Zum Inhalt der Seite

Geliebter Blutsbruder

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Glückliche Stunden und eine schöne Überraschung

Schlafen konnten wir trotz der vergangenen Anstrengung beide nicht mehr. Wir lagen eine Weile still und genossen einfach dieses wunderbare Beisammensein, bis Winnetou mich schließlich fragte: „Hat mein Bruder eigentlich früher schon einmal auf diese Art Zeit mit einem Mann verbracht?“ Ich ließ mir nicht anmerken, dass mich diese Frage von ihm überraschte, da er in solchen Dingen sich bisher sehr schweigsam gezeigt hatte. Also antwortete ich: „Nein, noch nie. Ich hätte es früher auch niemals für möglich gehalten, dass ich in dieser Richtung überhaupt Interesse haben könnte.“ Ich brach ab, überlegte, wie ich ihm das besser erklären konnte. „Selbst in all den Jahren, in denen wir uns schon kennen, habe ich über so etwas niemals nachgedacht, zumindest nicht bewusst. Wobei....“ wieder unterbrach ich mich, denn jetzt fiel mir die ein oder andere Begebenheit ein: „...wobei ich mich schon zu Beginn unserer Bekanntschaft, selbst als du in mir noch deinen Feind sahst, unglaublich zu dir hingezogen gefühlt habe. So intensiv hatte ich mich davor noch nie mit einem mir eigentlich völlig unbekannten Menschen beschäftigt. Und in den vielen Momenten, in denen ich in den darauffolgenden Jahren mit dir alleine war, habe ich mich selber öfters dabei ertappt, dass ich meinen Blick einfach nicht von dir lösen konnte, weil du....“ ich stützte mich jetzt auf meinen Ellbogen und streichelte ihm ganz sanft das Gesicht: „.....weißt du eigentlich, was du bist?“ Er hatte seine wunderschönen dunklen Augen die ganze Zeit über auf die Meinigen gerichtet, als wolle er auf den Grund meiner Seele blicken und schüttelte jetzt leicht den Kopf. „...du bist ganz einfach – unwiderstehlich!“ Mit diesen Worten drückte ich meine Lippen auf seinen Mund, küsste ihn lange, intensiv, wollte mich gar nicht mehr von ihm lösen.
 

Das tat Winnetou dann für mich, denn er hatte wohl noch einige Fragen: „Dann war das auch für dich selbst das erste Mal? Du hattest es ebenfalls vorher noch nie erlebt? Auch nicht mit einer Squaw?“ O weh, jetzt war wohl die Zeit meiner Beichte gekommen, obwohl ich dieses Thema am liebsten für immer in den Untiefen meiner Seele vergraben hätte! Aber vor ihm wollte ich auf keinen Fall irgendwelche Geheimnisse haben, er sollte auch niemals so etwas denken. „Ja...doch.....ein einziges Mal. Leider.“ antwortete ich zögernd. Er sah mich wieder so durchdringend an, erriet dann auch das Richtige: „Du hast sie nicht geliebt?“ „Nein!“ stieß ich wohl etwas zu heftig hervor. Himmel, wie sollte ich ihm das nur erklären?
 

„Weißt du, es gibt in den Ländern jenseits des großen Wassers und wohl auch hier im Osten Frauen, die....na ja, die ihren Körper für Geld verkaufen.“ Ich wartete angespannt auf eine Reaktion von ihm, die aber nicht kam. Also druckste ich weiter herum: „Wir ...also zwei Kameraden von mir und ich … wir waren halt in einem noch jugendlichen Alter und kamen in dieser Zeit auf allerhand dumme Ideen ….Einer von ihnen wollte einfach unbedingt diese Erfahrung machen und redete so lange auf uns ein, bis wir zustimmten. Wir legten also unsere Ersparnisse zusammen – Gott, ich war damals wirklich arm genug und hätte mit diesem wenigen Geld soviel Sinnvolles tun können!“ Selbst jetzt noch, Jahre, fast schon Jahrzehnte später, kroch mir bei dieser Erinnerung die Schamesröte ins Gesicht. „Die junge Frau war selber bitterarm, nahm nur wenig Geld – was soll ich sagen: außer einer kurzzeitigen Entspannung hat mir das Ganze gar nichts gebracht; ich habe mich noch lange Zeit danach fast zu Tode geschämt – und seit dem eigentlich nie wieder Interesse an irgendeiner Frau gehabt!“ So, jetzt war es raus! Aber was würde Winnetou nun von mir denken?
 

Er sah mich weiterhin lange an. „Die Fehler, die wir in unserer Jugend begehen, machen uns zu reifen Menschen.“ sagte er dann schlicht und schenkte mir ein leises Lächeln. Sein Blick war so voller Liebe für mich, dass ich ihn einfach wieder in die Arme nehmen musste, um ihn fest an mich zu drücken.

Als ich ihn wieder aus meiner Umarmung entließ, zuckten seine Mundwinkel leicht. Irgend etwas belustigte ihn offenbar und dann kam es auch schon: „Du hattest wirklich nie wieder Interesse an einer Frau? Auch nicht an dieser Jüdin namens Judith?“ Ich musste ihn wohl völlig schockiert angesehen haben, denn er, der sonst niemals mehr als ein Lächeln von sich preisgab, brach jetzt in ein leises Lachen aus. „Wie … wie kommst du gerade auf diese furchtbare Frau?“ stotterte ich immer noch total entsetzt, denn an dieses fürchterliche Weibsbild konnte ich wirklich nur noch mit Abscheu denken.
 

Judith hatte ich in der Sonora in Mexiko kennengelernt. Sie war Teil einer Auswanderergruppe, die sich ihre Männer nach deren Reichtum aussuchte, sie dann aussaugte bis aufs Blut und sich anschließend dem nächsten widmete, der ihr das Leben bieten konnte, dass sie zu leben gewohnt war. Sie hatte sogar noch nicht einmal Halt vor einem Indianerhäuptling gemacht, nur weil der ihr Gold in rauen Mengen bieten konnte. Winnetou und ich hatten in der Zeit, als wir die Meltons jagten ( * siehe Triologie „Satan und Ischariot“ ), leider mehrfach mit ihr zu tun gehabt.
 

Winnetou trieb es sogar noch weiter: „Sie hat dich doch immer wieder mit ihren Augen förmlich verschlungen....“ Erst jetzt, als er mit dem Lachen nicht aufhören konnte, wurde mir klar, dass er mich offensichtlich verulkte. „Na, warte.....“ ich nahm ihn wieder ungestüm in die Arme und küsste ihn, dass ihm die Luft wegblieb. Dann fiel mir etwas ein, womit ich mich rächen konnte, löste mich von ihm und sah ihn im gespielten Ernst an: „Besser für mich diese Judith als für dich die Gattin des Juriskonsulto aus Ures; diese „schöne“ Sennora in ihrer Hängematte mit den appetitlichen Zigaretten! Die hat dir nämlich schöne Augen gemacht, und du hattest doch auch bestimmt ein wenig Interesse an ihr, oder nicht?“ Ich ließ jetzt ein fast satanisches Grinsen sehen und hatte auch sofortigen Erfolg mit meiner Behauptung. Winnetou verschluckte sich während seines Lachens und jetzt war er es, der mich entsetzt ansah.

„Eher würde Winnetou sich freiwillig in die Hölle begeben als diese weiße Squaw auch nur anzusehen ohne Not!“ Es schüttelte ihn regelrecht bei dieser Vorstellung, und nun brach ich in ein herzliches Gelächter aus, drückte ihn an mich und küsste ihm die Stirn. „Nein, bleib lieber bei mir, da wird es dir wahrscheinlich besser ergehen!“ Er nickte und meinte nur: „Da bin ich mir sicher.“
 

Nach dem Frühstück und der morgendlichen Visite des Doktors ging es wieder nach draußen. Ich spazierte mit Winnetou abermals zur Pferdekoppel, er begrüßte seinen Iltschi, der sich schon wie tags zuvor außer Rand und Band vor Freude zeigte, und wieder unternahm er mit seinem Rappen einen kleinen Ritt in der Koppel. An die Worte des Arztes denkend, ließ ich ihm seinen Willen, denn er sah einfach nur froh und glücklich aus auf dem Rücken seines Pferdes.
 

Danach hatte er überhaupt keine Lust, wieder ins Haus zurückzukehren, und so gingen wir langsam noch ein Stückchen weiter, bis wir den kleinen Fluss erreichten, der in einiger Entfernung hinter dem Haus vorbei lief. Winnetous Augen begannen zu glänzen, als er das Wasser sah. Er ging hinunter bis ganz an den Uferrand, und ehe ich es verhindern konnte, hatte er sich schon halb entkleidet und war in den Fluss gesprungen! Mir blieb der Protest im Halse stecken, denn was ich jetzt von ihm sah, hätte ich in seinem immer noch nicht stabilen Gesundheitszustand niemals für möglich gehalten. Wie ein Fisch schnellte er im Wasser davon und war binnen weniger Sekunden nicht mehr zu sehen. Was war denn das? Was sollte denn dieser bodenlose Leichtsinn von ihm? Wir hatten doch abgemacht, nur solche Dinge zu tun, die der Arzt auch erlaubt hatte, und diese sportliche Einlage war definitiv noch nicht mit ihm abgesprochen!

Ich wartete eine Minute, zwei Minuten, aber mein Freund war immer noch nicht zu sehen. Schon kroch in mir wieder die Angst um ihn hoch, als ich plötzlich von der entgegengesetzten Seite, auf der er verschwunden war, mit einem Schwall Wasser übergossen wurde. Winnetou! Er war, unter Wasser tauchend, bis an das Uferschilf geschwommen und hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als mich von oben bis unten nass zu machen!
 

Jetzt schwamm er schnell bis in die Mitte des Flusses und brach über mein Aussehen, das wahrscheinlich dem eines begossenen Pudels mehr als ähnlich war, wieder in ein herzliches Gelächter aus. Ich brachte es absolut nicht fertig, ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen, nicht wegen der unfreiwilligen Dusche, nein, sondern wegen seines Leichtsinns. Aber er sah so unendlich entspannt und glücklich aus, das konnte ja nicht schlecht für ihn sein! Offensichtlich genoss er das Schwimmen im Wasser sehr, nachdem er ja mehr als zwei Wochen lang noch nicht einmal das fließende Wasser einer Quelle hatte nutzen können. Aber so ungestraft sollte er mir nicht davon kommen! Im Nu hatte auch ich meinen Oberkörper entkleidet und sprang ebenfalls in das kühle Nass, holte ihn schnell ein und schon begann ein freundschaftliches Ringen zwischen uns, in dem ich, natürlich durch die Situation geschuldet, die Oberhand behielt.
 

Nach einigen Minuten ließ er sich dann auch atemlos in meine Arme sinken und gab auf. „Mein Bruder soll aber nicht glauben, dass er immer der Sieger sein wird!“ versicherte er mir lächelnd und ließ sich anschließend rücklings wieder ins Wasser fallen, um es nochmals mit allen Sinnen zu genießen.

Nachdem wir noch ungefähr eine Viertelstunde in diesem erfrischenden Element verbracht hatten, bestand ich aber doch auf einer Ruhepause. Unter normalen Umständen hätten wir uns jetzt einfach an das Flussufer hingelegt, aber das erschien mir für Winnetous Zustand noch zu gefährlich, da wir uns hier im Schatten befanden und er sich, nass wie er war, durchaus eine Infektion hätte einfangen können, was für sein immer noch geschwächtes Herz fatal gewesen wäre.

Also zogen wir uns wieder an und gingen langsam zurück. Die Sonne brannte heiß vom Himmel, so dass unsere Kleidung sehr schnell zu trocknen begann.
 

Am Haus angekommen, gab es für mich eine riesige Überraschung. Entschah-koh hatte ja, wie schon erwähnt, eine Postenkette bis zu den Mescaleros aufgebaut, und war gestern selbst bis zu dem ersten Posten geritten. Gerade als wir um die Hausecke bogen, kam er eben wieder von seinem Ritt zurück und hatte, hinter sich am Zügel herführend – meinen Hatatitla dabei!

Meine Freude über dieses unerwartete Wiedersehen kann man sich gar nicht vorstellen. Überglücklich sprang ich zu dem Tier, welches mich auch direkt erkannte, und überschüttete es mit Liebkosungen und Zärtlichkeiten, während der Rappe wie toll um mich herumtobte. Winnetou kam langsam herbei und besah sich mit einem frohen Lächeln im Gesicht das Schauspiel. Er hatte vor ein paar Tagen, als ich mit Iltschi ausgeritten war, heimlich mit seinem Unterhäuptling diese Überraschung für mich besprochen und ausführen lassen.
 

Nachdem die erste Wiedersehensfreude vorbei war, konnte ich gar nicht anders, ich musste mich bei meinem Freund bedanken und nahm ihn gerührt in die Arme. Dieser hatte schon wieder so einen schelmischen Ausdruck im Gesicht, als er mir erklärte: „Mein Bruder mag nicht glauben, dass Winnetou das nur für ihn getan hat! Jetzt haben wir beide nämlich unsere Pferde und können gemeinsam wieder längere Ritte unternehmen.“ Ah, daher wehte der Wind! Na, diesen Hintergedanken würde ich aber zuerst mit Dr. Hendrick besprechen, zumindest nahm ich mir das im Stillen vor.

Dieses Vorhaben konnte ich sofort an Ort und Stelle ausführen, denn der Arzt kam gerade aus dem Haus und steuerte direkt auf uns zu. Er besah sich Winnetou, dessen Kleidung und Haare noch nicht ganz getrocknet waren, nahm allerdings auch gleichzeitig seine entspannte, fröhliche Stimmung wahr und deshalb enthielt seine Stimme auch nicht die Spur eines vorwurfsvollen Untertones, als er den Apatschen ins Haus bat, um ihn zu untersuchen und vor allem den Verband auf seiner Brust zu wechseln, der jetzt ja völlig durchnässt war.
 

Aus den Augenwinkeln konnte ich die enttäuschten Gesichter einiger Siedler sehen, die in ein paar Metern Entfernung uns beobachtet und wohl gehofft hatten, dass Winnetou zu ihnen kommen würde. Ich war mir aber sicher, dass sie sich nicht mehr lange würden gedulden müssen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2015-08-03T14:19:28+00:00 03.08.2015 16:19
Da sieht man das Winnetou langsam wieder der alte wird und er auf dem besten Wege der Gesundung. Was für eine tolle Überraschung für Shatterhand das er nun seine Hatatila wieder reiten kann um besser auf Winnetou achten zu können.
Weiter so, super klasse das Kapitel, freue mich auf das nächste.

LG
Onlyknow3


Zurück