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Prelude of Shadows

Die Team Shadow Chroniken
von

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Amy – Akt 2, Szene 4

7 Jahre vor Team Shadows Gründung

 

 

 

[LEFT]„Auf gar keinen Fall.“[/LEFT]

„Papa!“ Amy wedelte mit der inzwischen zerfledderten Zeitung vor seinem Gesicht herum. „Das ist deine Chance, dich selbstständig mit Käufern und Galeristen zu verknüpfen!“

„Ich habe einige Anfragen in der letzten Woche bekommen, von Kontakten hier in Septerna City. Wir haben keinen Grund, nach Stratos City zu gehen.“

„Du hast eine Anfrage bekommen“, korrigierte Amy ihn. „Und die letzten zwei sind schon ins Wasser gefallen. Lass es uns doch wenigstens versuchen.“

Ihr Papa ließ sich aufs Sofa plumpsen. Dunkle Ringe untermalten seine Augen. Genau wie Amy hatte er sich in letzter Zeit abgerackert, aber bei ihm hinterließ das größere Spuren. „Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten ist wirklich schön, Amy“, flüsterte er schließlich. „Aber Stratos City … das ist eine Stadt für die wirklich talentierten Künstler. Selbst, wenn wir alles zusammenpacken und meine Gemälde dort vorstellen, selbst wenn wir uns die hohe Miete dort leisten könnten, werde ich sehr wahrscheinlich nicht für die Ausstellung ausgewählt werden. Es ist zu riskant, Amy.“

Amy ließ die Zeitung sinken. Sie hatte ihren Papa noch nie so niedergeschlagen gesehen. Es musste ihm viel abverlangt haben, ihr in ihrer jetzigen Situation diese Zweifel mitzuteilen. Sie setzte sich neben ihn. „Ich weiß einfach, dass es klappen wird. Ich habe das im Gefühl. Aber wenn du wirklich nicht bereits bist, mitzukommen, dann lass wenigstens mich gehen. Ah!“ Sie unterbrach seinen Einwand. „Ich wäre nächstes Jahr sowieso alleine losgezogen, und Stratos City wäre meine erste Station gewesen. Das Pokécenter kostet nicht so viel, wenn man einer Trainerlizenz hat, und ich habe drei starke Pokémon, die mich beschützen. Mir kann quasi nichts passieren.“

Er sah sie lange an. Plötzlich schloss er sie in seine Arme. „Oh, Amy. Wann ist mein kleines Mädchen nur so groß geworden.“ Er seufzte. „Also gut. Mir ist zwar nicht wohl bei dem Gedanken, alleine hier zu bleiben, aber es ist weniger riskant als unsere Wohnung aufzugeben und ins kalte Wasser der Großstadt zu springen. Ich gebe dir meine zwei besten Bilder mit, die solltest du noch irgendwie transportieren können, und dann kannst du sie bei dem Atelier vorstellen. Wenn alles gut läuft und sie mich annehmen, komme ich nach und wir suchen uns ein kleines Apartment in der Stadt. Und wenn sie die Bilder ablehnen, kommst du so schnell wie möglich zurück und wir überlegen uns einen anderen Plan.“

„Deal!“

„Aber versprich mir eins, Amy.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern und sah ihr in die Augen. „Halte dich von Protrainern und vor allem von der Arena fern. Du kannst dort bestimmt leicht Geld verdienen, aber das ist es nicht wert.“

Amy nickte. „Versprochen. Keine Arena, keine Orden.“

 

 

Zwei Tage später betrat Amy den Ewigenwald. Die riesigen Tannen standen so dicht, dass nur einzelne Lichtstrahlen ihren Weg auf den weichen Waldboden fanden. Sie holte tief Luft und atmete die knackig kalte Luft ein. Die Luft roch süßlich, nach Harz und zertretenen Nadeln. Während sie den Pfad entlang ging, den großen Rucksack mit den dreifach in Wachspapier und Pappe verpackten Gemälden auf ihrem Rücken, wanderten ihre Gedanken flüchtig zu Ronya.

Es war ironisch, dass sie auf zwei unterschiedlichen Kontinenten lebten, und zur selben Zeit in einem ähnlichen Gebiet unterwegs waren.

Ewigwald und Ewigenwald. Oh Ronya, ich hoffe du kommst gut an! Ihr Vater hatte ihr befohlen, sich an die befestigte Straße zu halten. Diese führte auf direktem Wege von Septerna City zur Himmelspfeilerbrücke, einige Stunden Richtung Westen und dann ungefähr die doppelte Länge nach Norden, aber Amy konnte nicht anders, als ein wenig vom Weg abzukommen.

Dichtes, duftendes Gras wuchs abseits des Pfades auf den Lichtungen und säumte die Waldwege, alte umgestürzte Bäume bildeten natürliche Barrieren und Brücken. Es war wunderschön.

„Ich wünschte, Papa könnte hier mit mir malen“, sagte sie zu Mebrana, das hinter ihr hertrottete und sich aufgeregt umguckte. Schallquapp gab es hier im Wald zu Hauf. Amy wurde bewusst, dass sie sehr wenig über Mebranas Herkunft wusste. „Quappy wurde hier im Wald geboren“, sagte sie zu Mebrana, das sofort hellhörig wurde und sie besorgt musterte. „Ich habe es damals eigenhändig gefangen, als es noch klein war. Was ist mit dir? Wurdest du in der Wildnis geboren?“

Mebrana schüttelte langsam den Kopf. Es sog die Gerüche des Waldes gierig ein. Amy wartete geduldig, bis es zu ihr aufschloss. „Wahrscheinlich kommst du aus einer Pension“, mutmaßte sie. „Mama wäre nie selber losgegangen, um ein geeignetes Pokémon zu fangen. Sicher hat sie in einer Pension nach einem Pokémon mit guten Werten gesucht und ist auf dich gestoßen.“

Mebrana nickte nachdenklich. „Kennst du deine Eltern?“, hakte Amy nach. Ein Schulterzucken war die einzige Antwort. Amy seufzte und legte eine Hand auf seinen Kopf. „Jedenfalls bin ich froh, dass unsere Wege sich gekreuzt haben. Ich kann sie natürlich nicht ersetzen, aber ich bin jetzt deine Familie, genau wie Sengo und Milza.“

„Hey, du da!“

Amy erschrak bei dem Schrei fast zu Tode. Sie sah auf und entdeckte vor sich auf der Straße einen jungen Trainer, der bereits grinsend einen Pokéball in der Hand hielt. Er trug trotz des kalten Wetters eine kurze Hose und sein schwarzes Haar stand in alle Richtungen ab. „Ich habe gestern den Grundorden ergattert und suche jetzt nach einem Sparring-Partner. Was sagst du?“

„Kein Interesse.“ Amy versuchte, an dem Jungen vorbeizugehen, aber er stellte sich ihr in den Weg.

„Die Frage war rhetorisch gemeint.“ Er deutete auf Mebrana. „Du hast ein Pokémon, das heißt, dass du gegen mich kämpfen musst, wenn du weiterkommen willst. So sind die Regeln.“

Amy starrte ihn an. „Was für Regeln? Ich will einfach nur in die nächste Stadt.“

„Es gibt ungeschriebene Regeln für Trainer. Wenn du außerhalb der Stadt bist, hast du gegen andere Trainer zu kämpfen. So will es das Gesetz.“ Er verschränkte selbstzufrieden die Arme.

Amy hatte langsam genug von seinem Gefasel. „Du hast sie doch nicht mehr alle. Ich gehe jetzt hier durch.“

„Und wenn ich den Weg nicht freimache?“ Es begann ein kurzes Hin und Her, in dem Amy zur Seite ging und der Junge ihren Bewegungen folgte. Nach etwa einer Minute hatte sie genug.

„Also gut, du willst kämpfen?“, fauchte sie und griff nach ihrem Pokéball. „Dann zeig mal, was du kannst. Los, Sengo!“ Ihr Pokémon schoss geradezu aus dem Pokéball.

Der Junge grinste so breit, dass Amy glaubte, seine Zähne müssten ihm gleich aus dem Mund fallen. Er zückte seinen Pokéball. „Ein Normaltyp? Denkst du wirklich, darauf wäre ich nach Aloe nicht vorbereitet? Los, Kiesling!“

Das kleine Steinpokémon materialisierte sich in einem roten Lichtstrahl vor Sengo, das in freudiger Erwartung auf den Kampf mit den Klauen klapperte.

„Fang mit Steinwurf an“, rief der Junge.

„Zermalmklaue“, befahl Amy kühl.

Kiesling hopste auf der Stelle. Zwei Steinbrocken lockerten sich am Wegesrand und schossen auf Sengo zu. Sengo wich beiden ohne Mühe aus, sprang in der selben Bewegung auf Kiesling zu und schlug von beiden Seiten mit seinen Pranken auf das Steinpokémon ein, das vor Schmerzen quietschte. Amy kniff ein Auge zusammen—sie hasste es bis heute, anderen Pokémon Schmerzen zuzufügen. Aber da war der Kampf schon vorbei. Sengo ließ das besiegte Pokémon zu Boden fallen und knurrte in Richtung des Trainers, als der zitternd nach seinem zweiten Pokéball griff.

„Sengo ist übrigens Level 34“, informierte Amy ihn zuckersüß. „Nur zur Info.“

Der Junge ließ die Hand sinken. „Ach Mann!“ Wütend rief er sein Kiesling zurück. „Du bist viel stärker als Aloe. Was machst du überhaupt hier? Jemand auf deinem Level sollte schon in Marea City oder sogar Panaero City sein.“

Entrüstet rief Amy Sengo zurück. „Ich wohne hier. Außerdem wollte ich gar nicht gegen dich kämpfen, du hast mich dazu gedrängt.“

Er kratzte sich seufzend den Kopf. „Ist ja gut, ich bin selber schuld. Aber du hast mich fair besiegt.“ Er kramte in seiner Hosentasche und förderte 500 Pokédollar zu Tage, die er ihr reichte. „Hier. Mein Name ist übrigens Brandon.“

Amy schüttelte sofort den Kopf. „Nein, nein, das kann ich nicht annehmen.“

„Natürlich kannst du das, so will es das Gesetz! Der Verlierer gibt dem Gewinner einen Teil seines Geldes. Es ist nicht viel, aber je stärker die Trainer werden, desto mehr Gewinn springt dabei rum. Ich wette, bei deinem Level bist du schon total reich. Also, bis dann!“ Er lief an ihr vorbei Richtung Ausgang, zurück nach Septerna City.

„Reich …“, flüsterte Amy und nahm das Geld entgegen. Sie starrte die grünen Scheine an. Es waren nur 500 Pokédollar, aber das war so viel Geld, wie sie mit einer Stunde Nachhilfe verdiente. Der Kampf hingegen hatte nicht mal zwei Minuten gedauert.

Die Worte ihres Papas kamen ihr wieder in den Sinn. Halte dich von Protrainern und vor allem von der Arena fern. Du kannst dort bestimmt leicht Geld verdienen, aber das ist es nicht wert.

Er würde nicht wollen, dass sie das Geld annahm. Aber es war, wie der Junge gesagt hatte. Sie würde einer Menge Trainer auf ihrem Weg nach Stratos City begegnen, und jeder würde erwarten, dass sie kämpfte. Ich werde niemanden herausfordern, versprach sie sich, während sie das Geld in ihrem Rucksack verstaute. Aber wenn sie darauf bestehen, gegen mich zu kämpfen, wäre es dumm, das Preisgeld nicht anzunehmen.

Ihr schlechtes Gewissen hielt nicht viel von diesem Plan, aber sie ignorierte das Ziehen in ihrem Bauch. Sie musste nur an ihren Papa denken, der spätabends am Schreibtisch über Rechnungen brütete, um zu entscheiden, welche er noch aufschieben konnte, und an sein aufgedunsenes, tränenüberströmtes Gesicht unter der kalten Dusche, um sich in ihrer Entscheidung gerechtfertigt zu fühlen. Je mehr Geld sie verdienen konnte, bevor sie überhaupt in der Stadt ankam, umso besser.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lady_Ocean
2023-02-16T02:12:46+00:00 16.02.2023 03:12
Ich finde, Amy und ihr Vater haben da eine sehr vernünftige Lösung zwischen Chance und Risiko gefunden. Gleich alle Sachen zu packen und für mehrere Wochen ein Hotel oder gar eine eigene Wohnung zu mieten, ist bei ihrem knappen Budget echt nicht drin. Hoffentlich kommt Amy ohne Zwischenfälle in Stratos City an.
Der kleine NPC war aber herrlich. XD Auf der einen Seite soooooooo originalgetreu dem Spiel gegenüber - wie er auf Biegen und Brechen auf den Kampf bestanden hat (und auch auf das Überreichen des Preisgeldes), weil das ja die Regel ist. Total unreflektiert und rücksichtslos gegenüber anderen Leuten, die mit ihren Pokémon durch den Wald spazieren. Es kann ja auch jemand einfach so ein, zwei Pokémon bei sich haben, ohne dass man sie explizit trainiert. Einfach als Freunde und Helfer. Und nicht jedes Pokémon will kämpfen. Immerhin war dieser Kampf für Brandon augenöffnend. Dass eben die verschiedensten Menschen unterwegs sind und dass man ein "ich will nicht kämpfen" auch ernst nehmen sollte.
Auf der anderen Seite sehe ich Amy hier seeeeeehr in Versuchung geraten. Ganz so sehr schrecken Protrainerkämpfe sie vielleicht doch nicht ab. Oder nicht mehr, jetzt, wo etwas Abstand zu ihrer Mutter eingetreten ist. Im Kern ist sie ja eine Kämpferin, wie wir in ihrem letzten Kampf gegen Tim gesehen haben. Und die ständige Geldnot zieht sie nur weiter in diese Richtung. Mit ihrem Vorhaben, nur dann gegen Trainer zu kämpfen, wenn diese sie explizit herausfordern, und dann auch deren Preisgeld nicht abzulehnen, weicht sie ihr Versprechen, das sie ihrem Vater gegeben hat, schon sehr weit auf. Wenn es am Ende bei zwei, drei Kämpfen gegen ein paar Knirpse und Käfersammler bleibt, wird das sicher nicht weiter ins Gewicht fallen. Aber ich sehe auch bei Amy großes Potenzial, dass sie sich aufgrund ihres Gerechtigkeitssinns in größere Gefahren bzw. größere Kämpfe begeben könnte und in Stratos City eventuell ziemlich schnell stattbekannt ist als Trainerin. Und dass so oder so ihr Vater auch davon erfahren und sehr enttäuscht von ihr sein wird. Dass sie ihr Versprechen gebrochen hat. Ich hoffe ja, dass es nicht so weit kommt. Auf jeden Fall gehe ich stark davon aus, dass sich in Stratos City irgendetas Größeres zusammenbrauen wird.

Ich fand es auch sehr schön, wie Amy auf ihre einzelnen Pokémon so eingeht und die Bindung zu ihnen stärkt. Mebrana ist nun oft außerhalb ihres Pokéballs unterwegs, wie es scheint. Und Amy hat sich nicht nur getraut, über Mebranas Herkunft zu sprechen, sondern auch über Quappy. Das ist eine unglaublich große Entwicklung für sie. Schließlich konnte sie zu Beginn dieser Ereignisse ihr Mebrana noch nicht mal richtig angucken, weil ihr der Schmerz des Verlusts von Quappy so tief in den Knochen steckte. Sengo trainiert sie inzwischen bestimmt auch wieder ernsthaft. Ich bin gespannt, ob wir von Scharfax demnächst noch mehr sehen werden. Was er so möchte und was er sich von seiner Trainerin erhofft.
Von:  Kerstin-san
2023-02-14T21:36:18+00:00 14.02.2023 22:36
Hallo,
 
uhh, da hoffe ich mal, dass Amy mitsamt der beiden Bilder im Gepäck heil an ihrem Zielort ankommt und dass die Bilder bei einem Galeristen Anklang finden. Mir hats jedenfalls sehr gefallen, dass sie versucht hat, mehr über Mebranas Ursprünge zu erfahren - da merkt man, dass sie sich wirklich für ihr Pokémon interessiert - und auch, dass sie über Quappy spricht. Das ist ja ein sehr emotionales und schwieriges Thema für Amy, zeigt aber auch, dass sie Mebrana mittlerweile sehr vertraut.
 
Der Kampf gegen Brandon ging ja sehr flott über die Bühne und ich fand es unfreiwillig komisch, wie Amy versucht dem Kampf aus dem Weg zu gehen, Brandon darauf pocht, nur um dann zu mosern, dass sie so stark ist, als sie ihn mal eben fertig macht. Immerhin sieht er ja schnell ein, dass er da selbst dran schuld ist und jaaa, die Verlockungen des schnellen Geldes. In die Richtung hab ich ja schon ein paar Kapitel vorher mal gedacht und es scheint, als würde Amy die Vorzüge auch sehen. (Wobei ich auch sagen muss, dass ich kein Problem darin sehe, wenn man nur in erster Linie Pro-Trainer wäre, um Geld zu verdienen. Klar ist das nicht so puristisch, wie der Wunsch der beste Trainer aller Zeiten so sein, aber es kann ja nicht jeder so ideell eingestellt sein. Aber natürlich verstehe ich, warum Amys Vater das Trainerdasein so ablehnt, wenn man sich mal anschaut, was das aus seiner Frau gemacht hat und wie es ihre Familie zerstört hat.)
 
Liebe Grüße
Kerstin


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