Zum Inhalt der Seite

Whitebeards Söhne & Töchter

Marco x Ace x Nojiko | Law x Nami
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 2: Calm Before The Storm [2]


 

VI

Die Orangen waren schnell ins Grandline geschafft, aber da sie erst heute Abend arbeitete, hatte sich Nojiko wieder auf den Weg zurück gemacht. Sie hatte das Haus genauso verloren vorgefunden, wie sie es verlassen hatte. Nami war noch nicht zurückgekehrt und wahrscheinlich verschwendete Nojiko ihren Nachmittag, hier zu warten, um sie ja nicht zu verpassen, sollte sie doch auftauchen.

Nojiko warf einen Blick in den angefangenen Eisbecher, mit dem sie sich auf dem Sofa wiederfand. Das Eis war das einzige, was für Abkühlung in ihren vier Wänden sorgte, denn die Hitze machte das Haus trotz der Deckenventilatoren unerträglich.

Ein Seufzen bahnte sich den Weg über ihre Lippen, als sie sich einen weiteren Löffel in den Mund schob. Ihre Augen wanderten zurück zu dem Wetterbericht, der die Nachrichten unterbrochen hatte, um über den Sturm zu informieren, der sich dort auf dem Atlantik zusammenbraute. Wahrscheinlich würde er ihrem Haus den Rest geben. Immerhin fiel schon bei Regen, der über feinen Nieselregen hinausging, jedes Mal für Stunden am Stück der Strom aus. Die Leitungen waren alle veraltet, genauso wie alles in diesem Haus.

Die Eingangstür wurde aufgeschlossen.

Nojiko angelte sofort nach der Fernbedienung, um den Ton der Meteorologin auszustellen, ehe sie Nami ins Visier nahm, die sich ins Innere schob.

„Ich wusste nicht, dass du hier bist, Nojiko“, sagte sie und lud ihre Zeichenmaterialien auf dem Schrank neben der Tür ab.

„Und ich will mich nicht streiten“, sagte Nojiko, die ihr den Eisbecher in stummer Einladung entgegenhielt.

Ein Lächeln schlich sich auf Namis Lippen. „Welche Geschmacksrichtung?“

„Schokolade. Es ist die einzige, die wir noch haben.“

Nami schlüpfte aus ihren Schuhen, spazierte in die Küche, um sich einen Löffel zu holen und sackte anschließend neben Nojiko auf das Sofa. Der Becher stand zwischen ihnen, während sie schweigend aßen.

„Was sagen sie?“, fragte Nami schlussendlich und nickte zum Fernseher hinüber.

„Der Sturm zieht in unsere Richtung, wird uns aber nur streifen. Zumindest so, wie es im Moment aussieht. Wir werden trotzdem eine Menge Regen und Wind abbekommen.“ Nojikos Blick ging an die Decke über ihrem Kopf. „Ich hoffe nur, dass das Dach es mitmacht. Der letzte Sturm hat die Dachziegel ganz schön in Mitleidenschaft gezogen.“

„Wenigstens tropft es nur in der Küche hinein“, murmelte Nami und Nojiko hob eine spöttische Augenbraue.

„Wenigstens?“

„Sonst müssten wir uns mehr große Kochtöpfe kaufen, meine ich.“ Nami zuckte grinsend mit den Schultern. „Andererseits... du hast eine ganze Menge Geld in dem Schubfach liegen, womit du eigentlich das Dach reparieren lassen kannst.“

Nojikos Schultern spannten sich unwillkürlich an, als Nami mit ihrer Unschuldsstimme auf das Geld zu sprechen kam. Sie hatte es also doch gefunden. Aber warum überraschte es Nojiko überhaupt? Nami hatte schon immer ein Gespür für Wertsachen gehabt, ob sie von ihnen wusste oder nicht.

„Das gehört nicht mir“, erwiderte Nojiko und ließ den Löffel sinken. „Es ist von Ace. Er hat es mir gegeben, damit ich wegziehen kann. Glaube ich jedenfalls, weil er es nicht zugeben mag und sich weigert, es zurückzunehmen.“

Das kecke Grinsen auf Namis Lippen nahm etwas Sanftes an, das konnte Nojiko deutlich aus den Augenwinkeln heraus erkennen. „Jemand, der dir so viel Geld überlässt ohne irgendwas zurückzuverlangen, muss ganz schön in dich vernarrt sein, Nojiko“, gab sie zu bedenken und Nojiko holte Luft, obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie darauf antworten sollte. Hatte Nami recht? Sie konnte nicht behaupten, dass Ace ihr ein anderes Gefühl vermittelte, denn er war furchtbar offen, wenn es um Zuneigung ging, das vollkommene Gegenteil von Marco, der eher zurückhaltend und gefasster war.

„Trotzdem...“, entrann es Nojiko entschieden. „Das Geld gehört nicht mir. Ich werde es aufheben, bis Ace es endlich zurücknimmt. Ganz egal, wie oft ich ihn erinnern muss. Du weißt, was Bellemere immer gesagt hat. Keine Schulden sind Ehrenschulden.“

Nami zog den Eisbecher etwas weiter zu sich hinüber. „Aber Bellemere ist nicht da und das Haus fällt auseinander.“

„Sag mir lieber, was du von Marco und Ace hältst“, wechselte Noijko das Thema, obwohl ihr das genauso unangenehm war. Doch irgendwann mussten sie darüber reden und es weiter herauszuzögern brachte keinem von ihnen etwas. Es war wie ein Pflaster, das man einfach in einem Ruck abreißen musste.

„Es ist dein Leben, Nojiko“, antwortete Nami, um einiges erwachsener, als Nojiko angenommen hatte. „Dass es ziemlich... ungewöhnlich ist, muss ich dir wohl nicht sagen, aber unsere Familie war schon immer sehr ungewöhnlich. Ich meine, erst Bellemere, die uns adoptiert hat und dann Genzo?“

Sie teilten ein Lächeln. Es stimmte. Nojiko konnte nicht abstreiten, dass sie eine sehr zusammengewürfelte Familie gewesen waren. Nicht nur, dass Bellemere sie aus heiterem Himmel adoptiert hatte, sondern ihr Polizeipartner war bis zu seinem Tod auch noch eine Art Vaterfigur gewesen.

„Es gibt da noch etwas, was du noch nicht weißt und ich dir sagen muss“, sagte Nojiko, denn diese Unterhaltung war ein Pflaster, das sie unbedingt entfernen wollte. Ansonsten würde diese Geheimnistuerei nur noch mehr Schaden anrichten und das Letzte, was Nojiko wollte, war Nami so kurz nach ihrer Rückkehr wieder zu vergraulen.

Nami kratzte gerade den Boden von dem Eisbecher aus, doch hielt inne, als sie Nojikos ernstes Gesicht sah. Es war jetzt oder nie.

„Marco und Ace gehören zu Whitebeard“, sprach Nojiko es einfach aus und sah zu, wie Namis Augen sich weiteten.

„Aber das sind Verb—“, begann Nami, doch Nojiko unterbrach sie mit einem „Ich weiß“.

Stille folgte, in der sich beide Schwestern ansahen und zu verstehen versuchten, was in dem Kopf der jeweilig anderen vorging.

„Vertraust du mir, Nami?“, fragte Nojiko letztendlich.

Nami nickte. „Dir schon, aber Verbrechern nicht.“

„Aber ich vertraue ihnen“, sagte Nojiko und in dem Moment, in dem sie es aussprach, wurde ihr erst wirklich bewusst, dass es tatsächlich der Wahrheit entsprach. „Sie sind merkwürdig und diese Art von Beziehung ungewöhnlich, das gebe ich zu, aber... aber sie sind mir wichtig.“ Ihre Wangen glühten.

„Das ist alles ziemlich abgedreht.“ Nami stieß die Luft aus und fasste sich an die Stirn. „Aber ich versuche mich daran zu gewöhnen. Schließlich habe ich nur eine Schwester und ich würde sie gern behalten.“ Mit diesen Worten erhob sich Nami, um den Eisbecher wegzuwerfen und die Löffel im Waschbecken zum restlichen Geschirr vom Morgen zu legen. „Aber wenn sie dir das Herz brechen, breche ich ihnen etwas anderes“, rief sie noch zurück und Nojiko schmunzelte.
 


 

VII

Das Grandline war ein altes Lokal, welches schon einige Renovierungen erlebt hatte. Obwohl Nami es noch nie betreten hatte, war sie oft genug an ihm vorbeigelaufen, um zu beobachten, wie die Außenwände einen neuen Anstrich bekommen hatten und die vorigen Graffiti nach und nach wieder verschwunden waren. Dass Whitebeard und seine Anhänger dafür das Geld zur Verfügung stellten, konnte sich Nami zusammenreimen, denn es war schon von weitem als ihr Stammlokal zu identifizieren.

Obwohl es stockfinster war und die Nacht nur noch von ein paar Laternen auf dem riesigen Platz vor dem Grandline erleuchtet wurde, konnte Nami die Tätowierungen der Männer erkennen, die vor dem Lokal herumlungerten, auf dem Bordstein saßen oder an der Wand gelehnt standen. Sie trugen Whitebeards Zeichen dreist auf ihren Körpern und dachten erst gar nicht daran zu verstecken, dass sie gegen das Gesetz verstießen. Es war ihnen völlig egal – und Marco und Ace gehörten zu ihnen.

Nami atmete tief durch, bevor sie den Weg zur Bar einschlug. Die Blicke der Männer folgten ihr, obwohl genug Touristen, welche nichts von Whitebeard und seinen Männern wussten, sie ebenfalls besuchten. Davon ließ sich Nami allerdings nicht einschüchtern, als sie das Grandline betrat und sich zum Tresen begab, hinter dem Nojiko einige Drinks mischte. „Ich nehme einen Tequila“, sagte sie und Nojikos Kopf ruckte in die Höhe.

„Nami, was machst du hier?“

„Ich dachte, ich schaue mir mal an, wo du dich neuerdings so herumtreibst“, antwortete Nami, als Nojiko ihr das Glas hinstellte und eingoss, und ließ den Blick vielsagend durch die belebte Bar schweifen. Makino, die Besitzerin, die Nami bereits vom Markt kannte, bediente einige Herren in der hintersten Ecke, während Marco und Ace es sich mit einem dritten Mann an einem Tisch bequem gemacht hatten.

„Ich bin eigentlich nur hier, wenn ich arbeite“, gestand Nojiko. „Es ist im Grunde auch nur eine Bar wie jede andere.“

„Wir werden sehen“, sagte Nami, als sie Nojiko einen Schein hinschob, jedoch nicht auf das Wechselgeld wartete. Stattdessen spazierte sie mit ihrem Getränk zu Nojikos Jungs hinüber, die sie noch nicht bemerkt hatten.

Marco fing ihren Blick als erstes auf, beobachtete sie jedoch schweigend, fast schon abwartend, während Ace eine Diskussion mit einem braunhaarigen Kerl darüber führte, welche Bäckerei das beste Gebäck verkaufte.

Als Nami hinter ihm zum Stehen kam, räusperte sie sich und Ace drehte sich mit einem „Huh?“ auf den Lippen zu ihr um. Im nächsten Moment war er bereits aufgesprungen. „Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt, Nami“, begrüßte er sie mit einem breiten Grinsen, bevor er von dem Nachbartisch einen Stuhl holte und Nami zu ihm hinüber bugsierte. „Wo kaufen Nojiko und du eure Brötchen? Welche Bäckerei?“

„Darüber unterhaltet ihr euch in eurer Freizeit?“, stellte Nami die Gegenfrage und verzog skeptisch das Gesicht. „Und ihr wollt Verbrecher sein?“

„Das kommt wohl auf die Art Verbrecher an, als die man sich kategorisiert“, erwiderte Marco, der das Kinn gelangweilt auf der Handfläche abstützte. Im Gegensatz zu gestern Abend trug Marco sein Hemd nun offen, wodurch sie Whitebeards Zeichen sehen konnte, welches auf seinem Brustkorb prangte. Es war der ultimative Beweis.

Nami schüttelte den Kopf. „Es gibt nur eine Art Verbrecher, auch wenn sich gewisse Leute etwas anderes einreden wollen.“

„Nami?“, fragte der dritte Mann im Bunde und streckte ihr mit einem schiefen Grinsen die Hand aus. „Ich bin Thatch. Marco und Aces bester Freund und Makinos zukünftiger Ehemann. Ich hoffe, wir werden uns gut verstehen, jetzt, da wir praktisch zur selben Familie gehören.“

„Hm?“ Namis Augen verengten sich, als sie Thatchs Haartolle und seine ausgestreckte Hand abwechselnd musterte. Zur selben Familie gehören? Redeten sie hier von Nojikos Beziehung mit Marco und Ace oder doch diese sogenannte Familie, die Whitebeard um sich herum scharrte? Aber es spielte keine Rolle, denn Nami bezweifelte, dass sie auch nur ein Teil von einer dieser Familien sein wollte.

„Du hast auch ein Tattoo. Wie deine Schwester“, unterbrach Ace, als Thatch mit einem Schmollmund die Hand sinken ließ und Nami es gekonnt ignorierte. Aces Blick klebte an ihrer Schulter, auf der eine verschnörkelte Tätowierung ihren Platz hatte, die alle drei Mitglieder ihrer Familie präsentierte. Die Form erinnerte an Nojikos Tattoo, während die Schnörkel einmal eine Orange für Bellemere und eine Windmühle für Genzo darstellten, mit der er sie als Kind stets zum Lachen gebracht hatte.

Ace schob den Ärmel seines Hemdes ein Stück hinauf, damit Nami einen Blick auf seinen Namen werfen konnte, der dort vertikal tätowiert war. „Und ich hab noch eines auf dem Rücken. Willst du es sehen?“

„Nein, danke“, erwiderte Nami, die ihr Glas in einem schnellen Zug austrank. „Übrigens hat sich jemand in deiner Tätowierung verschrieben.“

Ace sah an seinem Oberarm hinab und studierte das durchgestrichene S, welches sich zwischen dem A und dem C befand. Ein Lächeln zupfte an seinen Lippen.

„Eigentlich bin ich nur hergekommen, um mit euch über das Geld zu sprechen“, fuhr Nami unbeirrt fort, als Ace nichts weiter sagte. Ihre Augen zuckten zwischen Marco und Ace hin und her, denn sie vermutete beide hinter dieser Summe, die noch immer im Küchenschubfach lag. „Wollt ihr es wiederhaben oder nicht?“ Nami war nicht dafür bekannt, um den heißen Brei herumzureden, jedenfalls nicht, wenn es dabei um Geld ging. „Wenn nicht, müsst ihr Nojiko das klarmachen und dazu überreden, es zu benutzen.“

„Will sie nun doch wegziehen?“, fragte Ace und das Grinsen war gewichen, um einen ernsteren Ausdruck zurückzulassen. Beinahe so, als würde er es schade finden, obwohl er ihr doch das Geld gegeben hatte.

„Natürlich nicht“, erwiderte Nami und rollte mit den Augen.

„Ich muss dir wohl nicht sagen, dass man Nojiko zu nichts überreden kann, wenn sie es selbst nicht möchte, eh?“, sagte Marco und sprach damit die nackte Wahrheit aus. Andererseits wusste Nami, dass Nojiko es benutzen wollte, denn ansonsten hätte sie längst einen Weg gefunden, um es zurückzugeben.

„Sie möchte, glaubt mir“, fasste Nami zusammen. Kurzzeitig glitt ihr Blick zum Tresen hinüber, hinter dem Nojiko Gläser spülte. „Nojiko braucht nur einen Ruck und zwar bald, weil uns sonst das Dach wortwörtlich auf den Kopf fällt.“

„Kein Problem“, erwiderte Ace. „Marco und ich kriegen das schon hin. Stimmt’s?“ Er sah seinen Freund an, der die Mundwinkel stumm senkte. „Sei nicht immer so pessimistisch“, fügte Ace hinzu und lachte auf.

„Makino kennt sicher ein paar gute Handwerker, die man für einen vernünftigen Preis anheuern kann“, sagte Thatch und war bereits aufgestanden, um seine Freundin danach zu fragen, die ohnehin auf dem Weg in ihre Richtung war.

„Keine Sorge, es besteht nur eine fünfzigprozentige Chance, dass er sich vor Nojiko verplappert“, beantwortete Marco Namis Gedanken und sie stieß ein Seufzen aus.

„Wisst ihr... ihr seid unheimlich seltsame Verbrecher“, schloss sie und erhob sich ebenfalls. „Ich hoffe nur, dass ihr Nojiko nicht in euer Geschäft oder was-auch-immer hineinziehen werdet.“ Sie ließ ihr Glas stehen und steuerte die Tür an.

Eigentlich war sie in erster Linie am Geld interessiert und hatte sich vor dem Weg hierher fest vorgenommen, dass sie es Marco und Ace nicht leicht machen würde, aber es stellte sich als viel schwerer heraus, die beiden nicht zu mögen. Waren alle Mitglieder von Whitebeards Söhne solche normalen Typen, die auf den ersten Blick nichts Böses im Schilde zu führten? Nami bezweifelte es. Außerdem machte es letztendlich keinen Unterschied, denn—

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen, Nami-ya“, ließ sie eine Stimme aufsehen. Es war der Mann von heute Morgen. Law hatte er sich genannt. Er stand an der Hausmauer gelehnt und löste sich von ihr, um auf sie zuzuspazieren. Seinen dunklen Pullover hatte er für ein gelbes T-Shirt mit einem Smiley und einer schwarzen Jacke eingetauscht, welche seinen schlanken Körperbau besser zur Geltung brachten.

„Verfolgst du mich?“, fragte Nami, die zum Grandline zurückschaute, welches sie vor wenigen Minuten verlassen hatte. Dieser Zufall, sich ausgerechnet in dieser schmalen Gasse mitten am Abend zu begegnen, kam ihr doch etwas zu sonderbar vor. Sie war nicht naiv genug, um keinerlei Hintergedanken und Motive zu vermuten.

„Warum sollte ich das tun?“, fragte Law, der genauso wenig wie sie über sich preisgeben wollte, da war sich Nami sicher. Wahrscheinlich wollte er einer dieser geheimnisvollen Männer bleiben, weil er dachte, dass das bei Frauen zog. Da kannte er sie aber schlecht.

„Ich bin nicht interessiert“, sagte Nami und ging weiter. Allerdings konnte sie anhand seiner Schritte auf dem Asphalt ganz genau hören, dass er ihr in einem gemütlichen Tempo folgte.

„Und wer sagt, dass ich interessiert bin?“, fragte er, anstatt sich einfach mit dieser Abweisung zufrieden zu geben und von dannen zu ziehen. Das wäre wohl zu einfach gewesen. „Ich bin nur ein Besucher, der niemanden kennt und sich mit Leuten unterhält, um das zu ändern.“ Er zuckte mit den Schultern, was kein bisschen unschuldig wirkte. Wirklich etwas vormachen wollte er ihr nicht, aber was war es dann?

„Wir haben uns unterhalten. Und nun?“, entrann es Nami, die in dem fahlen Licht einer Laterne stehen geblieben war. Wenn er glaubte, dass sie sich einschüchtern ließ, hatte er sich geirrt. Sie wusste ganz genau, wohin sie treten musste, um ihm im Notfall Schmerzen zuzufügen.

Doch Law blieb einen Meter von ihr entfernt stehen, die Hände noch immer in den Hosentaschen, während das Licht der Laterne sich auf seinen Ohrringen brach. Welcher Mann trug schon Ohrringe und sah dabei noch unverschämt gut aus?

„Ich weiß nicht“, gestand Law. „Ich nehme an, dass ich dich fragen sollte, ob wir uns nicht besser kennen lernen wollen. Vielleicht morgen früh am Strand. Ich hab den Eindruck, dass du ihn magst. Was denkst du?“

„Was ich denke, geht dich nichts an“, erwiderte Nami und stemmte eine Hand in die Hüfte, als sie ihn weiterhin musterte. Doch Laws Fassade ließ nichts außer milde Belustigung durch, die alles und nichts bedeuten konnte. „Ich denke drüber nach.“ Sie wandte sich um und ging weiter.

„Und woher weiß ich, wie du dich entschieden hast?“, rief Law ihr einige Sekunden später hinterher.

Er stand noch immer an Ort und Stelle, als Nami einen Blick über ihre Schulter warf. „Indem ich morgen auftauche oder nicht.“ Mit einem letzten zuckersüßen Lächeln ließ sie ihn stehen.
 


 

VIII

Nojiko konnte die Müdigkeit in jedem Muskel ihres Körpers spüren. Wenn ihr vor diesem Job jemals jemand hätte weismachen wollen, dass es Knochenarbeit war, ein paar Gäste zu bewirten und den Tresen sowie die Tische während der Öffnungszeiten einigermaßen sauber zu halten, hätte sie denjenigen wohl als einen inkompetenten Schwächling abgestempelt. Allerdings war Nojiko niemand, der herumjammerte, weshalb sie noch auf den Beinen war, bis Thatch auch den letzten Gast mit der Androhung des Hausverbots vor die Tür setzte.

„Ich kann es mir nicht leisten, Leuten ernsthaft Hausverbot zu erteilen, Thatch“, mahnte Makino mit sanfter Stimme, als sie ein letztes Mal in dieser Nacht die Theke abwischte. „Ganz besonders, wenn das einzige Vergehen ist, dass er gern hier ist.“

Thatch schloss die Eingangstür ab. „Aber so kommen wir doch nie nach Hause. Ich hatte bisher nicht einmal Zeit, eine einzige meiner Kisten auszupacken.“

„Die leeren Schubladen rennen nicht weg.“

Nojiko verfolgte das Gespräch nur mit einem halben Ohr, als sie zusammen mit Marco und Ace die Stühle hochstellte. Auch sie waren länger geblieben. Länger als sonst ohnehin schon, verbesserte Nojiko gedanklich. Ace war auch kein einziges Mal beim Trinken eingeschlafen, was bereits ein kleiner Rekord für sich war und obendrein äußerst seltsam.

„Apropos nach Hause gehen“, begann Ace, als er auch den letzten Stuhl hochstellte und mit langen Schritten zu ihr hinüber spazierte. Mit einem breiten Grinsen und den scheinbar unendlich vielen Sommersprossen, die sich über seine Wangen und seinen Nasenrücken verteilten, wirkte er fast wie ein kleiner Junge.

Dieser Gedanke erinnerte Nojiko unweigerlich daran, dass sie eigentlich rein gar nichts über Ace wusste. Sie wusste nur von seiner Narkolepsie und seiner merkwürdigen Angewohnheit unheimlich abwehrend zu reagieren, wenn jemand auch nur annähernd etwas Schlechtes über Whitebeard oder einen seiner Männer sagte. Das galt ganz besonders für Marco und Leute, die es wagten, seine doch eher eigenartige Frisur zu belächeln. Obwohl Nojiko stets ähnlich reagierte, wenn es um Nami ging, hatte sie noch nie jemanden mit einem derartigen Beschützerinstinkt gesehen, ganz besonders da es Marco vollkommen egal war, was andere über ihn sagten. Ace hingegen... ihm schien es an diesem Selbstbewusstsein zu mangeln. Man sah es nicht auf den ersten Blick, aber—

Eine Hand wedelte vor Nojikos Gesicht. „Erde an Nojiko.“

Sie blinzelte und fokussierte ihren Blick wieder auf Ace, anstatt weiter durch ihn hindurchzusehen. „Was hast du gesagt?“

Ace zog die Augenbrauen zusammen, obgleich das Lächeln auf seinen Lippen verweilte. „Ich hab gefragt, ob du nicht ausnahmsweise mit Marco und mir nach Hause kommen möchtest.“

„Oh“, entwich es Nojiko. Sie wischte sich die Hände an der Schürze mit dem Grandline-Logo ab, das aus einer Welle und einem Kompass bestand, dessen Hintergrund sie nicht kannte.

Marco gesellte sich zu ihnen, still und mit ausdruckslosem Gesicht. „Lass uns nach Hause gehen. Mir fallen bald die Augen zu.“

Ace stieß ihm spielerisch einen Ellenbogen in den Magen und Marco verzog das Gesicht, bevor er von hinten die Arme um Aces Schultern schlang, um sich bei ihm abzustützen und Ace als Strafe sein Gewicht tragen zu lassen, seine Proteste ignorierend.

Die anfängliche Verlegenheit wich, als Nojiko bewusst wurde, dass Ace sie gefragt hatte, bei ihnen zu übernachten, nicht mit ihnen zu schlafen.

„Okay“, erwiderte sie. „Okay, ich sag nur Makino Bescheid, dass ich gehe.“

Ihre Blicke folgten Nojiko, als sie das Hinterzimmer ansteuerte, in dem Thatch ihre Chefin mit einem charmanten Lächeln einen Kuss auf den Mundwinkel presste. Sie machte vor der angelehnten Tür Halt, anstatt sie zu stören. Es war ohnehin ein kleines Wunder, dass Thatch es den gesamten Abend geschafft hatte, seine Finger bei sich zu behalten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Makino ihn stets mehr in den Arbeitsverlauf einspannte, weil er sie ansonsten durchgängig ablenken würde.

Nojiko schlenderte zurück zum Tresen und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, die wie gewohnt von dem roten Tuch zurückgehalten wurden. War das Liebe? Wahrscheinlich, denn wenn es keine war, dann wusste sie beim besten Willen nicht, was als Liebe qualifizierte. Und was war das zwischen Marco, Ace und ihr? Sie würde es gern herausfinden.

Die beiden lehnten am Tresen, unter dessen Theke Nojiko einen Block hervorzog, um Makino wissen zu lassen, dass sie sich auf den Weg nach Hause gemacht hatte. Anschließend packte sie ihre Schürze weg und winkte Marco und Ace zur Hintertür hinüber. Diese brauchte sie nicht einmal abschließen, da sie sich grundsätzlich nur von innen öffnen ließ.

Sie krachte hinter ihnen zu und eine frische Brise wehte ihnen um die Nase, als sie aus der schmalen Passage schlenderten. Zum ersten Mal schlug Nojiko nicht die Richtung zu ihrem Haus ein, sondern eine gänzlich neue. Ace schob ihre Hand in ihre und zog sie mit, weil Ace die Person war, die das zwischen ihnen möglich machte und sie zusammenhielt.

Sie hatte Marco und Aces Wohnung noch nie betreten, denn bisher hatten sie sich stets an neutralen Orten wie dem Grandline oder einem der Cafés getroffen. Erst nach und nach hatte Nojiko sie mit nach Hause gebracht, wenn sie wusste, dass Nami nicht einfach auftauchen würde. Im Nachhinein kam es ihr wie ein Versteckspiel vor und sie war froh, dass Nami endlich Bescheid wusste.

Das Apartment befand sich im zweiten Stock eines kleinen Wohnkomplexes, das eine gute Sicht auf das Meer hatte, da es sich auf einem Hügel befand. Die Wände waren frisch gestrichen und Nojiko erinnerte sich unwillkürlich an die Geschichte über die Stripperin, die Ace an ein Motelbett gekettet und mit ihren Komplizen die Wohnung ausgeräumt und demoliert hatte. Wahrscheinlich hatte Marcos Wohnung fast so viel Vergangenheit aufzuweisen, wie das Haus, in dem Nojiko aufgewachsen war. War hier schon mal jemand umgebracht worden? Bei all den Feinden und Geschichten, die über Whitebeard und seine Söhne kursierten, würde es Nojiko nicht wundern.

„Ich hab gar keine Sachen dabei“, murmelte sie, als sie in dem kleinen Wohnzimmer stand und ihr Blick an der offenstehenden Tür zum Schlafzimmer hängen blieb. Der Türspalt gab ein breites Bett, sauber zurechtgemacht, preis.

Ace zuckte mit den Schultern und spazierte an ihr vorbei. „Kein Problem. Du kannst dir was von mir leihen.“ Den Bruchteil einer Sekunde später kam Ace mit einer roten Boxershorts und einem gelben T-Shirt zurück, die er ihr grinsend präsentierte.

„Das Badezimmer ist auf der rechten Seite vom Schlafzimmer“, erwiderte Marco, der seine Sandalen an der Tür abstreifte und zur Küche wanderte. „Fühl dich wie zu Hause.“

Nojiko nickte und verschwand in das kleine Bad, das gerade groß genug war, damit man sich zwischen Dusche und Toilette umdrehen konnte. Fühl dich wie zu Hause... Das war leichter gesagt als getan. Diese Situation war absolutes Neuland für Nojiko, denn nicht nur, dass ihre letzte Beziehung tatsächlich schon ein paar Jahre zurücklag, aber sie hatte auch noch nie eine mit zwei Männern gleichzeitig geführt.

Besagte Männer hatten längst die Lichter im Wohnzimmer und der Küche gelöscht und waren in das Schlafzimmer gezogen, als Nojiko sich umgezogen hatte und sich zu ihnen gesellte. Das Fenster war einen Spalt breit geöffnet und ließ den Wind hinein, während die Klimaanlage im Hintergrund stetig brummte. Wann hatte sie das letzte Mal in einem kühlen Raum geschlafen? Es fühlte sich an, als wäre es eine Ewigkeit her.

Ihre Finger zupften an den Shorts herum, die sich auf ihren Hüftknochen hielt. Marco saß auf dem Bettrand. Ihr Blick klebte jedoch an Ace, der sich gerade das T-Shirt von den Schultern streifte. Das Zeichen Whitebeards prangte auf seinem Rücken, autoritär und einnehmend. Nojikos Füße trugen sie ohne eine rationale Entscheidung zu ihm hinüber und ihre Fingerspitzen berührten die Tätowierung.

Ace warf einen Blick über seine Schulter. Oft hatte sie nicht die Gelegenheit, Ace zu überraschen, aber damit hatte er nicht gerechnet. Doch er fing sich wieder, viel zu schnell, und drehte sich zu ihr um. Den Bruchteil einer Sekunde später lagen seine Lippen bereits auf ihren und seine warmen Hände glitten ihren Armen hinab, bis sich ihre Finger ein zweites Mal an diesem Abend miteinander verhakten.

Dieses natürliche Gefühl, als sie sich zu Marco auf das Bett gesellten, konnte sich Nojiko nicht erklären. All die Sorgen, dass sie maßlos überfordert war, lösten sich in Luft auf, als Marco sie küsste, bevor sie unter die dünne Decke schlüpften und der Raum mit Dunkelheit geflutet wurde. In dieser Dunkelheit gab es nur noch Marco und Ace links und rechts von ihr, Marcos Hand auf ihrem Arm und Aces Atem an ihrer Schläfe.
 


 

IX

Sie verschwendete ihre Zeit. Es war ein Fehler, dessen war sich Nami schon jetzt bewusst und trotzdem stand ihre Entscheidung bereits fest. Immerhin hatte sie nichts Besseres zu tun. Nicht einmal Nojiko war hier und konnte sie von irgendwelchen Dummheiten abhalten. Die Tür zu ihrem Zimmer stand offen und ihr Bett war gemacht. War sie gestern überhaupt nach Hause gekommen? Oder war sie etwa bei Marco und Ace? Ihr Instinkt sagte ihr jedenfalls, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Nojiko hatte schon immer auf sich allein aufpassen können und brachte sich nicht wie Nami so einfach in verzwickte Situationen.

Mit dieser stillen Erkenntnis räumte Nami ihr Geschirr vom Frühstück ab und warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatte diesem Law zwar gesagt, dass sie eventuell am Strand auftauchen würde, doch dieser war groß und außerdem hatte sie keine Zeit festgelegt. Im Grunde hatte sie nicht einmal vorgehabt ihn erneut zu treffen und konnte nicht sagen, warum sie sich nun überhaupt auf den Weg machte. Obwohl... ganz so überraschend war es wohl nicht, denn sie hatte schon immer eine ungesunde Schwäche für Mistkerle gehabt, die mehr Geheimnisse mit sich herumtrugen, als ihnen lieb sein konnte. Dass sie sich trotz des Auflauerns zu Law hingezogen fühlte, sollte ihr eine Warnung sein. Andererseits war er wohl tatsächlich nur ein Besucher hier und würde in ein oder zwei Wochen wieder dahin zurückkehren, wo er hergekommen war und Nami musste keinen weiteren Gedanken an ihn verschwenden. Ernst würde es nicht werden, aber ein bisschen Spaß hatte noch niemanden geschadet – und daran, dass er Interesse hatte, hatte Nami keinerlei Zweifel. Der Trick bei der ganzen Sache war, die Oberhand zu behalten, ihn zeitgleich jedoch glauben zu lassen, dass er den ersten Schritt machte und die Kontrolle besaß. Allerdings konnte er in dieser Annahme kaum falscher liegen.

Ein Lächeln zeigte sich auf Namis Lippen und sie strich sich ein paar rotorange Haarsträhnen hinter das Ohr, mit denen der Wind spielte. Es war immer noch schwül, so drückend, dass sich schon in den ersten Minuten unter freiem Himmel der Schweiß auf der Stirn bildete. Lange würde der Sturm nicht mehr auf sich warten lassen...

Nami schlüpfte aus ihren Sandaletten und nahm sie auf, als sie den Strand erreichte. Der Sand war heiß unter ihren nackten Fußsohlen und Nami begab sich hinunter zum Wasser, um sie abzukühlen.

Ihr Blick wanderte über das kühle Nass, welches ihre Füße umspielte und sich fast bewegungslos bis zum Horizont zog. Der Sonnenstand sagte ihr, dass es ungefähr dieselbe Uhrzeit wie gestern war, als sie am Strand gezeichnet hatte. Sie hütete sich jedoch davor, sich umzusehen. Sollte er tatsächlich auftauchen, wollte sie nicht den Eindruck erwecken, dass sie nur wegen ihm hier war, denn das würde ihm nur unnötig in die Hände spielen.

Wie lange sie dem Strand folgte und die Schwimmer und Jogger beobachtete, konnte sie nicht sagen. Da war nur der Sonnenstand, der sich veränderte, so minimal, dass es wohl keinem anderem außer ihr auffiel. Irgendwann kroch jedoch ein Schatten auf sie zu, den Nami anhand der Mütze erkannte, welche die Person trug.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du auftauchst“, sagte Nami, noch bevor sie aufsah.

Er blieb ein paar Meter vor ihr stehen. „Dasselbe könnte ich von dir behaupten, Nami-ya“, antwortete er. Er trug dieselbe schwarze Jacke vom Vortag, hatte jedoch auf das T-Shirt darunter verzichtet, was Nami einen guten Blick auf die Tätowierung auf seinem Brustkorb gab. Es erinnerte sie an Marco, der Whitebeards Zeichen an derselben Stelle trug. Scheinbar war das heutzutage modern, obwohl Nami sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wofür das verschnörkelte Herz mit dem Smiley in der Mitte stehen könnte. Für jemanden, der nicht den Eindruck erweckte, öfters zu lächeln, war er ganz schön besessen von Smileys...

„Dann haben wir uns scheinbar beide falsch eingeschätzt“, sagte Nami und zuckte mit den Schultern. Sie setzte ihren Weg fort und schlenderte an Law vorbei, der sich umdrehte und ihr zu folgen begann. Fast wie ein Schoßhund, ging es Nami durch den Kopf. Er aß ihr praktisch bereits aus der Hand, keine Frage.

„Du lebst hier auf Key West“, entrann es Law und es klang nicht einmal annähernd nach einer Frage.

„Und du bist echt ein Hellseher, was?“ Sie schenkte ihm ein spöttisches Grinsen, das er mit dem Heben seiner Mundwinkel erwiderte. „Was kannst du noch offensichtliches über mich erraten, hm?“

„Wenn du schon so fragst“, begann Law und legte eine künstlerische Pause ein, während sie weitergingen und sich bei jedem Schritt Sand zwischen Namis lackierten Zehen sammelte. Trotz ihrer kurzen Shorts und dem Tanktop war ihr warm. Wie machte Law das, dass er trotz den langen Kleidern kein Stück verschwitzt wirkte?

„Ich glaube, dass du hier geboren worden bist und jeden Winkel dieser Insel wie deine Westentasche kennst. Du bewegst dich zu natürlich hier“, holte er sie aus ihren Gedanken, als er ihr sachlich seine Analyse über sie zu erklären anfing. „Außerdem zeichnest du bereits sehr lange. Wahrscheinlich seit der Kindheit. Du besitzt ein Auge für Details und vermutlich auch für das Verhalten von Menschen. Ich bin sehr sicher, dass du mich ebenfalls bereits analysiert hast, genau wie ich dich.“ Seine Mundwinkel zuckten weiter in die Höhe, obwohl seine dunklen Augen berechnend blieben. „Und ich lehne mich nun aus dem Fenster und behaupte, dass dir gefällt, was du siehst.“

Hätte Law nicht zuvor bereits ihre Aufmerksamkeit gehabt, hätte er sie spätestens jetzt. Vielleicht hatte sie ihn unterschätzt, denn alles, was er gesagt hatte, entsprach bisher der Wahrheit.

„Dasselbe könnte ich von dir behaupten“, wiederholte sie seine Worte und blieb stehen. Sie fing seinen Blick auf und fand dort eine Mischung aus Belustigung und Herausforderung vor.

„Ich wusste, dass wir viel gemeinsam haben“, antwortete er.

Nami schnaubte. „Als ob. Ich kann dir an der Nasenspitze ansehen, dass du dich für sehr mysteriös hältst.“ Sie überbrückte den Abstand zwischen ihnen mit einem einzigen Schritt, musste jedoch den Blick heben, um ihm direkt in die Augen sehen zu können. „Und du verbirgst irgendwas.“ Vermutlich eine schlimme Kindheit und einen weichen Kern, den er hinter einer harten Schale versteckte. Nami kannte solche Kerle, doch all das sprach sie nicht aus und Law fragte nicht nach.

„Wenn du glaubst, dass ich dir jetzt alle meine Geheimnisse erzähle, hast du dich geirrt“, sagte er trocken, doch das schwindende Schmunzeln verriet ihn. Die Belustigung war aus seinen Augen gewichen. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen.

„Ich bin an deinen dummen Geheimnissen nicht interessiert“, konterte Nami.

„Aber an dem Rest?“, fragte Law und sie hätte am liebsten aufgelacht. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm jedenfalls nicht, aber... ihr genauso wenig.

Sie packte den Kragen seiner Jacke, als sie ihn ein Stückchen zu sich hinunterzog. „Sag du es mir.“ Mit diesen Worten küsste sie ihn, ohne langes Hinhalten oder Herauszögern. Es war ein Kuss unter Spielern.

Seine Lippen waren rau und die Berührung sanft, beinahe testend. „Definitiv interessiert“, beantwortete er sich seine eigene Frage und Nami grinste ihn an, als sie ihn mit einer Hand an seinem Schlüsselbein von sich schob und wieder Abstand zwischen ihnen schaffte.

„Aber nicht so sehr interessiert, dass ich den ganzen Tag hier am Strand verbringen kann oder möchte“, sagte sie, als sie sich abwandte und ihn ein zweites Mal stehen ließ. „Komm heute Abend zum Grandline, wenn du dich traust.“

Er antwortete nicht, doch Nami konnte bereits mit Gewissheit sagen, dass sie heute Abend nicht allein nach Hause gehen würde.
 


 

X

Der Geruch von frischen Brötchen weckte Nojiko und sie blinzelte den Schlaf aus den Augen. Trübes Tageslicht hatte das Zimmer geflutet, während ein Arm um ihre Hüfte geschlungen war, der in einer Hand mit langen schmalen Finger endete, die Ace gehörten. Nojiko hatte sie zu oft dabei beobachtet, wie sie über Marcos Nacken und seinen Oberschenkel wanderten, um sie nicht auf Anhieb zu erkennen.

Vorsichtig drehte sich Nojiko von der Seite auf den Rücken, um Ace ansehen zu können, der hinter ihr lag, das Gesicht halb im Kissen begraben und die Haare fürchterlich zerzaust. Zentimeter trennten sie voneinander und Aces Mund stand offen. Nojiko konnte seinen Atem auf ihren Lippen spüren, so nah waren sie sich. Sich auf die Unterlippe beißend streckte sie die Finger nach ihm aus und berührte die Sommersprossen, die jedes Mal auf ein Neues ihren Blick auf sich zogen. Ace rührte sich nicht und Nojiko schob sanft seinen Arm von ihrer Hüfte, bevor sie aus dem Bett schlüpfte. Sie verschwand im Bad, ehe sie dem Geruch von den Brötchen in die Küche folgte.

Marco drehte den Kopf in ihre Richtung, als sie im Türrahmen stand und ihm beim Decken des Tischs beobachtete. „Guten Morgen. Ace schläft noch?“

Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Ich hab mir schon gedacht, dass Ace ein Langschläfer ist.“

Marco nickte. „Langschläfer ist noch untertrieben, obwohl... er hat es eine Weile früh aus dem Bett geschafft, damit er dich treffen konnte.“

„Du meinst, als du eifersüchtig gewesen bist?“, hakte Nojiko nach und Marco verzog das Gesicht. Die Grimasse hielt nicht lange an und verschwand sogleich wieder, als Nojiko sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihm einen Kuss auf die stoppelige Wange zu pressen.

„Nami hat angerufen“, sagte Marco. „Sie wollte nur sichergehen, dass es dir gut geht.“

„Woher hat sie die Nummer?“ Doch Nojiko konnte sich diese Frage selbst beantworten. „Sie kriegt immer alles irgendwie raus. Wahrscheinlich von Makino.“ Sie setzte sich an den Tisch und Marco servierte ihr eine Tasse mit frischgebrühten Kaffee, ehe er sich zu ihr setzte.

Schweigen begleitete das Frühstück, wurde jedoch nach wenigen Minuten bereits von einem rhythmischen Plätschern begleitet. Nojikos Blick wanderte zu den Fenstern hinüber, an dem Regentropfen herunterliefen, während sich der graue Himmel über ihnen ergoss und die Kronen von Bäume und Palmen sich im zunehmenden Wind bewegten.

„Sieht so aus, als hätte uns der Sturm erreicht“, entrann es Nojiko und die Geräusche des Regens nahmen zu.

„Da habe ich ja rechtzeitig die Brötchen geholt“, antwortete Marco. „Willst du den Wetterkanal sehen?“ Er nickte zum Wohnzimmer hinüber, doch Nojiko schüttelte den Kopf.

„Wenn es wirklich schlimm werden sollte, hätten wir schon vor einer Weile etwas gehört.“ Gerade hier unten in Florida wappnete man sich meist rechtzeitig vor tropischen Stürmen, wenn sie auf die Inseln oder das Festland zusteuerten. Bisher war es jedenfalls stets so gewesen, obwohl auch leichte Stürme bereits genug Schaden anrichten konnten.

Ein Blitz zuckte über den grauen Himmel und Donner explodierte in der Ferne. Tropfen schlugen gegen die Fensterscheiben, während der Ventilator an der Decke die Schwüle in Schach hielt, die durch jeden Winkel der Fenster und Türen in die Wohnung eindrang.

Nojiko kaute auf ihrem Brötchen herum und Marco trank verschlafen seinen Kaffee, als auch Ace in seinen schwarzen Boxershorts in die Küche getorkelt kam. Seine Hand streifte Marcos Nacken und Nojikos Schulter im Vorbeigehen, bevor er auf den dritten Stuhl sackte und nach dem Brotkorb griff. Seine Haare waren noch immer zerzaust und er gähnte. „Der Regen hat mich geweckt.“

„Wahrscheinlich eher der Essensgeruch“, kommentierte Marco und warf Nojiko einen vielsagenden Blick zu, als er Ace die Butter zuschob.

„Ich glaube, wir brauchen ein größeres Bett“, warf Nojiko in den Raum, spezifizierte jedoch nicht, ob sie in ihrem Schlafzimmer oder in Marco und Aces meinte. Sie schmierte ihre zweite Brothälfte, die Augen stur auf den Teller gerichtet. „Ich meine, wenn das etwas Regelmäßiges werden soll.“ Sie zuckte mit den Schultern.

Ace holte geräuschvoll Luft, doch da öffnete sich bereits die Haustür.

„Urgh!“ Thatchs Ausruf schallte bis in die Küche und Marco lehnte sich nach hinten, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Den Bruchteil einer Sekunde später stand Thatch bereits pitschnass vor ihnen in der Küche und versuchte seine Haare zu richten, während er den Boden volltropfte. „Was für ein Pisswetter das ist, unglaublich.“

Seufzend erhob sich Marco und holte ihm ein Handtuch.

Ace löffelte sich inzwischen einen Berg Marmelade auf sein Brötchen. „Was machst du hier, Thatch? Willst du Frühstück?“ Er schob den Brotkorb in seine Richtung, aber Thatch schritt bereits entschlossen zur Kaffeemaschine hinüber, um sich eine Tasse aus dem Schrank zu angeln und sich einzugießen.

Marco kehrte mit dem Handtuch zurück, doch Thatch legte es beiseite, anstatt sich abzutrocknen. Nachdem er einen kräftigen Schluck Kaffee genommen hatte, schien wieder Ruhe in ihn einzukehren. Doch Nojiko konnte auch weiterhin die Anspannung in seinen Schultern erkennen. „Ich habe schlechte Nachrichten“, verkündete er schlussendlich verheißungsvoll und Nojiko rann ein eisiger Schauer über die Wirbelsäule.

„Und das hätte nicht bis später warten können?“, fragte sie und versuchte an dem Gefühl der innerlichen Ruhe festzuhalten, mit dem sie aufgewacht war.

„Paps hat gesagt, dass das nicht aufgeschoben werden kann“, erwiderte Thatch und seine dunklen Augen lagen auf ihr, offen und ehrlich, als wäre sie ein Teil von alldem. War sie es? Vielleicht.

„Doflamingo ist auf dem Vormarsch“, erklärte Thatch und setzte sich zu Marco, Ace und Nojiko an den Tisch. „Unsere Informanten haben Gerüchte gehört, dass er Pläne schmiedet, um sich unser Territorium anzueignen und Paps zu stürzen.“

„Das war ohnehin nur eine Frage der Zeit“, erwiderte Marco. „Jedenfalls lag es auf der Hand, dass Doflamingo sich nicht ewig mit diesem Waffenstillstand zufrieden geben würde. Dafür ist er zu machtgierig.“

Ace kaute auf seinem Brötchen, sein Gesicht ernster, als es Nojiko jemals gesehen hatte. „Wissen wir Genaueres?“

„Nein“, erwiderte Thatch, der nun doch das Handtuch heranzog, um sich wenigstens das Gesicht trocken zu reiben. „Aber Paps sagt, dass wir auf alles gefasst sein müssen.“

„Soll Doflamingo es ruhig versuchen. An Paps und uns wird er sich die Zähne ausbeißen“, verkündete Ace. „Dafür werde ich schon sorgen.“

„Ihr hattet früher schon mit ihm zu tun?“, fragte Nojiko, die das Essen aufgegeben hatte.

Marco nickte und sein Gesicht verzog sich. „Das letzte Mal hat er Ace zum Russisch Roulette gezwungen. Wäre Paps nicht eingeschritten...“

„Ich hatte alles unter Kontrolle!“, rief Ace mit zusammengeschobenen Augenbrauen und mit Händen, die zu Fäusten geballt waren. Jegliche Müdigkeit war von ihm abgefallen, er war hellwach und bereits jede Sekunde aufzuspringen, um diesem Doflamingo die Stirn zu bieten, wo auch immer dieser sich aufhielt. Und Nojiko sah die Leichtsinnigkeit und die Wut, die unter seiner gelassenen Oberfläche lauerten und die sie mehr beunruhigten, als die mitgebrachten Neuigkeiten von Thatch. Ein Sturm wird bald aufziehen, hallten Namis Worte durch ihren Kopf und Nojikos Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-19T10:17:27+00:00 19.08.2021 12:17
Dieses Kapitel gefiel mir außerordentlich gut. Kann es kaum erwarten weiter zu lesen :D
Von: abgemeldet
2015-09-25T23:12:27+00:00 26.09.2015 01:12
Nach huch...
Jetzt zeigt sich Nami ja doch recht gefasst, was die Sache angeht. Toll, dass Nojiko das gleich mal als Anlass nimmt, Nami auch noch den Rest vor die Füße zu schmeißen. Sehr feinfühlig. Die arme Nami. Das sind wirklich viele Informationen... und ja nicht gerade die tollsten.
Aber dass sie ihrer Schwester jetzt nichts ausredet oder vollkommen ausrastet, verdeutlicht die tiefe Verbundenheit der beiden. Dass Nami Nojiko vertraut. Das ist ein echt wertvoller Beweis von Liebe. Hoffentlich stellen Marco und Ace nichts an, was das erschüttern könnte. Nami will man lieber nicht gegen sich haben. >_<
Und was sie dann brechen wird, kann ich mir sehr gut vorstellen. Au. >o<
Es ist auch voll Nami-like, dass sie da gleich mit der Brechstange in der Bar auftaucht und die Jungs mit ihrem neuen Wissen konfrontiert. Und es ist genauso typisch, dass Marco und Ace das ganz gelassen sehen. Und Thatch natürlich auch. Sie sehen sich eben nicht als Verbrecher und Nami wird das auch noch checken. Also dass sie ganz lieb sind. =D
Was ich damit sagen will...
Hach... die triffst die alle so gut. Ich liebe das!
Aber das mit dem Geld und Nojikos Stolz ist echt ne ganz schön schwer zu knackende Angelegenheit. Grundgütiger... es wäre alles so einfach, wenn der Stolz nicht wär, oder? XD Ich seh schon, dass das Dach wirklich erst einstürzen muss, bis Nojiko das Geld nimmt. |D

Übrigens... es ist so unglaublich ungewohnt, Thatch mal tatsächlich in einer Beziehung zu erleben. XD Ich hab zu viel gelesen, wo er da kein Glück hat - eindeutig.
Umso mehr genieße ich es. *_*

Zu der Szene Ace/Nojiko/Marco fällt mir nur einwas ein...
*_____________________________*
Man, war die toll. Die war so toll. Die Drei sind toll. Ich wusste das war gut, auch wenn ich anfangs - ich geb es zu - wirklich ein wenig skeptisch war, aber du hast mich zu 1000% überzeugt. Das schaffst du immer. XD
Es ist auch sehr angenehm, dass da wirklich noch nicht mehr läuft, sondern dass sie sich einfach schlafen legen. Wäre mehr passiert, wäre das irgendwie sehr schnell gegangen, wo Nojiko die Sache doch erst einmal langsam angehen will. Nach einem solch langen Single-Dasein auf jeden Fall nachvollziehbar. Und dann ist die Konstellation auch eine, wo man auch nicht wirklich mal eben jemanden fragen kann, was man da tun kann, so selten wie das vorkommt.
Aber ich bin sicher, die Drei kriegen das hin.

Tja... und Nami und Law... nettes Spielchen, was die beiden da spielen. Beide sind geborene Spieler und sie verschlingen sich perfekt ineinander, erraten ihre Züge, schaffen es nicht, sich gegenseitig auszuspielen.
Awwww~ Da entsteht auch so eine prickelnde Spannung. Ich bin langsam überzeugt davon, diese FF wird noch mein Tod, so wild wie mein Herz hin und her hüpft.
Meine Güte.
Und am Ende stürzt es auch noch so in den Keller ey.
Musst du uns so erschrecken? Das mit Doflamingo klingt echt ernst. >_<
Aber die schaffen das! Müssen sie.
Obwohl ich sicher bin, dass du Doflamingo gut in Szene setzen wirst, ich hab schließlich nicht vergessen, dass du ihn interessant findest. ;D
Puh... ich bin gespannt. Jezze muss ich wieder warten. Aber du hast ja gut vorgearbeitet, also ist es ja nur ne Frage der Zeit, wann du die Kaps hochlädst.
Jedenfalls... ich bin weiterhin begeisert, was wahrscheinlich nicht zu übersehen war und freu mich auf die Fortsetzung. =)
Von:  Visul
2015-09-13T14:34:59+00:00 13.09.2015 16:34
Haha ich find das Kapitel super :)
Vorweg ich mag deinen Schreibstil sehr, genau so wie die Kapitellänge.
Allerdings sehr süß wie Nojiko sagt sie würde nur bei den Jungs schlafen und nicht mit, da merkt man wie frisch die Beziehung noch ist und....hmm es trifft nicht ganz was ich sagen will aber zerbrechlich? Fein? ich weiß nicht genau :P

Kann es kaum erwarten das nächste Chapter zu lesen, ist aufjedenfall jetzt eins meiner liebsten Pairings
Von:  ellalue
2015-09-07T14:32:07+00:00 07.09.2015 16:32
Ich finde diese Fanfiktion sehr interessant, vor allem das Pairing Ace/Marco/Nojiko. Es ist mal was anderes Übernahme eine Dreiecksbeziehung zu lesen und es macht mir sichtlich Spaß. Law/Nami gehören sowieso zu meinen Lieblingspärchen. Ich hoffe es geht bald weiter :)
Antwort von:  ellalue
07.09.2015 16:32
Über* statt Übernahme
Von:  Chizu-Chan
2015-09-07T08:23:09+00:00 07.09.2015 10:23
Hab mich sehr gefreut dass so schnell ein neues Kapitel gekommen ist! ^^

Die Aussprache zwischen Nami und Nojiko fand ich sehr schön...auch dass Nami versucht die Beziehung der Drei zu verstehen und akzeptieren versucht.
Auch dass Nami nicht um den heißen Brei redet und Ace und Marco direkt auf die Dinge anspricht...hat mich schon schmunzeln lassen.
Law und Nami finde ich super...ich mag das Paaring! Langsam wird es ja auch ernster zwischen Nojiko Ace und MArco mal sehen wie es da weiter geht.
Auch dass Thatch und Markino immer mal wieder auftauchen ist toll...bei dir kommt niemand zu kurz finde ich super!

Ich muss ja auch nochmal sagen dass ich es toll finde dass du viele Details aus der Serie übernimmst...z.B. die Geschichte mit Genzo und der Windmühle in Namis Tattoo.
Ich hoffe mal dass der Sturm dass Haus von Nami und Nojiko nicht komplett kaputt macht!

Die Ruhe vor dem Sturm...ein sehr treffender NAme für das Kapitel...in so mancher Hinsicht!
Freu mich wenn es weiter geht!

LG Chizu-chan


Zurück