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Neo Regnum

von

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Kapitel 4

Tränen im Regen
 

05. September 2087

Sektor 3, New Liverpool
 

Der Regen prasselte sanft auf die Scheibe des Dachfensters von Sherrys Zimmer. Aran lag einfach nur da in ihrem Bett und beobachtete die einzelnen Tropfen. Dachte darüber nach, wie seine Realität genauso dahinglitt, wie das Wasser auf dem Fenster. Ihm war bewusst, dass diese Dinge wirklich geschehen sind, aber er wollte es sich trotzdem nicht eingestehen. Die Gedanken, dass sein Zuhause nun weg war und er seine Familie niemals wieder würde, setzen ihm zu. Besonders die Tatsache, dass er sich all die Jahre mit seinem Bruder nur stritt und am Ende hatte er ihn sogar mit seinem Leben verteidigt. Er wusste nicht, wie er sich das jemals hätte verzeihen können.

Die Tür des Zimmers ging auf und jemand betrat den Raum. Aran schaute nicht einmal hin und starrte weiter auf die Regentropfen, die auf das Fenster prasselten.

„Ich hab deine Klamotten gewaschen. War nicht leicht die sauber zu bekommen“, sagte eine weibliche Stimme. Die Stimme von Sherry. Aran zeigte auf die Aussage jedoch keine Reaktion.

„Du solltest was essen. Es ist schon Nachmittag und du liegst schon seit heute Morgen hier und starrst in den Regen“, redete sie weiter. Jedoch zeigte Aran immernoch keine Reaktion. Sherry setze sich zu ihm ins Bett. Erst jetzt blickte er zu ihr. Sie seufzte und begann damit, ihm durch die Haare zu streicheln

„Ich hab mit meinen Eltern geredet. Sie haben kein Problem damit, dass du erst einmal hier bleibst“, sagte Sherry.

„Und was dann?“, sagte er schließlich nach mehreren Momenten der Stille.

„Jetzt bleibst du erst einmal hier. Vielleicht wenn sich meine Eltern an dich auch gewöhnen, lassen sie dich auch ganz hier wohnen. Zumindest solange, bis du auf eigenen Beinen stehst. Aber egal was ist, darauf hast du mein Wort, ich lasse dich nicht alleine. Niemals“, sagte Sherry. Sie sah, wie ihm erneut die Tränen in den Augen standen. Dabei wusste sie, wie unangenehm es ihm war, wenn man ihn weinen sah. Das war eindeutig ein Teil davon, weil er immer seine Gefühle unterdrückt hatte, das ist ihr bewusst gewesen.

„Also, wie sieht es aus. Willst du etwas essen?“, fragte Sherry.

„Wenn es sein muss. Sag, habt ihr echte Hühnereier?“

„Aran, natürlich nicht. Sowas kann sich doch kein Mensch leisten. Zudem ist es auch ethisch wirklich bedenklich. Komm, ich mach dir was zu essen“, sagte Sherry, bevor sie aufstand und ging. Aran schaute noch einen Moment aus dem Fenster. Wie der Regen noch immer auf die Scheibe niederfiel und die dunkelgrauen Wolken am Himmel langsam vorbeizogen. Das perfekte Wetter zu der bedrückten Stimmung. Auch wenn dieses Wetter Alltag in New Liverpool war. Er zog die Decke beiseite und stand auf. Sofort überkam ihm das Gefühl, als würde der Druck und Puls in seinem Kopf ansteigen, was zu höllischen Kopfschmerzen führte. Für einen kurzen Augenblick sah er nur Sterne, bis sich seine Sicht wieder klärte. So fasste er sich an die Stirn und massierte seine Schläfen, während er sich umsah. Das Zimmer war typisch für Sherry. Alles schön ordentlich aufgeräumt und so sauber, dass so gut wie jeder Gegenstand wie gerade erst neu gekauft aussah. Die Tamika Familie lebten in der gleichen Gegend, in der Aran einst wohnte. Nur befand sich deren Wohnung in einem nicht so hohen Gebäude. Deshalb war dieses Apartment auch im letzten Stock. Aran gefiel zumindest Sherrys Zimmer schon immer. Wegen der Tatsache, dass dies die am höchsten gelegene Wohnung des Hauses war, hatte ihr Raum die Fenster im Dach. Gerade wenn es regnete verbreitete dies eine Stimmung, die Aran als sehr angenehm empfand. Immerhin mochte er den Regen.

Gerade als er das Räumlichkeiten verlassen wollte, fiel ihm auf, dass er nur in seiner Boxershort gekleidet war. So wollte er nun auch nicht unbedingt Sherrys Eltern unter die Augen treten. Obwohl dies nun auch nicht so wichtig war. Immerhin kannten sie sich ja auch schon länger. Also ging er trotzdem einfach in die Küche. Der Weg führte am Wohnzimmer vorbei, wo Sherry Eltern Diana und Ivan vor dem Fernseher saßen. Obwohl sie ihn schienen bemerkt zu haben, schenkten sie ihm keine Beachtung. Scheinbar hatte Sherry vorher schon gesagt, dass sie ihn nicht bedrängen sollten. Irgendsowas in der Richtung konnte er sich wirklich gut vorstellen. Als Aran in der Küche ankam, war Sherry gerade dabei mit Mühe ein Sandwich zu machen. Auch wenn es ein großes Klischee war, dass Frauen kochen können und in die Küche gehören, war sie der lebende Beweis, dass dies nicht stimmte. Zwar konnte sie gut den Food Maker bedienen, allerdings wenn es um richtiges Kochen ging, scheiterte sie kläglich. Selbst Aran konnte es besser und das obwohl sich schusselig wie sonstwas anstellte. Er setzte sich an den Esstisch und beobachtete das Geschehen. Sie schien kurz davor zu sein auszurasten, das Sandwich zu nehmen und genervt irgendwohin zu werfen. Aber das hätte nicht zu ihr gepasst. Irgendwann war sie dann doch fertig und stellte ihm einen Teller hin, auf dem sich etwas befand, das entfernt an ein Sandwich erinnerte.

„Was ist das?“, fragte Aran, während er die Mahlzeit anstarrte.

„Echt jetzt, wenn es dir nicht passt, dann musst du es nicht essen“, entgegnete Sherry genervt. Aran schaute sie daraufhin nur ausdruckslos an.

„Tut mir leid. Ich kann halt einfach nicht kochen“, entschuldigte sie sich anschließend. Während Aran das missglückte Sandwich zu sich nahm, saß sie ihm nur gegenüber und beobachtete ihn dabei.

„Hat wenigstens geschmeckt“, sagte er, nachdem er fertig gegessen hatte.

„Wer soll das nun glauben. Naja egal, hör mal. Wird dir zwar nicht gefallen, aber du musst den Vorfall bei der USI melden. Schon allein wenn sie von dem Mord erfahren und herausfinden, dass du nichts dazu gesagt hast, wirst du doch sofort Tatverdächtiger. Außerdem willst du sicherlich, dass der Mörder erwischt wird“, erklärte Sherry.

„Ja…schon. Aber…“, wollte Aran einwenden.

„Nichts aber, du hast eigentlich schon einen Fehler gemacht, als du zuerst zu mir bist und nicht gleich USI Ermittler aufgesucht und den Vorfall gemeldet hast.“ Sherry ließ ihm nicht einmal eine Möglichkeit dagegen etwas zu sagen. Nachdem sie ihm seine frisch gewaschenen Klamotten zugeworfen und er sie angezogen hatte, machten sie sich auf den Weg. Aran war es klar anzusehen, dass er sich lieber weiterhin im Bett verkrochen und den Regen beobachten wollte. Aber Sherry hätte ihn solange damit genervt, bis er nachgegeben hätte. Also blieb ihm so oder so keine Wahl. Außerdem fand er sowieso, dass sie unrecht hatte. Irgendwann hätten die Ermittler schon herausgefunden, was passiert ist. Und da zumindest im Treppenhaus in dem Gebäude seiner Wohnung sich Überwachungskameras befanden, hätten sie ja gesehen, dass er nicht der Täter war. Hätte er es ihr jedoch gesagt, wäre ihre Antwort gewesen, dass dies doch sehr naive Gedanken waren. Obwohl sie ja hier wohl die naivere der beiden war. Aber auf lange Diskussionen hatte er genauso wenig Lust. Noch weniger hatte er die Energie dazu.
 

Nach einem langen Weg durch die verregneten Straßen zwischen den endlosen Wolkenkratzern kamen Aran und Sherry schließlich an der nächstgelegenen Außenstelle der USI an. Stolz wie eine Auszeichnung prangerte der Schriftzug Urban State Investigators, wofür USI stand, über der Eingangstür. In einem kleinen Vorraum standen zwei bewaffnete Sicherheitskräfte. Der Weg führte doch einen Detektor, um eventuelle Waffen oder andere illegale Gegenstände aufzuspüren. Nachdem Aran und Sherry erfolgreich diesen passierten, kamen sie in einer deutlich größeren Halle an. Der Boden aus auf Hochglanz polierten Marmor, überall hingen Auszeichnungen verschiedenster USI Ermittler und Plakate, die an Propaganda aus der Vorkriegszeit erinnerten. Wie es ihnen im Unterricht gezeigt wurde, als beispielsweise im ehemaligen Deutschland der sogenannte Nationalsozialismus herrschte. Aran hatte ihr ein sofort mulmiges Gefühl. Hier war deutlich zu sehen, wie ernst man es mir Sicherheit und Überwachung in New Liverpool meinte. Zumindest in den Bereichen ab Sektor 3. Sherry trat zu einem älteren Herren mit Schnauzbart und Uniform, der sich an einem aus dunklen Holz bestehenden Schreibtisch befand.

„Entschuldigen Sie, Sir. Wir haben einen ernsten Vorfall zu melden“, sagte sie mit fast schon schüchterner Stimme.

„Ja?“, sagte der Mann mit strenger, tiefer Stimme.

„Es hat ein mehrfacher Mord stattgefunden. Um genau zu sein der Vater und Bruder meines Freundes hier. Ein unbekannter Mann ist in die Wohnung eingedrungen und hat sie getötet, während mein Freund nur knapp entkommen konnte“, versuchte sie zu erklären. Der Ermittler musterte daraufhin Aran mit strengem Blick von oben bis unten.

„Geht in den Warteraum. Ein Kollege wird sich gleich darum kümmern“, sagte der Ermittler, während er schon damit anfing wieder irgendwelchen Papierkram zu unterzeichnen. Aran und Sherry gingen schließlich auch in den sogenannten Warteraum, der sich rechts neben der Eingangshalle befand. In diesem befanden sich weiter keine anderen Menschen und sie setzten sich auf einen der großen mit Leder überzogenen Bänke.

Lange Zeit saßen sie dort und es herrschte eine Stille, die förmlich zu spüren war. Man konnte selbst das kaum wahrzunehmende Surren der Deckenlampen hören, während draußen vor dem Fenster weiterhin der Regen prasselte. Irgendwann musste Aran dagegen ankämpfen einzuschlafen, bis dann doch ein Ermittler hereinkam. Allerdings nicht, um wie erhofft die Aussage anzunehmen.

„Bitte verlasst das Gebäude, wir schließen. Wenn ihr ein Problem habt, dann sucht entweder eine Straßenpatroullie auf, wendet euch an den Notservice oder kommt morgen wieder“, sagte dieser.

„Bitte was? Wir warten hier schon seit mehreren Stunden darauf, dass jemand sich endlich mal um unseren Fall kümmert. Es handelt sich hier um einen mehrfachen Mord. Wie können Sie das so einfach abtun?“, beschwerte sich Sherry.

„Lady, beruhigen Sie sich. Wie gesagt, Sie können morgen wiederkommen, wenn wir weniger zu tun haben“, rechtfertigte sich der Ermittler. Aran blickte sich erneut in dem Raum um, obwohl er das die letzten Stunden unzählige Male getan hatte. Jedoch waren sie immernoch die einzigen Menschen hier. Ja, stimmt. Ist die Hölle los hier, dachte sich Aran.

„Und jetzt geht, ansonsten sind wir befugt euch mit Gewalt aus dem Gebäude zu entfernen“, sagte der Mann mit energischer Stimme und zeigte dabei zum Ausgang. Ohne eine Wahl verließen sie schließlich das Gebäude auch.

„Ich habs gleich gewusst“, sagte Aran leise.

„Ist doch unfassbar. Wie können die uns einfach rausschmeißen, obwohl wir hier ein ernstes Verbrechen zu melden hatten?“, sagte Sherry wütend.

„Es liegt an mir. Egal wo, egal bei was, ich werde immer als Minderwertiger Mitbürger angesehen. Da macht man sich doch keinen Finger krumm“, beklagte sich Aran.

„Aber das bist du doch nicht.“

„Sag das denen. Da bekommen wir keine Hilfe. Aber ich lasse das nun erst recht nicht auf sich beruhen“, sagte Aran und ging einfach los. Sherry folgte ihm. Sie wunderte sich, wo er hinging, da er in eine völlig andere Richtung ging, als von der sie kamen. Aber sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Selten kam etwas Gutes dabei raus, wenn Aran so draufgängerisch handelte.



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