibungspunkte klären können. Beide hatten gehofft, dies später nachholen zu können, doch ein Wiedersehen hatte sich, bis zum heutigen Tag, nicht ergeben.

Ein Sturm der verschiedensten Gefühle tobte in dem Andorianer, und es war der Rigelianerin deutlich anzusehen, dass es ihr ganz ähnlich erging. Als Valand mit ihr zu ihm kam, beließ Alev es dabei ihm die Hand zu geben, bevor sie sich schnell abwandte und sich zu T´Rian und John, McTiernan gesellte.

Elisabeth Dane, die Tar´Kyren Dherans Enttäuschung über diese recht kühle Begrüßung deutlich mitbekam, legte tröstend ihre Hand auf seine Schulter und sagte leise: „Sie braucht etwas Zeit, um mit der Tatsache zurecht zu kommen, dass du hier bist. Ich glaube fest daran, dass sich Alev im Grunde freut, dich in der nächsten Zeit sehen zu können, mein Großer Blauer.“

„Ich wollte, ich hätte deine Zuversicht“, erwiderte Dheran mit bitterem Unterton. „Vielleicht haben Alev und ich uns bereits zu lange nicht gesehen, als dass sich zwischen uns die alte Vertrautheit jemals wieder einstellen wird.“

Die Kalifornierin lächelte zuversichtlich. „Das glaube ich nicht. Und du wirst es nicht herausfinden, indem du dich hier in den Schmollwinkel verziehst. Geh in die Offensive, wie du es früher immer getan hast, Tar´Kyren. Oder hast du das etwa verlernt?“

Verwundert blickte Dheran der blonden Frau an seiner Seite in die Augen. Dann straffte sich seine Gestalt und unternehmungslustig blickte er zu Alev, T´Rian und John hinüber. „Du hast Recht, Lizzy. Ich werde einen Weg finden, mit Alev über all das zu reden, was noch zwischen uns steht.“

„Das ist der Tar´Kyren den ich kenne“, lachte Elisabeth und sie stupste ihn scherzhaft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Komm, lass uns zu den Dreien hinüber gehen.“

Trainingseinheiten und Erkenntnisse

Bereits am Nachmittag war das erste Training auf dem bajoranischen fünften Mond, Goralin, angesetzt. Die Luft war etwa so dünn, wie auf der Erde in dreitausend Metern Höhe, woran sich die Teilnehmer dieses Unternehmens, auf diesem Mond hauptsächlich gewöhnen sollten, da sie auf Varala IV dieselben Bedingungen vorfinden würden. Zudem hatten die Teilnehmer den Befehl erhalten, in ihren Quartieren dieselben Umweltbedingungen herzustellen, damit dieser Gewöhnungseffekt sich nicht über Nacht wieder verlor.

Die Fünfzig Männer und Frauen hatten, auf einer weiten Geröllebene, die einigermaßen frei von allzu großen Felsbrocken war, in Gruppen zu jeweils Zehn Aufstellung genommen, lediglich die erste Gruppe bestand aus elf Personen. Vor jeder dieser Gruppen hatten sich je ein erfahrener Chief-Petty-Officer und ein Offizier aufgestellt, unter ihnen Valand Kuehn, Tar´Kyren Dheran und Lieutenant Junior-Grade Rania Singh-Badt. Der vierte Offizier hieß Nerlian Coraal, eine Saurianerin im Rang eines Lieutenant Senior-Grade.

Während dieser ersten Trainingseinheit trugen die Anwesenden nur ihre normale Borduniform – später würden sie mit Waffen und Marschgepäck trainieren.

Vor diesem Kampfverband hatte Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz, die das Training leiten, und im Zuge der Vorbereitungen, als Ausbilderin fungieren sollte, im Abstand von fünf Metern Aufstellung genommen.

Die Andorianerin hatte bereits im Jahr 2375, während des Dominion-Krieges, seinerzeit gerade Lieutenant Senior-Grade, an der Spitze eines Kommandotrupps, mehr als Hundert Kriegsgefangene aus einem Gefangenenlager der Jem´Hadar befreit. Dieses Lager hatte, so wie auch Varala IV, tief im Gebiet des Dominion gelegen. Später war sie dafür mit der Ehrenmedaille in Gold ausgezeichnet worden.

Die MACO ließ ihren Blick kritisch über die Anwesenden schweifen, bevor sie mit tragender Stimme erklärte: „Diejenigen unter Ihnen, die mich noch nicht kennen, werden eine riesengroße, verdammt unangenehme, Überraschung erleben! Aber auch Diejenigen, die schon mit mir zu tun hatten, dürfen sich auf Schlimmeres gefasst machen, als ihre schlimmste Vorahnung sie befürchten lässt! Hier gelten nicht die verdammten Sternenflottenprotokolle! Was immer ich Ihnen bei dieser Ausbildung abverlangen werde – Sie werden es, ohne Widerspruch, in Rekordzeit erledigen! Ich hoffe, Sie haben mich verstanden!“

Die Andorianerin wartete einen Moment, bevor sich ihre Antennen nach Innen bogen, und sie die Anwesenden anherrschte: „Wollen Sie mir gefälligst antworten?!“

Im nächsten Moment antworteten die Angetretenen laut: „Jawohl, Sir!“

Die Antennen der Andorianerin spreizten sich wieder und süffisant erklärte sie: „In Ordnung, dann werden wir mal sehen, was Sie alle bereit sind zu geben! Auf mein Kommando werden die Gruppen Eins und Zwei rechts, die Gruppen Drei und Vier links um machen. Dann werden die Gruppen Eins und Zwei im Uhrzeigersinn – und die Gruppen Drei und Vier, auf mein Kommando hin, entgegen dem Uhrzeigersinn, entlang der Peripherie dieser Ebene laufen. Zwanzig Meter Laufschritt, zwanzig Meter schneller Sprint, und dann nehmen Sie volle Deckung. Dann werden Sie sofort wieder aufspringen – und das Ganze eine Stunde lang – haben Sie das verstanden?“

Diesmal antworteten die Angetretenen sofort laut: „Jawohl, Sir!“

Valand Kuehn, der bislang eine zuversichtliche Miene machte, fing dabei einen warnenden Blick auf, der ihn ahnen ließ, dass dieses Training mehr abverlangen würde, als es ihm bis zu diesem Zeitpunkt bewusst war. Erst jetzt bemerkte er, dass die andorianische MACO einen Phaser an ihrer Hüfte trug, und Kuehn fragte sich ernsthaft, was sie damit während des Trainings vorhatte.

Gleich darauf erscholl ihr Kommando über die Ebene und alle vier Gruppen wandten sich nach Rechts oder Links um.

„Sehr gut!“, rief Tal´Inuray Filiz aus. „Dann zeigen Sie jetzt, was sie können! Los!“

Die vier Gruppen setzten sich in entgegengesetzte Richtungen in Bewegung und forsch schritt die andorianische MACO in das Zentrum des ebenen Platzes, an dessen Peripherie entlang die neunundvierzig zukünftigen Teilnehmer, des von Valand Kuehn geplanten, Kommandounternehmens liefen. Dabei brüllte sie hinter ihnen her: „Was denn?! Nennen Sie diesen gemächlichen Trab vielleicht Laufschritt?!“ Im nächsten Moment kommandierte sie: „Jetzt der Zwischenspurt!“

Die Männer und Frauen begannen zu rennen, bis das Kommando erscholl: „Volle Deckung!“

Aus dem Lauf heraus warfen sich die Truppteilnehmer auf den Boden.

Valand Kuehn hatte das Gefühl, noch nach unten unterwegs zu sein, als Tal´Inuray missbilligend brüllte: „Wieder hoch mit Ihnen – das soll keine Verschnaufpause werden!“

Ächzend kamen die Männer und Frauen wieder auf die Beine und setzten sich wieder in Bewegung, wobei sich die Formationen der Gruppen langsam aufzulösen begann, und jeder für sich selbst zu laufen schien.

Tal´Inuray Filiz wirbelte bereits weiter: „Ein wenig mehr Tempo, da hinten!“

Neben Tar´Kyren Dheran tauchte eine junge Andorianerin auf, deren Gesicht ihm irgendwoher bekannt vorkam. Dann durchzuckte ihn die Erinnerung. Es war jene Kadettin, die er bei seinem Besuch als Gastredner an der Akademie, im August des Jahres, kennengelernt hatte. Sie hieß Vilaeni Kirin, gehörte der RED-SQUAD an, und sie hatte ihn darauf angesprochen, nach ihrer Kadettenzeit den Taktischen Flotten beitreten zu wollen.

Jetzt grinste sie ihn beinahe spitzbübisch an, bevor sie zum Zwischenspurt ansetzte und dabei zeigte, in welch guter konditioneller Verfassung sie war. Dheran tat es ihr nach und hielt ihr Tempo mit. Im nächsten Moment warfen sie sich auf das Kommando seiner MACO-Kommandantin bereits wieder in den Staub des Mondes.

„Hoch verdammt!“, brüllte die Andorianerin ungehalten, kaum dass sie am Boden waren. „Da kommt ja eine Herde Elefanten wieder schneller auf die Beine!“

Während sie wieder auf die Beine sprangen, grinste Vilaeni Kirin Dheran offen an und sagte, kaum außer Atem: „Es freut mich Sie wiederzusehen, Sir. Ich bin glücklich, mein Praxishalbjahr auf der OBERON verbringen, und nun an diesem Unternehmen teilnehmen, zu dürfen, Captain.“

Während sie wieder losliefen, keuchte Tar´Kyren Dheran: „Sie scheinen das wirklich zu genießen, was? Haben Sie um die Teilnahme bei diesem Unternehmen ersucht, oder war das die Idee des Admirals?“

„Ich habe darum ersucht, als ich hörte, dass Sie auch daran teilnehmen, Sir.“

Bevor Dheran etwas erwidern konnte, erklang bereits wieder das Kommando zum schnellen Sprint, und sie rannten los.

Beim nächsten Kommando zum Hinwerfen, lädierte sich Valand Kuehn, an einem vorstehenden Stein das Knie, und liegenbleibend verzog er schmerzhaft das Gesicht. Im nächsten Moment tauchte Tal´Inuray Filiz über ihm auf, und blickte zornig, mit beinahe anklagend auf ihn gerichteten Antennen, zu ihm hinunter.

„Admiral, wenn Sie nicht sofort wieder auf den Beinen sind, dann werde ich, zur Abschreckung für alle Anderen, mit meinem Phaser ihren Hintern ansengen!“, zischte sie gefährlich leise. „Ist das klar?“

„Ja, Ma´am“, ächzte Kuehn, verbiss sich den Schmerz und kam wieder auf die Beine.

Die MACO blickte giftig hinter ihm her, bevor sie sich an einen zweiten Teilnehmer wandte, der noch am Boden lag und heftig ein und aus atmete.

Es handelte sich um einen Bolianer, der die andorianische MACO beinahe empört ansah und krächzte: „Ich kann nicht mehr.“

Ohne einen Kommentar nahm Tal´Inuray Filiz ihren Phaser, stellte ihn auf Töten, nahm Maß und feuerte, ohne zu zögern. Der Phaserstrahl verfehlte das Gesicht des Bolianers um nur wenige Zentimeter, doch der Blauhäutige konnte die Hitze des gerichteten Nadionstrahls deutlich auf der Haut spüren. Wie ein geölter Blitz sprang er auf die Beine und rannte, beinahe panisch, davon. Zurück blieb ein kleiner, rauchender Krater im Felsboden.

„Versuchen Sie das nie wieder!“, heulte die MACO hinter ihm her, während sie den Phaser wieder ins Futteral zurück schob. „Das nächste Mal schieße ich nicht mehr daneben!“ Danach wandte sie sich um und fuhr bereits eine neue Gruppe an: „Was ist denn los – haben Sie etwa Gummi in den Knochen?“

Unerbittlich scheuchte die andorianische MACO die Neunundvierzig über die Geröllebene und spätestens jetzt wurde auch dem letzten Teilnehmer dieses Unternehmens klar, was ihm oder ihr in den nächsten Tagen und Wochen blühen würde.

 

* * *

 

Später, am Abend, fiel Valand Kuehn, nach einer heißen Dusche, im Wohnraum seines Quartiers, in einen der Sessel. Er spürte Muskeln in seinem Körper, von deren Existenz er bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Geräuschvoll ausatmend schloss er seine Augen, doch noch durfte er seiner Erschöpfung nicht nachgeben. Bisher hatte er stets gedacht, er wäre fit, und das war auch so, aber die dünne Luft sorgte dafür, dass er, selbst bei geringerer Schwerkraft, nach diesem ersten Training beinahe am Ende war. Er hatte zwischenzeitlich der Versuchung widerstehen müssen, sich zu übergeben, wie mehrere andere Teilnehmer des Unternehmens TARANIS. Selbst seinen Freund Tar´Kyren schien das Training mehr mitgenommen zu haben, als er es für möglich gehalten hatte. Auch hier, in seinem Quartier, herrschten seit dem Morgen dieselben Umweltbedingungen, wie auf dem bajoranischen Mond, damit der Gewöhnungseffekt nicht verloren ging. Kuehn gehörte nicht zu der Art von Kommandeuren, die es sich selbst, nur aufgrund ihres Ranges, leichter machten, als ihrer Crew. Mit aller Willenskraft öffnete er seine Augen wieder.

Im Gegensatz zum morgendlichen Empfang stand nun wieder seine Staffelei im Wohnraum, mit einem halb fertigen Gemälde darauf. Es zeigte eine blühende Wiese vor einer malerischen Gebirgslandschaft, die im oberen Teil erst grob skizziert wirkte. Kuehn genoss es gedanklich abzuschalten wenn er malte, wozu er selten genug die Zeit und Ruhe fand.

Der Blick des Konteradmirals streifte kurz das verzierte, dunkelbraune Holzkästchen, in dem die Pinsel lagen, die er zum Malen benutzte. Eine Japanerin namens Tamari Wer hatte sie ihm geschenkt, als sie sich, Ende des Jahres 2367 von ihm getrennt hatte. Sie hatten einander aufrichtig geliebt, doch Tamari wollte keine Fernbeziehung führen, und er selbst hatte nicht darauf verzichten wollen, wieder zu den Sternen zu fliegen.

Kuehn seufzte schwach. Tamari war seit über vier Jahren glücklich verheiratet. Er selbst war sogar auf ihrer Hochzeit anwesend gewesen, worüber sich die Japanerin sichtlich gefreut hatte.

Als der Türsummer erklang erhob er sich ächzend und rief mit fester Stimme: „Herein, wenn es keine Andorianerin ist!“

Das Schott öffnete sich, und sein andorianischer Freund Tar´Kyren Dheran trat ein. Nur wer den Andorianer kannte, der bemerkte, dass seine Bewegungen weniger elastisch und kraftvoll wirkten, als gewöhnlich.

Valand Kuehn deutete auf den Tisch, auf dem Gläser und eine Karaffe mit kühlem Bier stand. „Bediene dich, Tar. Im Gegensatz zu andorianischem Ale ist dieses Bier zwar ein fades Gesöff, aber wenn wir nach dem MACO-Vernichtungs-Sport von Lieutenant-Commander Filiz etwas Stärkeres trinken, als das, dann sind wir morgen tot.“

„Ich bin genauso erledigt, wie alle anderen Teilnehmer des Teams“, erklärte Dheran mit schiefem Grinsen und goss sich ein Glas Bier ein. Dann setzte er sich auf das breite Sofa, trank einen Schluck und setzte sein Glas auf dem niedrigen Tisch ab. Sich langsam zurück lehnend meinte er dann: „Ich war etwas überrascht, dass eine Kadettin in der Ausbildung an dem Unternehmen teilnimmt. Sie ist zwar eine RED-SQUAD, aber ich frage mich, ob es klug ist, sie bei diesem Unternehmen mitzunehmen, mein Freund.“

„Sie ist aufgrund eines Befehls des Oberkommandos dabei“, erklärte der Norweger ruhig. „Wegen der angespannten Kriegslage und den Erfahrungen aus dem letzten Krieg, wurden die Akademie und die Flotte angewiesen, geeigneten Kandidaten, die sich in ihrem Praxishalbjahr befinden, die Chance zu geben, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, Gefechtserfahrung zu sammeln. Zunächst beschränkt sich diese Anweisungen nur auf die RED-SQUAD, und nur auf Kadetten, die sich freiwillig melden.“

„Man setzt sie also bewusst dem Risiko aus, dass sie ums Leben kommen.“

„Diesem Risiko setzt man sie, spätestens ein halbes Jahr später, wenn sie ihren Abschluss gemacht haben, ohnehin aus“, versetzte Valand und beugte sich im Sessel vor um nach der Karaffe zu greifen. Während er sich ebenfalls ein Glas Bier einschenkte, fügte er fragend hinzu: „Sag, war es vielleicht weniger riskant, sich mit Christina Carey auf die Suche nach Kharon-Dhura zu machen, als du im Alter von Kadettin Kirin warst? Du hast damals das Risiko akzeptiert, nicht wahr?“

Der Andorianer antwortete nachdenklich: „Ja, das habe ich. Aber seitdem ist so viel geschehen, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich es damals eine so gute Idee war.“

Valand nahm einen Schluck Bier und blickte seinen Freund amüsiert über den Rand seines Glases hinweg an. „Du würdest es immer wieder tun, Tar, und das weißt du auch.“

Dherans Antennen bogen sich leicht nach Innen. „Vermutlich.“ Er nahm einen Schluck von seinem Bier und Valand Kuehn ergriff die Gelegenheit zu sagen: „Alev und Sylvie werden auch jeden Moment hier erscheinen. Ich möchte mit euch den Ablauf des eigentlichen Landeunternehmens erörtern und eure Meinungen dazu hören. Die OBERON und die PHOEBE werden Alevs Schiff, die ASTARTE, bis nach Varala IV begleiten, wo Alev dann ihr Schiff bis dicht über den Boden des Planeten bringen, und unseren Trupp absetzen wird. Soweit habe ich das Ganze auch mit den beiden Frauen durchgesprochen. Den Rest diskutieren wir dann gleich zu viert.“

Der Andorianer blickte den Freund an und sein Gesichtsausdruck sagte nur allzu deutlich, wie es in ihm aussah.

Valand Kuehn erwiderte ernst seinen Blick und sagte bestimmt: „Hör jetzt genau zu, Tar: Nach der Unterredung hier, wirst du dich mit Alev zusammensetzen, und ihr werdet beide ganz offen über alles reden, was seit eurer Trennung noch zwischen euch steht. Und damit du mich auch richtig verstehst – das ist kein Wunsch von mir, sondern ein direkter Befehl deines momentanen Vorgesetzten.“ Der Norweger wischte den beginnenden Einwand, den er im Verhalten des Freundes bemerkte, mit einer knappen Handbewegung fort und fügte ernst hinzu: „Dieser Einsatz ist zu wichtig, als dass persönliche Differenzen zwischen uns stehen dürfen. Bei diesem Unternehmen brauche ich euch in Höchstform und voll konzentriert. Wir werden, und das ohne die geringste Einschränkung, bedingungslos für einander einstehen müssen, so viel steht bereits jetzt fest. Darum sage ich dir ganz klar: Regele mit Alev, was es zu regeln gibt, und zwar restlos.“

Tar´Kyren Dheran blickte seinen Freund mürrisch an. „Aye, Sir.“

„Fang jetzt bloß nicht mit diesem Quatsch an, mein Freund“, erwiderte Kuehn scharf. „Ich weiß, dass du ein verdammter Dickkopf bist, aber diesmal wirst du nachgeben. So wie Sylvie heute morgen dir nachgegeben hat, ist das klar?“

Tar´Kyren blickte etwas ungläubig drein und schluckte den Rüffel, wobei er gleichzeitig sein Temperament hochkochen spürte. Dennoch antwortete er mühsam beherrscht: „Ich habe dich glasklar verstanden, Valand.“

Der Norweger entspannte sich wieder und nickte zufrieden. „Dann ist es ja gut.“

Sie schwiegen für einen langen Moment, bevor Tar´Kyren Dheran, der nun ebenfalls einen Blick auf das Holzkästchen warf, ablenkend fragte: „Du benutzt noch immer Tamaris Pinsel zum Zeichnen deiner Bilder?“

Natürlich wusste der Andorianer von dem Geschenk, denn Tamari war, während ihrer gemeinsamen Dienstzeit auf der EXODUS gelegentlich das Thema ihrer Unterhaltungen gewesen. Und natürlich hatte Valand ihm davon erzählt, was sich zwischen ihm und Tamari zugetragen hatte, nachdem er sich dazu entschlossen hatte, das Bordkommando, als Erster Offizier auf der AKIRA, anzunehmen.

Valand nickte und erklärte: „Ja. Ich nutze und pflege sie.“

Der Norweger schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch bevor er dazu kam, erklang der Türmelder und Valand schüttelte die Gedanken an Tamari ab. „Herein!“

Tar´Kyren Dherans Haltung spannte sich unmerklich, als er Sylvie LeClerc mit Alev Scenaris hereinkommen sah. Die Miene der Rigelianerin ließ ihn erahnen, dass die Französin sie ähnlich ins Gebet genommen hatte, wie Valand ihn.

„Nimm Platz, wo du möchtest, aber der Sessel ist für mich reserviert“, meinte Sylvie amüsiert, weil außer dem Sessel, nur der Platz neben Dheran, auf dem Sofa, frei war.“

Alev schien etwas darauf erwidern zu wollen, doch sie beließ es dabei, die Französin nur intensiv zu mustern, bevor sie neben Dheran Platz nahm.

Nachdem auch die Französin sich gesetzt hatte, beugte sich Valand in seinem Sessel vor und begann im Plauderton: „Ich hätte Lizzy, T´Rian und John mit einladen sollen, dann wäre die alte Gang wieder zusammen.“ Dann fasste er sich und wechselte, zu Dheran und Alev gewandt, abrupt das Thema: „Aber kommen wir zum ernsten Teil dieser Zusammenkunft. Bei dem, vom Sternenflotten-Geheimdienst geplanten, und von mir durchzuführenden, Kommandounternehmen, mit der offiziellen Code-Bezeichnung: Unternehmen TARANIS, werdet ihr Zwei entscheidende Rollen spielen. Ich gebe euch heute zunächst einen groben Überblick zu diesem Unternehmen, die Details werden wir im Laufe der nächsten zwei Wochen festlegen. Du, Alev, wirst mit der ASTARTE, unter der Deckung durch die OBERON und die PHOEBE, in die Atmosphäre des Planeten Varala IV einfliegen und das Schiff bis dicht an die Oberfläche heran fliegen. Danach nimmst du Kurs auf das Internierungslager der Jem´Hadar auf diesem Planeten. Dort werden, nach Aussage des cardassianischen Premierministers, Elim Garak, noch immer die Familien von hochrangigen Guls und Legaten des Dominion-Krieges festgehalten. Die Bedingungen der Kapitulation des Dominion greifen für diese Cardassianer nicht, da Cardassia ihnen nie offiziell den Krieg erklärt hat. Auf diplomatischem Wege kann die Föderation also keinen Druck ausüben.“

„Kann man nicht Odo einbinden?“, warf Alev fragend ein. „Er hat doch der Föderation stets wohlwollend gegenüber gestanden.“

Kuehn nickte in Gedanken. „Diese Idee hatte das Sternenflottenkommando ebenfalls, doch der Knackpunkt ist, dass nur die Gründerin und die beteiligten Truppen der Jem´Hadar, die ihr treu ergeben gewesen sind, von dieser Tatsache wissen. Odo und die Große Verbindung davon zu unterrichten könnte das ohnehin momentan fragile Konstrukt des Dominion endgültig destabilisieren und einen Bürgerkrieg ungeahnten Ausmaßes auslösen. Das aber kann die Föderation keinesfalls riskieren.“

Tar´Kyren Dheran, der bislang abwartend zugehört hatte, richtete seine Antennen auf den Freund und beugte sich vor. „Du benutzt da eine seltsame Wortwahl, Valand. Riskieren? Solange sich die Föderation nicht einmischt würde sie, nach meiner Einschätzung, nur wenig riskieren. Du meinst also nicht einen drohenden Bürgerkrieg, innerhalb des Dominion, sondern etwas, das als Folge davon auf uns zu käme.“

Auch Alev Scenaris beugte sich nun vor und blickte gespannt von dem Andorianer zu Valand Kuehn.

Der Norweger nickte seinem Freund und Alev zu und fragte ernst: „Was, denkt ihr, ist wohl der Grund dafür, dass uns die Borg so lange in Ruhe gelassen haben? Natürlich – sie habe zwei gewaltige Rückschläge durch Picard und Janeway erlitten, doch davon haben sie sich mittlerweile erholt. Aus gut unterrichteter Quelle weiß ich, dass sie nicht nur an uns, sondern gleichfalls, seit vielen Jahren schon, am Dominion Interesse zeigen. Eine andere Frage, die ihr euch sicherlich in den letzten Jahren gestellt haben werdet ist: Warum hat das Dominion, noch vor dem Beginn des Krieges, nicht wesentlich mehr Kriegsschiffe in den Alpha-Quadranten geschickt? Nun, die Antwort darauf ist die: Sie haben seinerzeit alle Kriegsschiffe geschickt, die sie, im Kampf gegen die Borg, entbehren konnten. In den letzten Monaten fand der Sternenflotten-Geheimdienst heraus, dass an der Grenze zwischen Gamma- und Delta-Quadrant seit Jahrhunderten gewaltige Schlachten zwischen diesen beiden Großmächten toben und Großteile beider Flotten gebunden werden.“

„Das Dominion ist seit geraumer Zeit schon der Garant, dass die Borg nicht längst eine Invasion auf diese Hälfte der Galaxis gestartet haben“, übernahm Sylvie LeClerc an dieser Stelle für ihren Freund. „Sollte es zu einem Bürgerkrieg im Dominion kommen, dann ist die logische Konsequenz davon, dass die Borg weite Teile des Gamma-Quadranten assimilieren werden. Sie würden dann so mächtig werden, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie die Föderation und alle anderen Großmächte des Alpha- und Beta-Quadranten, einfach überrennen. Darum können wir die cardassianischen Geiseln nur durch eine solche Kommandoaktion befreien.“

„Aber bringt das nicht die Große Verbindung gegen uns auf?“, erkundigte sich Alev Scenaris und blickte etwas verwirrt in die Runde. Auch der Andorianer schien solche Bedenken zu hegen.

„Genau das ziehen wir ins Kalkül“, erklärte die Französin überraschend. „Nach der Beendigung des Dominion-Krieges gab es Strömungen innerhalb der Großen Verbindung, die für eine bedingungslose Abrüstung plädierten. Das aber wäre eine Katastrophe für die gesamte Galaxis, so irrwitzig sich das auch anhört. Solange die Borggefahr existiert darf so etwas nicht passieren, darum schlagen wir mit der geplanten Aktion zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits schuldet uns, im Falle eines Erfolges, Elim Garak einen großen Gefallen. Andererseits wird das Misstrauen der Wechselbälger gegen uns wieder etwas mehr aufflammen und die Stimmen, die für eine Abrüstung plädieren werden erst einmal verstummen. Darüber hinaus wird Odo, aus dieser erzwungenen Einigkeit, innenpolitisch Kapital schlagen können, da er nicht länger gegen zu gegensätzliche Strömungen innerhalb seiner eigenen Spezies angehen muss.“

„Das Alles kling mir fast wie ein Plan des Tal´Shiar“, machte Alev ihrem Unmut Luft, nachdem Sylvie LeClerc geendet hatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Föderationsrat einem solchen Plan zustimmen würde.“

„In einem Notfall, der die Sicherheit der Föderation bedroht, hat der Sternenflottengeheimdienst die Möglichkeit, Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr zu ergreifen und den Föderationsrat, aus Gründen der Sicherheit, erst im Nachhinein zu informieren“, erklärte Valand Kuehn ruhig. „Admiral Sherman ist der Ansicht, dass dies ein solcher Fall ist, und er wendet die Regelung nun an.“

„Und du lässt dich dafür von ihm einspannen“, warf ihm Tar´Kyren Dheran vor. Mit zornigem Blick sah der Andorianer von ihm zu Sylvie LeClerc.

„Das wäre im Moment alles“, erwiderte Valand Kuehn kühl.

Der Andorianer erhob sich und blickte Alev auffordernd an. Gemeinsam verließen sie das Quartier des Konteradmirals, und Sylvie meinte, nachdem sie gegangen waren: „Er hat nicht gefragt, obwohl ich gemerkt habe, dass er drauf und dran war es zu tun.“

Valand seufzte schwach. „Das wird er noch, und mir graut schon jetzt vor diesem Moment, Cherie. Er ist mein bester Freund, aber er wird es nicht verstehen, fürchte ich.“

Fortschritte

Alev Scenaris hatte Tar´Kyren Dheran zu einem Drink in ihrem Quartier eingeladen. Eingedenk des Befehls, den Valand ihm erteilt hatte, stimmte der Andorianer zu, wobei es ihm schon recht seltsam erschien, dass es dazu eines Befehls seines Freundes bedurfte. Auf dem Weg vom Transporterraum der ASTARTE zu ihrem Quartier erinnerte er sich daran, wie ihre letzte Aussprache auf Tellar-Prime, vor neunzehn Jahren, verlaufen war. Damals war es sehr emotional zur Sache gegangen und Dheran hoffte insgeheim, dass es heute Abend etwas ruhiger zugehen würde.

Kurz darauf hatten sie ihr Ziel erreicht, und Alev ließ ihrem Ex-Freund höflich den Vortritt in den Wohnbereich ihres Quartiers.

Bei einem schnellen Rundblick entdeckte der Andorianer, dass Alev, so wie sein Freund Valand, ihr RED-SQUAD-Abzeichen in einer Glasvitrine aufbewahrte, zusammen mit einigen anderen persönlichen Dingen. Darunter auch eine Aufnahme die kurz vor Valands letztem Tag an der Akademie entstanden war und sie beide, Arm in Arm und glücklich lächelnd, zusammen mit Valand, Sylvie, John, T´Rian und Elisabeth zeigte. Sein Blick schweifte in die Ferne, nachdem er das Bild eine Weile betrachtet hatte. Damals war alles noch so viel leichter gewesen. Seine Antennen bogen sich nach hinten, während er an die Entwicklung zwischen ihm und Alev, nach der Zeit dieser Aufnahme, dachte.

Man hatte ihm in seinem zweiten Jahr an der Akademie angeboten, der RED-SQUAD beizutreten, aber er hatte abgelehnt, was Alev seinerzeit als Affront aufgefasst hatte. Danach stritten sie immer öfter und heftiger mit einander, bis sich die Rigelianerin im Frühsommer des Jahres 2359 von ihm getrennt hatte.

Alev, die für den Andorianer und für sich selbst einen Vurguzz eingeschenkt hatte, einen hochprozentigen, grünlichen Kräuterlikör, der selbst auf der Erde, von der er stammte, nur sehr schwer zu bekommen war, blickte ihn an, während er vor der Vitrine verharrte. Sie war zu Akademiezeiten ein Ass in Xeno-Biologie gewesen, und sie verstand sich auf das Deuten von andorianischen Antennenstellungen. In Verbindung mit seinem abwesenden Blick erahnte sie seinen momentanen Gemütszustand und langsam kam sie näher.

Tar´Kyren Dherans Gedanken kehrten in die Wirklichkeit zurück, als Alev meinte: „Das war die beste Zeit unseres Lebens, findest du nicht auch?“ Sie reichte ihm eines der Gläser mit Vurguzz, von dem sie wusste, dass er ihn sehr mochte.

„Ja, das war sie wohl“, stimmte der Andorianer zu und blickte der Rigelianerin direkt in die Augen. „Ich wollte, deine Begrüßung, heute Morgen, wäre weniger kühl ausgefallen.“

„Was hattest du denn erwartet, Tar´Kyren?“, erwiderte Alev heftig. „dass ich dir um den Hals fallen würde, wie Elisabeth?“

„Nein, das wohl nicht.“ Der Andorianer hob sein Glas und leerte es in einem einzigen Zug. Er machte er einen Schritt zur Seite und stellte das leere Glas auf einer Kommode ab. „Aber es gibt wohl eine ganze Menge, das dazwischen gepasst hätte, findest du nicht?“

Auch Alev leerte ihr Glas und stellte es auf den Tisch, in der Mitte des Raumes. Dann erwiderte sie distanziert: „Vielleicht.“

Tar´Kyren Dheran überwand sich innerlich, um nicht erneut die Fronten zwischen ihnen entstehen zu lassen, wie nach seiner Absage, an die RED-SQUAD. Betont ruhig erklärte er: „Alev, es lag niemals in meiner Absicht, dich zu verletzen. dass du meine Ablehnung der RED-SQUAD als einen Affront angesehen hast, finde ich bedauernswert, denn das richtete sich weder gegen dich, noch gegen einen anderen RED-SQUAD, sondern einzig und allein gegen eine Organisation innerhalb einer Organisation. Daran habe ich nie einen Zweifel gelassen, und ich wünschte du würdest das akzeptieren, so wie ich stets deine Zugehörigkeit zu dieser Einheit akzeptiert habe. Ich habe dir nie einen Vorwurf gemacht dazu zu gehören, also mache mir im Gegenzug auch keinen Vorwurf, weil ich niemals dazugehören wollte.“

Für eine Weile maßen sie sich mit Blicken, bevor Alev antwortete: „In dieser Hinsicht hast du Recht, aber dich dann, kurz nach unserer Trennung, bereits in den Armen einer anderen zu sehen, hat mich sehr verletzt, musst du wissen.“

„Dabei war am Anfang des Semesters nur eine gute Kameradschaft zwischen mir und Inari. Aber du hast mehr darin gesehen, und dich völlig vor mir zurückgezogen, während sich Inari um mich bemüht hat. Was hattest du denn erwartet, was daraufhin passieren würde?“

Alev Scenaris spürte, wie sich jedes seiner Worte in ihr Herz bohrte. Sie wusste keine Antwort, und deshalb erwiderte sie wütend: „Verdammt, ich weiß es nicht!“

Tar´Kyren Dherans Antennen bogen sich nach Innen, und sich mühsam beherrschend erwiderte er: „Vielleicht ist es besser, wenn wir diese Unterhaltung bis morgen Abend unterbrechen, Alev. Momentan sind wir beide etwas zu emotional dafür, denke ich.“ Er wandte sich enttäuscht um und schritt langsam zum Schott.

Bevor er es erreichte, hörte er die Stimme der Rigelianerin hinter sich. „Tar´Kyren...“

Der Andorianer wandte sich um und sah die Tränen in den Augen seiner Ex-Freundin, die, verloren wirkend, mitten im Raum stand. Der Andorianer erschrak beinahe, denn selbst nach ihrer Trennung hatte er Alev stets stark und selbstbewusst erlebt. Beinahe ferngesteuert machte er kehrt und schritt zurück zu ihr. Ohne ein Wort zu sagen legte er seine Arme um sie und Alev schmiegte sich eng an ihn. Dabei zeugte das Zucken ihrer Schultern und das leise Schluchzen, wie es um sie stand, auch ohne, dass er seine empathischen Fähigkeiten einsetzen musste.

„Ich möchte nicht, dass du gehst“, flüsterte Alev mit erstickter Stimme. „Wie gerne würde ich dir so Vieles sagen, Tar´Kyren, aber in diesem Moment finde ich alles so daneben, dass mir die Worte fehlen. Ich hoffe nur, du verstehst mich trotzdem.“

Die Antwort des Andorianers bestand darin, dass er der Rigelianerin einen sanften Kuss auf die Wange hauchte. Dann nahm er sie wieder fest in die Arme und genoss einfach die Nähe einer Kameradin, die er viel zu lange nicht mehr gesehen hatte.

 

* * *

 

Später, während sie eng umarmt auf der Couch saßen, blickte Tar´Kyren Dheran seine Ex-Freundin fragend an, wobei seine Linke sanft über ihre Wange streichelte. „Findest du es nicht seltsam, dass Valand so eng mit Sherman zusammenarbeitet. Und es ist nicht das erste Mal, wie mir scheint.“ Der Andorianer überlegte einen Moment lang, bevor er Alev von seinem letzten Einsatz, und den Worten eines gewissen Commander Harun Malori berichtete. Auch die Aussagen von Enrom Tolaron gab er wieder.

Alev Scenaris blickte etwas verwundert drein, nachdem Dheran sie auf den aktuellen Stand seiner Kenntnisse und Überlegungen gebracht hatte und sagte ungläubig: „Valand und der Sternenflotten-Geheimdienst? Das ist doch...“

„Unmöglich?“, fragte der Andorianer angespannt. „Ja, das war auch mein erster Gedanke. Aber mittlerweile verdichten sich die Verdachtsmomente. Da ist noch mehr, Alev: Im August gab mir Admiral Tarun ein Päckchen für ihn mit, ohne sich weiter über dessen Inhalt auszulassen, und auch Valand schwieg sich darüber aus. Das alles finde ich höchst beunruhigend, umso mehr, als dass ich mich selbst wie ein Spielball zwischen ihnen fühle. Und dann ist da die Tatsache, dass Valand in seinem Verband eine Menge vertrauter Personen um sich geschart hat, die ihm vertrauen und seinem Wort folgen werden, was immer auch passieren mag. Das erinnert mich an einen gewissen Admiral Leyton, der Ähnliches tat, vor annähernd zehn Jahren.“

Der Ausdruck in den grünen Augen der Rigelianerin wurde geheimnisvoll. Dann fragte sie mit seltsamer Ruhe: „Glaubst du wirklich, dass Valand – möglicherweise zusammen mit Admiral Sherman – so etwas Ähnliches plant...?“

„Nein!“, unterbrach Tar´Kyren Dheran sie, beinahe wütend. Er atmete tief durch und sagte dann etwas beherrschter: „So etwas würde ich niemals glauben, Alev – und du wirst es auch nicht. Dafür kennen wir zwei Valand zu gut. Er würde sich niemals gegen den Präsidenten, oder gegen den Föderationsrat stellen.“ Der Blick des Andorianers schweifte an Alev vorbei in die Ferne. „Nein, da ist irgend etwas Anderes im Spiel. Ich erinnere mich daran, dass Valand mir einmal sagte, man solle nahe bei seinen Freunden stehen, und noch näher bei seinen Feinden. Vielleicht ist es genau das, was er vorhat.“

Alev nickte vage. „Fragt sich nur, wer für ihn der Feind ist.“

Besorgnis lag im Blick des Andorianers, als er ungewöhnlich leise erwiderte: „Vielleicht befinden wir uns auf der falschen Fährte, Alev. Was, wenn es in Wahrheit um den Posten des Chiefadmirals geht. Die Wahl steht bald an, und mir kommt da der ungute Gedanke, dass möglicherweise die Taktischen Flotten nur deshalb von Sherman außen vor gelassen werden. Er will einen Erfolg, vor den Wahlen, den er allein für sich verbuchen kann. Ich verstehe nur nicht, warum Valand dieser Gedanke nicht kam.“

„Wer sagt denn, dass er ihm nicht kam?“

Die provokante Frage machte Dheran erneut wütend, und seine Antennen bogen sich stark nach Innen. Doch bevor er etwas darauf erwidern konnte, erklärte Alev eindringlich: „Hör zu, Tar´Kyren: Mir gefällt dieser Gedanke auch nicht, aber wenn ich die Fakten zusammenzähle, dann ergibt sich ein Bild, das solche Fragen aufwirft. Und sagtest du nicht, dass Sherman und Tarun erbitterte Feinde sind? Möglicherweise versucht Valand, den Trill deshalb vom Sternenflottenstab fernzuhalten. Denn sollte Tarun die Wahl gewinnen, dann hätte das möglicherweise einen Bruch innerhalb der Flottenführung zur Folge. Außerdem bestünde die Gefahr, dass der schwelende Konflikt zwischen den beiden Admirals eskaliert, wenn sie beide zugleich im Hauptquartier der Sternenflotte dienen. Ich weiß, offen gestanden, nicht, welchem dieser beiden Admirale ich vertrauen kann, Tar´Kyren, aber ich weiß, dass ich Valand vertrauen kann. Er würde doch niemals zum Schaden der Föderation handeln, und das weißt du.“

Tar´Kyren Dheran blickte in die Augen seiner Ex-Freundin und sagte schließlich: „Du hast Recht, Alev. Und ich möchte ihm auch vertrauen.“

„Dann vergiss deine Zweifel an ihm.“

Die Rigelianerin streichelte sanft die Wange des Andorianers bevor sie mit verändertem Tonfall meinte: „Ich spüre die alte Verbundenheit zwischen uns, Tar´Kyren, und ich bin sehr froh darüber.“

Etwas verwirrt und überrumpelt blickte der Andorianer Alev an, und sie fügte lächelnd hinzu: „Valand sagte mir, dass es eine andere Frau in deinem Leben gibt. Ich möchte dich ihr nicht wegnehmen. Meine Worte waren rein auf die freundschaftliche Ebene bezogen, Tar´Kyren.“

Der Andorianer grinste schief: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als Kompliment verstehen soll oder nicht.“

Das Gesicht der Rigelianerin kam dem des Andorianers etwas näher. „Dein Humor ist noch immer so schräg, wie eh und je.“ Damit gab sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und fügte schmerzlich lächelnd hinzu. „Die romantischen Tage zwischen uns sind nun einmal vorbei.“

Nach einer geraumen Weile fragte der Andorianer leise: „Warum waren wir damals nicht in der Lage unsere Beziehung zu retten? Waren wir zu jung, oder zu dumm?“

Alev seufzte schwach. „Tar´Kyren, ich denke, die Wahrheit ist: Wir hätten uns auf jeden Fall irgendwann getrennt. Wir waren uns immer viel zu ähnlich, in unseren Anlagen, als dass wir für längere Zeit hätten zusammen sein können. Dasselbe trifft auch auf dich und Inari zu, und deshalb hat es auch zwischen euch beiden später gekracht. Du brauchst einen Gegenpol zu deinem andorianischen Temperament, Tar´Kyren, auch wenn du es zumeist gut im Griff hast. So ist es nun einmal.“

„Späte Einsichten“, sinnierte Dheran abwesend. Dann blickte er wieder in die Augen der Rigelianerin. „Wenigstens konnten wir unsere Freundschaft retten.“

Die Rigelianerin nickte zustimmend. „Ja, und darüber bin ich sehr glücklich. Denn mir liegt etwas an dieser turbulenten, verrückten und schrägen Freundschaft zu dir.“

 

* * *

 

Die beiden Trainingswochen schienen kein Ende nehmen zu wollen, und als die Stoßtrupp-Teilnehmer des Unternehmens TARANIS am letzten Trainingstag den Absprung aus der Bodenschleuse der ASTARTE üben sollten, da kam es Lieutenant Rania Singh-Badt so vor, als würde sie sich bereits eine halbe Ewigkeit im Bajor-System aufhalten.

In den letzten Tagen hatten sie täglich, neben anderen Dingen, ein permanentes Lauftraining absolviert, und im Nachhinein wunderte sich die Inderin darüber, dass sie zwischenzeitlich, bei all der Schinderei, nicht einfach zusammengebrochen war. Dabei hatte sie das Lauftraining besser weggesteckt, als beispielsweise Konteradmiral Kuehn. Das hatte ihr auch Captain Dheran bestätigt, und danach war sie um so entschlossener gewesen, dieses Training durchzustehen. Dabei hatte ihr kommandierender Offizier gleichzeitig durchblicken lassen, dass er sie für die Einsatzplanung an diesem Nachmittag, auf dem Flaggschiff des Admirals brauchen würde. Während das Unternehmen abrollte, sollte sie, zusammen mit Valand Kuehn, den Einsatz am Boden koordinieren. Ihre Gruppe würde dann von Tal´Inuray Filiz übernommen werden, die in der letzten Woche aktiv mittrainiert hatte. Dabei hatte sich herausgestellt, wie zäh diese kleine, zierlich wirkende, Andorianerin war.

Jetzt stand die Inderin an der Kante der unteren Schleusenkammer der ASTARTE und blickte auf den Boden des Mondes, der etwa drei Meter unter ihr lag. Heute übten sie, zum Abschluss, den Absprung aus dem Schiff. Falls die Transporter ausfallen sollten, war dies die Alternative um den Einsatz dennoch ausführen zu können.

Lieutenant-Commander Filiz stand ganz in der Nähe auf der Oberfläche des Mondes, blickte zu ihr hinauf und rief: „Nehmen Sie die Knie und Hacken zusammen, drehen sich beim Sprung etwas zur Seite und rollen Sie am Boden über die Schulter ab! Na los, Lieutenant, worauf warten Sie noch?“

Die Inderin fasste sich ein Herz und sprang, ihr Phasergewehr dicht gegen ihre Brust gepresst, in die Tiefe.

Dank der geringeren Schwerkraft war der Aufprall weniger stark, als befürchtet. Geschmeidig rollte sie über die rechte Schulter ab, wobei sich für einen Moment das Gepäck auf ihrem Rücken schmerzhaft in ihre Haut drückte. Doch im nächsten Moment stand sie auf ihren Füßen und taumelte ein paar Schritte vorwärts.

„Das war in Ordnung!“, rief ihr Filiz anerkennend zu und erleichtert begab sich die Inderin aus der Landezone.

Oben schritt nun Valand Kuehn an die Kante und Filiz rief hinauf: „Warten Sie auf eine Extraeinladung, Admiral?“

Kuehn grinste schief und ließ sich in die Tiefe fallen. Die Drehung in der Luft misslang und er klatschte zu Boden, wie ein nasser Sack.

Filiz´ Antennen bogen sich nach Innen und laut sagte sie: „Mit Verlaub, Sir, das war gar nichts. Sie springen aus einem Raumschiff auf einen Feindplaneten, nicht Zuhause in Ihren Swimmingpool! Noch mal...!“

„Aye, Ma´am antwortete der Konteradmiral zerknirscht und gab über seinen Kommunikator Anweisung ihn wieder an Bord zu beamen.

Als nächster rauschte Tar´Kyren Dheran herunter.

Filiz nickte knapp. „Das war zufriedenstellend!“

Ein Teilnehmer des Unternehmens, nach dem anderen sprang nun aus der Bodenschleuse, wobei Filiz etwa ein Drittel den Sprung nochmal wiederholen ließ. Nachdem sieben der Teilnehmer noch ein drittes Mal springen mussten war sie einigermaßen zufrieden und begab sich zu Valand Kuehn. Drei Schritt vor ihm stehen bleibend nahm sie Haltung an und meldete zackig: „Die Teilnehmer an dem Unternehmen sind bereit für den Einsatz, Sir. Es war mir ein Vergnügen, den Trupp auszubilden.“

„Das glaube ich Ihnen auf´s Wort, Lieutenant-Commander Filiz“, schmunzelte Kuehn und fügte an: „Sie haben Ihre Aufgabe hervorragend gemeistert. Ich danke Ihnen.“

Sie ließen sich zurück an Bord beamen, wobei Filiz, zusammen mit Valand Kuehn, Tar´Kyren Dheran und einem jungen Petty-Officer, der regulär zur Sicherheit der PHOEBE gehörte, den Abschluss bildeten. Die Andorianerin warf dem gutaussehenden, jungen Mann von Rigel-VII dabei einen taxierenden Blick zu, denn ihr war bereits vor einigen Tagen aufgefallen, dass er sie immer wieder begeistert musterte, wenn er glaubte, sie würde gerade nicht in seine Richtung sehen.

An Bord angekommen bogen Valand Kuehn und sein andorianischer Freund nach Links ab, während sich Tal´Inuray Filiz nach Rechts wandte, und in Richtung des Turbolifts davon schritt. Der junge Sicherheits-Unteroffizier holte schnell auf und sagte, als er sich auf gleicher Höhe mit ihr befand: „Ich bin, wie der Admiral, der Ansicht, dass Sie die Ausbildung fabelhaft durchgeführt haben, Lieutenant-Commander. Ich fühle mich bereit dazu mitten in die Hölle zu springen.“

Die Andorianerin blickte zweifelnd zu dem dunkelhaarigen Mann auf, der gut und gerne einen Kopf höher gewachsen war, als sie und dessen graue Augen unternehmungslustig funkelten. „Das wird sich bald herausstellen, Petty-Officer...“

„Corcoran – Ma´am. Laskant Corcoran.“

„Ein merkwürdiger Name, für einen Menschen“, befand Tal´Inuray Filiz. Stammen Sie nicht von Rigel-VII und haben irdische Wurzeln?“

Der Mann lächelte schwach. „Doch, Ma´am. Aber als meine Vorfahren nach Rigel-VII auswanderten, hat irgendein Beamter unseren Familiennamen falsch geschrieben. Später wurde der Fehler nicht mehr korrigiert.“

„Das scheint aber ein ziemlich einfältiger Beamter gewesen zu sein“, schüttelte die Andorianerin den Kopf und blieb vor dem Turboliftschott stehen. „Wie hieß Ihre Familie denn vorher?“

„Corancor.“

Tal´Inuray Filiz begann schallend zu lachen. Sie beruhigte sich erst wieder, als sie die Turboliftkabine betraten. „Sie besitzen Humor, Mister Corcoran. Das gefällt mir.“

„Wirklich?“ In der Liftkabine trat der Mann etwas näher an sie heran und meinte: „Ihr Captain sagte, Sie würden Messer sammeln, Ma´am. Stimmt das? Ich interessiere mich nämlich ebenfalls für...“

Mit einer so fließenden Bewegung, dass Laskant Corcoran sie erst wahrnahm, als die blitzende Klinge sich direkt vor seinem rechten Auge befand, zog die Andorianerin ein beachtliches Kampfmesser aus einem flachen Futteral, welches sie unter ihrer Uniform am Rücken trug. Seine Klinge war leicht gebogen und mehrfach gezackt. Die Machart und der leicht bläulich schimmernde Stahl wiesen darauf hin, dass es sich um eine alte, andorianische Klinge handelte, wie sie während der letzten Clan-Kriege auf Andoria benutzt worden waren.

Tal´Inuray Filiz führte die Klinge näher an das Gesicht des Mannes heran, der langsam bis zur Kabinenwand zurückwich, wobei er seinen Blick nicht von der Waffe nahm. „Dies ist eines meiner Lieblingsstücke. Beachten Sie den Hohlschliff der Schneiden, Petty-Officer Corcoran. Damit könnte man mühelos einen Targ zerlegen.“

„Sehr beeindruckend, Lieutenant-Commander“, antwortete der Mann gepresst, als sie die Klinge dicht vor seinem Auge hin und her bewegte, während ihre Linke ihn sacht an der Schulter berührte. Sie kam ihm dabei so nahe, dass sich ihre Oberkörper fast berührten.

„Nicht wahr?“ Im nächsten Moment hielt der Turbolift an, und die Andorianerin steckte das Messer in sein Futteral zurück. „Ich glaube, wir sind da.“

Amüsiert lächelnd nahm Tal´Inuray Filiz ihre Hand von der Schulter des Mannes und verließ mit schwungvollen Schritten den Lift.

Laskant Corcoran folgte der Andorianerin mit einigem Abstand und blickte ihr auf dem Gang sinnend hinterher. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem bewundernden Lächeln und er dachte: Bleib dran, Laskant, denn diese Frau hat richtig Feuer.

Der Plan

Am Nachmittag empfing Valand Kuehn die Captains der Raumschiffe, die an dem geplanten Kommandounternehmen teilnehmen würden, im Konferenzraum der OBERON, der hinter der Brücke, auf Deck-1 lag. Zudem waren Tar´Kyren Dheran, Tal´Inuray Filiz, Nerlian Coraal und Rania Singh-Badt zugegen, wobei sich die Inderin, in dieser Gruppe von Offizieren, nicht sonderlich wohl zu fühlen schien. Zwischen ihrem Captain und einem Mann mit schulterlangen Haaren sitzend, der ebenfalls die Insignien eines Captains am Kragen seines Uniformpullovers trug und einen aristokratischen Eindruck auf sie machte, wippte sie, unter dem leicht geschwungenen Tisch unruhig mit dem linken Fuß. Erst als sie das amüsierte Lächeln des Mannes zu ihrer Rechten bemerkte, wurde es ihr bewusst und sie unterdrückte diesen nervösen Impuls.

Da Valand Kuehn die Besprechung noch nicht eröffnet hatte, beugte sich der Captain leicht zu Rania Singh-Badt und raunte mit sonorer Stimme: „Ich kann gut verstehen, was Sie gerade fühlen, Lieutenant. Mir selbst geht es heute noch vor jedem Einsatz so – ich verstecke es nur besser, als früher. Aber gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle: Ich bin Alucard Farg, von der TRANSYLVANIA. Und Sie sind...?“

„Rania Singh-Badt – Zweiter Taktischer Offizier der ICICLE.“ Die junge Frau lächelte zaghaft. „Ich freue mich Sie kennenzulernen, Captain Farg.“

„Aber, aber, die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Farg, beinahe vergnügt. Sein verschmitzt wirkendes Lächeln war kaum dazu angetan die junge Inderin zu beruhigen, im Gegenteil, es machte sie noch kribbeliger, als ohnehin schon.

„Wenn Sie versuchen, mir meine Offiziere abzuwerben, dann können Sie etwas erleben, Captain Farg“, mischte sich Tar´Kyren Dheran in diesem Moment von der anderen Seite Ranias ein, wobei das schiefe Grinsen seinen Worten die Spitze nahm. „Sehen Sie gefälligst zu, dass Sie woanders gute Leute finden.“

„Wenn die Leistungen Ihres Lieutenants ebenso gut sind, wie ihr aussehen, dann wäre ich durchaus versucht, Captain Dheran“, konterte der Rumäne trocken, wobei er Rania gleichzeitig zu zwinkerte, woraufhin sie prompt leicht errötete.

„Ihre Leistungen sind noch besser, würde ich sagen“, gab Dheran schmunzelnd zurück. „Bei unserem letzten Einsatz hat sie sich tapfer geschlagen.“

„Hallo?“, warf die Inderin ein, als Dheran geendet hatte und blickte mit gerunzelter Stirn von einem Captain zum anderen. „Ich bin zufällig auch in diesem Raum.“

So unterschiedlich die beiden Captains an ihrer Seite auch sein mochten, in diesem Moment grinsten sie gleichermaßen belustigt.

Sie wurden abgelenkt, als sich Valand Kuehn von seinem Platz erhob, seinen Blick über die Versammelten schweifen ließ, und dann das Wort ergriff: „Meine Damen und Herren, ich habe Sie hierher kommen lassen, um Sie nun mit den Einzelheiten, und dem geplanten Ablauf des Unternehmens TARANIS vertraut zu machen.“

Der Konteradmiral überzeugte sich davon, dass er die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden genoss, bevor er fortfuhr: „Anfang des Jahres hatte Admiral Torias Tarun eine Unterredung mit dem Regierungschef der Cardassianer. Elim Garak berichtete ihm davon, dass während der Endphase des Dominion-Krieges, zahlreiche Familienangehörigen von Legats und Guls in Schlüsselpositionen, von den Jem´Hadar in den Gamma-Quadrant gebracht wurden, sozusagen, als Geiseln, um die immer wankelmütiger werdenden Verbündeten bei der Stange zu halten. Wie sie wissen, fiel selbst das cardassianische Militär, gegen Ende der Entscheidungsschlacht über Cardassia-Prime, dem Dominion in den Rücken. Dennoch wurden die Cardassianer, während der Friedensverhandlungen, nicht als Alliierte der Föderation geführt, und dem zufolge galt für sie nicht der Passus des Friedensvertrags, über den Austausch von Kriegsgefangenen. Mit anderen Worten, die cardassianischen Geiseln, überwiegend Frauen und Kinder, befinden sich immer noch in den Händen des Dominion.“

Valand Kuehn machte eine bedeutungsvolle Pause, und die meisten der hier Anwesenden, die mit diesen Tatsachen zum ersten Mal vertraut gemacht wurden, reagierten mit Erstaunen, in Bezug auf diese Fakten. Er ließ die Worte wirken und erklärte dann: „Im Zuge des erwähnten Gespräches bat Mister Garak, mehr oder weniger deutlich, um die Unterstützung der Föderation, bei dem Versuch, die Geiseln nach Cardassia zurückzuführen. Also schickte Torias Tarun einen entsprechenden Bericht an das Sternenflottenkommando. Zu seiner Überraschung hat man dort ziemlich schnell darauf reagiert, und ihn, über seinen Kollegen im Gamma-Quadranten, darum gebeten, einige taktisch wichtige Daten zu besorgen, die Captain Dheran mir im August des Jahres überbrachte.“

Bei diesen Worten warf der Norweger seinem Freund einen schnellen Blick zu, bei dem er feststellte, dass die Miene des Andorianers sich merklich verfinstert hatte.

„Hat man nicht versucht, etwas über die offiziellen Kanäle zu erreichen?“, warf seine Schwester Alana sachlich ein.

Valand Kuehn nickte seiner Schwester knapp zu. „Ja. Man hat mehrmals versucht, über die offiziellen Kanäle, etwas für die Cardassianer zu tun, und erhielt von den Vertretern der Gründer den lapidaren Hinweis, es gäbe keine Kriegsgefangenen im Bereich des Dominion, was ja nicht einmal gelogen wäre, denn die Cardassianer haben dem Dominion nie offiziell den Krieg erklärt.“

Captain Thomas Jackson, nicht gerade für sein diplomatisches Geschick bekannt, meinte kopfschüttelnd: „Das ist eine spitzfindige Frechheit, Admiral. Hat das Dominion auch das Vorhandensein von Geiseln abgestritten?“

Kuehn lächelte nachsichtig. „Diese Frage konnten wir unmöglich stellen. Vergessen Sie bitte nicht, welche Macht das Dominion noch immer darstellt. Den Gründern offen ein Verbrechen zur Last zu legen, für das wir die Beweise schuldig bleiben müssen, wäre nicht nur wenig taktvoll, es würde möglicherweise auch die Position Odos schwächen.“

Alle Anwesenden waren sich der Bedeutung von Kuehns Worten bewusst und es machte ihnen klar, warum sie letztlich hier waren.

Sylvie LeClerc fing den auffordernden Blick ihres Lebensgefährten auf und erhob sich vom anderen Kopfende des Konferenztisches. Langsam zu Kuehn schreitend setzte nun sie die Einweisung fort: „Die genannten Tatsachen bringen uns nun zum komplizierten Teil unseres Vorhabens. Wir werden morgen Früh, um exakt 09:00 Uhr, mit den zehn Schiffen unserer Sektorenflotte, durch das bajoranische Wurmloch in den Gamma-Quadrant einfliegen und uns ordnungsgemäß bei Admiral Carzon Seregan, dem Befehlshaber der Sechsten Taktischen Flotte, anmelden. Seregan wird unseren Verband als eine seiner typischen Langstreckenpatrouillen tarnen, zumindest so lange, bis wir unser Ziel erreicht haben.“

Mittlerweile bei Kuehn angekommen aktivierte die Französin den großen Taktik-Bildschirm und blendete eine taktische Karte des Gamma-Quadranten ein. Auf ein Sternensystem weitab des Wurmlochausgangs deutend erklärte sie weiter: „Unser Ziel ist der Planet Varala IV, auf dem es ein Internierungslager der Jem´Hadar gibt. Sieben Raumschiffe unseres Verbandes warten, als Rückendeckung, einige Lichtminuten außerhalb des Systems, während die OBERON, die PHOEBE und die ASTARTE den Planeten ansteuern. Unter der Deckung der beiden anderen Schiffe wird die ASTARTE zur planetaren Oberfläche hinunterstürzen und den Kommandotrupp absetzen. Captain Dheran konnte uns dazu einen geeigneten Absetzpunkt nennen, der einige Kilometer von dem Lager entfernt liegt und dem Trupp maximalen Schutz vor einer frühzeitigen Entdeckung geben wird. Von dort aus schlägt sich der Trupp zum Lager vor und Captain Dheran führt den Handstreich gegen das Lager, während sich die ASTARTE vorerst wieder zurückziehen wird. Als Ablenkungsmanöver, während sich OBERON, PHOEBE und ASTARTE zurückziehen, fliegen die sieben übrigen Raumschiffe einen Angriff gegen die Verteidigungsstellungen des Lagers. Achten Sie dabei darauf, dass die Hauptgebäude unter keinen Umständen getroffen werden dürfen. Danach ziehen Sie sich, für den Gegner deutlich erkennbar, zurück und locken mögliche Verfolger in Richtung des bajoranischen Wurmloches davon, während sich die übrigen drei Schiffe, außerhalb des Systems und mit heruntergefahrenen Systemen, auf die Lauer legen werden. Sobald wir von Varala IV die Meldung bekommen, dass der Handstreich ein Erfolg gewesen ist, werden die drei Schiffe erneut über Varala IV auftauchen und die Geiseln, zusammen mit unseren eigenen Leuten an Bord nehmen. Dazu ist es unerlässlich, Captain Dheran, dass Sie die Abwehrzentrale und den Funkraum nehmen und halten, bis die Evakuierung erfolgt ist.“

Der Andorianer nickte selbstbewusst. „Kein Problem, Commodore.“

Valand Kuehn schmunzelte leicht, bevor nun er wieder das Wort ergriff: „Sie alle können sich vorstellen, dass wir unseren eigenen Schiffen nicht zum Wurmloch folgen können, denn zweifellos werden unsere Gegner genau damit rechnen. Darum werden wir etwas mehr wagen müssen, um sicher nach Hause zu kommen. Kürzlich stieß eine Patrouille der Sechsten Taktischen Flotte auf ein sterbendes Wurmloch, etwa siebzehn Lichtjahre vom Varala-System entfernt. Man schickte eine Reihe von Sonden hindurch und fand unter Anderem dabei heraus, dass es sich in etwa einem halben Jahr auflösen wird. Momentan ist es passierbar, allerdings besteht ein gewisses Restrisiko dabei. Um es zu minimieren wurde auf der OBERON ein Generator zur Erzeugung eines künstlichen Wurmlochs installiert, der auf die Forschungen von Doktor Lenara Kahn zurückgreift. Er wurde jedoch modifiziert, so dass wir, mit seiner Hilfe, das besagte Wurmloch für einen sicheren Durchgang stabilisieren können. Der Nachteil dieser Methode ist, dass das Wurmloch nur wenige Minuten danach vollständig kollabieren wird. Da es das aber in einigen Monaten ohnehin tun wird, ist der taktische Nachteil, der uns dadurch für die Zukunft möglicherweise entsteht, nicht signifikant. Außerdem wollen wir vermeiden, dass uns die Jem´Hadar folgen. Allerdings müssen wir, nach der Aktivierung des Generators, und der Stabilisierung des Wurmloches, innerhalb weniger Minuten das Wurmloch passiert haben. Es wird uns in den Bereich der Voth bringen, zu einem System, das dicht an den Beta-Quadranten grenzt. Bereits im Sommer dieses Jahres habe ich einen Captain, namens Chakotay, zu ihrem Anführer, Forra Gegen gesandt, und zwar auf genau diesem Weg. Der Voth versprach uns seine Unterstützung in dieser Angelegenheit, da er selbst der Meinung ist, dass er gegenüber Chakotay, den er kennenlernte, während sich die VOYAGER, im Delta-Quadranten, auf dem Rückweg zur Erde befand, noch eine Schuld zu begleichen hat. Er sieht ihn als Freund an, und deshalb kommt er uns hierbei entgegen, wobei Forra Gegen jedoch keinerlei Zweifel daran ließ, dass es sich dabei um einen einmaligen Gefallen handeln wird. Er wird unsere kleine Streitmacht, an Bord eines größeren Raumschiffes seines Volkes nehmen und mit Transwarp-Geschwindigkeit bis an die Grenze des Bajor-Systems bringen.“

Nachdem Kuehn geendet hatte, war es in dem Konferenzraum so still, dass man das leise Summen der Instrumente hören konnte.

„Donnerknispel!“

Alle Gesichter wandten sich zu John McTiernan, der seiner Überraschung mit dem Ausruf Luft gemacht hatte.

Der Australier blickte in die überwiegend amüsierten Mienen und meinte, etwas verlegen: „Das musste an dieser Stelle gesagt werden.“ Dann wurde er übergangslos ernst und fragte zu Kuehn gewandt: „Werden wir, bei unserem Rückzug zum Wurmloch, aktive Unterstützung durch die Sechste Taktische Flotte erhalten?“

Es war Commodore Sylvie LeClerc, die auf seine Frage antwortete: „Nein, Admiral Seregan darf seine eigene, sehr exponierte, Position nicht gefährden. Darum erhielt er vom Oberkommando der Sternenflotte die strickte Anweisung, lediglich das Wurmloch und seine Umgebung frei zu halten, um unsere Rückkehr in den Alpha-Quadranten zu gewährleisten. Und daran wird sich Seregan auch halten, das versichere ich Ihnen. Aus diesem Grund wurde Captain Danes CARPENTER mit einem besonderen Weitstreckenscanner-Modul bestückt. Die CARPENTER wird den Verband vor allen Jem´Hadar-Flotten rechtzeitig warnen, so dass ein direktes Zusammentreffen vermieden werden kann. Außerdem wurden die Triebwerke ihrer Schiffe nicht grundlos überholt, in den letzten Wochen und Monaten.“

Lieutenant Rania Singh-Badt, die bisher mit steigendem Erstaunen zugehört hatte, meldete sich nun zu Wort. „Wie gewährleisten Sie, dass die ASTARTE und ihre beiden Geleitschiffe nicht entdeckt werden, während sie auf das Signal von Varala IV warten, Sir?“

Valand Kuehn wandte sich der Inderin zu und erklärte anerkennend: „Sie stellen eine folgerichtige Frage, Lieutenant Singh-Badt. Die ASTARTE, die OBERON und die PHOEBE werden ihre Warpsignaturen maskieren, während ein spezieller Jammer, der ebenfalls an Bord der CARPENTER installiert wurde, drei zusätzliche Warpsignaturen simulieren wird. Wir erwarten nicht ganz zu Unrecht, dass die Scanner der Jem´Hadar-Schiffe diese Signaturen auffangen, und man davon ausgehen wird, dass sich alle zehn Raumschiffe in Richtung des Wurmlochs bewegen, und nicht nur sieben. Das wiederum bedingt, dass der Verband eine optische Identifikation möglichst lange vermeidet.“

Nur die Tatsache, dass der Admiral selbst an dem Unternehmen teilnahm verhinderte, dass die Inderin dieses Unternehmen leichtfertig als Todeskommando bezeichnete.

Alucard Farg, der ihren Gemütszustand erahnte, berührte sie sachte am Unterarm. Er verzichtete auf sein vorheriges Gehabe, lächelte zuversichtlich und sagte fast unhörbar, während er in ihre dunklen Augen blickte: „Wird schon schiefgehen, Lieutenant. Oder glauben Sie etwa, der Admiral riskiert das Leben seiner Schwester und seiner besten Freunde auf leichtfertige Art und Weise?“

Die Worte des Rumänen hatten etwas für sich, überlegte Rania Singh-Badt und ein Teil ihrer Bedenken fielen von ihr ab, als sie ebenso leise erwiderte: „Sie haben vermutlich Recht, Captain Farg.“

Valand Kuehn räusperte sich, und zog damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden nochmal auf sich. „Ladies und Gentlemen, ich danke Ihnen. Wenn niemand sonst Fragen zu dem Ablauf hat, dann ist diese Besprechung, deren Inhalte der absoluten Geheimhaltung unterliegen, beendet.“ Während sich die Anwesenden erhoben wandte sich Kuehn schnell an Tar´Kyren Dheran, Tal´Inuray Filiz, Nerlian Coraal und Rania Singh-Badt: „Sie Vier erwarte ich um exakt 14:30 Uhr Bordzeit wieder hier, dann werden wir die Pläne zur Befreiung der Geiseln, und den genauen Einsatz der vier Gruppen nochmal ganz genau durchgehen.“

Die Angesprochenen bestätigten.

Während Rania Singh-Badt dem Ausgang des Raumes zu strebte, hielt sich Alucard Farg an ihrer Seite um schließlich zu fragen: „Was halten Sie davon, heute mit mir zu Mittag zu essen, Lieutenant?“

Die junge Inderin blickte überrascht zu dem Mann auf. Eine leichte Röte überflog ihre Wangen, als sie antwortete: „Die Teilnehmer des Landeunternehmens haben leider Anweisung, die ASTARTE nicht zu verlassen, Sir.“

„Nun, dann wäre wohl die einzige Alternative, dass ich Sie an Bord besuche, und Sie mit mir in der Messe der ASTARTE speisen, nicht wahr?“

Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Freude nickte die Inderin schließlich und sagte: „Das wäre nett, Captain Farg.“

Während sie, gemeinsam mit einigen der Captains, im Turbolift nach unten fuhren, wechselte Rania einige flüchtige Blicke mit dem Rumänen und fast bedauernd verließ sie die Kabine, als sie das Deck mit den Gästequartieren erreicht hatte. Doch dann stahl sich ein zufriedenes Lächeln auf ihr Gesicht, während sie zu ihrem Quartier schritt.

Ein letzter Moment der Ruhe

Früh am Morgen des nächsten Tages blickte Sylvie LeClerc, halb entspannt, halb fragend in Valand Kuehns Augen und fragte kaum hörbar: „Ist es wirklich nötig, dass du selbst an diesem verdammten Landeunternehmen teilnimmst? Der Trupp ist bei Tar´Kyren doch in guten Händen, oder etwa nicht?“

Der Norweger lächelte versonnen und verbesserte ebenso leise: „In den besten Händen, Honey.“ Er bewegte sich etwas und erwiderte den Blick seiner Freundin, deren Gesicht sich dicht über seinem befand. Dabei spürte er die Spitzen ihrer nackten Brüste sacht über seine Haut streichen. Er beugte sich vor und küsste zärtlich die geschwungenen Lippen seiner Freundin, bevor er hinzufügte: „Aber meine Anwesenheit bei dem Unternehmen ist diesmal leider nicht zu vermeiden.“

Die Französin bewegte ihre Hüften langsam im Rhythmus den Valand vorgab und nach einer Weile bog sie ihren Oberkörper zurück und gab ein leises Seufzen von sich, als sie die Hände Valands auf ihrem nackten Po spürte. Dabei gurrte sie heiser: „Ja, ich weiß, aber ich würde zukünftig nur sehr ungern auf solche Momente mit dir verzichten.“ Sie ließ ihren Oberkörper auf seine breite Brust zurücksinken und verstärkte gleichzeitig die Bewegungen ihres Beckens. Valand immer wieder kurz und heftig küssend schob sie ihre Hände unter seinen Rücken und seinen Nacken.

Die Hände des Mannes zerrten heftig die leichte, atmungsaktive Decke zur Seite, bevor sie sich um die schlanken Hüften der Französin legten und sie dort fest packten. Den Rhythmus seiner Unterleibbewegungen allmählich steigernd sagte er leise: „Mach dir keine Sorgen, mein Engel, ich habe nicht die Absicht, in absehbarer Zeit, eine Suite im Walhalla-Inn zu buchen.“

Sie küssten sich und als Sylvie nach einer Weile ihren Oberkörper zurück bog, und mit ihrer Linken seine Wange streichelte, da hauchte sie lächelnd: „Ich habe bislang immer das Thema Heiraten vermieden, weil ich weiß, wie sehr du Ahy´Vilara geliebt hast, Cherie. Aber ich würde es sehr gerne noch erleben, wie du mich zum Altar führst.“

Valand sah ein Glitzern in den Augen seiner Freundin, und ihm wurde bewusst, wie ernst es ihr mit dieser Aussage war. Er selbst hatte in den letzten Monaten immer wieder daran gedacht, das Thema jedoch nicht angesprochen, da er geglaubt hatte, dass Sylvie, in dieser Hinsicht, keine weitergehenden Pläne verfolgte. In sich hinein horchend spürte er, dass er selbst gleichfalls den Wunsch hegte, sein Leben mit Sylvie zu teilen. Glücklich lächelnd antwortete er: „Das würde mir gefallen, Honey.“

Sie küssten sich stürmisch, und sie liebten sich dabei immer leidenschaftlicher. Auf dem gemeinsamen Höhepunkt, presste sich die Französin ganz eng an ihren Freund und hauchte, als sich ihre Körper langsam entspannten, in sein Ohr: „Ich liebe dich, Valand. Ich liebe dich, seit wir uns an der Akademie begegnet sind, und ich bin in diesem Moment so glücklich, wie noch niemals zuvor in meinem Leben.“

Der Norweger hielt sie fest in seinen Armen. Erst nach geraumer Weile antwortete er: „Weißt du, kurz nach Ahy´Vilaras Tod, da dachte ich, ich würde nie wieder so etwas, wie Glück empfinden können. Doch ich habe mich damals geirrt. Obwohl es mir, als ich nach der Rückkehr der ALAMO, beinahe wie ein Verrat an ihr Andenken vorkam, als ich mich in Tamari Wer verliebte. Zu diesem Zeitpunkt erkannte ich jedoch gleichzeitig, dass es irgendwann eine Zeit geben wird, in der ich, auch in dieser Hinsicht, wieder nach vorne schauen werde. Ich werde Ahy´Vilara niemals vergessen, Sylvie, aber die Erinnerungen an sie beinhalten mittlerweile keine Bitterkeit mehr. Wenn ich an sie zurückdenke, dann stehen die positiven und schönen Dinge dabei im Vordergrund, nicht mehr die Tragik ihres frühen Todes, und die Frage, was hätte sein können, wäre sie noch am leben.“

Lange blickte Sylvie LeClerc in die Augen ihres Freundes, bevor sie ihn sehr sanft auf die Lippen küsste. Als sie ihn wieder ansah wirkte ihr Gesicht so fraulich weich wie es Valand bisher noch nie an ihr gesehen hatte. Leise fragte sie: „Dann willst du mich also tatsächlich heiraten, Cherie?“

„Ja, das möchte ich, Honey.“ Der Norweger beugte sich vor und gab ihr einen liebevollen Kuss. „Was würdest du von der Idee halten, wenn wir unsere Verlobung am Heiligen Abend bekanntgeben und feiern würden?“

„Mir wäre es lieber, wenn wir den Termin um sieben Tage nach hinten verlegen würden, denn an Silvester wird es genau fünfundzwanzig Jahre her sein, dass ich mir über meine Gefühle für dich im klaren wurde.“ Sylvie lächelte in Gedanken. „Das war kurz nach meiner Aufnahme in die RED-SQUAD und unserer ersten Begegnung. Du hattest mich spontan zu deiner Silvester-Party eingeladen. Und dort ist es dann passiert. Erinnerst du dich noch daran, als du mit mir getanzt hast?“

Valand Kuehn grinste in Gedanken. „Ich habe auf dieser Party mit jedem Mädchen getanzt, selbst mit der Tellaritin, die doppelt so breit war, wie ich. Sie hätte mir dabei fast das Kreuz gebrochen und ich hatte tagelang Probleme aufrecht zu gehen.“

„Seltsam, das habe ich im Laufe der Jahre irgendwie ausgeblendet“, lachte Sylvie und fragte feststellend: „Du bist einverstanden mit dem Termin?“

„Aye, das bin ich. Und wenn ich ehrlich bin, ohne dir damit zu nahe treten zu wollen: Silvester passt wirklich besser zu deinem Charakter.“

Sylvie gab Valand einen scherzhaften Klaps auf die Brust.

Dann küssten sie sich erneut lang und ausdauernd und die Hände der Französin begannen aufs Neue eine Erkundungsreise über den Körper ihres Freundes. Schließlich drehte sie sich auf den Rücken und sie liebten sich ein zweites Mal an diesem Morgen.

 

* * *

 

Als Rania Singh-Badt erwachte, verzogen sich ihre Lippen noch im Halbschlaf zu einem zufriedenen Lächeln. Erst dann kehrten ihre Gedanken zu dem Grund für dieses Lächeln zurück und mit einem zufriedenen Seufzen reckte die junge Inderin ihre Arme in die Luft und drehte sich im Bett auf die Seite. Dabei klatschte ihre rechte Hand auf etwas, das sich nicht wie eins der Kissen anfühlte.

„Aua...!“

Schnell öffnete Rania ihre Augen, zog die Hand zurück und blickte direkt in zwei braune Augen, die ebenso dunkel waren, wie ihre eigenen. Beinahe forschend musterten diese Augen sie. Dann verzogen sich die Lippen des Mannes, zu dem diese ausdrucksstarken Augen gehörten zu einem beinahe amüsierten Lächeln, wobei die Inderin deutlich den Abdruck ihrer Hand auf seiner linken Wange erkennen konnte.

„Dein Captain warnte mich gestern vor einer gewissen... Ungeschicklichkeit... deinerseits“, schmunzelte Alucard Farg und stützte seinen Kopf auf dem rechten Arm. Jetzt weiß ich, dass er nicht übertrieben hat. Guten Morgen, schöne Frau.“

Sofort überkam die junge Frau wieder jene leichte Verlegenheit, die im Laufe der Jahre fast zu einem Teil ihres Lebens geworden war. „Tut mir leid, Alucard, aber so bin ich nun einmal. Ich wollte, ich...“

Alucard Farg beugte sich schnell vor und verschloss den Mund der jungen Frau mit einem sanften Kuss. Erst nach geraumer Weile löste er sich wieder von Rania und meinte Augenzwinkernd: „Ändere dich bitte nicht. Du bist genau so, wie du sein sollst. Ich glaube fest daran, dass alles im Universum einen Sinn hat – also betrifft das auch deine Tappigkeit.“

„Erzähl das mal meinem Captain“, konterte die Inderin düster wobei sie sachte den Nacken des Mannes mit ihrer rechten Hand massierte. „Seinen letzten Einsatz hätte ich beinahe deswegen zunichte gemacht.“

„Aber du hast es nicht, richtig?“

Rania nickte schwach. „Richtig. Im Nachhinein wundere ich mich darüber, dass er mich danach nicht achtkantig aus seiner Crew geworfen hat.“

Alucard Fargs Miene wurde eine Spur ernster, als er erwiderte: „Vielleicht sollte ich dir das nicht erzählen, aber als ich mich, vor einigen Tagen, mit Captain Dheran unterhielt, da schien mir, dass er eine sehr gute Meinung von deinen Fähigkeiten hat. Nun, was mich betrifft: Ich finde deine Fähigkeiten, die du letzte Nacht unter Beweis gestellt hast, wirklich sehr beeindruckend.“

Die Hand der Inderin ließ den Nacken des Mannes los, um ihm einen kleinen Nasenstüber zu geben. „Denke jetzt nur nicht, dass ich mit jedem Mann sofort nach dem ersten gemeinsamen Essen ins Bett gehe. Genau genommen ist mir das bei dir zum ersten Mal passiert.“

„Verstehe, du wolltest mich mit deiner positiven Seite überzeugen, bevor die tappige Seite diesmal zu einem Problem werden kann“, spöttelte der Rumäne. Er stutzte erst, als Rania den Blick senkte und ihren Kopf zur Seite drehte. Als er sacht ihre nackte Schulter berührte, blickte sie mit traurigen Augen, zu ihm und der Mann sagte schnell: „Entschuldige bitte, Rania, ich ahnte nicht, das genau das ein Problem in deinem bisherigen Leben gewesen zu sein scheint. Zu meinem Wesen gehört das mitunter unbedachte Spotten. Es tut mir leid, wenn ich eine wunde Stelle damit berührt haben sollte, mein Engel.“ Er streichelte ihre Wange und beugte sich vor um sie auf die Lippen zu küssen.

„Ist schon gut“, sagte die junge Inderin leise wobei sie seinem Blick auswich. „Es ist nur so, dass es meistens wirklich so endete, dass ich Männer, an denen ich Interesse gezeigt habe, durch diese Tappigkeit verschreckte.“

„Bei mir wird dieser Schutzmechanismus nicht funktionieren“, erklärte Alucard Farg mit Ernst in der Stimme, und behutsam drehte er ihr Gesicht zu seinem. „Und nur zu deiner Information: Auch ich gehöre nicht zu den Männern, die gleich mit jeder Frau ins Bett gehen, Rania. Mir ist gestern, bei der Besprechung, sofort aufgefallen, dass du etwas ganz Besonderes bist, und ich möchte dich wirklich näher kennenlernen.“

„Noch näher, als letzte Nacht?“

Verdutzt blickte Alucard Farg der Inderin in die Augen. Erst als sein Gesicht sie zum Grinsen reizte, meinte er: „Hey, wer von uns ist jetzt die Spottdrossel?“

„Du hast anscheinend einen schlechten Einfluss auf mich.“ Bevor der Mann etwas darauf erwidern konnte, hatte die Inderin ihn an der Schulter sanft auf das Lager zurück gedrückt und beugte sich über ihn, um ihn gleich darauf liebevoll zu küssen, wobei ihr langes, schwarzes Haar in sein Gesicht fiel. Sie gab ein wohliges, beinahe katzenhaftes, Schnurren von sich, als seine Fingerspitzen, gleich darauf, sacht die Linien ihres Rückens und ihres Pos nachzeichneten. Schließlich schob sie sich über ihn und sie bäumte sich heftig auf, als er sie nahm. Viel zu lange schon war es her, dass sie mit einem Mann zusammen gewesen war und alles um sich herum vergessend liebte sie Alucard Farg, ganz entgegen ihres sonst so ruhigen Wesens, wild und ungezügelt.

Als sie später, erschöpft aber glücklich, eng umarmt neben einander lagen, blickte Alucard Farg die junge Frau in seinen Armen eindringlich an und bat leise: „Bitte gib auf dich acht, wenn du mit dem Konteradmiral unterwegs bist, mein Schatz. Ich habe dich gerade erst gefunden und ich möchte dich nicht schon wieder verlieren, hörst du?“

„So einfach wirst du mich nicht los“, lachte die junge Frau und blickte dem achtzehn Jahre älteren Mann fragend in die Augen. „Was wird aus uns werden, wenn der Einsatz vorbei ist, Alucard? Siehst du in mir wirklich eine Frau, die du dir an deiner Seite vorstellen könntest?“

Der Rumäne zog Rania etwas zu sich heran. „Ich kenne dich kaum, aber falls du dabei auf unseren Altersunterschied anspielen solltest, so möchte ich dich an die Hochzeit von Commodore Jean-Luc Picard, zu Anfang dieses Jahres, erinnern. Ich hörte, dass seine Frau einige Hundert Jahre älter sein soll, als er selbst, und das hat beide dennoch nicht abgehalten, sich in einander zu verlieben.“

„So alt sah seine Frau im Holovid gar nicht aus“, meinte die Inderin sinnend. „Kommandiert Picard nicht auch jetzt eine Sektorenflotte?“

Alucard Farg nickte. „Ja, die „Sektorenflotte-Sol“, wenn ich richtig informiert bin. Picard bestand dabei darauf, das Kommando über die ENTERPRISE zu behalten. Es gab daraufhin ein ziemliches Gerangel mit dem Oberkommando der Sternenflotte, weil die ENTERPRISE damit nicht mehr als Flaggschiff der Flotte fungieren konnte. Aber in Anbetracht seiner Verdienste, gab man Picard schließlich nach.“ Alucard Farg grinste offen und fragte dann: „Und wie alt sehe ich in deinen Augen aus?“

„Bestenfalls wie Neununddreißig“, grinste Rania vergnügt und drückte ihm schnell einen Kuss auf den Mund. Sein etwas enttäuschter Blick veranlasste sie, ihn gleich darauf nochmal zu küssen, diesmal länger. Leise sagte sie dann: „Wenn ich dein Alter nicht kennen würde, dann würde ich dich zehn Jahre jünger schätzen.“

„Wer´s glaubt“, grinste der Rumäne verschmitzt und strich ihr langes Haar zurück. „Aber es ist nett, das du das sagst.“ Dann wurde sein Gesicht übergangslos ernst und er flüsterte ihr leise zu: „Du bist eine wunderschöne Frau, Rania. Bitte denke an das, worum ich dich eben gebeten habe, wenn wir unterwegs sind.“

Die Inderin kuschelte sich in die Arme des Mannes und seit langer Zeit fühlte sie sich zum ersten Mal wieder rundherum glücklich und zufrieden. „Das werde ich, Alucard.“

Varala IV

Auf der Brücke der U.S.S. ASTARTE herrschte die übliche Dienstroutine und nichts verriet, dass das Raumschiff, zusammen mit neun weiteren, zu einem lebensgefährlichen Unternehmen aufbrach.

Vor wenigen Augenblicken hatte das Raumschiff der STEAMRUNNER-KLASSE vom unteren Pylon-2 abgelegt und sich zusammen mit den übrigen neun Raumschiffen der Sektorenflotte-Bajor formiert.

Hinter der Kommandobank, auf der Captain Alev Scenaris und ihr Erster Offizier, ein Izarianer namens Tarien Ferath, saßen hatten Tar´Kyren Dheran und Valand Kuehn Aufstellung genommen und stützten sich in fast derselben Haltung, mit beiden Händen auf das vor ihnen befindliche Duraniumgeländer ab. Beide Männer blickten gleichermaßen gespannt auf den Hauptschirm, auf dem sich die beiden vorausfliegenden Raumschiffe der LUNA-KLASSE abzeichneten. Die übrigen sieben Schiffe folgten hinter der ASTARTE.

Valand Kuehn blickte fragend zu seinem Freund, der mit grüblerischer Miene neben ihm stand und auf den Schirm starrte, während der Pulk, in geschlossener Formation auf den Eintrittsbereich des Wurmlochs zu hielt. Nur am Rande bekam er mit, wie sich, mit einem hellen Gleißen das Wurmloch öffnete und der Verband hinein flog. Er hatte diesen Effekt bereits einige dutzend Mal erlebt. Momentan interessierte ihn weitaus mehr, was in dem Andorianer vor sich ging. Bereits seit Tagen vermutete der Norweger, dass etwas in seinem Freund Tar´Kyren rumorte, und er beschloss, den direkten Weg zu beschreiten, um herauszufinden, was es war.

„Komm mit in den Bereitschaftsraum des Captains, Tar“, raunte er dem Freund zu, während der Verband im Begriff war, das andere Ende des Wurmloches zu passieren. „Wir beide haben etwas zu besprechen.“

Der Andorianer nickte nur und folgte seinem Freund nach hinten, wobei er mit Alev Scenaris, die sich kurz zu den beiden Männern umwandte, einen schnellen Blick wechselte.

Kaum, dass sich das Schott hinter ihnen geschlossen hatte, kam Valand Kuehn ohne Umschweife auf den Punkt. Seinem Freund direkt in die Augen sehend, blieb er im Zentrum des Raumes stehen und sagte, ruhig und mit Betonung: „Ich arbeite für den Geheimdienst der Sternenflotte, Tar.“ Der Norweger beobachtete genau das Mienenspiel des Freundes, bevor er hinzufügte: „Aber das überrascht dich nicht sonderlich, nicht wahr? Sub-Commander Enrom Tolaron hat dir diese Information, in einem günstigen Augenblick, zukommen lassen.“

Tar´Kyren Dheran erholte sich schnell von seiner Überraschung und erwiderte: „Ja, ich weiß es, aber wie kommst du ausgerechnet auf Tolaron?“

Ein launiges Lachen war die Antwort. „Ich spiele Schach mit den Mächtigen dieser Galaxis – nicht Blinde-Kuh. Ich war es, der Enrom Tolaron, über den Umweg einer Person, die ich bereits lange im Verdacht hatte, dass er für den Romulaner arbeitet, diese Information zukommen ließ. Ich hätte es ohnehin nur noch für kurze Zeit vor Tolaron verbergen können, und du solltest es ohnehin erfahren.“

Tar´Kyren Dheran, der nur wenige Augenblicke brauchte um zu erkennen, warum Valand ausgerechnet diese Form gewählt hatte, um ihn einzuweihen, atmete scharf ein und aus, bevor er heiser entgegnete: „Und dabei wolltest du auch gleich beobachten, wie ich darauf reagiere, richtig?“

„Richtig. Belassen wir es dabei, dass es notwendig war.“

Für einen langen Moment blickten sie einander beinahe belauernd an, bevor der Andorianer mit rauer Stimme fragte: „Weiß Admiral Tarun, oder sonst jemand, davon?“

Valand Kuehn lächelte dünn. „Torias Tarun weiß nur einige Details, aber nicht alles. Dasselbe trifft auf Vizeadmiral Ross zu. Ansonsten ist lediglich Sylvie eingeweiht – nicht einmal meine Schwester weiß davon, und so soll es auch bleiben.“

„Und wer garantiert dir, dass ich es nicht erzählen werde?“

Valand kam einen Schritt auf den Andorianer zu. „Du, Tar. Denn ich weiß, dass ich mich voll und ganz auf dich verlassen kann.“

Tar´Kyren Dherans Haltung entspannte sich langsam. Jetzt, da er wusste, was ihm seit einiger Zeit keine Ruhe gelassen hatte, fühlte er Erleichterung. Tief durchatmend sagte er: „Du kennst mich ziemlich gut, Valand, aber mach so etwas bitte nicht öfter mit mir, sonst werde ich ganz sauer.“ Er richtete seine Antennen auf den Freund und fragte dann, wieder etwas ernster: „Ich möchte, dass du mir sagst, warum du Sherman erlaubst, in Bezug auf dich, an den Fäden zu ziehen? Verschaffst du ihm vielleicht nicht gerade dadurch einen unfairen Vorteil im Rennen um die Wahl zum Chiefadmiral?“

„Nicht nur vielleicht, sondern ganz sicher sogar“, erwiderte Kuehn zur Überraschung des Andorianers, der im ersten Moment glaubte, sich verhört zu haben. Bevor Dheran Fragen stellen konnte, fuhr er eindringlich fort: „Hör mir zu, Tar: Was ich dir jetzt sage ist nicht nur wichtig, sondern auch hoch geheim. Dein Admiral Tarun darf nicht Chiefadmiral werden, sonst wird das Sternenflottenkommando zum Schlachtfeld der beiden werden, denn Sherman würde sich niemals mit einem Admiral Tarun an der Spitze der Sternenflotte abfinden. Die Allianz heizt uns bereits genug ein, auch ohne einen unberechenbaren Sherman im Nacken, der seiner Rache gegen Tarun frönt. Solche Grabenkämpfe in den eigenen Reihen kann sich die Föderation nicht erlauben. Außerdem würde Sherman garantiert einen seiner Vertrauten auf Taruns bisherigen Posten setzen, und seinen Einfluss auf die Taktischen Flotten vergrößern. Darum helfe ich Sherman. Da er daraufhin annehmen muss, dass ich bedingungslos auf seiner Seite stehe, habe ich die notwendige Ellenbogenfreiheit, die ich noch dringend brauchen werde. Sobald er gewählt worden ist, wird Vizeadmiral Ross das Oberkommando über den Sternenflottengeheimdienst übernehmen. Du selbst hast Ross kennengelernt. Er ist ein integrer Mann und ich verstehe mich sehr gut mit ihm – weitaus besser jedenfalls als mit Sherman, wenn du verstehst, was ich meine. Zusammen mit Admiral Janeway wird er ein wachsames Auge auf Sherman haben, während ich, von ihm unbeachtet, agieren kann.“

Tar´Kyren Dheran, der atemlos zugehört hatte, verkniff sich die Frage, warum es für Valand so wichtig war, Shermans Überwachung zu entgehen. Er spürte instinktiv, dass der Freund ihm über diese Details nichts verraten würde. Darum sagte er lediglich: „Und das alles unternimmst du zum Wohl der Föderation, nehme ich an.“

Valand nickte und blickte den Freund offen an. „Ja, das ist richtig. Irgendwann werde ich dir sagen können, warum das alles notwendig ist, aber im Moment ist es besser, wenn du davon noch nichts erfährst. Was du nicht weißt, kannst du auch nicht unabsichtlich verraten.“ Er blickte den Freund um Verständnis bittend an und meinte dann abschweifend: „Ich hoffe, du kommst trotzdem zu meiner Verlobung, mit Sylvie?“

Verdutzt blickte der Andorianer den Freund an, und verdrängte dabei, worüber Valand und er sich eben unterhalten hatten. „Verlobung? - Wann? - Wo?“

Ein erleichtertes Lächeln umspielte den Mund des Norwegers. „Wo ist mir auch noch nicht klar, aber zumindest weiß ich, dass es zu Silvester sein wird.“

„Es ist dir also wirklich ernst mit... Sylvie.“

Valand nickte in Gedanken. „Ja, und ich glaube, ich liebe sie bereits sehr viel länger, als ich es selbst weiß.“

Der Andorianer erwiderte amüsiert: „Zumindest liebt sie dich länger. Mindestens seit dem Wochenende in Aspen, während deiner letzten Monate an der Akademie.“

Valand seufzte schwach. „Das waren noch Zeiten.“ Dann straffte er sich, legte dem Freund seine Hand auf die Schulter und meinte: „Komm, wir verschieben diese Erinnerungen auf später – jetzt müssen wir einen schwierigen Einsatz durchführen.“ Dabei versuchte er nicht daran zu denken, dass ihm noch ein weiteres dieser Gespräche, mit Tar´Kyren bevorstehen würde, und dann vermutlich mit einem weitaus weniger glimpflichen Ausgang.

 

* * *

 

Alev Scenaris hatte es nur wenige Minuten auf ihrem Platz gehalten, bevor sie sich erhoben, und damit begonnen hatte, auf der Brücke von einer Station zur anderen zu marschieren. Gelegentlich warf sie dabei einen Blick zum Schott ihres Bereitschaftsraums. Sie hoffte nur, dass es kein ernsthaftes Zerwürfnis zwischen den Freunden geben würde. Immerhin war Tar´Kyren am Abend zuvor ziemlich aufgebracht gewesen, als sie in Valands Quartier zusammengesessen hatten. Und auch später hatte es in ihm rumort, das hatte sie nur allzu deutlich mitbekommen.

Umso erleichterter war sie, als sie die beiden Freunde schließlich aus dem Bereitschaftsraum kommen sah und zu erkennen war, dass es offensichtlich keinen ernsthaften Streit zwischen ihnen gegeben hatte. Schnell schritt sie den beiden Männern entgegen und fragte so leise, dass nur sie ihre Worte verstehen konnten: „Ist alles in Ordnung zwischen euch beiden?“

„Ja, das ist es, Alev“, antwortete Valand Kuehn ebenso leise und erkundigte sich dann in normaler Lautstärke: „Wie ist der momentane Status, Captain?“

Alev schmunzelte unmerklich, wobei ihr die Erleichterung deutlich anzumerken war. „Commodore LeClerc hat unseren kleinen Verband bereits bei Admiral Seregan angemeldet, und der Admiral gab vor wenigen Augenblicken an die PHOEBE durch, dass von Seiten der Sechsten Taktischen Flotte alles klar sei. Der Verband liegt seitdem mit Warp-9,8 auf Kurs und wird das Varala-System in knapp sieben Stunden erreichen, Sir.“

„Danke, Captain.“ antwortete der Norweger. „Und nun werde ich Sie nicht weiter von Ihren dienstlichen Obliegenheiten abhalten, und mich auf den Einsatz vorbereiten.“ Bei seinen letzten Worten zwinkerte er seinem Freund belustigt zu und entfernte sich dann in Richtung des Turbolifts, der sich im achteren Bereich der Brücke befand. Er hatte bereits kurz nach dem Start gemerkt, dass sich das Verhältnis zwischen Tar´Kyren und Alev spürbar entspannt hatte, und er gönnte es den beiden, bis zum Beginn des Einsatzes noch eine Weile mit einander verbringen zu können, ohne dass er dabei zugegen war.

Alev warf Valand einen schnellen, dankbaren Blick hinterher und übergab die Brücke ihrem Ersten Offizier, kaum dass der Norweger die Brücke verlassen hatte. Zu Tar´Kyren Dheran gewandt sagte sie: „Komm mit, du brennst doch bestimmt schon darauf, dieses Schiff zu besichtigen.“

„Sehr gerne“, stimmte der Andorianer zu und begab sich mit der Rigelianerin zum Turbolift. Sie mussten eine Weile warten, bis sich das Schott vor ihnen öffnete, und sie die Liftkabine betreten konnten.

Während sie nach unten fuhren, fragte Alev Scenaris: „Es scheint so, als wäre euer Gespräch ganz gut verlaufen?“

Der Lift stoppte, und während sie auf den hell erleuchteten, leeren Gang hinaus traten, antwortete Dheran: „Ja, wir haben uns wieder vertragen.“ Während sie neben einander durch den Gang marschierten fragte der Andorianer: „Wohin bringst du mich?“

„Zur Offiziersmesse, ich habe nämlich noch nicht gefrühstückt.“

Dheran warf der Rigelianerin einen missbilligenden Blick zu und meinte etwas vorwurfsvoll: „Du lässt immer noch Mahlzeiten einfach ausfallen?“

„Ja, stell dir vor.“

Sie sahen sich an und grinsten dann beide gleichzeitig.

„Langsam begreife ich, was du gestern damit gemeint hast, als du sagtest, dass wir uns irgendwann zwangsläufig getrennt hätten“, grummelte der Andorianer. „Dabei hätte es vermutlich einen Krach gegeben, den man noch am anderen Ende der Galaxis gehört hätte.“

„Mindestens“, seufzte Alev und widerstand der Versuchung, sich dabei bei dem Andorianer unterzuhaken. Das schickte sich nicht, während des Dienstes.

Sie bog mit Dheran schließlich nach Rechts ein und sie betraten wenige Augenblicke später die Messe. Ein wenig verwundert blickten sie auf das Paar, das sich an einem der Fenstertische gegenüber saß, und sich angeregt unterhielt. Sie schienen ihre Mahlzeit bereits vor einiger Zeit beendet zu haben.

Der dunkelhaarige Mann mit den eisgrauen Augen war Dheran nicht bekannt, doch die Frau war unverkennbar seine MACO-Kommandantin, Tal´Inuray Filiz. Tar´Kyren Dheran war natürlich bekannt, dass die MACO während des Dominion-Krieges, gegen Ende des Jahres 2373, recht früh zur Witwe geworden war. Ein Jahr zuvor erst hatte sie ihre Tochter, Ilinay zur Welt gebracht. Seit sie unter seinem Kommando stand hatte Dheran sie nie in Begleitung eines Mannes gesehen. Darum wirkte er nun etwas überrascht sie hier mit dem Dunkelhaarigen zu sehen. Umso mehr, als dass er Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz bislang stets nur von ihrer harten, dienstlichen Seite kennengelernt hatte. Ein wenig verwundert stellte er fest, dass er darüber fast vergessen hatte, dass sie gleichfalls eine Frau war, die auch zu sanften, fraulichen Gefühlen fähig war.

Die MACO blickte zu den beiden Captains und sagte schnell: „Guten Morgen. Möchten Sie sich vielleicht zu uns gesellen?“

„Natürlich, gerne“, erwiderte Alev Scenaris schnell, während Tar´Kyren Dheran sich einen leichten Snack replizierte. Nachdem auch sie sich ein Frühstück zusammengestellt hatte, begab sie sich zum Tisch und nahm neben der Andorianerin Platz, während Dheran sich einen Stuhl heran zog, und sich am Kopfende des Tisches niederließ.

Tal´Inuray Filiz ignorierte den Musste-das-sein-Blick des Petty-Officers und stellte ihn den beiden Captains vor.

Tar´Kyren Dheran nickte ihm zu und sagte: „Mir ist aufgefallen, dass Sie sich bei dem Training sehr gut geschlagen haben, Mister Corcoran. Ich werde auf Sie zählen, bei unserem Einsatz. Sie sind regulär auf der PHOEBE stationiert, nicht wahr?“

„Das stimmt, Sir. Bei der Sicherheit.“

Der Andorianer nahm einen Löffel von seiner Knollenwurzel-Suppe. Dann erst fragte er den Mann: „Haben Sie nie an einen Wechsel zu den Taktischen Flotten gedacht?“

„Sir?“

Dheran lächelte unmerklich. „Nun, ich dachte, dieser Aufgabenbereich würde Ihnen vielleicht liegen, nach ihren Leistungen beim Training zu urteilen, Mister Corcoran. Ich könnte vielleicht ein gutes Wort beim Commodore für Sie einlegen, falls Sie sich mit dem Gedanken an einen Wechsel tragen sollten. Aber das ist natürlich Ihre Entscheidung.“

Bei diesem Hinweis beließ es der Andorianer, und Corcoran räusperte sich und wechselte dabei einen schnellen Blick mit Tal´Inuray Filiz, bevor er antwortete: „Das ist sehr nett von Ihnen, Captain. Hat es mit der Entscheidung Zeit, bis nach dem Einsatz?“

„Hat es. Ach und Petty-Officer: Erzählen Sie das mit dem Nettsein nicht herum.“

Corcoran nickte, und Alev Scenaris erlaubte sich ein Schmunzeln. Sie hatte anhand der Reaktion des Petty-Officers bemerkt, dass er nicht ganz zufällig mit ihr hier am Tisch gesessen hatte, als sie mit Dheran hier eintraf. Die Rigelianerin fragte sich dabei insgeheim, ob Tar´Kyren die Situation zwischen seiner MACO und dem Petty-Officer instinktiv erfasst hatte, oder ob seine empathischen Fähigkeiten, auf kurze Distanz, auch ohne körperlichen Kontakt funktionierten. Der Andorianer hatte das zwar nie bestätigt, doch noch zu Akademiezeiten hatte sie ihn gelegentlich im Verdacht gehabt, ihr in dieser Hinsicht nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben.

Tal´Inuray Filiz schwieg, doch das weite Spreizen ihrer Antennen besagte deutlich, dass sie ihrem Captain dankbar war, für seinen Vorschlag. Dabei fand sie es erstaunlich, in welch kurzer Zeit ihr Captain die Situation erfasst hatte. Sie wusste nach beinahe drei Jahren, die sie nun miteinander auf der ICICLE dienten, natürlich längst, dass Dheran nicht der grobe Klotz war, den er gelegentlich nach Außen hin verkörperte. Doch dass er über eine derart sensible Wahrnehmung seiner Umgebung verfügte, das überraschte sie dennoch ein wenig.

Während Dheran und Alev Scenaris aßen fragte Laskant Corcoran: „Captain Dheran, wie schätzen Sie unsere Chancen bei diesem Unternehmen ein?“

Der Andorianer leerte schnell seine Schüssel, bevor er den Löffel zur Seite legte und antwortete: „Das sollten Sie vielleicht Lieutenant-Commander Filiz fragen. Sie hat, als Lieutenant, im Jahr 2375 einen ganz ähnlichen Einsatz geleitet. Und das sehr erfolgreich. Zusammen mit dem Umstand, dass mit dem Konteradmiral und mir selbst zwei weitere Offiziere dabei sind, die über ähnliche Erfahrungen verfügen, würde ich unsere Aussichten als ganz passabel beschreiben.“

„Was Captain Dheran in seiner bescheidenen Art damit sagen will, Petty-Officer, ist, dass das Sternenflottenkommando drei seiner besten Spezialisten für solche Einsätze aufgeboten hat, damit das Unternehmen ein Erfolg wird“, schmunzelte Alev Scenaris. „Wenn die es nicht schaffen, dann schafft es niemand, Mister Corcoran.“

Tar´Kyren Dheran wollte zu einer spöttischen Erwiderung ansetzen, doch er unterließ es, als er die Zuversicht im Gesicht des Mannes von Rigel-VII bemerkte. Vielleicht, so überlegte Dheran, war es so kurz vor einem gefährlichen Einsatz gar nicht mal so verkehrt, etwas auf die Pauke zu hauen. So beließ er es bei einem vielsagenden Blick, den lediglich Alev Scenaris vollständig deuteten konnte. Unter dem Tisch legte er seine Hand auf das Knie der Rigelianerin und drückte leicht zu, während er gleichzeitig sagte: „Sie müssen Captain Scenaris und mich nun entschuldigen.“

Alev Scenaris verstand den Wink und schloss sich dem Andorianer widerspruchslos an. Draußen auf dem Gang meinte die Rigelianerin schmunzelnd: „Die Verlegenheit des Petty-Officers war beinahe niedlich. Aber glaubst du wirklich, dass sich zwischen den beiden etwas Ernsthaftes entwickeln könnte?“

„Ja, und um das zu bemerken muss man kein Empath sein. Ich kenne Tal´Inuray Filiz gut genug, um die kleinen, fast unmerklichen Anzeichen dafür zu erkennen. Gerade für sie würde es mich ganz besonders freuen, denn nach dem Tod ihres Mannes, vor acht Jahren, hat sie, soweit ich das beurteilen kann, keinen Mann mehr emotional an sich heran gelassen. Und es scheint ihr sehr gut zu tun.“

Alev blickte sich schnell um, und sicher, dass niemand in der Nähe war, gab sie dem Freund einen schnellen Kuss auf die Wange und drückte ihn sanft. „Tief in dir drin bist du immer noch derselbe Junge, der es nicht ertragen konnte, dass Elisabeth an ihrem achtzehnten Geburtstag allein ist. Bitte bewahre das für immer in dir.“

 

* * *

 

Knapp sieben Stunden später tönten die Alarmgeber durch die ASTARTE und die Alarmpaneele leuchteten rhythmisch in einem satten Gelbton auf. Wie alle anderen Teilnehmer des Unternehmens hatten sich auch Valand Kuehn und Tar´Kyren Dheran in der hinteren Maschinensektion eingefunden. Der untere Schleusenraum, hinter dem Deflektor, war der am tiefsten liegende Punkt des Schiffes, und falls die beiden Transporter, aus irgend einem Grund versagen sollten, würde Plan-B zur Ausführung kommen: Der Absprung aus der Schleusenkammer.

Valand Kuehn sprach aus, was fast alle hier Versammelten dachten, als er leise zu seinem andorianischen Freund sagte: „Ich hoffe, dass es bei Plan-A bleibt.“

Der Andorianer grinste vielsagend. „Wann hat bei einem unserer Einsätze jemals ein Plan den ersten Feindkontakt überstanden?“

Der Norweger sparte sich die Antwort auf diese Frage und erwiderte ironisch: „Was mir an dir stets aufs Neue gefällt, Tar, ist dein grenzenloser Optimismus.“

Dherans Antennen bewegten sich schnell zur Seite um sich gleich darauf wieder aufzurichten. Einen Moment später begann die Schiffszelle zu vibrieren, und der Andorianer, so wie der Rest des Landetrupps ahnten, dass die ASTARTE, mit eindeutig überhöhter Geschwindigkeit, in die Atmosphäre von Varala IV eingedrungen war. Gleich darauf drang die Stimme der rigelianischen Schiffskommandantin aus dem Interkom.

„Die ASTARTE wird in dreißig Sekunden am Ziel sein. Bisher keine Reaktion der Jem´Hadar. Bereithalten für den Ort-zu-Ort Transport.“

Valand Kuehn tippte seinen Kommunikator an und erwiderte: „Hier Kuehn. Wir sind bereit für den Transport.“

Die Rigelianerin bestätigte.

Als Valand Kuehn wieder zu seinem Freund sah, verbesserte dieser säuerlich: „Du bist bereit, ich nicht. Aber bringen wir es trotzdem hinter uns.“ Sein Zwinkern besagte, wie er seine Worte gemeint hatte, und der Norweger grinste belustigt.

Ein heftiger Ruck lief durch das Schiff, und die Anwesenden mussten sich bemühen auf den Beinen zu bleiben.

„Das war eindeutig eine Reaktion“, bemerkte Kadettin Vilaeni Kirin, die sich den beiden Männern unauffällig genähert hatte.

Bereits im nächsten Moment ertönte die Durchsage: „Transport wird ausgeführt:“

Vor den Augen des Landetrupps löste sich die Umgebung in einem bläulichen Leuchten auf, um bereits im nächsten Moment einer kargen Felsenlandschaft Platz zu machen. Um sie herum wuchsen schroffe, graubraune Felswände steil in die Höhe.

Valand Kuehn blickte sich um und fand nach einigen Sekunden den sich verengenden Eingang zur Schlucht.

Die Teilnehmer des Unternehmens sammelten sich, ohne viel Worte zu machen, bei ihren jeweiligen Offizieren und truppweise rückten sie kurz darauf in Richtung der Schlucht vor, wobei sich Tar´Kyren Dheran fragte, wie sich der simulierte Angriff des Flottenverbandes, auf das Internierungslager der Jem´Hadar, momentan entwickeln mochte.

 

* * *

 

Commodore Sylvie LeClerc stand vor ihrem Kommandosessel, im Zentrum der Brücke ihres Schiffes, und blickte angespannt auf den Hauptschirm. Das rhythmische, rote Aufleuchten der Alarmpaneele unterstrich den Ernst der Lage und machte der blonden Frau nachhaltig bewusst, was in Kürze auf sie zukommen würde. Für einen Moment lang dachte sie an ihren Freund, als sie die ASTARTE mit aufflammenden Schilden in die obere Atmosphäre von Varala IV eintauchen sah. Die OBERON hielt sich dabei an Backbord der ASTARTE, quer ab.

Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgabe, als momentane Verbandsleiterin, und wandte sich dem rigelianischen Offizier am Steuer des LUNA-Kreuzers zu.

„Mister Scaraan, bringen Sie uns dichter an die ASTARTE heran.“

Während der junge Ensign den Befehl der Französin ausführte, und sich die PHOEBE auf der Steuerbordseite der ASTARTE positionierte, setzte sie sich langsam in ihren Sessel und befahl dem OPS-Offizier: „Lieutenant Sangreth, Signal an den Verband – Captain Jackson soll vorrücken und angreifen. Feuerfreigabe für die zuvor festgelegten Ziele.“

Wie schon so viele Male zuvor überkam sie nun jene beinahe unnatürliche Ruhe vor dem Kampf, wenn man realisierte, dass das Gefecht unmittelbar bevorstand, und die Dinge unausweichlich ihren Lauf nahmen. Dies war der Moment, in dem sich bei Raumschiffskommandanten, die sich das erste Mal in einer solchen Situation befanden, entschied, ob sie einer solchen Lage gewachsen waren, oder daran scheiterten.

Das leise Grummeln in der Magengegend, und die typische Anspannung bewiesen Sylvie LeClerc einmal mehr, dass diese Momente niemals Routine werden würden, sondern dass es lediglich darauf ankam, sich ihnen immer wieder aus Neue zu stellen, und damit fertig zu werden. Nur dies wurde von Mal zu Mal etwas leichter. Als sie das erste Mal ein Schiff ins Gefecht geführt hatte, da hatten ihre Hände gezittert, und ihr Puls war geflogen. Heute lagen ihre Hände beinahe entspannt auf den Sessellehnen. Mit klarer Stimme gab sie den nächsten Befehl, an ihren Taktischen Offizier.

„Lieutenant Crockett: Waffensysteme bereithalten. Sollten wir vom Boden aus angegriffen werden, dann müssen wir die ASTARTE decken.“

Der wuchtig gebaute Mann bestätigte knapp: „Aye, Commodore!“

Die drei Raumschiffe jagten, in einer unregelmäßigen Spirale, hinunter zur Oberfläche des Planeten, in der Hoffnung, dass diese nicht zu berechnende Flugbahn die Schiffe vor Treffern aus den Bodenstellungen schützen würde.

Sylvie LeClerc wechselte einen schnellen Blick mit ihrem Ersten Offizier, ein schlanker Vulkanier mit asketischen Gesichtszügen, dessen sprichwörtliche Ruhe im krassen Gegensatz zum Temperament seiner Vorgesetzten stand, als die ASTARTE ihren Absetzpunkt erreichte und Signal gab, dass der Trupp abgesetzt sei. In Augenblicken wie diesem schätzte sie diese Ruhe noch etwas mehr, als ohnehin schon. Sie konnten jetzt nur hoffen, dass der Ablenkungsangriff der übrigen sieben Raumschiffe, unter Thomas Jacksons Kommando, den erhofften Erfolg haben, und die drei Raumschiffe heil wieder den freien Weltraum erreichen, würden.

 

* * *

 

Auf der Brücke der U.S.S. MANASSES saß Captain Thomas Jackson in seinem Sessel und nahm die Meldung von der PHOEBE mit stoischer Ruhe entgegen. Während des letzten Krieges hatte er sich so Manches abgewöhnt, darunter auch, sich über Feuerüberfälle dieser Art aufzuregen. Dennoch behagte es ihm nach wie vor nicht, die Waffen seines Raumschiffs zum Zweck eines Angriffs einzusetzen, auch wenn er in diesem Fall die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes einsah. Darum zögerte er nicht die Befehle von Commodore LeClerc an den, von ihm geführten, Teilverband weiterzugeben.

Während sie vorrückten, dachte Jackson an die unangenehme Kampfregel: Wenn sich der Feind in Schussweite befindet, ist man selbst es zumeist auch. Darum hatte er bereits vor einer halben Minute Befehl an den Teilverband gegeben, die Schilde zu aktivieren. Nun befahl er: „Lieutenant Tanner, Signal an den Verband – wir greifen an.“

Sieben Sternenflottenraumschiffe, deren Bugsektoren auf die Planetenoberfläche gerichtet waren, verwandelten sich in Instrumente der Zerstörung. Allen voran die vier Raumschiffe der AKIRA-KLASSE feuerten sie ihren anvisierten Zielen, in schnellem Takt, grellweiß glühende Quantentorpedos entgegen. Gleich darauf traten auch die Phaserbänke der Raumschiffe in Tätigkeit und grell-orangene, gerichtete Nadionstrahlenbündel fingerten hinunter auf die planetare Oberfläche. Auf dem Bildschirm, der auf höchste Vergrößerungsstufe geschaltet war, konnte man erkennen, dass ein Großteil der abgefeuerten Torpedos, und die Phaserstrahlen, ihre Ziele trafen. Multiple Sekundärexplosionen zeigten die Vernichtung mehrerer Geschützstellungen an. Dort wo die Phaserstrahlen ihre Ziele verfehlten gruben sie sich tief in das Erdreich und erzeugten glühende Krater von mehreren Metern Durchmesser. Dabei wurde glühendes Erdreich und Felsgestein kilometerhoch in die Luft gewirbelt. Dort wo die Torpedos explodierten vibrierte die Planetenkruste.

„Captain, die Geschützstellungen sind bei der ersten Angriffswelle zu dreiundachtzig Prozent vernichtet worden!“, meldete der Taktische Offizier. „Ich messe bei den übrig gebliebenen Stellungen Energiespitzen an. Sie erwidern das Feuer!“

Wie zur Bestätigung schlug im nächsten Moment ein Plasmatorpedo im Bugschild der MANASSES ein. Ein weiterer verfehlte das Schiff nur um wenige Meter.

Fast gleichzeitig meldete die OPS: „Die CARPENTER meldet, dass ihre Langstreckenscanner eine Jem´Hadar-Flotte von siebenundvierzig Einheiten geortet haben. Sie wird in knapp neun Minuten hier sein. Zu dem Feindverband gehören drei überschwere Schlachtschiffe und vierzehn Schlachtkreuzer, Sir.“

„Verstanden, Ensign. Geben Sie das an die PHOEBE weiter.“

 

* * *

 

Als die Meldung von der MANASSES einlief, gab Sylvie LeClerc den Befehl: „Mister Scaraan, fliegen Sie uns weg von hier.“

Die Französin bekam die Bestätigung nur unterbewusst mit, als sie sich bereits an Tarinea Sangreth wandte: „Miss Sangreth, Geben Sie an die MANASSES durch, dass wir von hier verschwinden. Jackson soll, wie abgesprochen, mit dem Teilverband vom Planeten abdrehen und sich auf den Rückweg zum Wurmloch machen.“

„Aye, Commodore.“

Sylvie LeClerc hatte sich halb aus dem Sessel erhoben, als ein Polaronphaserstrahl, von der Oberfläche abgefeuert, in den Schilden des Schiffes einschlug. Das Raumschiff machte einen wilden Satz, und die Französin wurde postwendend wieder in ihren Sitz geschleudert. Mehrere Systeme wurden überlastet und stellten funkensprühend ihren Dienst ein, wobei sich ein unangenehmer Geruch nach Ozon auf der Brücke verbreitete.

„Mister Scaraan, variieren Sie die Ausweichmuster der PHOEBE stärker“, wies die Kommandantin ihren Steuermann an. „Me comprenez-vous, Monsieur?“

„Ja, Ma´am“, bestätigte der Rigelianer, der mittlerweile die Schrullen seiner Vorgesetzten kannte. Ihre Angewohnheit, mitunter Wörter oder Redewendungen der französischen Sprache in ihre Konversation einfließen zu lassen, war berüchtigt. Trotz der bedrohlichen Situation schmunzelnd, kam er ihrer Aufforderung nach und zwei weitere Angriffe der verbliebenen Bodenstellungen schlugen fehl.

„Und hören Sie auf zu grinsen“, bemerkte Sylvie LeClerc finster, obwohl Scaraan sich mit dem Rücken zu ihr befand. Etwas ungläubig fragte der Rigelianer sich, ob sie lediglich geraten hatte, oder ob sie ihn bereits wirklich so gut kannte.

Als die PHOEBE und die OBERON, zusammen mit der ASTARTE, aus den Schichten der oberen Atmosphäre ins freie Weltall hinaus rasten, meldete Lieutenant Sangreth: „Commodore, Captain Jacksons Teilverband geht eben auf Warpgeschwindigkeit.“

„Danke Lieutenant.“

Die Französin wandte sich an ihren vulkanischen XO, als auch die ASTARTE, und die beiden LUNA-Kreuzer auf Warpgeschwindigkeit gingen. „Commander, Sie haben die Brücke. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum.“

Damit erhob sie sich aus ihrem Sessel und schritt davon.

Nachdenklich blickte Liran ihr nach. Er ahnte, dass sie sich Sorgen um die Teilnehmer des Kommandotrupps machte.

 

* * *

 

„Ich hoffe, dass die Sensoren der Jem´Hadar, durch das Waffenfeuer unserer Schiff soweit gestört worden sind, dass man den Ort-zu-Ort Transport des Trupps nicht bemerkt hat“, erklärte Vilaeni Kirin, die sich seit dem Absetzen in der Nähe Dherans aufhielt. Seite an Seite marschierten sie durch die enge Schlucht. „Was denken Sie, Captain - glauben Sie, man weiß bereits von unserer Anwesenheit?“

Tar´Kyren Dheran blickte die junge Andorianerin eindringlich an. Bereits während ihres ersten Zusammentreffens an der Sternenflottenakademie, im August diese Jahres, war ihm bewusst geworden, dass diese junge RED-SQUAD in ihm so eine Art Held des Dominion-Kriegs sah. Wie alle jungen und begeisterungsfähigen Wesen, die selbst noch nie einen Krieg am eigenen Leib erlebt hatten, ahnte sie offensichtlich nicht, dass an einem Krieg nur sehr wenig wirklich heldenhaft war. Dheran hoffte insgeheim, dass sie diese Erkenntnis während dieses Einsatzes gewinnen würde.

„Schwer zu sagen“, antwortete der Andorianer schließlich. „Wenn ja, dann werden wir es schon sehr bald erfahren, fürchte ich.“ Er machte eine Pause und warf einen etwas unwilligen Blick auf das RED-SQUAD-Abzeichen, einem goldenen Stern auf rotem Sternenflotten-Delta, an ihrem Uniformkragen, bevor er seinerseits fragte: „Was hat Sie bewogen, der RED-SQUAD beizutreten, Kadettin Kirin?“

„Sir?“

„Nun, während meines zweiten Jahres an der Akademie hat man mir angeboten, der RED-SQUAD beizutreten, aber ich lehnte dies ab, weil ich der Meinung war, dass man nicht einer Organisation innerhalb einer Organisation beitreten muss, um gute Leistungen zu erbringen. Offen gesagt, von solchen Strukturen halte ich nicht sehr viel.“

Ohne es verhindern zu können bogen sich die Antennen der hübschen Andorianerin leicht nach Innen. Sie hielt ihre Emotionen jedoch im Zaum und antwortete überlegt: „Ich selbst betrachte es als eine Auszeichnung, zur RED-SQUAD zu gehören. Es motiviert mich dazu Besonderes zu leisten, Sir.“

Tar´Kyren Dheran war mit dieser Antwort nur bedingt zufrieden. Mahnend erwiderte er: „Ein guter Freund sagte mir einmal, das der Träger seiner Uniform ihren Wert verleihen sollte – nicht die Uniform seinem Träger.“

Die junge Kadettin hakte sofort ein: „Darf ich fragen, wer dieser Freund war, Sir?“

„Sie dürfen. Er marschiert an der Spitze unseres Trupps und gehörte zu seiner Kadettenzeit gleichfalls der RED-SQUAD an.“

„Ich wusste nicht, dass der Admiral mit Ihnen befreundet ist“, erklärte die junge Andorianerin und blickte etwas überrascht zu Dheran auf. „Aber Sie sagten doch gerade...“

„Ich habe nichts gegen Angehörige der RED-SQUAD, Miss Kirin. Ich habe nur etwas dagegen, dass man einige Kadetten möglicherweise mit falschen Idealen auf einen gefährlichen Weg führt, und ihre hochgesteckten Ambitionen ausnutzt. So, wie es Admiral Leyton, vor zehn Jahren, getan hat.“

Die Kadettin blickte Dheran offen an, als sie entgegnete: „Das ist ein dunkler Punkt, in der Historie der RED-SQUAD, Sir, aber ich denke, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen wird. Ich glaube, dass sich Leyton auch dann an Kadetten wie Riley Shepard und Seinesgleichen gewandt hätte, wenn sie nicht zur RED-SQUAD gehört hätten.“

Tar´Kyren Dheran blickte nach Vorne, wo er seinen Freund erkannte, der neben Rania Singh-Badt marschierte und das Tempo vorgab. Nachdenklich antwortete er: „Vielleicht...“

 

* * *

 

Im selben Moment wandte sich Valand Kuehn an seine Begleiterin: „Lieutenant Singh-Badt, wo befinden wir uns momentan?“

Die Inderin kramte eine kleine Kunststofffaltkarte aus ihrer Uniformtasche. Da man den Gegner nicht frühzeitig durch Energiesignaturen auf sich aufmerksam machen wollte, verzichteten sie vorläufig auf den Einsatz von Tricordern. Schon zu Kadettenzeiten hatte die Inderin eine besondere Begabung gezeigt, sich in unbekanntem Gelände, ohne technische Hilfsmittel zurechtzufinden und zu orientieren.

„Ich würde sagen, wir haben noch etwa einen Kilometer vor uns, Sir“, sagte sie schließlich und blickte den Konteradmiral überzeugt an.

Der Norweger nickte knapp. „Danke, Lieutenant.“

Während die Inderin die Karte umständlich wieder zusammenfaltete, fragte sie: „Sir, Darf ich fragen, warum wollten Sie ausgerechnet mich bei diesem Einsatz, als Taktische Leiterin, dabei haben wollten?“

Der Konteradmiral blickte die Inderin schmunzelnd an und erwiderte: „Captain Dheran hat sie für dieses Unternehmen vorgeschlagen, als ich ihn um einen Taktischen Offizier mit hervorragenden Referenzen bat. Er hat es Ihnen vielleicht nicht gesagt, aber ich bin sicher, dass er Ihnen eine Menge zutraut. Sonst wären Sie nicht hier.“

Der Admiral grinste offen, als er die ungläubige Miene der Inderin bemerkte und erklärend fügte er hinzu: „Ihr Captain ist selbst schwer zu durchschauen, besitzt aber andererseits die Fähigkeit, andere Wesen gut einschätzen zu können. Er hat mir von Ihrer unfreiwilligen Teilnahme an seinem letzten Einsatz berichtet, und ich bin mir sicher, dass er Sie dabei sehr genau beobachtet hat, Lieutenant. Wenn ihm nicht gefallen hätte, was er dabei gesehen hat, dann hätte er Ihnen gleich nach der Rückkehr der ICICLE nahegelegt, sich auf ein anderes Schiff versetzen zu lassen, das dürfen Sie mir glauben.“

Die Inderin nickte. „Damit hatte ich eigentlich auch gerechnet, nachdem wir wieder auf STRATEGICAL STARBASE 71 ankamen. Hat der Captain Ihnen erzählt wie wir uns das erste Mal begegnet sind?“

Kuehn verneinte, und die Inderin umriss in knapper Form, wie sie ihn in seinem Arbeitsoverall nicht erkannte, und ihn ihr Gepäck hatte schleppen lassen.

Als sie endete lachte der Konteradmiral unterdrückt und erklärte amüsiert: „Das ist mein Freund Tar, wie er leibt und lebt.“

Die Inderin schmunzelte unterdrückt. Als sie der Norweger deswegen fragend musterte, erklärte sie: „Ich musste gerade daran denken, dass Tar in früherer Zeit, im britischen Seefahrer-Slang, einen Seemann bezeichnet hat, Sir. Frei übersetzt: Teerjacke. Eines meiner Hobbys ist die Geschichte der britischen Kriegsmarine, müssen Sie wissen.“

„Interessant, Miss Singh-Badt. Das hatte ich nicht geahnt.“

Sie schwiegen und blickten nach Vorne wobei die Inderin spürte, welche Ruhe und Sicherheit der Admiral ausstrahlte. In dieser Hinsicht stellte er selbst seinen Freund Dheran in den Schatten, befand die junge Frau.

Nach weiteren fünf Minuten deutete Rania Singh-Badt nach Vorne. „Dort ist der Höhleneingang, von dem Sub-Commander Tolaron behauptet hat, er würde zu einem unterirdischen Fluss führen, in den hinein zwei Abwasserkanäle des Internierungslagers führen sollen. Hoffen wir, dass diese Angaben korrekt sind, Sir.“

 

* * *

 

Der Gefangene saß, mit angewinkelten Beinen, auf dem Boden seiner Gefängniszelle und wiegte seinen Oberkörper langsam hin und her. Seine ehemals schwarze Uniform wies zahlreiche Risse, Löcher und Flecken auf. Sein Gesicht war gesprenkelt von kleineren und größeren Wunden und Blutergüssen, die sich dunkelblau gegen das hellere Blau seiner normalen Hautfarbe abhoben.

Längst hatte Hat´Meran Teron jegliches Gefühl dafür verloren, wie lange er sich nun bereits in den Händen der Jem´Hadar befand, doch es mussten mehr als fünf Jahre sein, so wie sie in der Föderation gezählt wurden. Dem Andorianer kam es vor wie Jahrzehnte.

Siebzehn Fluchtversuche hatte er in dieser Zeit unternommen – alle waren gescheitert, und von Mal zu Mal hatte er weniger Hoffnung empfunden, aus diesem Internierungslager jemals lebend zu entkommen.

Früher war er von kräftiger und durchtrainierter Gestalt gewesen, doch nun war er hager, beinahe ausgemergelt, und nur noch ein Schatten seiner selbst. Doch noch hatten sie ihn nicht endgültig gebrochen, das spürte er, immer wenn er in sich hinein horchte. Vielleicht war es töricht anzunehmen, dass es noch Hoffnung für ihn gab, doch noch hoffte er. Es war das Einzige, was ihn davor bewahrte innerlich zu zerbrechen und hilflos zu kapitulieren.

Ein kaltes Funkeln trat in seinen Blick, als er kurz an die anderen Gefangenen dieses Lagers dachte.

Cardassianer.

Dieser Abschaum der Galaxis war es, dem er seine momentane Lage zu verdanken hatte, denn hätten sie sich nicht an das Dominion verkauft, so wäre er vermutlich niemals in diese Lage geraten. Darum fühlte er auch keinen Funken Mitleid mit den Frauen und Kindern dieser Spezies, welche alle Sternenteufel zugleich holen mochten.

Die Antennen des gefangenen Andorianers bewegten sich unruhig. Er wusste nicht einmal, wie der Krieg nach seiner Gefangennahme weiter verlaufen war. Tobte er noch in den verschiedenen Sektoren des Alpha- und Beta-Quadranten, oder hatte das Dominion diese beiden Quadranten längst überrannt?

Wie immer in solchen Momenten dachte Hat´Meran Teron an seine Familie, auf Andoria. Wie mochte es seinen Eltern gehen? Lebten sie noch?

Längst hatten die Jem´Hadar aufgehört ihn zu verhören. War das nicht ein Zeichen dafür, dass sie den Krieg längst gewonnen hatten, und keinerlei Informationen von ihm benötigten? Vielleicht war das alles aber auch nur Schliche.

Worauf dieses Pack nicht verzichtete war, ihn regelmäßig zu foltern. Entweder aus der Macht der Gewohnheit heraus, oder schlicht deswegen, weil sie sadistisch veranlagt waren. Sein einziger Trost war, dass sie bei diesen Methoden auch nicht vor den cardassianischen Frauen halt machten, die sich in ihrer Gewalt befanden. Das hatten sie davon, mit solchen Teufeln zu paktieren.

Er wusste nicht wie lange er damit zugebracht hatte, über solche finsteren Gedanken zu brüten, als entfernte Schritte auf dem Gang erklangen.

Sie kamen um ihn erneut zu misshandeln.

Hat´Meran Terons Hände ballten sich zu Fäusten. Ihr werdet mich auch diesmal nicht brechen... Niemals...

 

* * *

 

Zwei Gruppen des Stoßtrupps unter Kuehns Leitung, waren in den linken der beiden Kanäle eingedrungen, während sich die anderen beiden, unter dem Kommando von Dheran, durch den rechten Kanal vorarbeitete. Sie hatten etwa hundert Meter zurückgelegt, als der Andorianer stehenblieb. Der üble Geruch, der sie bereits die ganze Strecke über begleitet hatte, war inzwischen zu kaum erträglichem Gestank geworden. Die Wände, an denen sie sich durch die Finsternis entlangtasteten, waren rissig, feucht und kalt. Mit den Füßen wateten die Eindringlinge durch die ersten Wasserlachen. Vilaeni Kirin, die direkt hinter Dheran ging, stieß gegen ihn.

„Was ist passiert, Sir?“ flüsterte sie.

„Sauerstoffmangel“, erklärte Dheran. „Die Luft wird schlechter.“

„Irgendwo muss es Abzugs- und Belüftungsschächte geben“, meinte die Kadettin. „Früher oder später werden wir dort angelangen.“

Dheran hörte die anderen ebenfalls herankommen. Er fragte sich, ob er es wirklich verantworten konnte, die Männer und Frauen weiter in den Kanal eindringen zu lassen.

Dheran erklärte ihnen, weshalb er angehalten hatte.

„Wenn es schlimmer wird, können wir noch immer umkehren“, sagte Vilaeni Kirin zuversichtlich. „Meine Nase war noch nie empfindlich.“

Dheran hörte, dass die Anderen zustimmend brummten. Ihre Füße scharrten auf dem feuchten Boden. Irgendwo war ein Plätschern zu hören.

„Wir müssen dicht hintereinander bleiben“, ordnete Dheran an, der so lange wie nur irgend möglich darauf verzichten wollte, eine Energiequelle zu aktivieren. „Es kann sein, dass Sickerschächte oder andere Löcher im Boden sind.“

„Dann sollte vielleicht ich vorangehen, Sir“, schlug Kadettin Kirin vor. „Ich bin leichter als Sie, und wenn Sie sich mit einer Hand an meiner Schulter festhalten, dann können Sie mich notfalls festhalten und wieder hochziehen.“

„Ein guter Vorschlag“, befand Dheran.

Gleich darauf spürte die junge Andorianerin, wie sich die kräftige Hand des Captains auf seine Schulter legte. In dieser Situation wirkte es beruhigend, einen Mann mit einer Konstitution wie der Dherans bei sich zu haben.

„Gut“, sagte Dheran gedämpft. „Weiter jetzt!“

Vilaeni Kirin schlug kein besonders schnelles Tempo ein. Sie hielt es für besser, auf ihre Sicherheit zu achten, als blindlings durch die Gänge zu rennen. Bei jedem Schritt tastete sie den Untergrund mit den Füßen ab.

Es wurde immer feuchter. Die Zahl der Lachen nahm zu. Von der unsichtbaren Decke fielen Tropfen auf die Männer und Frauen herunter. Kleine Tiere huschten zwischen ihnen umher, aus ihren Verstecken aufgescheucht. Wo es jedoch Tiere gab, musste auch Sauerstoff zum Atmen sein.

Ein Rauschen drang an Dherans Ohren, das ständig an Lautstärke zunahm, je weiter sie kamen.

„Glauben Sie, dass das ein weiterer Kanal ist?“ fragte Vilaeni Kirin vor ihm. Sie musste ihre Stimme etwas heben, um das Geräusch zu übertönen.

„Wir werden sehen“, erwiderte Dheran.

„Halten Sie mich gut fest, Sir.“

Nachdem sie weitere fünfzig Meter zurückgelegt hatten, stießen die Füße der Andorianerin auf etwas Hartes. Sie blieb stehen und bückte sich.

„Ein Metallgitter“, informierte sie die anderen. „Offensichtlich befindet sich darunter jener Kanal der in das Innere des Internierungslagers führt.“

Sie hörten das Rauschen und Plätschern des Wassers. Ein Laut, als bewege sich dort ein rostiges Scharnier, kam aus der Tiefe.

Vilaeni Kirin erschauerte. Der Gestank war jetzt so schlimm, dass sie glaubte, inmitten eines Berges von Müll zu stecken. Sie begann das Gitter abzutasten. Es war eine Art Rost, offensichtlich dafür bestimmt, größere Gegenstände, die den Kanal verstopfen konnten, aufzuhalten. Sie überwand ihren Widerwillen gegen das glitschige Metall und suchte nach einem Schloss oder einem Riegel.

„Nichts“, sagte sie nach einiger Zeit. „Wir kommen hier nicht durch.“

„Lassen Sie mich einmal probieren, Kadettin“, erklärte Dheran. „Wenn ich es auch nicht schaffen sollte, dann müssen wir eben Gewalt anwenden.“

Die Kadettin trat zur Seite.

Der andorianische Captain packte den Rost mit beiden Händen. Dann hob er an.

Für einen langen Moment hörte man nur Dherans unterdrücktes Stöhnen. Dann gab das Gitter knirschend nach.

Dheran lachte triumphierend.

Einer nach dem Anderen kletterte nun hinunter, wobei Dheran, der sich als Erstes hinab gelassen hatte, den Nachfolgenden zu Boden half.

Dann gingen sie weiter.

Irgendein Kleintier sprang Dheran an und verbiss sich in seiner Hose. Er schleuderte es mit einem Tritt davon. Kreischend prallte es gegen die nächste Wand und floh dann.

Der Weg durch die vollkommene Finsternis war schwieriger, als er angenommen hatte. Dheran wusste jedoch, dass er sich auf seine Gefährten verlassen konnte.

Wieder ging Vilaeni Kirin voraus. Plötzlich griff ihre Hand, die an der Wand entlang glitt, ins Leere. Sofort blieb sie stehen. Behutsam suchte sie die Umgebung ab, aber nur hinter sich fand sie festen Halt. Genau im rechten Winkel musste ein Seitenarm der Kanalisation in die Erde hineinführen.

Die junge Andorianerin schilderte Dheran ihre Entdeckung.

„Vielleicht gibt es auch auf der anderen Seite Abgänge“, meinte Dheran. Dann sagte er ruhig zu den Anderen: „Bleiben Sie auf Ihren Plätzen. Ich werde mit Kadettin Kirin untersuchen, was hier los ist.“

Gemeinsam bewegten sie sich durch die Finsternis.

Nachdem sie eine Minute ständig nach rechts gegangen waren, hielt Kirin an. „Die Mauer, Sir“, sagte sie erleichtert. „Ich glaube, der Gang, durch den wir kamen, gabelt sich an dieser Stelle. Wir müssen uns entscheiden, ob wir rechts oder links weitergehen.“

„Rechts“, entschied Dheran Sie riefen die übrigen und setzten ihr Eindringen fort.

 

* * *

 

Etwa zur selben Zeit passierte Kuehn, zusammen mit seinen beiden Gruppen, eine Stelle, an der ihr Kanal zum Teil eingebrochen war. Sie mussten über Trümmer hinweg klettern und durch einen See stinkender Brühe waten, bis sie ihr Marschtempo wieder aufnehmen konnten.

Kuehn, der bis zu den Knien im Wasser gestanden hatte, fühlte den Stoff seiner Hose an den Waden kleben. Er hatte den Eindruck, als sei es jetzt wärmer geworden. Es war möglich, dass das Lager unterirdisch beheizt wurde. Vielleicht gingen sie in diesem Augenblick unter einem großen Heiztunnel entlang.

Rings um sie war jetzt ununterbrochen das Geräusch fließenden Wassers. Kurz darauf stießen sie auf den ersten eigentlichen Kanal. Er war in der Mitte vertieft, eine Metallrinne führte hindurch. Zu beiden Seiten der Rinne verlief eine Art Laufsteg. Die beiden Stege standen jedoch unter Wasser. Schlick, Algen und andere Parasiten hatten sich darauf festgesetzt. Dadurch wurde der Untergrund schlüpfrig.

Der Steg, über den sie gingen, besaß kein Geländer auf der Seite der Rinne, aber die tastenden Hände der Männer und Frauen fanden in regelmäßigen Abständen Griffe, die in die Wand eingelassen waren. Aus unzähligen kleinen Seitenkanälen floss ständig Wasser in die Hauptrinne. Bereits nach mehreren Metern waren die Eindringlinge vollkommen durchnässt.

Zu seiner Erleichterung stellte Kuehn fest, dass diese Abwässer bereits irgendeinen Filterungsprozess durchgemacht hatten, so dass der Gestank wenigstens einigermaßen erträglich blieb. Bakterien würden in der Flüssigkeit kaum enthalten sein, denn selbst die Spezies der Jem´Hadar war darauf bedacht, ihre Anlagen keimfrei zu halten. Aber auch sie konnten bestimmt nicht vermeiden, dass sich hier unten Bakterien entwickelten und gediehen.

Hinter ihnen wurde das Rauschen lauter. Es schien, als sei unverhofft ein großer Wasserfall in Tätigkeit geraten. Das Geräusch kam schnell näher.

„Festhalten!“ rief Kuehn. Er klammerte sich mit beiden Händen an einen Griff und stemmte die Füße in den Winkel zwischen Wand und Boden.

Sekunden später sah er seine Vermutung, dass eine Abwasserflut durch den Kanal spülte, bestätigt. Eine Masse von Schaum aus Chemikalien und Schmutz raste heran.

Alle Beteiligten nahmen einen Atemzug und hielten die Luft an. Im gleichen Augenblick prallte das Wasser gegen ihre Körper, riss ihre Füße aus der notdürftigen Verankerung und drohte sie mitzureißen.

Entschlossen hielten sich alle an den Griffen fest.

In Kuehns Ohren rauschte und dröhnte es. Jeden Augenblick glaubte er, nach Luft schnappen oder den Griff loslassen zu müssen.

Dann war die erste Flut vorüber.

Kuehn und seine Begleiter konnten kurz Luft holen, obwohl das Wasser noch immer bis zu ihren Hälsen reichte.

„Alles in Ordnung, Sir?“, fragte Rania Singh-Badt mit gepresster Stimme.

„Ja“, brachte Kuehn hervor.

„Ich habe jemanden am Kragen“, gab Petty-Officer Scerrin bekannt. „Wenn ich ihn nicht festgehalten hätte, wäre er weggeschwemmt worden.“

„Ich werde ersticken, wenn Sie mich nicht bald loslassen, Mister“, sprudelte die unverkennbare Stimme von Tal´Inuray Filiz hervor.

In Sekundenschnelle sank das Wasser. Die Männer und Frauen konnten wieder auf eigenen Beinen stehen. Ihre Kleidung war zum Glück weitgehend wasserdicht.

Kuehn gab das Kommando weiter zu marschieren.

Der Boden wurde ständig unebener. Schlamm und Abfallreste bedeckten die beiden seitlichen Stege und füllten die Rinne aus. Bis zu den Knöcheln versanken die Füße darin.

Nur das Platschen ihrer Füße im Wasser und das ununterbrochene Rauschen der Kanäle war zu hören. Aus einem kleinen Seitenkanal wurden sie mit säurehaltiger Flüssigkeit übersprüht, aber sie ertrugen das leichte Brennen auf der Haut, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Einige Meter weiter erhellten die ersten trüben Leuchtkörper den Gang – ein sicheres Zeichen dafür, dass man sich dem Lager näherte.

An einem Staufeld vorbei gelangten sie in einen tiefer gelegenen Kanal. Meterhoher Schaum hatte sich über dem Schutzschild der Stauanlage gebildet. Durch das Wirbeln des abfließenden Wassers wurden die Flüchtlinge buchstäblich, in Schaum gebadet.

Kuehn hockte sich mitten auf den Stauschutz und klammerte, sich mit einer Hand fest. Die frei gebliebene Hand benutzte er dazu, um Lieutenant Singh-Badt als Erste in den tiefer gelegenen Kanal hinab zu lassen.

Nachdem sie alle den Kanal gewechselt hatten, folgte der Norweger, als Letzter. Schaumflocken wirbelten hinter ihnen her.

Schnell begab er sich wieder zu der Inderin an die Spitze. Das Problem, das Kuehn am meisten beschäftigte, war die Frage, wo sie schließlich herauskommen würden. Es gab unzählige Möglichkeiten, und er konnte nur hoffen, dass das Glück ihnen hold sein würde.

Die Wirkung des Heiztunnels hatte spürbar nachgelassen. Die Haare der Beteiligten, sofern sie welche besaßen, trockneten nur langsam.

Unterwegs wurde er ständig neu durchnässt. Praktisch fror man nun ununterbrochen, aber sie hatten keine Zeit sich darüber Sorgen zu machen. Ihre ganze Aufmerksamkeit wurde von der Umgebung in Anspruch genommen.

Rania Singh-Badts Aufschrei kam so unerwartet, dass Kuehn zusammenfuhr. Er blieb sofort stehen. Die Inderin stöhnte und fluchte gleichzeitig. „Was ist los, Lieutenant?“, erkundigte sich Valand Kuehn.

„Ich weiß nicht“, sagte die Frau unsicher. „Ich bin in eine Falle getreten.“

„Falle?“ Kuehn wischte mit beiden Händen über sein nasskaltes Gesicht.

„Etwas hat zugeschnappt“, berichtete die Inderin mit zittriger Stimme. „Mein Fuß hängt jetzt drin, und ich kriege ihn nicht los.“

Es war nicht anzunehmen, dass die Jem´Hadar hier unten Fallen für rattenähnliche Tiere aufgestellt hatten. Um diese zu bekämpfen, gab es weitaus wirksamere Mittel.

„Ich sehe nach, was es ist“, erklärte Kuehn und bückte sich.

Geduldig warteten sie, bis der Admiral den Untergrund abgesucht hatte. „Fühlt sich an wie eine Muschel“, sagte er schließlich. „Ein ziemlich großes Ding. Es hält Ihren Fuß fest umschlossen, Lieutenant und sitzt seinerseits im Schlamm fest. Außen ist es knochenhart, aber an den Öffnungen weicher.“

Kuehn versuchte das Gebilde auseinander zu bewegen Dabei fragte er nach oben:„Haben Sie starke Schmerzen, Miss Singh-Badt?“

Die Frau gab ein glucksendes Geräusch von sich.

„Ein Fußbad ist angenehmer“, meinte sie mit erzwungener Fröhlichkeit.

Kuehn hörte sie mit den Zähnen knirschen. Er meinte: „Okay, ich werde jetzt versuchen, das Ding aufzubrechen.“

Wasser spritzte auf und Kuehn schnaubte wie eine Dampfmaschine. Ein Ächzen drang über seine Lippen, dann ein resignierter Fluch. Im nächsten Moment gab einen Ruck und Kuehn fiel gemeinsam mit der Inderin in die Rinne. Prustend und hustend kletterten sie daraus hervor.

„Sind Sie frei, Lieutenant?“ fragte Kuehn hoffnungsvoll.

Die anderen wurde langsam unruhig.

„Ja, Sir“, antwortete die Inderin zur allgemeinen Erleichterung. Sie unterdrückte ein schmerzhaftes Stöhnen, als wieder Blut in ihren Fuß pulsierte. Dankbar ließ sie sich von Kuehn helfen, als sie ihren Marsch fortsetzen.

 

* * *

 

Tar´Kyren Dheran hatte das Gefühl, bereits seit Stunden durch das Labyrinth der Abwasseranlage zu irren.

Unerwartet wurde der Kanal, durch den sie gingen, von einer Sperre unterbrochen. Vilaeni Kirins Hand stieß auf Metall. Das Wasser fand weiter unten Durchlass, doch das Gitter in der Sperre war viel zu klein, um die Männer und Frauen durchzulassen.

„Wir kommen nicht weiter“, rief Dheran seinen Gefährten zu.

Die Kadettin untersuchte die Sperre. „Sie ist nicht immer in dieser Stellung“, sagte sie nach einer Weile. „Offensichtlich wird sie nur herabgesenkt, wenn größere Gegenstände aufgefangen werden sollen.“

„Vielleicht haben die Jem´Hadar unser Eindringen entdeckt“, meinte Nerlian Coraal unsicher. „Und jetzt sperren sie die Kanäle.“

„Ich habe einen Seitengang entdeckt“, meldete sich einer der Männer des Teams. „Er ist jedoch ebenfalls versperrt.“

Dheran arbeitete sich durch die stinkende Brühe zu dem Mann durch. Der seitliche Kanal war nicht groß, sein Durchmesser betrug nur zwei Meter.

Nachdem der Andorianer zehn Schritte in ihn eingedrungen war, stieß er auf eine geschlossene Metallwand.

„Hier ist ein Hebel oder irgend etwas, das sich so anfühlt!“, rief Nerlian Coraal vom Hauptkanal. „Vielleicht wurde er für Notfälle angebracht, wenn die automatische Regelung einmal ausfallen sollte.“

„Vorsicht, Lieutenant“ warnte Kuehn. „Bewegen Sie ihn nicht.“

Der Andorianer beeilte sich, in die Nähe der Saurianerin zu kommen.

Die Saurianerin führte ihn auf den Hebel zu.

Dherans ausgestreckte Hand bekam einen Metallgriff zu fassen. Er versuchte, ihn behutsam nach oben oder unten zu drücken. Er wackelte etwas, gab jedoch nicht nach. Der Andorianer verstärkte den Druck.

Unerwartet gab der Hebel mit einem Ruck nach und rastete ein Stück weiter oben ein. Ein Knirschen, als rieben zwei raue Metallflächen gegeneinander, drang an die Ohren der Eindringlinge. Das Geräusch ließ Dheran frösteln.

„Die Sperren öffnen sich!“, rief Kirin.

Vom Seitengang kam Wasser geschossen, es ergoss sich mit unverhoffter Wucht über die Männer und Frauen. Dheran wurde von den Beinen gerissen und fiel in die aufschäumende stinkende Flut. Doch gleich darauf packte eine kräftige Männerhand ihn am Kragen und zog ihn zu einem höher gelegenen Teil des Ganges.

Der Seitengang musste unter Wasser gestanden haben. Als Dheran die Absperrungen geöffnet hatte, waren die Abwässer blitzschnell in den Hauptgang eingedrungen. Die Flut ließ jedoch rasch nach.

Dheran blickte auf und sagte krächzend: „Danke, Crewman.“

Dann wies er die Leute des Teams an, durch den Verbindungsgang den nun halbwegs wasserfreien Parallelgang aufzusuchen. Schwaches Licht drang aus der Öffnung zu ihnen.

Der Trupp bewegte sich nun durch den neu entdeckten Röhrengang. Wieder übernahm Kadettin Kirin, neben Dheran, die Spitze.

Tar´Kyren Dheran atmete tief ein und aus und hoffte, sie würden sich nun bald an einem der von oben kommenden Vertikalschächte befinden, über den sie in das Innere des Lagers zu gelangen gedachten. Im nächsten Moment gab das Gitter unter seinen Füßen nach und zusammen mit Vilaeni Kirin, die einen spitzen Laut von sich gab, sauste er in die Tiefe.

 

* * *

 

Hat´Meran Teron wurde von seinen Wächtern mehr zurück zu seiner Zelle geschleift, als dass er ging. Diese Zelle lag auf einer tiefer gelegenen Ebene des Gefängnistraktes, als die der anderen Gefangenen. Auch dieses Mal hatten sie ihm keine einzige Frage bei ihren Misshandlungen gestellt.

Als einer der Wachen sein Zellenschott öffnete, spürte der Andorianer ein Vibrieren des Bodens. Zunächst dachte er an eine Sinnestäuschung, doch dann durchliefen zwei weitere Vibrationen den Boden – diesmal deutlich spürbar.

Hat´Meran Teron hatte genug Erfahrungen mit Landeunternehmen während des Krieges sammeln können, um zu wissen, dass diese Erschütterungen nicht auf seismische Aktivitäten des Planeten zurückzuführen waren.

Der Planet wurde aus dem Raum angegriffen.

Ein brutaler Stoß des Jem´Hadar, der ihn festhielt, beförderte ihn unsanft in seine Zelle, und noch während er zu Boden sackte schloss sich das Schott bereits wieder. Er hörte, wie sich die beiden Wachen rasch entfernten und er ballte seine Hände zu Fäusten.

Der Andorianer hatte noch nicht verlernt folgerichtige Schlüsse zu ziehen und so wusste er, dass es nur eine Streitmacht der Föderation und ihrer Alliierten sein konnte, die dieses Lager, weit im Hinterland des Dominion, angriff. Die Cardassianer schloss er kategorisch aus, da sie sich viel zu fest im Würgegriff des Dominion befunden hatten, als man ihn gefangen genommen hatte. Ihn und sieben seiner Kameraden. Hat´Meran Teron wusste nicht, was aus ihnen geworden war. Er hatte keinen von ihnen gesehen, seit man sie festgesetzt hatte. Vermutlich waren sie bereits tot.

Erneut wurde die Umgebung erschüttert, und der Andorianer vermutete, dass man das Lager nicht direkt angriff. Der logische Grund dafür lag auf der Hand: Man wollte die Insassen lebend haben. Die Frage war nur, ob man die Gefangenen, oder die Jem´Hadar lebend haben wollte.

Mühsam schaffte er Teron, sich auf allen Vieren zu seiner primitiven Pritsche zu schleppen. Stöhnend schaffte er es schließlich hinauf zu klettern und sich auf dem Lager auszustrecken. Die Augen schließend dachte er, wie oftmals zuvor, seit er hier war, an seinen ehemaligen Freund, Tar´Kyren Dheran. Noch immer sah er es als Verrat an seinem Volk an, dass Dheran zur Sternenflotte ging, statt so wie er selbst, zu den Andorianischen Kommandoeinheiten. Dabei dachte er inbrünstig: Du verdammter Verräter solltest in diesem Loch schmoren, und nicht ich, Tar´Kyren...

 

* * *

 

Ein mit Wasser gefüllter Kanal dämpfte den Aufprall, doch er genügte, um sich schmerzhaft den Steiß zu prellen, wie Dheran unsanft feststellen durfte. Zudem hatte er das Pech, dass Vilaeni Kirin direkt auf ihn prallte.

Während er sich ächzend wieder aufrappelte, blickte er nach oben. Er erkannte ein Gitterschott, dass sich geöffnet hatte, als er zusammen mit Vilaeni Kirin darauf gestanden hatte. Nun war es wieder fest verschlossen, wie ihm Lieutenant Coraal versicherte, nachdem sie erfolglos versucht hatte, es wieder zu öffnen.

„Lieutenant Coraal, halten Sie sich nicht damit auf!“, rief der Andorianer nach oben. „Übernehmen Sie die beiden Gruppen und führen Sie die Mission durch! Das Ziel muss nun fast unmittelbar vor Ihnen liegen! Kadettin Kirin und ich werden uns auf einem anderen Weg Zutritt zum Lager verschaffen!“

Für einen Moment sah es so aus, als wolle die Saurianerin protestieren, doch dann rief sie in die Tiefe: „Aye, Captain!“

Vilaeni Kirin, die ebenfalls wieder auf ihren Füßen stand, blickte, im schwachen Lichtkegel, der von Oben durch das Gitter fiel, unbehaglich zu Dheran. „Was machen wir nun, Sir?“

Dheran grinste schief. „Ich schätze, Sie fragen sich nun, ob es wirklich eine gute Idee war, sich für dieses Kommando freiwillig zu melden. Um Ihre Frage zu beantworten: Wir machen das, was ich eben gesagt habe. Wir suchen einen anderen Eingang zum Lager. Und noch etwas, Kadettin Kirin: Eins der Sternenflottenprotokolle besagt, dass Kadetten dafür zu sorgen haben, dass ihr Captain stets weich landet – nicht, dass der Kadett weich auf seinem Captain landet, verstanden?“

Damit stapfte er los, in die nur trübe erhellte Finsternis dieses Felsenganges, und Vilaeni Kirin beeilte sich, mit einem fast spitzbübischen Grinsen im Gesicht, ihm zu folgen.

Bereits nach zwanzig Schritten machte der Gang einen 30-Grad-Knick nach links, um nach etwa fünfzig Metern wieder in die ursprüngliche Richtung abzubiegen. Nach einer Weile drang ein leises Plätschern an ihre Ohren und vor ihnen im Gang wurde es heller.

Tar´Kyren Dheran blieb stehen und raunte seiner Begleiterin zu: „Ich denke, es kann nicht schaden, wenn wir vorsichtig bleiben. Nehmen sie ihren Handphaser und geben Sie mir Deckung. Und ab jetzt kein Laut mehr, bis ich es sage.“

Während die junge Andorianerin seiner Aufforderung nachkam, löste Dheran sein Phasergewehr, dass ihm quer über dem Rücken hing und brachte es in Anschlag, während er, nun beinahe lautlos, weiterging.

Sie erreichten eine mäßig erhellte Felsenkammer, deren Decke etwa zehn Meter über ihnen lag. Aus mehreren Öffnungen in den Wänden ergossen sich Abwässer in ein Becken, aus denen sie dann durch eine breite Rinne in den Gang flossen, aus dem sie gerade heraustraten. Ein scharfer Ammoniakgeruch lag in der Luft.

Zur Linken erkannte Dheran eine Steintreppe, die etwa sieben Meter über ihnen zu einer einfachen Gittertür führte. Stumm deutete er hinauf und gab Vilaeni Kirin dann ein Zeichen ihm zu folgen. Leichtfüßig erreichten die beiden blauhäutigen Wesen die untere Stufe der Treppe und stiegen sie hintereinander hinauf.

Oben angekommen blickte Dheran durch die fleckigen Gitterstäbe in einen Felsengang, der durch Leuchtkörper an den Wänden mäßig beleuchtet war. Zumindest schien er trocken zu sein. Außerdem strömte dem Andorianer aus ihm bessere Luft entgegen. Misstrauisch blickte er sich nach Warnanlagen oder Überwachungssystemen um, doch nichts war zu entdecken. Der andorianische Captain kam zu dem Schluss, dass es hier unten entweder nichts von Interesse gab, oder aber, dass die Jem´Hadar, von dieser Seite nicht mit einem Eindringen rechneten. Er grinste, als er sich bei diesem Gedanken ertappte und sagte sich, dass man aus einem Gefängnis auch eher ausbrach, als dort einzubrechen.

Die Gittertür war verschlossen, doch als Dheran das halb verrottete Schloss mit dem Kolben seines Phasergewehres traktierte, sprang sie quietschend auf.

„Das haben auch halb Taube gehört“, flüsterte Vilaeni Kirin heiser.

Dheran warf ihr einen warnenden Blick zu und zog sie dann am Ärmel mit sich in den Gang hinein. Er bedeutete ihr, sich auf der linken Seite des Ganges zu halten, während er nahe an der rechten Wand entlang schlich. Nach einer Weile atmete er innerlich auf. Offenbar gab es hier unten Niemanden, der das Öffnen der Tür gehört hatte.

Vor sich erkannte Dheran schließlich eine T-Kreuzung, von der dieser Gang nach Rechts und Links abbog. Der Andorianer machte seine junge Begleiterin darauf aufmerksam und bedeutete ihr, zurück zu bleiben, während er selbst weiter schlich. Permanent den abbiegenden Gang nach links im Auge behaltend, schob er sich an der Wand entlang, bis er die Kante des nach rechts abbiegenden Ganges fast erreicht hatte. Dann bückte er sich und lugte vorsichtig um die Ecke herum.

Der Gang lag verlassen, und nachdem Dheran auch noch einmal in die andere Richtung gespäht hatte, gab er Vilaeni Kirin ein Zeichen zu ihm aufzuschließen. Sein andorianischer Orientierungssinn sagte ihm, dass sie sich nach Rechts wenden mussten und so deutete er in die entsprechende Richtung.

Tar´Kyren Dherans Anspannung hatte ein wenig nachgelassen. Trotzdem reagierte er als Erster, als vor ihm und der Kadettin plötzlich zwei Jem´Hadar um die Gangecke bogen.

Während Vilaeni Kirin noch auf die beiden Grauhäutigen starrte, hatte Dheran sie bereits gepackt und riss sie mit sich zu Boden, so dass der Polaronphaserstrahl des rechten Gegners über sie hinwegfegte. Noch im Fallen eröffnete der andorianische Captain das Feuer auf den Schützen. Im nächsten Moment hatte er bereits seine Begleiterin losgelassen und visierte den zweiten Jem´Hadar an, kaum dass er auf dem Boden lag. Mit einem gezielten Schuss betäubte er auch den zweiten Gegner. Er erhob sich bereits wieder während die junge Kadettin noch immer nach vorne starrte.

An ihrem linken Oberarm zog Dheran seine Begleiterin von Boden und funkelte sie, mit seinen bläulich-violetten Augen, gefährlich an.

Die Kadettin war sich bewusst, dass ihr Zögern einen von ihnen beiden das Leben hätte kosten können, und sie erklärte schuldbewusst: „Es tut mir leid, Sir, ich...“

„Ich will keine Entschuldigung hören, Miss Kirin“, zischte Dheran heiser und hielt dabei seinen Zeigefinger dicht vor ihr rechtes Auge, während sich seine Antennen wie Dolche auf sie richteten. „Ich bin mir bewusst, dass dieser Einsatz etwas ganz Anderes ist, als eine Holodeck-Simulation, und Sie sind es jetzt hoffentlich auch. Lernen Sie daraus, Kadettin, und machen Sie diesen Fehler niemals wieder, verstanden?“

Die Haltung der jungen Andorianerin straffte sich, während sich ihre Antennen nach hinten krümmten. „Aye, Sir.“

Dherans Griff lockerte sich etwas und ein wenig beherrschter erwiderte er: „Dann seien Sie ab jetzt auf Zack und beweisen Sie, dass Sie ihr RED-SQUAD-Abzeichen nicht zu Unrecht tragen, Kadettin Kirin.“

Sie wurden durch ein unterdrücktes Ächzen abgelenkt, und wirbelten zu den beiden Jem´Hadar herum, doch beide lagen, nach wie vor, reglos auf dem Boden des Ganges. Es klang erneut auf, und jetzt realisierten die beiden andorianischen Wesen, dass das Geräusch aus einer der zwei Zellen, am Ende des Ganges kam.

„Sichern Sie den Gang“, flüsterte Dheran, während sie sich den Zellen näherten. „Ich werde die beiden Jem´Hadar durchsuchen.“

Kirin bestätigte, während der Andorianer bereits die Uniformen der beiden Bewusstlosen durchsuchte. Nach einer Weile fand er einen Code-Schlüssel und blickte triumphierend zu seiner Begleiterin. Er begab sich zu der Zelle, aus der die seltsamen Geräusche gekommen waren. Nach wenigen Augenblicken hatte er sie geöffnet und drang in das Innere vor. Was er sah, verblüffte ihn so sehr, dass er abrupt stehenblieb, als wäre er gegen eine massive Mauer geprallt.

Das Wesen vor ihm, das sich mühsam auf den Beinen hielt, war ein Andorianer – und er trug die zerschlissene Uniform der Andorianischen Kommandoeinheiten. Doch das war noch nicht alles, denn die Gesichtszüge des Andorianers waren ihm bekannt, auch wenn seine Erscheinung nun sehr abgezehrt war, und er das Haar länger trug, als allgemein üblich.

Endlich stieß Dheran geräuschvoll den angehaltenen Atem aus und fragte mit ungläubigem Tonfall: „Bist du es wirklich, Hat´Meran?“

Der Rückweg

An Bord der U.S.S. CARPENTER saß Captain Elisabeth Dane angespannt in ihrem Kommandosessel und blickte, von Zeit zu Zeit, fragend hinüber zur OPS-Konsole.

Direkt, nachdem die CARPENTER und ihre sechs Begleitschiffe von Varala IV abgedreht waren, hatten die sieben Einheiten, unter der Führung von Captain Thomas Jackson, den Rückflug angetreten, wobei Jackson den Pulk allerdings um sechzig Grad vom Ziel abweichend hatte Kurs nehmen lassen. Eine geeignete Strategie in ihrer Situation, denn da ihre Verfolger unmöglich bestimmen konnten, welchen Vektor sie gewählt hatten, konnten sie nur den direkten Kurs zum Wurmloch fliegen und ihren Verband dabei weitestmöglich ausschwärmen lassen. Dieses Manöver zog Jackson nicht zu Unrecht in sein Kalkül, und mit etwas Glück würden sie so, sobald sie wieder auf Kurs zum Wurmloch gingen, nur auf vereinzelte Schiffe des Verbandes stoßen.

Noch hatten die Gegner sie nicht auf ihren Scannern und die blonde Kalifornierin hoffte, dass man möglicherweise gar keinen Feindkontakt bekommen würde. Sie hatte den Spezial-Jammer zudem so konfigurieren lassen, dass ihre Warpsignaturen denen cardassianischer Schiffe der KELDON-KLASSE ähnelten, um ihre Verfolger zusätzlich zu verwirren. Solange es nicht zu einer optischen Ortung kam, konnte Admiral Carzon Seregan ihnen zusätzlich Zeit verschaffen, indem er den Ahnungslosen spielte, der nicht genau wusste, was vor sich ging.

Doch das alles war nur graue Theorie. Sie musste darauf vertrauen, dass Jackson die richtige Taktik für ihre Rückkehr gewählt hatte.

 

* * *

 

Zur gleichen Zeit wanderte Captain Alucard Farg, wie ein gefangener Tiger, über die Brücke der U.S.S. TRANSYLVANIA, und schaute, mal diesem, mal jenem Brückenoffizier über die Schulter. Seine momentane Sorge galt weniger dem Verband, sondern mehr einer einzelnen Frau deren Schicksal mehr als ungewiss war. Er konnte nur dafür beten, dass ihr bei dem Einsatz auf Varala IV nichts zustieß. Farg versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass sowohl Valand Kuehn, als auch sein andorianischer Freund einschlägige Erfahrungen in Bezug auf solche Risiko-Unternehmen, gemacht hatten.

Er war noch immer etwas erstaunt darüber, was da in den letzten Tagen emotional mit ihm geschehen war, dachte er doch bisher, ihm könne es nicht passieren, dass ein anderer Mensch ihn so rasch für sich vereinnahmen würde. Und nun war es doch geschehen. Er kannte Rania Singh-Badt kaum, doch er hatte sich tatsächlich Hals über Kopf in sie verliebt.

Sein manchmal übergroßer Ehrgeiz hatte ihn bislang hauptsächlich an seine Karriere denken lassen. Auf den Gedanken, vielleicht irgendwann eine Familie zu gründen, war er bisher nur sehr selten gekommen. Er hatte ihn jedesmal mit dem Argument abgetan, dass er dafür noch lange Zeit hatte – aber stimmte das wirklich? Machte nicht gerade dieser Einsatz klar, wie kurzlebig Offiziere der Sternenflotte möglicherweise sein konnten.

Der Captain nahm seine Wanderung über die Brücke wieder auf, wobei er einen Blick auf den Siegelring an seinem linken Ringfinger warf. Ein altes Erbstück, dass nach dem Tod seiner Eltern, beim Angriff der Breen auf das Hauptquartier der Sternenflotte, im Jahr 2375, auf ihn übergegangen war. Gerade in den letzten zwei Tagen hatte er ihn geradezu mahnend daran erinnert, dass es mehr gab, als den Dienst in der Sternenflotte. Weitaus mehr vielleicht. Immerhin konnte er seine Blutlinie bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Stand es ihm da zu, sie möglicherweise leichtfertig enden zu lassen?

Farg verwarf diesen verrückten Gedanken schnell. Letztlich ließ sich das Schicksal nicht überlisten und wenn es für ihn vorgesehen hatte, dass er Nachkommen haben sollte, dann würde er welche haben. Vielleicht sogar mit Rania Singh-Badt. Doch das war Zukunftsmusik. Immerhin wusste er gar nicht, wie sie zu diesem Thema stand. Darüber hinaus war es wahrhaftig viel zu früh, um sich schon jetzt in dieser Richtung ernsthaft Gedanken zu machen.

Was blieb war die Sorge um eine junge Inderin, die er kaum kannte, aber in die er sich nichtsdestoweniger innig verliebt hatte. Und nun machte er sich Sorgen um sie.

Dann riss er sich zusammen und atmete tief durch. Zunächst einmal hatte er sich jetzt um das Wohl und Wehe seiner Besatzung zu sorgen. Alle privaten Gefühle zurückstellend, marschierte er zu seinem Kommandosessel und nahm darin Platz.

Die betazoidische XO des Schiffes blickte ihren Captain fragend an und meinte: „Sie machen sich Sorgen, was aus dem Landetrupp werden wird, und ob er erfolgreich sein wird?“

Alucard Farg blickte sie durchdringend an und antwortete überlegt: „Ja, meine Gedanken sind momentan etwas zu sehr bei den Leuten des Landetrupps. Und bei den Besatzungen der OBERON, der PHOEBE und der ASTARTE. Ich wäre lieber im Zentrum des Geschehens, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.“

„Dieses Zentrum kann sich sehr schnell in unsere Richtung verschieben, Captain.“

Alucard Farg nickte grimmig. „Malen Sie bloß nicht den Teufel an...“

Das rote Aufleuchten der Alarmpaneele und der gleichzeitig einsetzende akustische Alarm unterbrach die Unterhaltung abrupt. Der Taktische Offizier meldete knapp: „Spruch von der MANASSES, Captain. Ein zweiter Verband der Jem´Hadar nähert sich schnell von Backbord. Entfernung noch knapp drei Lichtjahre.“

Ironisch bemerkte die Betazoidin: „Nun, manchmal werden Wünsche schneller wahr, als es einem lieb ist, was Captain?“

Farg nickte und erwiderte düster: „Sie sagen es, Commander.“

 

* * *

 

Im selben Moment blickte Captain Thomas Jackson, auf der Brücke der U.S.S. MANASSES, zu seinem andorianischen Taktischen Offizier, der berichtete: „Sir, nach den Daten, von der CARPENTER, weicht der Verband am besten über die negative Grünkoordinate aus, und beschleunigt von Warp-9,7 auf Warp-9,85. Damit könnte es uns gelingen, knapp vor den Verfolgern, und ohne eine Sichtortung, den Wurmlochausgang zu erreichen und rechtzeitig zu verschwinden.“

„Geben Sie das an den Verband weiter, wir machen es so, Lieutenant Tanner“, erwiderte der Captain entschlossen und zeigte damit gleichzeitig, welches große Vertrauen er in die taktischen Fähigkeiten seines Taktischen Offiziers setzte, was natürlich nicht zuletzt daran lag, dass es sich Lieutenant Senior-Grade Christoph Tanner, während der nun bereits sieben gemeinsamen Dienstjahre, redlich erarbeitet hatte.

Im Jahr 2374 war er als junger Ensign auf die MANASSES gekommen, als Zweiter Taktischer Offizier, und er hatte seinen Dienst seitdem stets tadellos und überdurchschnittlich gut verrichtet. Seine Sporen als Taktischer Offizier hatte er sich in so manchem Einsatz während des Dominion-Krieges hart verdient, und über die Jahre hatte Jackson gelernt, dass man sich auf diesen Offizier felsenfest verlassen konnte. Zudem besaß er ein instinktives Gespür für raumkampftaktische Situationen. Zu Beginn des Jahres hatte er schließlich den andorianischen Ersten Taktischen Offizier abgelöst, als dieser, auf eigenen Wunsch hin, zur VALKYRIE versetzt worden war.

Während der Taktische Offizier bestätigte und die Befehle seines Captains an die Raumschiffe des Verbandes weitergab, blickte Jackson auf den Hauptschirm und verlangte: „Taktische Anzeige, Lieutenant.“

Bereits im nächsten Moment erschien eine dreidimensionale Übersicht der taktischen Lage. In der Mitte bildeten sieben kleine Sternenflottendeltas ihren Verband. Relativ gesehen links vorne blinkten neunzehn Symbole, für den neu georteten zweiten Kampfverband der Jem´Hadar, während sich rechts hinter ihnen und leicht nach oben versetzt, der Verband abzeichnete, der ihnen folgte. Wie vorausberechnet hatte er in alle Vektoren aufgefächert und bildete eine flache Schüsselformation. Der Ausgang des Bajoranischen Wurmloches lag relativ gesehen recht oben ihrer Position. Ein Stück davor blinkte in beruhigendem Blau die Position von STRATEGICAL STARBASE 72.

Thomas Jackson hoffte inbrünstig, dass die Jem´Hadar, im Notfall, genug Respekt vor der Schlagkraft der 6. Taktischen Flotte haben würde. Falls nicht, dann konnte nicht nur ihre eigene Lage, sondern die der gesamten Föderation ziemlich heikel werden. Es durfte auf gar keinen Fall zu ernsthaften Kampfhandlungen kommen, oder man würde etwas beginnen, das fatale Auswirkungen auf die politische Stabilität der gesamte Galaxis haben konnte. Seine Hoffnung war, dass dies auch den Jem´Hadar klar war.

Quälend langsam, wenigstens für den Geschmack des Captains, veränderten sich die einzelnen Positionen auf dem Bildschirm, und bereits zehn Minuten später wurde ersichtlich, dass ihr Manöver mehr als knapp ausgehen würde.

Weitere zehn Minuten später blinkten auf dem Bildschirm plötzlich zusätzliche Symbole auf. Sie waren in Blau gehalten und Jackson war sofort klar, dass Admiral Carzon Seregan die Einheiten seiner Flotte in Marsch gesetzt hatte, um sie auf Abfangposition zu beordern. Ein nachvollziehbares Manöver, wenn man bedachte, dass sich zwei nicht gerade kleine Gruppen von Jem´Hadar-Raumschiffen, zusammen mit ihnen seiner Position näherten. Dennoch gewann Thomas Jackson den Eindruck, dass Seregan etwas über seine Anweisungen hinaus zu handeln gedachte. Der Captain der MANASSES hoffte nur, dass dies auch gutgehen würde.

Nach einer Weile wandte sich der Captain an seinen Taktischen Offizier: „Wie lange noch, bis zum Wurmlochausgang, Lieutenant Tanner?

„Eine Minute und vierzig Sekunden, Sir. Es wird denkbar knapp werden.“

 

* * *

 

Auf der Brücke der U.S.S. VINDICATOR, dem Flaggschiff der 6. Taktischen Flotte, stand Admiral Carzon Seregan breitbeinig vor seinem Kommandosessel und blickte auf den Hauptschirm. Jeden Moment mussten die sieben Raumschiffe der Sektorenflotte-Bajor unter Warp gehen und somit sichtbar werden.

Wenige Augenblicke wurden auf dem Hauptbildschirm der VINDICATOR sieben grelle Lichtblitze erkennbar, aus denen heraus die Einheiten der Sektorenflotte unter Warp fielen und mit hoher Impulsgeschwindigkeit Kurs auf das Wurmloch nahmen. Die Schiffe hielten, wie zuvor verabredet, Funkstille und passierten die Phalanx, welche durch die Einheiten der Taktischen Flotte gebildet wurde. Carzon Seregan hatte einen taktisch geschickten Abstand zum Wurmloch gewählt, der es den Schiffen des Dominion unmöglich machte, hinter seinen Schiffen unter Warp zu gehen und vor dem Erfassungsbereich des Wurmlochs zu wenden oder zu stoppen. So würden sie gezwungen sein, einige Lichtsekunden vor seinem Verband unter Warp zu fallen.

Der achtundfünfzigjährige Mann von Rigel-VII registrierte erleichtert, als sein OPS-Offizier ihm meldete, dass die sieben Schiffe das Wurmloch passiert hatten. An die vereinigte Trill an der Taktik gewandt, fragte er: „Wie lange noch, bis die Jem´Hadar hier sein werden, Lieutenant Kiran?“

„Knapp zwanzig Sekunden, Admiral.“

Carzon Seregan wechselte einen Blick mit seinem XO und fragte den Saurianer: „Was denken Sie, Commander?“

Voralin Enraal fuhr sich nachdenklich über den knöchernen Sichelkamm, der sich von seiner Nasenwurzel bis zum hinteren Bereich seines kahlen Schädels erhob. „Ich bin mir nicht sicher wie der Befehlshaber der anrückenden Jem´Hadar-Flotte darauf reagieren wird, wenn wir behaupten, wir hätten die Flüchtlinge zu spät bemerkt um sie rechtzeitig abfangen zu können, während wir gleichzeitig ein grandioses Empfangskomitee für sie sie bilden.“

„Wir werden behaupten, es wären getarnte cardassianische Einheiten gewesen, Commander. Die sollen uns dann erst einmal das Gegenteil beweisen.“ Die Hand des Admirals fuhr über seinen gepflegten Vollbart, während er beruhigend meinte: „Na, wir werden es ja bald feststellen, nicht wahr?“

Der Saurianer wiegte, mit unbewegter Miene, seinen Kopf von einer Seite auf die andere. Er kannte den Admiral nun seit fast zwei Jahren – seit sie gemeinsam auf diesem Raumschiff der AKIRA-KLASSE dienten, und er wusste, dass die zur Schau gestellte Ruhe des wuchtigen Mannes nur zum Teil echt war. Was hingegen nicht täuschte war die Entschlossenheit im Blick des Flaggoffiziers, und der spürbare, unbedingte Wille, um keinen Schritt zurückzuweichen.

Endlich meldete die Trill an der Taktik: „Beide Verbände des Dominions gehen unter Warp und halten Kurs auf uns, Admiral. Wir werden gerufen.“

„Auf den Schirm“, donnerte die tiefe Stimme des Admirals.

Bereits eine halbe Sekunde später zeichnete sich überlebensgroß das Gesicht einer Vorta auf dem Hauptbildschirm der VINDICATOR ab. Innerhalb der ersten Augenblicke befand der Admiral, dass die feingeschnittenen, hübschen Gesichtszüge der fremdartigen Frau in krassem Widerspruch zum harten Ausdruck ihrer, beinahe unnatürlich großen, dunklen Augen standen. Die schwarzen Haare trug die hochgewachsene Vorta nach der klassischen Mode ihrer Spezies. Darüber trug sie das obligatorische Headset einer Kommandantin, da die Raumschiffe der Jem´Hadar nicht über Bildschirme verfügten.

Admiral Carzon Seregan beschloss das Heft des Handelns in der eigenen Hand zu behalten und sagte darum entschlossen: „Ich bin der Kommandierende Admiral der Sechsten Taktischen Flotte, Carzon Seregan, und ich begrüße Sie. Darf ich mich erkundigen, wer Sie sind, und was Sie mit einem derart großen Verband in der Nähe unserer Flottenbasis vorhaben? Bei strengster Auslegung stellt ihre militärische Präsenz einen Verstoß gegen die Abmachungen des Friedensvertrages des Jahres 2375 dar, Ma´am.“

Es dauerte einige Augenblicke, bevor die, im Moment sprachlose, Vorta ihre Fassung wiedererlangte, und mit eisiger Stimme antwortete: „Ich bin Grindari, von den Vorta. Mein Verband verfolgt eine Gruppe von unbekannten Angreifern, die widerrechtlich in unseren Einflussbereich eingedrungen sind und eine zivile Bodenstation angegriffen haben. Ich bitte Sie deshalb darum, mir vorübergehend polizeiliche Befugnisse zuzugestehen und den Durchflug des Wurmloches zu gestatten, um die Angreifer aufzubringen und zu bestrafen.“

Von wegen, zivil, dachte der Admiral grimmig, doch er hütete sich, dies laut auszusprechen. Er räusperte sich stattdessen, legte die Hände auf den Rücken, und erklärte ruhig: „Das kann ich nicht tun, Miss Grindari. Ich habe kurz vor Ihrer Ankunft bereits ein Kurierschiff in den Alpha-Quadranten entsandt. Die Sternenflotte wird sich um die Unbekannten kümmern. Wir vermuten, da wir sie erst bei ihrem Wurmlochdurchgang entdeckten, dass es sich um getarnte Einheiten der Cardassianer handelt. Mein Kollege, Admiral Tarun, wird sie stellen.“

„Das genügt uns nicht, Admiral“, widersprach die Vorta, der anzumerken war, dass sie sich eisern beherrschen musste. „Außerdem hegen wir Zweifel an dieser Darstellung, Admiral Seregan.“

Der Mann von Rigel-VII blieb nach außen hin gelassen und erkundigte sich mit gefährlich klingendem Unterton: „Wollen Sie damit eventuell auf etwas ganz Bestimmtes anspielen, Miss Grindari. Seien Sie sich darüber im Klaren, das dies ernsthafte, diplomatische Konsequenzen haben könnte.“

Die Vorta erwiderte drohend: „Es könnte ernsthafte, militärische Konsequenzen haben, wenn Sie uns weiterhin daran hindern, eine Gruppe von Piratenschiffen zu verfolgen, die unsere territorialen Rechte missachtet, und einen feindseligen Akt begangen, haben, Admiral Seregan. Ich wiederhole meine Forderungen.“

Wie ein Fels in der Brandung stehend starrte der Admiral auf den Bildschirm und erwiderte kühl: „Und ich wiederhole nochmal, dass ich ihre Bitte ablehnen muss. Eine so umfassende Außerkraftsetzung geltender Verträge kann nur der Föderationsrat vornehmen. Es tut mir sehr leid, Miss Grindari.“

Ohne Vorwarnung verschwand das Abbild der Vorta vom Bildschirm und machte der Aussicht auf die Jem´Hadar-Flotte Platz.

Fast gleichzeitig meldete die Trill von der Taktik: „Die Kriegsschiffe der Jem´Hadar aktivieren ihre Schutzschilde und ihre Waffensysteme, Sir.“

„Befehl an die Flotte: Schilde hoch und volle Energie auf die Waffensysteme!“, befahl der Admiral mit fester Stimme. „Verteidigungsmuster: Epsilon-Sieben.“

Auch ohne auf den Bildschirm zu schauen wusste Carzon Seregan, dass die Einheiten seiner Flotte nun auffächerten und eine Art Schüsselformation einnahmen, wobei sich immer fünf Einheiten zu einer kleinen Gruppe zusammenschlossen, die, falls es zu Kampfhandlungen kam, jeweils gemeinsam ein einzelnes Ziel angreifen würden.

Von der Taktik kam die beunruhigende Meldung: „Die Jem´Hadar nähern sich der maximalen Feuerreichweite, Sir.“

„Die junge Dame will es wohl ganz genau wissen“, brummte der Admiral zu seinem Ersten Offizier gewandt. „Aber dieses Spiel können auch zwei spielen.“

Dann hob der Admiral seine Stimme an und sagte: „Befehl an die Flotte: Zielscanner auf die Einheiten der Jem´Hadar einrichten und Feuerbefehl abwarten.“

Commander Voralin Enraal strich sich erneut mit den Fingern über seinen Knochenkamm, während bange Sekunden verstrichen. Auf der Brücke des Flaggschiffes war es so still geworden, dass man nur das leise Summen der Schiffsaggregate hören konnte. Ein wenig wunderte sich der Saurianer über die scheinbar unerschütterliche Ruhe des Admirals in dieser Situation.

Weitere Sekunden verstrichen ereignislos – summierten sich zu Minuten, in denen sich die beiden Verbände abwartend gegenüber befanden – als plötzlich die Stimme des weiblichen Taktischen Offiziers die Stille unterbrach. „Sir, das Wurmloch öffnet sich. Es kommen siebenunddreißig Einheiten hindurch. Das Führungsschiff ruft uns.“

„Öffnen Sie einen Kanal, Lieutenant, und sorgen Sie unauffällig dafür, dass unsere Freunde vom Dominion mithören können.“

Während die Trill dem Befehl nachkam, ahnte der saurianische Commander neben Seregan langsam, worauf dieses kleine Manöver hinauslief.

Im nächsten Moment bildete sich das Konterfei von Captain Thomas Jackson auf dem Hauptschirm ab und der Befehlshaber der MANASSES meldete: „Konteradmiral Valand Kuehn schickt mich mit dem Großteil der Sektorenflotte-Bajor, Admiral. Wir wurden durch ihr Kurierschiff alarmiert und werden Sie unterstützen. Der Konteradmiral wartet auf der anderen Seite des Wurmloches auf weitere zweihundert Kampfschiffe der Fünften Taktischen Flotte, und wird in weniger als zwanzig Minuten mit ihnen hier sein. Die Neunte Taktische Flotte wurde ebenfalls alarmiert und wartet auf den Einsatzbefehl.“

„Danke, Captain“, bestätigte Seregan die Finte des Captains ernst. „Formieren Sie ihre Einheiten um STRATEGICAL STARBASE 72, bleiben Sie als Reserve dort und bereiten Sie sich darauf vor, in entstehende Lücken der Verteidigungslinie hineinzustoßen. Admiral Seregan, Ende.“

Carzon Seregan sah zu Lieutenant Taneris Kiran und auf sein Nicken hin schloss sie den Kanal. Wieder nach vorne blickend meinte er halblaut zu seinem Ersten Offizier: „Mal sehen, wie gut diese Vorta sich aufs Pokern versteht, Mister Enraal.“

Eine weitere Minute verging, ohne dass etwas geschah. Dann meldete Taneris Kiran: „Admiral, wir werden von der Vorta-Kommandantin gerufen.“

„Auf den Schirm, Lieutenant.“

Erneut zeichnete sich das Gesicht der hübschen Vorta auf dem konkaven Bildschirm ab, und Admiral Carzon Seregan bemerkte die verkniffenen Züge in ihrem Gesicht. Diesmal wartete die Vorta nicht darauf, dass der Admiral das Wort ergriff, sondern sie sagte bestimmt: „Das Dominion wünscht keinen erneuten militärischen Konflikt mit der Föderation, Admiral Seregan. Wir werden uns aus diesem Sektor zurückziehen. Ich warne Sie jedoch eindringlich davor, dies als Schwäche auszulegen. Unsere Flotte ist jederzeit dazu in der Lage, Sie, und ihre Flotte, aus dem Gamma-Quadrant zu fegen. Und ein Letztes noch, Admiral: Ich werde nicht vergessen, was Sie heute hier getan haben.“

Bevor Seregan etwas auf diese offene Warnung der Vorta erwidern konnte war die Verbindung bereits von Seiten der Jem´Hadar unterbrochen worden.

Gleich darauf meldete Lieutenant Kiran: „Die Einheiten der Jem´Hadar deaktivieren ihre Waffensysteme und gehen auf Gegenkurs.“

Die Erleichterung der Anwesenden auf der Brücke war förmlich greifbar.

Während Carzon Seregan den Befehl gab, den Alarmzustand für die Föderationsschiffe zu beenden, meinte der Saurianer neben ihm nachdenklich: „Sie haben hoch gepokert, Admiral, und Sie haben hoch gewonnen.“

Carzon Seregan musterte den Saurianer mit düsterer Miene und erklärte: „Wir haben gar nichts gewonnen, Commander. Durch dieses kleine Spielchen sitzt die gesamte Sechste Taktische Flotte, in der nächsten Zeit, auf einem verdammten Pulverfass. Sie können sich wohl denken, was passieren wird, sollte es in der nächsten Zeit auch nur zu dem geringsten Vergehen unsererseits gegen die ausgehandelten Verträge kommen – und sei es nur aus einem dummen Versehen heraus.“

Der Saurianer wiegte zustimmend seinen Kopf von links nach rechts. „Die leicht erzürnte, grauhäutige Dame wird wiederkommen, Sir.“

Die blauen Augen des Admirals funkelten aufgebracht, als er heftig erwiderte: „Ja, und zwar mit einer Flotte, die mindestens zehnmal so groß sein wird, wie die Unsere, Commander. Und dann Gnade uns Gott. Ich hoffe nur, dass der Einsatz dieses Konteradmirals Valand Kuehn den gesamten Aufstand wert ist.“

Die Befreier

In dem engen Vertikalschacht, dicht an Valand Kuehn gedrängt, suchten Tal´Inuray Filiz´ Augen angestrengt den Spalt ab, wo das Bodengitter des darüber liegenden Raumes auflag. Nach den Angaben von Rania Singh-Badt, die zuvor auf ihre Pläne geschaut hatte, lag über ihren Köpfen einer von mehreren Waschräumen, die den Internierten zur körperlichen Pflege zur Verfügung standen.

Unter ihnen hielten sich die übrigen Teilnehmer der beiden Stoßtrupp-Gruppen bereit, ihnen über die glitschigen Metallsprossen, die in den glatten Wänden eingelassen waren, zu folgen, sobald sie das Gitter über ihren Köpfen entfernt hatten.

Valand Kuehn störte die Andorianerin nicht bei ihrer Tätigkeit sondern beobachtete aufmerksam was sie tat.

Endlich deutete die MACO auf eine Stelle des Schlitzes unter dem Gitter und raunte mit gedämpfter Stimme: „Dort gibt es einen primitiven Auflagekontakt. Sobald das Gitter angehoben wird, wird das irgendwo in der OPS dieses Lagers angezeigt, denke ich. Dabei glaube ich, dass er mehr dazu dient darauf aufmerksam zu machen, wo wann welche Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Ein reines Alarmsystem wäre komplexer, Sir.“

„Wie verhindern wir, dass der Kontakt ausgelöst wird“, fragte Kuehn knapp.

„Ich werde mein Kampfmesser zwischen Kontakt und Gitter schieben, Admiral, und Sie heben dann das Gitter an. Einer von uns hält danach seinen Finger drauf, sobald er oben ist, und wir warten, bis alle Leute gefolgt sind. Zum Schluss kommt wieder mein Messer zum Einsatz, während jemand das Gitter wieder einfügt.“

Kuehn nickte. „Klingt recht einfach, Lieutenant-Commander.“

Die Andorianerin rückte etwas näher an ihn heran. „Admiral, bei einem Einsatz wie diesem gilt der Grundsatz: Die komplizierten Dinge sind immer einfach, und die einfachen Dinge sind immer schwer.

Kuehn überging diese sarkastische Bemerkung mit einem Grinsen und meinte: „Fangen Sie an, und sagen Sie mir, wann ich loslegen kann.“

Der Norweger beobachtete, wie die Andorianerin den linken Uniformärmel etwas zurückschob und ein Messer aus einem Futteral am Unterarm zog. Sie schob vorsichtig die gerade Klinge zwischen Gitter und Kontakt und blickte dann auffordernd zu Kuehn.

„Sie sind dran, Sir.“

Valand Kuehn packte das Gitter, versicherte sich, dass er auf den glatten Sprossen einen einigermaßen sicheren Stand hatte und spannte seine Armmuskeln an. Das Gitter war schwerer, als der Konteradmiral gedacht hatte, und es bewegte sich erst, all er mit seiner ganzen Kraft dagegen drückte. Endlich gelang es ihm, es über den oberen Rand zu heben und über den Boden des Waschraumes zur Seite zu schieben, wobei ein schabendes Geräusch entstand. Nachdem er es endgültig zur Seite gedrückt hatte, kletterte er schnell nach oben und sicherte nach allen Seiten, doch kein Gegner zeigte sich. Dann kehrte er zu der Schachtöffnung zurück, legte sich flach auf den Bauch und legte seine Finger so auf den Kontakt am Rand des Schachtes, dass Tal´Inuray Filiz ihr Messer fortziehen konnte.

Gleich darauf erschien die Andorianerin neben ihm und übernahm die Rundumsicherung, während nun ein Stoßtruppteilnehmer nach dem anderen zu ihnen heraufkletterte.

Nachdem der Letzte an Kuehn vorbei hinauf in den Waschraum geklettert war, zerrte Tal´Inuray Filiz, mit der Hilfe von Petty-Officer Corcoran das Gitter wieder halb über den Schacht. Dann zog sie erneut ihr Messer und Kuehn machte ihr Platz, damit sie den Kontakt, mit der Messerspitze nach unten drücken konnte.

Zusammen mit dem Petty-Officer zerrte Valand das Gitter über die Schachtöffnung und ließ es wieder in seine ursprüngliche Position gleiten.

„Das wäre gutgegangen“, meinte die andorianische MACO, nachdem sie ihr Messer wieder im Unterarmfutteral untergebracht hatte.

Laskant Corcoran, der sie dabei beobachtete fragte sie leise: „Wie viele Messer besitzt du eigentlich?“

„Im Dienst immer noch Lieutenant-Commander, Mister Corcoran“, zischte die Andorianerin leise zurück. „Und: Es sind mehr, als Sie ahnen, Petty-Officer.“

Das Licht, welches durch einige schmale Fenster, dicht unter der hohen Decke hereinfiel genügte Rania Singh-Badt, um Valand Kuehn auf ihrem Plan anzuzeigen, wo genau sie sich momentan befanden. Gedämpft sagte sie: „Die meisten Zellen dieses Lagers liegt zwei Ebenen höher und weiter links, Admiral. Auf dem Weg dorthin biegt der Gang zu einem weiteren Gefangenentrakt ab. Dort sollten sich unsere beiden Gruppen trennen.“

Tal´Inuray Filiz, die sich zu den beiden Offizieren gesellt hatte, spreizte ihre Antennen und bekräftigte: „Das ist auch meine Meinung, Admiral.“

Kuehn nickte beiden Frauen zu. „Machen wir es so.“

Sie rückten in die Tiefen des Lagers vor, und Kuehn hoffte inständig, dass die beiden Gruppen, unter dem Kommando seines Freundes Dheran, bereits ebenfalls ihr Ziel erreicht hatten, und dabei waren, ihre zugewiesenen Ziele einzunehmen.

 

* * *

 

Vor wenigen Augenblicken waren die, momentan von Nerlian Coraal geführten, anderen beiden Gruppen des Stoßtrupps in einen Hinterhalt der Jem´Hadar gelaufen, und jeden Moment würde Alarm ausgelöst werden.

Dabei hatte zunächst alles hervorragend ausgesehen.

Sie hatten, nachdem sie sich zwangsläufig von Captain Tar´Kyren Dheran und Kadettin Vilaeni Kirin getrennt hatten, nach wenigen Minuten die erhofften Zugänge zum Lager gefunden und sie waren in einem kombinierten Wasch-Duschraum herausgekommen und hatten ihn gesichert. Nach den Übersichtsplänen lag dieser Raum um zwei Ebenen tiefer, als der Bereich, in dem Valand Kuehn sein Glück zu versuchen gedachte. Von dort aus waren sie durch einen unbelebten Bereich des Lagers um eine Ebene weiter nach oben vorgestoßen, und dabei war es dann passiert.

Als sie sich fast genau im Zentrum eines leeren Lagerraums aufhielten, waren auf den Galerien, zu beiden Seiten des Lagerraums, schwer bewaffnete Jem´Hadar aufgetaucht und hatten ihre Kapitulation gefordert. Da sie sich in erhöhter Position, mit guter Deckung befanden, während sich die von Nerlian Coraal geführten Gruppen, ohne jede Deckung, wie auf dem Präsentierteller befanden, hatte die Saurianerin befohlen, keinen Widerstand zu leisten und die Waffen auf den Boden zu legen. Dabei war ihr vollkommen klar, dass damit ein Erfolg der gesamten Aktion illusorisch geworden war. Während sie, wie ihre Kameraden, ihre Hände über den Kopf hob, dachte sie daran, dass sie versagt hatte. Nun waren Sie und ihre Begleiter gleichfalls Gefangene des Dominion.

Im nächsten Moment heulte der akustische Alarm durch die Bereiche des Internierungslagers, und die Saurianerin wünschte sich, der Boden würde sie verschlucken, damit das Ganze ein rasches Ende nahm, doch das würde nicht geschehen. Mit einem Anfall von Ironie dachte sie daran, dass es vielleicht etwas nützen würde, dafür zu beten, dass ein Wunder geschehen würde.

Auch ihren Begleitern war deutlich anzusehen, dass sie das Schlimmste für sich und ihre Kameraden befürchteten. An eine Rettung aus dieser misslichen Lage glaubte keiner von ihnen. Wer sollte auch kommen um sie aus dieser Lage zu befreien. Nein, ihre Situation, in diesem Moment, war hoffnungslos.

 

* * *

 

Vilaeni Kirin versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was sie eben erlebt hatte. Doch sie verstand nicht wirklich, was hier passierte.

„Schere dich zur schwarzen Kreatur der Verdammnis“, ächzte der gefangene Andorianer, kaum nachdem Dheran ihn angesprochen hatte. „Was für einen schlechten Scherz haben sich die Sternengötter ausgedacht, ausgerechnet dich hier auftauchen zu lassen, Tar´Kyren Dheran? Du hast mir gerade noch gefehlt.“

„Du redest wirres Zeug“, herrschte Dheran den Gefangenen an. „Und jetzt reiß dich gefälligst zusammen und komm mit!“

Als der abgezehrte Andorianer keine Anstalten machte, der Aufforderung Dherans Folge zu leisten, zerrte ihn der Captain der ICICLE einfach mit sich aus der Zelle. Draußen auf dem Gang bückte sich Dheran, nahm eine der Jem´Hadar-Waffen und drückte sie bestimmt in Hat´Meran Terons Hände. Dann fragte er seinen früheren Freund drängend: „Weißt du, wie wir in die oberen Ebenen kommen?“

Hat´Meran Terons Hände umklammerten die Feindwaffe so fest, dass seine Fingerknöchel fast weiß hervortraten. Bevor Dheran oder seine Begleiterin es verhindern konnten, richtete er die Waffe auf die beiden Wächter und schoss ihnen in den Kopf. Dann blickte er, mit beinahe wahnsinnigem Ausdruck in seinen Augen, zu Tar´Kyren Dheran und erwiderte heiser: „Ja, ich kenne den Weg nach oben, mein Freund.“

Vilaeni Kirin konnte förmlich spüren, dass sich Tar´Kyren Dheran am liebsten auf den Mann gestürzt hätte, den er Hat´Meran nannte. Offensichtlich kannte er ihn von Früher. Die Reaktion des anderen Andorianers ließ die Kadettin vermuten, dass es Streit zwischen ihnen gegeben haben musste, und er nicht gut auf Captain Dheran zu sprechen war.

„Wir müssen hier verschwinden, Captain“, meinte die Kadettin drängend, während sich die beiden Männer belauernd musterten.

Dheran warf seinem Gegenüber einen langen Blick zu, und dieser sagte endlich: „Kommt mit, ich führe euch hinauf.“

Kaum hatten sie den Gang hinter sich gelassen und die nächsthöhere Ebene betreten, heulte ein akustischer Alarm durch die verlassenen Gänge des Lagers.

„Mist, die Jem´Hadar haben vermutlich unsere Kameraden entdeckt!“, fluchte Vilaeni Kirin erbittert.

Hat´Meran Teron wandte sich der Kadettin zu: „Heißt das, es sind noch mehr von euch hier eingedrungen?“

„Ja!“, erklärte Dheran an Stelle der Andorianerin knapp. „Wir haben vor, die Geiseln der Jem´Hadar zu befreien. Dass es außer den cardassianischen Frauen und Kindern noch andere Gefangene gibt, das wussten wir gar nicht.“

Ein fanatisches Feuer leuchtete in den Augen des abgezehrten Andorianers, als er erwiderte: „Lasst diesen Abschaum doch verrecken! Es sind Verbrecher!“

Tar´Kyren Dheran packte Hat´Meran Teron wütend am Kragen seiner zerschlissenen Uniform und schleuderte ihn heftig gegen die Wand. Ihn dagegen pressend herrschte er seinen früheren Schulfreund aufgebracht an: „Es sind Frauen und Kinder, Hat´Meran! Zivilisten! Bei der roten Kreatur der Unterwelt, was ist nur aus dir geworden! Du wirst mir gefälligst dabei helfen, dieses Unternehmen erfolgreich zu beenden, denn du schuldest mir etwas für deine Befreiung, verstanden?!“

Hat´Meran Teron funkelte den früheren Freund zornig an, doch er widersprach nicht, sondern nickte nur stumm.

Tar´Kyren Dheran ließ ihn zögernd los und nahm seine Waffe von der Schulter. Dann blickte er zu Hat´Meran und forderte: „Zeige uns den Weg zur Abwehrzentrale, und danach zum Funkraum.“

Der Angesprochene nickte und schritt nun voraus, während Dheran und Vilaeni Kirin ihm folgten.

Im nächsten Gang hörten sie plötzlich laute Stimmen. Vorsichtig schlichen sie sich an den ersten abwinkelnden Gang nach rechts heran, wobei sie verstehen konnten was die Stimme, die offensichtlich einem Jem´Hadar zu gehören schien, sagte. Sie forderte dazu auf, dass sich Jemand an die Wand eines Raumes begeben sollte.

Dheran, der ahnte, was dort vor sich ging, riskierte einen Blick um die Ecke. Schnell zog er sich wieder zurück und flüsterte zu Vilaeni Kirin: „Sie und Hat´Meran begeben sich zum nächsten Quergang. Er mündet auf eine Galerie, von der aus bewaffnete Jem´Hadar einige unserer Leute in Schach halten. Auf mein Kommando greifen wir an.“

Hat´Meran Teron hatte sich offensichtlich mit Dherans Führungsrolle abgefunden, denn er folgte der jungen Andorianerin ohne Widerspruch. Ihm schien zudem bewusst geworden zu sein, dass er ohne Dherans Unterstützung nicht von diesem Planeten wegkommen würde.

Dennoch blickte der Captain der ICICLE ihm und der Kadettin mit einem mulmigen Gefühl hinterher. Als sie ihre Position erreicht hatten, gab er das Zeichen und wirbelte selbst einen Moment später um die Gangecke. Er eröffnete das Phaserfeuer auf das gute Dutzend Gegner, die zu überrascht waren, als dass sie sich gegen ihn wenden konnten, bevor er alle betäubt hatte.

Einige Meter weiter leisteten Kadettin Kirin und Hat´Meran Teron ganze Arbeit. Als die Gegner erledigt waren beugte sich Dheran über das Geländer und blickte in die Tiefe, wo die Männer und Frauen unter Lieutenant Coraals Kommando, bereits wieder ihre Waffen aufnahmen.

„Kommen Sie über den nächsten Aufgang zu dieser Ebene herauf“, rief er hinunter. Dann begab er sich wieder zurück auf den Gang und unter der Führung des schwarzgekleideten Andorianers machten sie sich zu Dritt auf den Weg zum nächstgelegenen Treppenhauseingang.

Nerlian Coraal wirkte erleichtert, als sie mit den beiden Gruppen bei den drei Andorianern ankam. Sie warf einen schnellen Seitenblick auf den abgezehrten Andorianer, den Dheran zwischendurch aufgelesen haben musste und sagte erleichtert: „Ihre Hilfe kam gerade rechtzeitig, Sir. Ich dachte schon, wir wären erledigt.“

„Das kommt vielleicht noch!“, versetzte Dheran trocken. „Der Feind ist alarmiert und wir müssen uns beeilen, die Abwehrzentrale und die Funkeinrichtung zu übernehmen.

 

* * *

 

Es stellte sich heraus, dass sich Hat´Meran Teron sehr gut in dem Lager auskannte.

Vor einigen Minuten hatte sich die Gruppe von Lieutenant Coraal von den Übrigen getrennt und war auf dem Weg zur Abwehrzentrale.

„Die Angaben des Andorianers sind ziemlich genau“, sagte ein Chief-Petty-Officer leise. „Wir sollten in wenigen Minuten da sein.“

Jetzt, da die Jem´Hadar ohnehin alarmiert waren konnten sie auf die Hilfe ihrer Tricorder zurückgreifen. Mehrmals begegneten ihnen feindliche Soldaten des Dominion, die sie ausschalteten.

„Den linken Gang“, flüsterte der Chief-Petty-Officer.

Als sie in den Gang einbogen, schlug ihnen fast augenblicklich Waffenfeuer entgegen. Zwei Crewman wurden dabei getötet, ein weiterer schwer verwundet.

„Dort muss es sein“, meinte der Chief-Petty-Officer neben Coraal schließlich und deutete dabei auf ein Schott.

Es stellte sich schnell heraus, dass das Schott gesichert war, und Nerlian Coraal wies einige der Leute an, eine Sprengung vorzubereiten.

Zwei Crewmen brachten die Ladungen so an, dass sich die Hauptwirkung auf das Schott richtete. Sie gingen in Deckung. Sekunden später wurde das Schott regelrecht aufgeschweißt und polterte in den Raum dahinter.

Nerlian Coraal verlor keine Zeit und warf mehrere Betäubungsgranaten in den Raum. Dann stürmten sie hinein.

Etwa ein gutes Dutzend Jem´Hadar lag, in teilweise grotesken Haltungen, auf dem Boden des Verteidigungszentrums. Während Lieutenant Coraal zusammen mit einigen Männern und Frauen des Teams die Geschütze und die Transporterscrambler deaktivierte, zerrten andere die Toten und den Verletzten in den Raum und richteten sich dann auf eine Verteidigung der Abwehrzentrale ein.

 

* * *

 

Etwa zur gleichen Zeit stürmten Dheran und seine Gruppe die OPS mit der Funkzentrale des Lagers. Im Gegensatz zu Nerlian Coraal hatte der Andorianer nur eine Leichtverletzte zu beklagen. Auf dem Gang, vor dem Raum wurde noch geschossen, als der Andorianer von Coraal, über Kommunikator, die Erfolgsmeldung bekam. Jetzt mussten sie nicht mehr auf die Funkstille achten.

Tar´Kyren Dheran gab es an Valand Kuehn weiter, der seinerseits zu berichten wusste, dass man die Wachen auf der Inhaftierungsebene überwunden hatte und soeben dabei war, alle cardassianischen Frauen und Kinder zu befreien.

Dheran hatte schnell bei Kuehn angefragt, ob er außerdem noch andere Gefangene vorgefunden habe, was sein Freund verneinen musste.

Valand Kuehn wies ihn an, Verbindung mit den drei wartenden Raumschiffen aufzunehmen und sie nach Varala IV zu beordern.

Dheran selbst war es, der die Verbindung zur PHOEBE herstellte und Commodore Sylvie LeClerc vom Erfolg der Kommandoaktion unterrichtete.

Die Französin versprach, dass sich die drei Raumschiffe beeilen würden, was Dheran nur sehr lieb sein konnte, denn seit der Auslösung des Alarms befanden sich vermutlich schon zahlreiche Kampfschiffe des Dominion auf dem Weg hierher. Der Andorianer konnte jetzt nur abwarten und hoffen, dass die drei Raumschiffe vor den Jem´Hadar über dieser Welt erscheinen würden, denn falls nicht, würden sie alle vermutlich eine sehr lange Zeit auf diesem Planeten verbringen.

Während sie auf ein Signal von Commodore LeClerc warteten, begab sich Vilaeni Kirin zu Dheran und blickte ihn fragend von der Seite an. Schließlich sagte sie leise: „Er war einmal Ihr Freund, nicht wahr? Was ist passiert, Captain?“

Unwillig blickte der Captain die junge Andorianerin an. Doch dann sagte er rau zu ihr: „Hat´Meran war in der Schule mein bester Freund. Bis ich ihm gestand, dass ich nicht gemeinsam mit ihm zu den Andorianischen Kommandotruppen gehen würde, sondern zur Sternenflotte. Er hat das als Verrat an unserem Volk angesehen. Sie müssen dazu wissen, dass Hat´Merans Familie, so wie die meine, zu einem der ältesten und angesehensten Clans auf Andoria gehört.“

Etwas verständnislos blickte die junge Kadettin zu Dheran auf. „Ich dachte, diese Art von Clandenken wäre längst vorbei, Sir?“

Dheran lachte verächtlich auf. „Längst nicht bei allen Andorianern, Miss Kirin. Viele trauern der Zeit, als die Clans unserem Volk alles bedeuteten, immer noch nach. Sie verwechseln leider nur zu oft Tradition mit überholten Werten.“

„Irgendwann wird auch das Geschichte sein“, antwortete die junge Andorianerin zuversichtlich. „Dann werden wir uns nur noch als galaktische Wesen ansehen und nicht mehr als Wesen irgendeines Planeten, Captain.“

Der Captain der ICICLE blickte die Kadettin etwas überrascht an. „Das ist eine große Vision von der Zukunft, Miss Kirin. Ein Ziel, für dass es sich lohnt zu kämpfen.“ Dann wurde er etwas ernster und sagte: „Sie haben sich, nach dem anfänglichen Fauxpas, gut geschlagen, Kadettin Kirin. Besser, als ich es erwartet hatte.“

Die Augen der jungen Frau begannen zu leuchten. „Das bedeutet mir sehr viel, Sir. Denken Sie, es wird, nach meinem Abschluss an der Akademie für eine Aufgabe bei den Taktischen Flotten reichen?“

Der Kommandant der ICICLE blickte die junge Andorianerin ernst an, und sagte dann nachdenklich: „Ich bin der Meinung, dass Sie auf dem Weg sind, zu verstehen, dass eine gute RED-SQUAD noch lange kein guter Einsatzoffizier ist. Das ist schon etwas wert, Miss Kirin, und ich bin überzeugt davon, dass Sie ebenfalls noch begreifen werden, wie wenig an Einsätzen wie diesen glorreich oder gar heldenhaft ist. Wenn ich damit richtig liege, dann denke ich, werden wir Sie, in einem guten halben Jahr, bei den Taktischen Flotten wiederfinden, Kadettin.“

„Darauf würde ich sehr stolz sein, Captain.“

Dheran räusperte sich und meinte dann. „Wir sollten bereits Gruppen zu sechs bis acht Leuten bilden, Miss Kirin. Bitte organisieren Sie das.“

„Aye, Captain.“

Tar´Kyren Dheran blickte ihr sinnend nach. Dann warf er einen Blick zu Hat´Meran Teron hinüber, der mürrisch und in sich gekehrt abseits der Anderen stand. Dheran hoffte, ihn später, nach diesem Einsatz, unter vier Augen sprechen zu können. Falls es ein Später für uns gibt, fügte er in Gedanken hinzu.

Das sterbende Wurmloch

Commodore Sylvie LeClerc ließ die drei Schiffe unter ihrem Kommando bis an die Grenzen belasten, denn sie ahnte, dass es nun auf jede Minute ankommen würde. Ihre Gedanken eilten voraus, zu den Männern und Frauen des Landetrupps, besonders aber zu einem ganz bestimmten Mann. Bereits als sie von ihrer Warteposition aufbrachen, hatte sie roten Alarm befohlen und so fielen die drei Schiffe, wenige Minuten später in voller Kampfbereitschaft, fünfzehn Lichtsekunden entfernt von Varala IV, unter Warp. Sie würden etwas mehr, als eine Minute brauchen, bis sie den Planeten erreicht hatten.

Sylvie LeClerc wandte sich zu Tarinea Sangreth, an der OPS, und verlangte: „Spruch raus an das Landeteam. Alle sollen sich bereit machen an Bord geholt zu werden.“ Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem zu, was auf dem Frontschirm zu erkennen war.

Schnell wurde der Planet auf dem Hauptbildschirm größer, bis er ihn ganz ausfüllte. Gleichzeitig meldete Dave Lincoln Crockett, von der Taktik: „Commodore, fünf Jem´Hadar-Raider sind eben unter Warp gegangen. Sie werden in etwa einer halben Minute über dem Planeten sein.“

„Merde!“, fluchte die Französin. Dann erwiderte sie: „Verstanden. Einen Kanal zur ASTARTE, Lieutenant.“

„Verbindung steht, Commodore.“

Fast gleichzeitig erschien das Abbild von Alev Scenaris auf dem Hauptschirm. Sylvie LeClerc verlor keine Sekunde und sagte rasch: „Captain, fünf Jem´Hadar halten Kurs auf uns. Sie stoßen zum Planeten hinunter und beamen unsere Leute, und die Geiseln hoch. Sobald alle an Bord sind, geben Sie Bescheid, und dann ab durch die Mitte.“

Alev war es gewohnt, während des Dienstes nicht von Sylvie geduzt zu werden, und so bestätigte sie knapp: „Aye, Sir.“

Im nächsten Moment war das Abbild der Rigelianerin verschwunden und die Französin wies ihren Taktischen Offizier an: „Spruch an die OBERON, wir gehen auf Abfangkurs.“

Der Taktische Offizier bestätigte, und gleich darauf schwenkten die beiden LUNA-Kreuzer auf Kollisionskurs zu den anfliegenden Feindschiffen ein.

Crockett gab bekannt: „Noch zehn Sekunden bis der Feind in Reichweite unserer Waffen ist... Noch fünf... vier... drei... zwei... eins...“

Einen Herzschlag später befahl Sylvie LeClerc: „FEUER...!“

 

* * *

 

„Schilde auf Maximum!“, tönte die melodische Stimme von Alev Scenaris über die Brücke der ASTARTE, während das Schiff in die oberen Schichten der planetaren Atmosphäre eintauchte.

Sie mussten bis dicht an die Oberfläche heran, damit sie die große Ansammlung von Lebewesen in wenigen Schüben, mit den Transportern erfassen, und mit einem Ort-zu-Ort-Transport, zu festgelegten Punkten auf dem Schiff, an Bord beamen konnten. Dies ging schneller, als von außerhalb der Atmosphäre immer Gruppen zu sechs bis acht Personen an Bord zu holen. Es war nur für den Notfall mit den Teilnehmern des Landetrupp ausgemacht worden, dass sie solche Gruppen bilden sollten, falls man doch, aus irgendeinem Grund, zu dieser Methode greifen musste.

Mit einem Tempo weit über den zulässigen Maximalwerten für solche Atmosphärenmanöver, ließ die Rigelianerin das Schiff hinunter bringen. Als die ASTARTE noch etwa vierzig Kilometer über der Oberfläche war, begann die Schiffszelle unheilvoll zu vibrieren, und der Erste Offizier meinte düster: „Wir werden in Einzelteilen dort unten ankommen, Captain.“

„Das muss das Schiff aushalten, Commander!“, konterte die Rigelianerin temperamentvoll. „Es wurde ja nicht von den Pakleds zusammengeklempnert.“

Erst als der Pilot die ASTARTE abfing hörten die Vibrationen auf.

Triumphierend blickte Alev Scenaris ihren XO an und meinte amüsiert: „Na bitte, Mister Ferath. Made in the Federation.“

Der achtete kaum darauf, sondern gab bereits das Kommando, die Schilde zu senken und den Landetrupp nebst Geiseln an Bord zu holen.

Gleichzeitig mit der Meldung, dass der erste Schwung an Bord geholt worden sei, erschütterte ein fürchterlicher Schlag das Raumschiff. Energieleitungen brachen und Funken sprühten über die Besatzungsmitglieder auf der Brücke. Das Licht flackerte kurz, erlosch jedoch nicht.

Alev Scenaris, die es von den Beinen gehoben hatte, erhob sich vom Boden und wandte sich an die Taktik: „Bericht!“

„Zwei der Raider sind durchgebrochen und nehmen die ASTARTE unter Feuer, Captain. Wir liegen hier, ohne Schilde, wie auf dem Silbertablett.“

Alev Scenaris erwiderte gereizt: „Erwidern Sie gefälligst das Feuer mit den oberen Phaserphalanxen. Wir werden hier bleiben, bis wir Alle an Bord geholt haben.“

Tarien Ferath wandte sich an seine Vorgesetzte: „Aber das ist doch Wahnsinn, Captain. Die werden uns in Stücke schießen, und wir...“

„Wir warten, bis der Letzte an Bord ist!“, blieb die Rigelianerin stur.

Gleichzeitig kam die Meldung herein, dass die Transporter dabei waren, jeden Moment den letzten Schwung zu erfassen und an Bord zu holen.

Im nächsten Moment wurde das Raumschiff erneut von Polaronphaserstrahlen getroffen. Zwei Wandkonsolen explodierten in einem Funkenregen und Schreie erfüllten das Rund der Brücke. Ein penetranter Gestank nach verbranntem Kunststoff breitete sich aus. Offensichtlich arbeitete die Lufterneuerungsanlage nur noch eingeschränkt.

Flammen züngelten aus den beschädigten Konsolen und einige Brückenoffiziere machten sich daran, sie zu löschen. Andere kümmerten sich um die Verletzten.

Alev Scenaris wandte sich gerade zu ihrem XO um, als hinter ihr eine weitere Konsole krachend explodierte und einige große Metallsplitter quer durch den Kommandoraum pfiffen.

Die Rigelianerin schrie, von Schmerzen gepeinigt auf, und starrte ungläubig auf einen blutigen Metallzacken, der aus ihrer rechten Schulter ragte. Er war von hinten durch ihren Oberkörper gefahren und verursachte einen glühenden Schmerz, der ihr fast die Besinnung raubte. Mit übermenschlichem Willen schaffte sie es, nicht bewusstlos zu werden und sagte stöhnend, zu ihrem XO: „Wenn wir den Letzten an Bord haben, dann lassen Sie das Schiff von hier verschwinden Ferath. Und holen Sie sich Captain Dheran auf die Brücke.“

Schwankend stand die Rigelianerin vor ihrem Sessel und tastete nach den Armlehnen.

Zusammen mit der Bestätigung ihres Commanders, meldete der Transporter-Chief, dass er den letzten Schwung sicher an Bord hatte. Gleichzeitig lief die Meldung ein, dass die OBERON den angreifenden Raider gestellt und vernichtet hatte, und dass Konteradmiral Kuehn, gleich darauf, zu seinem Flaggschiff gebeamt worden war.

„Dann nichts wie weg von hier“, rang sich Alev Scenaris noch ab. Im nächsten Moment brach sie zusammen und sank zu Boden.

Tarien Ferath, der bereits Kontakt zur Krankenstation aufgenommen, und ein Notfallteam angefordert hatte, gab den Befehl zum Abflug. Danach betätigte er seinen Kommunikator und sagte krächzend: „Captain Dheran, hier spricht Commander Ferath. Kommen Sie bitte kommen Sie umgehend auf die Brücke.“

 

* * *

 

Als Captain Tar´Kyren Dheran zwei Minuten später die Brücke der ASTARTE betrat hatte das Notfallteam Alev Scenaris gerade abtransportiert. Schnell sah er sich auf der verwüsteten Brücke des Schiffes um und wandte sich zu Commander Ferath.

„Bericht, Commander. Wo ist Captain Scenaris?“

Der Erste Offizier der ASTARTE beeilte sich zu sagen: „Captain Scenaris wurde schwer verwundet und befindet sich auf dem Weg in die Krankenstation des Schiffes. Ich bitte Sie, dass Kommando über die ASTARTE zu übernehmen, Sir. Das Schiff hat einige schwere Treffer erhalten, und ich warte momentan auf die Schadensmeldung aus dem Maschinenraum und den übrigen neuralgischen Stationen des Schiffes.“

Dheran ließ sich nichts davon anmerken, wie es in ihm aussah. Seine Sorge um Alev musste zur Zeit warten, denn zunächst hatte Priorität, dass die ASTARTE, die OBERON und die PHOEBE von hier entkamen.

„Danke, Commander.“, erwiderte der Andorianer beherrscht. Dann hob er seine Stimme etwas an und erklärte mit sachlichem Tonfall: „Ich übernehme das Kommando über die ASTARTE. Alle Dienstfähigen auf ihre Stationen, wir verschwinden aus diesem System. Schiff klar zum Gefecht.“

Tar´Kyren Dheran stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Brückencrew seine Anweisungen schnell und genau umsetzte. Langsam nahm er auf der Kante des Kommandositzes Platz. Es war für ihn etwas ungewohnt auf einer solchen Bank zu sitzen, statt in seinem gewohnten Captains-Sessel.

Neben Dheran ließ sich der Izarianer nieder und stellte eine Verbindung zum Hauptmaschinenraum her. Ungeduldig erkundigte er sich beim Leitenden Ingenieur: „Wo bleibt Ihr Bericht, Lieutenant-Commander Clancey?“

Eine dröhnende Stimme meldete: „Wir haben noch nicht alle Schäden analysiert, Sir, aber die Steuerbord-Warpgondel hat einiges abbekommen. Ebenso die Primärhülle hinter der Brücke. Wir werden möglicherweise nicht das Tempo der beiden anderen Schiffe mithalten können. Der Warpkern und der Impulsantrieb sind soweit klar. Ansonsten haben wir verschiedene kleinere Hüllenbrüche, aber die Notkraftfelder halten.“

„Danke, Chief. Kümmern Sie sich mit ihren Teams hauptsächlich darum, dass wir mit der Gondel keine ernsthaften Probleme bekommen. Ferath, Ende.“

Der Commander blickte sorgenvoll zu Dheran, der mitgehört hatte. „Wir sollten beten, dass die Schäden an der Warpgondel nicht größer sind, als es uns der Chief einreden will, Captain. Sollte sie ausfallen, dann sehe ich ziemlich schwarz.“

Der Andorianer grinste humorlos und meinte sarkastisch: „Das würde unseren Einsatz zumindest nicht langweiliger gestalten, Commander.“

Auf dem Hauptschirm zeigten die länglichen Sternenstreifen an, dass die drei Föderationsschiffe bereits auf Warpgeschwindigkeit gegangen waren und nun weiter beschleunigten. Die beiden LUNA-Kreuzer flogen ein gutes Stück voraus.

Bei Warp-9,6 begann die Schiffszelle unheilvoll zu schwingen und Dheran befahl dem Piloten: „Fliegen Sie nicht schneller, als Warp-9,5.“ Dann wandte er sich zum Offizier an der OPS und verlangte: „Öffnen Sie einen Kanal zur OBERON.“

Gleich darauf erschien Valand Kuehns Gesicht auf dem Hauptschirm der ASTARTE und Tar´Kyren Dheran sagte ohne Umschweife: „Wir können bestenfalls mit Warp-9,5 fliegen, Valand. Eine unserer Warpgondeln wurde beschädigt.“

Der Norweger nickte mit versteinerter Miene und erwiderte: „Verstanden, Tar. Die PHOEBE bleibt bei euch, während ich mit der OBERON voraus fliege, um am Wurmloch alles für unsere Flucht aus diesem Quadranten in die Wege zu leiten.“

„Verstanden, wir sehen uns dann.“

Dheran gab dem Mann an der OPS ein Zeichen die Verbindung zu unterbrechen und meinte dann zu dem izarianischen Commander: „Das hoffe ich zumindest.“

 

* * *

 

Gleich nachdem die ASTARTE die Verbindung unterbrochen hatte, gab Tamaril Delor, der Erste Offizier der OBERON, Anweisung, die PHOEBE von der neuen Lage zu unterrichten, während Kuehn den Piloten anwies auf maximale Geschwindigkeit zu beschleunigen.

Ein ungutes Gefühl keimte in Valand Kuehn auf, als er den Trill an seiner Seite musterte und meinte: „Hoffentlich wird die ASTARTE nicht noch langsamer, denn wenn wir erst einmal damit begonnen haben, das sterbende Wurmloch, für unsere Flucht zu manipulieren, dann bleibt uns nur Minuten um auch hindurch zu gelangen.“

Der Commander nickte nur, und Kuehn wandte sich an den Offizier der OPS: „Lieutenant, stellen Sie eine permanente Verbindung zum provisorischen Kontrollraum des Wurmlochgenerators her. Ab jetzt möchte ich unsere Spezialisten dort unten jederzeit erreichen können.“

„Aye, Sir.“

Kuehn wandte sich wieder dem Bildschirm zu und grübelte vor sich hin. Sie würden noch eine knappe Stunde brauchen, um die richtige Position zu erreichen. Und danach würden noch einmal mehrere Minuten nötig sein, bis die Stabilisierung des Wurmlochs endgültig erfolgen konnte. Spätestens drei Minuten später mussten die Schiffe passieren, sonst würde das Risiko zu groß werden, dass das sterbende Wurmloch kollabierte, bevor sie es passiert hatten. Nachdenklich wandte er sich an die vulkanische Pilotin des Schiffes und wies sie an: „Berechnen Sie unsere Fahrtstufe so, dass wir fünf Minuten vor den beiden anderen Schiffen unsere Endposition in diesem Quadranten erreichen, Lieutenant T´Farin.“

„Aye, Sir“, bestätigte die Vulkanierin, ohne sich umzudrehen. Sie nahm einige Berechnungen an ihrer Konsole vor und programmierte dann die nötige Fahrtstufe ein.

Währenddessen hatte Valand Kuehn wieder in seinem Sessel Platz genommen und zeigte nach Außen eine Gelassenheit, die er tief in sich nicht empfand. Bei einem Blick auf die Zeitanzeige stellte er fest, dass sie etwas hinter dem Zeitplan lagen, den Captain Chakotay mit den Voth abgesprochen hatte. Hoffentlich gehörten die nicht zu den ungeduldigen Typen und warteten eine Weile, auf ihr Erscheinen. Immerhin hatte Chakotay Forra Gegen nur eine gewisse Menge an Informationen, bezüglich dieses Einsatzes, geben dürfen.

Der Konteradmiral umfasste die Lehnen seines Sessels etwas fester und ließ seine Gedanken den Dingen vorauseilen. Wenn dieses Unternehmen gelang, dann würde Admiral Sherman es als seinen Erfolg ausbeuten, und damit seinem Ziel, Chiefadmiral zu werden, einen gewaltigen Schritt näher rücken. Kuehn verwünschte die Tatsache, dass er dazu gezwungen war, diesem aufgeblasenen Schnösel dabei auch noch zu helfen. Die Alternative wäre jedoch wesentlich unangenehmer gewesen. So hatte er aus der Not eine Tugend gemacht, indem er Sherman seine Loyalität zur Schau stellte, und für ihn die Kastanien aus dem Feuer holte. Kuehn tröstete sich schnell mit dem Gedanken daran, dass der Chiefadmiral dafür eines, nicht allzu fernen, Tages die Quittung präsentiert bekommen würde. Und zwar von keinem Geringeren, als ihn selbst. Aber noch brauchte er Sherman, und er hatte bereits sehr genaue Vorstellungen davon, wie er ihn zu manipulieren gedachte.

So in finstere Gedanken versunken verrann die Zeit, und Valand Kuehn war seinem Ersten Offizier dankbar dafür, dass er ihm die Ruhe dafür ließ. Natürlich hätte er auch seinen Bereitschaftsraum aufsuchen können, doch momentan war er in einer Stimmung, in der ihm das Umfeld auf der Brücke lieber war.

Beinahe verwundert blickte Kuehn zur Uhr als die Pilotin endlich bekannt, dass sie noch fünf Minuten vom Zielpunkt ihres Fluges entfernt waren. Fast gleichzeitig gab der Taktische Offizier Alarm, dass die Langstreckenscanner einen anfliegenden Jem´Hadar-Verband aufgefangen hatten.

„Wie lange, bis sie uns erreichen, Lieutenant Rollins“, erkundigte sich Kuehn.“

„Etwas mehr, als zwölf Minuten, Sir.“

Valand Kuehn wandte sich zu seinem Ersten Offizier und fragte ihn ironisch: „Warum muss das bei unseren Einsätzen immer so verdammt knapp zugehen, Commander?“

Der Trill erlaubte sich ein Schmunzeln und erwiderte in demselben Tonfall: „Geben Sie zu, dass es Ihnen ohne diesen besonderen Kick gar keinen Spaß machen würde, Sir.“

Kuehn grinste beinahe lausbubenhaft. „Sie kennen mich bereits sehr gut, Mister Delor. Um nicht zu sagen: zu gut.“

Beide Männer durchschauten dieses kleine Geplänkel, bei dem es im Grunde um nichts anderes ging, als die innere Spannung und die Nervosität etwas abzubauen. Dennoch erfüllte es, in Situationen wie dieser, ihren Zweck.

Abwartend blickten beide Offiziere wieder auf den Bildschirm, und die Zeit schien sich unnatürlich zu dehnen, bis die vulkanische Pilotin endlich meldete: „Noch dreißig Sekunden bis zum Zielort.“

„Endlich“, meinte Commander Tamaril Delor und sprach damit aus, was jeder Mann und jede Frau auf der Brücke der OBERON dachte.

Valand Kuehn nahm über den geöffneten Kanal Verbindung mit dem Provisorischen Kontrollraum des Wurmlochgenerators auf und sagte: „Doktor, Nygren: Wir werden jeden Moment unter Warp gehen. Halten Sie sich bereit.“

 

* * *

 

Lieutenant-Commander Miriam Nygren war es gewohnt, dass sie durch ihre äußere Erscheinung Aufmerksamkeit erregte. Hochaufgeschossen, immerhin maß sie knapp 1,90 Meter, mit langen, fast weißblonden Haaren, und strahlend blauen Augen war es für die Männerwelt auch schwer, sie nicht auf eine besondere Weise wahrzunehmen. Zwar hatten sich die meisten Mitglieder der Besatzung mittlerweile an ihre Erscheinung gewöhnt, doch irgendwie war es gelegentlich immer noch ein wenig anders, wenn sie eine Abteilung betrat.

Die in Südschweden geborene, athletische Frau hatte sich zum Anfang ihrer Karriere etwas daran gestört, dass sie wegen ihres Aussehens statt ihres Könnens auffiel. Doch mittlerweile lag diese Zeit hinter ihr, denn zumeist erkannten ihre Kollegen sehr schnell, was sie als Wissenschaftsoffizier zu leisteten imstande war.

Wie an fast allen anderen Tagen auch, hatte sie ihr langes Haar, mit einer filigran wirkenden, goldenen Spange, im Nacken gebändigt. Seit Valand Kuehn sie vor einigen Sekunden kontaktiert hatte, stand sie an den Hauptkontrollen des Generators, wobei sie von Zeit zu Zeit auf einen Bildschirm blickte, der dasselbe anzeigte, wie der Hauptschirm auf der Brücke des Schiffes.

In demselben Moment, als die Sternenstreifen vom Schirm verschwanden nahm Valand Kuehn wieder Kontakt auf und sagte: „Wir haben unsere Position in wenigen Augenblicken erreicht, Miss Nygren. Achtung... Jetzt.“

„Ich starte die Prozedur“, erwiderte die Wissenschaftlerin mit klarer, dunkler Stimme. „Wurmlochposition positiv bestätigt. Die modifizierte Matrix zur Stabilisierung des Wurmloches wird erzeugt... Jetzt, Sir!“

Ohne auf Kuehns Bestätigung zu achten wandte sie sich, über die Schulter hinweg zu ihrem Assistenten und wies ihn an: „Achten Sie auf den Datenfluss, und sagen Sie mir Bescheid, falls es Probleme mit den Datenmengen geben sollte.“

Der Bolianer erwiderte: „Damit sollten wir keine Probleme bekommen. Seit dem ersten Test, von Doktor Lenara Kahn, haben wird permanent daran gearbeitet.“

„Achten Sie trotzdem darauf“, beschied ihm die hochgewachsene Frau ruhig.

Eine Mitarbeiterin ihres Teams vor der zweiten Konsole meldete etwas nervös klingend: „Wir haben einen leichten Abfall beim AFR-Quotienten um etwa 3%, Ma´am.“

Miriam Nygren wandte sich der dunkelhäutigen Algerierin zu. „Erhöhen Sie die Energieaufnahme und kompensieren Sie, Ensign Thomis. Behalten Sie dabei den AQF-Sequenzer im Auge.“

Elodie Thomis bestätigte und nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Wochenlang war sie, wie der Rest des Wissenschaftlichen Teams um Miriam Nygren, von Lenara Kahn und ihren Mitarbeitern an den Geräten intensiv geschult worden, bis sie die notwendigen Schaltungen beinahe im Schlaf beherrschten.

Miriam Nygren nahm selbst die letzten Einstellungen am Projektor vor, bevor sie ihren Stellvertreter anwies: „Fokalphalanx initialisieren, Mister Naromexx.“

„Fokalphalanx wird initialisiert“, bestätigte der Bolianer.

Der Projektor erwachte zu maschinellem Leben und gab ein tiefes Summen von sich.

Die Schwedin beobachtete scharf die Kontrollanzeigen des klobigen Gerätes und nahm einige geringfügige Veränderungen vor. Nach fast zwei Minuten nickte sie endlich zufrieden und gab dem Bolianer die nächste Anweisung. „Tensormatrix erzeugen.“

Gerade als der Bolianer bestätigte, Warf Elodie Thomis aufgeregt ein: „Lieutenant-Commander, der AQF-Sequenzer arbeitet hart am Grenzbereich!“

„Egal – weitermachen!“, übertönte die Schwedin sie, und für einen Moment blickt die Algerierin überrascht zu ihr hinüber, ob der ruhigen Gelassenheit der Schwedin. „Wir aktivieren und stabilisieren das Wurmloch... Jetzt.“

Das Arbeitsgeräusch des Projektors erhöhte sich um eine halbe Oktave.

Von der ersten Konsole meldete der Bolianer: Wurmloch öffnet und stabilisiert sich, Doktor. Es ist vollständig kohärent. Die Subraumfeldspannung fluktuiert etwas, liegt aber noch innerhalb normaler Parameter. Ich versuche auszugleichen.“

Miriam Nygren wandte sich lächelnd um und wollte aufatmen, als Ensign Thomis erregt ausrief: „Der AQF-Sequenzer wird überbelastet, Ma´am! Die Neutrinowerte steigen mit abnormaler Geschwindigkeit!“

Mit einigen langen Schritten war die Schwedin bei ihr und blickte auf die Kontrollen. Im nächsten Moment fluchte sie unterdrückt und nahm Kontakt zu Valand Kuehn auf. Kaum dass er sich gemeldet hatte, erklärte die Frau düster: „Sir, wir haben ein Problem!“

 

* * *

 

Auf der ASTARTE bekam Tar´Kyren Dheran ein ungutes Gefühl, als Valand Kuehn ihn ernst vom Hauptschirm ansah. Er erkannte im Blick des Freundes, dass irgendetwas nicht so glatt lief, wie es sollte.

Valand Kuehns Worte bestätigten die finsteren Ahnungen des Andorianers. „Ich fürchte, ihr müsst eine Schippe drauflegen, Tar´Kyren. Wir haben das Wurmloch geöffnet und stabilisiert, aber die Zerfallsrate liegt höher, als wir es in unseren pessimistischsten Berechnungen angenommen hatten. Mit dem jetzigen Tempo werdet ihr etwa eine halbe Minute zu spät bei uns sein.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich nach Innen und mit beschwörendem Tonfall erklärte er dem Freund: „Wenn wir die momentane Fahrtstufe erhöhen, dann kannst du uns mit einem Besen aufkehren, wenn wir bei dir ankommen. Bereits jetzt haben wir Probleme damit die Warpblase stabil zu halten, und durch die Fluktuationen, beim Plasmadurchfluss in der Steuerbordgondel, kann uns auch die PHOEBE nicht helfen.“

Der Andorianer überlegte fieberhaft und fragte dann: „Können die OBERON und die PHOEBE unser Schiff mit sich durch das Wurmloch ziehen?“

Valand Kuehn nickte. „Das würde gehen, mein Freund. Warum fragst du?“

Der Andorianer grinste schief: „Wir werden etwas mehr aus dem Schiff herausholen, aber die PHOEBE soll auf Abstand gehen und vorausfliegen. Und macht euch auf darauf gefasst, das euch ein paar Schiffsteile um die Ohren fliegen werden, wenn wir ankommen. Dheran, Ende.“

Gleich nachdem die Verbindung zur OBERON unterbrochen worden war, wandte sich Tar´Kyren Dheran zu Tarien Ferath: „Commander, lassen Sie alle Bereiche der Primärhülle, rund um den Auflagebereich der Steuerbordgondel evakuieren und dann alle Notschotts schließen. Aktivieren Sie zusätzlich die Notkraftfelder, wo es geht.“

Der Izarianer widerstand dem Verlangen nach dem Grund zu fragen, als er in die Augen des Andorianers sah. Schnell gab er seine Anweisungen, während Dheran den Maschinenraum informierte und dann den Piloten anwies, langsam auf Warp-9,75 zu beschleunigen.

Auf dem Hauptschirm erkannte Dheran, wie die PHOEBE davonzog. Sich geschmeidig von der Kommandobank erhebend schritt er ein Stück nach Vorne und blieb dann hinter dem Piloten stehen. Unter den Sohlen seiner Schuhe glaubte der Andorianer zu spüren, wie sich das angeschlagene Raumschiff dagegen wehrte noch weiter belastet zu werden. Einen Moment später sagte ihm ein stärker werdendes Vibrieren, dass er sich dies nicht nur eingebildet hatte.

„Wie lange noch, Lieutenant?“

Der Pilot wusste, dass Dheran ihn meinte und sagte tonlos: „Noch etwa fünfzig Sekunden.“

Gleichzeitig durchzog ein unheilvolles Knacken und Krachen überbeanspruchter Verbindungen das gesamte Raumschiff.

Die zittrige Stimme des OPS-Offiziers hinter ihm meldete: „Die Rumpfintegrität der Primärhülle liegt bei nur noch 42% Sir. Die Hülle beginnt sich zu verformen und wir haben bereits Teile der Plattierung verloren.“

Der Pilot wandte sich mit fragender Miene dem Andorianer zu.

„Einfach weiter!“, sagte Dheran rau und wies mit der Hand nach Vorne

Der izarianische Commander trat an den Andorianer heran und meldete: „Ihre Befehle wurden ausgeführt, Sir.“ Etwas leiser, so dass nur Dheran ihn verstehen konnte sagte er: „Wenn das gutgeht, dann werde ich einen Lobgesang auf die Ingenieure dieses Raumschiffes anstimmen.“

„Ich hoffe, Sie sind gut bei Stimme“, erwiderte der Andorianer ironisch. Heiser erkundigte er sich bei dem Piloten: „Wie lange noch?“

„Zehn Sekunden, Sir!“

Im nächsten Moment begann der Boden unter den Männern und Frauen zu schwanken und sowohl Dheran, als auch Ferath wurden unsanft zu Boden gerissen.

Das Schiff bockte. Mehrere Konsolen gaben Funkensprühend den Geist auf, und Qualm wallte durch den Kommandoraum.

„Multiple Hüllenbrüche!“, übertönte der OPS-Offizier das Chaos. „Keine Verluste!“

„Abgesehen von meinen Nerven, und meinem Steißbein“, schimpfte Commander Ferath gereizt.

Während Dheran den Izarianer mit sich auf die Kommandobank zog, fiel das Raumschiff endlich unter Warp. Im nächsten Moment durchlief das Schiff ein fürchterlicher Schlag, und die beiden Offiziere wurden wie Puppen durch die Luft gewirbelt.

Die Welt begann sich um Dheran zu drehen. Instinktiv zog er die Beine an und legte die Arme schützend über seinen Kopf. Dann krachte er heftig gegen etwas Hartes, und die Luft wurde ihm aus den Lungen getrieben. Blaue Nebel wallten vor seinen Augen und wie durch Watte hörte er die Stimme seines Freundes Valand Kuehn, der eine Verbindung zur ASTARTE hergestellt hatte. Dheran versuchte, sich aufzurappeln, doch als er aufstehen wollte, knickte in den Knien ein. Etwas Warmes lief über seine Stirn und nur unterbewusst registrierte der Andorianer, dass es Blut sein musste. Mit letzter Kraft wandte er sich an Commander Ferath, der offensichtlich glimpflicher davongekommen war, als er. „Commander, übernehmen Sie“, rang er sich ab und sank bewusstlos zu Boden.

 

* * *

 

Zuerst war Valand Kuehn erleichtert, als die ASTARTE endlich bei ihnen ankam und unter Warp fiel. Doch bereits im nächsten Moment erschrak er, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen, als eine heftige Explosion die Steuerbordgondel der ASTARTE förmlich zerriss und ihre Trümmerteile davon wirbelten. Kuehn erkannte, dass die Primärhülle arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, und er hoffte inständig, dass es nicht zu Verlusten unter den an Bord befindlichen Lebewesen gekommen war.

Bevor das Schiff ins Trudeln kommen konnte, hatte der Traktorstrahl der PHOEBE bereits zugepackt und stabilisierte es.

Valand Kuehn gab Befehl: „Wir unterstützen die PHOEBE mit unserem Traktorstrahl. Steuermann: Sobald wir die ASTARTE im Schlepp haben dringen wir in das Wurmloch ein, so schnell es das beschädigte Schiff zulässt. Wir müssen nun endlich da durch, ob wir wollen oder nicht.“

Wie zur Bestätigung seiner Worte meldete sich Lieutenant-Commander Nygren bei ihm und erklärte ihm, dass das Wurmloch nur noch für eine Minute kohärent und stabil genug bleiben würde, um heil hindurch zu gelangen.

Kuehn bestätigte grimmig: „Wir sind schon auf dem Weg, Doktor.“

Von außerhalb der OBERON hätte sich dem Norweger ein beeindruckendes Bild geboten. Zusammen mit der PHOEBE und der ASTARTE bildete sein Raumschiff ein beinahe gleichseitiges Dreieck, bei dem die Spitze, die durch die ASTARTE gebildet wurde, vom Wurmloch weg zeigte, das sich glühend orange vor den Schiffen geöffnet hatte. Gemeinsam bewegten sich die drei Schiffe nun auf den grellgelben Lichtschein im Zentrum der Wurmlochöffnung zu, wobei sie konstant beschleunigten. Nach wenigen Sekunden hatten sie endlich den Erfassungsbereich des Wurmloches erreicht und sie wurden nun vom natürlichen Sog des Wurmloches mitgerissen und förmlich verschlungen.

Auf dem Bildschirm der OBERON bildeten sich die abstrakten Muster des übergeordneten Hyperraums ab. Ob diese Muster tatsächlich so existierten, oder ob sie nur von den Sinnesorganen humanoider Spezies so wahrgenommen wurden, das wusste bis heute kein Wissenschaftler mit Sicherheit zu sagen.

Für einen Moment glaubte Valand Kuehn ein unstetes Flackern auf dem Bildschirm zu erkennen, doch dann wurde eine sternenübersähte, schwarze Scheibe erkennbar. Der Wurmlochausgang öffnete sich.

Bereits im nächsten Moment hatten sie ihn passiert, aber anders, als bei Wurmlöchern, die sich auf natürlichem Wege öffneten, schloss es sich nicht wieder, nachdem sie es verlassen hatten.

„Blick achtern und weiter Kurs halten“, befahl Kuehn. Einen Herzschlag später wurde der Höllenschlund des Wurmloches erkennbar, und der Norweger wusste, dass in diesem Moment Doktor Nygren und ihr Team unzählige Messungen anstellten, von denen sie sich neue, wissenschaftliche Erkenntnisse erhofften.

Die Stimme von Lieutenant Gene Rollins riss ihn unsanft aus seinen Betrachtungen. „Sir, ich messe eine Reihe von gravimetrischen Verzerrungen, aus dem Innern des Wurmlochs an. Da kommen jede Menge weitere Schiffe hindurch.“

„Können Sie sagen, ob die Voth bereits in unserer Nähe sind?“

„Negativ, Sir.“

Der Norweger ballte seine Fäuste. Sie konnten nicht vor ihren Verfolgern fliehen, ohne die halbwracke ASTARTE ihrem Schicksal zu überlasten, und sie konnten es auch nicht mit einer ganzen Flotte des Dominion aufnehmen.

Ein Flackern des Wurmloches ließ ihn aufmerksam werden. Er vermutete bereits, dass die Feindschiffe, die sie offensichtlich verfolgten nun erschienen, doch etwas vollkommen anderes geschah.

Zuerst nur langsam, dann immer schneller begann der Wurmlochausgang zu flackern, wie ein defekter Leuchtkörper. Dann, ohne Warnung blitzte der Ausgang grellweiß auf und fiel in sich zusammen, wobei für eine halbe Sekunde, ein sanft schlängelnder, grellroter Lichtschlauch sichtbar wurde, der sich in der Unendlichkeit verlor. Im nächsten Moment löste er sich scheinbar in einzelne Teilstücke auf und verschwand beinahe vom Bildschirm. Gerade so, als würde sich das sterbende Wurmloch in einer Art Todeskampf befinden, leuchteten diese Teilstücke noch einmal grellrot auf und waren sofort darauf endgültig verschwunden.

Langsam wandte sich Kuehn an seinen Taktischen Offizier und fragte unnatürlich ruhig: „Ist das Wurmloch nun endgültig kollabiert, Lieutenant?“

Gene Rollins gelöstes Lächeln sprach Bände. „Aye, Sir. Und es ist kein Raumschiff nach uns hindurch gelangt.“

„Gibt einen Hinweis auf die Voth?“

„Nein, Sir, die scheinen sich zu... Moment, ich habe plötzlich, in einer Entfernung von einem Lichttag ein gewaltiges Raumschiff auf dem Scanner. Es strahlt eine Transwarpsignatur aus. Keine Borg, Sir.“

Allgemeine Erleichterung machte sich auf der Brücke breit. Die Voth hatten offensichtlich, aus der Phase geschoben, auf ihre Ankunft gewartet. Erleichtert blickte Valand Kuehn zu seinem Ersten Offizier und sagte: „Erkundigen Sie sich nach den Schäden und Verlusten auf der ASTARTE. Ich erwarte später einen ausführlichen Bericht, sobald wir von den Voth an Bord ihres Stadtschiffes genommen wurden, Commander.“

Kuehn dachte erleichtert daran, dass der schlimmste Teil des Unternehmens nun hinter ihnen lag. Sie hatten es wirklich geschafft.

Ein hoher Preis

Als Captain Tar´Kyren Dheran zu sich kam fühlte sich sein Schädel an, als habe jemand sein Gehirn genommen, Springball damit gespielt, und es anschließend, verkehrt herum, wieder in seinem Kopf eingesetzt.

Die ersten bewussten Gedanken kehrten wieder, und damit auch die Erinnerung daran, dass Alev Scenaris schwer verletzt worden war.

Dheran zwang sich die Augen zu öffnen und blickte in das Gesicht des besorgten, weiblichen Leitenden Medizinischen Offiziers. Die Frau wollte ihn sanft an der Schulter zurückdrängen, als er Anstalten machte, sich aufzurichten.

„Sie müssen sich schonen, Sir. Ich bin Lieutenant-Commander Katharina Geranowa. Sie hatten einige üble Brüche an ihren Knochenplatten im Brustbereich und eine mittlere Gehirnerschütterung.“

Tar´Kyren Dheran ließ sich nicht beirren und richtete sich auf, um für einen langen Moment schwankend auf der Liege sitzen zu bleiben und die Augen zu schließen. Dann sah er die dunkelhaarige Ärztin an und verlangte bestimmt: „Geben Sie mir etwas gegen die Kopfschmerzen und dann bringen Sie mich zu Captain Scenaris.“

Die Ärztin blickte in die bläulich-violetten Augen des Andorianers und erkannte, dass es keinen Sinn haben würde, ihn umstimmen zu wollen. Deshalb kam sie seiner Aufforderung nach und erklärte, während sie das Hypospray injizierte: „Captain Scenaris liegt nebenan, Sir. Es tut mir sehr leid, aber wir können leider gar nichts mehr für sie tun?“

Dheran blickte der Frau erschrocken in die braunen Augen. „Aber der Commander sagte mir, dass sie einen Splitter abbekommen habe.“

Die Schwarzhaarige nickte knapp. „Das ist korrekt, Sir. An dem Splitter befanden sich jedoch Stoffe, die durch die Explosion freigesetzt wurden, und die auf rigelianische Körper eine vergiftende Wirkung besitzen. Der Splitter war zu lange im Körper von Captain Scenaris, als dass wir noch eine Chance gehabt hätten, die fortschreitende Vergiftung aufzuhalten. Sie wird schon bald sterben, und ich bin vollkommen machtlos dagegen.“

Dheran spürte die Niedergeschlagenheit der Ärztin, und auch er selbst wollte nicht glauben, was er eben gehört hatte. Das konnte – nein, das durfte nicht sein. Er schüttelte leicht den Kopf und verlangte dann ächzend: „Ich möchte sie sehen, Doktor.“

Die Ärztin reichte Dheran ihren Arm um ihn zu stützen, was dieser dankbar annahm. So schnell die Ärztin meinte es verantworten zu können schritten sie in den angrenzenden Raum, in dem die Rigelianerin auf einer der Medoliegen ruhte. Das Ärzteteam hatte sie offensichtlich aus ihrer Uniform geschält und ihr später ein leichtes Nachthemd angezogen.

Mit geschlossenen Augen und entspannten Gesichtszügen, vermittelte Alev Scenaris ein Bild des Friedens, und hätte es der Andorianer, durch die Bordärztin nicht besser gewusst, so hätte er sich wenig Sorgen gemacht.

Mit brennendem Blick sah Dheran die Ärztin an und fragte: „Wird sie noch einmal zu sich kommen, Doktor?“

Die Ärztin schluckte. „Ich weiß es nicht, Sir. Ich lasse Sie nun allein.“

Der Andorianer blickte die Ärztin dankbar an, als sie leise den Raum verließ und richtete dann seine Aufmerksamkeit der Freundin zu. Langsam trat er an die Liege heran, setzte sich auf die Kante und legte dann seine Hand, in einer unendlich zärtlichen Geste auf ihre linke Wange. Sie sanft streichelnd sagte er flüsternd: „Warum du, Alev? Warum ausgerechnet du – gerade jetzt, wo wir all unsere Differenzen endlich beigelegt haben, und auf dem Weg waren, wieder die Freunde zu werden, die wir sein sollten. Wenn ich es könnte, dann würde ich sofort mein Leben geben, um deines zu erhalten, ich hoffe das weißt du.“

Die Augenlider der Rigelianerin begannen zu flattern und gleich darauf blickte sie ihn an. Doch es dauerte eine Weile, bis sich Erkennen in ihren grünen Augen widerspiegelte. Ein schwaches Lächeln überflog ihre blassen Lippen als sie beinahe unhörbar fragte: „Bist du es wirklich, Tar´Kyren?“

„Ja, ich bin es.“

„Das Schiff, ist es...?“

„Das Schiff ist in Sicherheit, Alev“, beeilte sich der Andorianer zu versichern. „Im Moment bringen uns die Voth in den Alpha-Quadrant zurück.“

Das Lächeln der Rigelianerin wirkte befreit. „Das ist gut...“

Tar´Kyren Dheran schluckte, als der Blick der Rigelianerin sich zu verschleiern drohte. Doch dann wurde er übergangslos klar und sie sagte etwas verständlicher: „Mir wird so kalt, Tar´Kyren. Halt mich bitte in deinen Armen.“

Vorsichtig schob der Andorianer seinen rechten Arm unter ihre Schulter. Mit der Linken bettete er sachte ihren Kopf an seine Brust und sah sie an.

„Das ist besser“, flüsterte die Rigelianerin und schloss für einen kurzen Moment die Augen, bevor sie Dheran wieder offen ansah. Ein Zittern durchlief ihren Körper und zwei Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln, doch mit schier unbändiger Willenskraft sagte sie: „Tar´Kyren, ich werde dieses Universum nicht verlassen, ohne dich wissen zu lassen, dass ich niemals aufgehört habe, dich zu lieben.“

Die Rigelianerin lächelte gelöst. Im nächsten Moment brach ihr Blick und ihr Kopf sank nach hinten.

Stumm presste der Andorianer ihren leblosen Körper an sich, während sich seine Antennen immer stärker nah vorn über krümmten. Er hätte am liebsten laut geschrien, aber der Schmerz schnürte ihm die Kehle zu. Nur hinter seiner Stirn hämmerten immer wieder drei fürchterliche, grausam nüchterne Worte: Sie ist tot!

 

* * *

 

Eine knappe Stunde später ging das gewaltige Stadtschiff der Voth etwas außerhalb des Denorios-Gürtels, unter Transwarp und rief augenblicklich die Station DEEP SPACE NINE, bevor man dort eventuell auf die irrige Idee kam, ein Angriff würde erfolgen. Danach wurden die drei Föderationsschiffe ausgeschleust und nach einem letzten Gruß, den Valand Kuehn auf der Brücke seines Raumschiffs entgegen nahm, verabschiedete sich der Kommandant des gewaltigen Stadtschiffes. Im nächsten Moment wendete er es bereits und verließ das System mit hoher Fahrtstufe. Keine Minute später verschwand das Schiff der Voth aus dem Blickfeld und von den Scannern der Föderation.

Die Stimmung an Bord der Schiffe war gedrückt, denn mittlerweile hatte dort die Nachricht vom Tode Alev Scenaris´ die Runde gemacht.

Valand Kuehn hatte die Station davon unterrichtet, dass die ASTARTE, oder besser: was davon noch übrig war, nicht mehr manövrierfähig war, und darum gebeten, sie mit einem Traktorstrahl an einem der sechs Hauptpylone anzudocken. Außerdem sollten sich dort medizinische Notfallteams einfinden, denn die Transporter des Schiffes waren, wegen der schiffsweiten Zerstörungen, außer Funktion.

Der Norweger schüttelte den Kopf, während er auf dem Hauptschirm die schwer angeschlagene ASTARTE betrachtete. Fast siebzig Prozent der Steuerbordgondel fehlte, und ein gewaltiges Stück der rechten Primärhülle ebenfalls. Der Rest machte den Eindruck, als wäre er unter einen riesigen Schmiedehammer gekommen.

Zu seiner Erleichterung hatte er bereits erfahren, dass die übrigen sieben Raumschiffe des Verbandes ohne Probleme hatten entkommen können, wobei Captain Thomas Jackson jedoch hatte durchblicken lassen, dass Carzon Seregan, zumindest in der nächsten Zeit, wohl nicht gut auf ihn zu sprechen war. Das würde vermutlich ein ziemlich interessanter Bericht werden, den er bald von Jackson zu lesen bekam.

Zu Commander Delor gewandt meinte Kuehn schließlich: „Wir werden einen Warpschlepper benötigen, um das Raumschiff zur nächsten Flottenwerft zu transportieren. Vielleicht kann uns Admiral Tarun in dieser Hinsicht unterstützen. Die Station besitzt ein Reparaturdock, und sie liegt DEEP SPACE NINE, nach Sternenbasis-375 am nächsten. Bitte leiten Sie das in die Wege, ich werde mich zur ASTARTE begeben.“

Der vereinigte Trill bestätigte und blickte dem Konteradmiral nach, als er sich eilig zu Turbolift-1 begab.

Kuehn beeilte sich zu Transporterraum-1 zu gelangen und auf die ASTARTE zu wechseln, die momentan gerade am unteren Pylon-2 angedockt wurde. Ein junger Ensign führte ihn auf die Brücke, von wo aus Tar´Kyren Dheran persönlich das Manöver leitete.

Der Norweger hielt sich im Hintergrund, bis das Manöver erfolgreich abgeschlossen war, und Dheran das Kommando über das Schiff an Commander Ferath übergeben hatte, bevor er zu ihm trat und sagte: „Ich bin gekommen, um dich abzuholen, und um mich davon zu überzeugen, wie es dir geht, mein Freund.“

Kuehn wartete, bis sie beide allein im Turbolift nach unten fuhren, bevor er sagte: „Es tut mir aufrichtig leid, Tar. Ich weiß, wie viel dir Alev bedeutet hat, und sie war auch meine Freundin. Ihr Tod ist für uns ein schmerzlicher Verlust.“

Der Andorianer hielt den Lift an und wandte sich dem Freund zu. „War es das wirklich wert, Valand? Sind diese Cardassianer wirklich den Tod von Alev wert?“

Der Norweger blickte seinen Freund verstehend an und erwiderte: „Du kennst die Antwort darauf, Tar. Und Alev wäre die Erste gewesen, die sie dir gegeben hätte.“

Der Andorianer ballte in ohnmächtigem, hilflosen Zorn die Fäuste. „Ich war von uns immer der Draufgänger, Valand! Ich hätte bei diesem Einsatz sterben sollen, aber nicht sie! Doch nicht sie, Valand!“

Valand Kuehn, der sich gut vorstellen konnte, was momentan in dem Freund vorging, legte seine Hand auf die Schulter des Andorianers und bat ihn beschwörend: „Tu dir das nicht an, Tar. Das hätte sie nicht gewollt, und das weiß du.“

Der Andorianer löste die Hand des Freundes und ließ den Lift weiterfahren. Dabei erklärte er: „Wenn du nichts dagegen hast, dann suche ich mein Gästequartier auf der OBERON auf. Ich würde jetzt gerne allein sein.“

„Das verstehe ich“, antwortete Kuehn dunkel. „Ich werde Alevs Leichnam, nach Rigel-V überführen. Ihre Eltern werden das einer Raumbestattung vorziehen. Es wird trotzdem eine kleine Gedenkfeier für Alev, an Bord der OBERON geben, und ich bitte dich darum, daran teilzunehmen, mein Freund.“

Dheran nickte schwach. „Natürlich. Ich erwarte deinen Anruf.“

Durch die Backbordschleuse der ASTARTE verließen sie das Schiff und fuhren mit dem Pylon-Turbolift hinauf zur Andockring-Ebene, wo sich ihre Wege vorerst trennten, da Valand Kuehn zur OPS wollte um mit Captain Kira Nerys einige organisatorische Details zu besprechen. Erst, als er, auf dem Weg dorthin, den Habitatring hinter sich gelassen hatte, verlangsamte der Konteradmiral seine Schritte und blieb schließlich ganz stehen. Sich mit einer Hand an der Wand des Ganges abstützend fuhr er sich mit der Anderen über die Augen und wischte die Tränen fort, bevor er tief durchatmete und dann seinen Weg fortsetzte.

 

* * *

 

Sieben Stunden später standen sechs Männer und vier Frauen im Wohnraum von Valand Kuehns Quartier, bei einem Glas Wein zusammen. Sie alle hatten sich vor dem Einsatz hier getroffen, doch eine von ihnen fehlte nun:

Alev Scenaris.

Ihretwegen waren sie nun hier. Um Ihrer zu gedenken und um ihr Andenken zu ehren, indem sie sich von Begebenheiten mit ihr erzählten, so wie es bei Rigelianern Tradition war. Gemäß dieser Tradition begannen Valand Kuehn und Sylvie LeClerc, die Alev am längsten kannten, damit Anekdoten und Begebenheiten aus ihrem Leben mit Alev zu erzählen.

Danach folgte Elisabeth Dane, die mit Alev bereits gut befreundet gewesen war, als Tar´Kyren Dheran sie kennenlernte.

Als der Andorianer an der Reihe war zögerte er etwas, bevor er zögernd sagte: „Das, was mir am lebhaftesten in Erinnerung geblieben ist, das ist fraglos unsere erste Begegnung an der Sternenflottenakademie. Der Nachmittag, als wir, zusammen mit Valand und John, Beachvolleyball gespielt haben. Ihr besonderer Humor und ihre feurige Art, und vielleicht gerade die besondere Art, wie sie mit mir umging, wobei sie, ihr Temperament betreffend, scheinbar permanent vor einem Warpkernbruch zu stehen schien, das alles hatte mich von Beginn an besonders an Alev fasziniert. Was ich gleichermaßen nie vergessen werde ist jener Novembermorgen, an dem wir uns im Park der Akademie, nicht ganz zufällig, begegneten. Sie reichte mir ihre Hände, damit ich sie wärmen kann und in diesem Moment war es eigentlich klar, was wir für einander fühlen. Auch wenn ich das damals zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt hatte. So werde ich sie stets in Erinnerung behalten. Auch wenn unsere Beziehung nicht von sehr langer Dauer gewesen ist, so war sie doch die beste Freundin, die man sich wünschen kann. Leider hatten wir das für einige Zeit vergessen.“

Nach Dheran kamen nun die Übrigen an die Reihe, wobei Alucard Farg den Schluss bildete. Danach erhoben sie ihre Gläser um auf das Andenken an die Rigelianerin zu trinken.

Später, als sie sich von einander verabschiedeten, begab sich Alana Kuehn unauffällig an Dherans Seite. Erst als sie den Andorianer ansprach, fiel ihm ihre Nähe auf und er musterte sie fragend.

„Tar´Kyren, ich würde dich gerne unter vier Augen sprechen.“

Dheran musterte sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Neugier. „Worum geht es denn?“

„Natürlich um Alev.“ Sie umschlang mit ihrer rechten seinen linken Arm und sagte schließlich ironisch: „Spiel hier nicht den Eiskalten und lass mich bei dir unterhaken, okay?“

Etwas erstaunt über diesen bestimmten und gleichzeitig ernsten Tonfall, den er so nicht von ihr gewohnt war, winkelte er seinen Arm an und Alana hakte sie bei ihm ein.

„Schon besser, Großer“, meinte sie ruhig und lenkte ihre Schritte zu seinem Quartier, vor dem sie anhielt und meinte: „Und jetzt wirst du mich auf einen Drink einladen, damit wir in Ruhe reden können, klaro.“

„Klaro“, nickte Dheran sarkastisch und öffnete das Schott.

Nachdem sie eingetreten waren, und Tar´Kyren Dheran ihr, auf ihren Wunsch, einen Andorianischen Tee gereicht hatte, sagte Alana zum Freund ihres Bruders: „Wie du weißt, kannten Alev und ich uns seit der Akademie. Was du, wegen deiner späteren amourösen Eskapaden mit Inari Taran und Christina Carey, nicht weißt ist, wie gut diese Freundschaft wirklich gewesen ist, und dass wir, auch nach der Akademie, in permanentem Kontakt mit einander gestanden haben. So kam es, dass sie mir, als ihre Freundin, etwas anvertraut hat, von dem sie nicht wollte, dass du es zu ihren Lebzeiten erfährst. Jetzt jedoch, so finde ich, ist die Zeit gekommen, dass du es erfährst.“

Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee und Tar´Kyren Dheran musterte sie überrascht, ob der geheimnisvollen Eröffnung. „Ich wusste tatsächlich nicht, dass ihr zwei euch so nahe gestanden habt.“

Alana nickte bezeichnend und fuhr fort: „Was du ebenfalls nicht weißt ist, dass du der einzige Mann in ihrem Leben gewesen bist, Tar´Kyren.“

Es gab nicht sehr oft die Gelegenheit, Tar´Kyren Dheran völlig verblüfft zu erleben, doch dies war einer der seltenen Momente. Ungläubig blickte der Andorianer die Schwester seines Freundes an und fragte mit wankender Stimme: „Ist das ein schlechter Scherz?“

Etwas dichter an den Andorianer herantretend versicherte die blonde Frau: „Nein, bestimmt nicht, Tar´Kyren. Dass du dich so schnell mit diesem andorianischen Mädchen getröstet hast, das hatte sie schwer verletzt.“

„Aber sie war es, die unsere Beziehung beendete“, verteidigte sich der Andorianer.

„Das mag sein, aber gerade, als sie beschlossen hatte, sich mit dir auszusprechen und zu versöhnen, da hattest du plötzlich Inari an deiner Seite. Wenn du doch damals nur etwas länger gewartet hättest...“

Es dauerte nur einen Moment, bis der Andorianer ihre Worte in voller Konsequenz erfasste und verwundert fragte: „Alev wollte es noch einmal mit uns versuchen?“

Alana nickte zustimmend und legte ihre Hand auf seine Wange. „Ja, das wollte sie. Denn du warst der Mann, mit dem sie zusammen sein wollte. Nur du. Sie hat niemals aufgehört, dich zu lieben, Tar´Kyren.“

Der Andorianer blickte durch Alana hindurch und sagte leise: „Ja, das waren ihre letzten Worte auf dem Totenbett, bevor sie in meinem Arm starb.“

Zwei Tränen rannen über die Wangen der Frau. „Dann starb sie wenigstens in dem Wissen, dass du es weißt, und du warst in diesem letzten Augenblick bei ihr.“

Tar´Kyren schritt an Alana vorbei zu einem der Fenster.

Im nächsten Moment hatte die blonde Frau ihr Glas auf einen kleinen Tisch gestellt und schritt zu dem Andorianer. Beinahe zornig zog sie ihn am Arm zu sich herum und funkelte ihn mit ihren blauen Augen an. „Mach das nie wieder, Tar´Kyren!“, zischte sie gefährlich leise und erneut standen Tränen in ihren Augen. „Wende dich nie wieder von einem deiner Freunde ab – weder von mir, noch von sonst einem. Als Elisabeth dir vor einigen Tagen in Valands Quartier sagte, es wäre nicht verkehrt, dir eine reinzuhauen, da hatte sie Recht, und vielleicht hätte sie es auch tun sollen. Du hast dich seinerzeit von Alev abgewendet, und nun ist sie tot. Aber der Rest von uns lebt noch, und wenn du dich verdammt nochmal zukünftig nicht besser um deine Freunde kümmerst, dann werde ich nach STRATEGICAL STARBASE 71 fliegen, und dann kannst du etwas erleben! Valand ist in dieser Hinsicht vielleicht zu diplomatisch, aber ich sage es dir offen ins Gesicht: Bewahre dir die Freundschaften, die dir noch verblieben sind!“

Wie vom Donner gerührt starrte Tar´Kyren Dheran Alana an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. So heruntergeputzt worden war er seit einer halben Ewigkeit nicht mehr, und in ihm setzte sich die Erkenntnis, dass sie Recht damit hatte. In einer hilflos wirkenden Geste hob er seine Hände etwas und ließ sie wieder sinken, ohne ein Wort hervorbringen zu können.

Alana blickte ihn einen Moment lang stumm an. Dann nahm sie ihn in die Arme, drückte ihn sanft und meinte: „Tut mir leid, Tar´Kyren, aber das musste einfach mal raus. Wenn Freunde nicht mehr für einander da sind, was haben wir denn dann noch?“

Tar´Kyren Dheran zog die Frau in seine Arme und erwiderte nach einem langen Moment: „Was du gesagt hast ist wahr, Alana. Ich verspreche dir, dass ich mich ab jetzt mindestens einmal im Monat, via Federation-Skynet bei euch allen melden werde. Aber für euch gilt das genauso, hörst du? Und vielleicht sollten wir uns alle, mindestens einmal im Jahr, irgendwo, für ein paar Tage, treffen, was meinst du dazu?“

Alana brauchte eine Weile, bevor sie sagen konnte: „Du lernst es allmählich.“

Mit einem Räuspern schob Tar´Kyren Dheran Alana schließlich ein Stückchen von sich und blickte sie ernst an. „Ich verspreche dir, dass das nicht nur leere Worte waren.“

Alana Kuehn schlug dem Andorianer herzhaft mit der flachen Hand auf die Brust und erwiderte: „Das will ich dir auch raten, sonst lernst du mich mal kennen, Großer.“ Dann fragte sie etwas ernster. „Wirst du zu der Zeremonie auf Rigel-V kommen, Tar´Kyren?“

„Das werde ich, und wenn ich dafür nochmal eine Schießerei mit meinem Admiral anfangen, und ihm androhen, muss, die ICICLE noch einmal zu entführen.“

Die blonde Frau blickte den Andorianer verständnislos an, und er meinte lediglich: „Die Geschichte erzähle ich dir ein anderes Mal.“

„Ich werde dich daran erinnern.“ Dann wechselte die Blondine das Thema und fragte: „Stimmt es, dass dein Schiff wieder einsatzfähig ist, und dich, zusammen mit Lieutenant-Commander Filiz und Lieutenant Singh-Badt hier abholen wird?“

Dheran erklärte zustimmend: „Ja. Valand hat mich, nach seinem Besuch bei Captain Kira, davon in Kenntnis gesetzt, dass die ICICLE in knapp zwölf Stunden hier sein wird. Ein Warpschlepper der Fünften Taktischen Flotte wird das Schiff begleiten und wir eskortieren den Schlepper und die ASTARTE dann zu unserer Basis, wo das Schiff repariert werden wird. Admiral Tarun hat seine Hilfe sofort zugesichert.“

Alana Kuehn nickte. „Ich lasse dir jetzt deine Ruhe, Großer. Ich hoffe, wir sehen uns noch, bevor du mit der ICICLE abfliegst.“

Der Andorianer nickte, während er sie zum Schott begleitete. „Ich werde vorher an Bord der ZARATHUSTRA kommen und mich von dir verabschieden.“

Sie lächelte aufmunternd. „Bis dann.“ Damit verließ sie das Quartier.

 

* * *

 

Hat´Meran Teron stand am Fenster seines Quartiers, das ihm nach der Ankunft der ASTARTE, auf DEEP SPACE NINE, zugewiesen worden war. Sein Haar hatte er schneiden lassen und man war so entgegenkommend gewesen ihm eine frische Uniform zu replizieren, die seiner alten exakt glich. Die Hände auf den Rücken gelegt, blickte er, durch das ovale Fenster hinaus auf das Sternenmeer der Milchstraße, ein Anblick, den er seit Jahren nicht mehr gewohnt war. Bei dem Gedanken daran, wem er es zu verdanken hatte, dass er diesen Anblick nun wieder genießen durfte, bogen sich seine Antennen nach Innen.

Irgendwann drang ein aufdringliches Summen an sein Ohr, dass ihm sagte, das jemand vor dem Schott stand und Einlass begehrte.

„Herein!“, rief der Andorianer und aktivierte damit den Öffnungsmechanismus des Schotts, ohne sich dabei umzuwenden. Erst als sich in der Scheibe des Fensters, neben seinem Gesicht, das Gesicht eines ihm nur zu gut bekannten Andorianers spiegelte, drehte er sich herum und fragte reserviert: „Was willst du, Tar´Kyren?“

Für einen langen Moment musterte Dheran den Mann, der zu Schulzeiten sein bester Freund gewesen war, bevor er entschlossen antwortete: „Ich wollte mich vergewissern, dass es dir gut geht, Hat´Meran, und ich will mich bei dir bedanken, dass du mich dabei unterstützt hast, die gefangenen Geiseln auf Varala IV zu befreien.“

„Das habe ich nur getan, um später nicht in deiner Schuld zu stehen“, entgegnete der Andorianer, in der schwarzen Uniform der Andorianischen Kommandoeinheiten, mit den Insignien eines Oberstleutnants am Kragen, hart. „Dieser Gedanke wäre mir unerträglich gewesen. Ich habe es also nicht für dich getan.“

Tar´Kyren Dheran atmete tief durch und sagte betont ruhig: „Ich bedauere sehr, dass du das sagst, Hat´Meran. Wir waren einst die besten Freunde, und ich bin mir sicher, wir könnten es wieder sein.“

Die Antennen des früher so kräftig gebauten Andorianers zuckten auf Dheran zu. „Weißt, du, dass ich mir während der Gefangenschaft oftmals gewünscht habe, du würdest an meiner statt dort schmoren? Und dann tauchst du plötzlich dort auf, in dieser verhassten Uniform, und du verlangst von mir, die Frauen und Kinder jener zu befreien, die ich ebenso verflucht habe, wie dich. Danach glaubst du wirklich, wir könnten Freunde sein?“

Tar´Kyren Dheran blickte in die funkelnden, blau-grauen Augen seines ehemaligen Schulfreundes. Dann deutete er anklagend, mit ausgestrecktem Arm auf ihn und explodierte: „Jetzt mach einmal einen Punkt, Hat´Meran. Du denkt in längst überholten Bahnen wie zur Zeit der letzten Clan-Kriege! Andorianer haben die Föderation mit begründet und einer der größten andorianischen Helden der neueren Geschichte, nämlich kein Geringerer als Thy´Lek Shran, hat für diese Föderation gekämpft. Ich bin also in bester Tradition unseres Volkes zur Sternenflotte gegangen, und ganz gewiss kein Verräter an Andoria! Bei der zurückliegenden Befreiungsaktion starb die Kommandantin der ASTARTE, die zu meinen besten Freunden gehört hat, weil sie ebenfalls an diese Werte glaubte! Ich hätte nie gedacht das einmal zu einem Andorianer sagen zu müssen, aber du bist es nicht wert, dass sie ihr Leben gegeben hat! Und du bist es nicht wert, dass man um deine Freundschaft kämpft“

Damit wandte sich Tar´Kyren Dheran ab und marschierte wütend aus dem Quartier.

Noch eine ganze Weile, nachdem Dheran gegangen war, stand Hat´Meran Teron im Raum und blickte auf das geschlossene Schott, durch dass Tar´Kyren Dheran verschwunden war. Seine Antennen bewegten sich unruhig in alle Richtungen und seine Hände ballten sich hinter seinem Rücken immer wieder zu Fäusten. Schließlich wandte er sich abrupt ab und starrte wieder finster hinaus auf das Sternenmeer des Alpha-Quadranten.

Fragen

Captain Alucard Farg hatte es sich nicht nehmen lassen, Rania Singh-Badt zur Luftschleuse des oberen Pylons Nummer 3 zu begleiten, an dem die U.S.S. ICICLE vor wenigen Minuten erst angedockt hatte. Die letzten Stunden hatte er dazu genutzt, Rania durch sein Raumschiff zu führen und mit ihr zusammen zu sein.

Rania Singh-Badt hatte registriert, dass Tar´Kyren Dheran und Tal´Inuray Filiz bereits an Bord gegangen waren, und nun wartete Dheran in der Schleuse der ICICLE darauf, dass auch sie an Bord ging. Etwas unsicher von ihm zu Alucard blickend, stellte sie schließlich ihre Reisetasche zu Boden und legte ihre Arme in den Nacken des Rumänen. Sie küsste den Mann und fragte leise: „Du meldest dich?“

Alucard Farg lächelte die junge Inderin an. „Natürlich melde ich mich. Bitte gib auf dich Acht, mein Engel.“

Zwinkernd erwiderte Rania: „Aye, Captain.“ Erneut küsste sie Alucard, bis ein ungeduldiges Räuspern des Andorianers sie dazu veranlasste, sich widerstrebend von dem Captain der Sektorenflotte-Bajor zu trennen. Sie nahm ihre Tasche auf und lächelte Alucard Farg noch einmal an, bevor sie sich umwandte, und zu Dheran schritt. Bei dem Andorianer angekommen winkte sie Alucard Farg noch einmal zu, wobei sie kaum wahrnahm, dass Dheran einen kurzen Moment inne hielt, bevor er die Schottverriegelung betätigte.

In Erinnerung an ihr erstes Zusammentreffen meinte Tar´Kyren Dheran ironisch zu der Inderin: „Eigentlich wären diesmal Sie dran, mein Gepäck mit zu tragen, finden Sie nicht auch, Lieutenant?

Rania Singh-Badt, die sich ebenfalls noch daran erinnerte, schluckte und ihre Wangen röteten sich leicht.

Als sie durch die hellen Gänge des Schiffes schritten, erkundigte sich der Andorianer neugierig: „Sie beide werden in Verbindung bleiben und sich wiedersehen?“

Die Inderin zögerte etwas, bevor sie offen sagte: „Ja, das werden wir, Sir.“ Sie blickte Dheran von der Seite an, da sie mit einem Kommentar des Andorianers rechnete. Doch ihr Captain nickte nur in Gedanken und schwieg sich aus.

Sie nahmen den Turbolift, und auf Deck-4 verabschiedetet sich die Inderin von Dheran, der ein Deck weiter hinauf fuhr – dorthin, wo die Unterkünfte der Senioroffiziere lagen.

Als der Andorianer in sein Quartier eintrat, blickte er verwundert auf Christina Carey, die mitten im Wohnraum stand und offensichtlich auf ihn gewartet hatte. Er stellte seine Reisetasche neben dem Eingang ab und schritt zu der Irin.

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du die ICICLE persönlich kommandieren würdest, um uns abzuholen, Christina. Aber ich freue mich, dich zu sehen.“

„Ich mich auch. Ich habe Commander Mancharella bereits angewiesen, von DEEP SPACE NINE abzulegen und uns nach Hause zu fliegen.“

„Ein schönes Zuhause“, knurrte der Andorianer düster. Dann fragte er: „Wie bist du mit Pasqualina ausgekommen?“

Die Irin erwiderte ausweichend: „Sie ist ein fähiger Erster Offizier.“

„Ist das eine Antwort auf meine Frage?“

Christina Carey trat dicht an ihn heran, wobei sie ihn fragend musterte. Dann sagte sie leise: „Es ist im Moment nicht mein Wunsch, von ihr zu reden, sondern von dir. Ich habe gehört, dass Captain Alev Scenaris, bei eurem Einsatz starb, Tar´Kyren. Es tut mir sehr leid.“

Die Antennen des Andorianers krümmten sich stark.

Er wirkte in diesem Moment so verloren, dass die Irin ihn spontan in die Arme nahm und sanft an sich drückte.

Dheran, der ihr aufrichtiges Mitgefühl, und auch ihre Liebe für ihn deutlich spüren konnte, legte seine Arme um sie und schloss seine Augen. Ihre sanften Emotionen waren in diesem Moment Balsam für seine zerrissene Seele.

Nach einer Weile führte Christina Carey den Andorianer zur Couch hinüber und sie setzten sich nebeneinander, wobei die Frau ihren Arm sanft um seine Schulter legte. Behutsam bohrte sie nach: „Da ist noch mehr, was dich bedrückt, wie mir scheint.“

Dheran blickte der Irin, die ihn so gut kannte, wie kaum ein anderes Wesen, in die blau-grauen Augen und sagte, mit rauer Stimme: „Hat´Meran Teron war auf Varala IV interniert, Christina. Ich hatte ihn, seit dem Ende des Dominion-Krieges, für tot gehalten. Er sieht in mir einen Verräter an unserem Volk, weil ich zur Sternenflotte gegangen bin. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich das sogar.“

Erstaunt blickte Christina Carey ihren Ex-Freund an. „Wie meinst du das?“

In den Augen des Andorianers irrlichterte es, als er heftiger als beabsichtigt erwiderte: „Die Föderation hat nicht nur den Fehler begangen, die Cardassianer nicht im Friedensvertrag mit dem Dominion zu berücksichtigen. Man hat auch nicht an die eigenständigen Truppen der eigenen Mitgliedsvölker gedacht. Hätte man es getan, dann wäre es nicht möglich gewesen, dass Hat´Meran sich so lange in Gefangenschaft befand. Die Jem´Hadar haben ihn derart gefoltert, dass er nur noch ein Schatten des Mannes ist, den ich einmal kannte. Und da ich ein Teil der Sternenflotte bin, gibt er mir nun eine Mitschuld an diesen Fehlern.“

„Jetzt hör aber auf“, entgegnete die Irin bestimmt. „Du bist doch nicht dafür verantwortlich, dass diese Fehler im Vertragswerk von 2375 gemacht worden sind.“

„Nach althergebrachter, andorianischer Sicht der Dinge doch. Hat´Meran ist ein Mann, der sich noch immer an den alten Clan-Traditionen klammert. Und nach diesen Traditionen ist an jedem Unglück, dass geschieht, nicht nur Derjenige Schuld, der es verursacht, sondern auch Derjenige, der es nicht verhindert.“

„Aber das ist doch...“ Die Irin hielt inne, als ihr bewusst wurde, dass sie über die Traditionen und Ansichten einer anderen Spezies urteilen wollte. Sie presste die Lippen auf einander und fragte dann vorsichtig: „Was denkst du denn?“

„Ich weiß nicht, was ich im Moment überhaupt denken soll, Christina. Ich fühle mich so leer und ausgebrannt, wie noch niemals zuvor in meinem Leben.“

Christina Carey zog den Andorianer etwas zu sich heran und fragte: „Was hältst du davon, ein paar Tage Urlaub zu machen. Ich könnte das mit dem Admiral regeln.“

„Nein“, widersprach Dheran prompt. „Ich muss gerade jetzt, etwas tun, damit ich mich ablenken kann. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich und die ICICLE wieder in den normalen Dienstbetrieb einbinden würdest.“

Die Irin seufzte schwach. „Ganz wie du meinst. Aber in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr wirst du auf der Station sein, das ist ein Befehl des Admirals.“

Der Andorianer wurde hellhörig. „Wieso das?“

„Darüber schweigt sich der Admiral hartnäckig aus. Alles was ich weiß ist, dass er in den letzten Wochen einige längere Gespräche über Subraumfunk, mit dem Kommandeur der Ersten Taktischen Flotte, und mit dem Oberkommando der Sternenflotte, geführt hat. Nach dem, was ich gehört habe, hat Admiral Dean Youngblood, von der Ersten, einige einschneidende Umstrukturierungen seines Verbandes vorgenommen, und ich vermute, dass Admiral Tarun diese Maßnahmen auch für seine Flotte adaptieren möchte. Aber in wie weit sich diese Umstrukturierungen in der Praxis darstellen würden, das kann ich dir auch nicht sagen. Zumindest im Moment noch nicht. Er gab mir bisher nur die Namen einiger Captains, die er in dieser Zeit auf der Station wissen möchte, und deiner war dabei.“

„Dieser Trill ist ein Geheimniskrämer par exellence und per Definition“, kommentierte der Andorianer ihre Erklärung mürrisch. „Also schön, wir werden also in besagter Woche auf STRATEGICAL STARBASE 71 herumgammeln.

„Hey, wer redet denn von herumgammeln? Wir könnten einen Weihnachtsbaum besorgen, und du hilfst mir, ihn zu schmücken.“

„Einen Baum, für die gesamte Station?“

Die Irin gab ihm einen leichten Nasenstüber. „Nein nur für mein privates Quartier.“

„Oh...“

„Das heißt, falls du nichts Besseres mit Pasqualina vorhast.“

Dheran seufzte schwach, ließ ihre letzte Bemerkung jedoch unkommentiert. Bis Weihnachten, so hatte er Pasqualina Mancharella versprochen, würde er eine Entscheidung gefällt haben. Darum sagte er vorsichtig: „Warten wir es ab.“

Christina Carey verzichtete darauf, dieses Thema weiter zu vertiefen, denn dazu bewegten Tar´Kyren momentan zu viele andere Dinge. Sie zog ihn nur sanft zu sich heran, schmiegte sich eng an ihn und gab sich damit zufrieden, seine Wange zu streicheln. Dann sagte sie sehr liebevoll und fast flüsternd „Ja, warten wir es ab.“

 

 

ENDE



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Sanguisdeci
2015-09-06T12:00:39+00:00 06.09.2015 14:00
Eine interessante Geschichte mit einer gehörigen Portion Spannung und Tragik. Der "Dank" oder zumindest die Reaktion von Elim Garak auf die erfolgreiche Mission wäre spanend zu erfahren gewesen. Aber eventuell erfährt man hiervon ja später noch.

Darf ich fragen, wie lange du circa benötigst, so eine Episode zu entwickeln? :)
Antwort von:  ulimann644
06.09.2015 19:17
Elim Garak habe ich mir tatsächlich für Episode 6 aufgehoben, ich wollte ihn nicht so kurz ab an den Schluss anhängen. Zudem passt Garaks Auftritt zum zu erwartenden Chaos in Episode 6 besser (Ein verbündeter Klingon-Brigadier macht Druck, ein andorianischer Verband wird in die Flotte integriert, und der Admiral bekommt - mehr als einmal in der Episode - abwechselnd blasse und dunkle Flecken vor Schreck, Zorn und einiger anderer Emotionen).

Die Frage nach der Entwicklungszeit ist schwer zu beantworten, da zumeist mehr als eine Episode durch meine Gedanken geistert. Im Grunde ist es ein kontinuierlicher Prozess (die wichtigsten Gedankengänge notiere ich mir in meinem Ideen-Block (handschriftlich, das entspannt). Da ich mit Scripts arbeite geht das eigentliche Schreiben relativ flott.

Was auch ein Punkt ist: Es macht einen Unterschied, ob ich Smallville, SciFi mit Taktik und Action, oder eine Original-Fiction schreibe. Bei einem Original, bei dem man alles selbst entwickelt, inklusive Technik, Historie, Politik der einzelnen Nationen (Sternenreiche) braucht man nach meiner Erfahrung (zumindest für die erste Episode) einige Zeit länger (wenn die erste Episode von DEAN CORVIN tatsächlich bis zum Dezember fertig wird, dann habe ich dafür (inklusive Vorplanung) etwa 1,5 Jahre investiert (natürlich nicht am Stück, ist ja Hobby und ich habe ein reges Privatleben).

Für eine Smallville-Episode (da muss ich nicht so viele taktische Tricks ausknobeln) brauche ich inklusive Planung mitunter nur zwei Wochen. (Zumal die Episoden kürzer sind.)

Für eine durchschnittliche ICICLE-Episode (zwischen 40.000 und 50.000 Wörter) rechne ich mit sechs Wochen Planung und nochmal sechs Wochen um sie zu schreiben (da verändere ich auch zumeist öfter mal was zwischendurch), also etwa drei Monate. Wobei es manchmal schneller geht, manchmal dauert es länger, kommt drauf an wie sehr die Muse mich gerade beutelt...
Antwort von:  Sanguisdeci
07.09.2015 00:25
Dann werde ich mich notgedrungen in Geduld versuchen zu üben.

Gibt es denn eine Prognose, wann ca. mit Episode 6 zu rechnen ist? :)
Antwort von:  ulimann644
07.09.2015 17:01
Dieses Jahr wird das nichts mehr (wegen DEAN CORVIN - die Episode ist auf 125.000 bis 130.000 Wörter ausgelegt, also etwa dreimal so lang, wie eine mittlere ICICLE-Episode). Der Plot steht soweit, die Episode muss nur geschrieben werden. Ich denke mal erstes Quartal 2016 ist realistisch.

Normalerweise schreibe ich (mindestens) eine ICICLE Episode pro Jahr (nicht mehr, wegen all der anderen laufenden Projekte) und ab dem nächsten Jahr bin ich dann erst mal wieder in der Spur (für DEAN CORVIN plane ich wegen der Länge einen Takt von einer Episode alle zwei Jahre). Zudem werde ich 2016 auch BREAKABLE abschließen, so dass ich dann wieder etwas mehr Luft habe für andere Geschichten.


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