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Winter

von

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„Guck Riku und das ist Schnee.“

„Ich weiß was Schnee ist, Sora. Nur weil ich auf einer Insel lebte, heißt es noch lange nicht, dass ich zurück geblieben bin!“ Grimmig begegnete ich seinen Blick, der ein bisschen von seinem Enthusiasmus verloren hatte. Seufzend ließ er den weißen Pulverschnee aus der Hand fallen und verzog sein Gesicht, als er sich vor mich stellte, um mich nachdenklich anzuschauen. Das störte mich doch ungemein, schließlich war es nicht sonderlich angenehm, hier in der Kälte zu stehen und darauf zu warten, dass er endlich damit fertig war, mir den Winter erklären zu wollen. Dementsprechend unbegeistert war mein Blick auf ihn gerichtet, doch noch immer musterte er mich nachdenklich und schüttelte irgendwann leicht seinen Kopf. Was gefiel ihn denn diesmal nicht? Dass ich keine Lust auf diese ganze Scheiße hatte oder etwa das ich mir meinen Arsch abfror, nur weil der Herr mich unbedingt in die Kälte schleppen musste?
 

„Du bist so ein Mädchen!“, warf er mir irgendwann vor. Ich schaute ihn fassungslos an. Meine Laune, die bei seinen Worten noch ein bisschen mehr sank. Was soll dieser scheiß? Das war absolut nicht das, was ich in diesem Augenblick hören wollte! „Schön“, murrte ich verärgert. „Wenn ich so ein Mädchen bin, kann ich ja auch gehen und du musst dich nicht mehr mit mir beschäftigen!“ Nach diesen Worten folgten Taten, so machte ich sofort kehrt und stapfte durch den weißen Horror zu meinem Auto. Doch weit kam ich nicht, denn schon bald legte sich eine kleine Hand um meinem Arm und hielt mich so zurück. Genervt stöhnte ich auf, gab mir aber nicht mal die Mühe mich umzudrehen, um in sein Gesicht zu schauen. In dem ich eh nur seinen verfluchten Hundeblick sehen würde, den ich im Moment überhaupt nicht gebrauchen konnte. So schaute ich lieber sehnsüchtig zu meinem Auto und war in meinen Gedanken bereits zu Hause, in einer Decke gehüllt auf dem Sofa, mit einem guten Buch in meinen Händen.
 

Doch diese Idee musste ich schnell verwerfen, denn Sora blieb hartnäckig und zog mich einfach wieder zurück. Um gleich sicher zu gehen, dass ich nicht weg konnte, griff seine Hand in meine Jackentasche und zog mein Schlüsselbund heraus, um diesen in seine eigenen Tasche zu stecken. Ich war so verblüfft über seine Tat, dass ich mich nicht wehrte. „Was soll der Quatsch, Sora?“, schaffte ich es endlich zu sagen.

Dieser zuckte nur unschuldig seine Schultern und grinste mich schelmisch an. „Ich möchte noch nicht gehen.“
 

„Das musst du auch nicht. Von mir aus kannst du gern hier bleiben und dich weiterhin an dem Schnee erfreuen – ich gehe jedenfalls Heim.“ Kaum hatte ich das gesagt, schüttelte Sora auch schon seinen Kopf. Als würde ich mich davon abhalten lassen! So trat ich einen Schritt auf ihn zu und versuchte nach ihm zu schnappen, um an den Schlüssel in seiner Tasche zu kommen. Sora sah es voraus und wich aus. Einen fassungslosen Blick später und ich wusste, dass es ihm ungemein viel Spaß machte, mich auf diese Art zu ärgern. Ich seufzte erneut und versuchte es anders, in dem ich auf seine Vernunft plädierte. „Sora, es ist kalt und nass. Gib mir meinen Schlüssel, damit ich nach Hause kann. Schließlich kannst du dir auch ohne mich den Arsch abfrieren.“ Sora schüttelte nur demonstrativ seinen Kopf. „Vergiss es. Ich habe dich nicht umsonst von der Arbeit abgeholt, nur damit du dich in dein Auto setzen und auf deine Couch liegen kannst! Du bleibst hier und wirst mit mir den Abend verbringen! Ich habe keine Lust, dir beim schnarchen zu zuhören, weil du mal wieder auf der Couch eingeschlafen bist. Mein Gott, was ist nur los mit dir? Andauernd diese Meckerei, ich komme mir ja schon so vor, als wäre ich mit einer Frau zusammen!“
 

Sein entrüstetes Schimpfen ließ mich natürlich nicht kalt, doch würde ich ein Teufel tun und ihm das auch zeigen. So blieb mein Gesicht scheinbar unbeeindruckt, als ich ihn unverblümt anschaute. „Sora“, entgegnete ich diesmal viel weicher. Es war ein gutes Mittel um ihn zu besänftigen und dem Lächeln zu urteilen, das sich nun auf seinen Lippen formte, schien es auch zu funktionieren. So lief ich ein paar Schritte auf ihn zu und schloss meine Arme um ihn, damit ich ihm einen Kuss auf seine Stirn hauchen konnte. Zufrieden gestellt durch meinen scheinbaren Sinneswandel schmiegte er sich enger an mich und vergrub sein Gesicht unterhalb meiner Schulter. Als er seufzte wusste ich, dass ich gewonnen hatte und grinste in mich hinein. Es war doch zu einfach, mein Blumenkind viel zu bescheiden, um zu merken, was ich vor hatte.
 

Ganz in dieser Umarmung versunken merkte er so nicht, wie sich meine Hand etwas nach unten schob und ich blind nach der Tasche tastete, in der ich meinen Schlüssel vermutete. So freute ich mich erneut, als ich unter meinen Fingern eine kleine Erhebung spüren konnte und ich nur noch unbemerkt an mein Ziel kommen musste. Eine leichte Aufgabe. So ging ich dazu über, mit meinem Lippen über die Rundung an seinem Ohr zu streichen und grinste, als Sora seinen Kopf schief legte, damit ich mehr Platz für meine Liebkosungen hatte. Diese Einladung nahm ich nur zu gern an und so begann ich weitere Küsse an seinem Ohr zu hauchen und dazu überzugehen, meine Lippen über seine Wange streifen zu lassen, bis sie auf diesem wundervollen Mund trafen. Vorsichtig hauchte ich kleine Küsse auf diese kühlen Lippen, grinste in den Kuss hinein, als Sora viel zu schnell darauf einging und hektisch seine Arme um meinem Hals legte. Immer wieder trafen sich unsere Lippen, wurden verlangender und ich musste aufpassen, damit ich meinen Plan nicht aus den Augen verlor.
 

Doch war dies gar nicht mal so einfach, denn mein kleines Blumenkind wusste wie man küsste und war schnell dazu übergegangen, leicht an meiner Unterlippe zu knabbern, um so Einlass in meinem Mund zu erbitten. Nur zu gern ging ich diesem Wunsch nach, unterdrückte ein kleines keuchen, als seine Zunge in meinem Mund eindrang und meine anstupste. Schnell ging ich auf dieses Spiel ein, hörte sein stockendes keuchen, als sich unsere Zungen immer wieder trafen. Dabei drängte er sich näher an mich, seine Hüften, die die meinen trafen und dann doch ein wenig zu forsch für mich waren. Denn trotz dieser intensiven Wärme in meinem Bauch, die seine Handlung auslöste, wusste ich doch noch immer wo ich war und ich wollte ungern das Ziel von neugierigen Passanten werden, die uns beobachteten, während wir das hier taten. So versuchte ich mich wieder auf mein eigentliches Ziel zu konzentrieren und während ich mit der einen Hand Sora fest hielt, damit er mich zu nichts schlimmeres animieren konnte, rutschte meine andere vorsichtig in die Tasche seiner Jacke hinein und holte den Schlüsselbund heraus, den ich gleich darauf so schnell wie möglich verschwinden lassen wollte.
 

Doch hatte ich nicht mit Soras angestauten Frust gerechnet, denn so leicht wollte er es nicht bei einem einfachen Kuss belassen. So schob sich schon fast grob seine Hand über meine Brust und wanderte immer weiter nach Süden, bis sie endgültig auf meinen Schritt landete und unvermittelt zudrückte. Diesmal keuchte ich unvermittelt auf – mehr aus Überraschung als aus Erregung und ließ vor Schreck meinen Schlüssel fallen. Klimpernd fiel er zu Boden und weckte sofort das Interesse von Sora, der dem Geräusch gefolgt war und mich nun wütend ansah. Schnell schubste er mich von sich weg und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er sagte nichts, funkelte mich nur böse an, was ein sehr schlechtes Zeichen war. Da ich nicht glaubte ihn noch einmal mit einem Kuss besänftigen zu können, musste ich mir wohl etwas anderes überlegen.
 

Nur fiel mir nichts brauchbares ein, so versuchte ich nach einer Weile, in der wir uns nur angestarrt haben, meinen Schlüssel in diesem verdammten Schnee wiederzufinden. Es gab eine kleine Spur wohin er gefallen war, so bückte ich mich und strich ein wenig den kalten Schnee beiseite, um ihn wieder aufzuheben. Dabei konnte ich deutlich Soras schnauben hören und wie sich sein Blick in meinen Rücken bohrte. Mit unschuldigen Blick richtete ich mich auf und sah geradewegs in das wenig begeisterte Gesicht von meinem Blumenkind, das sich nicht mal anfassen lassen wollte, als ich versöhnlich meine Arme ausstreckte. Schnaubend warf er mir einen letzten verächtlichen Blick zu und ließ mich einfach stehen. Trotzig stapfte er von mir davon und setzte sich unter einem riesigen Baum auf einer Bank. Mit angezogenen Knien saß er da und sah dabei so verlassen aus, dass selbst mir dieser Anblick leid tat. So lief ich auf ihn zu, entschied mich aber dazu stehen zu bleiben, als ich einen flüchtigen Blick auf die Sitzfläche warf, die mit einer dicken Schicht von Schnee bedeckt war.
 

„Sora, wenn du weiterhin hier sitzt wirst du dir den Tod holen.“

Sora zuckte kurz mit den Schultern und ließ weiterhin seinen Kopf hängen. „Wenn dir kalt ist dann geh nach Hause – das wolltest du doch die ganze Zeit schon. So höre auf mit deiner vorgegaukelten Fürsorge und geh einfach.“

„Es ist nicht vorgegaukelt. Bei diesem Wetter solltest du hier nicht einfach rum sitzen – besonders nicht um diese Zeit.“ Meine Worte ließen ihn unberührt und er bewegte nur sacht seinen Kopf, um eine bessere Position für sein Kinn zu finden, welches er auf seine Knie gebettet hatte. Danach blieb er still und würdigte mich keines Blickes mehr. Da konnte ich noch so oft seinen Namen sagen, er blieb auf seinen Hintern sitzen. Zuerst spielte ich wirklich mit dem Gedanken ihn einfach hier sitzen zu lassen, schließlich würde er irgendwann einsehen, wie dumm er sich gerade verhielt. Nur das zittern seines Körpers hielt mich zurück und wie jämmerlich seine kleine Gestalt in dem milden Licht der Straßenlampe doch wirkte.
 

„Sora“, gab ich noch einmal von mir, doch wieder gab es kein Zeichen von ihm. Langsam wurde es mir echt zu bunt, da ich absolut keine Lust hatte hier rum zustehen und darauf zu warten, dass mein störrischer Freund sich endlich mal erhob und mit mir kam, damit wir endlich ins Warme gehen konnten. Was sollte dieser Scheiß für einen Sinn haben? Der ganze Sinn der mir dabei einfiel war der, dass wir beide durchgefroren zu Hause ankommen würden und einer von uns sich im schlimmsten Fall auch noch erkältete und im Gegensatz zu Sora, legte ich darauf absolut keinen Wert. „Geh doch einfach weg“, maulte er. „Du hast doch eh nur Angst, dass du dich erkälten und nicht zu deiner geliebten Arbeit gehen kannst! Also hau schon ab!“
 

Seine Worte ließen mich unbewusst zusammen zucken und mit einem irritierten Blick, schaute ich wieder auf die kleine Gestalt auf der Bank, die ich dank der Dunkelheit, nur noch schemenhaft erkennen konnte. Die Härte in seiner Stimme wunderte mich, brachten mich dazu, noch mal meine Idee zu überdenken und trotz meines vernünftigen Denkens vor ihm auf die Knie zu gehen, damit ich von dieser Position aus, in seinem Gesicht sehen konnte. Gut, aus das war kaum noch erkennbar, doch konnte ich trotzdem noch dieses kleine schmollen ausmachen, das sich auf seine Lippen gelegt hatte. Vorsichtig legte ich eine Hand auf sein Knie, wartete dabei kurz ab, was er darauf hin machen würde. Als nichts passierte, tastete ich mich weiter nach oben und berührte sein Gesicht, das deutlich nass war. Ich war erschrocken darüber. Warum weinte er? Schließlich war es doch nur eine harmlose Kabbelei, die wir schon so oft gehabt hatten. Wieder hauchte ich seinen Namen, doch diesmal schwang ein bisschen zu viel Panik in meine Stimme. Sora drehte einfach seinen Kopf von mir weg.
 

Sein merkwürdiges Benehmen verwirrte mich, schließlich war vor ein paar Minuten doch noch alles in Ordnung gewesen. Warum dieser plötzliche Sinneswandel? „Sieh mich an“, flüsterte ich, doch natürlich hörte er nicht auf mich und vergrub sein Gesicht noch tiefer zwischen seinen Knien. Damit wollte ich mich natürlich nicht abfinden, so griff ich beherzt nach seinem Kinn und hob es ein wenig an, um in diese glitzernden Augen sehen zu können. Mir stockte der Atem, als ich ihn so sah, besonders als seine Unterlippe zu zittern begann, als er nun auf mich schaute. Untätig starrte ich ihn einen Augenblick lang an, dann tastete ich wieder nach seiner Wange, um sanft darüber zu streicheln. Eine Berührung, die er diesmal dankbar entgegen nahm. „Lass uns aus der Kälte raus kommen.“ Mit einem verlegenden Blick richtete er sich auf und trottete mir zum Auto hinterher.
 

Während der Fahrt war es still zwischen uns, nur das gelegentliche Schluchzen Soras war zu hören, der sichtlich bemüht war, nicht mehr zu weinen. Als wir die Wohnung betraten, waren seine Tränen tatsächlich weniger geworden, doch noch immer wagte er es nicht mich anzusehen und verkrümelte sich augenblicklich ins Badezimmer. Ich selbst war viel zu beschäftigt damit meine Gedanken zu ordnen und zu rekonstruieren, was gerade passiert war. Doch egal wie sehr ich mir darüber den Kopf zerbrach, ich kam auf keine schlüssige Lösung. So klopfte ich an die Tür des Badezimmer, als Sora deutlich zu lang darin war und rief seinen Namen. Keine Antwort, nur das schwache schniefen war wieder zu hören. „Sora, sag mir was mit dir los ist. Du kannst nicht ewig im Badezimmer bleiben. Irgendwann wirst du Hunger bekommen und da deine letzte Mahlzeit am Mittag war, wird es wohl schon bald sein!“ Wieder bekam ich keine Antwort. So machte ich das, was mir in diesem Moment am sinnvollsten erschien: ich setzte mich vor die Tür, meinen Rücken an dem Rahmen gelehnt und wartete einfach ab. Ich war sehr geduldig, so könnte ich es schon eine Weile aushalten.
 

„Riku?“, kam es vorsichtig von der anderen Seite der Tür. Zuerst wollte ich ihm antworten, doch ein Impuls hielt mich zurück und verharrte einfach in meiner Position. Wenn ich jetzt was sagen würde, würde er wahrscheinlich nie heraus kommen. Doch sollte es noch eine Weile dauern, bis ich endlich das Geräusch eines sich drehenden Schlüssels hören konnte. Neugierig sah ich auf, als sich die Tür einen Spalt öffnete und Sora seinen Kopf hindurch steckte. Als er mich sah, wollte er sie erschreckt wieder zuwerfen, doch war ich schneller und stellte meinen Fuß dazwischen. Trotzdem versuchte er die Tür wieder zu zuschlagen, was aber nur damit endete, dass ich aufgeregt seinen Namen rief. Mit einem Satz war ich aufgesprungen und drängte Sora eilig wieder zurück ins Badezimmer, nur um diesmal den Schlüssel gegen ihn zu benutzen und ihn ein paar Mal im Schloss zu drehen, bevor ich ihn in meiner Tasche verschwinden ließ. Soras Augen verfolgten schockiert meinen Händen während ich das tat und stöhnte resigniert auf, als ich auf ihn zu lief.
 

Eilig legten sich meine Hände auf seinen Schultern, während ich versuchte ihn in die Augen zu sehen. Er drehte seinen Kopf einfach weg und verwehrte mir so den Blick. „An deiner Stelle würde ich schnell reden, denn wir werden nicht eher gehen, bis du das endlich getan hast!“

Sora schnaubte halbherzig. „Als ob du freiwillig blau machst! Versprich nichts, was du nicht halten kannst!“

Meine Finger legten sich um sein Kinn und hoben es etwas an, damit er mir in meine Augen sehen musste. „Es hat sich vieles geändert, Sora, so provoziere mich nicht. Du würdest überrascht sein, was ich nicht alles kann.“

Meinen Worte folgte nur ein spöttisches Grinsen. „Na sicher.“
 

Gut, wenn er es so haben wollte, sollte er es auch so bekommen. Ich löste mich von ihm und als er mir mit seinen Blicken folgte, setzte ich mich demonstrativ auf die geschlossene Toilette. „Spätestens wenn einer von uns mal pinkeln muss, wirst du fluchtartig den Raum verlassen“, spottete er weiter. Ich machte für einen Bruchteil einer Sekunde ein zweifelndes Gesicht. Daran hatte ich nun so gar nicht gedacht. Warum musste Sora auch ausgerechnet ins Badezimmer fliehen? Verdammt! „Ich werde es schon ertragen können“, meinte ich betont gelassen.
 

Sora gluckste. „Gut, wie du meinst. Das verschlechtert dann wohl auch meine Chancen, mit dir mal Sex haben zu können.“ Seufzend bewegte er sich und krabbelte in die Badewanne, um es sich dort gemütlich zu machen. Und er machte es sich wirklich gemütlich, holte sich ein paar Handtücher aus dem Regal neben ihm, um sie als Kopfkissen und Decke benutzen zu können. Eine überaus clevere Idee, musste ich mir beeindruckt eingestehen. Verdammt, wenn er so weiter machte, würden wir wohl die ganze Nacht hier sitzen! Dabei stellte sich meine Sitzgelegenheit schon jetzt als äußerst unbequem heraus, so dass ich weiter wanderte und mir einen anderen Platz aussuchen musste. Nur gab es nichts, was mir halbwegs gemütlich vorkam, bis mein Blick wieder auf Sora fiel, der mich nicht mal beachtete. Umso überraschter quiekte er auf, als ein paar Handtücher in seinem Gesicht landeten und ich gleich darauf hinter her kam. Dabei stellte es sich als ziemlich schwierig heraus neben ihm zu liegen, da er es nicht mal für nötig hielt, wenigstens ein bisschen Platz für mich zu machen. Doch schließlich ging es auch, schließlich konnte man Sora auch wunderbar als Kopfkissen verwenden.
 

So lag ich halb auf meinem Blumenkind, halb in der Badewanne und versuchte das Schimpfen meines Kopfkissens zu ignorieren, der von seinem neuen Job absolut nicht begeistert war. Es war das einzige was ein bisschen störte, denn durch die vielen Handtücher war es durchaus bequem. Ein Hoch auf meine große Badewanne! „Riku, was soll der Mist?“, fluchte er schließlich, als seine Versuche mich von ihm herunterzurollen scheiterten. „Du weißt, was ich von dir will“, gab ich streng zurück. „So lang du nicht redest, werden wir uns wohl oder übel damit abfinden müssen, auf diese weise unsere Nacht zu verbringen. Aber das dürfte für dich ja kein Problem sein, schließlich bist du ja unbequeme Schlafmöglichkeiten ja gewohnt.“
 

Sora brummte, hörte aber schlussendlich auf, mich von sich schieben zu wollen. So lagen wir eine Weile da und wenn der Hintergrund dieser Situation nicht so deprimierend gewesen wäre, hätte es mir auch merkwürdiger weise gefallen. Jedenfalls schien sich Sora mit dem neuen Umstand abgefunden zu haben und schwieg. Er konnte so ein sturer Kerl sein! Selbst seine Hände waren an dem Badewannenrand gedrückt, damit sie mich ja nicht berühren konnten. Mich störte es nicht, wusste ich doch schon jetzt, dass ich gewann. Denn egal wie störrisch er war, war er auch gefräßig und vor allem ungeduldig. So würde es nicht lange dauern, bis er jammerte und schlussendlich aufgab. Ich musste nur geduldig sein und abwarten.
 

Mit einem diebischen Grinsen spürte ich, wie er sich bereits ein bisschen windete und eine neue, und geeignetere Position suchte. Vielleicht zum einschlafen, da er ja noch immer vorhatte seinen Plan durchzuziehen. Meine Vermutung bestätigte sich, als er mich etwas von sich weg drängte und plötzlich gegenüber von mir lag; ganz dicht an meinem Körper, auch wenn sein Gesicht verriet, dass ihm das ganz und gar nicht gefiel. Doch der Platzmangel machte es möglich, dass ich ihn wieder ganz nah an mir haben durfte. Wenigstens ein Trost in dieser verzwickten Situation. So beobachtete ich schmunzelnd, wie er sich mit verbissenen Gesichtsausdruck ein Kissen aus einem Handtuch baute und seine Augen zusammen kniff, um schnellst möglich einschlafen zu können. Ein weiteres Zeichen, dass ich einfach nur geduldig sein musste, denn nur ein paar Momente später riss er auch schon seine Augen auf und warf einen wütenden Blick auf die Lampe, die unschuldig leuchtend von der Decke hing. Doch würde seine Faulheit es nicht zu lassen aufzustehen und das Licht zu löschen.
 

Wie erwartet warf er sich lieber ein anderes Handtuch über seinen Kopf und grummelte, während ich mir mein Lachen verkneifen musste. So verging die Zeit ohne irgendwelche Vorkommnisse – was schlecht war, denn diese Ruhe war einschläfernd und ich erwischte mich immer öfter dabei, wie mir die Augen zufielen und ich verdammt noch mal aufpassen musste, um nicht einzuschlafen. Schwäche durfte ich mir keinesfalls leisten. Doch wurde das warten immer anstrengender, erst recht, wenn ich das leise Atmen von Sora neben hier hören konnte, der wahrscheinlich schon lang im Reich der Träume war. Langsam war ich mit meiner Geduld am Ende und ich selbst nahe dran aufzugeben. Meine Idee, uns ins Bad einzuschließen kam mir immer absurder vor und vor allem so sinnlos. Schließlich war ich derjenige der leiden musste, während Sora seelenruhig neben mir schlief. Ich hätte wohl einfach wissen müssen, dass Blumenkinder auch in solch einer unbequemen Lage schlafen konnten. Doch gerade als ich meine dumme Idee beenden wollte, hörte ich ein Geräusch neben mir, das verdächtig nach Soras Bauch klang. Ich grinste, als dessen Besitzer sich unwirsch aufrichtete und leidend auf seinen Bauch guckte.
 

„Hast du etwa Hunger, Sora?“, fragte ich spitz.

Sofort fuhr dessen Kopf herum und schaute mich böse an. „Tu nicht so, schließlich kennst du die Antwort und lass dein Siegeslächeln sein – du hast noch nicht gewonnen!“ Als würde er es damit bestätigen wollen, zeigte er auf mein Gesicht.

„Du weißt was ich von dir hören will, Sora“, meinte ich und verschränkte mit gleichgültigen Blick meine Hände hinter meinem Kopf. „Du sagst was dich bedrückt und dafür bekommst du was zu essen.“

„Nein“, maulte er bockig, nur um gleich darauf wieder auf seinen Bauch zu schauen, der sich erneut meldete. „Oh.“
 

Ich schüttelte nur meinen Kopf bei seinem Benehmen und hielt meine gleichgültige Miene aufrecht. Dabei konnte er einem wirklich leid tun, wie er da so mit einem schmollen auf den Lippen saß und sich den Bauch hielt. Doch seine Sturheit musste bestraft werden und so sollte er selbst handeln, damit er was zu essen bekam.
 

„Riku?“, jammerte Sora erneut. Aufmerksam sah ich ihn an und widerstand dabei den Drang, ihn einfach nur in meine Arme ziehen zu wollen. Er sah in diesem Moment einfach so niedlich aus, dass ich wirklich aufpassen musste, um nicht schwach zu werden.

„Ja?“

„Ich habe Hunger.“

Auf diese Idee wäre ich nie von selbst gekommen. „Dann sag was ich wissen will.“

Sora schüttelte leidvoll seinen Kopf. „Nein, ich kann nicht bei leeren Magen reden. Reicht es dir etwa nicht, dass du gewonnen hast? Ich kann dir auch beim essen alles erzählen.“ Um seine Chancen zu erhöhen, seinen Wunsch zu erfüllen, machte er ein besonders bedauernswerten Hundeblick. Ich gab nach, schließlich konnte ich diesem Gesichtsausdruck wirklich nicht wieder stehen. Doch ganz wollte ich ihm so nicht davon kommen lassen. So erhob ich mich und schaute ihn eindringlich in die Augen. „Versprochen?“ Sora nickte, konnte dabei aber seine Freude kaum noch verbergen. So folgte er mir aufgeregt an die Tür, als ich meinen Schlüssel zückte und war hellauf begeistert, als er endlich in die Küche laufen konnte.
 

Mehrere Flüche und Schranktüren zuknallen später und er saß mit einem gut gefüllten Teller am Tisch. Glücklich kauend schien er schon wieder unsere Abmachung vergessen zu haben; so musste ich ihn noch mal daran erinnern, was nicht gerade auf Begeisterung stieß. Seufzend ließ er seine Gabel sinken und schaute prompt auf seinen Teller. „Es ist dumm, Riku. Ich weiß auch gar nicht was mit mir los war. Vielleicht hat mich einfach nur deine Ignoranz geärgert, dass ich mich nicht beherrschen konnte. Irgendwie macht mich diese Zeit einfach ein bisschen rührselig.“ Er versuchte sich an einem Lächeln, doch erwiderte ich es nicht und schaute ihn stattdessen fragend an. „Was soll das heißen, rührselig?“
 

Sora druckste ein bisschen herum. „Na ja, diese Vorweihnachtszeit, dieser ganze 'Nächstenliebe' Kram – er macht mich ein bisschen wehmütig, weißt du? Jeder macht diesen Familienkram, macht all diese schnulzigen Dinge und hat seine Liebsten um sich. Ich habe dies nicht und irgendwie macht mich das ein bisschen sentimental.“ Er schaute mich kurz verlegen an, wandte aber seinen Blick schnell wieder ab, als er mein Gesicht sah. „Du verstehst es nicht. In unserer Familie wurde das Weihnachtsfest hoch geschätzt und meine Mutter pflegte bereits am ersten Dezember die Räume zu schmücken. So läutete sie die Vorweihnachtszeit ein und irgendwie vermisse ich es einfach, dass es das für mich nicht mehr gibt. Ich sehe die ganzen glücklichen Gesichter in der Stadt, Paare, die mit ihren Kindern in die Stadt gehen und sich freuen zusammen zu sein – das alles werde ich so nicht mehr haben. Und auch wenn es blöd klingt; ich will auch so ein Weihnachtsfest haben wie sie.“
 

„Sora“, flüsterte ich und zog ihn einfach in meine Arme, als ich die ersten Tränen von seinen Wangen hinab kullern sah. Er drückte sich dicht an mich, seine Hände, die sich in meinem Pullover krallten, als würde er verzweifelt nach Halt suchen wollen. Er schluchzte ungehalten in meinen Armen; so musste ich mich anstrengen um überhaupt zu verstehen was er sagte, als er mit stockendem Atem versuchte weiterzureden. „Meine Freunde wollen mit dem kapitalistischen Weihnachtsfest nichts zu tun haben und werden ihn nicht feiern und selbst du ignorierst alles, was mit Weihnachten zu tun hat. Nicht mal den Zauber des Winters siehst du, dabei ist es so wunderschön, wenn man nur mal mit offenen Augen durch die Welt gehen würde.“ Seine Worte waren für mich wie ein Faustschlag in mein Gesicht. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass ihm das Weihnachtsfest so viel bedeuten würde. Schließlich war er ein Blumenkind und die dürften davon nicht sonderlich viel halten. Trotzdem hätte ich wissen sollen, dass Sora es viel bedeutete, da er doch eine recht eigenwillige Art hatte und nicht alle Einstellungen seiner Freunde teilte. Dementsprechend schlechte fühlte ich mich, als ich Sora so in meinen Armen hielt und mein bestes versuchte, um ihn zu beruhigen.
 

„Es tut mir leid, Sora. Wenn du willst werden wir jetzt öfter spazieren gehen und diesen Kram machen, den man eben so zur Winterzeit macht.“

Sora gluckste merkwürdig. „Du würdest nur wieder rum meckern wie kalt es doch ist.“

„Nein, kein Ton wird deswegen über meine Lippen kommen.“

„Versprochen?“

„Versprochen.“
 

***
 

Fluchend strich ich mir mein Haar glatt und warf einen finsteren Blick zu dem Gestrüpp, das ich nur mit Mühe und viel Geduld in das Wohnzimmer bekommen hatte. Nun stand es ganz unschuldig in der Ecke, die ich extra für dieses Ding frei räumen musste und sah nicht mal hübsch aus. Was fanden die Leute nur daran, sich so etwas ins Wohnzimmer zu stellen? Ich bekam von dessen Geruch einfach nur Brechreiz. Bei uns auf der Insel gab es so was nicht, aber da hatten die Menschen auch Geschmack – nicht so wie hier in der Großstadt, wo man ein Vermögen ausgeben musste, um überhaupt einen zu bekommen. Verstehe doch einer die Leute. Während ich noch fluchend mit einer Lichterkette kämpfte, nahm ich um ein Haar nicht mal das klimpern eines Schlüssels wahr, das eindeutig von der Haustür kam. Sofort war meine Wut verflogen und mein Herz beschleunigte sich, als diese aufgestoßen und ein gutgelaunter Sora die Wohnung betrat. Er starrte mich geradewegs an, sobald er mich bemerkte und zog fragend eine Augenbraue hoch, als er mich im Wohnzimmer stehen sah.
 

Misstrauisch kam er näher und betrat vorsichtig den Raum, als befürchtete er, ich hätte irgendwas schlimmes gemacht. „Was hast du -“ Weiter kam er nicht, denn mit einem erfreuten Aufschrei begann er im Zimmer herum zu laufen und sich mein Werk staunend zu betrachten. „Das hast alles du gemacht?“, rief er vollkommen verblüfft auf. Ich nickte und mochte einfach nur den Ausdruck in seinem Gesicht, das so viel Freude wieder spiegelte. „Es ist wundervoll!“ Sein Blick fiel auf das Ding in der Ecke. „Und selbst an einem Weihnachtsbaum hast du gedacht!“ Sora klang schon wegen diesem Detail wirklich begeistert. Irgendwie kränkte mich es ein bisschen. Jedenfalls so lang, bis der nächste verbale Schlag in meinem Magen folgte: „Dann kann ich ja sofort mit dem Dekorieren anfangen!“
 

Als er einen flüchtigen Blick auf mich warf, erstarrte er in seinen Bewegungen und schaute mich vorsichtig an. „Was ist los?“

„Ich habe bereits dekoriert“, knurrte ich. Und das den ganzen verdammten Tag lang! Sora sah mich betroffen an - wenigstens hatte er Gewissensbisse. Gut so, schließlich wurde wieder einmal meine Arbeit nicht geschätzt. Doch Sora wäre nicht Sora, wenn er nicht was auf Lager hätte, um mich zu besänftigen. So lief er mit gespielten Mitleid auf mich zu und löste meine verschränkten Arme, damit er mich in eine große Umarmung ziehen konnte. „Es ist großartig, Riku, wirklich. Nur müsste hier und da vielleicht etwas verbessert werden.“ Er zwinkerte mir zu und gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund. Als er wieder zu mir aufschaute, hatte er ein hinreißendes Lächeln auf den Lippen, wobei natürlich sein kleines schmollen nicht fehlen durfte. Damit konnte er mich zwar nicht wirklich beeindrucken, doch es half wenigstens ihm zu helfen.
 

So half ich ihm dabei, dass Zimmer zu verschönern (obwohl ich mehr dafür da war, um ihn die Dinge zu geben, die er brauchte) und freute mich einfach darüber, wie viel Spaß er dabei hatte. Auch wenn es nicht nur beim verbessern blieb und wirklich alles, was ich irgendwo hingelegt hatte, einen neuen Platz fand. Hauptsache Sora war zufrieden und wenn ich so in sein Gesicht blickte und er mich mit diesem hellen Lächeln anschaute, wusste ich, dass ich eine verdammt gute Arbeit geleistet hatte.



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