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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 6

Hätte es an Bord der Jolly Roger eine Uhr gegeben, dann hätte Peter Pan gewusst, dass es genau 2 Stunden, 5 Minuten und ganze 43 Sekunden her war, dass sein Stolz zersplittert war. Denn genau vor 2 Stunden, 5 Minuten und 43 Sekunden waren seine Hände auf Hooks Schultern zu liegen gekommen, um dem verfluchten Kapitän beim Entkleiden behilflich zu sein. Doch auf der Jolly Roger gab es keine Uhren, denn das Ticken quälte ihren Kapitän und so wusste Peter auch nicht wie lange seine Demütigung bereits anhielt. Für ihn fühlte sie sich jedoch elendig lange an.
 

Was Peter allerdings ganz genau wusste war, dass er sich endlich setzen musste. Sein Bein schmerzte derart, dass er kaum noch stehen konnte und ihm das Atmen immer schwerer fiel. Schweiß bedeckte Peters Stirn und sein Gesicht war blass. Doch diese Genugtuung wollte er Hook nicht auch noch schenken und so biss er die Zähne zusammen und folgte mehr oder minder genau den Befehlen, welche in einer Tour auf ihn einprasselten.
 

Nachdem der Schlafrock entkleidet war, folgten Stiefel und Gürtel, auch musste Peter ihm die Strümpfe von den Füßen streifen. Sämtlicher Magie in Nimmerland dankend, hatte Hook zum Glück keine Stinkfüße. Dennoch brauchte es Überwindung für Peter, ihm anschließend die Füße zu waschen, abzutrocknen und mit einer Creme einzureiben. Nie zuvor hatte Peter sich so erniedrigt gefühlt. Für den Moment wusste er aber nicht was größer in ihm wog, die Wut oder die Scham. Irgendwie hatte er es sich einfacher vorgestellt, auf Hooks Spiel einzugehen. Nun nach 2 Stunden bemerkte Peter wie er immer wieder in Richtung von Hooks Säbel stierte, welcher auf dessen Schreibpult neben Peters eigenem Dolch lag. Peter machte sich aber keine falsche Hoffnung, selbst wenn er versuchen würde daran zu kommen, Hook wäre vor ihm da. Die Kette an seinem Fuß war verdammt schwer.
 

Peter kämmte gerade Hooks lange, schwarze Lockenpracht, wenn gleich auch sehr widerwillig. Der Kapitän hatte intuitiv seinen Stuhl an eines der Kabinenfenster geschoben, das weit genug vom Pult entfernt war. Peter stand hinter ihm und wusste nicht mehr, was er noch gegen den Schmerz in seinem Bein machen konnte, weshalb er bemüht war sich abzulenken. Just tat er dies, indem er sich den Kapitän vor ihm genauer ansah. Schon beim entkleiden war Peter aufgefallen, dass der Kapitän keineswegs so alt war, wie er immer gedacht hatte. Der Körper, der unter der Kleidung hervorgekommen war, war fest und muskulös, jedoch nicht übermäßig massig. Hook hatte den Körperbau eines Mannes, welcher jahrelang zur See gefahren und im Schwertkampf geübt war. Seine Haut war von der Sonne braun gegerbt ohne jedoch alt und verbraucht auszusehen. Im Rückblick auf die Creme mit der er Hooks Füße eingecremt hatte, mutmaßte Peter, dass der Kapitän eitel war und seinen Körper pflegte. Seinen nackten Oberkörper zierten einige kleinere Narben, doch faszinierend fand Peter eine große, die aus zwei Teilen bestand. Wenige Zentimeter über Hooks Herz befand sie sich und mündete unterhalb seines Schulterblattes. Es war ganz Eindeutig eine Verletzung von einem Schwertstoß.
 

Obwohl Peter so vieles von seinem Erzfeind wusste, war ihm diese Verletzung unbekannt. Sie musste aus Zeiten stammen bevor Hook nach Nimmerland gekommen war. Sie stimmte ihn nachdenklich, was überhaupt nicht Peters Art war. Selten verschwand er mehr als einen flüchtigen Gedanken für die Vergangenheit und lebte nur hier im Jetzt. Eine Hand legte sich plötzlich auf seine. Verdutzt blickte Peter auf. Hook hatte sich ihm leicht zugewandt.
 

„Interessiert dich meine Narbe?“
 

Erst jetzt registrierte Peter, dass er schon eine Weile aufgehört hatte, Hooks Haare zu kämmen und stattdessen mit seinen Fingern die Konturen der Narbe nachgezeichnet hatte.

„Nein“, log er und kämmte das Haar weiter. Röte kroch ihm in die Wangen und er war froh, dass Hook dies nicht sehen konnte. Ihm entging allerdings nicht, dass der Pirat ein spöttisches Lächeln auf den Lippen trug.

„Du kannst aufhören. Für heute reichen mir deine Dienste, Junge.“
 

Erleichtert seufzte Peter auf. Er durfte sich gleich setzen. Der Fußboden kam ihm gerade wie ein kleines Paradies vor. Müde hinkte er zu seinem Platz neben dem Bett und ließ sich schwerfällig nieder. Endlich den Druck seines eigenen Körpers vom Bein zu haben, war eine wahre Erleichterung, dennoch massierte er die Muskeln sanft, um die Verkrampfung zu lösen. Plötzlich wurde er nach hinten geworfen, als eine Decke in seinem Gesicht landete.

„Was?“, fauchte er, als das Kissen folgte und ihm der Aufprall für eine Sekunde den Atem raubte. Weshalb tat Hook dies? Irritiert suchte Peter Hooks Blick, doch dieser war bereits damit beschäftigt, die Kerzen zu löschen. Offenbar hatte Hook den Teil seiner Drohung, der mit Kälte zu tun hatte nicht ernst gemeint. Verwirrt hierüber und auch misstrauisch legte Peter das Kissen unter seinen Kopf als es an der Tür klopfte.
 

„Herein.“

„Kapitän, hier ist das, welches Sie bestellt haben.“

„Stell es ihm hin und geh wieder.“ Da der Pirat, jedoch zögerte, setzte Hook nach: „Er beißt nicht. Zumindest nicht, solange er noch angekettet ist.“

„Aye, Kapitän“, murmelte der Mann und kam im Halbdunkeln auf Peter zu, ein Tablett in Händen haltend. Er stellte es neben Peter ab und verschwand so schnell, dass Peter trocken zu Hook sagte: „Hat dir wohl nicht geglaubt.“

„Wer kann es ihm verdenken?“, gab Hook leger zurück. „Du hast drei seiner Brüder getötet.“

„Wirklich?“, fragte Peter und klang dabei sehr arrogant.

„Kein Grund darauf stolz zu sein oder ist töten etwas, das dir Vergnügen bereitet?“

Das Grinsen auf Peters Gesicht verblasste sofort. „Nein. Töten ist das was wir tun müssen, um uns vor euch zu schützen?“

„Tatsächlich?“, fragte Hook, kam schnell und geschmeidig auf ihn zu und beugte sich so tief zu Peter hinab, bis ihre Gesichter sich fast berührten. „Gilt das auch für die vielen Male, in denen ihr uns bestohlen habt, um euch zu amüsieren? Dafür das ihr Diebstahl als Auftakt zu einem Gewaltakt inszeniert?“ Peter schwieg, starrte Hook nur finster an. „Das dachte ich mir, Pan und jetzt iss, ehe ich es mir anders überlege.“
 

Abrupt ließ er Peter auf dem Boden sitzen und gab ihm nur so viel Zeit, dass Peter auf dem Tablett einen Krug Wasser, ein Stück Brot und ein wenig Schinken entdecken konnte, ehe die letzte Kerze verloschen war. Durstig und hungrig ertastete er im Dunkeln Essen und Trinken und hatte schon fast fertig gespeist, als seine Augen sich an das minimale Licht, dass durch die Kajütenfenster eindrang, gewöhnt hatten. Die innere Erleichterung, dass Hooks Drohung, Durst, Hunger und Kälte betreffend, nur ein Bluff gewesen war, machte sich bei ihm erst bemerkbar, als er seinen Durst gestillt, gesättigt und zugedeckt war und er trotz des harten Fußbodens in einen tiefen Schlaf überglitt.
 

Fortsetzung folgt…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2015-05-04T13:51:02+00:00 04.05.2015 15:51
Nun, so ganz unrecht hat Hook ja nicht. Man kennt ja das Bild, dass die Piraten die Bösen sind und Peter und die verlorenen Jungs die Guten. Aber so ich finde es auch mal gut, dass das auch mal aus einer anderen Perspektive beleuchtet wird.


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