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I'm in Love with a Killer

Sie leben unter uns
von

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Die Ruhe vor dem Sturm

Die Ruhe vor dem Sturm

Rel:

Ich musste nicht lange suchen und fand auch gleich eine Bedienstete. Sie war ein niedergestellter Dämon, dass konnte ich an ihrem Halsband erkennen, welches sie trug. Dämonen die nur leichte Verbrechen begangen hatten wurden entweder in den Kerker geworfen und mussten dort ihre Strafe absitzen, oder sie mussten als Sklaven in der Festung arbeiten. Sie hatte längere rotbraune Haare und grüne, katzenartige Pupillen. „Ich brauche drei Zimmer in denen mein Gefolge schlafen kann“, lies ich sie wissen und sie nickte nur schüchtern. Ich schätzte mal, dass ihr Wille über die Jahre so ziemlich gebrochen wurde und sie jetzt einfach alles so hinnahm, wie man es ihr sagte. So war es mit den meisten Sklaven hier bei uns. Sie waren willenlose Puppen die alles machten, was man ihnen befahl.

Schnell huschte sie den Gang entlang, um meinen Anweisungen nachzukommen und ich konnte wieder in mein Zimmer zurückkehren.
 

In meinem Zimmer wieder angekommen ließ ich einen lauten Seufzer verlauten. „Man, man, man… das war echt die zwei anstrengendsten Wochen in meinem Leben“, verkündete ich und ließ mich erneut auf mein Bett neben Anna, Pey und Pira fallen. „Zwei Wochen? Ehrlich? Ich hab das Gefühl dass wir schon ewig in dieser Situation stecken“, fügte Baka hinzu und setzte sich auf den Boden vors Bett. Bana tat es ihm gleich und ließ sich neben ihm herabgleiten. Der einzige der noch stand war Piwi, welcher uns einen Moment musterte. „Und was willst du jetzt wegen deinem Bruder machen?“, fragte er mich dann mit verschränkten Armen vor der Brust, nachdem wir alle einen Moment der Stille genossen hatten. „Keine Ahnung“, schnaufte ich in mein Kissen und schloss die Augen. Es musste doch irgendwas geben, was mir bei meinem Jaromierproblem helfen könnte. „Ich wünschte, Anna könnte diesen Boomeffekt nochmal machen, dann würde er einfach verrecken“, dachte ich laut nach und das Mädchen neben mir zuckte kurz zusammen. „Kann sie aber nicht“, antwortete Pey für sie und zog die Braunhaarige ein Stückchen enger an sich. „Ja, aber es wäre praktisch“, seufzte ich und dachte weiter nach. „Wäre es nicht vom Nachteil, wenn sie, sollte sie diese Macht kontrollieren können, diese hier einsetzen würde? Itinier meinte doch dass er ihre Kräfte extra unterdrückt hat, weil er sonst selbst verurteilt wird. Kleriker sind doch hier das Schlimmste was passieren kann. Außerdem wärst du dann doch ein Verräter, weil wir Anna mit uns herumschleppen“, warf Bana dann ein und ich raufte mir die Haare. „Er heißt Sammael! Und ja, das wäre es. Man, es muss doch irgendeinen Weg geben.“ „Wenn Anna das was sie da mit euch gemacht hat nochmal machen würde, würden wir dann nicht auch davon getroffen werden und der Rest deiner Familie auch? Dann ständen wir wieder am Anfang von dem ganzen Trubel“, bedachte Pira schräg von mir und ich drehte meinen Kopf zu ihm. „Wir könnten ja weit genug weggehen.“ „Und sie mit so einem Kerl alleine lassen? Der Typ hat dir gedroht, dass du nicht mehr lebend von hier wegkommen wirst. Bist du nur bescheuert?“, fuhr Pey mich an und ich verdrehte nur genervt die Augen. „Warum unterhalten wir uns eigentlich darüber? Es geht doch eh nicht…“, warf Baka ein. „Ich bin auch noch anwesend“, murmelte Anna an Peys Brust etwas beleidigt, weil wir die ganze Zeit so über ihren Kopf hinweg sprachen. „Ja komm, sei leise“, maulte ich sie an und erhob mich schwermütig. „Wenn du nicht gewesen wärst, dann wären wir nie hier gelandet.“ Ich blickte sie mit einem düsteren Blick an und erntete nur einen ebenso bösen Blick von dem Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen. „Lass deine schlechte Laune nicht an ihr aus. Es ist halt alles so gekommen wie es jetzt gekommen ist und ändern können wir eh nichts mehr. Überleg dir mal lieber nen guten Plan“, fuhr Pey mich an und stützte sich auf seine Unterarme. „Reg dich nicht so auf. Er hat ja recht“, meinte das Mädchen und drückte den Schwarzhaarigen mit den eisblauen Strähnen sanft wieder auf das Bett zurück. Sie hatte ja Recht, er sollte sich auch noch ein bisschen Ausruhen nach den ganzen Turbolenzen in den letzten Tagen. Eigentlich wäre es auch besser, wenn ich mich auch ausruhen würde, aber das konnte ich ja noch früh genug machen, wenn alle auf ihren Zimmern waren.
 

„Ist jetzt eh egal. Ach so und nur damit ihr es wisst: Ich habe euch drei Zimmer fertigmachen lassen. Wie ihr euch darauf aufteilt, ist mir schnuppe. Hauptsache jeder pennt irgendwo und gut ist.“ „Dann wäre es am besten, wenn Piwi und ich ein Zimmer nehmen“, meinte Pira und sprach somit für sich und seinen Bruder. „Baka und ich werden dann auch eins nehmen“, meinte Bana und bekam nur ein zustimmendes Nicken von seinem Sitznachbarn. „Bleiben dann wohl nur noch wir beide übrig“, brummte Pey noch mit seiner angesäuerten Stimmung. Sicherlich war er froh über die Zimmerverteilung, aber er war halt noch sauer auf mich. Sollte er doch machen wie er meinte. „Bis morgen wird mir schon irgendwas eingefallen sein“, meinte ich dann noch und ging zur Tür um nachzusehen, wie weit die Zimmer waren. Gerade als ich dir Tür öffnen wollte, klopfte es auch schon und ich öffnete dem Ankömmling, jedoch war es nicht die Bedienstete. Ohne auf eine Einladung zu warten trat Indra, der zweitälteste von uns allen ein. „Guten Abend“, grüßte er meine Freunde, welche ihn nur stumm anstarrten. „Scheint, als säße der Schock noch“, meinte er und wandte sich dann an mich. „Mach ja keinen Blödsinn damit. Wenn du drin warst, will ich den Schlüssel sofort wieder haben. Und geh so bald wie möglich rein. Vater wird merken, dass der Schlüssel weg ist.“ Der Silberblauhaarige sah mich mit einem ernsten Blick an. „Ja, ich werde das noch heute Abend erledigen, dann bekommst du den ihn morgen früh wieder“, antwortete ich gehorsam und nahm das glänzende Etwas an mich. „Gut so. Dann gute Nacht. Devas lässt die Wachen vor den Kammern deines Gefolges verdreifachen und zusätzlich versiegeln. Du siehst, wir halten unsere Seite der Abmachung.“ Ich nickte noch einmal dankbar, dann ging er wieder. „Wer war das?“, durchbrach Baka zuerst die Stille. „Indra. Der Zweitälteste nach Jaromier“, beantwortete ich die Frage und besah mir den Schlüssel in meiner Hand. Schien wohl so, als würde ich heute kein Auge zubekommen. „Und was meinte er mit Devas und Wachen verdreifachen?“, wollte Bana wissen. „Ihr seid sozusagen eine Zielscheibe momentan. Daher habe ich meine Geschwister gebeten, euch vor Jaromier zu beschützen. Und da Devas, der Viertälteste von uns der Oberbefehlshaber der Krähen ist, hat er eure Sicherheit zu verantworten“, klärte ich ihn und auf die anderen auf. Es klopfte erneut an der Tür und ich öffnete sofort. Es war die Bedienstete welche mir mitteilte, dass die Zimmer fertig waren. Ich nickte anerkennend und schloss wieder die Tür.
 

„Dann werde ich euch mal zu euren Zimmern bringen“, verkündete ich mit meiner Hand an der Türklinke und erntete nur ein schwermütiges Aufseufzen von allen, weil sie sich Aufbequemen mussten. „Noch ein kleiner Tipp: es wäre gut, wenn ihr einfach stillschweigend alles hinnehmt was ich sage, sonst könnte es weitere Probleme geben. Ihr seid Unreine und wenn ihr auch noch aufmüpfig werdet, dann seid ihr bei allen ganz schnell unten durch. Außerdem ist es Gang und Gebe, sein Gefolge zu töten, wenn es nicht spurt. Ihr seid sozusagen zu allem verpflichtet, was ich euch sage“, klärte ich meine Freunde über die Regeln am Hof auf. „Das ist doch ein schlechter Scherz“, meinte Pey abschätzig. „Nein, ist es nicht. Also: wenn wir außerhalb von meinem Zimmer sind, dann habt ihr zu gehorchen!“, betonte ich meine Worte erneut. „Jetzt reg dich mal nicht so auf“, meinte nun auch Pira. „Ab jetzt heißt es, Majestät“, murrte ich und drückte die Klinke herunter. Draußen warteten schon bereits einige Krähen darauf, mein Gefolge zu seinen Zimmern zu geleiten. „Meister Devas hat uns angewiesen auf die Untertanen achtzugeben, Majestät“, krächzte eine Wache vor mir und ich blickte ihr nur kalt entgegen. „Und wehe ihr haltet nicht euer Wort. Es wird niemandem auch nur ein Fünkchen Gnade gewährt, sollte ihnen nur ein Haar gekrümmt werden!“, sprach ich laut und bekam ein einheitliches ‚Jawohl, Majestät!‘ zurück.
 

Auf dem Rückweg zu meinem Zimmer seufzte ich erleichtert auf. Alle waren sicher untergebracht, also konnte Jaromier ihnen nichts anhaben. Davon ging ich auf jeden Fall von aus. Devas hatte bestimmte Krähen für die Überwachung ausgewählt, also musste ja auch was dahinter stecken. Gerade als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnen wollte erinnerte ich mich wieder an den Schlüssel in meiner Hosentasche. Langsam zog ich ihn hervor und betrachtete ihn abschätzig. Ich kam wirklich nicht drum herum, noch den heutigen Abend zu nutzen und nach dem zu suchen, weswegen ich den Schlüssel haben wollte. Also machte ich auf dem Absatz kehrt und schlug den Weg zum unterirdischen Gang an, welcher quer kreuz und quer unter der Festung verlief. Ich musste an einigen Kerkerzellen vorbei um endlich nach einer gefühlten Ewigkeit vor einer großen stabilen Tür stehen zu bleiben. Es war eigentlich nur eine Holztür, doch sie war mit einem Zauber belegt, der sie stabiler werden ließ, als sie war. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und trat ein, nachdem ich noch einmal tief Luftgeholt hatte.
 

Der Raum schimmerte in einem sanften Türkis und erstreckte sich einige Meter weit nach hinten in die Ferne. Auf meiner rechten und linken Seite standen je zwei lange Reihen von Regalen in welchen lauter Lederbücher standen. Von ihnen ging dieses komische Leuchten aus, welches den Raum erhellte. Zu meiner linken stand ein kleines Podest auf welchem ein paar Kerzen standen. Ich erklomm die Stufen und stellte mich hinter das Lesepult, welches sich auf dem Podest befand. Dort schloss ich die Augen und sammelte meine Gedanken. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem alles seinen Lauf genommen hatte. An den Tag, an dem ich den Jungs die Chance auf ein normales Leben genommen hatte. An den Tag, an dem ich sie getötet hatte…
 

„Veni ad me…“, murmelte ich und sammelte meine Kraft. Immer und immer wieder murmelte ich die Worte, bis sich auf einmal ein Klacken vernehmen ließ. Um mich herum begann sich etwas zu bewegen und ein Windstoß wurde mir entgegen gewirbelt. Ich öffnete meine Augen und erblickte vor mir ein dickes, in Leder eingebundenes Buch. Der Verschluss war bereits geöffnet, also konnte ich es einfach aufklappen. Hätte ich nicht aufgepasst, dann wären mir beinahe alle losen Blätter entgegengefallen, doch ich konnte sie gerade so noch auffangen. Als ich erkannte, um wie viele Blätter es sich handelte, welche ich durchsehen musste, rieb ich mir schon angestrengt die Augen.
 

Das wird sicherlich die ganze Nacht dauern…
 

Ich dachte jedoch nicht weiter darüber nach und begann mich durch die Papiere zu blättern. Ein Glück waren sie nach dem Datum geordnet, also musste ich nur zu dem Monat vor blättern. Das wurde mir aber nach ein paar Minuten schon zu anstrengend, also ließ ich meine Hand über den Blättern ruhen und nutze ein wenig Magie, damit es schneller ging. Es dauerte einige Zeit, bis ich in dem richtigen Monat und dann auch noch an dem richtigen Tag ankam. Ich hatte echt nicht erwartet, dass in einem Jahr so viele Seelen hier eintrafen. Glücklicherweise hatte jedes Jahr sein eigenes Buch, teilweise sogar zwei Bücher, wenn zu viele Seelen eingetroffen waren. Gelangweilt blätterte ich weiter und las mir alle Namen durch. An einem einzigen Tag konnten doch nicht ernsthaft so viele Seelen in die Hölle wandern. War dieser Tag irgendwie verflucht gewesen?! Innerlich konnte ich ja über diesen flachen Witz nur die Augen verdrehen. Verflucht, welche Ironie. Beinahe hätte ich die Suche wirklich aufgegeben, doch da fiel mir ein allzu bekannter Name auf: Hyska Justin.
 

Das ist doch Baka’s richtiger Name, oder? Doch… Justin war sein Name. Das muss er sein!
 

Gleich dahinter kamen die anderen Namen. Kijen Devin, Kijen Samuel, Lowvon Damien und Mousan Luka. Ich hatte sie gefunden. Endlich! Schnell sammelte ich die Zettel zusammen und wollte gerade das Buch wieder zuklappen und zurückschicken, als mir die Seite nach Luka herunterfiel. Meine Augen weiteten sich schlagartig. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso war er auch hier?
 

Traymen Greg
 

Pira:

Nachdem Rel uns zu unserem Zimmer gebracht hatte, hatten Piwi und ich uns auch schon gleich auf das Bett geschmissen. Es war genauso weiß wie das von Rel, anscheinend gab es bei den Betten hier nicht wirklich einen großen Unterschied von der Herstellung. Ich wunderte mich eh, wie und wo die ganzen Sachen hier hergestellt wurden. Teilweise erinnerte es mich wirklich an das Mittelalter, aber ich bezweifelte dass sich die Hölle ein Beispiel an einer Epoche der Menschen genommen hatte. Vielmehr hätte es ja eher umgekehrt sein müssen, da die Hölle schon um einiges länger existierte, als die Erde, oder? Naja, wir waren durch ein Portal gereist, also mussten wir uns ja in einer anderen Dimension befinden. Aber… die Dämonen mussten ja auch schon vorher irgendwas oder eher irgendwen als Futterquelle gehabt haben… Gab es die Menschen vielleicht schon länger, als es die Erde gab? In meinem Kopf drehte sich alles, hatte ich doch tatsächlich angefangen herum zu philosophieren. Nach den letzten Tagen war das denke ich einfach die Kirsche auf dem Sahnehäubchen gewesen, die mir schlussendlich Kopfschmerzen bereitete. Nachdem wir einen Moment in aller Stille so herumgelegen hatten stand mein Bruder wieder auf und erkundete den Raum. An einer gegenüberliegenden Wand befand sich eine schmale Holztür und ich fragte mich nun auch, wo sie hinführte. Piwi schien das gleiche zu denken, denn er schritt nun zielstrebig auf die Tür zu und öffnete diese. „Eh“, entkam es ihm nur und ich zog eine Augenbraue hoch. „Was ist?“, fragte ich, aber er antwortete nicht, sondern ging einfach in den Raum. „Holy Shit!“, schrie er auf einmal auf und ich sprang sofort auf, um zu sehen, was los war. „Was ist denn?“, fragte ich erneut und betrat nun auch. Okay, das war nun wirklich nicht das, was ich erwartet hatte. „W-wir haben ein fucking Badezimmer! Und dann auch noch eine funktionstüchtige Dusche!“, heulte er beinahe auf, als er den Wasserhahn aufdrehte und warmes Wasser herauskam. „Ich hasse diese scheiß Magie!“, sagte ich nur und stampfte Richtung Ausgang. Dort blieb ich einen Moment noch einmal verdutz stehen und besah mir die Toilette. Sie wirkte so normal, so… modern?! Es sah hier aus wie in einem einbruchssicheren Gebäude, der Staub sammelte sich meterhoch in den Zimmern, aber wir hatten natürlich ein perfekt eingerichtetes Bad mit einer beschissenen Dusche und sogar einer anständigen Toilette? Warum konnte nicht alles normal eingerichtet sein?!
 

„Ich geh zuerst duschen!“, ließ mein Bruder verlauten und warf mich aus dem Raum. Ich brummte daraufhin nur und warf mich wieder aufs Bett. Die hätten hier doch alles so schön haben können, wenn diese Festung einfach nur moderner eingerichtet wäre. Aber nein, man bestand ja, bis auf ein paar Ausnahmen, auf diesen Retrolook nach Mittelalter! Gelangweilte blickte ich mich von meiner Position aus um und entdeckte einen Kleiderschrank in einer Ecke. Neugierig stand ich wieder auf und öffnete die Türen. Der Schrank war vollgestopft mit Hemden in lauter Weiß- und Grautönen und dann noch diesen komischen Leinenhosen, welche auch Hiisi bei sich zu Hause hatte. Auf dem Boden des Schrankes standen ultra unbequem aussehende Schuhe aus einer Art Leder. Wie konnte man in diesen Latschen denn bitte herumlaufen, ohne sich Blasen zu laufen? Ich blickte an mir herunter und zog abschätzig die Luft ein. Meine Schuhe waren noch Recht okay, wenn an mal davon absah, dass sie total voller Erde und anderem Dreck waren. Dieser Fußweg durch Regno tenebrarum hatte meine Schuhe echt in Mitleidenschaft gezogen. Meine Klamotten hingegen waren auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Angewidert blickte ich nun an mir herunter. Wie lange war ich denn bitte schon mit dem ganzen Zeug herumgelaufen, ohne mich mal anständig zu Waschen oder so? Das wäre mir vorher nie im Leben eingefallen!
 

Bis Piwi wieder herauskam dauerte es seine Zeit. Er hatte sich ein Handtuch, welches er im Badezimmer gefunden hatte, um die Hüfte gebunden und rubbelte mit einem anderen seine Haare trocken. „Das tat guuuut~“, seufzte er in einem wohlfühlenden Ton und kam zum Bett. „In dem Schrank sind Klamotten“, ließ ich ihn wissen und machte mich dann selbst mit einem Stapel Klamotten auf ins Bad. Eine warme Dusche würde mir jetzt auch sehr guttun.
 

Seufzend trat ich aus dem Bad und streckte mich erst einmal ausgiebig. „Das tat gut“, raunte ich und ließ meine Nackenwirbel knacken, weil ich meinen Hals nach rechts und links drehte. Piwi hatte sich bereits ins Bett gelegt, hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig und gleichmäßig. „Schläfst du schon?“, fragte ich, als ich näher zum Bett trat und mich auf die Bettkante setzte. „Ne“, antwortete er und drehte sich zu mir. „Bist du noch sauer?“, wollte er wissen und ich drehte mich zu ihm um. „Weswegen? Wegen der Sache bei Pey in der Wohnung?“ Mein Bruder nickte sacht. „Nein… Ich schätze meine Nerven lagen einfach nur blank und ich war total mit der Situation überfordert.“ Ein erleichterter Gesichtsausdruck breitete sich bei ihm aus und er begann zufrieden zu lächeln. „Ich hätte sowas nie zu dir sagen dürfen… Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich. „Vergeben und vergessen“, lachte er und legte sich wieder bequemer hin. Ich dagegen schlüpfte nun auch unter die warme Decke und atmete zufrieden aus. Endlich war das zwischen uns geklärt. Es wäre wirklich zu dumm gewesen, meinen Bruder wegen so eines lächerlichen Streits zu verlieren. Die Wut auf Rel war auch schon längst verblasst. Er hatte bestimmt seine Gründe für sein Handeln gehabt und das musste ich respektieren.
 

Bana:

„Oh mein Gott! Da ist ein BAD!!!“, rief Baka hinter der Tür hervor und freute sich wie ein kleines Kind. „Shotgun! Ich geh zuerst duschen!“ Ich stellte sofort einen Fuß in die Tür, als er diese gerade zuknallen wollte. „Spinnst du? Warum solltest du zuerst gehen?“, fragte ich herausfordernd und begann die Tür wieder aufzudrücken. „Eh? Ich habs zuerst gefunden?!“ „Na und? Das gibt dir doch nicht das Recht dazu, zuerst zu gehen!“ „Aber du sollst vor mir dürfen? Am Arsch! Du wartest!“, maulte er und schubste mich dann zurück. „Bastard!“, fauchte ich die Tür an und trat einmal dagegen. „Spasti!“, hörte ich seine dumpfe Stimme hinter der Tür und dann vernahm ich, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde.
 

Wenn der Wichser das ganze warme Wasser verbraucht, dann setzt’s was!
 

Baka ließ sich extra viel Zeit, damit ich so langsam zur Weißglut kochte. Als er dann seinen ersten Fuß vor die Tür setzte warf ich ihm sogleich ein frisches Hemd entgegen. Er schnappte erschrocken nach Luft, hatte anscheinend nicht damit gerechnet. „Was? Wo hast du das her?“, wollte er wissen und ich nickte nur zum Kleiderschrank in der Ecke. „Geil! Das is ja voll das Hotel hier“, lachte er. Wie konnte man nur so dumm und unbesorgt sein? Er hatte sich die Jahre über echt nicht verändert. „Ich wär mir da nicht so sicher“, brummte ich und schob mich an ihm vorbei ins Bad. Es war einfach so warm wie in einer Sauna, als mir der ganze Dampf entgegen flog. Baka verließ das Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Ich merkte schon, wie all die Anspannung von mir flog, als ich mich meinen dreckigen Klamotten entledigte und in die Dusche stieg. Kaum zu glauben, dass erst zwei Wochen um waren, dabei war so viel passiert. Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir an diesem Abend in eine andere Bar gegangen wären. Vielleicht war es wirklich Schicksal gewesen, so wie es bis jetzt gekommen war, aber eigentlich glaubte ich an so etwas nicht wirklich. Ein prasselnder Regen breitete sich auf meine Haut aus, als ich den Wasserhahn aufdrehte. Es tat wirklich gut, sich endlich mal von dem ganzen Dreck zu reinigen. Mit meinen Händen fuhr ich mir langsam durch meine schwarzen Haare mit den roten Strähnen. Mein Leben wäre wirklich total ereignislos gewesen, wenn wir nicht zu dem geworden wären, was wir jetzt waren. Klar, ich vermisste ab und an meine Familie, aber über die Jahre war ich in der Hinsicht ziemlich abgestumpft.
 

Was niemand von meinen Freunden wusste war, dass ich einige Monate nach unserer Verwandlung mich im Internet erkundigt hatte, was die Medien über unser Verschwinden wussten. Herausgefunden hatte ich nur, dass man von uns allen Blut am Tatort gefunden hatte und Gregs Leiche. So wie sie ihn gefunden hatten, ging man zu dem Zeitpunkt davon aus, dass sich ein paar Wölfe oder andere wilde Tiere in der Lagerhalle versteckt hatten. Eigentlich war es total absurd, dass man davon ausging dass ein paar Tiere sich die alte Halle als Unterschlupf auserwählt hatten, aber andererseits war es für die Anwohner, Polizisten und Familien die einfachste Erklärung gewesen. Man hatte uns einfach so für tot erklärt, auch wenn man nie unsere Leichen gefunden hatte. Ein paar andere Beiträge hatten mir auch gezeigt, dass die Suche nach uns zwar noch eine Weile im Gange gewesen sei, aber nach dieser aussichtslosen Suche, hatte man es irgendwann abgebrochen.
 

Wie meine Eltern mit meinem Tod wohl verkraftet hatten, konnte und wollte ich mir gar nicht vorstellen. Dass ich sie nie wiedersehen würde, war für mich anfangs erst eine Erleichterung gewesen, weil wir uns oft gestritten hatten… aber nach einiger Zeit hatte ich angefangen sie zu vermissen. Aber was hatte man auch schon von uns erwartet? Ich waren damals erst 13 gewesen, Piwi sogar noch jünger, also wie sollte man von jetzt auf gleich damit klarkommen, dass man sein altes Leben hinter sich lassen musste? Ich hatte schon einige Male mit dem Gedanken gespielt, von Pey und den anderen abzuhauen und nach Hause zu laufen, aber schlussendlich hatte ich zu große Angst gehabt, dass ich meiner Familie irgendwas antuen könnte. Außerdem… wenn ich nach ein paar Jahren auf wundersame Weise einfach so wieder aufgetaucht wäre, dann hätten sich die Medien auf mich gestürzt und hätten wissen wollen, was alles passiert war und wo die anderen waren. Es wäre nicht unentdeckt gewesen und hätte Rel es herausgefunden, dass ich die Fliege gemacht hätte dann hätte ich dem Gras von unten beim Wachsen zusehen können.
 

Ich seufzte auf, als ich den warmen Wasserstrahl zum versiegen brachte und aus der Dusche trat. Ich konnte das Prasseln noch deutlich auf meiner Haut spüren, als ich mich abtrocknete. Als ich mir meinen Oberkörper abtrocknete hielt ich einen Moment inne und betrachtet das Tattoo auf meiner linken Brust. Es war nichts Besonderes, aber es war nun einmal da. Die ‚Brandnarbe‘ unseres Daseins. Früher fand ich Tattoos immer ganz cool und wollte unbedingt eins haben, aber dieses hier erinnerte mich immer daran, wer ich jetzt war und dass ich eigentlich tot war.
 

Pey:

„Oder wir könnten zusammen gehen“, meinte ich einen Moment später. Ich hatte mich gegen den Türrahmen gelehnt und betrachtete das Mädchen vor mir, welches einen rosafarbenden Schimmer auf den Wangen hatte. Ihre Augen hatten sich minimal bei meinem Angebot geweitet, konnte sie sich denken, worauf ich es abgezielt hatte. Nachdem Rel uns in unser Zimmer gebracht hatte und uns gezeigt hatte wo wir was finden würden, hatten wir uns gleich in Richtung Bad begeben.
 

„Ach Mist, jetzt hab ich vergessenen den anderen Bescheid zu sagen, dass sie ein angrenzendes Bad haben. Naja, sie werden es schon finden“, meinte Rel, nachdem er noch einen Moment bei uns im Zimmer gestanden hatte. „Schlaft auf jeden Fall erst einmal in Ruhe. Ich werde euch und die anderen morgen dann abholen und in den Speisesaal bringen.“ „Mit deiner Familie Frühstücken? Wie harmonisch“, brummte ich und verdrehte die Augen. „Bist du dumm? Das würde ich nie machen. Es sei denn, mein Vater besteht darauf, wovon ich jetzt jedoch nicht ausgehe“, meinte er kopfschüttelnd. „Na dann, gute Nacht“, antwortete ich und warf ihn damit indirekt aus dem Zimmer. „Ja, gute Nacht“, murmelte er und verschwand aus der Tür.
 

„W-wenn du meinst“, sagte sie etwas schüchtern und drehte sich von mir weg. Ein leichtes Schmunzeln stahl sich auf meine Lippen. Daraufhin löste ich mich von meiner Pose und schloss die Tür hinter mir. Anna stand stocksteif da und wusste nicht, wie sie anfangen sollte. „Alles okay?“, fragte ich, als ich zu ihr getreten war und meine Hände auf ihre Schultern legte. Sie nickte nur, stand aber weiterhin mit dem Rücken zu mir. „Es ist nur…“, begann sie und ich horchte auf. „…Komisch?“, beendete ich den Satz für sie und endlich drehte sie sich um. Ihr Gesicht war leicht rosa und ihre Augen wirkten etwas unsicher. Wo war nur ihre direkte Art hin, welche sie mir noch zuvor an meinem Krankenbett gezeigt hatte? „Ein bisschen?!“, meinte sie und ich begann zu grinsen. „Nur, weil wir jetzt wissen was wir füreinander empfinden? Was soll daran komisch sein?“ „Naja,“, begann sie, „als wir uns das erste Mal getroffen haben, war ich angetrunken.“ Ich lachte kurz auf. „Und das ist jetzt schlimm? Du hast mich schon nackt gesehen, also warum sollten wir nicht zusammen duschen?“ Sie blies ihre angestaute Luft aus und sah mich dann etwas ernst an. „Mein letzter Freund war ein Arsch und war nur mit mir zusammen, weil er mit mir schlafen wollte. Daher..“ „Wow, mach mal halblang. Denkst du echt dass ich dich nur aus dem Grund liebe? Was denkst du denn von mir?“, schmollte ich gekünstelt und blickte beleidigt auf die Seite. „So meinte ich das nicht“, wehrte sie sofort ab und erhob ihre Hände. Ein schelmisches Grinsen legte sich auf meine Lippen. „Oder kann es sein, dass du dich im nüchternen Zustand nicht traust?“, stichelte ich sie an. Sie blickte daraufhin etwas grimmig drein, presste ihre Lippen zusammen und begann sich auszuziehen.
 

Eh… das sollte doch nur ein Scherz sein…
 

Als sie dann so komplett entblößt vor mir stand musste ich kurz schlucken. „So einfach geht das? Ich muss dich nur ein bisschen ansticheln und du ziehst dich aus? Das sollte ich mir merken“, lachte ich und erhielt einen Faustschlag gegen die Brust. Dann drehte sie sich um und stapfte zur Dusche. „Warte“, meinte ich noch und entledigte mich schnell meiner Klamotten um ihr zu folgen. Dieses Mädchen machte mich echt wahnsinnig!



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