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Der letzte Raubzug 2

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Heilung durch Erinnerung

„Und warum muss ich hier gleich nochmal stehen?“, fragte Hideto leicht quengelnd.

„Damit dir deine Festtagsrobe angepasst werden kann, mein Schatz. Immerhin gehen wir zu einem sehr wichtigen Fest.“

„Aber warum muss ich da auch hin?“ Ganz offensichtlich hatte der Sterbliche bedenken, was die Einladung anging. „Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Mensch. Wieso -?“

„Du, Hideto“, fiel ihm der Gott ins Wort und trat näher an seinen Liebsten heran, „bist alles andere als gewöhnlich. Du bist mein Partner. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Deswegen gehörst du an meine Seite und darum werden wir beide zum Fest der Sommersonnenwende eingeladen. Um zusammen mit Amaterasu-sama den längsten Tag des Jahres zu feiern.“ Lächelnd nahm er das Gesicht des geliebten Mannes in seine Hände, sah ihm tief und verliebt in die Augen. Für den Moment waren sie auch ausnahmsweise auf gleicher Höhe, da Hideto auf einem kleinen Podest stand. Um seinem Geliebten noch ein wenig mehr von seinem Unwohlsein zu nehme, küsste Camui ihn leidenschaftlich und mehrmals.

„N-Nicht“, nuschelte Hideto verlegen in einer Pause, versuchte den Gott ein wenig von sich zu schieben, „hier sind noch so viele andere.“

„Na und? Sie wissen, dass ich dich liebe. Also kann ich es zum Ausdruck bringen, wenn ich das möchte.“ Grinsend strich der Mann mit den blauen Augen über die erhitzten Wangen seines Gegenübers. „Wir sind doch zusammen. Warum sollten wir es nicht auch zeigen?“

„Weil.. Es ist mir unangenehm. Ich kenne es nicht, dass man seine Gefühle so offen zur Schau stellt.“

Lächelnd fing der Gott wieder die geliebten Lippen ein. „Ich helfe dir gerne dabei dich daran zu gewöhnen.“ Mit einem weiteren, hungrigen Kuss wurde jegliche Widerrede im Keim erstickt. „Und nun solltest du noch etwas still halten, damit du bald eine schöne Robe hast. Umso eher bist du auch von dem Podest befreit.“

„Gut“, nuschelte Hideto, ein wenig weich in den Knien von den vielen Küssen, die ihm den Verstand ein wenig vernebelten.

Zufrieden trat der Gott zurück und überließ seinen Liebsten wieder dem Schneider und seinen Helfern. Schließlich mussten sie fertig werden, um die gleiche Arbeit noch einmal an ihm durchzuführen.
 

Mit einem sanften Lächeln strich der Gott über den blauen Stoff mit den goldenen Stickereien. Das war eine sehr alte Erinnerung gewesen, wo sein Hideto gerade erst wenige Wochen bei ihm verbracht hatte. Wie süß er sich damals gesträubt hatte. Und wie wortkarg er auf dem Fest selbst gewesen war. Für ihn als Mensch musste das wirklich sehr überwältigend gewesen sein. Sie hatten ihn aber auch alle ein wenig belagert, wo es doch das erste Mal gewesen war, dass ein Mensch an einem ihrer Feste teilgenommen hatte. Jeder seiner Brüder und Schwestern hatte ein paar Worte wechseln wollen mit seinem Geliebten, welcher an dem Abend in seiner blauen und goldenen Tracht einfach nur fantastisch ausgesehen hatte. Persönlich hätte lieber eher zu Silber statt Gold tendiert, aber als Fest der Sonnengöttin war es angebrachter gewesen den warmen Farbton zu wählen.

Wie herrlich rot sein Kleiner doch geworden war, als er Camui das erste Mal in seiner Kleidung für den Abend gesehen hatte, trug er doch dieselben Farben wie dieser.

„Es soll doch jeder sehen, dass wir zusammen gehören.“ Sollte ja niemand von den Anderen auf den Gedanken kommen ihm seinen Liebsten weg schnappen zu wollen.

So waren seine Gedanken damals gewesen und auch jetzt war er immer noch dieser Meinung.

Seit er vor einigen Wochen den Rat bekommen hatte, sich weniger auf den Verlust und mehr auf die schönen Erinnerungen zu konzentrieren, sowie auf die Möglichkeit des Wiedersehens, kämpfte sich der Gott zunehmend mehr in sein altes, lebensfrohes Selbst zurück. So gefiel er sich selbst auch viel besser. Nicht einfach. Doch ohne Kampf ging es wiederum auch nicht. Zumindest diesen Punkt sah er mittlerweile ein.

Ein letztes Mal strich er über den Stoff. Besser, er hörte jetzt auf und widmete sich wieder anderen Dingen. Er schloss die Schachtel mit dem Kimono wieder, verstaute sie im Schrank. Bei all den anderen Sachen, die seinem Liebsten gehörten.

Seufzend verließ Camui den Raum, der sein und Hidetos Kleiderschrank war. Womit wollte er sich jetzt beschäftigen?

Langeweile brachte ihn nur wieder dazu, Trübsal zu blasen.

„Notfalls einfach das tun, was man am Besten kann.“ Das war immer noch musizieren. Wenn er sich recht entsann, so hatte er noch ein Übungsstück für die Geige, an welchem er sich noch nicht probiert hatte.

Auf dem Weg zu seinem Musikzimmer, bemerkte er durch dir großen Fenster, wie einige seiner Diener sich um die Pflanzen im Garten kümmerten. Genauer gesagt, um die Beete, die auf Hidetos Wunsch hin angelegt worden waren. Sie hatten ihm gegen die Langeweile geholfen. Mit zunehmendem Alter hatte er die Hilfe von einigen der Dienern erhalten. Genau jene, die sich gerade jetzt auch um die Pflanzen kümmerten. Einige Augenblicke lang sah er ihnen noch zu, beschloss dann, dass er später auch immer noch üben könnte. Schnurstracks ging es zur nächsten Tür, die nach draußen führte. Schnell noch die Schuhe gewechselt und es ging zu den Beeten. Sofort als er bemerkt wurde, ließen die kleinen Wesen alles stehen und liegen, um ihren Herrn respektvoll zu begrüßen.

„Erhebt euch wieder und gebt mir ein Arbeitsgerät. Ich will mich ebenfalls um das Gemüse kümmern.“

Verwirrte Gesichter, wohin er auch sah.

„Na los!“, forderte er auf, sprühte über vor Tatendrang.

Zögernd kam ein mausähnliches Wesen auf ihn zu, hielt ihm einen Behälter hin. „Es... Es muss noch einiges geerntet werden, Herr.“

Nickend nahm er den Korb entgegen. „Gut, holen wir die Ernte ein.“
 

Die körperliche Arbeit tat ihm gut. Konzentriert erntete er die Salatköpfe, zog Rüben aus der Erde und holte schließlich auch noch einige Körbe voller Pflaumen von den Bäumen. Und obwohl er dabei natürlich auch viel in Erinnerungen schwelgte, fühlte er sich zu keiner Zeit traurig. Bald müsste sein Hideto geboren werden. Bald würden sie eine Spur von ihm finden können. Bald würde er ihn wieder sehen. Mittlerweile war ihm sogar egal, ob sein Liebster sich wieder erinnern könnte. Hauptsache, jener war wieder am Leben und er konnte ihn sehen, berühren und mit ihm reden. Bis dahin lebte ein kleiner Teil von ihm in diesem Garten weiter.

Weil es immer dunkler wurde, beendeten alle ihre Arbeit. Im Schein von Laternen sammelten die fleißigen Diener die Gartengeräte und Körbe ein. Camui hätte noch weiter machen können, spürte er doch keinerlei körperliche Erschöpfung, aber auch er sah ein, dass es Zeit war Feierabend zu machen. So konnte er sich nun dem widmen, was er sich ursprünglich vorgenommen hatte.

Mit guter Laune ging es zu seinem Musikzimmer, spürte aber schon ziemlich bald seinen Schatten in seinem Rücken.

„Möchtest du mir irgendetwas mitteilen?“

„Nein, Camui-dono. Ich dachte nur, dass Ihr vielleicht irgendetwas braucht.“

Der Gott hielt an und drehte sich lachend um: „Dann hätte ich dich oder jemand anderen zu mir gerufen.“

„Ja, das hättet Ihr wohl. Darf ich fragen, was Ihr nun vor habt?“

„Ein wenig Geige spielen. Es ist ein so schönes Instrument.“ Der Gott drehte sich um, um weiter zu gehen, wurde jedoch ein weiteres Mal aufgehalten.

„Camui-dono?“

„Hm?“

„Es ist schön zu sehen, dass Ihr eure Lebensfreude zurück erlangt.“

Zumindest bemühte er sich darum sich nicht zu sehr seiner Trauer hinzugeben.

„Ach, Camui-dono?“, hielt ihn der Fuchs wieder auf.

„Was denn noch?“ Stand noch Arbeit an?

„Vielleicht solltet Ihr erst einmal ein Bad nehmen nach der ganzen Arbeit.“ Amüsiert versuchte der Diener sein Grinsen zu verstecken. Man roch doch ein wenig, dass sein Herr im Garten geholfen hatte.

„Uhm, ja. Vielleicht sollte ich das.“ Nachdenklich kratzte sich der Gott am Hinterkopf. Er fühlte sich schon ein wenig verschwitzt. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Anderen. Schon öffnete er den Mund, um eine Anweisung zu geben, als jener das Wort ergriff:

„Es liegt bereits alles für Euch bereit.“

Lachend ließ er für einen Moment den Kopf hängen, sah im nächsten wieder Richtung Musikzimmer.

„Ich werde veranlassen, dass Eure Geige auf die Terrasse gebracht wird.“

Ein Seufzen entfuhr dem Gott. „Eines Tages werde ich herausfinden, wie du das machst.“

„Ja, eines Tages werdet ihr das“, meinte sein Diener schmunzelnd. Jener sah ihm noch lange nach, während er sich zu seinem Bad aufmachte. „Aber dieser Tag ist noch in sehr weiter Ferne“, ergänzte der Fuchs leise, zufrieden damit, dass sein Geheimnis vermutlich noch sehr lange eines bleiben würde.
 

Von der Waschung und dem Bad mehr als erfrischt, stand er nun auf der Terrasse vor seinen Schlafgemächern. Langsam strich sein Bogen über die Saiten. Zart und zerbrechlich, langsam und berührend waren die Töne, die er dem Instrument entlockte. Nur nicht traurig. Eine melodiöse Umarmung eines geliebten Menschen an einem ruhigen Abend. Gestreichelt von den letzten Lichtstrahlen der untergehenden Sonne.

Seine blauen Augen öffneten sich und sahen hoch zu dem Sternenhimmel. Heute Nacht ähnelte er dem, den er sich mit seinem Liebsten unzähligen Male angesehen hatte, sehr viel mehr, als in den letzten Monaten. Sein Mensch hatte ihm gezeigt und gelehrt auch die einfachsten Dinge mit großen Augen und einem Staunen zu betrachten. Durch ihn die Schönheit des Augenblicks entdeckt.

Camui konzentrierte sich wieder mehr auf sein Spiel. Angetrieben von der Erinnerung an seinen Liebsten, wie er lachend in den fallenden Kirschblüten tanzte, wechselten die Töne zu einer schnellen und fröhlichen Melodie. Er konnte es kaum erwarten ihm wieder dabei zuzuschauen. Als er sein Spiel enden ließ, hörte er hinter sich jemanden Klatschen.

Neugierig drehte er sich um. Einige Meter von ihm entfernt stand sein Diener. Er war es also.

„Das war eine sehr schöne Melodie, Camui-dono.“ Ein wenig blinzelte der Kitsune. Über diese glücklichen Töne war er sehr froh. Und erleichtert. Das Herz seines Herrn schien zu heilen.

„Warum schaust du so komisch? Sag bloß, du hast etwas auszusetzen?“ Lachend legte der Mann mit den blauen Augen seine Geige in ihren Kasten.

„Nein, Herr. Ganz und gar nicht. Ich bin nur glücklich darüber, dass Ihr Eure Lebensfreude zurück gewinnt.“ Ging es dem Herrn gut, war auch das ganze Haus etwas fröhlicher. Jeden von ihnen hatte es schon reichlich mitgenommen, dass das Lachen zusammen mit der Liebe ihres Herren gestorben war. Sie alle vermissten Hideto-sama. Stets war er zu jedem von ihnen freundlich gewesen. Obwohl er ein Mensch war, hatte er die Stellung eines Herren in diesem Haus. Doch so hatte er sich nie verhalten. Immer hatte er gebeten, aber nie befohlen. Das war ganz angenehm gewesen und hatte auch frischen Wind in die gesamte Welt der Götter gebracht. So weit er selbst es mitbekommen und auch von anderen Dienern erfahren hatte, war Hideto-sama ein sehr beliebter Gast bei allen Göttern gewesen. Auch ihm fehlte dieser Mensch, aber er fürchtete auch, dass es wieder so enden würde, falls sie ihn tatsächlich finden und wieder hierher bringen sollten. Ihn wieder sterben zu sehen würde ihn ebenso schmerzen, seinen Herren jedoch erneut zerstören. Nichts würde ihn dann wieder aufrichten und zum weiter machen bewegen können. Sein Herr, so fürchtete er, würde keinen neuen Funken Lebenswillen entwickeln und Izanagi-dono mit offenen Armen empfangen.

„Gibt es wieder Gebete, die ich erhören kann?“, riss ihn sein Herr aus den Gedanken, woraufhin er aber auch eine Augenbraue hob. Normalerweise sprach er doch von einem Auftrag, den er erfüllen musste.

„Ja, es gibt eines.“ Seufzend näherte er sich dem Gott, holte das Klemmbrett hervor, welches er sich vorhin, bevor er applaudierte, unter den Arm geklemmt hatte. „Leider nur eines.“

„Besser als gar keines.“ Sanft schloss er den Deckel des Geigenkastens und ließ die Schlösser einschnappen. „Ich nehme mal an, dass alles für meine Abreise bereit ist?“

„Natürlich. Auch ein Mantel erwartet euch bereits.“ Immerhin war es mitten in der Nacht und selbst hier im Reich der Götter wurde es kühl.

„Gut.“ Wie immer auf alles vorbereitet. Camui ging voraus, freute sich schon darauf wieder ein wenig Zeit auf der Erde zu verbringen. „Worum geht es denn?“ Das Seufzen in seinem Rücken deutete eindeutig auf ein Thema hin, welches er ungern ansprechen wollte. „Sprich schon.“

„Ein Lied für einen Abschied.“

„Was für einen Abschied?“ Ein paar Dinge musste er dann doch etwas mehr im Detail wissen, um sich schon mal auf die Aufgabe vorzubereiten. „Auf Zeit?“

„Nein. Für immer.“

Kurz hielt Camui an, erlaubte sich für einen Augenblick wieder etwas betrübter zu werden. „Gut“, meinte er dann und ging weiter. „So sei es.“ Solche Aufträge hatte er schon immer ausgeführt. Schon vor Hideto. Mittlerweile fielen sie ihm nur ein wenig leichter. „Schenken wir dieser armen Seele ein wenig Glück, in dem wir ihr ein würdiges Lied schenken.“



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