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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 22

Bäume säumten ihren Weg. Ihr Blätterwerk war so dicht, dass kaum Sonnenlicht hindurch drang. Sollten Vögel in diesem Teil des Nimmerwaldes leben, so schwiegen sie beharrlich. Außer dem aggressiv wirkenden Blätterrauschen war nichts zu hören. Fast wirkte es, als wollten die Bäume sie verscheuchen, als würden sie Hook und ihm zurufen, dass sie verschwinden sollten. Vielleicht taten sie das auch wirklich, doch wenn es so war, verstand weder Kapitän Hook noch Peter ihre Sprache.
 

Seit drei Stunden lief Peter vor Hook immer weiter in den Wald hinein. Zweimal hatte er versucht, fortzulaufen und zweimal hatte Hook ihn eingeholt. Dass Peter keinen weiteren Fluchtversuch unternahm, war seinem verstauchten Knöchel geschuldet. Durch das Rennen war er noch stärker strapaziert worden und schmerzte mehr denn je. Je weiter sie liefen, um so qualvoller wurde es, doch jedes Mal, wenn Peter kurz davor war, seinen Stolz beiseite zu schieben und um eine Rast zu bitten, ordnete Hook selbige an.
 

Einerseits war Peter dafür dankbar, denn schließlich bedeutete dies, dass der Pirat keineswegs vorhatte, ihn zu quälen, andererseits wurmte es Peter, weil er so nicht wirklich sauer auf den Mann blieb. Dass Hook die ganze Strecke schwieg, außer er befahl Peter irgendetwas, gab Peter die Gelegenheit, über allerhand nachzudenken. Gleich am Anfang schon hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, was er überhaupt für den Piraten fühlte. Da war dieser Zwiespalt, dass er Lust unter Hooks Händen empfand und ihn im selben Atemzug dafür verabscheute, weil er ihm noch immer das Gift verabreichen wollte. Aber Peter war weniger wütend deshalb, als mehr zutiefst enttäuscht. Weshalb er allerdings derart enttäuscht war, wusste er nicht. Es war, als hätte Hook ein Versprechen gebrochen, das es niemals gegeben hatte.
 

Eine ganze Stunde lang rätselte er auch, was genau diese Verbindung war, die sich mittlerweile zwischen Hook und ihm entwickelt hatte. Sie hatte etwas körperliches, das wusste Peter und ihm wurde noch immer ganz heiß, wenn er daran dachte, wo und wie der Kapitän ihn liebkost hatte. Die Gefühle, welche ihm entlockt worden waren, waren so unglaublich erregend und aufregend gewesen, dass Peter so gerne noch mehr darüber erfahren hätte. Ob es sich immer so anfühlte, wenn man an diesen Stellen berührt wurde? Oder ging es noch unglaublicher? Hooks süße Drohung, er würde ihm eine nie gekannte Erregung schenken, ließ Peter auf noch mehr hoffen. Doch was hatte Hook damit gemeint, dass er seinen Leib nehmen und in ihn eindringen wollte? An dieser Stelle setzte Peters Vorstellungskraft aus. Seine Gedanken schwirrten wieder zurück zur Jolly Roger und er sah sich in Hooks Kajüte. Die Gefangenschaft, die Demütigung tauchten in seiner Erinnerung auf und auch, wie sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Peter war so geschockt gewesen, dass es erstaunlich war, wie sehr er sich bereits an die fordernden Lippen auf seinen und der geschickten Zunge in seinem Mund gewöhnt hatte. Er mochte es nachwievor sehr, wenn Hook ihn küsste. Wobei er die zärtlichen und neckischen Küsse, den brutalen vorzog.
 

Immer wenn Hook ihn auf diese liebevolleren Arten küsste, spürte Peter diese Verbindung am stärksten. Er fühlte dann, wie sich in seinem Herzen eine Wärme ausbreitete, die ihn vergessen machte, dass Hook sein Feind war. Fast als würde Hook das Vergessen in Peter spüren, tat er kurz darauf wieder etwas, welches Peter mehr als nur überdeutlich daran erinnerte, dass sie Feinde waren. Es war zum Haare raufen! Hook brachte ihn so durcheinander. Peter fühlte, dass er sich in einem inneren Aufruhr befand und dies behagte ihm absolut nicht. Das ganze Denken ermüdete ihn, nahm ihm ein bisschen seine Leichtigkeit und erinnerte ihn daran, dass er nicht länger fliegen konnte. Wenn doch nur Glöckchen hier wäre. Oh wie schön wäre es, wenn ihr glitzernder Feenstaub sein Hemd benetzen würde und er Hook einfach davon fliegen könnte. Leise seufzte Peter auf. Er selbst bemerkte es nicht, doch er seufzte alle paar Meter tief auf. So tief, dass Hook mittlerweile davon genervt war, aber angesichts seiner Mitschuld daran beharrlich schwieg. Selbstverständlich ahnte Peter kein Stück davon, denn wenn, dann hätte er sich nochmals herumgedreht und Hook an sein Schienbein getreten.
 

Sie kamen an einer kleinen Verzweigung an und der Pirat bedeutete ihm, stehen zu bleiben. Widerwillig kam Peter der Aufforderung nach und setzte sich auf den nächsten Holzstumpf. Er beobachtete, wie Hook aus seinem Rock einen Kompass herausnahm, darauf klopfte und die Himmelsrichtung bestimmte. Irritiert runzelte der Kapitän seine Stirn. Offenbar gefiel ihm die Anzeige keineswegs.

„Wie kann das sein?“, murmelte er und begann die Prozedur von neuem. Die Falten wurden tiefer. „Komm her!“, befahl er ihm und Peter folgte, wenn auch nur sehr langsam.

„Sie dir das an! Die Kompassnadel dreht sich im Kreis. Wie soll ich jetzt den Norden finden?“
 

Peter verkniff sich jeden Kommentar. Als Seemann sollte Hook auch ohne Kompass in der Lage sein, die Himmelsrichtung zu erkennen. Was Peter allerdings nicht wusste, war, dass Hook dazu die Sterne brauchte. Für Peter selbst war die Orientierung kein Problem. Ein kurzer Blick auf das Moos an den Baumstämmen und er wusste, wo Norden lag. Er überlegte nur, ob er Hook verraten sollte, in welche Richtung sie laufen mussten, denn Peter hatte keine Lust, ihm einen Gefallen zu tun, anderseits war er aber auch auf die Geisterhöhle gespannt. Seine Abenteuerlust kämpfte gegen die Gefahr, tatsächlich das Gift verabreicht zu bekommen.
 

„Wenn ich dir verrate, in welche Richtung wir müssen, was bekomme ich dann?“, fragte Peter und blickte Hook so herablassend an, wie er nur konnte.

„Du weißt, wohin wir müssen?“

„Ja.“

„Das ist kein Trick?“

„Du bist doch derjenige mit den Tricks“, konterte Peter.

„Ich traue dir nicht.“

„Ich dir auch nicht“, sagte Peter und setzte nach, „und ich habe viel mehr Grund dafür.“

„Was willst du?“ Hook sah ihn unverwandt an. Die Vergissmeinnicht blauen Augen blickten in dunkel an.

„Mach mir die Fesseln los.“
 

Die Hände, nach wie vor auf den Rücken gebunden, taten ihm weh. Ein weiterer Grund, und dieser war wesentlich gewichtiger, er wollte sich eine Hose wünschen. Eine, welche ihm passte. Seit sie die Hütte verlassen hatten, trug Peter nichts weiter als das viel zu weite Hemd des Piraten. Die Hose hatten sie zurücklassen müssen, da sie an Peters schmaler Hüfte ohne das Seil nicht hängen geblieben war. Auch wenn Peter ein kühles Lüftchen ab und an schätze, in der Nähe von Hook, der mit seinem Körper die sonderlichsten Dinge trieb, war es ihm lieber, bekleidet zu sein. Mochte das Hemd auch so tief hinunterreichen, dass Peters Po bedeckt war, so fürchtete er sich doch davor, dass Hook ihn abermals berühren würde und sein Widerstand schmolz. Hook hatte einfach diese Wirkung auf ihn und genau deshalb wünschte er sich die Hose jetzt noch nicht. Wäre schon eine neue Hose da, dann würde Hook ihm schlicht beim Anziehen behilflich sein und der pure Gedanke, Hook würde ihn an Bein oder Po berühren, würde mit seinem gierigen Blick die Knöpfe über seinem Schritt schließen, machte Peter unruhig. Er leugnete es sich selbst gegenüber, doch er wollte schon wieder von dem Pirat berührt werden. So unglaublich das Erlebte vorhin gewesen war, es reichte Peter nicht. Er wollte mehr davon!
 

„Du wirst nicht wegrennen?“

„Und das Abenteuer verpassen, vergiftet zu werden? Nein, niemals“, lächelte Peter höhnisch. Hooks Miene verfinsterte sich. „Wohin soll ich mit meinem Knöchel rennen? Du hast mich schon zweimal eingefangen, ein drittes Mal gönne ich dir nicht“, fauchte Peter.

„Wenn das so ist… Dreh dich um.“
 

Peter tat wie ihm geheißen und dann spürte er Hooks Hände auf seinem Arm. Wärme ließ seine Haut kribbeln. Auch ohne zu sehen, was Hook tat, wusste er, dass der Kapitän ein Messer aus seinem Stiefel zog und das Seil mit selbigem durchtrennte. Als seine Arme frei waren, spürte er, wie das Blut nun besser zirkulierte. Zuerst tat es noch mehr weh, doch dann verblasste der Schmerz und Peter war erleichtert. Ohne auf Hook zu achten, setzte er sich ein paar Meter weiter auf den Waldboden, schloss seine Augen und wünschte sich frische Kleidung. Als er sie öffnete, blickte er sich um, denn im Gegensatz zu Speisen landeten Kleidungsstücke nie direkt vor einem. Sie hingen mehr in Büschen und Bäumen, manchmal auch auf Felsen oder Sandburgen, je nachdem, wo man sich eben gerade befand. Peter fand seine Hose von einem niedrigen Ast herabhängen. Schon besser gelaunt eilte er darauf zu und noch bevor Hook etwas sagen konnte, war er in das Stück Stoff geklettert. Ein Seufzer entrang sich seiner Kehle. Jetzt fühlte er sich sicherer. Sicherer vor Hook und sicherer vor sich selbst.
 

„Was kannst du noch alles zaubern?“, fragte Hook, welcher plötzlich hinter ihm war.

„Nichts weiter“, antworte Peter und wollte schon eine neuerliche Distanz zwischen sich und Hook bringen, als Hook ihn auch schon an den Händen packte und mit einem Ruck an den nächsten Baumstamm drückte.

„Wirklich?“, fragte Hook und Peters Herz fing an zu klopfen.

„Ja, nur Essen, Trinken und Kleidung.“

„Keine Waffen?“

„Nein.“

„Woher habt ihr eure Waffen dann?“

„Selbstgemacht.“

„Und dein Dolch? Er ist aus Metall.“

„Erbeutet“, antworte Peter und schluckte. Wirklich, er wollte es nicht, doch sein Körper reagierte sofort auf Hooks Nähe. Seine Lenden brannten.

„Ich glaube dir“, sagte Hook. „Diesmal.“
 

Abrupt ließ Hook von ihm ab. Erleichtert atmete Peter mehrfach tief ein und aus. Sein Herzschlag wurde wieder langsamer, das Brennen in seiner Lendengegend schwächer. Was für ein Idiot er doch war! Schließlich hatte er geglaubt, Hook würde ihn wieder küssen, so wie immer in letzter Zeit, wenn er wütend auf ihn war. Fast war er enttäuscht, denn selbst ein zorngeladener Kuss des Piraten war besser, als keinen Kuss zu erhalten. Was sollte er nur machen? Irgendwie musste er diese komischen Gefühle für Hook wieder loswerden.
 

„Also?“, fragte der Kapitän. „In welche Richtung müssen wir?“

„Hier entlang“, sagte Peter und schritt voran. Hook folgte ihm, nicht ahnend, dass Peter zwar den korrekten Weg einschlug, jedoch nicht, ohne noch einen kleinen Zwischenstopp einzuplanen. Auch Peter Pan kannte Waffen auf Nimmerland, die einen Krieger in die Knie zwingen konnten und im Moment dachte Peter nur noch an eine bestimmte Blume, die so blau leuchtete, wie das Vergessen selbst.
 

Fortsetzung folgt…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-05-05T18:57:29+00:00 05.05.2015 20:57
Ja… Hassliebe ist so eine verdammt schwierige Sache. Wo soll man denn da wissen, wo der Hass aufhört und die Liebe anfängt? So ein ewiges Hin und Her der Gefühle ist echt schwer, aber das macht so eine Romanze ja erst so verdammt spannend. Na ich bin ja echt mal gespannt, ob Hook ihm tatsächlich das Gift verabreichen wird und was dann passiert.


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